Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
STANFORD ll^»3) LIBRARIES
In Memory of
AlLin Morgan Standisb
f
DER INDEX
DER
VERBOTENEN BÜCHER.
EIN BEITRAG
ZUR KIRCHEN- UND LITERATURGESCHICHTE
VON
DR FR. HEINRICH REUSCH,
PROFE8ROH AN DER UNIVERSITÄT ZU BONN.
ZWEITER BAND,
ERSTK ABTIIEILUNCJ.
BONN
VERLAG VON MAX COHEN & SOHN (FR. COHEN)
1886.
Ex LiBRIS
STANFORD
LIBRARIES
In Memory of
Alhut Morgan SfanJish
DER INDEX
DER
VERBOTENEN BÜCHER
EIN BEITRAG
ZUR KIRCHEN- UND LITERATURGESCHICHTE
VON
m FR. HEINKICn ^EUSCH,
PKÜFKSROK AN DER UNIVERSITÄT ZU BONN.
ZWEITER BAND,
ERSTE ABTIIEIIiLN(4.
BONN
VERLAG VON MAX COHEN & SOHN (FR. COHEN)
1886.
[
Vorwort.
Der zweite Rand uieiues Werkes erscheint später und ist,
was damit zusammenhängt, umfangreieher geworden, als ich
nach der Vollendung des ersten voraussetzte. Die Fülle und
Mannigfaltigkeit des Materials niuss dieses entschuldigen. Der
Wunsch, die Geschichte des Index bis zur Gegenwart möglichst
vollständig und genau darzustellen, — das letzte noch berück-
sichtigte Bücherverbot ist vom 19. Dec. 1884 datirt, — und
die Schwierigkeit, das reiche Material zu beherrschen, mag
auch der grossen Zahl der Nachträge zur Entschuldigung ge-
reichen.
Die Einrichtung ist in dem zweiten Bande dieselbe wie
im ersten: die grösser gedruckten Partieen geben eine zusammen-
hangende Geschichte des Index; in kleinerm Druck folgt die wei-
tere Ausführung dieser Skizze. Nur glaube ich, dass in diesem
zweiten Bande auch die kleiner gedruckten Partieen mit Aus-
nahme weniger Paragraphen für einen weitern Leserkreis
verständlich und interessant, grossentheils für die Geschichte
und Charakteristik des Index mindestens ebenso wichtig sind
wie die grösser gedruckte Skizze.
In dem Register, in welches (mit I bezeichnet) auch einige
Berichtigungen und Nachträge zu dem Register des ersten Bandes
eingefügt sind, stehen die Namen und Schlagwörter im allge-
meinen in derselben Ordnung wie in den neueren Index-Aus-
gaben (in dem Buch selbst sind sie gesperrt gedruckt); nur habe
ich nicht Die theologischen Studien etc. unter Die, van Ess nicht
unter Van, Le Bret nicht unter Bret, La Combe nicht unter
Combe, Du Chesne nicht unter Chesne, Saint-Amour nicht unter
Amour gestellt u. dgl.
IV Vurwort.
Ich fühle mich verpflichtet, auch dieses Vorwort mit dem
Ausdracke des herzlichen Dankes ilir die Unterstützung zu
schliessen, die mir bei meiner Arbeit von vielen Seiten zu Theil
geworden ist.
Bonn im April 1885.
Ueusch.
Inhalt.
Seite
1. Die Röuiischen Bücberverbote im allgemeinen .... 1
2. Publication der Bücherverbote 17
3. Ausgaben des Eömischen Index von 1600 bis 1664 . . 23
4. Der Index Alexanders VII. 1664 29
5. Ausgaben des Römischen Index von 1670 bis 1758 . . 33
6. Der Index Benedicts XIV. 1758 . . . 38
7. Der Index des spanischen GeneraMnquisitors Sandoval
1612 42
8. Der Lissaboner Index von 1624 46
9. Spanische Indices von 1632 bis 1790 49
10. Französischer Index von 1685 57
11. Belgische Indices 1695—1714 59
12. Böhmische Indices 1726—1767 63
13. Nachträge zu dem Index von 1596 66
14. Allgemeine Verbote 73
15. Expurgationen im Römischen Index 83
16. Ersatz für die erste Classe 87
17. Deutsche protestantische Theologen 1600—1758 . . . 106
18. Holländische protestantische Theologen 114
19. Englische protestantische Theologen 118
20. Französische protestantische Theologen 127
21. Italienische protestantische Schyiften 131
22. Schriften über die Päpste, die Inquisition und dgl. 1600
—1757 136
23. Schriften über die morgenländische Kirche 145
24. Judaica 148
25. Patristische und mittelalterliche Schriften. Heidnische das-
siker 151
26. Gedichte, Facetien und dgl. Schulbücher. Zeitschriften und
encyclopädische Werke 159
27. Protestantische Juristen 167
28. Philosophische , naturwissenschaftliche und medicinische
Schriften 174
29. Magische, astrologische und ähnliche Bücher .... 181
30. Geschichtliche Schriften 188
31. Falsche Ablässe 205
VI Inhalt.
S«itc
32. Oflicien und andere Gebete 214
33. Exorcismen-Bücher 218
34. Schriften über Heilige. Heiligenbilder 22H
35. Mariologie 229
36. Fälschungen 244
37. Nonnen-Offenbarungen 252
38. Schriften über Orden 260
39. Jesuitica 280
40. Die Controverse de auxiliis 298
41. Casuisten 1600—1654 309
42. Der Streit zwischen Paul V. und der Republik Venedig,
1606. P. Sarpi 319
43. Der Streit über den englischen Treueid, 1606 .... 327
44. Die Censnrirung der politischen Doctrinen der Jesuiten in
Frankreich, 1610—1625 341
45. Gallicaner vor 1682 354
46. Regalisten, 1600 — 1700 370
47. Streitigkeiten zwischen Welt- und Ordensgeistlichen, 1600
— 1700 382
48. Inqnisitionsprocesse unter Urban VIII 394
49. Katholische Theologen 410
50. J. B. Poza und Th. Raynaud 434
51. Arnaulds Buch über die Communion. M. de Barcos. Das
Rituel d'Aleth ; ... 446
52. Die Jansenistische Controverse, 1641 —1669 457
53. Pascal und Arnauld über Jesuiten-Moral 484
54. Streitschriften über Moraltheologie 1657-1730 ... 497
55. Streitigkeiten in den Niederlanden 1654 — 1690 . . . . 515
56. Der Streit über die Attritio und über das Peccatuni philo-
sophicum 531
57. ,, Jansenistische'' Erbauungsbücher 539
58. Die gallicanische Controverse unter Alexander VII. 1663 552
59. Der Streit über das Regalienrecht, 1677—82 560
60. Die gallicanischen Artikel von 1682 565
61. Gallicanische Kirchenhistoriker 577
62. Philosophische Schriften 1660—1750 598
63. Der Quietismus 610
64. Fenelon 628
65. Streitigkeiten in den Niederlanden 1690—1712 .... 643
66. Controversen , welche mit der Jansenistischen zusammen-
hangen 667
67. Der Cas de conscience von 1702 692
68. Die Utrechter Kirche 712
69. Die Bulle Unigenitus 724
70. Schriften von Gegnern der Bulle Unigenitus . . . . 761
71. Der Streit über die chinesischen und malabarischen Ge-
bräuche 771
72. Kirchlich-politische Streitigkeiten 1700—1750 .... 777
78. Gallicaner 1729—63 788
Inhalt, VII
Seite
74. Italienische Streitschriften 794
75. Die Freimaurer 801
76. Jesuitica 1740-60 804
77. Der Streit über den Probabilismus, 1743 — 57 . . . 816
78. Die Bibliotheque Janseniste und der spanische Index von
1747 827
79. L. A. Muratori 839
80. Die Controverse über das Zinsennehmen 847
81. Das Lesen der Bibel in der Volk spräche 851
82. Irreligiöse Schriften 862
Berichtigungen und Nachträge 876
üebersicht der besprochenen Indices.
T. Der Römische Index.
1. Index Clemens' VIII. 1600—1674; mit Zusätzen, Romae 1624
—40; Coloniae 1627. 1647. 1665; Romae et Tridenti 1634;
— Syllabus 1618; Edictum 1619; Raccolta 1624; Elenohns
1632. 1635. 1640. 1644, S. 23.
2. Index Alexanders VII. 1664 (1665. 1667), S. 29.
3. Vermehrte Ausgaben des Index Alexanders VII. 1670 — 1752:
Index Clementis X., Innocentii XI., regnante Clemente XI.,
regnante Benedicto XIV., S. 33; — Prag 1726, S. 63.
Raccolta von 1710, S. 37. Nota di alcune operette, S. 38.
4. Index Benedicts XIV. von 1758, S. 38. 877.
5. Vermehrte Aasgaben des Index Benedicts XIV.: Romae
1758—70; Parmae 1783; Pii VI. 1786 (1787. 1806); Pii
VII. 1819; Gregorii XVI. 1835. 1841; Pii IX. 185.''>. 1871;
Leonis XIII. 1881 ; Nachdrucke (Paris. Mecheln u. s. w.)
1825—1860, S. 877.
II. Der Römische Index mit Zusätzen.
1. Krakauer Indices von 1603 und 1617, S. 28.
2. Lissaboner Index von 1624, S. 46.
III. Der spanische Index.
1. Sandoval 1612 (Genf 1619. Palermo 1628), S. 42.
2. Zapata 1632, S. 49.
3. Sotomayor 1640 (1667), S. 50.
4. Vidal Marin 1707, S. 53.
5. Perez de Prado 1747, S. 54. 827.
6. Rubin de Cevallos 1790, S. 55. 887.
7. Suplemento al Indice de 1790, S. 887.
IV. Bischöfliche Indices.
1. Catalogue des Erzbischofs von Paris von 1685, S. 57.
2. Decret des Erzbischofs Precipiano von Mecheln von 1695,
S. 59. 651.
3. Clavis haeresim claudens, Königgraetz 1729. 1749, S. 63.
4. Index bohemicorum librorum, Prag 1767, S. 63.
5. Verzeichniss aftermystischer Bücher, Augsburg 1820, S. 901.
Uebersicht der besprochenen Indices. IX
6. Notificanza, Turin 1852, S. 901.
7. Index diocisain, Lngon 1852, S. 902.
V. Staatliche Indices.
1. Oesterreichische : Catalogus, Wien 1754 — 1780; Verzeich-
nias, Wien 1816; Catalogue, Bruxelles 1788, S. 895.
2. Catalogns, München 1770, S. 898.
3. YerzeichnisB der verbotenen (socialdemokratischen) Dmck-
Schriften, Berlin 1882, S. 899.
VI. Privatarbeiten.
1. Index generalis von Thomas James, Oxoniae 1627, S. 29.
2. Elenchus von Namur, 1709, S. 59.
3. Index von J. B. Hannot, S. 59.
4. Madrider Index von 1844, S. 887.
5. Verzeichnisse von staatlich verbotenen Büchern (Deutsch-
land, Schweden, Frankreich), S. 898.
Erklärung einiger Abkürzungen.
Alex. No. 1 = No. 1 der dem Index Alexanders VII. beigefügten Edicte;
S. 17.
Const. =a Ck)n8titutione8 et decreta apostolica, Col. 1686; S. 18. 524.
Hannot =s Index von J. B. Hannot; S. 59.
Kam. = Elenchus . . ., Namurci 1709; S. 59.
Acta S. S. ^ Acta Sanctae Sedis in compendium redacta, Rom 1865 fif.
Arn. = Arnaald, Oeuvres; S. 660.
Avr. Ä Avrigny, Memoires; S. 590.
Baillet, A., Jugemens des savants, Amst. 1725.
Barbier-QuSrard = Querard, Supercheries litt.; 2. Ed. suivie du Diction-
naire des ouvr. anonymes par A. A. Barbier, Paris 1869.
Boss. = Bossuet, Oeuvres, Versailles 1815 — 19.
Bull. = Bullarium und Bull(arii) cont(inuatio) , Luxemb. 1727 fr. (bis
Clemens XII.); Bullarium Benedicti XIV.^ Rom 1754; Bullarii con-
tinuatio, Rom 1885 ff. (Clemens XIII. bis Pius VIII.).
C. Qu. = Causa Quesnelliana; S. 656.
Cantü, GU beretici d'Italia, 1865—68.
Civ. 1, 1, 1 es Civiltä cattolica, Serie 1, vol. 1, p. 1.
Coli. Lac. = Acta et decreta conciliorum recentiorum. Collect io Lacensis,
1870—82.
Cr6t.-Joly = Cretineau-Joly, Hist. de la Compagnie de Jesus, 2. Ed.,
Par. 1846.
Dict. Jans. = Dictioimaire des livres Jansenistes; S. 831.
Dodd = Church History of England by Ch. Dodd, 1737, 3 FoL — Dodd-T.
= New edition by M. A. Tiemey, 1839—43, 5 vol. 8.
Drujon, Catalogue ; S. 900.
Dupin, Biblioth^que ; S. 586.
Fen. = Fenelon, Oeuvres, Versailles 1820—24. Corr(e8pondance) de Fe-
n(elon), Par. 1827—29.
Fleur. = Cl. Fleurii Hist. eccl. a quodam anonyme continuata atque a P.
Alexandro lat. reddita, Augsb. 1767 ff.; S. 590.
G. eccl. = Giornale ecclesiastico di Roma, 1785 — 94; S. 972.
Erklärung einiger Abkürzungen. XI
Hurter, Nomenciator literarius, 1871 — 84.
Irailh, Querelles litteraires, Par. 1761.
Mich, a S. Jos. = Michaelis a. S. Josepho Bibliographia critica; S. 872.
Michaud, £., Louis XIY. et Innocent XL, Par. 1882.
Migne, Dictionnaire des hSresies; S. 831.
N. £. = Nouvelles ecclesiastiques ; S. 759.
Pelayo, Los Heterodoxos espaQoles, 1880—81.
Perrens, L'6glise et Tetat; S. 342.
Picot, Memoires; S. 590.
Plat, Recherches; S. 342.
Roskoväny, Romanus Pontifex, 1867 fF.
S.-Beuve = Sainte-Beuve, Port-Royal, 3. Ed., 1867.
Schulte, Gesch. der Quellen und Literatur des canonischen Rechtes, 1875 — 80.
Serry, Historia congregationum de aux., 1709; S- 308.
Valery, Correspondance inedite de Mabillon et de Montfaucon, Par. 1846.
1. Die Römischen Bücherverbote im allgemeinen.
1. Wie in früheren Jahrhanderten, so wurden auch nach
dem J. 1600 in wichtigen oder für wichtig gehaltenen Fällen
Bücher durch päpstliche Constitutionen, Bullen oder Breven,
verdammt. So von Clemens VIII. 1602 die Werke des Carolus
Molinaeus (I, S. 442), von Urban VIII. 1642 das Buch des Jan-
scnius und mehrere darauf bezügliche Schriften, von Alexander VII.
1661 eine französische Uebersctzung des Missale u. s. w. —
Einige Formeln sind in diesen Actenstücken stehend, namentlich
folgende: Wir verdammen das Buch „aus eigenem Antriebe
(motu proprio) und aus sicherer Wissenschaft und nach reiflicher
Ueberlegung mit apostolischer Autorität (in Bullen: durch diese
Constitution, die fttr immer Geltung haben soll, kraft der Au-
torität der seligen Apostel Petrus und Paulus und Unserer
eigenen) und verbieten das Drucken, Lesen und Behalten des>
selben allen, wessen Standes und Ranges sie auch sein mögen
und wenn auch dieselben speciell und individuell erwähnt wer-
den müssten, bei Strafe der Excommunicatio latae sententiae
(mitunter wird die Excommunication reservirt) . . . Wir befehlen,
die Exemplare sofort wirklich (realiter et cum eflfectu) den Orts-
bischöfen oder Inquisitoren abzuliefern, welche dieselben unver-
züglich verbrennen sollen .... Dieses Schreiben soll an den
Thüren der Basilica des Apostelfürsten und der apostolischen
Kanzlei und in acic Campi Florae angeheftet werden und, so
publicirt, alle so verpflichten, als ob es jedem einzelnen intimirt
wäre." — Seit Alexander VII. (1665) wird gewöhnlich im An-
fange angegeben: die Verdammung erfolge auf Grund der von
einigen damit beauftragten Theologen abgegebenen Gutachten
und der von den Cardinälen der Inquisition abgegebenen Vota
Beniob, Index IL 1
^ tlÖmischc Bücherverbote im allgemeinen.
(oder nach Anhörung einiger Cardinäle und anderer gelehrter
Männer).
2. Die meisten Bücherverbote gingen von der Indcx-Con-
gregation, manche von der Inquisition aus. Ueber das Verfahren
beider Congregationen handelt ausführlich die Bulle Sollicita
Benedicts XIV. vom 9. Juli 1753 (abgedruckt in den seit 1758
erschienenen Index-Ausgaben). Was der Papst vorschreibt, war,
wie er wiederholt hervorhebt, im wesentlichen schon vor ihm
Praxis.
§ 2. Da Wir erfahren, dass über viele Verbote von Büchern,
namentlich von katholischen Verfasflern, mitunter öffentlich und un-
gerechter Weise geklagt wird, als ob in unseren Tribunalen diese
Sache unüberlegt und oberflächlich behandelt würde, so wollen Wir
durch diese Constitution, die für alle Zeiten gelten soll, bestimmte
und feste Kegeln aufstellen, nach denen fortan die Prüfung und
Beurtbeilung der Bücher vorzunehmen ist, wiewohl behauptet wer-
den darf, dass auch bisher in derselben oder in gleicher Weise ver-
fahren worden ist.
§ 3. Wenn ein Buch als der Proscription würdig der Inqui-
sition denuncirt wird und diese dasselbe nicht, wie gewöhnlich
geschieht, der Index-Congregation überweist, sondern selbst darüber
entscheiden will, so soll gemäss dem am Mittwoch 1. Juli 17r>()
von der Inquisition gelassten und am folgenden Donnerstag von Uns
bestätigten Beschlüsse so verfahren werden:
8 4. Das Buch wird einem Q,ualificator oder Consultor über-
geben; dieser hat einen schriftlichen Bericht abzufassen mit Angabe
der Stellen, welche die Irrthümer enthalten. Das Buch wird dann
mit dem Berichte dieses Revisors allen Consultoren zugesandt, und
diese fassen in einer Montags-Sitzung ihren Beschluss. Dieser wird
mit dem Buche den Cardinälen zugesandt, welche in einer Mitt-
wochs-Sitzung einen definitiven Beschluss fassen (de tota re defini-
tive pronuncient). Dann werden alle Acten von dem Assessor dem
Papste vorgelegt und von diesem die Sache endgültig entschieden
(cuius arbitrio iudicium omne absolvetur).
§ 5. Wenn es sich um ein Buch eines katholischen Verfassers
handelt, soll es nach altem Herkommen nicht auf den Bericht Eines
Revisors hin verdammt werden. Wenn der erste Censor meint, das Buch
sei zu verdammen, und die Consultoren ihm zustimmen, so wird
das Buch . mit der Censur, ohne Nennung des Namens des ersten
Censors, einem andeiii von der Congregation zu bestimmenden Censor
übergeben. Stimmt dieser dem ersten zu, so werden beide Gut-
achten den Cardinälen zugesandt. Meint der zweite Censor, das Buch
sei freizugeben (dimittendum), so wird ein dritter Censor bestellt,
dem die beiden Censuren ohne Nennung der Verfasser zugestellt
werden. Stimmt dieser dem ersten zu, so geht die Sache gleich
an die Cardinäle, stimmt er dem zweiten zu, zunächst nochmals an
Inquisition und Index-Congregation. 8
die ConRultoren und dann mit allen Censuren und dem Votum der
Consultoren an die Cardinäle. Der Papst kann auch mit Rücksicht
auf die Wichtigkeit der Sache oder die Verdienste des Verfassers
oder andere Umstände in einer unter seinem Vorsitz zu haltenden
DonnerstÄgs-Sitzung üher das Buch entscheiden lassen, wie Wir
oft gethan haben und, so oft es Uns angemessen erscheint, auch
in Zukunft zu thun gedenken. In diesem Falle werden dem Papste
und den Cardinälen die Censuren und die Vota der Consultoren vor-
gelegt und braucht in der Mittwochs-Sitzung nicht über die Sache
verhandelt zu werden.
§ 6. Mitglieder der Index-Congregation sind mehrere
Cardinäle (einige derselben sind gewöhnlich zugleich Mitglieder der
Inquisition); einer derselben ist Präfect der Congregation. Bestän-
diger Assistent ist der Magister Sacri Palatii, Secretär ein von
dem Papste ernannter Dominicaner. Die Congregation hat eine An-
zahl von Consultoren aus dem Stande der Weltgeistlichen und Ordens-
geistlichen und von Berichterstattern (Relatores). Wenn einer der
letzteren einen, zwei oder drei Berichte zur Zufriedenheit der Con-
gregation erstattet hat, pflegt diese seine Ernennung zum Consultor
bei dem Papste zu beantragen.
§ 7. Auf Grund eines früher von dem Präfecten der Congre-
gation, Card. Querini, abgegebenen Gutachtens und eines zweiten,
welches einige ältere Consultoren abgegeben, die in Unserm Auf-
trage unter dem Vorsitze des damaligen Secretärs, Joseph Augustin
Orsi, darüber berathen haben, bestimmen Wir folgendes:
§ 8. Die Index-Congregation hält nicht so regelmässig Sitzungen
wie die Inquisition. Darum soll der Secretär, wie bisher, die De-
nunciationen von Büchern entgegennehmen. Er soll den Denun-
cianten zur genauen Angabe der Gründe, weshalb er das Verbot
des Buches verlangt, auffordern, dann das Buch selbst sorgfältig
lesen und dazu zwei mit Genehmigung des Papstes oder des Prä-
fecten auszuwählende Consultoren zuziehen. Glauben sie, das Buch
sei zu censuriren, so wird ein sachkundiger Relator beauftragt, das-
selbe zu prüfen und schriftlicli darüber zu berichten. Dieser Bericht
wird zunächst in einer Sitzung von Consultoren, welche früher Parva
genannt wurde, welche Wir aber Praeparatoria nennen werden, vor-
gelegt. Eine solche Sitzung ist von dem Secretär wenigstens ein-
mal im Monate, nach Bedürfniss öfter anzuberaumen, und es müssen
darin der Magister Sacri Palatii und sechs von dem Secretär mit
Genehmigung des Papstes oder des Präfecten mit Rücksicht auf den
zu verhandelnden Gegenstand auszuwählende Consultoren zugegen
sein. Der Secretär hat die Vota der Consultoren zu protocoUiren
und dieselben mit der Censur des Relators den Cardinälen zuzu-
senden. Diese verhandeln darüber in einer General-Congregation,
deren Beschluss der Secretär dem Papste mit genauem Bericht zur
Bestätigung vorzulegen hat.
§ 9. Folgendes ist von beiden Congregationen zu beobachten:
Wenn es sich um ein Buch von einem katholischen Verfasser handelt,
der unbescholten (integrae famae) ist und durch andere Bücher oder
4 Römische Bücherverbote im allgemeinen.
durch das fragliche Buch sich einen Namen gemacht (clari nominis),
und es nöthig ist, dieses Buch zu verbieten, so soll dasselbe, wie
68 längst üblich ist, wenn irgend möglich, nur donec corrigatur oder
donec expurgetur verboten werden. Wird dieses beschlossen, so soll
das Decret nicht gleich publicirl, sondern zunächst dem Verfasser
oder einem Vertreter desselben mitgetheilt und diesem angegeben
werden, was zu streichen, zu ändern oder zu verbessern sei. Wenn
niemand als Vertreter des Verfassers erscheint oder dieser oder sein
Vertreter die Verbesserung des Buches verweigert, soll das Decret
veröffentlicht werden. Wenn aber der Verfasser oder sein Procurator
das von der Congregation Befohlene thut, d. h. eine neue verbesserte
Ausgabe des Buches veranstaltet, so wird das Decret unterdrückt oder,
wenn viele Exemplare der ersten Ausgabe verbreitet sind, so publicirt,
dass man sieht, dass nur die erste Ausgabe verboten sei^).
§ 10. Man hat darüber geklagt, dass Bücher verboten würden,
ohne dem Verfasser vorher Gelegenheit zu bieten, sich zu vertheidigen.
Darauf ist geantwortet worden: es sei nicht nöthig, den Verfasser
vorzufordem, da es sich nicht um die Verurtheilung seiner Person
handle, sondern um die Abwendung der Gefahr, welche das Lesen
seines Buches den Gläubigen bringen könne; und wenn aus der Ver-
dammung eines Buches dem Namen des Verfassers eine Makel (igno-
miniae labes) erwachse, so sei das nicht eine directe, sondern nur
eine indirecte Folge derselben. Aus diesem Grunde glauben Wir,
dass die ohne Anhörung der Verfasser erlassenen Bücherverbote
nicht zu missbilligen sind, zumal anzunehmen ist, dass das, was etwa
der Verfasser für sich oder die Lehre des Buches hätte vorbringen
können, von den Censoren und Richtern nicht ausser Acht gelassen
sein werde. Indess wünschen Wir sehr, die Congregation möge,
wie sie auch bisher in vielen Fällen gethan, wenn es sich um einen
angesehenen und verdienstvollen Schriftsteller handelt und sein Buch
mit Weglassung der bedenklichen Stellen (demptis demendis) ver-
öffentlicht werden kann, den Verfasser, wenn er es wünscht, hören
oder einen aus den Consultoren bestellen, um sein Buch ex officio
zu vertheidigen.
§ 11. In wichtigen Fällen werden W^ir selbst der Sitzung der
Index-Congregation beiwohnen. Dieses ist aber nicht nöthig, wenn
es sich um das Buch eines Ketzers, worin dem katholischen Dogma
widersprechende Irrthümer vertheidigt werden, oder um ein unsitt-
liches Buch handelt. In diesen Fällen sind nicht einmal die oben
erwähnten Rücksichten zu nehmen, sondern die Bücher sofort nach
der 1., 2. und 7. Trienter Regel zu verbieten.
§ 12. Die Relatoren, Consultoren und Cardinälo der Index-
Congregation verpflichten Wir in derselben Weise, wie dies für die
Inquisition gilt, zum Schweigen. Der Secretär darf jedoch die zu
1) Diese Verordnung soll Benedict erlassen haben, weil er über das
Verbot des I S. 386 besprochenen Buches von Bandini unzufrieden war.
Mazzuchelli 2, 223.
Inquisition und Index- Gongregation. 5
einem Buche genmehten Bemerkungen dem Verfasser oder seinem
Vertreter auf Verlangen mittheilen, ohne aber den Denuncianten
und den Censor zu nennen.
§ 13. Die Zahl der Revisoren und Consultoren ist nicht be-
stimmt. Ob sie in Zukunft bestimmt werden soll, darüber bleibt
eine Entschliessung vorbehalten. Jedenfalls sollen darunter Welt-
geistliche und Ordensgeistliche, Theologen, Juristen und in der
heiligen und profanen Wissenschaft bewanderte Männer sein, damit
je nach der Verschiedenheit der der Congregation überwiesenen
Bücher geeignete Beurtheiler gewählt werden können.
§ 14. Die Referenten und Consultoren der Index-Congregation
sollen folgende Regeln beobachten:
§ 15. I. Sie sollen bedenken, dass es nicht ihre Aufgabe ist,
auf jede Weise auf das Verbot eines ihnen zur Prüfung überwiesenen
Buches hinzuwirken und zu dringen, sondern das Buch sorgfältig
und ruhig zu prüfen und der Congregation so darüber zu berichten,
dass dieselbe ein richtiges Urtheil darüber fällen und je nach Ver-
dienst das Verbot, die Verbesserung oder die Freigebung desselben
beschliessen kann.
§ 16. II. Ein Buch soll einem Referenten oder Consultor zu-
gewiesen werden, der in dem betreffenden Fache bewandert ist; sollte
der Censor bei dem Lesen eines Buches erkennen, dass es ihm
irrthümlioh zugewiesen, dass er zur Beurtheilung desselben nicht
competent ist, so soll er die Congregation oder den Secretär bitten,
es einem andern zuzuweisen.
§ 17. III. Die Censoren sollen die in dem Buche vorgetrage-
nen Meinungen vorurtheilsfrei prüfen, sich nicht von den Anschau-
ungen einer Nation, einer Schule oder eines Ordens beeinflussen
lassen und sich vor Parteilichkeit hüten ; sie sollen ausschliesslich die
Dogmen der Kirche und die gemeinsame Lehre der Katholiken, die
in den Decreten der allgemeinen Concilien, den Constitutionen der
Päpste und in dem Consensus der rechtgläubigen Väter und Lehrer
enthalten ist, vor Augen haben und nicht vergessen, dass es nicht
wenige Meinungen gibt, welche einer Schule, einem Orden oder einer
Nation als ganz gewiss erscheinen und doch ohne irgendwelche Be-
einträchtigung des Glaubens oder der Religion von anderen Katho-
liken verworfen und bekämpft werden, welche die entgegengesetzten
Meinungen vertheidigen mit Vorwissen und Erlaubniss des heiligen
Stuhles, der allen solchen Meinungen ihren Grad der Probabilität
belässt.
§ 18. IV. Sie sollen bedenken, dass man über den wahren
Sinn eines Autors nicht richtig urtheilen kann, wenn man nicht sein
Buch vollständig liest, das, was er an verschiedenen Stellen sagt,
mit einander vergleicht und seinen allgemeinen Zweck sorgfältig
beachtet, und dass man darüber nicht nach einzelnen aus dem Zu-
sammenhange gerissenen und ohne Rücksicht auf andere in demselben
Buche enthaltene Sätze betrachteten Sätzen urtheilen darf, da es oft
vorkommt, dass, was ein Autor an einer Stelle seines Buches kurz
und etwas dunkel ausspricht, an einer andern Stelle bestimmt, aus-
6 Kömiscbe Bücherverbote im allgemeinen.
führlich und klar entwickelt wird, so dass die Dunkelheit nnd das
anscheinend Bedenkliche der erstem Stelle durch die zweite ganz
beseitigt wird.
§ 19. Y. Wenn einem katholischen Autor, der im Kufe eines
frommen und gelehrten Mannes steht, Ausdrücke entschlüpft sind,
die eine gute und eine schlimme Deutung zulassen, so fordert die
Billigkeit, sie, so weit es möglich ist, im erstem Sinne zu nehmen.
§ 20. Ferner sind noch folgende zwei Punkte zu beachten:
§ 21. Es erscheinen mitunter Bücher, in welchen falsche und
verworfene Lehren oder Systeme anderer von dem Verfasser einfach
historisch referirt werden, ohne dass irgend etwas zur Widerlegung
derselben gesagt wird. Auf solche für viele Leser gefährliche
Bücher sollen die Revisoren sorgfältig achten. Dieselben müssen,
wenn sie irgendwie nutzen können, verbessert, sonst auf den Index
gesetzt werden.
§ 22. Es ist sehr verkehrt, wenn Autoren einander schmähen
und beschimpfen, Meinungen anderer, die noch nicht von der Kirche
verdammt sind, censuriren, ihre Gegner und deren Schule oder Orden
verspotten. (Dieser Satz wird § 22 — 24 weitläufig begründet.)
§ 25. Die vorstehenden Bestimmungen, welche durchaus mit
den Decreten Unserer Vorgänger und den Gesetzen und Gewohn-
heiten Unserer Congregationen übereinstimmen, verordnen Wir kraft
apostolischer Autorität fortan zu beobachten.
3. Auch die anderen Congregationen verboten mitunter
Bücher, weiche in ihr Ressort einschlugen. So wurden ziemlich
viele Schriften zunächst durch die Gongregation der Ablässe,
einige zunächst durch die Gongregation des Trienter Con-
cils oder durch die der Riten oder durch die Propaganda ver-
boten. Solche Verbote wurden der Index-Congregation raitge-
theilt und von dieser promulgirt.
4. Der Magister Sacri Palatii konnte von Amts wegen nur
für Rom Bücherverbote erlassen. Mitunter erliess er aber solche
im speciellen Auftrage des Papstes, und diese hatten natürlich
allgemeine Geltung. Einige umfangreiche unter seinem Namen
publicirte Edicte aus den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts,
die in der Sammlung Alexanders VII. stehen, sind augenschein-
lich nur Promulgationen der von dem Papste resp. der Index-
Congregation oder Inquisition ausgegangenen Bücherverbote.
Einige, aber nur wenige in den Index- Ausgaben stehende Bücher
werden ausdrücklich als von dem Magister S. Palatii verboten
bezeichnet.
1. Verdammungen von Büchern durch Bullen oder Breven
werden seit Clemens XI. (1700 — 21) viel zahlreicher. Er erliess
Bullen und Breyen. 7
io einem Jahre, 1710, fünf derartige Breven (Audoul, £ntretien8,
Persin, Ragioni). Clemens Xli. unterzeichnete einmal drei an einem
Tage, 26. Jan. 1740 (Arret, Courayer, Histoire). Seit Benedict XIV.
enthalten diese Verdammungen mitunter ausführliche Motivirungen
(Borde, Eybel). Seit Benedict XIV. finden sich auch solche Ver-
dammungen in Allocutionen und seit Clemens XIII. in Encycliken
(A. J. P. 22, 917). In einem Breve Benedicts XIV. vom 5. Sept.
1757 (Epistola) wird zum ersten Haie, dann öfter ein Buch nicht
überhaupt bei Strafe der Excommunicatien, sondern bei Strafe der
Suspension für Geistliche, der Excomm. für Laien verboten.
Alexander VII. bestimmte 1664: die von Pius IV. der Be-
stätigung des Trienter Index beigefügten Strafandrohungen sollten
in Kraft bleiben, von allen anderen in apostolischen Constitutionen
und Decreten enthaltenen Strafbestimmungen aber nur die der Bulla
Coenae. In der Vorrede zu dem Index Benedicts XIV. von 1758
wird dann aber darauf hingewiesen, dass zwar nach dieser Bestim-
mung nur die von Ketzern verfassten Bücher, in denen sie ex pro-
fesso von der katholischen Religion handeln und Ketzereien lehren,
bei Strafe der reservirten Excommunicatien verboten seien, dass
aber fast allen in Breven oder Bullen seit 1664 ausgesprochenen
Bücherverboten die nämliche Strafandrohung beigefügt sei. Demge-
mäss wird in der Bulle Pius* IX. vom 12. Oct. 1869 die Strafe
der reservirten Excommunicatio latae sententiae auf das Lesen,
Behalten u. s. w. solcher verbotener Bücher beschränkt, welche
entweder von Ketzern oder Apostaten verfasst sind und die Ketzerei
nicht nur enthalten, sondern ex professo verth eidigen, oder welche
durch apostolische Schreiben namentlich (unter Angabe des Titels)
verboten sind ^).
2. Die Inquisition hatte sich zunächst mit einem Buche zu
befassen, wenn jemand angeklagt war, eine ketzerische oder sonst
gegen den Glauben verstossende Ansicht vorgetragen zu haben, oder
wenn es sich um die Frage handelte, ob die in einem Buche vor-
getragenen Ansichten ketzerisch u. s. w. seien (so bei den Werken
von Raymund Lull, I S. 30). Wurde die Anklage als begründet
erkannt oder diese Frage bejaht, so wurden natürlich auch die be-
treffenden Bücher verboten. So wurde 1615 die Ansicht des Co-
pernicus von der Inquisition verdammt, und dann von der Index-
1) Vgl. I S. 341. K.-L. 1, 1127. Fr. Heiner, Die kirchlichen Censuren,
1884, S. 69. Als die Haeresie ex professo vertheidigende Bücher nennt
Heiner beispielsweise Hase*8 Polemik und Herzogs Real-Encyclopädie (beide
stehen übrigens nicht im Index). S. 73 fügt er bei : „Es gibt ausser den
beiden genannten Classen von Büchern keine anderen, auf deren Lesung,
Aufbewahrung, Druck oder Vertheidigung heutzutage eine Censur stände.
Alle anderen Bücher, auch die durch die Index-Congregation verbotenen,
ziehen keine Censur mehr nach sich. Die Constitution Pius' IX. hat also
in den Wirrwarr der Meinungen, der früher bestand, Licht und Klarheit
gebracht. Dass bezüglich der Sünde, welche diejenigen begehen, die ver-
botene Bücher, Zeitschriften u. s. w. ohne Erlaubniss lesen, nichts geändert
ist, braucht nicht erwähnt zu werden.*'
8 Römische Bücherverbote im allgemeinen.
Congrepcation das Buch des Copernicus nebst zwei anderen verboten
(Alex. No. 14). Einige Male werden die Bticherverbote der Inqui-
sition durch den Magister S. Pal. publioirt (No. 8 und vielleicht
10 und 11). In der Regel publicirte sie dieselben selbst. — In der
Regel sind es einzelne Bücher oder Eategorieen von Büchern, welche
von der Inquisition verboten werden. So 1601 (No. 2) die nicht
approbirten Litanieen, 1606 (No. 7) Bücher, die sich auf den Streit
Pauls V. mit Venedig beziehen, 1643 (No. 50) das Buch des Jesuiten
Rabardeau, 1647 (No. 52) zwei Schriften (von Barcos) über Petrus
und Paulus, 1650 (No. 53) der Catechisme de la gräce, 1654 (No. 59)
eine lange Reihe von Schriften, die mit der Jansenistischen Sache
zusammenhangen.
Indess kommen schon früh Bücherverbote vor, die ebenso gut
von der Index-Congregation wie von der Inquisition hätten ausgehen
können, wie No. 61, und ab die eine oder andere Congregation sich
mit einem Buche befasste, wird in vielen Fällen davon abgehangen
haben, bei welcher von beiden die Denunciation angebracht war
und ob die betreffende Congregation für gut fand, das Buch selbst
zu beurtheilen oder an die andere abzugeben. — Mitunter wurde
von den Denuncianten oder von Freunden oder Gegnern der Denun-
cirten Werth darauf gelegt und dahin gewirkt, dass die Sache an
die eine und nicht an die andere Congregation kam.
Im allgemeinen galt ein Verbot eines Buches als gewichtiger,
wenn es von der Inquisition, als wenn es von der Index-Congregation
ausging, zumal wenn erstere das Verbot durch Angabe der Fehler
des Buches motivirte, da man annehmen durfte, dass letztere auch
aus anderen Gründen als wegen Abweichungen vom Glauben Bücher
verbieten könne. Donnerstags- Decrete der Inquisition waren natür-
lich gewichtiger als Mittwochs-Decrete (I S. 174). Jene heissen
mitunter bei französischen Schriftstellern „une feria quinta", mitunter
unrichtig „Bulle".
Die Donnerstags-Decrete der Inquisition sind grösstentheils
nach folgendem Schema (Alex. No. 53) abgefasst: Feria V. 6.
Oct. 1650 in der Geueralcongregation der Inquisition in Gegenwart
unseres allerh. Herrn P. Innocenz' X. und der Cardinäle, die als
General -Inquisitoren für die ganze Christenheit von dem apost.
Stuhle bestellt sind. In diesem Jahre 1650 ist ein Büchlein in
französischer Sprache unter dem Titel Catechisme de la gräce
ohne Angabe des Verfassers und des Druckortes erschienen.
Gegen die darin enthaltene Lehre ist ein zweites Büchlein, gleich-
falls französisch gedruckt worden, unter dem Titel: Catechisme ou
abrege . . ., Douay 1650. Da in diesen Werkchen die Lehre von
der göttlichen Gnade und dem freien Willen behandelt wird, hat
besagter allerh. Herr, damit nicht die Gläubigen durch das Lesen
derselben der Gefahr und dem Aergerniss ausgesetzt würden, durch
dazu besonders beauftragte theologische Qualificatoren derselben h.
Congregation die darin enthaltene Lehre prüfen lassen und nach
Verlesung der Censur derselben und Anhörung der Vota der Car-
dinäle General -Inquisitoren beide Büchlein, mögen sie französisch
Inquisition. 9
oder in einer andern Sprache gedruckt sein, zu verbieten beschlosRen,
wie er sie denn durch gegenwärtiges Deere t durchaus verbietet, das
erste, weil darin . . . Darum befiehlt Se. Heiligkeit, dass niemand,
welchen Hanges und Standes er auch sein mag, sollte er auch einer
speciellen Erwähnung werth sein, diese Büchlein behalte oder lese
oder zu drucken oder drucken zu lassen wage, bei den auf ein
solches Vergehen gesetzten Censuren und Strafen ; jeder soll sie viel-
mehr gleich nach der Publication dieses Decretes den Ortsbischöfen
oder Inquisitoren abliefern. Andere Decrete sind kürzer gefasst,
z. B. (Const. p. 169): Feria V. 23. Mai 1680 in der Generalcon-
gregation .... Unser allerh. Herr Papst Innocenz XI. verbietet
und verdammt durch gegenwärtiges Decret die unten verzeichneten
Bücher und gebietet sie als verdammt und verboten anzusehen bei
den in dem h. Trienter Concil und in dem Index der verbotenen
Bücher enthaltenen und anderen nach dem Gutdünken Sr. Heiligkeit
zu verhängenden Strafen.
Beispiele von Mittwochs-Decreten sind (Alex. No. 50): Feria IV.
18. März 1643. In der Generalcongregation der Inquisition, ge-
halten im Kloster S. Maria super Minervam in Gegenwart der Car-
dinäle, die als . . . Im 1641 ist ein Buch erschienen unter dem
Titel: Michaelis Rabardaei . . . , und da nach dem Erscheinen des
Werkes dem h. Tribunal der höchsten und allgemeinen Inquisition
denuncirt worden, dass darin viele Sätze enthalten seien, welche in
der Kirche Gottes ein grosses Aergemiss hervorrufen könnten . . .,
hat die h. Congregation der Inquisition, nachdem auf Befehl unseres
allerh. Herrn die in dem besagten Buche enthaltenen Sätze reiflich
geprüft worden, einstimmig erklärt, dass viele derselben resp. te-
merär, ärgernissgebend . . . uud offenbar ketzerisch seien. Damit
also nicht durch das Lesen eines so verderblichen Buches die Gläu-
bigen von Irrthümern und Ketzereien und schlechten Meinungen
angesteckt werden, verdammen und verbieten die Cardinäle . . .
dasselbe durch gegenwärtiges Decret, indem sie befehlen, dass
niemand u. s. w.; — ferner (Const. p. 165): Feria: IV. 14. Oct. 1682.
In der Generalcongregation der h. Inquisition ... ist verboten worden
ein Blatt Thesen . . . Löwen 1682, so dass es niemand erlaubt ist,
dieselben zu lesen, zu behalten, zu lehren, zu drucken, öffentlich
oder privatim zu vertheidigen, bei den in dem Index der verbotenen
Bücher enthaltenen Strafen; — endlich (Alex. No. 51): Es sind
einige Bücher erschienen, welche, wenn sie nicht ganz oder theil-
weise beseitigt werden, die Christgläubigen in Irrthümer führen
könnten ; darum haben die vorbesagten Cardinäle beschlossen, folgende
Bücher respective (theils unbedingt, theils mit d. c.) zu verbieten.
— Publicirt wurden die Decrete mit der Unterschrift des Notars
der Inquisition. Die Bestätigung der Mittwochs-Decrete durch den
Papst wird nicht ausdrücklich erwähnt.
Von den Bücherverboten der Inquisition sind zu unterscheiden,
stehen aber mit denselben im Zusammenhange solche Decrete, in
denen sie dogmatische oder Moralsätze (propositiones) verdammte,
ohne die Bücher, aus denen sie entnommen waren, namhaft zu
10 Römische Bücherverbote im allgemeinen.
machen. Das erete derartige Decret stammt aus dem J. 1602
(Saarez); Decrete, in denen viele Sätze verdammt wurden, haben
wir aus der Zeit Alexanders YII., Innocenz' XI. und Alexanders
VIII. 1).
Das erste bei Alex, stehende Decret der Index-Congregation
(vom 1. Febr. 1601), in welchem alle Cardinäle derselben an der
Spitze genannt werden, bezieht sich auf die Venetianischen Missalien
(I S. 438), das zweite vom J. 1606, von dem Secretär publicirt,
auf die Yenetianische Ausgabe des Suarez (s. u.). Erst im Jahre
1613 finden wir ein Decret der Index-Congr., welches ein Verzeich-
niss verbotener Bücher enthält (No. 12). Es ist wie alle folgenden
von dem Präfecten unterzeichnet (von dem Secretär gegengezeichnet),
aber in der Einleitung heisst es: „Wir, Paulus Sfondratus . . .
Cardinäle der Index-Congregation, verbieten folgende Bücher, die
gemäss den Begeln des Index jedes in seine Classe zu setzen sind.'*
Von 1614 an werden die Decrete regelmässig ohne eine solche
Einleitung von dem Präfecten und Secretär publicirt. Mitunter be-
ginnen sie mit einer Einleitung, worin nach einigen umständlichen,
aber unwesentlichen allgemeinen Phrasen alle verpflichtet werden,
nachdem sie von dem Decrete Kenntniss erlangt, die betreffenden
Bücher an die Ortsbischöfe oder Inquisitoren abzuliefern (No. 15);
in anderen Fällen, — und das wird seit 1618 Regel, — heisst es
im Eingange nur: die Index-Congregation habe z. B. am 18. Mai
1618 diie unten verzeichneten Bücher verdammt und verboten (No. 17).
Der Schluss lautet in der Regel : „Zur Beurkundung dessen ist gegen-
wärtiges Decret von dem Card. N. (dem Präfecten) unterzeichnet und
untersiegelt worden." Unter der Unterschrift des Präfecten steht
dann die des Secretärs.
Bei Alex, steht ein Yerzeichniss der 77 Cardinäle, welche von
1577 bis 1664 Mitglieder der Index-Congregation waren. Es sind
darunter nur wenige, die als Gelehrte einen Namen haben, und in
der Regel waren nur einige fähig und geneigt, sich mit den Ge-
schäften der Congregation zu befassen. Dasselbe gilt von den Car-
dinälen der Inquisition. Der Jesuit Daubenton schreibt 1711 an
F6n61on: „Bei der Inquisition liegen so viele Sachen vor und gibt
es so wenige Leute, die sich ernstlich damit beschäftigen oder die
fähig sind, sich damit zu beschäftigen, dass man Jahre lang zu thuen
hat, um die Yerdammung eines Buches zu erwirken, wenn es etwas
dick ist. Nur Card. Fabroni, der Assessor des h. Ofßciums und
der P. Damascenus widmen diesen Geschäften alle ihre Zeit'' (Corr.
1) Entscheidungen über die Zalässigkeit von theologischen Meinun^i^en
gibt die Inquisition noch jetzt. Ein Beispiel bei Reusch, Galilei, S. 473,
ein neueres Katholik 1879, 11, 524 : Humillime rogat Praepositus Gen. S.
J. S. Supr. Congr. S. Off., ut declarare dignetur, utrum tolerari posait
explicatio transsubstantiationis in s. eucharistiae sacramento, quae scquen-
tibus propositionibus comprehenditur .... F. IV. die 7. Julii 1875 in
congregatione gen. S. Rom. et Univ. Inq. . . . iidem Emin. Domini dixe-
runt: doctrinam . . . tolerari non posse.
Index- Coii^egation. 1 1
de F^n. 3, 478), und Amauld (3, 622) sagt : die meisten Cardinäle
der Inquisition seien unwissend; wenn der Papst oft aus Rücksicht
auf die weltlichen Mächte unfähige Leute zu Cardinälen ernennen
müsse, so sollte er doch wenigstens nur solche, die Theologen seien,
zu Mitgliedern der Inquisition machen.
Wie bei der Inquisition der Commissar (I, S. 187), so war bei
der Index-Congr. der Secretär, immer ein Dominicaner, die einfluss-
reichste Persönlichkeit. Unter den mehr als 200 Consultoren, aus
der Zeit von 1577 bis 1664, welche bei Alex, verzeichnet werden,
sind 95 Ordensgeistliche, darunter 16 Dominicaner, 12 Jesuiten,
10 Minoriten (bei der Inquisition waren die Dominicaner noch besser
vertreten).
Nicht-Italiener finden sich in dem Yerzeichniss der Cardinäle
und Consultoren nur in verhältnissmässig geringer Zahl, und darunter
sind noch manche, die, weil sie nicht in Rom residirten, nur ge-
ringen oder gar keinen Einfluss hatten.
Lucas Holstenius, der auch bei Alex, unter den Consultoren
verzeichnet wird, schreibt 1633 an Peiresc (Epp. ed. Boissonade,
1817, p. 252): ,,E8 gibt hier einige gelehrte Männer, die viel leisten
könnten, wenn sie ihre Bestrebungen hier geschätzt sähen. Aber
hier wird jetzt alles andere eher geachtet, und die gelehrten Studien
werden bei der Verschwörung der unwissenden Censoren gegen die
gute Literatur ihr Haupt nicht erheben. Als vor nicht langer Zeit
in der Index-Congregation über die Expurgation von Gesners Bi-
bliothek verhandelt wurde, gestand ein angesehener Cardinal, der in
seinen Augen und in denen vieler anderer kein gewöhnlicher Ge-
lehrter ist, unwillig über so viele Schriftsteller-Namen, in meiner
und anderer Gegenwart: wenn er über das Bücherwesen zu sagen
hätte, würde er den grössten Theil der Bücher, namentlich so gut
wie alle humanistischen (qui de literis humanioribus et de liberali
eruditione agunt), verbrennen und nur einige Theologen und Juristen
übrig lassen. Was denkst du wohl, wie mir dabei zu Muthe war?
Ich habe aber die Worte mit spartanischem Magen verdaut und
nicht gewagt, die Literatur gegen dieses Yorurtheil in Schutz zu
nehmen. Aber das habe ich wenigstens gethan, als ich sah, dass jene
geraden Weges auf das Verderben guter Bücher losgehen : seit jenem
Tage bin ich in keiner Sitzung der Congregation mehr erschienen.
Du wirst gesehen haben, dass kürzlich die gelehrten Werke von
Scaliger, Heinsius, Rivius, Goclenius verboten worden sind . . .
Aber dies will ich dir ins Ohr gesagt haben, denn hier kann man
ohne Gefahr über diese Dinge nicht einmal klagen." ^) — Als Mabillon
1) Im J. 1686 (p. 279) klagt Holstenius darüber, dass man die Ya-
ticanische Druckerei zuerst, um Geld daraus zu schlagen, für jährlich
1000 Scudi verpachtet, und dass jetzt, wo sie ganz heruntergekommen,
Card. Borghese sie verkauft habe. Im J. 1644, nach der Wahl Innocenz' X.,
schreibt er an G. B. Doni (p. 323): Dieses Pontificat wird in dieser Be-
ziehung ein sehr unglückliches sein, da alle Zweige der Literatur und
Gelehrsamkeit für gar nichts geachtet werden.
12 Römische Bücherverbote im allgemeinen.
1686 in Rom war, wurde er von der Index-Congr. ersucht, ein
Gutachten über Bücher von Vossiuß (s. u.) abzugeben, und er wurde
dann zum Consultor ernannt (S. 3, § 6). Germain (Valery 1, 212)
berichtet darüber 28. Jan. 1686: „Morgen wird Mabillon in Ge-
genwart der Cardinäle, sitzend mit bedecktem Kopfe, seinen Bericht
vortragen; danach wird man ihn zum Consultor des Index ernennen.
Diese Ehrenbezeugung würde es ihm möglich machen, auch gegen
den Willen seiner Oberen in Rom zu bleiben, wenn er Lust dazu
hätte, was Gott verhüten möge." Ein zum Consultor ernannter
Ordensmann durfte nämlich nach einer Verordnung Alexanders VII. vom
J. 1659 nicht von seinen Oberen von Rom versetzt werden (Bene-
dict XIII. beschränkte dieses Privileg auf je einen Consultor aus
jedem Orden; Catalani, Secr. Ind. p. 65). Mabillon blieb nicht in
Rom, und hat, so viel wir wissen, nie wieder als Consultor fungirt.
— •?. Timothee de la Fleche (p. 105) berichtet vom J. 1712: der
Papst habe längst gewünscht, einen Consultor der Index-Congre-
gation zu ernennen, der französisch könne; er habe den Theatiner
Dubuc, Professor an der Propaganda, dazu ausersehen ; als der König
von Frankreich davon gehört, habe er Dubuc, der ihm als Anti-
Gallicaner nicht genehm gewesen, nach Frankreich zurückberufen
wollen; nach längeren Verhandlungen habe der König nachgegeben
und sei Dubuc ernannt worden, aber bald darauf gestorben.
Nach der Gerarchia cattolica vom J. 1882 waren damals 13
Cardinäle Mitglieder der Inquisition, darunter 2 Nicht-Italiener,
Ledochowski und Franzelin; unter den 25 Consultoren waren 4
Dominicaner, 1 Jesuit, 8 andere Orden sigeistHche (die Patres Se-
menenko und Smith werden Ausländer sein); daneben werden nur
3 Qualiiicatoren verzeichnet. Mitglieder der Index-Congregation
waren 36 Cardinäle, darunter Ledochowski und Franzelin, Pitra,
Howard, de Falloux, Hergenroether und Hassun und manche, die
nicht in Rom residiren, also nur Titular-Mitglieder waren, wie
Schwarzenberg, Simor, Haynald, Mihalowitz, Bonnechose, Guibert,
Desprez, Dechamps, Moraes, Moreno, Benavides, Paya j Rico, Man-
ning, MacCloskey. Unter den 39 Consultoren und 5 Relatoren hatten
11 bezw. 3 nicht deutsche Namen; aber auch unter diesen waren ausser
dem Bischof Laurent zu Aachen wohl auch noch andere, die nicht in
Rom residirten. In früheren Zeiten sind die Nicht-Italiener in beiden
Congregationen gewiss verbal tnissmässig nicht zahlreicher gewesen.
Schon um 1650 galt, wie Bourgeois berichtet, bei der Index-Con-
gregation und Inquisition als Regel, dass ein Buch nur auf Grund
einer Denunciation in Untersuchung genommen wurde, und noch
jetzt rühmt(!) die Civ. catt. 12, 4, 289 von ihnen: „Unter tausend
Büchern jeder Art, auch solchen, die gegen die Religion und das
Papstthum geschrieben sind, unterwerfen sie nur die sehr wenigen
einer Prüfung, welche von angesehenen Personen (persone alta-
mente autorevoli) denuncirt werden.** Der Präfect oder der Secretär
der Congregation braucht nun freilich nicht jede beliebige Denun-
ciation anzunehmen. Der Bischof Bailles erzählt in seinem Buche
über den Index (La congr. de Tlndex p. 321) eine sehr gut er-
Inquisition und Index- Congregation» 18
fundene GeRchichte von einem französischen Abb^, der ein Bach
eines Confraters dennncirt, den aber der Secretär zunächst auffordert,
sich durch ein Empfehlungsschreiben seines Bischofs oder in irgend
einer andern Weise zu legitimiren, dann, ein Exemplar des Buches
und ein Yerzeichniss der ihm verwerflich scheinenden Stellen mit
genauer Angabe der Seitenzahl u. s. w. einzureichen, über dessen
Persönlichkeit der Secretär unter der Hand Erkundigungen einzieht
u. 8. w. Auf der andern Seite kann der Präfect oder der Secretär
oder irgend ein anderes Mitglied, wenn das Verbot eines Buches
gewünscht wird, leicht irgend jemand zum Denunciren veranlassen.
Die Regel hat wohl überhaupt nur für Bücher von katholischen
Verfassern gegolten. Von den vielen Schriften deutscher Protestan-
ten, die im Index stehen, sind sicher nicht manche einzeln denuncirt
worden. Von dem Nuncius Ubaldini wissen wir, dass er über die
in Frankreich erscheinenden Bücher nach Rom berichtete, und so
werden auch die anderen Nuncien, vielleicht auch einzelne Bischöfe
Denunciationen eingesandt haben. Die darauf bezüglichen Vor-
schriften Clemens' VIII. (I S. 540) scheinen aber nur in sehr be-
schränktem Masse zur Ausführung gekommen zu sein.
Für die Römischen Indices des 16. Jahrhunderts sind, wie
wir gesehen haben (I S. 410 u. s.), die Messcataloge sehr stark
benutzt worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Titel
mancher in den ersten Decennien des 17. Jahrh. von der Index-
Congr. verbotenen Bücher aus den Messcatalogen abgeschrieben sind
(die Inquisition hat allem Anschein nach immer nur Bücher ver-
boten, die ihr vorlagen und die von ihr geprüft worden); aber so
stark wie früher sind dieselben nach 1600 nicht mehr benutzt
worden und nach den ersten Decennien gar nicht mehr^). Es ist
aber nicht unwahrscheinlich, dass man später mitunter die Acta Eru-
ditorum, das Journal des Savants und andere Zeitschriften benutzt
hat 2).
1) In den Nund. 1613 — 20 werden manche Bücher verzeichnet, die
1616 — 24 verboten wurden und von denen man es zweifelhaft 6nden kann,
ob die Gelehrten des Index Exemplare derselben in Händen gehabt, so
juristische und politische Schriften von Agricola, Beringer, Bortius, Coth-
mann, Hensler, Herdesianus, Hilliger, Lather, Monner, Paurmeister, Six-
tinus, Zieritz, auch die unter Achilles und Epimetron stehenden, femer
Schriften von Budowcz, Dornavius, Petraeus, Pontanus, Sagittarius, Siber,
Sprecher. Aber anderseits stehen in jenen Nund. Bücher, die erst viel
später verb. wurden : Berlich, Liebenthal, Nebulo, Otto, Schonbomer,
Trinum roagicum (erst 1700 verb.). Es ist mir nicht gelungen, klar zu
stellen, in welcher Ausdehnung nach dem J. 1600 die Nund. noch benatzt
worden sind.
2) Im April 1866 meldete die Allg. Ztg , No. 108. 107, voraussicht-
lich würden demnächst der 3. Band von Bunsens Bibelwerk und Bluntschli's
Alt- Asiatische Gottes- und Weltideen auf den Index gesetzt werden. Sie
fügte bei: die Index-Congregation beschäftige sich mit Erzeugnissen
protestantischer Verfasser nur selten, es sei denn dass ihre Bedentung eine
Ausnahme von dieser Kegel zu machen ricthe. Die Bemerkung ist, wie
wir sehen werden, im allgemeinen nicht richtig; in diesem Falle trifft sie
14 Komische Büoherverbote im allgemeineD.
Msgr. Ciampini f 1698 wollte ein Seminar von 8 — 10 G-e-
lehrten ans allen Nationen gründen, welche die neu erschienenen
Bücher aus ihren Ländern lesen, darüher berichten und diejenigen,
die auf den Index zu setzen seien, angeben sollten; er wollte dem
Seminar seine Bibliothek und ein Kapital vermachen, um jedem der
Gelehrten ein Jahreseinkommen von 100 Scudi zu sichern. Die
Stiftung kam aber nicht zu Stande. Ciampini gründete auch mit
Franc. Nazzari 1668 das Römische Giomale de^ lett^rati, welches
aber schon 1681 wieder eingingt).
Unter Benedict XIV. machte Card. Querini Vorschläge über
die Verbesserung des Verfahrens der Index-Congregation (8. 3),
und da diese keine Fonds hatte, um die Gutachten der Consultoren
drucken zu lassen, wollte er ein Capital dazu hergeben (Zacc. p. 187).
Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. wurde es stehender
Gebrauch, den Decreten der Index-Congr. die Bemerkung beizu-
fügen: Quibus Sanotissimo Domino nostro . . per me infrascriptum
Secretarium relatis Sanctitas Sua decretum probavit et promulgari
praecepit. Benedict XIV. schreibt ausdrücklich vor, der Secretär
habe dem Papst alle Decrete zur Bestätigung vorzulegen (S. 3 § 8);
aber schon 1751 erwähnt dieses Catalani (Secr. Ind. p. 52) als be-
stehende Praxis^). In einigen Decreten des Mag. S. Pal. und der
Index-Congr. (Alex. No. 13) wird ausdrücklich gesagt, sie seien de
mandato des Papstes erlassen.
Besser als diese allgemeinen und aphoristischen Bemerkungen
wird die Darstellung einzelner Verhandlungen, über die Bücher von
de Thou, Arnauld, Jansenius, F^nelon, das Verfahren der beiden
Congregationen anschaulich machen.
3. Die erst 1669 von Clemens IX. errichtete Congregatio in-
dulgentiarum et reliquiarum verbot in einer Reihe von Decreten
1712 — 50 Schriften, welche Verzeichnisse von theilweise apokry-
phischen Ablässen enthielten u. dgl. Ein (unter Indulgentiae citir-
tes) Verbot ähnlicher Schriften vom 23. Mai 1696 scheint noch, wie
nicht zu. Dass man sich im April 1866 gerade mit diesen zwei Büchern
beschäftigte, ist allem Anscheine nach dadurch veranlasst worden, dass
sie kurz vorher in No. 3 des Theol. Literaturblattes reccnsirt worden
waren, welches ich damals auf den Wunsch eines in Rom weilenden Be-
kannten dem Card, de Luca, der sich für deutsche Literatur interessirte,
— und der Präfect der Index-Congregation war, — regelmässig zusenden
Hess. Die beiden Bücher wurden übrigens nicht verboten und die Index-
Congregation scheint damals beschlossen zu haben, überhaupt die Recen-
sionen des Iiit.-Bl. nicht als Denunciationen anzusehen.
1) Melzi 1, 452. Von 1742—60 erschien in Rom Giomale de* lette-
rati (Novelle letterarie) und 1786— 98 Giomale ecciesiastico (13 vol. Fol.;
dazu 1789— 94 Supplement!, 6 vol. 8; Melzi 1, 453. 456). Diese Zeitschriften
liefern, wie die jetzt noch erscheinenden A. J. P. und Civ. catt., vielfach
einen Commentar zu den Bücherverboten.
2) Grisar, Galileistudien S. 157. 177. Clemens VIII. hat übrigens
nicht, wie Grisar angibt, eine päpstliche Approbation der einzelnen Decrete
vorgeschrieben, s. 1 S. 534.
Magister Sacri Palatii. 16
ältere Verbote der Art, von der Inquisition oder Index-Congr. aus-
gegangen zu sein. Die meisten dieser Verbote sind erst durob
Ben. in den Index gekommen (unter Indulgentiae, Notizia, Som-
mario u. s. w.).
Die Congregatio rituum wird erwäbnt in einem Decrete der
Inquisition vom J. 1601. Decrete der Congregatio Cardinalium Con-
cilii Tridentini Interpretum wurden 1621 und 1629 von der Index-
Congr. promulgirt (s. § 14).
Der 1622 von Gregor XV. errichteten Congregatio de Propa-
ganda fide steht es zu, die in orientalischen und anderen exotischen
Sprachen geschriebenen Bücher zu prüfen und zu verbieten (Zacc.
p. 183).' In einem Breve vom 6. April 1674 verordnete Clemens X.,
dass niemand, auch nicht Ordensleute und Jesuiten, Schriften, worin
von den Missionen und diese betreffenden Materien gehandelt werde,
ohne eine schriftliche und dem betreffenden Buche beizudruckende Er-
laubniss dieser Congregation drucken lassen dürfe, bei Strafe der
Excomm. 1. sent. und der Unterdrückung des Buches. Diese Verord-
nung wurde von Benedict XIV. 1745 eingeschärft (A. J. R 1,1260;
2, 2647).
4. Das erste Edict des Mag. S. P. aus dem 17. Jahrb. (vom
7. Aug. 1603, bei Alex. No. 4, auch bei Bras. p. 600) ist italienisch
abgefasst und hat folgende Einleitung: „Weil seit der Veröffent-
lichung des Index im J. 1596 von dem h. Stuhle viele andere
Bücher verboten oder suspendirt worden sind und damit nicht die
Unkenntniss Uebertretungen veranlasse, darum haben wir, F. Gio.
Maria Guanzelli da Brisighella aus dem Predigerorden, Mag. S. P.,
ordentlicher Richter u. s. w., — da es uns kraft unseres Amtes
obliegt, darüber zu wachen, dass in dieser hehren Stadt Rom kein
verbotenes oder suspendirtes Buch gedruckt, verkauft oder irgend-
wie verbreitet werde, — für nöthig gehalten, allen folgende Bücher
zu notificiren.*^ Nach dem Verzeichnisse folgt dann: „Demgemäss
wird allen Römischen Buchhändlern und allen anderen, welchen
Standes sie auch sein mögen, geboten, wenn sie eines dieser Bücher
haben, dasselbe sofort [in anderen Edicten: binnen 10 Tagen] in
nnserm Bureau abzuliefern, indem wir sie darauf aufmerksam
machen, dass sie, wenn sie dem zuwiderhandeln, nicht nur sich schwer
gegen Gott versündigen und den kirchlichen Censuren verfallen,
sondern auch, wenn es zu unserer Kenntniss kommt, strenge werden
bestraft werden mit den Strafen, welche in den heiligen Canones,
den Regeln des Index und in unseren früheren Edicten angedroht
sind.*^ Aehnlich lauten einige Edicte aus den folgenden Jahren.
Ein Edict dagegen, welches nicht bei Alex, steht, aber bei Serry,
De anx. p. 277 abgediTickt ist, lautet: Kos Fr. Jo. Brisighella M.
S. P. Ap., Judex ord. . . de expresso mandato S. D. N. Clem. VIII.
prohibemus 1. cui titnlus: Qua tandem rat. . . auct. Paulo Benio,
omnibusque qui illum forte habuerint, lubemus ut quam primum
ad off. nostrum afferant. Datum 1575 — 1604. Romae in typogr. R.
Cam. Ap. 1604. In einem gleichfalls lateinischen Edicte von 1609
(Alex. No. 8) sagt der Mag. S. Pal., er verbiete die Bücher „auf
16 Romische Bücherverbote im allgemeinen.
Grund eines mündlichen Befehls Panls V. nnd kraft der Autorität
seines Amtes bei Strafe der reservirten Excommunication, und das
£diot solle in Rom drei Tage nach der Anheftung, an allen anderen
Orten, sobald es irgendwie bekannt werde, verpflichten. In zwei
(italienischen) Decreten vom 9. Nov. 1609 und 30. Jan. 1610
(No. 10 und 11) verordnet der Mag. S. P. „im Auftrage der In-
quisition/' die Bücher überall binnen zehn Tagen nach dem Bekannt-
werden des Edictes abzuliefern, bei Strafe der Excomm. 1. s. (von
Reservation ist nicht die Rede).
Nach 1610 kommen nur noch vereinzelt £dicte des Mag. S. Pal.
vor, deren Verbote in den Index übergegangen sind: 1633 publi-
cirte er zunächst für Rom ein Edict über Bücher mit Elogia haere-
ticarum (§ 14); 1652 verbot er ein in Rom, also mit Approbation
des Mag. S. Pal. gedrucktes Schriftchen von dem Jesuiten Cataneo,
1678 ein Officio della immac. conceptione, 1691 ein ascetisches
Buch des Jesuiten Giuseppe Saliceti, welches 1690 in Rom mit den
von den Censoren gestrichenen Stellen gedruckt war (A. J. P. 2,
2645), 1717 das Yocabolario von Gigli, — diese beiden Verbote
erliess er „kraft seiner amtlichen Autorität und auch im speciellen
Auftrage des Papstes", — 1727 Franc. Maria Cabellotti, II ful-
mine della presente calamitä. Nur in älteren Indices, nicht mehr
bei Ben. steht das gleichfalls 1727 von dem Mag. S. Pal. verbotene
Buch: Di quäl' ordine de* Minori sia 11 Beato Andrea Caraccioli da
Spello, discorso istorico di Filalete Adiaforo.
Der Mag.. S. P. publicirte beim Antritte seines Amtes ein
Edict, welches folgende Bestimmungen enthielt: Wer verbotene
Bücher nach Rom bringt, behält, verkauft, kauft u. s. w., verfällt
den Censuren und Strafen, die in den h. Canones, dem Index, der
Bulla Coenae und anderen apostolischen Constitutionen angedroht
sind, und wird ausserdem mit Confiscation der Bücher, 300 Scudi
und anderen körperlichen Strafen bestraft. Alle von früheren
Magistri S. P. ertheilten Licenzen zum Lesen verbotener Bücher
werden zurückgenommen. Alle Bücher, Büchlein, Gebete, Bilder,
überhaupt alles Gedruckte, so geringfügig es auch sein mag, was
nach Rom gebracht wird, ist dem Mag. S. P. oder seinem Socius
vorzulegen. Die Gouriere und Postillone haben alle ihnen anver-
trauten Drucksachen, für wen sie auch bestimmt sein mögen, dem
Mag. S. P. vorzulegen oder auf der Douane zu lassen, bei Strafe
von 50 Scudi und drei Hieben mit dem Strick. Niemand darf
ohne Erlaubniss Bücher verkaufen. Die Buchhändler und Verkäufer
von Kupferstichen und Holzschnitten haben binnen 30 Tagen ein
alphabetisches Verzeichniss der vorräthigen Bücher und Bilder einzu-
reichen. Neu gedruckte Bücher dürfen nicht verkauft werden, bis
der Druck mit dem approbirten Manuscript verglichen ist. Dieses
Edict ist in allen Buchläden, Druckereien und Douanen u. s. w.
anzuheften; alle Buchhändler müssen einen Index besitzen^).
l) Flelyot, Hist. des ordres 3, 214. Editto del Maestro del Sacro
Pablioation der Bücherverböte. 17
2. Pnblication der Bücherverböte.
Verzeichnigse von Büchern, welche „von dem h. Stuhle"
(der Index-Congregation oder Inquisition) seit 1596 verboten
worden, wurden 1603—1610 von dem Magister Sacri Palatii pu-
blicirt (S. 15). Von 1613 an wurden die Bücherverbote der
Index-Congregation durch den Secretär publicirt. Die Decrete
wurden gedruckt in Rom angeheftet und dann an die Inquisitionen
in Italien und an die Nuncien versendet^). Später wurden sie
auch vielfach in dem Formate der jedesmaligen letzten Ausgabe
des Index gedruckt, um demselben beigebunden zu werden.
Seit dem Jahre 1624 erschienen mehrere von den Secretären
der Index-Congregation veranstaltete Sammlungen dieser Decrete
(§ 8). Dem unter Alexander VII. 1664 erschienenen Index sind
als Anhang 81 Decrete von 1601—64 (in dem Nachdruck von 1667
92 von 1601—67) beigefügt. Von den späteren Decreten gibt
es keine amtliche und vollständige Sammlung. — Nach der
curialistischen Anschauung genügte die Publication der Decrete
in Rom, um sie für alle Katholiken verbindlich zu machen; aber
diese Anschauung wurde in vielen Ländern nicht anerkannt.
Namentlich in Spanien und Frankreich galten selbst Bullen und
Breven nur als verbindlich, nachdem sie förmlich publicirt
worden, und die Decrete der Inquisition und Index-Congregation
wurden in Frankreich überhaupt nicht als verbindlich angesehen,
in Spanien (und Sicilien) nur, wenn sie von der Inquisition,
in Venedig (I S. 547), Neapel und Belgien, wenn sie mit Ge-
Palazzo [Nie. Riccardi] relativo al oommercio e lettura di libri del 7.
Giugno 1629. Koma, stamperia oommanale (Blatt in zwei Columnen); Guio-
ciaidini, Suppl. 2, 22.
1) So das Verbot der Copernicanischen Bücher vom J. 1616 und das
Urtheil der Inq. über Galilei vom J. 1688; s. Reusch, Der Process Galilei's
S. 371. — Decretam Gongreg Gardinaliam ad Iiidicem libror. prohib.de-
putatoram, ubique publicandum. Romae, typogr. Camerae Apost. 1616, 4
S. 4, bei Rosenthal 34, 1476 ist das bei Alex. No. 16 abgedruckte. —
Edicta et Decreta S. Gongregationis Illustriss. S. R. £. Gardinalium ad
Indicem librorum eorundemque permissionem, prohibitionem, expurga-
tionem et impressionem in oni versa republica christiana specialiter depu-
tatorum ubique publicandum [sie]. Romae £x Typographia Gam. Apost.
1601—23. LXV ti, 12. (Petzh. p. 144) scheint ein Sammelband von ein-
zelnen Decreten zu sein.
Beiuoh, Index IL 2
18 Pnblication der Bücherverbote.
nehmiguDg der Regierung publicirt wurden. Dass die Römischen
Bücherverbote nur in beschränktem Masse Beachtung fanden,
zeigt auch die geringe Zahl von Ausgaben des Römischen In-
dex, welche im 17. und 18. Jahrh. ausserhalb Italiens erschienen.
Schon unter dem Edicte des Mag. S. Pal. von 1603 (Bras.
p. 604) steht der Vermerk: Die 7. m. Aug. 1603 supradictum edic-
tnm affixum et publicatum fuit in acie Campi Florae et in Cancel-
laria apostolica, ut moris est, per me Laertium Cecchettum Cursorem
Apost., unter einem Edicte von 1609 (Arg. IIIa99): ad valvas Prin-
cipis ApoBtolorum de Urbe et in aliis locis solitis et consuetis Urbis.
Aehnliche Vermerke stehen unter Bullen und Breven und unter
Decreten der Inq^uisition und der Index-Congregation (Const. p. 35.
46 u. 8.).
In der Regel wurden nicht die in einer Sitzung beschlossenen
Bücherverbote gleich publicirt, sondern von Zeit zu Zeit ein Ver-
zeichniss der seit dem letzten Decrete verbotenen Bücher. Die Ver-
zeichnisse sind in den meisten Fällen sehr buntscheckig. Die um-
fangreicheren sind wie die des Mag. S. Pal. (Alex. No. 4, 5, 9) alpha-
betisch geordnet. Es kommen auch zwecklose Wiederholungen vor.
Die sofortige Publication des Beschlusses einer Sitzung galt, — in
der Regel mit Recht, — als ein Zeichen, dass das Verbot als ein wich-
tiges und dringliches angesehen wurde. Solche Decrete sind z. B.
No. 13, 36, 47, 67.
Die Sammlung der Decrete bei Alex, ist nicht vollständig:
ohne Zweifel absichtlich ist nicht aufgenommen ein Decret vom J.
1613 (über Becanus s.u.), das Decret vom 10. Dec. 1616 über die
Monita privata wohl darum nicht, weil diese auch in dem Decrete
vom 16. März 1621 stehen. Durch ein Versehen sind nicht aufge-
nommen Decrete vom 9. Oct. 1613 und vom 26. Juli 1614, die in
der Raccolta vom J. 1624 citirt werden (§ 3, 2), und ein Decret
vom 4. Febr. 1627, welches wiederholt im Index citirt wird, z. B.
unter Andreae und Breitinger. — Bei No. 16 fehlt das Datum: 25.
Nov. 1617. No. 33 ist falsch, vom 17. Febr. 1623 statt vom 4. Febr.
1627 datirt.
Von den späteren Decreten stehen viele aus den Jahren 1668
— 87 in den Constitutiones et decreta apostolica, praecipue utilia
hoc tempore adversus quosdam abusus in materia fidei et morum.
Quibus praefigitur Epistola pastoralis Episcopi Castoriensis. Coloniae
Agr. 1679,* 125 S. kl. 8. Editio tertia auctior. Col. Agr. 1686,*
217 (und 15 nicht paginirte) S. kl. 8. — Manche Decrete von
1690 — 1709 stehen, aber meist nur auszüglich, in dem zu Namur
1709 erschienenen Elenchus, einige bei Hanot (§11) und bei
d'Argentrö. — Eine Anzahl von Decreten verschiedener Congre-
gationen aus der Zeit Clemens' XI. (1700 — 21) stehen im Bull,
cont. IL, einige aus der Zeit Benedicts XIII. (1724—30) im Bull.
Xm., die von 1786 — 97 in dem Römischen Giornale ecclesiastico,
die aus der neuern Zeit in verschiedenen Zeitschriften, Ami de la
Religion, Mastiaux' Literaturzeitung, A. J. P., Civ. catt. Von den
Decrete der Inquisition und Index-Congr. 19
späteren Decreten finden sich einzelne Exemplare verschiedenen
Index- Ausgaben beigebunden, — so mehrere (jedes über eine einzelne
Sitzung) von 1821 — 27 in einem Exemplare der Ausgabe von 1819
(Bonn), — die Decrete von 1836— 50 und von 1851 — 59 in Sammel-
bänden in München K.
Die vollständigen Decrete zu vergleichen, ist in vielen Fällen
von Interesse, weil sie gewöhnlich die Titel der Bücher vollstän-
diger angeben als die Indices und weil in diesen, wenigstens seit
Ben., in der Kegel nicht angegeben wird, ob ein Buch von der
Index-Congregation oder von der Inquisition und ob von dieser an
einem Mittwoch oder einem Donnerstag verboten ist, und weil, was
noch wichtiger ist, nur aus den Decreten der Inquisition die Moti-
virung des Verbotes zu ersehen ist.
In den Abdrücken der Decrete kommen zahlreiche und schlimme
Schreib- und Druckfehler vor. Brisighella hat zwei von ihm als
Mag. S. P. erlassene Decrete in seinem Index expurgatorius ab-
drucken lassen (Bras. p. 600). Darin steht Euerardi Bernoist st.
Bronchorst, Jo. Bipstenius st. Bilstenius, Henr. Breubau st. Breu-
laei, Laur. chircouij st. Kirchovii u. s. w. Dieselben Fehler mit Aus-
nahme des letzten finden sich in dem Abdruck bei Alex., hier auch
noch Andreae Libonii st. Libavii, und in anderen Decreten z. B.
Vgo Brosten st. Hugo Broughton (No. 9), P. Suero st. Lisero (Poly-
carp Leyser, No. 20), Prascheni st. Parasceue (No. 25) u. dgl.
Der Marburger Jurist Keinhard Koenig heisst in dem Decrete von
1619 — und in allen Indices bis Ben. — Reinhardus Marpurgensis, *
wahrscheinlich weil auf dem Titel blatteKönig mit deutschen Lettern
gedruckt und für die Gelehrten des Index nicht leicht lesbar war.
Sehr oft sind die Namen der Verfasser weggelassen. Diese Fehler
sind in den älteren Index- Ausgaben vielfach noch mit neuen ver-
mehrt. Erst Ben. hat die meisten corrigirt.
In dem Abr6g6 du recueil des actes du Clerg6, 2. Ed., 1764,
p. 186 werden „die Bullen und anderen Rescripte des Papstes**
eingetheilt in solche, die in Frankreich angenommen, und solche, die
verworfen werden. Im allgemeinen, heisst es weiter, werden die
Römischen Rescripte, wenn sie für den Staat oder die Kirche nütz-
lich sind, angenommen, wiewohl wir nicht die den Formeln und
Ausdrücken derselben zu Grunde liegende Lehre und Gewohnheit
annehmen. Bei der Annahme der Bullen pflegt sich die Geistlich-
keit über diese Formeln auszusprechen; die weltlichen Gerichtshöfe
registriren die Bullen mit dem Vorbehalt ein, dass damit nicht
diese Formeln approbirt werden sollen. Gewisse Formeln sind so
odiös, dass man um ihretwillen die Bullen verwirft, wenn sie auch
für die Kirche und den Staat nützlich sind; so die Formeln, in denen
unsere Könige mit Excommunication oder Absetzung bedroht wer-
den. Andere Formeln werden als Stil der Beamten der römischen
Curie angesehen und ignorirt. Die Formel : Non obstantibus quibus-
vis apostolicis necnon in provincialibus synodis universalibusque
conciliis editis vel edendis specialibus vel generalibns constitutionibus
et ordinationibus oder ähnliche werden von gelehrten Juristen und
120 Publication der Bücherverbote.
Theologen als nichtig und missbräuchlich angesehen, können aber
ignorirt werden, indem ihre Nicht- Anerkennung stillschweigend vor-
ausgesetzt wird. Die Formel motu proprio wird von der Geistlich-
keit und den Gerichtshöfen verworfen, von letzteren ausdrücklich
auch dann, wenn die Römischen Eescripte auf Ersuchen der franzö-
sischen Bischöfe und des Königs erlassen worden sind. Die
Formel, dass ein päpstliches Decret gültig sei nach seiner Publi-
cation in Eom, wird in Frankreich nicht anerkannt, desgleichen
nicht die Formel, welche die Ablieferung verbotener Bücher an die
Inquisitoren verordnet, und die Formel etiam specifica et individua
mentione digni, welche die Excommunication auf diejenigen, welche
nicht excommunicirt werden können, also auch auf die Könige aus-
dehnt.
Der Generaladvocat Omer Talon sagt in einem 1647 im Parla-
ment gehaltenen Vortrag : „Wir erkennen in Frankreich die Autorität
des Papstes an, aber nicht die Autorität und Jurisdiction der Con-
gregationen der römischen Curie. Ihre Decrete haben in Frankreich
keine Geltung." Der Kanzler d'Aguesseau, ein frommer Mann (und
kein Jansenist), führt in einer Denkschrift vom J. 1710 (Oeuvres 13,
409) diese Stelle an und sagt seinerseits: „Jedermann weiss, dass
der Index in Frankreich keine Autorität hat, wo man den Primat
des Papstes anerkennt, aber nicht die Gewalten der verschiedenen
Congregationen von Cardinälen, welche der h. Stuhl zu errichten
für gut befunden. Man weiss übrigens wie sehr die Autorität des
Index auch bei denjenigen Völkern, welche an der alten kirchlichen
Freiheit weniger festhalten als das unsrige, gesunken ist in Folge
des Missbrauchs, dass man Schriften darin aufgenommen, die eine
solche Censur (fl6trissure) nicht verdienen." Als 1712 ein Arrßt
des Pariser Parlaments vom J. 1710 auf den Index gesetzt worden,
schrieb d'Aguesseau (p. 309. 316): „Es hat dort einen ehrenvollen
Platz erhalten neben anderen zur Vertheidignng unserer Grundsätze
erlassenen ArrSts, die Rom canonisirt, indem es sie verdammt ....
Wir glaubten dieses Verbot ignoriren zu müssen. Nach dem alten
französischen Grundsatze würde man der Index-Congregation zu viel
Ehre erwiesen haben, wenn man laut gegen die Entscheidung dieses
Conciliabulums protestirt hätte. Man stellt sich fast immer auf das
Niveau derjenigen, die man bekämpft, und man erkennt in einem
gewissen Sinne ein Tribunal an, wenn man seine Beschlüsse an-
greift.*'
Bossuet sagt (Oeuvres 37, 75) von dem Breve gegen das N.
T. von Mons : „Wir halten in Frankreich solche Constitutionen
nicht für verpflichtend, so lange sie nicht den Bischöfen übersandt
worden sind, um sie in allen Diöcesen zu publiciren. Darum ist
dieses Breve für uns nicht verbindlich." Und von den Index-De-
creten sagt er (82,95): Profitemur, Ecclesiae gallicanae vetere atque
inolito jure nihil nos teneri iis decretis. — F6nilon sagt in einer
Denkschrift zu Gunsten der Annahme des Breves von 1703 über
den Cas de conscience (Oeuvres 13, 51) : „Es kommt in dem Cas de
eonsc. eine Stelle vor, die zu der Meinung Anlass geben könnte,
Geltang der Rom. Decrete. 21
dasB man, wenn man das Brave annehme, damit zugebe, dass die
Inquisition und der Index für Frankreich einige Bedeutung hätten
(sont de quelque consideration en France). Man braucht ja aber
nur gegen diese Stelle zu protestiren, wie das bei der Reception
von Bullen und Breven oft geschieht. Man braucht nur zu sagen,
man wolle durch die Annahme des Breve keineswegs den Index
oder die Inquisition anerkennen." — Der Bischof Duplessis d'Ar-
genträ erklärt in seiner 1755 erschienenen CoUectio judioiorum III b
590: wenn er in seine Sammlung Decreta Romanorum Inquisitornm
aufgenommen, so sei das nicht geschehen, weil er diesem Tribunal
eine Jurisdiction in Frankreich zuschreibe. — Natürlich hatte auch
die Anschauung der Curie unter den französischen Theologen Ver-
treter. A. Charlas z. B. bekämpft in dem Tractatus de libertati-
buB Eccl. gall. p. 467 die Ansicht, dass die Decrete der Römischen
Congregationen jenseit der Alpen nicht verpflichteten, und Albizzi
(A. J. P. 2, 2619) bezeugt, dass von Franzosen, Deutschen und
Engländern timoratae conscientiae täglich (!) Gesuche um die £rlaab-
niss zum Lesen verbotener Bücher bei der Inquisition einliefen.
In Spanien und in Sicilien, so lange dieses unter spanischer
Herrschaft stand, galt nur der spanische Index, und in diesen wurden
sehr viele in Rom verbotene Bücher nicht aufgenommen. Salgado
sagt ausdrücklich, nach spanischem Rechte seien die Decrete der
Römischen Inquisition und der Index-Congregation und des Magister
S. Pal. von der spanischen Inquisition zu prüfen und eventuell nicht
als Römische, sondern als eigene Decrete zu publiciren (Giannone,
Opp. post. 1, 452). In Neapel versuchten die Bischöfe vielfach den
Römischen Verboten Geltung zu verschaffen; aber in den Decreten
der Provincialsynode von Neapel von 1699 (Coli. Lacensis 1, 165)
wird von der Sündhaftigkeit des Lesens verbotener Bücher, von der
Einholung der Erlaubniss dazu, auch von den Regeln des sog.
Trienter Index, aber nicht von den Römischen Bücherverboten und
von dem Römischen Index gesprochen, obschon Alexander VII. die
Promulgation seines Index von 1664 in allen Diöcesen angeordnet
hatte. In der Biblioteca Napoletana von Nie. Toppi, die 1678 zu
Neapel mit Approbation erschien (der Censor war ein Jesuit), werden
die Schriften von Cala, Curte und anderen Regalisten sehr gelobt,
aber weder bei ihnen noch bei vielen anderen wird das Römische
Verbot erwähnt, von einem Buche von Verricelli aber gesagt: Vo-
lumen hoc, quod viris doctis non semel accidit, Romanam censuram
expertum. Die Anschauung der Regierung spricht der Abate Pan-
ziniin der Biographie Giannone's (Istoria 1, 53) aus: In Neapel wird
weder das Tribunal des h. Offlciums noch die Index-Congregation
irgendwie anerkannt.
In den Decreten der Mechelner Synode von 1607, Tit. 1, c. 7,
bei de Ram, Synodicon Belgicum, 1828, I, 367,^) findet sich die
1) Der Hanpttitel dieses Buches ist: Nova et absolutissima collectio
synodorum . . . Archiep. Mechlin. . . . collegit J. Fr. van de Velde, . . .
illustr. P. F. X. de Ram. Mechlin. 1828, 4 vol. 4.
22 Publication der Bücherverbote.
Bestimmung: Moneant parochi subditos, libros haereticos vel ex pro-
fesso lubricos nullo modo legere vel habere Heere, eisque prohibi-
tiones, quae habentur in Indicibus libromm proh. Sedis Apost. auc-
toritate post Concilium editas crebro insinuent. Die letzte Bestim-
mung von eisque an, (welche, wie der Herausgeber bemerkt, in Rom
in das Decret eingeschoben worden ist), bezieht sich zunächst auf
den Trienter und den Clementinischen Index.
Der Brüsseler Nuncius übersandte die Römischen Decrete dem
Erzbischof von Mecheln; aber dieser erhielt z. B. 1633 von der
Statthalterin die Weisung, die Publication eines Decretes gegen
Poza (s. u.) zu verschieben, bis sie von Madrid Weisungen einge-
holt haben werde, und als der Erzbischof Precipiano 1691 ein De-
cret der Inquisition gegen ein Buch von Huygens ohne weiteres
publioirt hatte, erhielt er von dem Conseil de Brabant einen Verweis
und musste versprechen, fortan keine Decrete ohne Placitum des
Conseil zu publiciren (v. Espen Opp. 4 B, 217). In einem Erlasse
von demselben J. 1691 ermahnte er dann freilich zur Beobachtung
der Römischen Bücherverbote (Syn. Belg. 1, 573) und in einem
Decrete von 1696 sagt er, er habe sich bestrebt, die Verordnungen
des apost. Stuhles und der h. Congregation gegen die Pest schlechter
Bücher zur Ausführung zu bringen; aber unter den mehr als 70
Büchern, die er in diesem Decrete verbot, sind nur zwei, die in Rom
verboten worden.
Die in Namur im Anfange des 18. Jahrh. erschienenen Aus-
züge aus dem Römischen Index sind ebensowohl wie die S. 18 er-
wähnte Sammlung von Decreten (antijansenistische) Privatarbeiten.
Als 1735 auf Betreiben der belgischen Bischöfe ein neuer Index
angefertigt wurde, wurden nicht grundsätzlich die Römischen Bücher-
verbote für verbindlich erklärt, aber freilich die in dem Römischen
Index stehenden Bücher aufgenommen. Der Index kam nicht zu
Stande (§ 11).
Im J. 1749 befahl das Grand Conseil de Malines, die Auctions-
cataloge seien, nachdem sie von dem kirchlichen Censor durchge-
sehen, auch den Conseillers fiscaux vorzulegen, welche nicht dulden
sollten, dass Bücher, namentlich geschichtliche und juristische, die
nicht von der Staatsregierung verboten worden, in den Catalogen
als verbotene bezeichnet würden.
Auch in den höchsten Kreisen kam später eine andere An-
schauung zur Herrschaft als 1735. Im Jahre 1759 verbot der
Statthalter Carl Alexander von Lothringen provisorisch zwei Bände
der Theologie von Dens, weil darin bezüglich der Bulla Coenae,
der Römischen Bücherverbote, der Immunität und der Rechte der
Bischöfe Grundsätze vorgetragen würden, welche der Autorität des
Kaisers und den in den Niederlanden stets beobachteten Maximen
widersprächen. Ja, der Statthalter verbot sogar einen in Gent er-
schienenen Abdruck des Index Benedicts XIV., weil darin van Espens
und andere Bücher verboten wurden, welche die Rechte des Souve-
räns und die Fundamentalgrundsätze des Landes vertheidigten ^).
1) Suppl. ad opp. V. Espen, App. p. 7. 8. Seabra 2, 82.
Römische Indioes von 1600—1664. 28
In Portugal wurde 1624 der Römische Index mit Beifügung
der seit 1600 verbotenen Bücher abgedruckt und z. B. das Verbot
eines Buches von Galado 1655 publicirt.
In Köln erschien 1627, in Trient 1634 ein Abdruck des Gie-
men tinischen Index mit Beifügung später verbotener Bücher, in Prag
1726 ein Abdruck des Römischen Index von 1704. Förmliche Publi-
cationen von Römischen Bücherverboten kommen nur vereinzelt und
erst spät (um 1760) vor (Neumayr, Plagula). In einem Erlass des
Bischofs von Münster vom J. 1733 (Hartzheim 10, 475) werden
zwei Schriften von Berni^res de Louvigny und Rojas als „von der
h. Congregation schon öfter verboten** bezeichnet, weil sie zwar nur
einmal verboten waren, aber in mehreren Index-Ausgaben standen.
3. Ausgaben des Römischen Index von 1600 bis 1664.
1. In den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts erschienen
ausserhalb Roms mehrere Abdrücke des Index Clemens' VIII.
vom J. 1596^). In Rom erschien ein Abdruck desselben mit
einem Anhange, welcher Decrete aus den Jahren 1601 — 23 ent-
hält, im J. 1624 2), dann mit BeifUgnng der Decrete bis 1629
im J. 1630'), and mit Beifügung der Decrete bis J. 1637 im
J. 1640*).
1) Die vor 1600 erschienenen Abdrücke und die Yenetianischen von
1602 — 1707 sind I S. 543. 547 verzeichnet. Andere verzeichnet Petz-
holdt, Biblioth. p. 144 : Coloniae apud B. Gualther 1602 und 1624*,
ib. 1620 (Brüssel). — Zamosci, Mart. Lenscius 1604. 150 S. 4 Bl. 4. —
Leodii, Henr. Hovius 1607. 8. — Duaci 1618. — Brixiae ap. Bozzolam
1620. 96 S. 8. — Eine französische Uebersetzung : Catalogue des Livres
defendus. Avec les Regles establies par les Peres deputez par le S. Con-
eile de Trente. Mis premierement en lumiere par le commandement de
Pie IV. A puis augmente par Sixte Y. Et en fin oorrige A publik par
mandement de Clement YUl. Paris, Cramoisy 1615. 23 Bl. 104 S. 8 (Petzh.
p. 146). — Der letzte mir bekannte Abdruck des Clementinischen Index,
abgesehen von den den Ausgaben der Trienter Decrete beigefügrten Abdrücken
(I S. 54S), ist: Rothomagi ex typographia Jacobi Loudet 1674*, 109 8.8.
(Oxford).
2) Der Titel dieser Ausgabe, die ich nicht gesehen, ist ganz der*
selbe, wie der der folgenden. Zacc. p. 179 berichtet: der Cameraldruoker
habe der im J. 1624 gedruckten Sammlung von Decreten im J. 1630,
ohne die Jahreszahl 1624 auf dem Titelblatte zu ändern, 4 Decrete aus
den Jahren 1625—29 beigefügt.
8) Index Librorum prohibitorum cum Reffulis confectis per Patres
a Tridentina Synodo delectos auctoritate Pii IV. primum editus, postea
vero a Syxto Y. auctus, et nunc demum S. D. N. Clementis Ylll. jussu
reoognitus et publicatus. Instructione adjecta de exequenda prohibitionis
deque sincere emendandi et imprimendi libros ratione. Romae, apud Im-
24 RömiBohe Indioes von 1600—1664.
2. Ein Verzeichniss der seit 1596 verbotenen Bücher, also
ein eigentliches Supplement zu dem Index Clemens' VIII. er-
schien zuerst 1618 zu Bologna unter dem Titel Syllabus^), dann,
alphabetisch geordnet, von dem Secretär der Index-Congregation,
Fr. Franciscus Magdalenus Capiferreus (Maddaleno Gapiferreo)
herausgegeben, 1619 zu Rom unter dem Titel Edictum % ferner
unter dem Titel Baccolta 1624 zu Mailand^).
3. Im J. 1632 erschien zu Rom unter dem Titel Elenchus
ein von demselben Maddaleno bearbeiteter neuer Index ^), in
pressores Garn. Cam privilegio Sum. Pont, ad biennium 1596.* 176 S. 12.
(Oxford). Auf p. 98 folgt ein neues Titelblatt: Librorum post Indicem
Clementis VIII. prohibitorum decreta omnia hactenus edita. Romae, ex
typogr. Rever. Cam. Apost. 1624, dann mit fortlaufender Paginirung die
Decrete, das letzte vom 11. Nov. 1629. Das Exemplar ist dem Elcnchns
yon 1632 (Note 8) beigebunden und allem Anscheine nach gleichzeitig
mit diesem gedruckt, also ein (schlecht ausgestatteter) Nachdruck der
Römischen Ausgabe.
4) Index . . . 1596.* 119 S. 8. (Oxford). Der Abdruck des Index
von 1596 geht bis S. 64; S. 65 folgt Librorum . . . 1624; das letzte De-
cret ist aber vom 10. Dec. 1636. Das Exemplar ist dem Elenchus von
1640 (S. 25, Note 2) beigebunden (mit anderen Typen gedruckt als dieser,
beide viel besser als die in Note 3 erwähnte Ausgabe). — In dieser Aus-
gabe stehen die bei Alex, abgedruckten Decrete No. 1— 42 mit Ausnahme
von No. 3. 22. 31. 32. 40. 41. Sie sind nicht numerirt, aber vielfach ge-
nauer abgedruckt als bei Alex.
5) Syllabus seu Collectio librorum prohibitorum, & suspensorum a
publicatione novi Indicis jussu S. D. N. felic. recordat. Clementis VIII.
de anno 1596. Additis etiam aliis libris, variis erroribus scatentibus, &
stispectis, non legendis, ueque retinendis quoadnsque expurgentur, aut per-
mittantur a Sanota TJniversali Inquisitione. Bologna 16i8. 12. Zaoo. p. 175.
6) Edictum librorum, qui post Indicem fei. rec. Clementis YIII. pro-
hibiti sunt, ex decreto Illustriss. & Reverendiss. DD. S. R. E. Cardinalium
ad Indicem deputatorum ubique publicandum, ex typographia Camerae
Apostolicae 12. Zaco. p. 175.
7) Raccolta de libri prohibiti, cavata da decreti fatti in diversi tempi
dalla Congregatione degl' Illustriss. e Reverendiss. Sig. Cardinali della
8. Sede Apost. sopra Plndico de libri, in tutta la Republica christiana,
specialmente deputati : e publicati doppö la publicatione del nnovo Indice
fatto Panno 1696. In Milano 1624.* Per gFher. di Pacifico Pontio &Gio-
van Battista Picaglia, Stampatori Archiep. & del S. Officio. LXVIII S. 16.
(Oxford). Das Verzeichniss ist alphabetisch, allerdings sehr ungenau ge-
ordnet; jedem Buche ist das Datum des Verbotes beigefügt. Die Rac-
colta hat keinerlei Vorwort oder dgl. Von S. LXV an ist das Monitum ad
Nie. Copernid lectorem ejusque emendatio abgedruckt.
8) Elenchus Librorum omnium tum in Tridentino Clementinoq ; Indice,
tarn in aliis omnibus Sacrae Indicis Congregationis particularibus Decrctis
hactenus prohibitorum ; Ordine uno Alphabetico, Per Fr. Franciscum Mag-
dalenum Capiferreum Ordinis Praedicatorum dictae Congregationis Secre-
tariam digestus. Romae, Ex Typographia Camerae Apostolicae. Superiorum
permissu. 1632.* 4 Bl. 679 S. 12. (Oxford). Wahrscheinlich ein Nachdruck
Syllabus. Kaccolta. Elenohus. 25
welchem die von Clemens VIII. und die durch spätere Decrete
yerbotenen Bücher in Ein Alphabet geordnet, die Schriftsteller
unter ihren Vornamen und Zunamen, die anonymen Schriften
unter verschiedenen Schlagwörtern aufgeführt sind und bei jeder
Nummer das Datum des betreffenden Decretes, bei den aus
dem Trienter bezw. Glementinischen Index entnommenen „in In-
dice" bezw. ,,in Indice Appendicis'* beigefügt ist, eine Anord-
nung, die allerdings, wie der Herausgeber hervorhebt, bequemer
ist als die nach den Classen und die, wie wir sehen werden,
Nachahmung fand. Diesem Elenchus wurde ein Abdruck des
Index von 1596 und der oben No. 1 erwähnten Sammlung von
Decreten beigefügt: der Elenchus sollte also ein alphabetisches
Register dazu sein. — Dieser Elenchus von 1632 wurde, (ohne
den Index von 1596 und die Decreten-Sammlung, aber) mit
einem Supplement vermehrt, 1635 zu Mailand abgedruckt ^). 1640
erschien in Rom eine zweite vermehrte Ausgabe desselben^).
Der Elenchus von Maddaleno ist nicht, wie Mendham S. 170
vermuthet, eine mit einer blossen Druckerlaubniss versehene Privat-
arbeit, sondern, wie Catalani, De Secr. p. 19, unter Berufung auf
die Acten der Index-Congregation mittbeilt, auf Befehl und mit
Gutheissung dieser gedruckt; die Congregation beschloss aber, er
solle nicht in ihrem, sondern unter dem Namen des Secretärs tan-
quam privati auctoris herausgegeben werden. — Auf der Rückseite
des Titelblattes (auch der Ausgaben von 1635 und 1640) steht die
Druckerlaubniss mit einem eigenthümlichen Zusätze: Imprimatur,
si videbitur Reverendiss. P. Mag. Sac. Palatii Apostolici. A. Epi-
der Römischen Ausgabe; s. o. Note S. — Die von Petzh. p. 147a ver-
zeichnete Ausgabe Hom 1624 finde ich sonst nirgend erwähnt.
1) £lencha8 . . . digestus. Mediolani. Ex Typographia Archiepi-
scopali. 1635.* Superiorum Permissu. 6 El. 658 S. 12. (Reusch). Beigebnn-
den sind (nicht der Index von 1596 und die Decretensammlung, aber) Regulae
oonfcctae per Patres a Trid. Syn. delectos . . . instructione adjecta [die
Instruction Clemens' YIII] . . ., 1635. 24 S. — Auf der Rückseite des
Titelblattes steht unter dem Imprimatur für die Römische Ausgabe: Im-
primatur denuo. Inquisitor Mediolani. Jo. Paulus Mazzuchellus pro Rev.
Capitulo Metropolitano. Co. Maioragius pro Excellentiss. Senatu, fol. 2. 8
eine Widmungsepistel von Jo. Ambr. Sirturus d. d. Mailand 20. Sept. 1635,
p. 652 — 658 das Supplement mit der Ueberschrift : Post praedictum Elen-
chum sequentes libri prohibiti sunt.
2) Elenchus.. . . Decretis usque ad annum 1640 prohibitorum . . .
digestus. Editio secunda aucta. Romae, Ex typographia Rev. Cam. Apost.
1640*. Superiorum permissu et cum privilegio. 4 Bl. 412 S. 8 (Oxford.
München K.). Die Seiten sind zweispaltig. Vgl. S. 24 Note 4. — Quetifü,
473 und Zaca p. 180 erwähnen noch eine Ausgabe Rom 1648, Zaoc. auch
Abdrücke Antwerpen 1644 und Lyon 1650.
26 Der Römische Index von 1600—1664.
Bcopus Bellicastren. Vicesg. — Qui Libri non reperientur in hoc
£lencho, aut in Collectione Postindicis (der Sammlung der Decrete),
de quibn» aliqua dubitatio moveri possit, non propterea approbati
censeantur, sed judicentur ad communes regulas in Indice praescri-
ptas. Imprimatur. Fr. Nicolaus RiccardiuR S. Palatii Apost. Mag.
Maddaleno hat den Elenchus „Urbano VIII. Pont. Opt. Max.**
gewidmet, den er als hujus alphabeti Alpha et Omega, lux lucis et
index indicis anredet; es heisst in der Dedication weiter: quod
sab Te Congregationis praefecto in boc Indice elaboravi et sub Te
nunc Pontifice Maxime ac praefectorum omnium praefecto perfeci.
— Die Verweisungen auf den Index und die Decrete lauten: in
Indice [Trid.] primae classis, in Ind. certorum auctorum (2. CL), in Ind.
inoertorum auctorum (3. CL), in Indice Appendicis (Clemens' VIII.)
1. cl., in Edicto 7. Sept. 1609 u. s. w.
4. Mit dem Elenchns des Maddaleno ist nicht zn ver-
wechseln ein 1644 ohne Angabe des Herausgebers und ohne
Vorrede und dgl. gedruckter Elenchus, welcher nur die seit
1596 verbotenen Bücher in alphabetischer Ordnung (mit Angabe
der betreffenden Decrete) verzeichnet^). Ein dritter Elenchus,
den Thomas de Augustinis herausgab, scheint bestimmt gewesen
zn sein, eine Fortsetzung der (ersten Ausgabe) des Elenchus
von Maddaleno zn bilden: er enthält eine alphabetische Zu-
sammenstellung der 1636 — 55 verbotenen Bücher^). Er wurde
10. Juni 1658 von der Index-Congregation verboten, mit der
Motivirung: er sei unvollständig (dcficiens) und enthalte (be-
rücksichtige) nicht alle bis 1655 von der Gongregation erlassenen
Decrete.
Reginaldus Lucarinus, der 1642 von Urban VIII. zum Mag.
S. P., aber schon 1643 zum Bischof von Cittä della Pieve (Civitas
Plebis) ernannt wurde, f 1671, bat nach Quetif II, 641 einen In-
dex librorum prob, cum regulis . . . usqne ad annum 1645 et no-
tationes ad dictas regulas ausgearbeitet ; derselbe ist nicht gedruckt,
aber das Autograph (drei Bände) befindet sich in der Vaticanischen,
Abschriften in der Barberini^schen und in der Inquisitions-Bibliothek.
5. In Köln veröffentlichte 1627 die Inquisition einen
1) Elencbus librorum omnium post Indioem Clementis VIII. in de-
cretis Sacrac Indicis Congregationis usque ad annum 1644 prohibitorum.
Ordine alphabetico. Koraac, ex typ. Rcv. Camcrae Apost. 1644.'^ 56 S. kl. 8
(Müncben, Univ.).
2) Librorum omnium in Sac. Indicis Congr. Deoretis prohibitorum
ab anno 1636. usque ad annum 1655. £lenchus ordine uno alpbabetico per
Fr. Thomam de Augustinis digestus. So wird der Titel in dem Edicte
(Alex. No. 67) angegeben.
Kölner and Trienter Ausgaben. 27
Abdrack des Index Clemens' VIII., in welchem die durch ein
Edict vom 4. Febr. 1627 verbotenen BUcher, — sonderbarer
Weise nur diese, nicht die durch Edicte von 1601—27 ver-
botenen, — mit einem f bezeichnet, in das Alphabet eingeschoben
sind. Diese Ausgabe wurde 1647 und 1665 nochmals gedruckt^).
Die ans dem Edicte aufgenommenen Bücher sind bald in den
Trienter Index, bald in die Appendix eingeschoben, vielfach ohne f-
Das Edict ist No. 33 bei Alex., hier aber unrichtig vom 17. Febr.
1623 datirt.
6. Eine wesentlich bessere Arbeit ist die 1634 zu Trient
erschienene Ausgabe, welche einen Abdruck des Glementinischen
Index und dann (mit besonderer Pagin irung) ein alphabetisches
Verzeichniss der bis zum J. 1630 verbotenen Bücher mit An-
gabe der betreffenden Edicte und in einem (wieder besonders
paginirten) Anhange die 1632 — 34 verbotenen Bücher enthält.
Später sind noch einige Supplemente dazu gedruckt^).
Auf dem Titelblatt steht Komae et Tridenti, wohl um den In-
dex als Römischen zu bezeichnen.
7. Bei den bisher besprochenen Indices handelte es sich
1) Novvs Index Librorvm Prohibitorvm, Juxta Decretum Sacrae
Coogregationis Illustriss. S. R. K Cardina lium ä S. D. N. Yrbano Papa VIII.
sanctaq; Sede Apostolica publicatum, Romae 4. Febr. 1627, aactus. Pri-
mum auctoritatc Pij IV. P. M. editua. Deinde k Sixto V. ampliatus. Tertio
ä demente VIII. recognitus. Praefixis Kegvli?, ao Modo exeqvendae Prohibi-
tionis Per R. P. F. Franciscum Foretium (sie) Ord. Praed. ä deputatione
SS. Trid. Synodi Secretarium. Ante querolibet librum noniter prohibitnm
praefixum est signum f. Coloniae Agrippinae, Ex commissione S. R. £.
Inquisit. Apnd Ant. Boetzeri haeredes. 1627,* 64 S. 8. (München K.).
NovvB Index . . . Coloniae Agrippinae, £x commiasione S. R. E.
Inquisit. Apud Jodocum Kalcovium 1647, 131 S. 12. (Scboettgen II, § 24).
— Novvs Indejc .... Coloniae Agrippinae .... Kalcovium 1666*. 131
S. 12. (Mainz).
2) Index Librorvm prohibitorvm . . . (wie oben S. 23 Note 3) . .
ratione. Quibus accessit de nouo Index librorum a Sacra Indicis Con-
gregatione passim ad annum usque 1630. particularibus Decretis suis locis
consignatis prohibitorum. Romae, & Tridenti apud Zanettum. Impressorfi
Episcopale. Superiorum perraissu 1634.* 177 S. 12. Dann folgt: Novvs In-
dex librorum a Sacra . . . prohibitorum. XC S.; dann (als Bogen N) mit
p. I: Additio librorum prohibitorum ä praefata Sacra Congregatione de
anno 1632, 9. Sept.; p. V: Additio librorum ut supra prohibitorum a. . .
de anno 1633, 19. Martii; p. VIU: Additio ... de anno 1634, 23. Aug.;
p. XI: Finis. — Beigebunden sind (München, K. Univ.) : Additio librorum
ut supra ... de anno 1636, 9. Maii, II S.; Decretum S. Congr. Ind. 31.
Junii 1641, S. Inq. 1. Aug. 1641, X S.; Additio librorum, Vt supra pro-
hibitorum, de Anno 1642 sub die 22 Januarij. Romae, & Tridenti, Ex
Typ. Episo. Zanett. 4 Bl.
28 Der Römische Index von 1600—1664.
am die BeifUgnng von Büchern, die darch die Römischen Be-
hörden verboten waren. Anders verhält es sich mit (dem § 8
zu besprechenden Lissaboner und) zwei in Krakan lö03 und
1617 erschienen Indices. Der erste, von dem Bischof Bernard
Macieiowski herausgegeben^), enthält einen Abdrnck des Glemen-
tinischen Index und einen Index auctorum et librornm prohibi>
torum, in Polonia editornm (64 Namen oder Bücher von be-
nannten Verfassern, 18 anonyme Schriften), der zweite, von dem
Bischof Martin Szysköwski publicirt^), ausserdem noch ein Aue-
tarium librornm haereticorum et prohibitorum, 1617 editum (63
theils in Polen, theils anderwärts gedruckte Bücher).
Der Anhang von 1603, der in der Ausgabe von 1617 wieder
abgedruckt ist, enthält theils Namen (der 1. Gl. des Rom. Index
entsprechend), theils Bücbertitel, theils lateinische, theils polnische,
aber alle mit Polen zusammenhangend. Aus dem Rom. Index sind
wiederholt die Namen: Andr. Yolanus, Andr. Fricius Modrevius,
Faustus Sozinnus (sie), Gregorius Paulus Brzezinensis, Jo. a Lasko,
Jo. Eosminius s. Kosmius, Petrus Statorius, Stan. Samicius; Jo.
Lassicius ist Jo. Lasitzki, von dem in Rom 1603 ein Buch ver-
boten wurde. Unter den anonymen Büchern steht die Gonfessio
Augustana. Von den sonst hier vorkommenden Autoren und Schriften
steht auch in den späteren Rom. Indices nichts.
In dem Index von 1617 stehen hinter der Appendix von 1603
die bei Alex, unter No. 14, 15 stehenden Decrete vom J. 1616
und das nicht bei Alex, stehende Decret vom 10. Dec. 1616 über
die Monita privata, dann das Auctarium, zuletzt ein Monitum ad
Lectorem Seb. Nucerini S. T. D. (eine Ermahnung bezüglich der
schlechten Bücher). Nucerinus wird also wohl der Gompilator des
Index sein.
Von den in den Decreten von 1616 verbotenen Büchern stehen
nur die Monita privata im Auctarium, von den in früheren Decreten
verbotenen nur ganz wenige und diese allem Anscheine nach nicht
aus den Decreten entnommen (Abr. Sculteti opera, Ant. Arnaldi
actio contra Jesuitas, Guil. Perkinsii opera), ferner, obschon der
Autor schon in der 1. Gl. des Tr. steht: Wesselij Gansfortij, alias
1) Index Librorvm prohibitorvm . . . (wie im Clementinischen Index)
ratione. Cracoviae, In Officina Andreae Petricovij 1603.* 96 Bl. 12. (Krakau).
2) Index Librornm prohibitorum. Cum Regulis confectis per Patres
a Tridentina Synodo delectos, et cum adjecta instructione, de emendandis,
imprimendisque libris, et de exequenda prohibitione. Nunc, in hac editione,
Congregationis Cardinalium edictis aliquot, et librorum nuper scandalose
evulgatorum, descriptiono auctus. Cracoviae, In Offic. Andreae Petricouij,
S. R. M. Typogr. A. D. 1617.* 106 Bl. 12. (etwas grossem Formates als
1603).
Krakauer Ausgaben. 29
Basilij Groningen. Aura purior et alia opera. Nur einige wenige
Schriften, die sich hier finden, sind später auch in den Körn. Index
gekommen (aber nicht aus diesem Index): Anticotonus und einige
Bücher von deutschen protestantischen Theologen.
In dem vor dem Index von 1603 stehenden bischöflichen Er-
lasse wird den Druckern und Buchhändlern unter Androhung der
Excommunication und anderer arbiträrer Strafen verboten, ohne
Genehmigung des Bischofs oder seiner Deputirten Bücher zu drucken
oder zu verkaufen. Der Bischof Szyskowski sagt in seinem Erlasse :
er habe diese Bestimmung in Erinnerung gebracht und den Buch-
händlern unter Androhung der ihm reservirten directen und in-
directen Excommunication, der Confiscation und Verbrennung der
Bücher und einer Strafe von 100 Ducaten (die zur Hälfte dem
Krakauer Hospital, zur Hälfte der Fabrik des Domes zufallen sollten)
verboten, von auswärts importirte Bücher ohne seine Genehmigung
zu verkaufen ; er habe auch die Bibliotheken visitiren und die libri
obscoeni et libelli verbrennen lassen. Er bestimmt dann : wer die
in seinem Index verzeichneten Bücher lese, behalte, drucke, ab-
schreibe u. 8. w., solle nicht absolvirt werden, da er die Lossprechung
sicli selbst reservire.
Der Index generalis von Thomas James ^) gehört nicht in die
Eeihe der Indexausgaben (I S. 4). Er ist aus den Indices von
Clemens VIII. und von Sandoval compilirt. Am Schlüsse steht
ein Verzeichniss der Schriftsteller, von denen Schriften in dem Ant-
werpener Expurgatorins, bei Bras., Quiroga oder Sandoval expur-
girt werden. Für die Tendenz der Arbeit ist der Anfang der Vor-
rede charakteristisch: Cum animadverterem . . . duobus potissimum
modis labefactari regnum Christi promoverique illud Antichristi, vel
per Indices librorum prohibitorum vel per Indices expurgatorios etc.
4. Der Index Alexanders VlI. 1664.
Im J. 1664 erschien eine neue Ausgabe des Index 2), welcher
eine Bulle Alexanders VII. vom 5. März 1664, Speculatores,
vorgedruckt ist In dieser Bulle sagt der Papst: Seit der Pu-
blication des Index Clemens' VIII. seien von dessen Nachfolgern
und der Index-Congregation viele Bücher verboten und deren
Autoren* verdammt worden, aber kein amtliches Verzeichniss
1) Der Titel steht I IS. 4. Oxoniac 1627.* 142 S. 12. (Hamburg).
2) Index Librorvm prohibitorvm Alexandri VII. Pontificis Maxiroi
ioBsn editus. Romae, Ex Typographia Reuerendae Camerae Apostolicae.
1664.* Soperiorum permisau, <fe Privilegio. XXVII und 410 S. 4. (München K.)
80 Index Alexanden VIL 1G64.
erschienen, welches in übersichtlicher Ordnung (ordinatim atque
distincte) diese Bücher und Autoren enthalte. Der in seinem
Auftrage ausgearbeitete neue Index enthalte die in dem Trienter
und Clementinischen und die seit dem Erscheinen des letztern
verbotenen Bücher, und zwar in alphabetischer Ordnung mit
Beseitigung der frühern Eintheilung in drei Glassen. Diese neue
Ordnung sei bequemer und auch geeignet, das Missverständniss
zu beseitigen, als ob diese drei Glassen drei Grade bezeichneten
und das Lesen von Büchern der 1. Classe gerährlicher und
sträflicher sei als das Lesen von Büchern der 2. und 3., da doch
manche Bücher der 3. viel schlechter seien als Bücher der 1.
und 2. Indess seien in dem neuen Index bei den einzelnen
Büchern nöthigenfalls die betreffenden Glassen (des Trienter)
und ihre Appendices (im Gleroentischen Index) sowie (tlUr die
später verbotenen Bücher) die Decrete, wodurch sie verboten
worden, angegeben. Auch seien der Vollständigkeit wegen dem
(neuen) „allgemeinen Index'* der Glementinische Index und alle
seitdem erlassenen Decrete beigefügt. ,,Den in der angegebenen
Weise zusammengestellten und revidirten und mit den Typen
Unserer apostolischen Kammer bereits gedruckten allgemeinen
Index, fährt der Papst fort, den Wir als diesem Schreiben in-
serirt angesehen wissen wollen, bestätigen und approbiren Wir
durch Gegenwärtiges mit apostolischer Autorität sammt allem
und jeglichem darin Enthaltenen und verordnen und befehlen,
dass er von allen Gemeinschaften (universitates) und einzelnen
Personen, wo immer sie auch sein mögen, unverletzlich und
unerschütterlich beobachtet werde." Dann folgen noch die oben
S. 17 erwähnten Strafbestimmungen und die Verordnung, der „all-
gemeine Index'* solle von den Bischöfen, Inquisitoren u. s. w. über-
all publicirt und für die Beobachtung desselben gesorgt werden.
Im Jahre 1665 veröffentlichte der Secretär der Index-Con-
gregation, Vincentius Fanus, eine compendiösere Ausgabe, ohne
den Glementinischen Index und die Sammlung der Decrete^).
1667 erschien (zu Lyon oder Genf) ein Abdruck dieser Ausgabe,
1) Index Librorum Prohibitorum Alexandri VIT. Pontiiicis Maximi
jassu editus. Romae, Ex Typographia Rev. Cam. Apost. \Q66* XXIV und
820 S. kl. 8. (München K.).
Index Alexanden VD. 1664. 81
in welchem aber der Clementinische Index und die Sammlung
der Decrete, diese bis zum J. 1667 fortgeführt, wieder beige-
fllgt sind^).
Die Ausgabe von 1664 enthält nach der Bulle, den Trienter
Begeln und der Instruction Clemens' VIIL, — der 10. Regel ist
eine Observatio beigefügt (I S. 341), — einem Privilegium für die
YaticauiBche Druckerei und einer Yorbemerkung des Secretärs der
Index-Congr., Hyacinthus Libelli, der den neuen Index redigirt hatte,
folgendes: 1. Index primus generalis, das in der Bulle erwähnte
und durch dieselbe approbirte Verzeichniss der Autoren und Bücher,
mit Beifügung der Notizen: in Indice (oder in Indice Appendicis)
1. cl., in Ind. oder in Ind. App. certorum oder incertorum auctorum,
in Edicto 7. Sept. 1609 u. s. w.; vgl. S. 26; 2. als Seoundus Index
ein alphabetisches Verzeichniss der Namen (Vornamen und Zunamen)
der Autoren; 3. als Tertius Index ein Verzeichniss der Büchertitel
nach Schlagwörtern alphabetisch geordnet; — No. 2 und 3 sind als
eine Privatarbeit Libelli's anzusehen, Zacc. p. 182; — 4. eine
Appendix, die während der Fertigstellung des Index, 1660—64,
verbotenen Bücher enthaltend ; 5. den Index Clemens' VIU. mit der
Vorbemerkung (von Libelli), er werde beigefügt, um die in dem
neuen Index vorkommenden Verweisungen auf die drei Classen
deutlich zu machen; in dieser Vorbemerkung gibt Libelli auch ein
Verzeichniss der Secretäre der Index-Congr., mit Forerius (I S. 432)
beginnend ; 6. unter der Ueberschrift Index Decretorum eine Samm-
lung der auf Bücherverbote bezüglichen Decrete von 1601 bis 1662;
7. eine zweite Appendix, noch einige Titel von verbotenen Büchern
und vier Decrete aus den Jahren 1662 und 1663 enthaltend (hinter
p. 398 ein nicht paginirtes Blatt, welches als folium casu omissum,
restituendum p. 333 post Decr. 33 bezeichnet ist und den Locus
ademtus a Thoma Sanchez, — in der Ausgabe von 1667 p. 230, —
enthält) ; 8. ein Verzeichniss der Cardinäle und der Consultoren der
Index-Congr. von ihrer Gründung an bis auf die Gegenwart; 9. das
Druckprivileg und Errata.
Die Ausgabe von 1665 enthält die Bulle Alexanders VII.
nicht. Auf die Trienter Eegeln und die Instruction Clemens' VIII.
(p. V — XXI) folgt Privilegiorum Summa und ein kurzes Vorwort
von Vinc. Fano, der 1664 Libelli's Nachfolger geworden war
(p. XXII. XXIII), und dann nur der Index primus generalis der Aus-
gabe von 1664. Fano sagt, diese neue Ausgabe sei einerseits com-
pendiöser als die von 1664, anderseits vermehrt. Die Hinweisungen
auf die drei Classen sind weggelassen; — Fano sagt: man könne
1) Index librorvm prohibitorvm Alexandri VU. Pontificis Maximi
iv88v editvs. Aotorum XIX. Mvlti avteni ex eis qui fuerant Curiosa sec-
tati, contulenint Libros & combussürunt coram omnibus. Juxta Exemplar
excusum Romae, ex typographia Rev. Cam. Apost. Cum Priuilegrio. 1667.*
804 S. Fol.
32 Index Alexanders VII. 1664.
diese Unterscheidung aber auch so leicht erkennen: wo nur der
Name eines Autors stehe, sei derselbe aus der 1. Gl. entnommen;
die Büchertitel ohne Namen seien aus der 3., die mit Namen aus
der 2. GL; -- auch die Notizen: In Edicto 7. Sept. 1609 und dgl.
fehlen, so dass man nicht sieht, welche Bücher schon im Giemen-
tinischen Index gestanden und welche später verboten worden. Auf
der andern Seite hat Fano den Index dadurch erweitert, dass er
die Autoren unter ihren verschiedenen Namen und die Bücher unter
verschiedenen Schlagwörtern anführt, also z. B. gleich im Anfange
hinter einander folgende Artikel, die nicht in dem Index von 1664
stehen, beigefügt hat: Abailardus v. Petrus; de Abano v. Petrus
de Abano; Abbas rS di Persia v. Gonditioni d^Abbas r^ di Persia;
Abbas Joachim v. Mirabilium u. s. w. Auch die Appendix der
Ausgabe von 1664 ist eingereiht.
Die Ausgabe von 1667 enthält das Vorwort des Fano, die
Begulae u. s. w. (S. 11 ein Inhal tsverzeichniss), dann einen Ab-
druck des Index von 1665 (S. 1 — 136), ferner, aus der Ausgabe
von 1664 abgedruckt, die Bulle und (mit einer Vorbemerkung des
Herausgebers S. 143) den Glementinischen Index und die Sammlung
der Decrete bis 1664 und das Verzeichniss der Gardinäle und Gon-
sultoren der Index-Gongregation (S. 137 — 288), endlich eine von
dem Herausgeber beigefügte Appendix Decretorum, Decrete von
1664-1667 enthaltend (S. 289 — 304).
Fessler S. 167 erwähnt die Ausgabe von 1665 nicht und
scheint die von 1667 für eine in Rom erschienene zweite Ausgabe
des Index von 1664 zu halten. Sie wird freilich oft als „Romae
1667" erschienen angeführt. Auf dem Titelblatte ist allerdings
der Schluss „Juxta Exemplar excusum (diese drei Worte sind ganz
klein gedruckt) Romae, ex typogr. Rev. Gam. Apost. Gum Privilegio.
1667" missverständlich ; aber der Sachverhalt ist in der Series con-
tentorum hoc libro S. 11 und in der Vorbemerkung S. 143 ganz
richtig angegeben. — Man findet oft Exemplare dieses Nachdrucks
mit dem (wahrscheinlich auch zu Lyon oder Genf veranstalteten)
Nachdruck des Index von Sotomayor (§ 9) zusammengebunden
mit dem vorgesetzten Schmutztitel: Indices librorum prohibitorum
et ezpurgandorum novissimi, Hispanicus et Romanus, Anno 1667. Ur-
sprünglich ist aber, wie die Verschiedenheit des Papiers und der
Typen zeigt, der Römische Index separat nachgedruckt worden.
Dass in der Sammlung der Decrete einige fehlen, wurde
bereits S. 18 bemerkt. Mehrere in Decreten von 1613 und 1614
verbotene Bücher stehen aber auch, obschon sie in der Raccolta
von 1624 stehen, offenbar nur in Folge eines Verseliens nicht
(iü dem Elenchus von Magdalenus Gapiferreus und nicht) in dem
Index Alexanders VII. und sind auch in keinem der folgenden In-
dices, auch nicht bei Ben., zu finden. Es sind ausser 8 falschen
Ablässen, die unter Indulgenze stehen (s. u.), folgende: Antonii
Albitii Florentini commorantis Gampiduni Tractatus brevis continens
decem principia doctrinae christianae, verb. 1613. Das Schriftchen
ist 1612 gedruckt; von den anderen Schriften Albizzi^s, eines
RömiBche Indicea 1670—1758. 83
Priesters aus einer angesehenen Florentiner Familie, der Protestant
wurde und 1626 zu Kempten starb (K.-L. 1, 440), ist auffallender
Weise keine verb. — Consultatio catholica de fide Lutherana capes-
senda et Romana papistica deserenda, opposita haereticae consulta-
tioni Leonardi Lessü Jesuitae et Theologi Lovaniensis, authore Bal-
thassare Meisnero Dresdensi, Giessae 1611, verb. 1614; auch von
Meisner (R.-E. 9, 471) steht nichts im Index; — Davidis Chytraei
Regulae vitae, nuper a Phil. Glassero auctae et emendatae, Argent.
1607, verb. 1614; Chytraeus stand schon in der 1. Cl. — Godefridi
Heidfeldii Nassovii Sphinx theologico-philosophica ad Jacobum Bri-
tunniae regem, Herbom 1612. Item Censura in syllogen Sphingi ad-
jectam auctore Jo. Textore Heigera-Nassovio. Item Censura in Ana-
lecta aenigmatica eidem volumini annexa auctore Alberto Molnaro ^)y
verb. 1614. Dasselbe Buch, und zwar eben die 1612 erschienene
6. Auflage wurde 1616 als Sextum renata . . . Sphinx etc. ohne
Angabe des Verfassers verb., und steht so bei Alex, und in den
folgenden Indices unter Sextum ; erst Ben. hat es unter Heidfeld
gestellt ; die darin vorkommenden satirischen Bemerknngen über
Päpste u. 8. w. erklären das Verbot. — Georgii Schoenborner Poli-
ticorum libri 7, verb. 1614, wurde 1680 nochmals verb.
5. Ausgaben des Römischen Index von 1670 bis 1758.
Auf die Ausgabe von 1665 folgt zunilchst eine von 1670,
unter Clemens X. noch von Vineentius Fanus besorgt, dazu
1675 eine kleine Appendix 2). Unter Innocenz XI. (1676—89)
besorgte Jacobus Riccius 1681 eine Ausgabe*); in der Vorrede
sagt er: er habe die mittlerweile (seit 1665) verbotenen Bücher
1) Das It«m Censura ist unsinnig; dem Buche von Heidfeld sind
l)eigefügt Analecta aenigmatica ab Alberto Molnaro Ungaro comportata
und ist gewöhnlich beigebunden: Sylloge variorum acnigmatum . . .
per Jo. Textorem. Herb. 1612. Die 9. Ausgabe erschien als Novum renata
Sphinx . . . 1631, eine deutsche Uebersetzung : Theologischer und philos.
Zeitvertreiber, 1624; A. D. B. 11, 306.
2) Index librorum prohibitorum Clementis X. Pontificis Maximi jussu
cditus. Roraae, ex typographia Rev. Cam. Apost. 1670.* XXIV und 333 S.
und 3 nichtpaginirte Seiten 8. (München K.). In einigen Exemplaren ist
beigefügt: Index libr. proh. ab anno 1670 usque ad annum 1675. Romae
ex typogr. Rev. Cam. Apost. 1675,* 4 Bl. (ein alphabetisch geordnetes
Supplement).
3) Index 1. p. Innocentii XI. P.M. jussu editus. Romae . . . 1681.*
XXVI und 296 S. 8. (München K.). S. XXV und XXVI sind einige Bücher
nachgetragen, die während des Druckes verboten worden. Bei Petzh.
p. 149 ein Exemplar cum appendice 48 pp., in der Bibliotheca Casanatensis
mit einer Appendix von 1683. Wenn Petzh. p. 149 eine Ausgabe von 1680
erwähnt, so wird das auf einem Schreibfehler beruhen.
Beoacb, Index II. q
U Römische Indices 1670—1758.
eingefügt, viele Namen corrigirt und bei den Auetores 1. Classis
„1. cl." beigefügt. Diese Ausgabe des Riccius wurde 1682^)
und dann wiederholt bis 1739 unverändert abgedruckt und die
seit 1681 verbotenen Bücher in Appendices vereinigt beigefügt.
Vom J. 1704 an und wieder vom J. 1744 an erschienen aber
auch Ausgaben, in welchen die bis 1704 bezw. bis 1739 ver-
botenen Bücher in den Index eingereiht sind. E» scheint aber,
dass von 1682 bis 1754 in Rom keine amtliche Ausgabe des
Index erschienen ist und dass die zahlreichen Ausgaben, die
in dieser Zeit angeblich aus der Druckerei der apostolischen
Klammer hervorgegangen, in Wirklichkeit anderswo (zu Venedig)
gedruckt sind. Wenigstens theilt Zaccaria p. 187 aus einem
Gutachten des P. Ricchini, der 1749—59 Secretär der Index-
Congregation war und den Index Benedicts XIV. vom J. 1758
bearbeitete, die Notiz mit: nach der von Ricci unter Innocenz XI.
besorgten Ausgabe sei in Rom mehr als 70 Jahre keine amt-
liche Ausgabe des Index gedruckt worden; die Venetianischen
Drucker hätten aber wiederholt, noch in der letzten Zeit (1752)
mit dem falschen Druckort Rom Indices mit vielen Fehlern
herausgegeben. Dass keine dieser Ausgaben eine amtliche ist,
darf man auch darum annehmen, weil keine derselben ein Vor-
wort des zeitigen Secretärs der Index-Congregation hat, wie ein
solches in den Ausgaben von 1665, 1670 und 1681 und dann
wieder in der von 1758 steht. — - Auch die Appendices scheinen,
obschon angeblich in der Cameral-Druckerei gedruckt, keine
amtliche Zusammenstellungen zu sein.
Hannot (f. 4 v.) sagt zwar, 1692 Bei eine Appendix unter
dem Namen des Mag. 8. P. gedruckt, aber nach einigen Jahren
durch eine andere ersetzt worden, weil darin eigenmächtig, ohne
Auftrag des Papstes und der Index-Congregation das Buch der Maria
von Agreda und ein Officium Immaculatae Conceptionis aufgenommen
und jansenistische Bücher ausgelassen seien. Diese Angabe ist aber
gewiss nicht richtig: der Mag. S. Pal. gab sonst nicht den Index
heraus, sondern der Secretär der Index-Congregation, und Thomas
Maria Ferrari, der seit 1688 Mag. S. P. war, würde wohl nicht
1) Index . . . 1682.* XXIV und 296 S. 8. (München K.). Die in der
Ausgabe von 1681 p. XXV. XXVI stehenden Bücher sind in das Alphabet
eingereiht; p. XXII. XXIII steht ein Decret der Index-Congr. vom 14.
April 1682.
Römische Indices 1670—1758. 36
im Amte geblieben und 1695 Cardinal geworden sein, wenn er sich
1692 eines solchen Vergehens schuldig gemacht hätte. Richtig ist,
dass 1696 eine neue Appendix zu dem Index von 1681 erschien,
in welcher die Maria von Agreda nicht steht (von den Verhand-
lungen über sie und das genannte Officium wird später die Rede
sein). Wahrscheinlich sind beide Privatarbeiten, zu denen vielleicht
der Mag. S. Pal. die Druckerlaubniss ertheilt hat. Wenn die Appen-
dix von 1704 in einigen Ausgaben als App. unica bezeichnet wird,
so soll sie damit auch schwerlich, wie Hannot meint, als unica fide-
lis im Gegensatze zu der von 1692 bezeichnet werden.
Von den 1681 — 1752 erschienenen Indices und Appendioes
sind mir folgende bekannt:
I. Eine Reihe von Ausgaben hat den Namen Innocenz' XI.
(1676—89) und die Jahreszahl 1681, 1683, 1685 oder 1686 auf
dem Titelblatte ; die meisten derselben sind aber allem Anscheine
nach später, gleichzeitig mit der beigefügten Appendix, gedruckt:
1. Index 1. p. Innocentii XI. P. M. jussu editus. Romae 1683, ex
typogr. Rcv. Cam. Apost. XXIV und 296 S. 8. Beigefügt: Appendix ad
Indicem 1. p. hujus impressionis, ordine alphabetico disposita usque ad
annum 1692. Cum adnotatione Decretorum et Breviuro, anni ac diei pro-
hibitionis. 47 S. Ferner 12 nicht paginirte Seiten: Bücher, die 1692 und
1693 verb. worden (Hofm. p. 192, No. 15). Wahrscheinlich 1692 gedruckt
2. Index Lp.... 1683.* XXIV und 304 S. 8. Beigefügt: Appendix
ad Indicem 1. p. ordine alphabetico disposita usque ad annum 1696. 65 S.
(München K.). Die in dem Decrete von 1682 stehenden Bücher sind nicht
in den Index eingereiht, aber einiges in der Ausgabe von 1682 ist corri-
girt. Wahrscheinlich 1696 gedruckt.
3. Index 1. p. . . . 1685.* XXIV und 296 S. 8. P. H-V : Verzeich-
niss von Büchern, die während des Druckes verboten worden; p. VI — XXI
Regnlae etc.; p. XXII: Decretum Congr. Ind. 14. Apr. 1682; p. XXIV:
Fr. Jac. Riccins catholico lectori. Beigefügt: Appendix ad Indicem 1. p.
hujus impressionis ordine alphabetico disposita usque ad annum 1692.
61 S. (München K.).
4. Index 1. p. . . . 1686,* abgesehen von der Jahreszahl dem vorigen
gleich (München Univ.).
IL Im J. 1704 erschien ein Abdruck der Ausgabe von 1681
mit einer Appendix, welche in alphabetischer Ordnung die 1681 —
1704 verbotenen Bücher enthält:
5. Index 1. p. Innocentii XI. P. M. jussu editus usque ad annum
1681. Eidem accedit in üne Appendix usque ad mensem Junij 1704. Romae
Typis Rev. Cam. Apost. 1704.* Cum privilegio. 12 Bl. 405 S. 8 (InhaltUch
gleiche, aber mit verschiedenen Typen gedruckte £xemplare München K.
und Döllinger). S. 301 : Appendix unica ad Indicem 1. p. vero et accurato
alphabetico ordine disposita ab anno 1G81 usque ad mensem Junij inclusive
1704. Cum adnotatione fere omnium Decretorum ac Brevium, Anni, Mensis
ai4|ueDiei prohibitionis. 8. 403: Nota di alcune Operette & historiette proibite.
B6 Kömische Indices 1670—1758.
Diese Ausgabe wurde wiederholt unter Beifügung weiterer Ap-
pendices abgedruckt:
6. Index 1. p. Innocentü XI 1704.* 12 Bl. 471 S. 8. S. 1-405
wie No. 5; S. 407: Appendix novissima ad Indicera 1. p. ab a. 1704 usque
ad totum mensem Martij 1716. Romac, typis Rev. Cani. Apost. 1710; S. 457;
Appendix novissimae Appendicis ad Indicem 1. p. a mense Martij 1716
usque ad totura Maij 1718. Romae . . . 1718 (München Univ. S. 407—456
mit einem Titelblatt : Appendix . . . Romae 1716, besonders München K.).
7. Index 1. p. Innocentü XI. . . . 1704.* 12 Bl. 566 S. 8. S. 1—800
wie No. 5; S. 301: Appendix unica . . . prohibitionis. Accedit in fine No-
tula aliquot opusculorum, historiuncularum, ac orationum ctiam proscrip-
tarum; S. 407: Appendix novissima ... 1716 (wie No. 0); S. 461: Ap-
pendix novissimae Appendici . . . 1718 (wie No. 6); Appendix novissimae
Appendicis ad Indicem 1. p. a mense Maij 1718 usqne ad totum mensem
Junij 1734. Romae, typis . . . 1734; S. 513: Raccolta d'alcvne particu-
lari Operette spirituali, e profane prohibite orazioni, e diuozioni vane e
superstiziose, Indulgenze nulle, o apocrife, ed Immagini indecenti ed
illicite (Bonn).
8. Index 1. p. Innocentü XI ... . 1704.* 12 Bl. 572 S. 8. S. 1-300
wie No. 5. S. 301: Appendix ad Indicem 1. p prohibitionis; S. 407:
Appendix ad Indicem 1. p. ab anno 1704 usque ad totum mensem Martü
1716. Romae . . . 1716; S. 461: Appendix ad Indicem 1. p. a mense
Martü 1716 usque ad totum Maii 1718. Romae . . . 1718; 8.477: Appendix
novissimae Appendici ad Indicem 1. p. a mense Maii 1718 usque ad totum
mensem Julii 1739. Accedit in fine Notula aliquot . . . proscriptarum.
Romae 1739, typis Hieronymi Mainardi, Impressoris Cameraiis; S. 517
eine italienische Notiz über die Raccolta ; S. 519: Raccolta (wie No. 7).
— Bis S. 568 läuft die Numerirung der Bogen fort (Nu 4). Dann folgt
auf besonderen Blättern, aber in demselben Drucke, in dem von Hofm.
p. 194 beschriebenen Exemplare als S. 569—572: Appendix ad Indicem
1. p. a mense Feb. 1739 usque ad totum mensem Jul. 1742, in meinem
Exemplare noch S. 573— 575: App. ad Ind. 1. p. a mense Aprili 1744 usque
ad totum mensem Junii 1745. Beigebunden sind in meinem Exemplare noch
4, in dem Heidelberger und Oxford er Exemplare 5, mit ganz anderen Typen
gedruckte Appendices von je 3— 4 Seiten, Bücherverbote von 1746 (1745?)
bis 1753 bezw. 1754 enthaltend.
III. Eine dritte Gruppe bilden die Ausgaben, welche Kegnante
demente XL (1700 — 21) auf dem Titelblatte haben und in welchen
die seit 1681 verbotenen Bücher am Schlüsse der einzelnen Buch-
Btaben des Index eingereiht sind (in der ersten Ausgabe p. XXIV
steht ohne Unterschrift: Catholico lectori. Cum librorum prohibi-
torum numerus auctorum id exigente malitia vel negligentia mul-
tum excreverit, novum auctiorem et accuratiorem visum est Indicem
edere. Omnia in hunc disponere curavimus, ut absque appendicium
suffragio suo loco auctorum nomina et opera reperire valeas. Grato
animo quae tibi offerimus accipe, largiores nostrae diligentiae fruc-
tu8 precepturus. Vale.).
Racoolta. Nota. 37
9. Index 1. p. usque ad annum 1704. Regnante demente XI. P.
0. M. Romao ex typogr. Rev. Cam. Apost. 1682.* XXIV und 402 S. 8.
(München K). S. 400—402: Nota di alcune . . . Beigefügt auf 5 nicht
paginirtcn Blättern eine Appendix, ful. 8r Novissima Appendix (nicht
alphabetisch, Bücherverbote vom 28. Jan. 1704 bis 3. Febr. 1706), Fol. 4r
ohne Ueberschrift ein alphabetisches Verzeichniss verbotener Bücher, be-
ginnend mit Acta Eruditorum, verboten 4. Febr. 1709.
10. Index 1. p. usque ad annum 1705. Regnante .... Apost. 1682.
XXIV und 402 S. 8. Beigefügt 8 Bl. (Petzh. p. 150.).
11. Index 1. p. usque ad annum 1711 regnante . . . Apost. 1711.*
Cum privilegio. XXIV und 528 S. 8 (München K.). Den Schluss bildet
S. 526 — 528 Nota di alcune . . . Beigebunden 4 BL, das Index-Decret vom
26. Oct. 1707 und das Inquisitions-Decret vom 22. Juni 1712.
12. Index 1. p. usque ad totum menscm Martii 1710 regnante . . .
Apost 1716.* 10 Bl. 531 S. 8. (München IC). Den Schluss bildet S. 528
— 531: Decretum S. 0. 25. Spt. 1710. — Zacc. p. 186 erwähnt eine Aus-
gabe mit demselben Titel, aber der Jahreszahl 1717.
IV. In einigen 1744 — 52 regnante Benedicto XIV. erschienenen
Ausgaben sind die bis 1739 verbotenen Bücher in den Index ein-
gereiht:
13. Index 1. p. usque ad diem 4. Junii a. 1744. regnante Benedicto
XIV. P. 0. M. Romac ex typogr. Rev. Cam. Apost. 1744.* XXIV und
639 S. 8. (München K.). S. 563: Appendix ad Indicem 1. p. a mense Febr.
1739 usque ad totum menscm Junii 1744 (alphabetisch); S. 569: Raccolta
. . .; S. 633: Nota di alcune . . .; S. 636: Decret vom 25. Spt. 1710 (in
dem Oxforder Exemplar beigebunden eine mit gleichen Typen gedruckte
Appendix a. m. Junii 1744 usque ad m. Junii 1745, 3 S.)
14. Index 1. p. . . . Beuedicto XIV. P. 0. M. Additis prohibitionibus
a S. C. emanatis usque ad annum 1752.* Romae ex typogr. Rev. Cam.
Apost. XVI und 512 S. 8 (Bonn). Bis S. 502 Abdruck von No. 13; dann S. 503:
Api)endix ad Ind. I. p. ab anno 1744 usque ad annum completum 1751
(alphabetisch). In dem Exemplare München K. folgt noch S. 513—515:
Appendix ad Ind. 1. p. ab a. 1752 usque ad totum mensem Febr. 1758
(alphabetisch); in dem Exemplare München Univ. folgen auf S. 512 2
nicht paginirte Blätter : Appendix ab a. 1753 usque ad totum mensem
Aprilis 1755.
Die in mehreren der erwähnten Index -Ausgaben abgedruckte
Raccolta d'alcune particolari operette spirituali, e profane proibite
u. 8. w., — ganz verschieden von der S. 24 erwähnten Raccolta von
1624^), — ist ein italienischer Index, den zuerst 1710 der Domini-
caner Antonio Leoni, Inquisitor zu Bologna (f 1710)^), dann wieder-
1) Wenn im Folgenden nicht Raccolta von 1624, sondern einfach
Raccolta citirt wird, ist diese den Indioes beigedruckte gemeint.
2) Breve Raccolta d'alcune particolari operette spirituali proibite.
88 Index Benedicts XIY.
holt mit neuen Zathaten der Inquisitor Grinseppe Maria Berti zn
Pavia berausgab^). Die Raccolta enthält vorzugsweise italienische
populäre Schriften, — viele Schriften über Ablässe, Gebete und
Gebetbücher u. s. w., — aber auch Titel von lateinischen in italie-
nischer Uebersetzung. Es ist eine Privatarbeit. Durch den Ab-
druck in den Ausgaben des Römischen Index hat sie keine höhere
Bedeutung erlangt, da dieses keine amtlichen Ausgaben sind.
In einigen Index-Ausgaben steht auch ein ähnliches älteres,
aber viel weniger umfangreiches, nur ein paar Seiten füllendes Ver-
zeichniss unter der Ueberschrift: Nota di alcune operette & histo-
riette proibite (Gebete, religiöse Gedichte und Legenden), ohne
Zweifel auch von einer Inquisitionsbehörde angefertigt. Die Nota
steht auch (zuerst?) in der Ausgabe des Sacro Arsenale von £.
Masini (Reusch, Galilei S. 74) von 1679, p. 489; hier sind einige
Bemerkungen über die Expurgation von Gebetbüchern beigefügt.
Ben. hat die in der Nota stehenden Sachen in den Index auf-
genommen; er citirt dieselbe, z. B. unter Orazione, mit App. Ind.
Clem. XI.
6. Der Index Benedicts XIV. 1758.
Im Jahre 1758 erschien eine neue Ausgabe des Index,
welche von ganz besonderer Bedeutung ist, weil sie die Grund-
lage aller folgenden Ausgaben bis auf diesen Tag bildet. An
der Spitze steht ein Breve Benedicts XIV. vom 23. Dec. 1757,
worin es heisst: die bisherigen Indices seien nicht hinlänglich
correct und für den Gebrauch bequem und ein neuer besser ge-
ordneter und von Fehlern gesäuberter Bedtirfniss. Der Papst
habe an die Herausgabe eines solchen schon bei der Publication
der Bulle vom 9. Juli 1753 (S. 2) gedacht und die Index-Con-
orazioni e divozioni vaue e superstiziose, indulgenze nulle ed apocrife,
ed immagini indecenti ed illecite, che piü frequentemente sogliono oggidi •
attomo, COD aggiunta particolaro fatta da Fr. Antonio Leoni, Inquisitor
di Bologna. S. 1. et a. 12; am £nde: Bologna, Monti 1710 (Guicc. iSuppl.
2, 36).
1) Raccolta d'alcune particolari operette spirituali e profane proibite
. . . illecite, Data alla luce la seconda volta con altre operette, e con un'
aggiunta sommaria delli Decreti o Constituzioni Apostoliche pertinenti al
S. üffizio, e delle Proposizioni dannate da Martino V. sino al Regiiante
Ponteßce Innocenzo XIII., e con la notizia degP atti, e resoluzionc nella
causa de' Riti Cinesi, Dal Padre F. Giuseppe Maria Berti Inquisitore di
Pavia. Pavia per Rovedino. Con licenza de' Superiori, 1722. 238 S. 8
(Schoettgen lU, § 82. Petzh. p. 151 b. Petzh. erwähnt auch Ausgaben von
1715 und 1717).
Index Benedicts XIV. 39
gregation damit beauftragt; der von dieser hergestellte Index
werde hiemit bestätigt^). Dann folgen eine Vorrede des Secretärs
der Index- Congregation Thomas Augustinus Ricchini, die Trienter
Regeln nebst den Observationen Clemens' VIII. und Alexanders VII.
(und einer neuen Observatio zu Reg. 4 über das Bibellesen, s. u.)
und die Instruction Clemens' VIIL, die erwähnte Bulle von 1753
und dann eine Zusammenstellung, die sich hier zuerst findet:
Decreta de libris prohibitis nee in Indice expressis, später ge-
wr>hnlich Decreta generalia genannt. Da die verbotenen Bücher,
hcisst es in der Einleitung dazu, wegen ihrer grossen Zahl nicht
alle einzeln im Index verzeichnet werden können, so hat man
geglaubt, sie unter bestimmte Kategorieen ordnen und einen
Index derselben nach den Materien, worüber sie handeln, an-
fertigen zu müssen, so dass man daraus erkennen kann, ob ein
Buch, welches nicht im Index steht oder nicht unter die Regeln
des Index fällt, unter die verbotenen zu zählen sei.
Ueber die Aenderungen, welche in dem Index selbst vor-
genommen worden sind, heisst es in dem Vorwort Ricchini's :
Bei dem Verzeichnen der Bücher haben wir mehr auf die
Familiennamen als auf die Vornamen Rücksicht genommen, fin den
älteren Indices sind die Vornamen vorangestellt und wird bei den
Familiennamen anf jene verwiesen; z. B. Jacobi Angustini (sie)
Thuani Historiae ; Augusti Thuani vide Jacobi Augusti ; Thuanus
vide Jacobi Augusti, — bei Ben. nur : Thuanus, Jac. Aug., Historia-
mm u. 8. w. (vollständiger Titel)]. Als Familiennamen haben wir
auch angenommene JNTamen behandelt. [In der Vorrede vor dem Index
von 1819 ist beigefügt: Die Bücher, deren Verfasser nur mit Anfangs-
buchstaben bezeichnet sind, haben wir unter diesen aufgeführt . —
Thesen und Disputationen stehen nicht unter dem Namen der Schüler
[Respondenten], sondern der Lehrer oder Praesides, welche in der
Regel die Verfasser sind, — falls nicht bloss ein Name auf dem
Titel steht oder der Schüler als wirklicher Verfasser bekannt ist.
— Werden zwei Verfasser genannt, so steht das Buch unter dem
Namen des ersten, werden mehrere genannt, unter dem Schla^worte
des Titels. — Anonyme Schriften sind in das Alphabet eingereiht.
Wenn einige Bücher, die nicht anonym erschienen sind, ohne
1) Der Index erschien in zwei Ausgaben: Index Librorum prohibi-
torum SSmi D. N. Benedicti XIV. Pontificis Maximi jvssv Recognitus,
atque editus. Romae 1758 Ex Typographia Reverendae Camerae Apostoli-
cae. Cum Sumrai Pontificis privilegio. 6 Bl. XXXIX und 268 S. 4.* GBl.
XXXVl und 304 S. 8.* Beide Ausgaben haben ein Titelkupfer mit
der Unterschrift aus Apg. 19, 19 (I S. 8).
40 Index Benedicts XIY.
Nennung des Verfassers verzeichnet werden, so ist dieses, wie in
früheren Indices, so auch in diesem nicht ohne Grund geschehen
[um den Verfasser zu schonen, wie bei Valerius Andreae, Scipio
Maffei und vielleicht Fr. van Heussen ; mitunter sind aber die Namen
wohl aus purer Nachlässigkeit weggelassen]. — Bei den schon in
dem Trienter oder Clementinischen Index stehenden Autoren und
Büchern ist Ind. Trid. resp. Append. Ind. Trid. beigefügt, bei den
seit 1596 verbotenen Büchern das Datum des Verbotes [mitunter
mit einer genauem Bestimmung, wie bei dem Augustinus des Jan-
senius Bulla Urbani VIII. 6. Martii 1641 et Decr. (S. 0.) 23. Apr.
1654].
Ferner bringt Kicchini noch folgende Bestimmungen in
Erinnerung: Wenn bei Büchern Ort und Jahr des Drucks ange-
geben wird, so gilt das Verbot nur für die betreflfende Ausgabe,
nicht auch für verschiedene oder verbesserte Ausgaben. Fehlt
der Zusatz, so gilt das Verbot für alle Ausgaben (s. u. § 14).
Von einem verbotenen Buche sind auch alle Uebersetzungen
verboten (I S. 540). Wenn einem Verbote donec corrigatur oder
donec expurgetur beigefügt ist, bleibt die Verbesserung der
Index-Congregation vorbehalten (I S. 431). Ueber die Strafbe-
stimmungen s. S. 7. Dass in diesem Index zahllose Fehler
der früheren corrigirt sind, wurde bereits I S. 2 hervorgehoben.
Viele Berichtigungen, welche der Index Clemens' VIII. Bene-
dict XIV. oder Ricchini zu verdanken hat, sind bereits im 1. Bande
erwähnt. Zu einigen hat J. G. Schelhorn die Veranlassung gegeben,
welcher De consilio de emendanda ecclesia I, 46 (I S. 397) auf
manche Fehler aufmerksam machte, worauf Card. Querini, Epist.
403, antwortete, seine Monita würden berücksichtigt werden (I S. 396.
238. 2.H9). Manche schlimme Fehler sind freilich stehen geblieben,
z. B. Barth. Conformi, Jo. Purpurei, Pasquillus Fagius, Th. Corbeau,
Jo. Fabricius, G. Hantz, Jo. Host, Chr. Molhusensis, A. Munsholt,
Hier. Pumekchius, Zeghelstein; vgl. I S. 515. — Einige bei Clem.
stehende Autoren und Bücher sind weggelassen, wahrscheinlich nicht
mit Absicht, sondern durch ein Versehen, z.B. Barth. Fontius, Onus
Ecclesiae, Aequitatis discussio. — Von den durch Ben. vorgenom-
menen Berichtigungen und Modificationen der seit 1 600 erschienenen
Indices wird später die Rede sein.
In den Decreta generalia^) hat § I die Ueberschrift : „Verbotene
Bücher, welche von Ketzern geschrieben oder herausgegeben sind
oder sich auf sie oder die Ungläubigen beziehen.*' Er enthält folgende
Nummern; 1. Agenden oder Gebetsformeln oder Officia derselben
(I S. 513). — 2. Alle Apologieen, in denen ihre Irrthümer ver-
1) Vgl. A. J. F. I, 1219.
Decreta generalia. 41
theidigt oder erläutert oder begründet werden. — 3. Bibeln, die von
ibnen herausgegeben oder mit Anmerkungen, Argumenten, Summa-
rien, Scholien und Indice« von ihnen versehen sind (I S. 332). —
4. Bibeln oder Theile derselben, die von ihnen versificirt sind
(I S. 332). — 5. Kalender, Martyrologien und Kekrologien derselben
(I S. 513). — 6. Gedichte, Erzählungen, Eeden, Bilder, Bücher,
wodurch ihr Grlaube und ihre Religion empfohlen wird (sie wegen
ihres Glaubens und ihrer Religiosität gelobt werden; I S. 541). —
7. Alle Catechesen und Catechismen, welchen Titel sie auch haben
mögen: ABC-Bücher, Erklärungen des apostolischen Glaubensbe-
kenntnisses, der zehn Gebote, oder Unterweisungen in der christ-
lichen Religion, Loci communes u. s. w. — 8. Colloquien, Confe-
renzen, Disputationen, Synoden, Synodalacten über den Glauben und
Glaubenssätze, welche von ihnen herausgegeben sind und in welchen
irgendwelche Erklärungen ihrer Irrthümer enthalten sind. — 9.
Confessionen, Artikel oder Glaubensformeln derselben (I S. 420).
— 10. üictionarien aber, Vocabularien, Lexica, Glossare, Thesauri
und ähnliche Bücher, die von ihnen verfasst oder herausgegeben sind,
wie die von Heinrich und Carl Stephanus, Jo. Scapnla, Jo. Jac.
Hofroann u. s. w. werden nur gestattet nach Beseitigung dessen,
was sie gegen die katholische Religion enthalten (I S. 337). —
11. Alle Bücher, welche Unterweisungen oder Riten der Secte der
Muhammedaner enthalten (I S. 137). — Einige dieser Bestimmungen
werden im Index selbst unter Apologia, Catechesis, CoUoquium,
Confessio, Disputatio wiederholt und dann die einzelnen Bücher der
betreffenden Kategorie, die bis dahin im Index standen, weggelassen,
z. B. Apologia Confessionis Augustanae (Ind. Trid.). Et caeterae
oranes haereticorum apologiae. Vide Decreta § I n. 2.
§ II „Verbotene Bücher über bestimmte Gegenstände" stellt
Verbote zusammen, die meist erst im 17. und 18. Jahrhundert vor
und nach erlassen waren und von denen noch die Rede sein wird.
Aus dem 16. Jahrhundert stammen davon nur folgende: 7. Bücher,
welche über Duelle handeln, Briefe, Schriftchen und Schriften, worin
dieselben vertheidigt, angerathen, gelehrt werden. Wenn aber der-
gleichen Bücher geeignet sind, Streitigkeiten beizulegen und Ver-
ständigungen herbeizuführen, werden sie, wenn sie expurgirt und
approbirt sind, gestattet (I S. 511). 13. Alle Pasquille, welche aus
Bibelstellen zusammengesetzt sind; desgleichen alle Pasquille, auch
geschriebene, und alle Schriften, in denen Gott oder den Heiligen
oder den Sacramenten oder der katholischen Kirche oder dem aposto-
lischen Stuhle irgendwie zu nahe getreten wird (I S. 268). —
Auch die in § III „Verbotene Bilder und Ablässe", und in § IV
,,Einige auf die h. Ritus bezügliche Verbote" stehenden 12 bezw. 8
Verbote werden im einzelnen noch zur Sprache kommen.
42 Index von Sandoval.
7. Der Index des spanischen GeneraMnqnisitors
Sandoyal 1612.
Der nächste spanische Index prohibitorias et expurgato-
rius nach dem von Quiroga von 1583 und 1584 (I S. 490) ist
der im J. 1612 von dem General-Inquisitor Bernardo de Sandoval
y RoxaSy Cardinal und Erzbischof von Toledo, publicirte *). Im
J. 1614 folgte eine Appendix dazu 2). 1619 erschien zu Genf ein
Nachdruck des Index mit der Appendix mit einer Widmung an
Friedrich V., Kurfürsten von der Pfalz, und einer polemischen
Vorrede von Benedict Turretini^). — Im J. 1628 wurde dieser
Index auf Befehl des General- Inquisitors Cardinal Antonio Za-
pata für Sicilien in Palermo gedruckt^).
1) Index librorum prohibitorum et expurgatorum 111.™* ac R°>iD. D.
Bernardi de Sandoval et Roxas S. R. E. Presb. Cardin, tit. 8. Anastasiae
Arcbiepisc. Toleiani Hispaniarum Primatis Maioris Castellae Cancellarii
Generalis Inquisitoris Rcgii Status Consiliarii etc. auctoritate et jussu editus.
De consilio Supremi Senat us S^^ Generalis Inquisitionis Hispaniarum.
Madriti apud Ludovicum Sancbez Typogr. Regium 1612. 71 Bl. 739 pagi-
nirte und 5 nicbt paginirte S. Fol. Vgl. Hofifmann p. 204.
2) Appendix prima ad Indicem librorum .... Hispaniarum. Am
Ende : Madriti Excudebat Ludovicus Sancius, Typogr. Regius 1614.
8) Index . . . Hispaniarum. Juxta exemplar excusum Madriti Apud
Ludouicum Sancbez Typographum Regium, Anno 1612. cum appendice anni
1614. Auctus B. Turrett. praefatione & Hispanic. Decret. Latina versione.
Indicis huic libro nomen praefigitur aptc: Nam propria Sorices indicio
pereunt. Genevae. Sumptibus Jacobi Crispini. Anno 1619* in Quart: zu-
erst 4 BI.) 18 S. und 17 BL, dann Index auctorum et librorum prohibi-
torum, 110 S. und 5 BL; dann Index librorum expurgatorum 5 Bl. und
880 S. (p. 825 beginnt die Appendix), zuletzt 2 Bl. (Errata). Vgl. Hofmann
p. 188. Mein Exemplar hat vorn nur 17 Bl. (es fehlen die Widmung an
Friedrich V. und die Vorrede von Turretini und am Schlüsse die 2 BL).
Andere Exemplare sind in derselben Weise (zum Gebrauche für Katho-
liken) castrirt, haben aber ausserdem noch ein anderes Titelblatt: Index
. . . anni 1614. Sumptibus Jacobi Crispini. 1620.* — Das Motto, welches
Turretini auf 'das Titelblatt gesetzt, ist eine Anspielung auf Ter. Eun.
5, 7: Egomet meo indicio miscr quasi sorex hodie perii. Mendham p. 135.
4) Index Librorum prohibitorum et expurgatorum 111.™* .... His-
paniarum.^ Denuo cum suis appendicibus usque hodie in lucem editis,
Typis mandatus ab lUustriss. ac Reverendiss. D. D. Antonio Zapata, S. R. E.
Tituli Sanctae Sabinae Presbitero Cardinali in Hispaniarum Kegnis Inqui-
sitore Generali, et Regii Status Consiliario, etc. De ejusdem Supremi Se-
natus Sanctae Generalis Inquisitionis mandato. Madriti 1612. Et Panormi,
ex Typographia Maringo. 1628.* 6 BL, 494 S., 6 BL, 28 S., 6 BL Kleinfol.
(Strassburg).
Index von Sandoval. 48
An der Spitze steht ein Breve Paals V. vom 26. Jan. 1612,
ähnlich dem Breve Pauls IV. vor dem Index des Valdes vom
J. 1559 (I S. 301). Der Papst sagt: da er erfahren, dass die
Ermächtigungen zum Lesen verbotener Bücher in den spanischen
Reichen zu zahlreich geworden, so annullire er alle von ihm,
seinen Vorgängern, dem Grosspönitentiar, den Ordinarien oder
anderen in irgendwelcher Form irgendwelchen Personen mit
Ausnahme des General-Inquisitors ertheilten Ermächtigungen zum
Lesen von Büchern, die von ihm oder seinen Vorgängern oder
von dem spanischen General-Inquisitor verboten seien, und ver-
biete das Lesen u. s. w. solcher Bücher bei Strafe der dem
Papste und dem General-Inquisitor reservirten Excommunicatio
latae sent. Dann folgt ein Edict des General-Inquisitors vom
12. Dec. 1612, worin er kraft der apostolischen Gewalt und
Autorität, die er als General-Inquisitor in den spanischen Reichen
besitze und die ihm speciell durch das erwähnte apostolische
Schreiben übertragen werde, die in dem neuen Index enthaltenen
Bücher unter den gewöhnlichen Strafandrohungen verbietet; den
angedrohten Censuren sollen jedoch diejenigen nicht verfallen,
welche BUcher der 2. Glasse besitzen, bei denen der Index nur
eine Explicacion oder Caucion angibt; sie sollen aber diese ihrem
Exemplare beischreiben.
Die 14 Regeln schliessen sich dem Inhalte und der Form
nach mehr an die Trienter Regeln an als die von Quiroga. In
der 2. wird auf das Verzeichniss der Häresiarchen verwiesen
(I S. 495); in der 10. werden alle seit 1584 anonym und ohne
Angabe des Druckers erschienenen Bücher verboten.
„In Erwägung, dass der h. apostolische Stuhl, dem wir alle
folgen müssen, in dem von Pius IV. und dann von Clemens VIII.
veröffentlichten Index die Bücher in Classen geordnet hat und
dadurch das Verständniss erleichtert wird,'' hat Sandoval die
drei Classen des Römischen Index adoptirt, — diese Einthei-
lung behielten auch die folgenden spanischen Indices bei, —
mit der Modification, dass er bei vielen Namen der 1. Classe,
wie schon Quiroga, die Schriften verzeichnet, welche nach vor-
heriger Expurgation erlaubt werden. Die Schriften, von welchen
in dem Index expurgatorius eine Expurgation gegeben wird,
sind mit * bezeichnet Am Schlüsse der einzelnen Buchstaben
44 Index von Sandoval.
der 2. und 3. Classe stehen in besonderen Abtheilungen die
spanisclien, portugienischen, italienischen, französischen und
flämischen und deutschen Bücher. Bei der 1. Classe stehen in
der spanischen Abtheilung nur Gonstantino de la Fuente und in
der Appendix Joan. Auentrote, ferner Erasmus mit der Bemer-
kung, dass alle seine Werke in der Volksprache verboten seien,
und mit einer ähnlichen Bemerkung Pedro Ramos, in der italie-
nischen Machiavelli.
Es folgt eine nicht unterzeichnete (von dem Bearbeiter des
Index herrührende) Notiz Ad lectorem, worin es heisst:
Schriften von verdammten Autoren, die nicht über Religion
bandeln, sind sorgfältig expurgirt worden, um sie den Gläubigen
gestatten zu können. Auch in Schriften von Orthodoxen sind einige
Versehen oder missverständliche Ausdrücke gefunden worden, die
zu einer Expurgation oder zur Beifügung einer Erklärung oder
Warnung Anlass gegeben haben, während im übrigen die Frömmig-
keit und Gelehrsamkeit dieser Schriftsteller und ihr Eifer für die
katholische Religion das höchste Lob verdienen. Einige wenige an-
dere sind, obschon sich in ihren Werken einiges findet, was mit der
gesunden Lehre nicht übereinstimmt, mit Stillschweigen übergangen,
weil einerseits ihr höheres Alter, ihre nicht zu verachtende Würde
und Autorität und ihre grossen Verdienste um die Kirche sie schützen,
anderseits das, was zu der Zeit, in welcher sie schrieben, vielleicht
noch nicht genügend klar gestellt war, später von gelehrten und
frommen Männern in Disputationen, Vorlesungen und Schriften ge-
nügend widerlegt worden ist und darum zu unserer Zeit so gut
wie gar keinen Anstoss und keine Gefahr mehr bringt ... Es wird
jetzt die Expurgation von mehr als 300 Schriften, und zwar den
verbreitet sten, geboten. Weitere Expurgationen bleiben vorbehalten.
Die Gelehrten mögen dabei die Inquisition unterstützen.
Der Index prohibitorius enthält alles, was in dem Index
Clemens' VIIL, ausserdem fast alles, was bei Quiroga steht und
aus diesem zwar grossentheils von Sixtus V., aber nicht von
Clemens VIII. aufgenommen ist. Es sind aber viele neue Ver-
bote hinzugekommen. Namentlich ist die 1. Classe stark ver-
mehrt (bei A z. B. um 33 Namen). Es sind meist deutsche Schrift-
steller, ohne Zweifel aus den Messcatalogen (I S. 410), beigefügt,
von denen in den Römischen Indices zum Theil einzelne Schrif-
ten verboten, die aber meist in diesen gar nicht erwähnt werden
und grossentheils auch ganz unbedeutend und jetzt verschollen
sind, wie Abel Nezenius, Abel Vinarius, Abraham Saurius, Ada-
mas Schramus n. s. w. — Die nach 1596 in Rom verbotenen Btlcher
Index von Sandoval. 45
hat Sandoval bei weitem nicht alle aufgenommen and bei den-
jenigen, welche sich auch bei ihm finden, ist es vielfach nicht
sicher, dass er sie aus den Komischen Decreten entnommen hat.
Für seinen Index expurgatorius hat Sandoval den von
Quiroga und den von Brasichellensis benutzt (I S. 554), aber
viele neue Expurgationen beigefügt.
Die Appendix, — sie wird als prima bezeichnet; es ist
aber keine weitere erschienen, — enthält ein Edict vom 26.
Aug. 1614, einige Moditicationen der Regeln, einige Nachträge
zu dem Index expurgatorius und namentlich eine Anzahl von
neuen Expurgationen.
Nach einer am Ende des Index stehenden Notiz ist derselbe
von dem Carmeliter Fraucisco de Jesns y Xodar redigirt worden
nnd haben ausserdem der Canonicus Geronimo Ruiz de Camargo
von Avila, der Jesuit Juan de Pineda und der Dominicaner Thomas
Malvenda daran gearbeitet.
Schneemann (Weitere Entwicklung der thomistisch-molinisti-
schen Controverse, 8. 34) berichtet: der Dominicaner Baflez, der
Hauptgegner des Jesuiten Molina, habe (1593) bei der Inquisition
zu Stande gebracht, dass sie die Abfassung eines Index librorum
prob, den beiden Universitäten Alcala und Salamanca übertragen
habe. In Salamanca sei Baflez selbst sammt seinem Gesinnungsge-
nossen, dem Mercedarier Zumcl in die mit der Censur beauftragte
Commission gewählt worden und beide hätten Molina's Buch unter
die zu censurirenden Bücher aufnehmen wollen. Der Benedictiner
Alphons Curiel habe an den General-Inquisitor geschrieben : die
ganze Sache mit dem Index sei nur eine von Baflez und Zumel
gegen Molina geschmiedete Intrigue und an eine gründliche Prü-
fung von dessen Buch sei nicht zu denken. Dadurch und durch das
unkluge Auftreten der Freunde des Baflez sei der Plan vereitelt
worden. — Ein Index ist damals jedenfalls nicht zu Stande gekom-
men. Bei Sand, findet sich nur ein einziges mit dem „thomistisch-
molinistischen Streite" zusammenhangendes Verbot: Der Commentar
des Petrus de Cabrera zu der Pars 3. S. Thomae wird in der
Appendix verboten, donec corrigantur ea, in quibus transgreditur
terminos in materia de auxiliis ab Apost. Sede ac S. Inquisitionis
officio pracscriptos (bei Sot. steht eine Expurgation). In einem 1601
erschienenen Commentar zu der Pars 3. von Didacus Nuflus, einem
Anhänger des Baflez, soll an zwei Stellen Caute lege beigeschrieben
werden.
Von den in den Römischen Decreten 1603 — 9 verbotenen
Büchern steht nur etwa die Hälfte bei Sand.; die meisten anderen
sind von Sot. aufgenommen, aber auch bei ilini finden sich z. B.
nicht Giordano Bruno, Alex. Carorius, Paulus Benins, Gregorius
Richter, Jo. Mth. Velmatius, Scipio Calandrini. Die Schriften von
46 Lissaboner Index von 1624.
Jacob I. und "William Barclay, die in Eom 1609 verboten worden,
stehen nicht bei Sand., aber bei Zapata (1632, Jacob I. nicht mehr
bei Sot.), die von Eoger Widdrington, die in Rom 1614 verboten
wnrden, in der Appendix.
In der Appendix wird zu der 12. Regel bemerkt: die Expur-
gation der einzelnen Exemplare nach dem Index expurgatorius dtirfe
von jedem dazu Befähigten vorgenommen, müsse dann aber einem
Beamten der Inquisition vorgelegt und von diesem unterzeichnet
werden. Ehrenvolle Epitheta der Autoren der l.Cl. und die Namen
der Häresiarchen (sowie nach dem speciellen apostolischen Mandate
der des C. Molinaeus) seien auch dann, wenn es im Ind. exp. nicht
ausdrücklich vorgeschrieben werde, zu streichen (s. § 14).
In der Ausgabe von Palermo steht ein kurzes Vorwort von
den Capellanes des Card. Zapata, Dr. Juan de la Cueva und Dr.
Martin Real, vom 24. Oct. 1627, worin sie sagen, sie seien schon
im März 1626 von dem damaligen General-Inquisitor Andres Pacheco,
Patriarchen von Indien, beauftragt worden, einen Abdruck des Index
Sandovals für Sicilien zu besorgen; femer ein Edict der „durch
apostolische und königliche Autorität deputirten Inquisitoren für
das Königreich Sicilien und die benachbarten Inseln", Dr. Estevan
de Torrezilla und Dr. Juan de la Cueva, d.d. Palermo 4. Juni 1626,
worin J. B. Maringo ermächtigt wird, unter Mitwirkung des Domi-
nicaners Decio Carrega, Qualificators der Inquisition und Bücher-
revisors, den Index Sandovals mit Beifügung der seitdem von der
Inquisition verbotenen Bücher abzudrucken. Hinter der 1. Appendix
Sandovals steht ein Edict der Inquisition d. d. Palermo 10. Sept.
1622, worin bei Strafe der Excommunication die Ablieferung „ge-
wisser Medaillen, Bilder u. s. w. mit abergläubischen Namen und
Schriftzügen'' befohlen wird. Es wird darin bemerkt, diese Dinge
seien wiederholt verboten, aber neuerdings wieder verbreitet worden
unter dem Verwände, dass die Namen Jesus, Maria oder von Heiligen
darauf angebracht seien. — Dann folgt eine zweite Appendix, in
welcher auf 3 Seiten die seit 1614 verbotenen Bücher alphabetisch
verzeichnet, auf 2 Seiten einige derselben expurgirt werden. Unter
anderm wird verordnet, die Geschichte der Päpstin Johanna in allen
Büchern zu streichen.
8. Der Lissaboner Index yom J. 1624.
Der im J. 1624 von dem portugiesischen General-Inquisitor
Fernando Martins Mascarenhas herausgegebene Index ^) ist gleich
1) Index Auctorum Damnatae memoriae, Tum etiam Librorum, qui
vel simpliciter, vel ad expurgationem usquc prohibcntur, vt»l denique iara
expurgati permittuntur. Editus auctoritate Illuatrissimi Domini D. Fer-
dinandi Martins Mascaregnas, Algarbiorura Episcopi, Regii status Consi-
Lissaboner Index von 1624. 47
den spanischen ein probibitorius und expargatorius, unterscheidet
sich aber in der Anordnung von diesen in ähnlicher Weise wie
der Lissaboner Index von 1581 (I S. 481) von dem von Quiroga.
Den ersten Theil bildet der Index prohibitorius Romanus, in
welchem mit Beibehaltung der drei Glassen die im Trienter
und Cienientinischen Index und in den Römischen Decreten bis
zum J. 1610 incl. verbotenen Bücher jedesmal in ein einziges
Alphabet verschmolzen sind (S. 1—75). Als zweiter Theil folgt
ein Index prohibitorius Lusitaniae (S. 77 — 194), dann Pars
tertia, librorum expurgationem complectens (S. 197 — 1047). —
Der portugiesische Index prohibitorius hat die drei Glassen wie
der Römische; hinter den lateinischen Büchern stehen, wie bei
Sandoval, die Bücher in modernen Sprachen. Schriftsteller,
welche in der 1. Glasse des Römischen Index stehen, werden
hier noch einmal aufgeführt, wenn Bücher von ihnen nach vor-
heriger Expurgation freigegeben werden. Dieser Index enthält
fast alles, was auch Sandoval mehr als der Römische Index ver-
bietet; beigefügt ist nur wenig. Vor demselben stehen einige
(lateinische) Vorbemerkungen und 15 besondere (portugiesische)
Regeln. Auch vor dem Index expurgatorius stehen 5 allgemeine
Bemerkungen. Die meisten Expurgationen sind aus Sandoval
entnommen. ^
Der Index ist von dem Jesuiten Baltasar Alvarez redigirt.
MaRcarenhas, 1616 von Paul V. zum General-Inquisitor ernannt,
stammte nach Seabra aus einer den Jesuiten sehr ergebenen Familie
und war „mehr Jesuit als die Jesuiten selbst." Wenn aber Seabra
(I, 110 ff.) die Publication dieses Index als den ersten erfolgreichen
Versuch, dem Römischen Index in Portugal Eingang zu verschaffen,
darstellt, so ist das ganz unrichtig: der Trienter Index war 1581,
der Clementinische 1597 in Portugal pablicirt worden (I S. 481. 543).
Auch darin ist allem Anscheine nach Seabra's Darstellung unrichtig,
dass er angibt, der Index sei ohne Vorwissen Philipps IV. publi-
cirt und von diesem die Publication missbilligt worden. Die that-
sächlichen Mittheilungen Seabra's (II, 101 ff.) zeigen nur, dass Phi-
lipp IV., wie in Spanien, so auch in Portugal die Inquisition nicht
liarii, ao Regnorum Lusitaniae Inquisitoris Generalis. Et in partes tres
distributus quae proxime sequenti pagella explicati censentur. De Con-
silio Supremi Senatus Sanetac (ieneralis Inquisiiionis Lusitaniae. — Auf
dem letzten Blatte: Ulyssipone Kx officina Petri Craesbeck, Rcgii Typogr.
Anno 1624.* 13 Bl. 1049 S. Fol. (Göttiogen).
48 Li88al)oner Index von 1624.
frei scbalten liess und anch den staatlichen Behörden das Censur-
recht wahrte. 1633 erklärte er, er behalte in allen bei der Inqui-
sition anhängigen Sachen sich selbst die letzte Entscheidung vor.
1623 verordnete er, kein ausserhalb Portugals gedrucktes Buch
dürfe ohne Erlaubniss der Curia Palatii gedruckt werden, und 1633
forderte er diese auf, bezüglich der Ertheilung der Druckerlaubniss
aufmerksamer und strenger zu sein, namentlich bei Büchern, die
sich auf die Zeitgeschichte und Staatsverwaltung bezögen.
In dem Edicte, welches an der Spitze des Index steht, ver-
ordnet der General-Inquisitor, alle in dem Index oder seinen Regeln
verbotenen Bücher abzuliefern oder wenigstens ein Verzeichniss der-
jenigen, die jemand habe, einzureichen. Wer nach 30 Tagen noch
ketzerische Bücher besitze, verfalle der Excommunication und könne
als suspectus de fide verfolgt werden; ebenso jeder, der nicht die-
jenigen denuncire, welche solche Bücher besitzen. Wer andere ver-
botene Bücher nicht abliefere oder nicht die Titel der zu corrigiren-
den den Inquisitoren angebe, begehe eine Todsünde und solle nach
dem Gutdünken der Inquisition bestraft werden. Alle Ermächtigungen
zum Lesen verbotener Bücher wurden zurückgenommen. — Wie
Seabra (I, 115. II, IX) berichtet, wurden nach der Publication des
Index die Bibliotheken visitirt und die verbotenen Bücher wegge-
nommen.
In dem Römischen Index sind bei einigen Autoren der 1. Cl.
Notizen beigefügt, wie Alexander Seton Scotus (apostata qui scrip-
sit a. 1541). Hinter demselben steht ein nach den Familiennamen
geordnetes alphabetisches Verzeichniss. In diesem und im Index
selbst sind die von Sand, als Häresiarchen Verzeichneten durch
grössern Druck ausgezeichnet.
In dem portugiesischen Index stehen die italienischen, fran-
zösischen, spanischen und portugiesischen Bücher (unter em vulgär
romance) und dann wieder die Hämischen und deutschen (utriusque
Germaniae libri) und englischen Bücher zusammen. Die im Rö-
mischen Index stehenden italienischen u. s. w. Bücher sind hier nicht
nochmals aufgeführt. Von den besonderen Regeln diese« Index sind
ausser der über Bibelübersetzungen (I S. 834) zu bemerken: 4.
Verboten sind Schriften gegen Judenthum und Islam in den Volk-
sprachen. 5. Nicht verboten sind nicht in der Volksprache geschrie-
bene Schriften von Katholiken gegen Ketzer (I S. 337). 10. Weil
in Portugal, namentlich in Lissabon viel Verkehr mit Fremden aus
den ketzerischen nordischen Gegenden ist, werden verboten alle
Bücher in englischer, flämischer und deutscher Sprache, die nicht
zuvor von der Inquisition untersucht sind; bezüglich der franzö-
sischen wird Vorsicht empfohlen.
Vor dem Index expurg. steht die Bemerkung: von der Ex-
purgation einiger bedeutender Schriftsteller sei Abstand genommen,
weil ihre irrigen Ansichten in den Schulen und in anderen Büchern
widerlegt würden und nicht mehr zu fürchten sei, dass die Leser
dadurch irre geleitet würden. Gleichwohl werden in keinem andern
Index so viele katholische Schriften expurgirt wie in diesem (I S. 6r>0).
Spanische Indices 1632—1790 49
Ausserdem ist diesem Index eigenthtimlich die Expurgatioo einer
Reihe von astrologischen Schriften unter Bezugnahme auf die Bulle
Sixtus' V. vom 5. Jan. 1585. Auch bellettristische Schriften werden
in grosser Zahl (von ObscÖnitäten) expurgirt.
9. Spanische Indices yon 1632 bis 1790.
1. In der auf die Ausgabe des spanischen Index von 1612
zunächst folgenden Ausgabe, die 1632 von dem General-Inqui-
sitor Cardinal Antonio Zapata veröffentlicht wurde i), sind der
Index prohibitorius und der expurgatorius mit einander ver-
schmolzen, die drei Classen aber beibehalten, eine Einrichtung,
die sich auch in den nächstfolgenden Ausgaben findet. Im übrigen
unterscheidet sich dieser Index, abgesehen von der Vennehrung
der Verbote und Expurgationen, nicht wesentlich von dem von
Sandoval.
Zapata war früher Erzbischof von Burgos, wurde 1603 Cardi-
nal, 1620 Vicekönig von Neapel, 1626 General-Inquisitor, f 1635.
Die Herausgabe seines Index besorgten der Licentiat Sebastian de
Huerta und der Jesuit Juan de Pineda; letzterer wird ihn redigirt
haben.
Vor dem Index steht ein Edict Zapata's vom 29. Juli 1631,
ein Breve ürbans VIII. vom 17. Aug. 1627 und ein darauf sich
beziehendes Edict der span. Inquisition vom 21. Febr. 1628, durch
welches die Ermiichtigungen zum Lesen verbotener Bücher zurück-
genommen werden. In dem Edict Zapata's wird die Zahl der ver-
dammten Autoren und Schriften auf 2500 angegeben. — Dem Index
ist ein alphabetisches Register beigefügt, worin die Autoren unter
dem Vornamen und Zunamen stehen. Im Index selbst sind bei
einigen Autoren Personal-Notizen beigefügt, z. B. Martinus Lutherus,
Islebii natus in Saxonia a. 1483, praedicat contra indulgentias 1517,
ab ordine religiöse et a fide catholica apostata et haeresiarcha 1517,
1) Schmutztitel: Novua Librorum prohibitorum et expurgatorum
Index Pro Catholicis Hispaniarum Ilognis, Philippi IUI Rog. Cath. An.
1532. — Haupttitcl: Novus Index Librorum prohibitorum et expurgatorum;
Editus Autoritate et Jussu Eminent °^* ac Reueren *»* D. D. Antonii Zapata,
S. R. E. Preabyt. Card. Tit. S. Balbiuae; Protectoris Hispaniarum; In-
quisitoris Generalis in omnibus Regnis, et ditionibus Philippi IV. R. C.
et ab ejus Statu, etc. De consilio Supremi Senatus S Generalis Inquisi-
tionis. Hispaii ex Typographaeo Francisci de Lyra. 1632. 40 Bl. 990 S.
Fol, P. 947 beginnt Supplemc^ntum superioris catalogi etc. (Hofmanii p. 206.
Mendham p. 165. Schoettgen II, § 25).
Reuflcli, Iudex II. 4
50 Spanische Indices 1632—1790.
reperitur in lecto misere exanimiß 1546. (Sot., der auch solche
Personal-Notizen hat, hat hier einfach Haeresiarcha).
2. Schon 1640 erschien wieder ein Index, herausgegeben
von dem General-Inquisitor Antonio de Sotomayor (Domini-
caner) i). Er hat durch einen in Lyon oder Genf veranstalteten
Nachdruck 2) eine weitere Verbreitung gefunden. Die Angabe,
es seien 1662 und 1667 in Madrid neue Ausgaben dieses Index
erschienen, ist irrig. Diese Ausgaben würden, da Sotomayor
1648, fast hundert Jahre alt, gestorben war (Quötif II, 555),
unter dem Namen seines Nachfolgers erschienen sein. In dem
Edicte vor dem nächsten spanischen Index vom J. 1707 wird
der vom J. 1640 als der zuletzt vorhergegangene bezeichnet.
Das vom 30. Juni 1640 datirte Edict von Antonio de Soto-
mayor („Erzbischof von Damascus, General-Inquisitor . . ., Beicht-
vater Seiner Majestät und der Herren Infanten" u. s. w.) enthält
1) Schmutztitel: Novissimus Librornm prohibitorum et expurgan-
dorum Index. Pro Catholicis Hispaniaruni Regnis Philippi IUI. Reg. Cath.
Anno 1640. — Haupttitel: Ein Kupferstich; unter demselben: Jussu ac
studijs 111™* ac R. D. D. Antonij a solo Maiur supremi praesidis, ac in
Regnis Hisp. Sicil. et Indiar. Generalis iuquisitoris etc. Librorum expur-
gandorum, luculenter ac vigilantissime recognitus, Novissimus Index De con-
silio Supremi Senatvs Inquisitionis General. Madriti ex TypographaeoDidazi
Diaz. An. 1640.* 64 Bl. 984 S. Fol. Beigebunden 4 Bl.: Supplementum
superioris catalogi. Seu Appendicula praetermissorum. In Indice expurga-
torio, edito hoc anno 1640 u. s. w. (Bonn).
2) Schmutztitel: Indices librorum prohibitorum et expurgandorum
uovissimi, Hispanicus et Romanus. Anno 1667 (s o. S. 82). — Haupttitel:
Index librorum prohibitorum et expurgandorum novissimus. Pro Catholicis
Hispaniarum Regnis Philippi IV, Regis Cathol. 111. ac R. D. D. Antonii
a Sotomaior Supremi Praesidis, & in Regnis Hispaniarum, Siciliae, & India-
rum Generalis Inquisitoris, &c. jussu ac studiis, luculenter & vigilantissim^
recognitus: De consilio Supremi Senatus Inquisitionis Generalis. Juxta
Exemplar excusum [diese drei Worte in ganz kleiner Schrift; dann ein
grosses Wappen, dann] Madriti, ex Typographaeo Didaci Diaz. Subsigna-
tum LLdo Hverta. M. DG. LXVII.* Auf die beiden Titelblätter folgt ein
Blatt, welches auf der einen Seite ein Typographus Lectori überschrie-
benes, auf den Abdruck beider Indices bezügliches Vorwort, auf der andern
einen auf beide Indices bezüglichen Syllabus contentorum hat. Dann folgen
p. I— XX das Edict und Reglas, Advertencias y Mandatos spanisch, p. XXI
— XXXI lateinisch, 103 Bl. (Index universalis etc.) und 992 S. (darauf in
vielen Exemplaren mit besonderer Paginirung der Index Alexanders VII.).
Der Index universalis (103 Bl.) ist in einigen Exemplaren zuletzt gebunden.
— Mendham p. 172 sagt: „Turretins Vorrede [zu der Ausgabe des Index
von Sandoval, s. o. S. 42] ist [zwischen dem Vorwort und dem Edict] wieder
abgedruckt nebst einem Stück aus Junius' Vorrede zu dem Index von
1571 (1 S. 424) und einem Stück aus Blondel De Joanna Papissa.^' Ich
habe diese Zuthaten in keinem Exemplar gefunden.
Sotomayor, 1640. 61
zunächst eine lange Declamation gegen die Ketzer, welche ketze-
rische Bücher unter dem Namen katholischer Autoren heraus-
gegeben, Bücher von Katholiken interpolirt, Schriften von
Kirchenvätern (wie das Werk des Ambrosius de sacramentis,
die Werke des Dionysius Areopagita u. s. w.) für unecht er-
klärt, unzählige katholische und fromme Bücher verbrannt u.s.w.,
dann folgende „kraft der Uns als General-Inquisitor zustehenden
apostolischen Autorität und Gewalt und der Uns durch die Breven
des h. Stuhles gegebenen Vollmacht'^ erlassene Verordnungen
(sie stehen auch in den folgenden Indices):
Alle io diesem Index verzeichneten oder durch seine Regeln
verbotenen Schriften sind binnen 10 Tagen an die Inquisition abzu-
liefern. Wer ketzerische Bücher behält, verfällt der Excommuni-
catio latae sent., wer andere verbotene Bücher behält, der Exe.
ferendae sent., die einen und die anderen einer Strafe von 600 Du-
caten und anderen arbiträren Strafen. Der Excommunication verfallen
auch diejenigen, welche die Besitzer von verbotenen Büchern nicht
dennnciren. Die Lossprechung von diesen Censuren ist gemäss den
Breven Pauls V. vom 27. Jan. 1612 und Urbans VIII. vom 17.
Aug. 1627 dem General-Inquisitor reservirt. Der Index darf nicht
nachgedruckt und aus dem Lande exportirt, ausländische Nachdrucke
dürfen ohne Erlaubniss der Inquisition nicht gebraucht werden.
In den 16 Regeln kommen u. a. folgende Bestimmungen vor :
No. 3 ist im allgemeinen eine Umschreibung der Trienter Regel,
hat aber den Zusatz: „Nicht verboten sind die Schriften von Katho-
liken, in welchen Fragmente oder Tractate von Haeresiarchen, gegen
welche sie schreiben, abgedruckt sind. Auch sind in diesen Büchern
und Tractaten nicht die Namen der Haeresiarchen zu streichen ; denn
um ihre Irrthümer zu widerlegen, ist es erlaubt, sie zu nennen, wie
auch in geschichtlichen Büchern, wie hiermit zur Beseitigung von
Scrupeln erklärt wird."
No. 5 entspricht der 4. Trienter Regel. Bibelübersetzungen
in der Volksprache werden unbedingt verboten, auch Epistel- und
Evangelienbücher, auch wenn kurze Erklärungen beigefügt sind
(I S. 334). Zur Beseitigung von Scrupeln wird erklärt, dass die
hebräische, griechische, lateinische, chaldäische, syrische, äthiopische,
persische und arabische Sprache keine Volksprachen sind^).
6. Gut katholische Schriftsteller in fremden, mehr von Ketze-
reien angesteckten Ländern haben zum Zwecke der Bekehrung von
Ketzern Schriften in ihrer Volksprache, um nicht als Katholiken
erkannt zu werden, pseudonym oder anonym herausgegeben. Wenn
•
1) P. 501 lässt Sot. eine türkische Uebersetzung des 50. Psalms in
1. Megisers InBtitutioues linguae Turcicae, Lpz. 1612, passiren (vgl. 1
Hieron. Megisers
S. 592).
52 Spanische Indices 1632—1790.
Ton solchen Schriften feststeht, dass sie die wahre und gesunde Lehre
enthalten und von Katholiken verfasst sind, wird das Lesen derselben
gestattet werden.
8. Wenn von einem expurgirten Buche eine neue Ausgabe
veranstaltet wird, ist es nicht genügend, die beanstandeten oder
expurgirten Stellen am Anfange oder am Ende oder an einer andern
Stelle zusammen anzugeben: sie sind vielmehr im Texte selbst zu
ändern.
10. Alle seit 1584 ohne Angabe des Verfassers und des
Druckers gedruckten oder zu druckenden Schriften sind als ver-
dächtig verboten. Weil aber viele gelehrte und heilige Männer aus
guten Gründen anonym geschrieben, soll diese Regel nur auf schlechte
Bücher Anwendung finden und behalten wir uns bezüglich der bis
1640 erschienenen Bücher die Erklärung vor.
Die Redaction des Index von 1640 hat (nach p. VI) der
Secretär der Inquisition, Lic. Sebastian de Huerta, besorgt. — Die
irrige Angabe, der Index sei auch 10)62 und 1667 zu Madrid ge-
druckt, findet sich zuerst bei Peignot I, 263; sie ist von anderen
nachgeschrieben worden, obschon, so viel ich weiss, niemand ein
Exemplar dieser Ausgaben gesehen hat. — In vielen Katalogen wird
eine Ausgabe „Madriti 1667" verzeichnet; damit ist aber immer der
Nachdruck gemeint, der auf dem Titelblatte die Worte hat: Juxta
exemplar excusum Madriti 1667, d. h. nach der Madrider Ausgabe
[von 1640 zu Lyon oder Genf gedruckt im Jahre] 1667. Der Nach-
druck hat etwas grösseres Format und grössern Druck als die Aus-
gabe, gibt aber den Index einschliesslich des Supplementes Seite für
Seite wieder. Er steht seit 1707 im spanischen Index, „weil er
ausserhalb Spaniens von Ketzern veranstaltet worden**; speciell ver-
boten werden Praefatio und Prologus, weil sie „von Ketzern zur
Verhöhnung der h. Inquisition geschrieben sind".
Im Buchstaben A hat Sot. in der l.Cl. über 100 Autoren, in
der 2. in der lat. und span. Abtheilung Bücher von 15bezw. 17 Autoren,
in der 3. etwa 50 lateinische, 4 spanische, 4 portugiesische, 5 fran-
zösische Bücher, die nicht schon bei Sand, stehen. Auch die Zahl
der Expurgationen ist bedeutend vermehrt. Manche derselben sind
aus dem Lissaboner Index von 1624 entnommen.
Der Rath von Castilien beantragte 1620, 1631 und 1639 eine
Beschränkung der Autorität der Inquisitoren, welche das Privilegium
hätten, die Seele durch Censuren, das Leben durch Qualen, die Ehre
durch Demonstrationen zu gefährden. Einen ähnlichen Antrag stellte
— ebenso erfolglos — 1693 eine Versammlung von hohen Staats-
beamten unter dem Marques de Mancera (Pelayo, Heterod. 3, 43. 51).
In einem Briefe, den Kaiser Leopold 1696 in Angelegenheiten der
Bollandisten an den König von Spanien schrieb (Papebroch, Eluci-
datorium p. 157), wird erwähnt, als Philipp IV. Sotomayor zum
General-Inquisitor ernannt, habe er angeordnet, in dogmatischen
Fragen, bei denen die Jesuiten betheiligt seien, dürfe ohne sein Vor-
wissen keine Entscheidung getroffen werden ; er habe in diesen Fällen
Theologen befragt, die weder Jesuiten noch Dominicaner gewesen
Marin, 1707. 53
(§ 39). — Die Inquisition wird es nicbt gern gesehen, aber haben dulden
müssen, dass 1664 die holländische Kegierung für den Prediger bei
ihrer Gesandtschaft in Madrid eine ziemlich bedeutende, natürlich
fast ausschliesslich aus protestantischen Büchern bestehende theolo-
gische Bibliothek anschaffte ^).
3. Erst 1707 erschien eine neue vermehrte Ausgabe des
spanischen Index, die als von dem General-Inquisitor Diego
Sarmiento de VoUadores begonnen, von seinem Nachfolger Vidal
Marin, Bischof von Zeuta, vollendet, bezeichnet wird, in zwei
Bänden^). Zu diesem Index erschien 1739 ein kleines Supple-
ment mit spanischem Titelblatt^).
In dem an der Spitze des Index stehenden Edicte vom 15.
Juni 1707 sagt Marin: der bereits begonnene Neudruck des Index
von 1640 mit Beifügung der seitdem verbotenen Bücher sei nach
dem Tode seines Vorgängers unterbrochen worden; er habe die
schon gedruckten Bogen, das Edict von 1640 und die Regeln durch-
sehen lassen und an diesen nichts zu ändern gefunden. £s folgt
das £dict von 1640, dann die vom 16. Juni 1707 datirte Erlaub-
niss für Don Antonio Alvarez de la Puente, Secretär der Inquisition,
den Index, an welchem er fleissig gearbeitet, drucken zu lassen,
dann die Regeln. — Band I, S. 769 steht die Notiz: Soweit war
der Index bei dem Tode Sarmiento's gedruckt; um die Verzögerung
zu vermeiden, die ein Neudruck verursachen würde, sind in der
folgenden Apendice (p. 769 — 791) die Bücher (ausA — I) zusammen-
gestellt, welche in den letzten Jahren verboten worden sind.
In dem Index selbst sind die zu den bei Sotomayor stehenden
Sachen hinzugekommenen mit * bezeichnet. Es sind bei A in der
1) Studien en Bijdr. 11, 377.
2) Schmatztitel des 1. Bandes: Novissimus librorum prohibitorum et
expurgandorum Index pro Catholicis Ilispaniarum Regnis, Philippi V. Reg.
Cath. Ann. 1707. — Haupttitel: iudex expnrgatorias Hispanus ab Ex.™o
D.^o D. Didaco Sarmiento, et VoUadores inceptus, et ab lll.™o D."o D.
Vitale Marin perfectus Anno 1707. De consilio Suprerai Senatus Inqui-
sitionis Generalis. (S. 1. et a.) 15 Bl. (Edict, Regeln), 791 paginirte S. und
49 nicht paginirte 8. Fol. (alphabetisches Register A— K). — Titel des 2. Ban-
des: Novissimus . . . Philippi V. Regis Catholici. Pars secunda, a littera L.
usque ad Z. cum integro indice cognominum auctorum primae, et secun-
dae classis. Matriti: Ex Typographia Musicae 1707.* 1 Bl. 824 paginirte
und 72 nicht paginirte Seiten (Register L— Z; Druckfehler). (Hamburg).
3) Saplemento a el Indice Expurgatorio, que se publico en veinte
y seis de Junio del aOo de 1707. por el Santo Tribunal de la Santa General
Inquisicion. Ponense en este Suplemento todos los Libros prohibidos,
mandados expurgar desde el dicho dia hasta este presente afio de 1739.
Y se ordenan por Avecedario de los Nombres de sus Autores, siguiendo
en todo el methodo, y orden del referido Expurgatorio. Madrid. En la
Officina de Gonzalez 1739.* 2 Bl. 58 S. Fol. (dem Hamburger Exemplar
des Index beigebunden).
54 Spanische Indices 1632—1790.
1. Cl. 42, in der 2. 17 lat., 23 span., 1 französ., in der 3. 1 lat.,
7 spanische.
In dem Register sind die Namen der 1. und 2. Cl. in ein
Alphahet vereinigt (die der 1. mit * hezeichnet); dann folgen bei
jedem Buchstaben die Anonimos.
In dem Supplement stehen ausser neuen Büchern auch einige,
die schon bei Sotomayor standen, auch einige Expurgationen von
Sot. (wie zu Alph. Mart. Vivaldus und Alph. Tostatus), die 1707
ausgelassen waren.
4. Der letzte Index, welcher als eine vermehrte Ausgabe des
von Sotomayor bezeichnet werden kann, wurde 1747 von dem
General-Inquisitor Francisco Perez de Prado, Bischof von
Teruel, veröflFentlicht 0.
Die Edicte von Marin und Sotomayor sind in diesem Index
wieder abgedruckt. Der erste Band war bereits gedruckt, als Prado.
sein Amt antrat. In beiden Bänden stehen Register zu den drei
Classen (die Autoren nach den Vornamen geordnet), im 2. ein 6e-
sammt-Eegister zu allen drei Classen (die Autoren nach dem Familien-
namen geordnet). Im 2. Bande steht S. 1093 — 96 ein Suplemento,
die während des Drucks verbotenen Schriften enthaltend, und S.
1097 — 1112 der auch auf dem Titelblatte erwähnte Cathalogo de
los libros Jansenistas, von dem später die Kede sein wird.
In diesem Index findet sich zuerst bei manchen Büchern die
Bemerkung, sie seien auch für solche verboten, welche eine Erlaub-
niss zum Lesen verbotener Bücher hätten ^).
Im I.Bande f. 5. steht die Bestimmung: es dürfe kein Exem-
plar des Index verkauft werden, welches nicht von dem Jesuiten
Joseph Casani, Qualificator der Inquisition und Visitator der Biblio-
theken, der den Druck geleitet habe, oder von seinem Gehtilfen,
dem Jesuiten Joseph Carrasco, unterschrieben sei. Das Stuttgarter
Exemplar hat f. 6 die Unterschrift des letztem.
5. Der nächste spanische Index ^), den 1790 der General-In-
1) Schmutztitel: NoviBsimus librorum prohibitorum et expurgan-
dorum Index pro catholicis Hispaniarum Regnis Ferdinandi VI. Regie
Catholici. Haupttitel: Index librorum prohibitorum, ac expurgandorum
novissimus. Pro universis Hispaniarum Regnis Serenissimi Ferdinandi VI.
Regia Catholici, hac ultima Editione Illust.™* ac Rev.™* D. D. Francisoi
Perez de Prado, Supremi Pracsidia, & in Hispaniarum ac Indiarum Regnis
Inquisitoris Generalis jussu novitdr aactus, & luculenter, ac vigilantissimd
correctus. De Consilio Supremi Senatus Inquisitionis Generalis juxta
exemplar excusus. Adjectis nunc ad calcem quamplurimis Bajanorum,
Quietistarum, & Jansenistanim libris. Matriti: Ex Calcographia Feruandez.
1747.* Zwei Bände Fol, in dem 1. 14 Bl. (Edicte, Regeln), S. 1-512 und
und 14 Bl. (Register); in dem 2. 2B1., S. 613-1112 und 41 Bl. (Register).
(Stuttgart).
2) Ich bezeichne im Folgenden diese Bücher als „strenge verboten."
3) Schmutztitel: Indice ultimo de los Libros prohibidos y mandados
Prado, 1747. Rubin de Cevallos, 1790. 65
qaisitor Agnstin Rubin de Cevallos, Bischof von Jaen, veröffent-
lichte, hat eine ganz andere Einrichtung wie die früheren. Er
ist zunächst ganz in spanischer Sprache geschrieben; dann ist
die Eintheilung in drei Classen aufgegeben und alles in ein
Alphabet zusammengezogen und in ähnlicher Weise arrangirt
wie in dem Index Benedicts XIV.; endlich sind die in den
früheren Indices stehenden längeren Expurgationen nicht abge-
druckt, sondern durch einfache Verweisungen auf den letzten
von 1747 ersetzt; z. B. Abailardus (Petrus). Ejus Opera. Tienen
que expurgar. V. el Indice Expurgatorio del afio 1747, pag. 920.
Nur ganz kurze Expurgationen sind abgedruckt. Mit Rücksicht
auf diese Abkürzung wird der neue Index in den Vorbemer-
kungen als Indice Manual bezeichnet.
In den spanischen Indices stehen natürlich viele Bücher,
die auch im Rom. Index stehen, aber sehr viele, die sich in
diesem nicht finden, und — was bemerkenswerth ist — manche
Dicht, die in Rom verboten waren, z. B. Alamin, Alva et Astorga,
Alvin, Alviset, Alzedo, Amicus, Amstelius, Ansaldus, Argentano.
Die Edicte in den Indices von 1707 und 1747 sind in dem
von 1790 wieder abgedruckt. In dem darauf folgenden neuen Edicte
vom 26. Dec. 1789 wird u. a. gesagt: es seien in Spanien Bücher
neu gedruckt worden, welche in dem Index von 1747 ständen, und
man habe dieses mit Unkenntniss entschuldigt; die Entschuldigung
könne wegen der Seltenheit und des dadurch bedingten hohen Preises
des Index richtig sein; [die Inquisitionsbeamten, welche die Bücher
zu approbiren hatten, werden ja aber doch einen Index gehabt haben ;]
die Einrichtung, die starke Auflage und der billige Preis des neuen
Index werde jeder Entschuldigung die Thüre verschliessen. Femer
wird gesagt: einige bisher suspendirte Bücher seien auf Grund der
Prüfung derselben freigegeben; es würden ihrer mehr freigegeben
worden sein, wenn die zu prüfenden Bücher nicht so zahlreich und so
expurgar; para todos los reynos y sefiorios del Catholico Hey de las
Espafias, el Seflor Don Carlos IV. — Haapttitel: Indice ultimo de los
Libros prohibidos y mandados expurgar : para todos los reynos y seüorios
del Catholico Rey de las Espaüas, el SeQor Don Carlos IV. Contiene en
resumen todos los Libros puestos eu el Indice Expurgatorio del afio 1747,
y en los Edictos posteriores, asta fin de Diciembre de 1789. Formado y
arrrglado con toda claridad y diligencia, por mandato del Exomo. Sr. D.
Agostin Rubin de Cevallos, Inquisidor General, y Sefiores del Supremo
Consejo de la Santa General Inquisicion: impreso de su orden, con arreglo
al Exemplar visto y approbado por dicho Supremo Consejo. En Madrid:
En la Imprenta de Don Antonio de Sancha. Alio de 1790.* 2 Bl. XL und
305 S. 4. (ReuBch).
56 Spanische Indices 1632 — 1790.
voluminös wären und nicht die vielen Schriften, womit die Ungläu-
bigen und Freigeister seit der Mitte des Jahrhunderts die Welt über-
schwemmten, die Aufmerksamkeit der Inquisition so sehr in Anspruch
genommen hätten. Auf der Rückseite des Titelblattes wird bemerkt:
die Inquisition behalte sich vor, aus diesem Index diejenigen Werke
zu entfernen, die auf Grund einer reiflichen Prüfung als unverfäng-
lich würden erkannt werden; eine solche Prüfung werde, wie es
immer gehalten worden sei, von Amts wegen oder auf Anstehen
der Interessenten vorgenommen werden.
Die 16 Regeln sind im wesentlichen dieselben wie in den
früheren Indices; nur die 5. (über Bibelübersetzungen) ist durch eine
andere ersetzt (s. u.). Der 12. ist die Bestimmung beigefügt, dass
jeder in seinen Büchern die vorgeschriebene Expurgation selbst vor-
nehmen dürfe, dann aber binnen zwei Monaten die expurgirten Bücher
einem Beamten der Inquisition vorzulegen habe.
Die Vorbemerkungen über die Einrichtung des neuen Index
sind im wesentlichen mit den Vorbemerkungen Ricchini's zu dem
Index Benedicts XIV. gleichlautend. Bei den seit 1747 verbotenen
Büchern wird das Datum des betreffenden Edictes angegeben. Bei
den Autoren, deren sämmtliche Werke verboten sind, steht 1. cl.
oder *, bei denjenigen Büchern, welche auch für diejenigen ver-
boten sind, welche die Erlaubniss zum Lesen verbotener Bücher
haben (S. 54), eine Hand Bfl^.
Die spanischen Indices enthalten noch viel mehr Fehler als
die Römischen vor Ben. Die vielen schon bei Sot. verdruckten
Namen (als Beispiel mag Balth. Isubraarus. d. i. Hubmaier genügen)
sind in den folgenden Indices nicht verbessert, aber mit neuen ver-
mehrt. So steht in dem Index von 1707: Ahasverus Fristchius (i. e.
Fritschius) und daneben Hauserus Fristchius s. Fritschus, in dem
vou 1747 auch Ahasverus Fisthius; in dem von 1747: Conr. Sam.
Schurfleixh (Schurzfleisch), Herm. Coringius und Herrn. Cocingus
(Conring), Gisbertus Voletius und Gilbertus Boetius (Gisbert Voe-
tius), in beiden Fulko Grevil, Theliffe Ofthe Renovudne, Senior
Phillip. Cidnaey (The life of the renowned Sir Philipp Sidney). —
Besonders nachlässig redigirt ist der Index von 1747: es stehen
hier Bücher in der 1. Cl., die in die 2. gehören, und umgekehrt,
und Bücher in der 3., die in die 1. oder 2. gehören. Mitunter ist
der Name eines Schriftstellers weggelassen, so dass nun seine Schriften
dem ihm im Alphabete vorhergehenden zugeschrieben werden, wie
z. B. das Buch des Guil. Budaeus de asse dem Guil. Bruez.
In dem Index von 1790 hätte vieles mit Hülfe von Ben.
corrigirt werden können; aber die schlimmsten Fehler der früheren
Indices finden sich auch hier wieder, wie Isubmarus, Cocingius und
Coringius, Grevil, Theliffe u. s. w., fem er z. B. Bruez st. Budaeus,
Clinspachius s. Elimpachius st. Flinsbachius, Delbrunerus und Heil-
brunnerus s. Heilbroner s. Heilbrunerus, Crato a Krafithum s. Kraf-
fecin st. Kraftheini, Schnedeuwin und Schnedeuchsin neben Schneide-
win. Bei Sot. folgt auf Wolfg. Ruess (I S. 232) ein Wolfg. Satlerus,
Medic. Astron. Luth. ; hier finden wir Euez seu Satlerus (Wolphang.),
Franzosischer Index von 1685. 57
Medic. etc. Aus dem Titel: The mle and exercises of hilii [holy]
living by Jer. Taylor ist ein Schriftsteller Taytor-By Jer construirt
worden u. dgl.
10. Französischer Index von 1685.
Im J. 1685, kurz vor der Aufhebung des Edictes von Nantes,
verordnete Louis XIV. die Unterdrückung der protestantischen
Schriften, und der Erzbischof Harlay von Paris publicirte darauf
im Auftrage des Parlaments einen Catalog derselben, der neben
dem Römischen Index eine ganz unabhängige Stellung einnimmt.
Er nimmt weder auf diesen Rücksicht, noch ist er in späteren
Ausgaben desselben berücksichtigt worden.
Die Assemblee du Clerge vom J. 1682 veröffentlichte ein Aver-
tissement pastoral a ceux de la Religion Prctendue Reform^e, pour
les porter ä se convertir et k se reconcilier avec TEglise und ein Memoire
contenant les differentes methodes dont on peut se servir tres-utilement
pour la conversion de ceux qui fönt profession de la R. P. R., die
Assemblee von 1685 eine Erklärung : Doctrine de TEglise contenue
dans notre Profession de Foy et dans les Decreta du Concile de
Trente, opposee aux calomnies, injures et faussetez r^pandues dans
les Ouvrages des Pretendus Reformez; zugleich richtete sie ein
Schreiben an den König, worin sie sagt: sie verlange nicht die Zu-
rücknahme der Edicte, durch welche frühere Könige „unter unglück-
lichen Zeitverhältnissen und aus Gründen, die jetzt nicht mehr exi-
stirten, die Ausübung der reformirten Religion vorläufig gestattet,"
bitte aber den König für die Zeit, während welcher jene Edicte noch
in Kraft bleiben sollten, den Reformirten zu verbieten, die katho-
lische Kirche in Predigten oder Schriften zu schmähen oder zu ver-
leumden. Louis XTV. erliess darauf im August ein Edict (vom Par-
lament einregistrirt 23. Aug. 1685), worin den Reformirten verboten
wird, „gegen den Glauben und die Lehre der römisch-katholischen
Religion zu predigen oder Bücher zu veröffentlichen, ja irgendwie
direct oder indirect von derselben zu sprechen;" sie sollen fortan
nur Bücher drucken lassen dürfen, „welche ihr Glaubensbekenntniss,
die Gebete und die gewöhnlichen Regeln ihrer Disciplin enthalten";
alle von den Reformirten verfassten Bücher gegen die katholische
Religion sollen unterdrückt und dürfen nicht mehr verkauft werden.
Die Uebertretung des Edicts wird mit Verbannung und Vermögens-
confiscation, der Druck oder Verkauf der verbotenen Bücher mit
einer Geldstrafe von 1 50O Livres und Entziehung der Concession
bedroht^).
1) Actes de PAssemblee generale du Clerge de France de M. DC.
58 Französischer Index von 1685.
Der Erzbiechof Harlay von Paris wurde darauf 29. Aug. von
dem Palamente beauftragt, ein Verzeichniss der gemäsR dem Edicte
zu unterdrückenden Bücher anzufertigen. Dieses wurde veröffentlicht
mit einem Mandement des Erzbischofs vom 1. Sept. und mit einem
Arret du Parlement vom 6. Sept. 1685 als Catalogue des Livres
condamnez & deffendus par le Mandement de M. l'Archevesque de
Paris ^). Im Oetober erechien dann das Edict (einregistrirt 22. Oct.
1685), wodurch das Edict von Nantes aufgehoben wurde.
Der Catalog ist alphabetisch geordnet (eine Anzahl von ano-
nymen Schriften steht unter Anonymes), am Schlüsse steht unter
der üeberschrift Autres Livres ein nicht alphabetischer Nachtrag
von 45 Schriften.
R. Simon (Sainjore, Bibliotheque IV, 174) sagt darüber: „So
lange das Edict von Nantes bestand, wurden auch die calvinistischen
Bücher geduldet. Der Kanzler gab für sie kein königliches Privi-
legium, aber der Lieutenant civil als juge de police eine einfache
Druckerlaubniss. Mit der Aufhebung des Edictes wurde der Calvi-
nismus eine nicht geduldete Haeresie ; darum werden jetzt die Bücher
verboten, d h. sie dürfen nicht öffentlich verkauft und importirt
werden . . . Der Catalog ist sehr nachlässig redigirt. Ich habe den
Erzbischof darauf aufmerksam gemacht, und er gestand ein, man
habe zu eilfertig gearbeitet. Der Catalog ist von einigen Doctoren
der Sorbonne, namentlich Le Fevre von Coutance angefertigt worden."
Der Catalog enthält nur lateinisch und französisch geschriebene
protestantische Werke, aber viele in Deutschland und England er-
schienene, viele aus älterer Zeit, die zum Theil auch im Index
Clemens' VIII. stehen.
In dem Recueil des actes du Clerge 1, 1654 und in der Hist.
de l'edit de Nantes vol. 3, stehen einige Arrets du Conseil d'etat
aus den Jahren 1663 — 65 über einzelne protestantische Bücher:
Le tombeau de la messe von David Derodon zu Nismes, Geneve
(Paris) 1654, Discours sur le chant des pseaumes von Jean Bruguier,
gedruckt zu Nismes, R6ponse k la lettre du Sieur Damblat von
Tricotet zu Calais und Abrege des controverses von Ch. Drelincourt,
Geneve lOöO: die Bücher sollen von Henkershand verbrannt, die
Verfasser und Drucker der beiden ersten verbannt werden.
LXXXII. et de cello de M. DC. LXXXV. concernant la religion. A Paris
1686. 152 S. 8*
1) Arrests du Parlament et Ordonances de Monseigneur l'Archevesque
de Paris. Portant la deffense & suppression des Livres Heretiques. Avec
l'Edit du Roy, portant deffenses de faire aucun Exercit*e public de la R.
P. R. dans son Royaume. Registre en Parlement en la chambre des Vaca-
tions le 22. Octobre 1085. A Paris 1085. 95 S. 8.* (Der Catalogue p. 9—81).
— Mandement de Monseigneur PArchevcsque de Paris. Sur la condamna-
tion des livres conteuus dans le catalogue suivant. Paris 1685. 36 S. 4.
(Hofmann p. 197. Der Catalogue p. 9—35). — Die Actenstücke stehen
auch in Recueil de ee qui s'est fait en France de plus considerable contre
les Protestans . . . Par M. Jacques le Fevre, Pretre, Dr. en Theol. de la
Faculte de Paris. Paris 1686. 4* (Der Catalogue p. 325—357.)
Belgische Indices 1695-1704. 59
11. Belgische Indices 1695—1704.
In Namur erschienen im Anfange des 18. Jahrhunderts zwei
Auszüge ans dem Römischen Index, einer anonym und lateinisch
unter dem Titel: Elenchus propositionum et librorum prohibi-
torum, 2. Auflage 1709^), der andere, von dem Recollecten Jean-
Baptiste Hannot, französisch unter dem Titel: Index ou Gata-
logne des principaux livres condamn^s et defendns par TEglise,
1714^). Diese beiden Indices sind Privatarbeiteu. Einen amt-
lichen Charakter hat ein Decret des Erzbischofs de Precipiano
Yon Mecheln vom 15. Jan. 1695, worin 73, meist ,jansenistische^'
Schriften verboten werden^).
1. Der Elenchus enthält zunächst einen Elenchus propositionum
damnatarum, mit den zu Constanz verdammten Propositiones 45
Joannis Wicleff beginnend und mit den 1699 verdammten Propo-
sitiones Cameracensis (Fenelone) schlieBsend (den Propositiones Jan-
senii p. 32 sind die Stellen aus dem Augustinus beigefügt, woraus
eie entnommen sind). Dann folgt p. 81 ein Auszug aus dem Index
vom J. 1683 und einer Appendix zu demselben vom J. 1693, p. 164
Auszüge aus den Decreten von 1690 — 1708, p. 196 — 199 und 170
ein Auszug aus der Bulle Pius' IV. über den Index und aus Decreten
von Synoden von Namur von 1604 und 1639 und einem königlichen
Edicte von 16 J 6, die 4. Trienter Regel (über Bibelübersetzungen)
nebst einigen Namurer Synodaldecreten, p. 171 die Bulle Clemens* XI.
von 1705 gegen die Jansenisten, auf dem letzten Blatte ein Aus-
1) Elenchus propositionum et librorum prohibitorum. Editio se-
cunda auctior & emendatior. Namurci, Apud Carolum Albert Typ: jurat.
Superiorum Permissu. 4 Bl. 192 S. und l Bl. 12. Auf p. 199 folgt p. 170
— 192 statt p. 200 u. s w.; p. 192 steht die Censura Ordinarii vom 16.
Aug. 1709, auf dem letzten Blatte: Acheve d^mprimer le 28. Sept. 1709.*
— Die erste Ausgabe ist mir unbekaunt.
2) Index ou Catalogue des principaux livres condamnes & defendus
par VEglise; Extrait fidelement dn Grand Index Romain, <fe d'un Appen-
dice fidelle, avec des Reflexions Historiques & Theologiques sur les plus
considerables Decrets & ( onstitutions des Souverains Pontifes, touchant
les Matieres du temps. Par le P. Jean-Baptiste Hannot Recollet, Lecteur
en Theologie, &c. . . . A Namur, Chez Pierre Hinne Imprimeur & Li-
braire, 1714.* 19 Bl. XXXII, 430 und 16 S, 2 Bl. 12.
3) Decretum lllustrissimi ac Reverendissimi Domini D. Humberti
Guilelmi a Precipiano Archi-Episcopi Mechliniensis, Belgii Priniatis. ad
Exercitus Regios Delegati Apostolici, Catholicae Majestati a Consilio Status,
etc. adversus quosdam libros et epistolas. Bnixellis typia Guilelmi Michicls
typographi 1695.* 28 S. 4. (Brüssel).
60 Belgische Indices 1696—1704.
zug aus dem Decrete vom 17. Juli 1709. — Ueber den Auszug
aus dem Römischen Index sagt der Herausgeber in der Vorrede :
er habe nicht aufgenommen die im Trienter Index enthaltenen Bücher
und von den später verbotenen Büchern nicht die von bekannten
Ketzern, wie Mornay, Drelincourt u. a., auch nicht die politischen
und die augenscheinlich schlechten, wie die gegen den Papst, die
Papisten u. dgl. oder augenscheinlich zur Yertheidigung des Protestan-
tismus geschriebenen, ferner nicht die einzelne Punkte oder That-
sachen betreffenden oder in einer unbekannten Sprache [nicht latei-
nisch oder französisch] geschriebenen, endlich nicht die mit d. c,
verbotenen Bücher, wie die von de Chartes [Descartes] und Coper-
nicus, von denen anzunehmen, dass sie in späteren Ausgaben ver-
bessert seien. Ebenso naiv ist die Bemerkung: viele im Trienter
Index verbotene Bücher seien im Antwerpener Index expurgatorins
corrigirt, wie Werke von Erasmus und Carolus Molinäus (s. 18^442),
und es sei anzunehmen, dass diese in den späteren Ausgaben ver-
bessert seien. — In Wirklichkeit sind übrigens nicht alle im Tr.
stehenden Bücher weggelassen: der Index beginnt sogar mit ABC,
tractans rudimenta religionis, und noch auf der ersten Seite steht:
Acta Concilii Trid. una cum annotationibus etc.
2. Der Index von Hannot, der von dessen Ordensoberen und
dem Bischof von Namur approbirt ist, enthält die Trienter Regeln
und die Instruction Clemens"' VIII. lateinisch und aus ersteren einen
französischen Auszug (p. I — XXXII), dann (p. 1—276) unter der
Ueberschrift Indiculus Romanus einen Auszug aus der Ausgabe von
1701 (S. 35 II, •'») und als Anhang dazu das umfangreiche Beeret
vom 4. März 1709, dann (S. 277 — 430) die hauptsächlichsten päpst-
lichen Constitutionen gegen Jansenius und Quesnel mit „christlichen
[scharf polemischen] Reflexionen." Ein besonders paginirter Anhang
enthält ein Sendschreiben eines Ungenannten an den Erzbischof von
Tours über die Bulle Unigeuitus und noch ein Decret von 1714. —
Hannots Auszug aus dem Römischen Index ist viel reichhaltiger
als der im Elenchus. Die Anordnung ist die, dass bei jedem
Buchstaben zuerst die Auszüge ex magno Indice Romano (dem Index
von 1681), dann die ex Appendice unica fideli stehen.
Die beiden Namurer Indices haben einen Werth nur wegen
der beigefügten Decrete und sonstigen Actenstücke (S. 18).
3. Gegen den Index von Precipiano schrieb P. Quesnel anonym
Tres-hum])le remontrancc h Messire Humbert de Precipiano Arche-
vesquc de Malines sur son Decret du XV. Janvier 1695 portant
defense de lire, rctenir ou dcbiter plusieurs livres, et particulierement
celuy de la frequente communion compose par Messire Antoine Ar-
nauld Docteur en Sorbonne. 1595.* 104 S. 8.
In dem Decrete sagt Precipiano, die von ihm verbotenen Bücher
seien zum Theil offenbar ketzerisch, zum Theil ohne Approbation
erschienen, zum Theil schon in anderen Diöcesen verboten ; in einigen
werde im Widersj>ruch mit der Trienter Regel behauptet, das Lesen
der h. Schrift (in der Volksprache) sei für alle nicht nur nützlich,
sondern gewissermassen zum Seelenheile noth wendig; in einigen
Elenchas. Hannot. Procipiano. Iudex von 1735. 61
würden die gegen die Lehre des Bajus, des Jansenius nnd anderer
Neuerer gerichteten Decrete und Bücherverbote der h. Gongregation
und des apo6t. Stuhles bekämpft, der fieissige Empfang des Buss-
sacraments missbilligt und zur gänzlichen Beseitigung desselben der
Weg gebahnt und andere Neuerungen vorgetragen. 71 Schriften
werden numerirt aufgezählt; dann folgen noch ein Brief von Hennebel
(s. u.) und ein angeblich von Christus dictirter Brief „voll alberner
und abergläubischer Dinge."
Auf das Bücherverzeichniss folgen unter der Uebersohrift:
Specimina quorundara librorum qui hoc decreto prohibentur, Auszüge
aus 22 der verbotenen Bücher. — An der Spitze des Verzeichnisses
stehen 9 calvinist ische Schriften aus den Jahren 1686 — 93, darunter
eine von J. Basnage, Bist, de la religion des eglises reformees, 1690,
und zwei von P. .Turieu, Deux traittez de la ra orale 1687, und La
balance du sanctuaire, 1686. Die anderen sind jjansenistische*^
Schriften (s. u.). Unter diese sind aber, wie Quesnel mit beissen-
dem Spott hervorhebt, irrthümlich gerathen ein Schriftchen einer
Anglicanerin : Etrenne d'une nouvelle annee aux enfans par Madame
. . ., Col. 1694, und eine Schrift eines Jesuiten gegen Arnauld, die Pre-
cipiano nach dem Titel für eine Vertheidigung desselben gehalten
haben mag, Lettre apologetique pour M. Arnauld ecrite a un abbe
de ses amis sur trois des derniers livres qui ont ete faits contre ce
Docteur, Col. 1688 (ßemontr. p. 73. 103).
Es war im Plane, dieses Decret durch eine Versammlung der
belgischen Bischöfe im J. 1697 bestätigen zu lassen, und im Syno-
dicon Belgicum I, 626 ist ein Decret abgedruckt, worin die Bischöfe
zunächst dasselbe erneuern resp. adoptiren und dann noch 15 weitere
Bücher, von Gerberon, Quesnel (u. a. die Remontrance) u. a. bei-
fügen. Aber dieses Decret ist offenbar nur ein Entwurf, wie der
Herausgeber vermuthet und wie die am Schlüsse stehende Frage
zeigt, ob auch Ley deckers Historia Jansenismi und Opstraets Doc-
trina de laborioso baptismo zu verbieten seien.
Precipiano verbot nur Bücher, die nicht schon in Rom ver-
boten waren; nur ein holländisches Schriftchen, Goude myne etc.,
welches schon 1689 verb. worden, ist (durch ein Versehen) auch
in seinen Index gerathen. — Die Index-Congregation hat von Pre-
cipiano*s Index keine Notiz genommen. Von den darin stehenden
calvinistischen Büchern wurde in Rom nur das von Basnage ver-
boten, und dieses erst 1728, und von den 60 jansenistischen Schriften
nur die Difficultes von Arnauld und je eine Schrift von Gerberon
nnd Quesnel, und diese erst 1703 — 5, also ohne Zweifel unabhängig
von Precipiano.
4. Die Statthalterin Erzherzogin Maria Elisabeth Hess sich be-
stimmen, 25. Juni 1729 eine Ordonnanz zu unterzeichnen, worin alle
in dem Trienter und in dem Madrider Index von 1624 (der von
1614 ist gemeint) stehenden Bücher verboten werden und ein Ver-
zeichniss der seitdem von Seiner Majestät verbotenen Bücher in
Aussicht gestellt wird^). Der hier angedeutete Plan, einen neuen
1) Vgl. zu dem Folgenden Mendham p. 202. Memoires bist, sur
62 Belgische Indices 1695—1704.
Index zu veröffentlichen, wurde damals wegen des Widerspruchs
des Gonseil fallen gelassen, aber 1735 wieder aufgenommen. In
diesem Jahre übersandte die Statthalterin dem Gonseil de Brabant
den Entwurf eines von den belgischen Bischöfen zusammengestellten
Index und einer vom 24. Dec. 1735 datirten Ordonnanz, worin in
33 Paragraphen die Veröffentlichung desselben befohlen und eine
Reihe von Verordnungen über das Bücher wesen gegeben wird. Das
Gonseil de Brabant, das Gonseil priv^ und das Grand Gonseil
de Malines sprachen sich 1736 entschieden dagegen aus, und die
Publication unterblieb. Einige Mittheilungen über den Index haben
gleichwohl ein Interesse.
Die Verfasser sollen der Mechelner Erzpriester G. P. Hoynck
van Papendrecht und der Jesuit Wouters sein. Der Index hat den
Titel: Gatalogus preliminaris, donec amplior sequatur, quorundam
librorum tum prohibitorum, tum noxiorum aut periculosorum et pro-
scriptorum e Belgio Austriaco. An der Spitze steht eine Instructio
summaria in 14 Paragraphen, dann folgt unter dem Titel Instructio
specifica das alphabetische Verzeichniss der Bücher, dem unter dem
Titel Qualificationes et censurae librorum die ohne Zweifel nicht
für den Druck, sondern nur für die Gonseils bestimmte Motivirnng
der Verbote beigefügt ist. Aus der Instructio summaria ist folgen-
des bemerkenswerth : verboten sind die im Trienter Index, in den
Placaten Karls V., in den belgischen Indices von 1569 und 1571
und in dem spanischen Index von 1624 (1614) verzeichneten Bücher,
die gegen die recipirten Bullen (incl. der Bulle Unigenitus) gerich-
teten Schriften, die Werke des Bajus, das Buch des Jansenius u. s. w.,
die zu Gunsten der Utrechter Schismatiker geschriebenen Schriften,
Streitschriften gegen die Immaculata Gonceptio, das Scapulier, den Por-
tiuncula-Ablass u. dgl., Schriften, in denen zum unterschiedslosen Lesen
der Bibel in der Volksprache aufgefordert, der alte Streit zwischen
der geistlichen und weltlichen Gewalt erneuert wird, die nicht die
vorschriftsmässige Approbation haben u, s. w. Der Index umfasst,
die vielen Wiederholungen nicht abgerechnet, 2268 Nummern, da-
runter Bossuets Defensio declarationis, die Werke von van Espen
und, was das Gonseil de Brabant speciell rügt, zwei allerdings im
Rom. Index stehende, aber im Auftrage der belgischen Regierung
geschriebene Schriften von Stockmans.
Taffaire de la Bulle Unigenitus dans les Pays-Bas Autrichieiiß (Brux. 1756,
4 vol. 8., von Dupac de Bellegarde) 3, 154. Supplementum ad opera Z.
B. van Espen, Brux. 1768. Appendix p. IH (hier ist p. 53 das Projet de
Piacard von 1624, p 18 die Consulte du Couseil souverain de Brabant
vom 12. Jan. 1736 abffedr.). Keiffenberg, Annuaire de la Bibliotheque royale
de Belgique, 9. Annee (1848), p. 49.
Böhmische Indices 1726—67. 63
12. Böhmische Indices 1726—1767.
In Prag erschien 1726 ein Abdruck der „Kömischen^^ Index-
Ausgabe von 1704 sammt der Appendix von 1716^). 1729 er-
schien dann zu Königgrätz als eine Ergänzung zu dem Römischen
ein Index prohibitorius et expurgatorius, in welchem vorzugsweise
die in Böhmen verbreiteten lateinischen, czechischen und deutschen
Bttcher berücksichtigt werden, unser dem Titel : „Clavis Haeresim
claudens et aperiens. Schlüssel, welcher die ketzerischen Lehren
für das Verstehen eröffnet und für das Ausrotten verschliesst,
oder Verzeichniss von irreführenden, Aergerniss gebenden, ver-
dächtigen und verbotenen Büchern, mit einer Anweisung, wie
schlechte und schädliche Bücher zu erkennen und auszurotten
8ind"2). Von dieser Clavis erschien 1749 eine zweite vermehrte
Ausgabe^).
Einen ähnlichen, aber nur böhmische Bücher umfassenden
Index publicirte unter Bezugnahme auf eine Encyclica Cle-
mens' XIII. vom 25. Nov. 1766 (Bull. 3, 225) im J. 1767 der
Erzbischof von Prag, Anton Peter Graf von Przichovsky *).
1) Index librorum prohibitornm Innoc. XJ. P. M. jussu editus usque
ad annum 1681. Eidem accedit in fine Appendix usque ad mensem Junii
1704. Juxta exemplar Romanum. Recusus Pragae, in Aula Regia, apud
Josephum Antonium Schilhart, Archi-Episcopalem Typographum. 1726.
Sumptibus Paali Ijochner, Bibliopolae Norinbergensis, 14 Bl. 411 S. 8.
Beigebanden: Appendix unica . . . (wie oben S. 36, II, 7) proscriptarum. Juxta
exemplar Romanum Recusa Vetero-Pragae, in Aula Regia, apud Josephum
Antonium Schilhart, Archi-Episcopalem Typographum. 1 Bl. 129 S. Ap-
pendix novissima . . . (wie oben S. 36, II, 7) 1716. Juxta exemplar ....
Typographum. 27 S.*.
2) Clavis Haeresim claudens & aperiens. .^Ijc i^nr^'rffe SBIubl) ^ro=
üfjnoni ottDJroöicl), Än)i)fürcncnj ^amjtnöiclj. %ncb iRcflifirjf 9?fttcrtjd) b(ubmjd),
po^orfiliiDtid), pobe^rllid), iicb jopomebeiUjd), ^ne^, ^ prebdjOi^q^icljini nucinltmi)mi
profitcbf^, d ftcrijmi pobotfliitw, q fftoblime Änjl)l) un)jfoumoli, a uujfüteujti je
mobou. 9Ja fttjctio iDi)bamj S S^üiuoicnjm 3)ud)0!uaj Sörcbnofti. 20i)tif(lfini w
ferobci} itrQluiuc. u aöQcUuua Sann %\)bih}, ßcta 1729.* 9 Bl. XCIV und 200
S. 12. Mit einem Bilde des h. Antonius. (Prag).
3) Clavis . . . ü 3ana tljmcnta Zx^bih), i»fta 1749.* 12 Bl. XCVI und
420 S. 12. Ohne Bild. (Prag).
4) Index bohemicorum librorum prohibitornm, et corrigendorum
ordine alphabetico digestus, Reverendissimi, Celsiss. S. R. I. Principis Do-
mini Domini Antonii Petri Dei gratia et Sedis Apostolicae Archi-Episcopi
Pragensis jussu collectus atque editus. Vetero-Pragae typis Jo. Caroli Hraba,
64 Böhmische Indices 1726—67.
Auf der Rückseite des Titelblattes der Clavis steht die Appro-
bation: Imprimatur. Keginae Hradecii 29. Dec. 1728 (in der 2. Ausg.
7. Dec. 1748) Adalbertus Georgius Dobroleu (in der 2. Ausg. : Jo. Jos.
Lax), Vic. gen. et Officialis, Bi. 2 die Widmung: Divo Antonio
Paduano Ciavigero, quia clavis David ^) Bajulo, saeculorum Thau-
maturgo, perpetuo haereticorum Malleo, Vaticani oraculi voce : Arcae
Testamenti ; in aperienda et claudenda haeresi seu in exploranda et
delenda librorum peste Duci, Magistro expertissimo, Advocato fide-
lissimo, Clavis praesens in anathema. Bl. 3 — 9 folgt eine latei-
nische Darlegung der kirchlichen Gesetzgebung über verbotene Bücher
in Fragen und Antworten, in der einige Male auf die Jesuiten-Mo-
ralisten Laymann und Archdekin Bezug genommen und u. a. gesagt
wird: die Bulla Coenae sei „bezüglich der über religiöse Dinge han-
delnden Bücher der Auetores 1. cl.** auch in „unseren Gegenden**
in Kraft. Auch au die 4. Regel des Index (über Bibcllesen) wird
erinnert. In der 2. Ausgabe folgt eine Anweisung, wie man die
„guten" und die „schlechten und nicht zu duldenden*' Bibeln er-
kennen könne: es sind einige Stellen lateinisch, deutsch und cze-
chisch, wie sie in jenen und in diesen stehen, in zwei Spalten neben
einander gedruckt. Dann folgt Blatt 9 resp. 11 eine Erklärung der
im Iudex gebrauchten Abkürzungen (1. cl. steht bei Büchern von
Auetores 1. cl., * bei unbedingt verbotenen, Cor. bei libri corrigi-
biles u. 8. w.; dieselbe Erklärung steht p. XCII deutsch). —
P. I — XCII steht ein czechisches Stück, welches ausschliesslich von
Bibeln zu handeln scheint.
In dem Iudex prohibitorius (S. 1 — 170 resp. 1 — 220) sind die
Bücher nach dem Formate (Folio, Quart u. s. w.) und nach den
Sprachen (czechisch, deutsch, lateinisch, mitunter französisch), in
diesen Abtheilungen alphabetisch geordnet. Hinter jedem Absatz
ist freier Raum zum Beischreiben weiterer Bücher gelassen. In der
2. Ausgabe steht S. 162 — 220 ein besonderer Index librorum Vene-
rea vel obscoena tractantium, fast lauter Sachen, deren Titel schon
zeigt, dass sie obscön sind, die speciell zu verzeichnen also zweck-
widrig war. — Bei manchen Büchern werden schon in diesem Index
die Stellen verzeichnet, an denen etwas zu corrigiren ist. S. 171
— 200 resp. 221 — 420 folgt der Index expurgatorius. Er hat in
der 2. Ausgabe eine längere Einleitung, welche u. a. S. 224 die Be-
merkung enthält: beim Expurgiren sei zu verwenden atramentum
indicum, teutonice Tusch dictum , quod Tyrolenses propolae venum
circumferunt; denn die gewöhnliche sepia chartam penetrat, librum
defoedat et plerumqne siccata litnra deletae literae transparent; in-
inclyti Bohemiac Regni D. D. Statuimi typographi.* 38 Bl. 316 S. und
Appendix von 4 Hl. 8. (Prag).
1) Dazu die Note : la. 22, 22, Apoc. 3, 7 de Christo. Antonius wird
mit dem Jesuskinde auf dem Arme abgebildet, Christus aber an diesen
Stellen als der Schlüssel Davids beseichnet.
Böhmische Indices 1726—67. 66
dicum yero atraDientum, si, quod bcue notandum, inediocriter soIudi
hainectatum adhibeatur, in altera pagina nunquam transparet, actu-
tum siccatur et ea, quae deleta sunt, legi ampliuB nequeunt.
Die Expurgationen werden oft kurz motivirt, mitunter mit
Perstringuntur religiosi Societatis Jesu u. dergl. In einem böhmi-
schen Kalender von 1617 wird Hus in dem Heiligenverzeichniss ge-
strichen, aehr oft verordnet, seinem Namen „Ketzer** oder „Erz-
ketzer*' beizufügen.
Der Compilator der beiden Indices wird seine Aufmerksamkeit
hauptsächlich den czechischen und auf Böhmen bezüglichen Schriften
zugewendet haben, hat aber auch viele andere, in wunderlicher
Auswahl, aufgenommen, wohl ebenso viele deutsche wie czechische,
auch einige, die im Eömischen Index stehen. Einige Curiosa mögen
hier verzeichnet werden: Leben des Dr. Faust cum notis et sine
notis; Reich derer Todten [Gespräche im Reiche der Todten] in to-
mulis multis; Des abenteuerlichen Simplicissimi erster Theil (viele
Stellen zu expurgiren); Ethica complementoria d. i. Komplementir-
Büchlein Georg Gräflingen mit angefügtem Transchier-Büchlein,
auch züchtigen Tisch- und Leber-Reimen, Amsterdam 1700 (darin
wird n. a. der Satz gestrichen : Es ist kein Buch so schlecht, es hat
was gute Sachen).
Der Verfasser der Clavis ist der Jesuit Anton Koniasch, geb.
zu Prag 1691, t 1760. Nach Pelzel (bei de Backer) hat derselbe
handschriftlich hinterlassen: Index librorum perniciosorum, abolen-
dorum vel repurgandorum in vier Theilen, von denen der 1. die böh-
mischen, der 2. die deutschen, der 3. die lateinischen, der 4. die
in anderen Sprachen geschriebenen Bücher umfasst. Der erste Theil
dieser Arbeit liegt dem Index von 1767 zu Grunde.
In diesem steht an der Spitze ein Hirtenbrief des Erzbischofs
Anton Peter Graf Przichovsky von Przichowitz (1763—93) vom
1. Juli 1767, in welchen die Encyclica von 1766 vollständig in-
serirt ist. Der Erzbischof verordnet: sein Hirtenbrief sammt der
Encyclica solle binnen drei Wochen an einem Sonntage in allen
Kirchen deutsch oder böhmisch verlesen, zugleich über die Gefähr-
lichkeit der schlechten Bücher gepredigt und angekündigt werden,
dass, wer ketzerische oder wegen des Verdachtes der Ketzerei ver-
botene Bücher lese, ipso jure der Excommunication verfalle. Dann
folgen die von Karl VI. erlassene, von Maria Theresia 1749 be-
stätigte Verordnung über das Verbreiten ketzerischer Bücher und
Verordnungen der Prager Provincialsynode von 1605. Demnächst
folgt eine kurze Vorschrift über das Expurgiren, wie in der Clavis,
und eine sehr ausführliche Anweisung, wie man die ketzerischen
böhmischen Bücher erkennen könne. Dabei wird u. a. verordnet,
alle zu Dresden, Leipzig und an anderen ketzerischen Orten, ferner
alle typis germanicis vulgo fractura et non boemis vulgo gothicis
gedruckten böhmischen Bücher seien genau zu untersuchen, des-
gleichen alle zwischen dem Jahre 1414, quo haereses in patria
nostra grassari coeperunt, und dem J. 1635, quo tandem omnis re-
sidua adhuc haeresis ex regno proscripta est, gedruckten Bücher.
Reiuoh, Index n. 5
66 Nachträge zu dem Index von 1596.
Der Index selbst (S. 7 — 316) ist zugleich prohibitorius nnd
expargatoriuB, und alles ist in ein einziges Alphajbet geordnet. Inhalt-
lich ist er eine vermehrte Ausgabe des böhmischen Theiles der Clavis.
13. Nachträge zu dem Index yon 15%.
In den Decreten der ersten Decennien werden wiederholt
Bücher von Schriftstellern verboten, welche schon in der 1. Classe
standen. In einem Decrete von 1623 (Alex. No. 27) wird dann
allgemein erklärt, nach 1596 erschienene Werke von Autoren der
1. Classe seien als verboten anzusehen. — Mehrere Bücher, welche
Clemens VIII. aus dem Index Sixtus' V. nicht aufgenommen,wurden
theils noch unter seiner Regierung, theils später verboten. Sie
sind bereits im 1. Bande erwähnt worden ^), desgleichen Verbote
von Schriften, von denen andere Ausgaben^), und von Schrift-
stellern, von denen andere Schriften in dem Index von 1596
stehen^), nnd von Schriften, die mit älteren Verboten zusammen-
hangen*). — Als Nachträge zu dem Index von 1596 dürfen anch
einige, theilweisc erst spät erfolgte Verbote von Büchern be-
zeichnet werden, die schon im 16. Jahrhundert erschienen waren ^).
Darunter sind mehrere italienische. Am aufTallendsten ist, dass
Giordano Bruno, dessen erste Schriften schon 1582 erschienen,
nicht schon im Index Clemens' VIII. steht. Erst nachdem er
1600 zn Rom hingerichtet worden, wurden 1603 JordaniBrnni
Nolani libri et scripta verboten.
Bei einigen Verboten aus den ersten Decennien des 17. Jahrb.
wird ausdiücklich bemerkt, der Verfasser stehe schon in der 1. GL,
1) S. im Register des 1. Bandes: Albertus M. (16ß6 wurde noch
vorb. Alberto Magno, diviso in Ire libri; nel primo si tratta della virtü
delle erbe, nel secondo della virtü delle pietre, nel terzo della virtü di
aicuni animah, ein seit 1503 wiederholt, gedrucktes Buch), Castiglione,
Fortius, Huarte, Popoli, Porta, Raimondi, Saxo, Straparola.
2) Althamer, Castello, Enchiridion ehr. inst., Informaciones, Liechte-
nau, Pasquino.
3) Anti-Machiavel , Beust, Bodin, Corasius, Gentilletus, Lipsius,
Masson, Mercator, Serranus.
4) Alanus, Antithese, Bajus, Bandini, Bennazar, Bufifi, Dos tratados,
Elvidius, Erigena, Giubileo, Grimoire, Guicciardini, Krenzer, Laude, Nup-
tiae, Tb. Sagittarius.
5) Auch von diesen sind schon einige im 1 Bande erwähnt: Giovanni
Fior. (8. 394), Grazzini, Riocamati.
Nachträge zu dem Index von 1696. 67
wie bei G. Cassander, und Jo. G. Godelmann ; in No. 5 (1605) steht:
Leonardi Fuchsii novissima impressio Franofordensis prohibetnr, cum
auctor alias sit damnatus et ejus opera novis semper haeresibus con-
spersa prodeant. Bei anderen Verboten fehlt eine solche Hinwei-
sung, wie bei Hier. Schurff (1621) und bei Phil, du Plessis Mor-
nay (R.-E. 3, 759), von dem 1613 Liber de institutione . . . eu-
charistiae (franz. 1598, lat. 1605) und Mysterium iniquitatis (Le
myst^re d'iniquite, c'est k dire Thistoire de la papaute, 1611, lat.
1612) und 1621 nochmals Opus de s. eucharistia in quatuor libros
distinctum, sicut et alia etiam omnia ejus opera verb. werden (1818
wurde die 1796 zu Pavia erschienene italienische üebersetzung des
Mystere von Paolo Rivarola, La storia del Papato verb. mit der
Bemerkung: jam prohibita inter opera eiusd. auctoris in Ind. Conc.
Trid. et decr. 16. Mart. 1621). — Auch nach der allgemeinen Er-
klärung von 1623 wurden 1624 verb. Theod. Bezae, authoris dam-
nati, Icones i. e. verae imagines virorum . . . illustrium (Bilder von
Reformatoren mit kurzem Text, Genf 1580; Baumg. 7, 470; s. § 14
8. 79).
1603 wurden Theodoreti episcopi Cyri [in den neuesten Aus-
gaben Cypri!] dialogi tres cum versione lat. Victorini Strigelii et
analysi logica ed. Marcus Beumlerus Tigurinus, 1591, mit dem Zu-
sätze verb.: in 1. cl. reponitur auctor (V. Strigelius) cum expositore
M. Beumlero. Beide standen aber schon in der 1. Cl.
Sonst sind von nachträglichen, zum Theil sehr verspäteten Ver-
boten von Werken von Autoren der 1. Cl. ^) zu erwähnen:
Matth. Dresser, Orationum libri III, 1587 und 1606, verb.
1623; Georg Fabricius, Saxoniae illustratae libri IX, 1608 von seinem
Sohne herausgegeben, verb. 1634; Hieron. Henninges, Theatrum
genealogicum, 1598 (Clement 9, 391), verb. 1624; Andr. HondorflF,
Theatrum historicum, schon von S. verb. (I S. 519), von Cl. gestrichen,
verb. 1617; Rod. Hospinianus, Historia Jesuitica, 1618, Fol., verb.
1625; Franc. Junius, Vita ab ipsomet scripta, verb. 1624. Gleich-
zeitig wurden die von Junius und Jo. Pappus verfassten Vorreden
zu dem Antwerpener Index expurgatorius (I S. 424) verb. Jo.
Pappus, Epitome historiae eccl. wurde erst 1690 verb., nachdem sie
1661 cum auctariis Henrici Eippingi erschienen war. Von Jo. Zanger
wurden Commentationes in decretalium quatuor titulos, 1620 u. s.,
erst 1662 verb. Von Pantaleon Candidus, der nur als Palatinus
Kednadon in der 1. Cl. steht, wurden 1605 verb.: Annales s. ta-
bulae chronologicae, 1602, und Epitaphia antiqua et recentia, 1600.
Von den Schriften solcher Autoren, die schon in der 2. Cl.
standen, sind zu erwähnen: Nie. Cisner (1529 — 83), Orationes de
vita Othonis III. et Friderici II. Imperatorum et de Conrado, ultimo
Sueviae gentis principe, 1570 und 1606, verb. 1613; Simon Schard
(1535 — 73), De principum, quibus electio imperatoris in Germania
1) Vgl. im Register des 1. Bandes Castalio, Molinaeus, Serranus,
Rob. StephanuB.
68 Nachtrage zu dem Index von 1596.
commendata est, origine s. institntione, 1608, yerb. 1609; Syntagma
tractatunm de imperiali jorisdictione . . . ac potentate eccleHiastica
deque jaribas regni et imperii, 1566 und 1618, verb. 1623. Das
Syntagma von Schard enthält die wichtigsten Streitschriften zu
Gunsten der Kaiser gegen päpstliche üebergrifFe seit Heinrich IV.,
auch Valla's Schrift über die Constantinische Schenkung. Den Schluss
bildet Sohards Tractat De principum etc., der 1608 auch besonders
gedruckt wurde, und in dem er gegen die Ansicht des Onuphrius
Panvinius (f 1568), dass die Kurfürsten erst seit Friedrich II. ent-
standen seien, die damals herrschende Meinung vertheidigt, dass sie
von Otto III. mit Zustimmung Gregors V. eingesetzt seien.
Cisner bekämpft in der ersten seiner Reden die Ansicht des Pan-
vinius, dass der Papst und die italienischen Fürsten ursprünglich an
dem Wahlrecht Antheil gehabt, und vertritt die jetzige Ansicht von
einer allmählichen geschichtlichen Entwicklung des Wahlrechts der
mächtigsten Fürsten (Stintzing, Gesch. 1, 510).
Hieronymus Baibus Ad Carolum V. de coronatione, verb.
1623, ist der von Girolamo Balbi aus Venedig, seit 1522 Bischof
von Gurk, bei Gelegenheit der Krönung Karls V. in Bologna 1530
veröffentlichte Tractat, der Strassburg 1603 und in GoldastsPolitica
Imperialia I, 102 gedruckt war (Mazzuch. I, 83; vgl. I S. 236).
— Jodoci Damhonderii Praxis rerum criminalium, verb. mit d. c.
1623, war 1554 u. s., auch Ven. 1572, gedruckt. Der Verfasser
(1507—81) war Katholik in Diensten Karls V. und Philipps II.
Man wird an seinen freimüthigen Aeusseningen über Missbräuchc bei
geistlichen und weltlichen Gerichten Anstoss genommen haben (Biogr.
nat. 4, 59). Im span. Index steht das Buch nicht. — Jo. Jac.
Wecker, De secretis libri 17, Basel 1582 (1604), verb. 1609, wird
von Sot. expurgirt mit der Bemerkung: multa insunt superstitiosa
ex Mizaldo, Porta, Wiero, Cardano et aliis collecta (Zaubermittel).
— Guil. Varignana, Secreta sublimia ad varios curandos morbos,
1651 mit d. c. verb., ist ein Buch eines mittelalterlichen Mediciners,
welches schon Lugd. 1522, Bas. 1597 gedruckt war. — Sylva
sermonum jucundissimorum, in quo novae historiae et exempla varia
facetiis undique referta continentur, Bas. 1568, verb. 1603.
Auffallend ist, dass der ungarische Bischof Andreas Dudith,
der 1562 in Trient war und für die Gestattung des Kelches sprach,
1567 als kaiserlicher Gesandter in Polen Protestant wurde und sich
verheirathete, f 1589, nicht im Rom. Index steht, obschon Pius IV.
1567 an den König von Polen schrieb: Cum se ipsum aperte modo
dederit passionibus ignominiae (qua foeditate, qualis item antea esset,
apparuit), te oramus, ut eam pestem e Poloniae finibus ejiciendam
eures (Jul. Pogiani Epp. 4, 249), und in den seit 1560 erschienenen
Epistolae Pauli Manutii sein Name, wie der anderer Haeretiker, weg-
gelassen ist (Gibbings, Carnesecchi p. X; s. I S. 436. 384). Als der
Index Clemens' VIII. erschien, waren freilich von ihm nur zwei
harmlose von seinen fünf zu Trient gehaltenen Reden und ein Com-
mentariolus de cometarum significatione, Basel 1579, gedruckt; aber
1610 erschienen Andreae Dudithii . . Orationes in Conc. Trid. ha-
Schard. Dudith. G. Bruno. Calandrini u. a. 69
bitae, Apologia ad Maximilianum IL, Commentarius pro conjugii
libertate, ed. Quirinus Keuter (Clement 7, 457). Im span. Index
steht Dudith in der 1. Gl. und wird nur der Commentariolus, appo-
sita nota damnati auetoriR, freigegeben.
Giordano Bruno, geb. 1548 zu Nola, 1563 Dominicaner, wurde
schon 1576 zu Neapel und Rom von der Inquisition processirt,
entfloh aber und führte bis 1592 ein unstetes Wanderleben. 1592
wurde er von der Venetianischen Inquisition processirt, schwor ab,
wurde aber 1593 an die Römische Inquisition abgeliefert. Nach
sechsjähriger Haft wurde er 14. Jan. 1599 zur Abschwörung einer
Anzahl von ketzerischen Sätzen aufgefordert, 8. Febr. 1600 als
Apostat und unbussfertiger und hartnäckiger Ketzer verurtheilt und
17. Febr. lebendig verbrannt^). Bei dem Processe war Bellarmin
zuerst als Consultor, dann als Cardinal der Inquisition betheiligt.
1603 wurde verb. Sommario della religione cristiana raccolto
in dieci libri, nei quali si tratta di tutti gli articoli della fede se-
condo la pura parola di Dio, mit dem Zusätze: stampato tra' he-
retici, sebene falsamente si dice in Roma per P. Gigliadoro 1590,
dedicato al Duce e Republica di Genova. (Bei Ben. steht: stam-
pato in Roma da Paolo Gigliadoro. Quod tamen falso asseritur;
jetzt ist stampato u. s. w. weggelassen, so dass Quod tamen etc.
hinter secondo la pura parola di Dio steht); — erst 1605: Trat-
tato dell' heresie e delle scisme che sono nate e che possono na-
scere nella chiesa di Dio, e de' remedii che si devono usare contro
di quelle, cio^ della scomunica e della podesta del magistrato ci-
vile, fatto in cinque lettioni da Scipione Calandrini, Poschiavo 1572.
— Von Sc. Calandrini, der um 1567 von Heidelberg nach dem
Veltlin berufen wurde, ist wahrscheinlich auch herausgegeben die
1621 verbotene Schrift: Lettera di Antonio Possevino, nella quäle
si Sforza di provare, che i libri che si leggono di sotto il nome di
Dionigi Areopagita, siano di quello che fü discepolo di San Paolo.
Con la refutatione delle sue ragioni (s. 1. et a.); wenigstens steht
am Ende der Name Scipio Calandrini Lucchese (Guico. 230). In dem
Decrete (No. 23) heisst es: Libellus quamplurimis conspersus erro-
ribus ignoti cujusdam Ant. Possevini, non quidem illius e Soc. Jesu,
nee alterius Antonii junioris, cui titulus: Lettera u. s. w. Seit Ben.
steht der einfache Titel im Index, und mit jener Bemerkung wollte
die Index-Congregation wohl nur sagen, die "Widerlegung des Briefes
sei nicht von den beiden Possevini, was ja aber der Titel auch nicht
behauptet. — Eine andere, schlimmere Streitschrift gegen Possevino,
von Nie. Balbani (I S. 583), Trattato primo delle risposte fatto ad
un libretto di Messer Ant. Possevino della messa, nel quäle con la
parola di Dio si mostra, che il sacrificio della messa e un' inven-
tione d6gli uomini et una horrenda idolatria, Genf 1564, 8., steht
nicht im Index, obschon sie in der Risposta a Pietro Yireto e Nicola
1) K.-L. 2, 1364. Chr. Sigwart, Lebensgesch. G. Bruno's, 1880. D.
Berti, Documenti intorno a G. Bruno da Nola, 1880.
70 Nachtrage zu dem Index von 1596.
Balbani & a due altri lieretici, i quali hanno scritto contra il trat-
tato della messa di M. Ant. Possevino, Avignon 1566, 200 S. 16.
bekämpft worden war (Gnicc. p. 24).
Erst 1609 wurde verb. : La confessione di Theodore Beza,
corretta e stampata di nuovo in Roma per ordine del Papa, mit
der Bemerkung libellus impr. Genevae ementito loco impreßsionis.
Daß französische Original, Confession de la foy chr^tienne etc., war
schon 1559, eine italien. üebersetzung 1566 erschienen (Haag 2,
527). Eine andere Schrift ist die 1 621 verbotene Confessione di fede
cath. ed apost., fatta di commcin' accordo secondo la dottr. deli'
Evangelio di N. S. G. C. Aggiuntovi un breve discorso della utilt4
di leggere e studiare la Scrittura in questi ultimi miserabili tempi
ove siamo, wohl identisch mit der seit Alex, daneben stehenden Conf.
di fede cath. ed apost., in Villafranca, beide von Ben. gestrichen.
— Walirscheinlich stammt auch noch aus dem 16. Jahrh. die 1622
(nicht, wie jetzt im Index steht, 1722) verbotene Satire: Co media
piacevole della vera, antica, Rom., catt. & apost. Chiesa nella quäle
dagli interlocutori vengono disputate & spedite tutte le controversie,
hoggidi che sono fra i Cattolici Rom., Luterani, Zningliani, Calvi-
nisti, Anabattisti, Suenkfeldiani & altri per conto della religione.
(Opera all' huomo veramente catt. di gran contento & utile. Roma-
nopoli ß. a. 175 S. 12. Brunet: darin ein Brief Kaiser Ferdinands
an Luther von 1537).
Zu den erst spät verbotenen katholischen Schriften gehören:
Vincenzo Auruccio, Rituario per quelli, che avendo cura di anime
desiderano vegliare sopra il gregge a loro commesso da Dio, Rom
1586 und wiederholt zu Rom und zu Mailand gedruckt (Mazzu-
chelli 8. V.), verb. 1671. — Bartol. Dionigi da Fano, Compendio
istorico del Vecchio et del N. Testamento, cavato dalla S. Bibbia,
Ven. 1588 (Guicc. p. 103) und 1669 (Biblioth. Casan.), verb. 1678
(I S. 336). — Ant. Manchettus, Flores aurei ex variis in Eccl.
doctoribus et ex catechismo brevissime excerpti, Ven. 1587, verb.
1718. — Breve tratado de la doctrina antigua de Dios y de la nueva
de los hombres, util y necesario para todo fiel cristiano, verb. 1690,
ist die schon 1560 erschienene span. Uebers. des Schriftchens von ür-
banus Rhegius von Juan Perez (I S. 192). — Die 1605 verbotenen
Libri tre, nei quali si tratta delle diverse sorti delle gemme von
Lod. Dolce waren schon 1565 gedruckt und sind nur Üebersetzung
von Camilli Leonardi Speculum lapidum, welches erst 1674 verb.
wurde.
Die Historia di Milano von Bernardino Coric, welche 1625
mit d. c. verb. wurde, war zuerst 1503, dann wiederholt (1565 von
Porcacchi geändert) gedruckt (neue Ausgabe nach der von 1503
Mailand 1855 — 57, 3 vol.). Nach Thiers, Superstitions 4, 191 be-
richtet Coric (in der Ausgabe von 1503), im Jan. 1391 habe
Bonifaz IX. auf Ersuchen des Gian Galeazzo den Mailändern die
Erlangung eines zu Rom zu Ende gegangenen Ablasses in folgender
Weise bewilligt: jeder könne, si anche non fusse contrito ne con-
fesso, von allen Sünden losgesprochen werden, wenn er zehn Tage
Corio. Bolero. Perez. Französ. Schriften. 71
in Mailand verweile und dort täglich fünf Kirchen besache und in
der ersten zwei Drittel der Kosten einer Reise nach Rom deponire,
wovon zwei Drittel der Fabrik bleiben, ein Drittel dem Papste zu-
fallen solle. Die Ablassbe willigung hat sicher nicht so gelautet;
aber bemerkenswerth ist immerhin, dass sie so angegeben wurde.
— Die Istorie di Firenze (1492 — 1532) von Jacopo Nardi stehen
nicht im Index. In der Ausgabe von 1582 sind Stellen weggelassen.
Vollständig ist das Werk von Agenore Gelli, Flor. 1858, herausge-
geben (Bertocci, Repertorio 2, 207).
In dem Decrete No. 26 von 1622 steht: Relation es Boteri; non
permittantur nisi illae, quae sunt correctae juxta antiquam impres-
sionem Taurini 1601 factam per Jo. Dom. Tarinum, Serenissimo
Duci Sabaudiae dicatae, in bis praecipue, quae libro primo partis
secundae habentur in cap. scripto Delle forze del Regno di Francia.
Giov. Botero (nicht Bottero, wie jetzt im Index) war bis 1581
Jesuit, dann Secretär des Carlo und Federigo Borromeo, machte dann
grosse Reisen und wurde darauf Erzieher der Söhne Karl Em-
manuels von Savoyen, t um 1617 (Mazzuchelli 2, 1869. Tirab. 7,
908); er war ein eifriger Geistlicher und ein guter Historiker und
Politiker. Seine Relazioni universali, welche im 1. Theile eine geo-
graphische und historische Beschreibung der vier Welttheile ent-
halten, im 2. über die Fürsten der damaligen Zeit, im 3. über die
Religionen handeln, erschienen zuerst zu Rom 1592, mit einem 4.
Theile über die heidnischen Religionen der neuen Welt und die Bekeh-
rungsversuche vermehrt, 1595. Sie sind oft gedruckt, auch ins La-
teinische (1620) und Deutsche übersetzt (Weltbeschreibung, 1611).
Verboten und expurgirt wurde das Buch auf Betreiben der fran-
zösischen Regierung, wie Zacc. p. 280 nach Albizzi, Risposta all'
Ist. deir Inquis. p. 314 angibt. Auf Betreiben der spanischen Re-
gierung wurden, wie Albizzi beifügt, 1603 verboten die 1598 er-
schienenen Relaciones en tre partes von Antonio Perez, dem
Secretär Philipps II., der 1592 von der spanischen Inquisition zum
Tode verurtheilt und in effigie verbrannt worden war. Im span.
Index stehen auch seine anderen Schriften.
Lucii Pauli Rho sei li Patavini Index quidam Commentariorum
D. Francisci Aretini de Accoltis, Lugd. 1550, verb. 1609. Der
Titel der Ausgabe Venedig 1590* Fol. heisst: Index locupletissimus
remm ac verborum notatu dignornm ad dilucida commentaria Fr.
Ar. Acc. (t 1485) in omnes ordinarias juris civilis partes. Der
Verfasser wird auf dem Titelblatt nicht genannt, aber die Dedication
beginnt Pientissimo Parisiensium Archiep. Paulo Zabarellae Lucius
Paulus Rhosellus (er war Geistlicher, Prof. in Padua, f 1556).
Von älteren französischen Schriften sind zu erwähnen: Acta
legationis ducis Niverniae ad dementem VIII. Pont. Rom. (Frankf.
1595), verb. 1603, über die Gesandtschaft des Herzogs von Nevers,
der 1593 nach der Thronbesteigung Clemens' VIII. von Heinrich IV.
nach Rom gesandt wurde, mit dem Auftrage, nicht über die Ab-
sohwörung des Königs zu unterhandeln, da dieser die Absolution
durch die Bischöfe als genügend ansah. Clemens verweigerte im
72 Nachtrage zu dem Index von 1596.
ConBistorium vom 15. Jan. 1594 „Heinrich von B6am" die Aner-
kennung als König, worauf Nevers ihm eine Denkschrift voll bitterer
Vorwürfe und Drohungen einreichte (Hist. Zts. 1874, 85). — Ex-
hortatio ad Christianissimi Hegis Galliae consiliarios. Quo pacto
obviam iri possit seditionibus quae ob religionis causam impendere
videntur. [Ex gallica lingua translata 1561 .. . Eecusa 1609. 24 Bl. 4],
erst 1624 verb., Nachdruck der 1561 erschienenen lat. üebersetzung
der aus demselben Jahre stammenden Exhortation aux Princes et
Seigneurs du Conseil prive du Roy etc., worin die Freigebung der
beiden christlichen Bekenntnisse befürwortet wird. — Bernard de
Girard, Seigneur du Haillan (1571 von Karl IX. zum Historio-
graphe de France ernannt, t 1610), De Testat et succez des affaires
de France . . . contenant Thist. des roys de France . . . 1595 (zu-
erst 1576), die erste Geschichte von Frankreich in französischer
Sprache, verb. 1609; — Discours politiques et militaires du Sieur
de la Noue (1567 General der Calvinisten, 1588 im Dienste der
Generalstaaten), 1599 (zuerst 1588, 2 vol. 12.), verb. 1610. Schon
1592 war zu Rom ein Judicium de Nuae militis Galli scriptis etc.
(auch über Bodin, Mornay und Machiavelli) von Ant. Possevinus
erschienen.
Erst 1623 wurden, gleichzeitig mit einigen galli cani sehen
Schriften, verb. De rebus gallicis praecipuis epitome ab a. 1555 usque
ad praesentem 1594, von Laur. Risebergius, Prediger zu Garde-
legen, Heimst. 1594, 4.; — Franc. Jureti Observationes ad Ivonis
Carnotensis epistolas, 1585 und 1610 (mit d. c, vgl. I S. 495);
— Petri Matthaei Septimus decretalium: constitutionum apost. post
sextum, Clem. et Extrav. ad hodiernum diem editarum continnatio,
Frcf. 1590, 8. (in manchen Ausgaben des Corpus juris can. als Ap-
pendix abgedr.; Schulte, Gesch. 3, 1, 579; Mich, a S. Jos. 4, 141),
und (mit d. c.) die von demselben Schriftsteller, Pierre Mathieu (1563
— 1621), erst Advocat, dann Historiograph Heinrichs IV., anonym
veröffentlichte Histoire des dernieres troubles de France soubs les
regnesdes rois Henri III. et Henri IV. [1576—89], Lyon 1594, 8.
Erst 1619 wurde verb. Petri Aerodii de patrio jure (so bei
Alex. No. 19 und noch jetzt; auf dem Titelblatte folgt: ad filium
pseudojesnitam), schon 1593 erschienen (in 2. Aufl. 1597), auch fran-
zösisch: Traite de la puissance paternelle contre ceux qui souspr^-
texte de religion volent les enfants k leur p^re et mere. Der Ver-
fasser ist der berühmte französische Jurist P. Ayrault (Bayle s. v.).
Dessen Sohn Rene, der bei den Jesuiten in Paris erzogen worden,
war gegen den Willen des Vaters zu Trier 1586 Jesuit geworden,
und alle Bemühungen, seine Entlassung zu erwirken, auch die bei
Clemens VIII. gethanen Schritte waren erfolglos geblieben. (Im span.
Index steht dieses Buch nicht, wird aber ein juristisches Werk von
Ayrault expurgirt.)
Claudii Alberii Organen i. e. instrumentum doctrinarum om-
nium in duas partes divisum, Morgiis 1585, verb. 1605. Der Ver-
fasser, Gl. Aubery, ein französischer Mediciner, wurde Protestant,
schrieb als Professor der Philosophie zu Lausanne Apodictae ora-
Allgemeine Verbote. 73
tiones, die anf Betreiben Beza's von der Synode zu Bern als zu
katholisch verdammt wurden, und wurde schliesslich wieder katho-
lisch, t 1596. — Erst 1623 wurden mit d. c. verb. zwei von den
vielen Schriften eines andern französischen Mediciners, Ant. Mizauld,
(1520 — 78): Antonii Mizaldi Memorabilium, utilium ac jucundorum
centuriae IX, 1566 u. s., und Historia Hortensium, quatuor opusculis
melhodice contexta, 1576. Letzteres Buch handelt von Heilkräutern ;
von ersterm sagt Delrio, Disq. mag. 1, 3, es seien darin supersti-
tiosa a naturalibus nicht unterschieden, und Thiers, Superst. 1, 415
citirt daraus Formeln für die Beschwörung von Grewittem u. dgl.
Es wird von Sand. Liss. und Sot. stark expurgirt, weniger stark
das erste und andere Schriften.
14. Allgemeine Verbote.
Zu den schon im Glementinischen Index stehenden allge-
meinen Verboten (S. 40) kamen ausser manchen später zu be-
sprechenden schon in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts
folgende hinzu: Entscheidungen der Congregatio Concilii Tri-
dentini, die ohne deren Ermächtigung gedruckt sind (1621; Decr.
gen. II, 3) ; — das 1629 erlassene Verbot von ohne päpstliche
Erlaubniss herausgegebenen Uebersetzungen der Trienter Decrete
ist nicht in den Index aufgenommen; — alle Litanieen mit Aus-
nahme der Allerheiligen- und der Lauretanischen Litanie (1601;
Decr. gen. IV, 3 ; das Verbot hat viele Bücher auf den Index gebracht
und bis zum J. 1882 viele Verhandlungen veranlasst); — Schriften
über die muhammedanische Religion (1603; Decr. gen. I, 11).—
Das Verbot der Elogia haereticorum (I S. 541) wurde 1633 durch
den Magister S. Palatii eingeschärft und auf die Bilder und
Medaillen zu ihren Ehren ausgedehnt. Im Zusammenhange mit
diesem Verbote steht das Verbot einer Anzahl von nützlichen
bibliographischen Büchern, in denen auch ketzerische Schrift-
steller lobend erwähnt werden.
In der Bulle Pius^ IV. vom 26. Jan. 1563, durch welche die
Beschlüsse des Trienter Concils bestätigt werden, wird unter An-
drohung der Excommunicatio latae sent. verboten, ohne päpstliche
(jenehmigung Commentare, Glossen, Anmerkungen, Scholien oder
andere Erklärungen zu jenen Decreten zu veröffentlichen. Am
29. April 1621 erklärte die Congr. Conc. Trid.: es sei ihr bekannt
geworden, dass Sammlungen von Declarationen unter ihrem Namen
(ementito ipsius Congregationis nomine) veröffentlicht worden seien,
74 Allgemeine Verbote.
die besser ungedruckt geblieben wären, da sie von Irrthümeru wim-
melten und stellenweise dem ricbtigen Verstündnisse des Concils
widersprächen ; da nun solche Publicationen durch die Bulle Pins' IV.
verboten seien, habe sie mit Genehmigung Gregors XV. beschlossen,
es seien alle Sammlungen von Declarationes, Decisiones seu Inter-
pretationes Congregationis Concilii, die schon gedruckten und noch
zu druckenden, auf den Index zu setzen, namentlich (folgen die
unten verzeichneten). Dieses Decret wurde 6. Juni 1621 von der
Index-Congr. publicirt (Alex. No. 24). Die in demselben speciell
verbotenen Bücher, sämmtlich von gut katholischen Theologen und
Canonisten, sind: Declarationes Concilii Trid. ex bibliotheca manu-
scripta Prosperi Farinaccii (war schon 1609 verboten mit genauerer
Titelangabe: Decisionum novissimarum Rotae Rom.... Pars IV.
continens tum decisiones varias, tum declarationes Concilii Trid. (ut
falso dicitur) habitas e bibl. etc. [Francf.] 1608, und dieser Titel
steht seit Ben. im Index): — Decreta Conc. Trid. ad suos quaeque
titulos secundum juris methodum redacta, adjunctis Declarationibus
auctoritate apost. editis etc. Per Fr. Petrum Vinc. de Marzilla
(Benedictiner, Salamanca 1613); — Declarationes Cardinalium
Congr. Conc. Trid., una cum Jo. Sotealli [Soteaulx, Cistercienser in
Belgien] et Horatii Lucii annotationibus ; — Remissiones doctorum, qui
varia loca Conc. Trid. incidenter tractarunt, auctore Augustino Bar-
bosa [Portugiese, lebte lange in Rom, Consultor der Index-Congr.,
t 1649 als Bischof, Lissabon 1618 u. s.]; — S. Conc. Trid. Deci-
siones et Declarationes 111. S. R. £. Cardinalium ejusdem. Conc.
Interpretum ad diversa exemplaria . . . praesertim sec. correctionem
Petri de Marzilla, opera Jo. de Gallemart [Prof. in Douay,
Douay 1618 u. o.]; — Declarationes Cardinalium Conc. Trid.
Interpretum ex ultima recensione Jo. Gallemart cum citationibus
Jo. Sotealli et remissionibus Aug. Barbosae. — Im J. 1642 wurde
noch verboten das nach jenem Verbote gedruckte Buch: Collectanea
bullarii aliarumque Summ. Pontificum constitutionum nee non prae-
cipuarum decisionum, quae ab Apost. Sede et s. congregationibus
8. R. £. Cardinalium Romae celebratis usque ad a. 1633 emana-
runt, auct. Aug. Barbosa [Lyon 1634 u. s.]. Im spanischen Index
stehen diese Werke nicht. Mehrere wurden trotz des Verbotes
wiederholt gedruckt^).
Am 22. Juni 1629 erklärte die Congr. Concilii auf die ihr auf
Befehl des Papstes von der Propaganda überwiesene, durch das Er-
scheinen einer französischen Uebersetzung der Decrete des Trienter
Concils veranlasste Anfrage, ob solche üebersetzungen erlaubt oder
1) Schulte, Gesch. 3, 1, 54. 462. 682. 746. Bailies, La Congr. de VI
p. 251 spricht von einer Ausgabe der Canones et decreta, Par. 1754, 16,,
u. 8., in der Anmerkungen beigefügt seien, die die Tendenz hätten, die
französische Kirche dem Staate zu unterwerfen, und sagt, diese Ausgabe
falle unter Decr. gen. II, 3. Warum hat man diese weit verbreitete Aus-
gabe nicht verboten?
Declarationes Concilii Trid. 76
2u den von Pias IV. verbotenen interpretationes et glossae zu zählen
seien: sie seien zu verbieten und die Index-Congr. zn ersnclien, das
französische Bnch und alle anderen ohne Rpecielle Erlanbniss des
apost. Stuhles gedruckten Uebersetzungen zu verbieten (Mejer, Pro-
paganda I, 205). Die Index-Congregation publicirte das Verbot
15. Nov. 1629 (No. 35); die fragliche französische Uebersetzung
wird in dem Decrete nicht speciell erwähnt. In neuerer Zeit sind
trotz des Verbotes mehrere deutsche Uebersetzungen erschienen
(Schulte, Gesch. 3, 1, 55). Im span. Index von 1790, p. 269
wird eine zuerst 1785 erschienene span. Uebersetzung von Ignacio
Lopez de Ayala mit einigen Verbesserungen freigegeben.
In einem Beeret vom 2. Aug. 1631 erklärte die Congr. Conc.
Trid.: sie habe wiederholt und zuletzt im J. 1621 erklärt, alle
unter ihrem Namen und ohne ihre Genehmigung herausgegebenen
Declarationes u. s. w. seien auf den Index zu setzen; manche der-
selben seien geändert, verstümmelt und vielleicht erdichtet; sie er-
kläre daher im Auftrage Urbans VIII., dass man sich nur auf die
in authentischer Form mit dem Siegel und der Unterschrift des
Praefecten und des Secretärs versehenen Declarationen berufen könne.
Ein bis auf die Erwähnung des Index gleichlautendes Decret erliess
11. Aug. 1632 die Congr. Eituum (A. J. P. 1, 1229). Viele Ent-
scheidungen beider Congregationen wurden einzeln in der Druckerei
der apostolischen Kammer gedruckt. Aber erst seit 1739 erscheint
ein approbirter Thesaurus Resolutionum S. Congr. Conc. Von der
Sammlung Decreta authentica S. Kituum Congregationis notis illu-
Rtrata (von Spiridion Talu in Venedig), von welcher 1762 eine Aus-
gabe zu Eom erschien, erklärte die Congregation 24. Juli 1762, sie
sei keine authentische (officielle). Erst seit 1808 erscheint (von
Lud. Gardellini begonnen) eine officielle Sammlung (A. J. P. 1, 1232).
Seit Alex, stand im Index das allgemeine Verbot in der Form:
Declarationum Conc. Trid. collectiones omnes et quaecunque; seit
Ben. steht in den Decr. gen. II, 3: Declarationes, decisiones, inter-
pretationes Congregationis Conc. Trid. earumque collectiones tam im-
pressae, quam imprimendae, ementito ipsius Congregationis nomine.
— Ein allgemeines Verbot bezüglich der Decrete der Riten-Congr.
steht nicht im Index, aber 1709 wurde verb. die von dem Ve-
netianischen Priester J. B. Pittoni (f 1748) herausgegebene
Sammlung: Recentiora S. Rituum Congr. decreta nuUibi hactenus
conjunctim impressa, coUecta . . Ven. 1702.
Unter Clemens VIII. wurde ein Decret der Inquisition Fer. V.
6. Sept. 1601 bekannt gemacht des Inhalts: da viele unter dem
Vorwande der Förderung der Andacht neue Litanieen veröffent-
lichten, so dass deren schon fast zahllose in Umlauf seien, darunter
auch solche, in denen unpassende (oder unsinnige, ineptae) oder ge-
fährliche und nach Irrthum schmeckende Sätze vorkämen, so ver-
ordne der Papst: wer Litanieen ausser der alten und gebräuchlichen,
in den Brevieren, Missalien u. s. w. enthaltenen [von allen Heiligen]
und der sog. Lauretanischen herausgeben oder in Kirchen oder Ora-
torien oder bei Processionen gebraueben wolle, habe sie zuvor der
76 Allgemeine Verbote.
Congregation der Kiten vorzulegen; ohne deren Gutheissung Lita-
nieeu zu veröffentlichen oder öffentlich zu beten, solle als Sünde
angesehen und nach dem Ermessen des Bischofs und Inquisitors
strenge bestraft werden^). Demgemäss werden bei Alex, und in
den folgenden Indices unter L, seit Ben, in den Decr. gen. IV, 3
alle Litanieen ausser den beiden genannten als verboten bezeichnet.
In einem Decrete vom 2. Sept. 1727 brachte die Index-Congr. das
Beeret von 1601 in Erinnerung und fügte bei, es dürften keine
nicht von der Riten-Congr. approbirte Litanieen gedruckt werden,
bei den in dem Decrete von IGOl und im Index angedrohten Strafen,
und noch im J. 1821 wies die Riten-Congr. mit Genehmigung Pius' VII.
die Bischöfe an, alle gedruckten und geschriebenen nicht appro-
birten Litanieen zu confisciren und zu verbieten.
Im Laufe des 17. Jahrh. wurde von der Riten-Congr. eine Reihe
von Gesuchen um Approbation bestimmter Litanieen abgelehnt,
und bis auf diesen Tag ist nur eine einzige, und zwar erst in der
neuesten Zeit, approbirt worden, die vom Namen Jesu. Für diese
wurde 1040 von der Congregation des h. Vincenz von Paulo noch
bei dessen Lebzeiten die Approbation nachgesucht und nochmals
1642 mit der Bemerkung, sie stehe im Pariser Brevier und werde
in Paris vielfach öffentlich gebetet. Beide Gesuche wurden abge-
lehnt. Desgleichen wurde 1662 ein Gesuch von Nonnen in Ame-
rica, die sich darauf beriefen, sie seien seit langer Zeit gewohnt,
diese Litanie zu singen, dahin beschieden, das sei nach dem De-
crete von 1601 nicht gestattet. Im J. 1646 befürwortete die Riten-
Congr. allerdings bei Innocenz X. die Approbation der Litanie auf
Grund eines Gesuches mehrerer Fürsten und Bischöfe, in welchem
gesagt war, dieselbe werde in Deutschland seit unvordenklicher Zeit
allgemein gebetet, sei oft lateinisch und deutsch gedruckt und von
dem h. Stuhle auf Ersuchen des Herzogs Wilhelm von Baiern mit
anderen Litanieen approbirt worden, und die Behauptung einiger
Geistlichen, die Litanie sei in Rom verboten worden, habe ein un-
glaubliches Scandal unter den Katholiken und viele Spöttereien von
Seiten der Ketzer veranlasst. Der Antrag scheint aber von dem
Papste gleichwohl abgelehnt worden zu sein. Clemens X. verlieh
den Carmelitern für die Recitation dieser Litanie einen Ablass. Die
Ablass-Congr. scheint also damals nicht daran gedacht zu haben,
dass die Riten-Congr. die Litanie nicht approbirt hatte. Endlich
1862 hat die Riten-Congr. diese Litanie, und zwar eine bestimmte
Form derselben, zu drucken und öffentlich zu beten gestattet (A.
J. P. 11, 634; 15, 1088. J. Schneider, Die Ablässe, 6. Aufl.,
S. 168).
1) Das Decret bei Alex. No. 2, mit einem Commeutar bei Thiers,
Tr. des superstitions 4, 115 und A. J. P. 1, 1249. Baronius (Epp. ed. R.
Albericius 3, 129) schreibt 24. Nov. 1601: es seien ungefähr 80 Litanieen
in Umlauf gewesen; nicht approbirte Litanieen beim Privatgebete zu ge-
brauchen, sei nicht verboten.
Litanieen. 77
Auf Grund des Decretes vom J. 1601 wurden 1603 speciell
verboten: Thesaurus sacrarum precum sive litaniae variae ad
Deum Patrem, ad Deum Filium, ad Deum Spiritum Sanctuni, ad B.
Virginem, ad sanctos angelos et ad plures sanctos et sanctas Dei,
Ven. 1599, und Thomae Sailly [S. J.] Thesaurus litaniarum et
orationum sacr. Cum suis adv. sectarios apologiis, Brux. 1598,
400 S. 8,, u. s. Letztere Sammlung enthält nach Thiers 4, 113 u. a.
Litanieen von den niederländischen Heiligen, von dem Blute Christi,
von der Empfängniss Mariae, von der Niederkunft (couches) Mariae
u. dgl. In der folgenden Zeit wurden mehrere Gebetbücher ledig-
lich oder hauptsächlich darum verboten, weil darin nicht approbirte
Litanieen standen: 1624 wurde verordnet, in dem Buche des
Dominicaners Benedetto Zaioso, Rosario della grande imperatrice
dei cieli Maria, in tre parti diatinto, con la santa messa, Ven. 1602,
12., sei die Litanie von der h. Jungfrau zu tilgen, die noch nicht
von der Riten-Congr. approbirt und in Widerspruch mit dem De-
crete von 1601 gedruckt sei, nach Quetif 2, 349 eine Litanie, die
vor 1601 in ganz Italien gesungen wurde und von Gregor XIII.
1580 mit einem Ablass versehen war. In einem Decrete von 1668
beisst es von Brevis relatio de origine et divisione religionis S. Fran-
cisci von Guil. Brauczek: Non permittitur nisi deletis litaniis. —
Ascesis spiritualis pro confraternitate S. Joseph edita a confratri-
bus dictae confraternitatis in Eccl. Varsaviensi Carmelitarum discal*
ceatorum congregatis wurde 1671 ohne Angabe eines Grundes ver-
boten, enthält aber nacb der Raccolta s. v. Esercizio ein Officium
parvum, einen Rosenkranz und eine Litanie vom h. Joseph. Von
einer Ausgabe der Preees Gertnidianae seu vera et sincera medulla
devotissimarum precum, Ven. 1702, wurde 1709 erklärt: verboten,
wenn nicht die von der Riten-Congregation nicht approbirten Lita-
nieen und Officien beseitigt werden. Auch ein zu Wien 1730 ge-
drucktes Vademecum wird 1737 wegen der darin stehenden nicht
approbirten Litaniae (und Officia, § 32) verb. sein.
So mögen auch noch einige andere Bücher um der Litanieen
willen ausdrücklich vei'b. worden sein, jedenfalls aber nur ein ge-
ringer Bruchtheil von denjenigen, die unter das allgemeine Verbot
von 1601 fallen. Da dieses noch heute in den Decr. gen. steht,
80 sind strenge genommen alle Gebetbücher verboten, welche andere
als die zwei oder jetzt drei approbirten Litanieen enthalten. Das
werden aber neun Zehntel der bei den deutschen Katholiken ver-
breiteten Gebetbücher sein. In Deutschland gibt es ja eigene Samm-
lungen von Litanieen, die von Bischöfen approbirt und in katholi-
schen Blättern empfohlen worden sind, wie denn auch allerlei
Litanieen in Kirchen und bei Processionen gebetet zu werden pflegen,
— alles in Widerspruch mit den Römischen Verordnungen. Noch
16. Juni 1880 übersandte die Riten-Congr. den Bischöfen ein Mo-
nitum des Inhaltes: da vielfach auch in Gebetbüchern, die mit
bischöflicher Erlaubniss erschienen seien, andere als die drei appro-
birten Litanieen gedruckt worden, würden die Bischöfe ermahnt,
keine andere als jene drei und etwaige andere von der Inquisition
78 Allgemeine Verbote.
approbirte öffentlich recitiren zu lassen und keinen Büchern die
Druckerlaubniss zu ertheilen, in quibus litaniae inveniuntnr apo-
stolica sanctione carentes (A. .1. P. 19, 768). Der Bischof von
Strassburg machte Vorstellungen über die Schwierigkeit, dieses in
deutschen Diöcesen durchzuführen, und die Congregation nahm nun
zwar ihr Monitum nicht zurück, — das pflegen die Römischen Con-
gregationen nicht zu thun, — gab aber eine authentische Declara-
tion desselben des Inhalts : das Monitum beziehe sich nur auf die
Recitation der Litanieen bei liturgischen Functionen; die Bischöfe
aber seien nicht nur befugt, sondern verpflichtet, andere bezw. neue
Litanieen zu prüfen, eventuell zu approbiren, aber nur für den pri-
vaten und ausserliturgischen Gebrauch (A. J. P. 22, 117).
Nach einem Decrete von Iß'M ist es nicht gestattet, zu dem
officiellen Texte der Lauretanischen Litanie ohne päpstliche Ge-
nehmigung Zusätze zu machen^). Die Riten-Congr. hat 1821 und
1839 ausdrücklich verboten, aus specieller Devotion aliquera versi-
culum beizufügen, z. B. Maria advocata nostra. Seit 184G ist von
der Riten-Congr. vielfach das Privilegium gewährt worden, Regina
sine labe originali concepta beizufügen. Die Mitglieder der Rosen-
kranzbruderschaft durften seit 1675 beifügen: Regina Sancti Rosarii
(Schneider S. 199), und Leo XIII. hat 1883 diesen Zusatz allge-
mein vorgeschrieben (A. J. P. 23, 490). — Auch in der AUer-
heiligen-Litanie dürfen nach einem Decret vom J. 1873 (A. J. P.
19, 891) keine Namen von Heiligen, die in einer Diöcese besonders
verehrt werden, beigefügt werden ^j.
Warum von des baierischen Jesuiten Tobias Lohn er (f 1680)
Instructio practica de confessionibus rite excipiendis die zu Padua
1705 gedruckte Ausgabe in Rom verb. worden, wird nicht angegeben;
aber im span. Index wird verordnet, in mehreren seiner Instructiones
practicae Litanieen, die Verweisung auf den Thesaurus precum und
in einer Litanie S. Carbonianus (Corbinianus) zu streichen.
Das Verbot : Instructionum et rituum sectae Mahumetanae libri
omnes steht in dem Decrete Alex. No. 4 und scheint veranlasst zu
sein durch das in demselben Decrete stehende Buch: Liber de Rus-
sorum, Moscovitarum et Tartarorum religione inipr. Spirae. Erst
Ben. hat den Titel vervollständigt: Jo. Lasitzki, De Russ. . . .
rel., sacriflciis , nuptiarum et funerum ritu e diversis scriptoribus
(1582; 8. Bayle s. v.. Freytag, Anal. 514). In den Krakauer In-
dices von 1603 und 1617 werden alle Schriften von Jo. Lasicius
verboten. Liss. 1624 meint, er werde identisch sein mit Jo. a Lasco.
Sot sagt: Lasicius habe zu den von ihm in lateinischer Ueber-
setzung in jenes Werk aufgenommenen Schriften Zusätze und luthe-
rische Irrthümer beigefügt: einige der Schriften seien an sich un-
bedenklich.
1) Im Sacro Arsenale (S. 38) p. 498 werden speciell verboten: Spi-
ritus sancti solatium und Calandra sancta.
2) In der Allerheiligen-Litanie des Kölnischen Breviers sind viele
Heilige beigefügt; aber dieses Brevier gehört zu den I S. 439 besprochenen.
Blogia haereticorum. 79
Ohne Zweifel hangen mit diesem allgemeinen Verbote zusammen
die speciellen: Ecclesia Muhammedana breviter delineata aSam. Schul-
teto, Argent. 1668, verb. 1703; Adriani Relandi De religione
mohammedica libri duo. Ed. altera, 1717 (zuerst 1705; vgl. Paquot
1, 3), verb. 1725.
Das 1621 erlassene, in den älteren Indices unter Indices stehende
Verbot aller seit dem Erscheinen des Index von 1596 ausserhalb
Roms ohne Auftrag und Genehmigung der Index-Congregation ge-
druckten Indices et syllabi particulares (I S. 540), — wohl durch
den 1618 zu Bologna erschienenen Syllabus (S. 24) veranlasst, —
ist von Ben. beseitigt worden.
Das (italienische) Edict des Mag. S. Pal. vom 26. Jan. 1633
beginnt: „Da heimlich und ohne die erforderliche Erlaubniss zum
Aegerniss vieler einige Werke, Lobreden, Sonette, Berichte und an-
dere Schriften, welclie ungehörige Lobsprüche auf ketzerische Per-
sonen enthalten, in diese hehre Stadt Rom eingeführt und dort ver-
breitet worden sind, so verbieten wir** Jo. Meursius' Athenae Ba-
tavae, Boissards Icones (s. u.). Oratio panegyrica, qua victoriae de
Tillio et exercitu pontificio ad Sehusium 7. Spt. 1631 auspicio et
ductn . . . invictisßimi Suecorum . . . Regis Gustavi Adolphi, liber-
tatis Germaniae vindicis, partae memoriam celebrabat Janus G e b -
hardus (Groningen 1632), und „jedes andere Buch, Lobrede, Elo-
gium, Sonett und Schrift, gedrucktes oder geprägtes Bild des oben
besagten [Gustav Adolf] und jedes andern Ketzers mit ehrenden
Worten in Versen oder Prosa, in welcher Sprache es auch sein
mag, und gebieten allen Buchhändlern, Medailleuren und Druckern"
u. 8. w. — Man sieht, die Rede auf Gustav Adolf ist der Haupt-
anlass zu dem Edicte gewesen. Die Icones 50 virorum ad vivum
effictae cum eoruni vitis descriptis a Jo. Jac. Boissardo, omnia
recens in aes incisa per Theod. de Bry, Frcf. 1595, und die drei
folgenden Theile des Werkes (Clement 5, 17) waren schon 1605
verb. (gleichzeitig die Icones von Beza und die Epitaphia von Pant.
Candidus, S. 67); jetzt wurde die 2. Ausgabe: Bibliotheca sive
Thesaurus virtutis et gloriae etc., Frcf. 1628 (2 Centuriae), verb.,
mit der Bemerkung, der Titel sei geändert und eine grosse Zahl
von Vitae et Elogia haereticorum beigefügt. — Schon 1603 war
verb.: Mauro Orbini Raguseo, II regno delli Slavi, hoggi corrot-
tamente detti Schiavoni, Pesaro 1601, usquequo prodeat deletis hae-
reticorum nominibus passim citatis; von Ben. ist das Buch ge-
strichen. — 1619 wurde verb.: Iconica descriptio et historia
praecipuorum haeresiarcharum, qui ab Ecclesia cath. et christ. ut
secretarii [sectarii?] ac phanatici excommunicati rejectique sunt. Per
C. V. S., Amheim 1609 (Rosenthal 39, 100). C. V. S. bezeichnet
einen der beiden holländischen Kupferstecher Cornelius oder Chri-
stian van Sichem. Die Bildersammlung ist, wie der Titel zeigt,
nicht zu Ehren der Abgebildeten (Arius, Muhammed, L. Hetzer,
Th. Münzer, Joh. von Leyden u. s. w.) veranstaltet. Dagegen sind
nicht verb. Praestantium aliquot theologorum, qui Rom. Antichri-
80 Allgemeine Verbote.
stum praecipue oppugnamnt, effigies, quibus addita elogia libro-
rumque catalogi op. Jac. Verheyden, Hagae Comitis 1602, Fol.
Andere hierher gehörende Verbote sind: Melchior Adamas,
Vitae germanorum theologorum, 1620, und Decades duae continentes
vitas theologorum exterorum principiim, 1618, verb 1644; die Vitae
germanorum philosophornm (1615), jureconsultorum et politicorum
(1620) und medicorum (1620) sind nicht verb. (Clement 1, 47); —
Jo. Andr. Quenstedt, Dialogus de patriis illustrium doctrina et
scriptis virorum omnium ordinum et facultatum, qui ab initio mundi
per univ. terrarum orbem usque ad a. 1600 claruerunt, verb. 1659:
— Henr. Pipping, Sacer decadum septenarius, mcmoriam theolo-
gorum nostra aetate clarissimorum renovatam exhibens, Lps. 1705,
und Trias decadum, memoriam . . ., 1707, verb. 1718. — Auch Jo.
Toniola, Basilea sepulta . . . h. e. tam urbis quam ngri Basileensis
monumenta sepulchralia, 1661, wurde 1662 ohne Zweifel wegen der
Grabschriften auf Protestanten verb.
Das Verbot bibliographischer Bücher, in denen ketzerische
Schriftsteller mit lobenden und mitunter katholische mit nicht loben-
den Epitheta belegt werden, ist allerdings erklärlicher als die Unter-
drückung des Buches von Alfonsus Ciaconius (I S. 455). Bei
Henr. Oraeus, Nomenclator praecipuorum jam inde a nato Christo
doctorum, scriptorum, professorum praesulum, Hanov. 1619*,
180 S. 16., verb. 1621, stehen z. B. Martinus de Arles, Doctor pon-
tificius neotericus celeb.; Joannes Archiep. Ravennas, resistit pri-
matui Pontificis Rom. a. 860; Jo. Roatius, testis veritatis saec. 15.,
a. 1412 martyr sub Sigismundo Imp.; auch Jo. de Wesalia und
Jo. Wünschelburg als testes veritatis. Aber Guil. Crowaei Elen-
chus scriptorum in s. scripturam tam graecorum quam latinorum,
London 1672. 8, verb. 1687, ist nur ein gutes und bequemes alpha-
betisches Verzeichnifis der Exegeten ; die Confession ist durch P(api8ta),
L(utheranu8), C(alvinista), S(ocinianus) angedeutet; mitunter sind
kurze ürtheile beigefügt; Baillet 2, n. 97. Die jedenfalls an-
stössigere Censura celebriorum authorum von Thomas Pope Blount,
Lond. 1690, steht nicht im Index.
Theophil Spizels (f 1691) Templum honoris reseratum, Augsb.
1673, Bilder und Elogia von 40 protestantischen Theologen und
10 Philologen enthaltend (Fabricius, Hist. B. 5, 489), steht nicht
im Index, obschon man das Buch in Rom kannte, wie aus einem
Briefe von Noris an Bona vom .1. 1674 (in dessen Epp. sei., ital.
Br. No. 34) hervorgeht. Dagegen wurden 1690 auf einmal 5 an-
dere Schriften von Spizel verb. : Felix literatus, Infelix literatus,
Literatus felicissimus, Pius literati hominis secessus s. a profanae
doctrinae vanitate ad sincerara pietatem manuductio, M. Basilii alio-
rnmque patrum exemplis et documcntis illustrata, 1669, und Se-
lecta doctorum veterum scriptorumque eccl. de vera sinceraque ad
Deum conversione documenta, 1685 (diese Schrift nicht bei Nie.
15, 44). In den beiden ersten Schriften, den einzigen, die ich kenne,
stehen freilich unter den infelices ex invidia passiva Erasmus und
Carolns Molinaeus, unter den felices resp. infelices in hoc opere
Elogia haereiicorum 81
laudati Jo. Wessel, Melanchtlion, Franc. Junins, Savonarola, Hus
und andere, die nach der obigen Regel nicht gelobt werden durften,
und man scheint lediglich darum die beiden Bände von mehr als
je 1000 S. 8., die doch nur Gelehrte benutzen konnten, verb. zu
haben. In Guil. Saldeni ültrajectini de libris varioque eorum
U8U et abuBu 11. 2, Amst. 1688, 8., verb. 1709, finde ich auch
ausser gelegentlichen Lobsprüchen auf Haeretiker nur eine gar nicht
sonderlich boshafte Bemerkung über die Indices der Papicolae und
ähnliche Lappalien.
In den spanischen Indices werden Bücher, welche Elogia hae-
reticorum enthalten, vielfach nicht unbedingt verboten, sondern ex-
purgirt, aber so scharf expurgirt, dass die Expurgationen viele
Seiten füllen. In den 6 Vorbemerkungen (Advertencias) zu dem
Index von Sot. kommt u. a. folgende Bestimmung bezüglich der
Epitheta bei Auetores 1. cl. vor: Zu streichen sind: vir optimus,
pius, bonae memoriae, . . . doctissimus, sapientissimus, princeps
eruditorum, divinus (Scaliger), magnus (Erasmus), Germaniae lumen
(Melanchthon), decus saeculi nostri, ocellus doctrinae et eruditionis
a. dgl. Gestattet ist z. B., Buchanan einen eleganten Poeten, Hein-
rich Stephanus einen grossen Kenner des Griechischen, Tycho Brahe
einen ausgezeichneten Mathematiker oder Astronomen zu nennen,
weil das Gaben sind, die Gott auch solchen, die ausserhalb seiner
Kirche stehen, wenngleich zum Nutzen dieser, zu verleihen pflegt.
Nicht zu beanstanden ist: recte, eleganter, prudenter dixit. Die
Titel Doctor und Magister kommen strenge genommen niemand zu,
der ausserhalb der Kirche steht , wie denn auch die ketzerischen,
vom apostolischen Stuhle nicht bestätigten Universitäten keine kirch-
lich gültigen Grade und Titel verleihen können. Der Titel Do-
minus kann geduldet werden. — Sand, hatte Dominus und V. Cl.
für unzulässig erklärt. Er ist überhaupt in diesem Punkte noch
strenger als Sot. (S. 46). Er verordnet z. B. in der 40 Quartseiten
füllenden Expurgation von Gesners Bibliotheca, von einem Ketzer
statt damit zu schreiben vivebat, statt Jani Cornarii scholiis illu-
stratum nur explicatum, concionator Northusianus bei Ant. Otho und
Theologiae Professor bei Andr. Musculus zu streichen u. s. w. Der-
gleichen lässt Sot. passiren. Beide streichen aber die über Ha^resi-
archen (I S. 495) handelnden Artikel ganz.
Bei Sot. werden Adams Vitae germanorum expurgirt. Die
Expurgation füllt 1 3 Folio-Spalten : viele Stellen werden gestrichen ;
bei den meisten Autoren wird vorgeschrieben : adde notam auctoris
damnati, adde notam damnationis, innre illi debitam notam (auch
Jo. Capnio ist homo damnatae memoriae) ; in der Vita Melanch-
thons soll seinem Namen haeresiarcha beigefügt, sonst aber überall
der Name Melanchthon getilgt werden. Sogar in einem Buche von
Jo. Grossius, Urbis Basileensis epitaphia et inscriptiones, Basel 1622,
welches gewiss in Spanien keine grosse Verbreitung gefunden, wer-
den die epitaphia honoraria von Protestanten theils gestrichen,
theils castrirt. Ein nach diesem Eecept expurgirtes Exemplar muss
schön aussehen. Die Expurgation der zu Freiburg im Breisgau
Betuch, Index n. Q
82 Allgemeine Verbote.
1599 erschienenen Observationes medicae von Jo. Schenkius a Grafen-
berg besteht in der Aufzählung der sectarii medici, quibus appo-
nenda sua damnationis nota. P. 481 verordnet Sot., in dem von
einem Ketzer gebrauchten Ausdrucke placide obdormivit das pla-
cide zu streichen, und p. 827 aus einem Buche des Juristen P. Hei-
gius dessen Portrait zu entfernen.
Benedict XIV. sagt in der Vorrede seiner Bücher de festis
und de missa (Opera, Prato 1843, VIII, 297): wenn er vielfach
ketzerische Schriftsteller citire, ohne irgend etwas inclementer über
sie zu sagen, so thue er das, weil er überzeugt sei, dass injuriae
et maledicta nichts nützten ; er habe sich aber, eingedenk der Regel
Clemens' VIII., aller Lobsprüche enthalten. Michael a S. Josepho
sagt in der Einleitung zu seiner Benedict XIV. gewidmeten Biblio-
graphia critica, Madrid 1740: „Bei dem Verzeichnen der Bücher der
Ketzer habe ich mich absichtlich jedes Lobes enthalten; denn es ist
nicht Recht, die infamen vom katholischen Glauben Abgefallenen
zu ehren. Einige katholische Schriftsteller haben zwar jüngst ge-
sagt, wir dürften nicht so parteiisch sein, heterodoxen Schriftstellern
wie Drusius, den Buxtorfen, Lightfoot, Scaliger, Grotius, Seiden
das Lob der sprachlichen, geographischen und profangeschichtlichen
Gelehrsamkeit vorzuenthalten, und es könne niemand getadelt wer-
den, der sie bezüglich der den Glauben und die Dogmen nicht be-
rührenden Dinge ebenso wohl wie Morinus, Huetius und Montfaucon
hochstelle. Diesen antworte ich: ich erkenne auch bei Ketzern
Talent und Gelehrsamkeit an und weiss wohl, dass auch sie über
mancherlei Nützliches geschrieben, was auch die Katholiken lesen
dürfen; aber diejenigen zu loben, welche meist, auf menschliche
Wissenschaft stolz, so gut wie alle Frommen angreifen und ver-
achten, gestattet das Gesetz der Billigkeit nicht. Sie haben ihre
Lobredner unter den Ihrigen, von denen sie über Gebühr erhoben
werden; sie werden aber übermüthig (insolescunt), wenn sie hören,
dass sie von Katholiken geehrt werden."
Zu der Bestimmung Clemens' VIII., dass von allen verbotenen
Büchern auch alle Uebersetzungen verboten seien (I S. 540), wird
in mehreren Decreten aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts (Alex.
No. 5, 9, 10, 11) die weitere Bestimmung beigefügt: wenn bei
einigen in diesen Decreten verbotenen Bücheni Ort und Jahr des
Druckes beigefügt sei, so sei darum nicht bloss diese, sondern jede
Ausgabe verboten. In dem Vorworte zu dem Index Benedicts XIV.
wird diese Bestimmung modificirt: wenn in dem neuen Index bei
einem Buche Ort und Jahr des Druckes angegeben werde, — was
nur ausnahmsweise geschieht, — sei nur die betreffende, sonst jede
Ausgabe verboten. Diese Bestimmung steht auch in den folgenden
Indices bis auf diesen Tag. Es wird aber in merkwürdiger Ge-
dankenlosigkeit bei sehr vielen Büchern Ort und Jahr des Druckes
angegeben, von denen man ganz sicher alle Ausgaben hat verbieten
wollen. So hat man z. B. von Renans Vie de J^sus gewiss nicht
bloss die Ausgabe Paris 1863 verbieten wollen.
Expargationen im Römischen Index. 83
Zu dem, was I S. 339 über die Approbation mitgetheilt wor-
den, ist folgendes nacbzntragen : Durch die 10. Trienter Regel wird
die Approbation zu druckender Bücher durch den Bischof und den
Inquisitor vorgeschrieben (durch ein Edict Gregors XVI. vom 11. Mai
183Ö wurde für den Kirchenstaat bestimmt, die Approbation sei
zuerst von dem Inquisitor, dann von dem Bischof zu unterzeichnen).
Da es aber nicht überall Inquisitoren gab, wurde von der Inqui-
sition 9. Nov. 1626 erklärt: wo keine Inquisitoren seien, hätten die
Bischöfe das Recht, das Amt der Inquisition (munus inquisitionis)
wahrzunehmen, wie in Japan, China und Malacca und namentlich
in Provinzen, die nicht einem katholischen Könige unterworfen
seien ; sie hätten die facultas exercendi sanctum officium inquisitionis
de jure priori, sie könne ihnen aber ad majorem cautelam concedirt
werden. Dabei ist wohl zunächst nicht an das Approbationsrecht
gedacht; dieses ist aber mit eingeschlossen (A. J. P. 1, 1014). In
Rom durften nur Schriftstücke von Advocaten u. s. w. für Gerichte
oder Congregationen ohne Censur gedruckt werden (ebend. 1, 1010).
Die Bestimmung über die auf Umgehung der Praeventivcensur
gesetzte Strafe ist neuestens durch ein Decret der Inquisition vom
22. Dec. 1880 modificirt worden: „Die nicht reservirte Censur,
welche über diejenigen verhängt ist, die de rebus sacris handelnde
Bücher ohne Erlaubniss ihres Bischofs drucken oder drucken lassen,
ist auf die Bücher der h. Schrift und Anmerkungen und Comraen-
tare zu denselben zu beschränken, keineswegs aber auf alle Bücher
auszudehnen, welche de rebus sacris im allgemeinen, d. h. über
religiöse Dinge handeln."^) Damit ist aber nicht die kirchliche
Praeventivcensur für andere Schriften, sondern nur die auf die Um-
gehung derselben gesetzte Censur aufgehoben.
15. Expargationen im Römischen Index.
Die Römischen Indices sind, von dem des Brasichellensis
(I S. 549) abgesehen, ausschliesslich prohibitorii. Aber statt
des donec corrigatur steht in einzelnen Fällen, wo es sich um
die Weglassung einer einzelnen Stelle oder einer Vorrede u. dgl.
(der Litanieen, S. 77) handelt, eine darauf bezügliche Vorschrift
1) Vering, Archiv f. Kirchenr. 50 (1883), 442. Heiner, Die kirchl.
Censuren S. 289. Heiner bemerkt dazu S. 291: Profane Bücher ohne Ap-
probation zu edireo, ist durch langjährigen Usus zur Gewohnheit gewor-
den mit stillschweigender Erlaubniss der kirchlichen Behörden, wenigstens
in Deutschland. Bei Büchern über religiöse Gegenstände kann ohne schwere
Sünde die Approbation nicht umgangen werden; aber es steht keine Cen-
sur darauf, falls nicht durch ein Diöcesangesetz eine solche angedroht iat.
84 Expurgationen im Römischen Index.
(einige Male, wie bei Amicus und Merenda und in den älteren
Indices bei Copernicus, wird auf die in dem betreffenden Dcerete
vorgeschriebene Expurgation verwiesen). Es stehen freilich an-
derseits auch noch heute Bücher mit einfachem d. c. im Index,
in denen nur, wie bei Cataneus, eine einzige Stelle bean-
standet wurde. Ziemlich oft wird von einem mit d. c. verbo-
tenen Buche eine expurgirte und von der Index-Congregation
freigegebene Ausgabe bezeichnet^); aber auch das geschieht
nicht immer 2). — Bei einzelnen unbedingt verbotenen Büchern
wird auch im Index der Grund des Verbotes angegeben^).
In Aurelii Augustini Dulciloquiorum libri tres, Herborn 1G14,
fioll die Epistola ad lectorem von Gull. Rolichius beseitigt werden
(Alex. No. 28, 1623), in der zu Lyon 1629 erschienenen Aus-
gabe der Electa Sacra des Theatiners Aloysius Novarinus von
Verona (6 Fol.) die Epistola dedicatoria des Druckers L. Durand, und
zwar propter abusum locorum s. scripturae (No. 39, 1636), ebenso die
Epistola dedicatoria in Jo. Buxtorfs Lexicon hebraicum, chaldaicum
und Thesaurus graramaticus linguae sanctae und in Jo. Hornungs
Cista medica seu variorum epistolae medico-pliysicae. Anders ge-
fasst ist ein solches Gebot, wenn die Epistola dedicatoria vor der
Lyoner Ausgabe der Eegulae Societatis Jesu von 1607 verb. wird,
mit der Motivirung: ihr Verfasser bekenne sich zur Augsburgischen
Confession. — Die Vorrede und Noten des Jac. Thomasius zu den
Opera Mureti wurden 1728 gleichzeitig mit der Schrift von El vidius
(I S. 526) verb., also wegen der Bemerkung über Murets Rede
über die Bartholomäusnacht (in Spanien wurde erst 1787 die Aus-
gabe von 1750 von der Vorrede expurgirt). — Eine Art von Ex-
purgation ist es auch, wenn 1605 Laurentii Kirchovii Consilium
XXVIL, quod habetur tomo 2. p. 144 Matrimonalium consiliorum
J. B. Ziletti et Nie. Ruckeri, Frcf. 1580, verb. wird.
Eine sonderbare Expurgation wurde 1623 (No. 27) für den
Clypeus concionatorum Ferdinaudi de Escalante vorgeschrieben:
non permittatur, praeterquani correctis et emendatis, quae habet
cap. ultimo libri 6., notata et censurata per Jac. Gretserum in sua
admonitione ad exteros de Bibliis Tigurinis. Gretser macht sich
nämlich (Opp. XIII, 238) über Escalante, einen spanischen Trini-
tarier, lustig, dass er in dem genannten Werke, welches mit einer
Dedication an Philipp III. zu Venedig 1613 erschienen war, Leo
Judae als Leo Tigurinae ecclesiae episcopus bezeichnet, also offenbar
1) Vgl. I S. 155. 354 U.S.W. Alexander Natalis, Bottero, Florentini,
Garofalo, Inchofcr, Catechisme hiat., Scaramelli.
2) Bandini (I S. 386), Cataneus.
8) Augustinis, Bartolini, Behault, Causa Arnald., Beeret du S. 0.,
Longohardi, Maynard.
Expurgationen im Römischen Index. 86
für einen katholischen Bischof gehalten und von ihm gesagt hatte :
pio zelo fervidus novam Bibliorum versionem agressus, . . . usus
hebraico exeraplari emendatissimo, neque neglexit, quae de genuine
sensu tradiderunt patres orthodoxi, . . felicissime migravit ad Do-
minum^). Die Stelle wird auch bei Sot. gestrichen. — In des Ant.
Eagucius Lucerna parochorum s. Catechesis ad parochos, Neapel
1623, soll nach No. 29 (1624) eine Stelle gestrichen werden, wo
er behauptet, Scotus lehre: desinere esse corpus Christi sub specie-
bus ad tactum statim labiorum, und diese Meinung nicht als Irr-
thum, sondern als sententia, die entgegengesetzte nicht als veritas
catholica, sondern als opinio bezeichne.
In einem Decrete von 1659 (No. 70) befiehlt die Index-Congr.
den . Besitzern von des Römischen Juristen Steph. Grratianus Dis-
ceptationes forenses, — die schon 40 Jahre vorher erschienen waren
(nachgedruckt Francf. 1619*), — im T. 2, c. 184 (vielmehr 284)
§ 51 die historia ab auctoribus haereticis accepta de quodam emen-
tito Leone Rom. Pont, et D. Ililario zu streichen, und den Druckern,
dieselbe in neuen Auflagen wegzulassen. Es handelt sich um ein
zu Gunsten des h. Hilarius gewirktes wunderliches Wunder auf einer
von dem arianischen Papste Leo, dem Nachfolger Felix' IL, ge-
haltenen Synode, eine Fabel, für die sich Gratianus nicht auf
ketzerische Autoren, sondern auf Conrad von Halberstadt und Her-
mannus Gigas, Chronisten des 13. Jahrb., beruft.
Im J. 1662 (Alex. No. 75) wurde verb. : Thomas Leonardi,
Angelici Doctoria D. Thomae Aquin. sententia de prima hominis in-
stitutione, ejus per peccatum corruptione illiusque per Christum re-
paratione contra Jo. G. Dorschaeum, . . . qui gloriatur se Thomam
exhibere confessorem veritatis evangelicae Augustana, ut ait, Con-
fessione repetitae, 1661, Fol. (Th. Leenaerds war Dominicaner, Prof.
in Löwen, f 1668; Paquot 2, 347). Als Grund des Verbotes wird
angeführt, das Buch handle u. a. ohne päpstliche Erlaubniss de
auxiliis (§ 40) und enthalte einiges über die Empfängniss Mariae
und das Fest derselben, was päpstlichen Erlassen widerspreche.
1680 erklärte die Index-Congr. (Const. p. 173): sie gestatte, das
Buch neu zu drucken mit Weglassung dessen, was p. 126 — 134
über die Empfängniss Mariae und 1. 2, c. 8 und 10 de actu beati-
1) Eine kaum geringere Naivetät als Escalante bekundet Pestalozzi,
Leo Judae, 1860, S. 80: „Von der Werthschätzung, welche die spanischen
Theologen dieser Bibel angedeihen Hessen, haben wir ein bedeutendes Zeug-
niss aus dem Munde des gelehrten, in den orientalischen Sprachen wohl
bewanderten Ferd. von Escalante in seinem Schild der Prediger, einem
Werke, das er dem Könige Philipp III. widmete. Derselbe bezeugt auch,
dass der Erzbischof von Sevilla, Ferd. Valdes, sein Wohlgefallen daran
hatte. Die Facultät in Salaraanca Hess sie 1584 wörtlich wieder abdrucken."
Das Wahre an den beiden letzten Sätzen ist, dass Valdes von der sog.
Biblia Vatabli, welche die Zürcher Uebersetzung enthält, das N. T. verbot,
das A. T. frei gab, und dass 1584 eine expurgirte Ausgabe dieser Biblia
erschien (I S. 203).
86 Expurgationen im Römischen Index.
fico charitatis in Christo gesagt werde. So steht denn noch jetzt
im Index. — Von der Vita D. Aurelii Augustini des belgischen Au-
gustiners Jo. Rivius, Antw. 1646, wird in einem Decrete von 1666
(Alex. No. 89) erklärt, es sei darin eine Stelle 1. 4, c. 1, § 2 zu
streichen. Dieselbe wird mit dem Streit über die Gnadenlehre zu-
sammenhangen (Hurter 2, 137). — 1663 wurde verb. : De Pontifice
Romano tractatus brevis additus Tomo 4. in 1. 2. D. Thomae de
conscientia Patris Andreae Lao d. c; correctus vero juxta im-
pressionem factam Romae a. 1663 permittitur. Das Verbot der 1.
Ausgabe, Genua 1656, wurde also erst publicirt, nachdem der Ver-
fasser, der ein Carmeliter, nicht ein Dominicaner war (Qu6tif 2,
605. 7.58), nach der Weisung der Index-Congr. zu Rom eine expur-
girte Ausgabe veranstaltet hatte. Nach dieser ist der Tractat bei
Roccaberti, Biblioth. 3, 59 1 abgedruckt (Tr. de Summo Pontif. ex s.
conciliis, s. patribus, praesertim D. Aug. ac. D. Thoma ejusque an-
gelica doctrina praecipue contra sectarios delibatus) ; vor dem Trac-
tat stellt hier eine Protestatio authoris, in der er sagt : der Tractat
sei in der Ausgabe von 1(556 ohne seine Zustimmung von dem
Drucker beigefügt worden; er habe ihn freiwillig (sponte et merito)
corrigirt, und was man in der I.Ausgabe von der 2. Abweichendes
finde tam in materia dogmatis quam in opinionibus referendis vel
citandis authoribus vel historiis, das bitte er zu streichen. — 1680
verordnete die Index-Congr., in der Theologia Scoti a prolixitate et
subtilitas ejus ab obscuritate libera et vindicata . . . auct. Jo.
Gabr. Boyvin, Par. 1677, das Elogium Scoti zu streichen, welches
beginne: Hie pene ante subtilis fuit quam homo esset und schliesse:
sed hie subtilis esse non posset, nisi angelirus esset, was ja
allerdings stark war und namentlich von den Dominicanern im
Interesse des Doctor angelicus Thomas von Aquin nicht geduldet
werden konnte. Die Sache steht seit Ben. unter dem Namen des
Autors des Elogium: Petrus Labb6. — 1700 wurde von des Jesuiten
Mich. Pexenfelder Apparatus eruditionis die 3. Aufl. (1687) verb.
mit nisi corr. delendo illa verba: Anno 1669 Ordo Scholarum pia-
rum abrogatus a Clemente IX. In der 4. Aufl. (1704) wird der
allerdings unrichtige Satz gestrichen sein.
lieber Bullarium (zwei Ausgaben), Juvencius, Sanchez, Suarez
8. u. — Bras. expurgirt auch einige erst nach 1 600 verbotene Bücher,
ausser dem von E. Sa und Vivaldus (§ 41) folgende: Laurentii
Schraderi (Halberstadiensis) Monumentorum Italiae, quae hoc no-
stro saeculo et a Christianis posita sunt, 11. 4, Heimst. 1592,* Fol.,
mit d. c. verb. 1603. Bras. streicht die Epigramme von Sannazar
auf Alexander VI. (I S. 489), die Beschreibung eines Bildes in
einem Hause zu Padua mit der Unterschrift: A M (eretricibue),
M (edicis), M (onachis), A (dvocatis) libera nos Domine, einer Grab-
schrift eines Hündchens in der Sacristei einer Kirche zu Rom, einer
in Neapel befindlichen Waffe (bellicum tormentum) mit einem Bilde
Luthers und einigen deutschen Reimen, einer Grabschrift im Dome
zu Mailand : Aqui yaze il soldato Villoria, el quäle mando il corpo
alla yglesia et il corazon alla amiga, und andere derartige uner-
Ersatz für die erste Classe. 87
bauliche Dinge, ändert einigemale vestalis in monialis und verordnet,
in dem Satze, der Verfasser sei zur Veröffentlichung seiner Arbeit
ermuntert worden durch die clarissimi et doctissimi viri Ph. Me-
lanchthon, Joa. Camerarius, Jo. Sturmius et Geo. Fabricius für diese
Worte nonnuUi zu setzen. Bras. nennt den Verfasser übrigens L.
Schradaeius, und so steht er noch heute im Index als L. Schraderus
seu Schradaeus. — Francisci Vallesii De sacra philosophia seu de
iis, quae physice scripta sunt in sacris literis, liber singularis ad
Philippum II. Hisp. Eegem, Turin 1587, 4., mit d. c. verb. 1603.
Es werden namentlich in den Erörterungen zum Hexaemeron einige
Passus gestrichen, wie die Ansicht, dass unter dem Geiste Gottes
Gen. 1, 2 das Feuer zu verstehen sei, oder corrigirt, wie : firma-
mentum Gen. 1, 6 significat aerem in: coelum empyreum et aerem
u. dgl.; auch einige Versuche, Wunderberichte des A. T. natürlich
zu erklären, werden corrigirt. Sand. Sot. geben eine andere Expur-
gation nach der Ausgabe Lyon 1592. — Fr. Valles de Covarrubias
war Prof. der Medicin in Alcala und Leibarzt Philipps IL und hat auch
unter den Commentatoren des Aristoteles einen Namen. In der Vor-
rede des genannten Buches, von dem 1667 zu Frankf. die 7. Aus-
gabe erschien, erklärt er, er wolle nichts behaupten nisi quod pro-
betur a S. Rom. Eccl. (Fabricius, Hist. Bibl. 6, 408. Werner, Thomas
V. Aquin 3, 297).
16. Ersatz für die erste Classe.
Nur kurze Zeit scheint man den Gedanken gehabt zu haben,
die erste Classe des Index fortzuführen: in einem Decrete vom
J. 1603 wird von Franc. Guicciardini (I S. 389) und von dem
Juristen Peter Frider erklärt, sie würden in die 1. Classe ver-
setzt; aber eine solche Erklärung findet sich sonst nicht mehr,
während in den spanischen Indices die 1. Classe ganz in der
frühern Weise vermehrt wurde. Dagegen wurden von 1603 an
von einer Anzahl von Schriftstellern sämmtliche Werke verboten.
Unter denjenigen, die in dieser Weise ausgezeichnet wurden,
sind bis auf Alexander VII. (1664) nur wenige, und nicht gerade
nur hervorragende protestantische Theologen: Hugo Broughton,
Jo. Clüver, Ludwig de Dieu, Gregor Richter und Conrad SchlUs-
selburg. Dazu kommen die Juristen und Publicisten Henning
Arnisaeus, Arnold Clapmar, Alberich Gentilis, Melchior Goldast
und Helfcrich Ulrich Hunnius, ferner Giordano Bruno (S. 65),
Claudius Salmasius, Thomas Roccabella und Bernard G. Penotus,
endlich Marcantonio de Dominis, J. B. Poza, Edmund Richer
88 Ersatz für dio erste Glasse.
und Thomas White. Die Zahl der protestantischen Theo-
logen, von denen 1664 — 1756 sämmtliche Werke verboten wurden,
ist etwas grösser: es sind die Deutschen Jo. Franc. Buddeus,
Georg Calixtus und J. H. Heidegger, die Holländer Jo. Clericus,
Simon Episcopius, Jac. Laurentius, Sam. Maresius, Martin Schoock
und Lambert Velthuysen, dazu Gerhard Noodt, die Franzosen
J. Daill^, Ch. Drelincourt und Jean d'Espagne, die Engländer
G. Bull, W. Cave, J. Lighttbot, Henr. Morus und J. Prideaux.
Dazu kommen Molinos, Lambardi, Leti, Hobbes, Simon Vigor,
van Espen und Bischof Colbert von Montpellier. Ein Princip
ist in dieser Auswahl nicht zu erkennen. Benedict XIV. Hess,
um die Liste einigermassen zu vervollständigen, vor der Publi-
cation seines Index in einer Sitzung der Index-Congregation vom
10. Mai 1757 von 41 protestantischen Schriftstellern, 16 deutschen,
10 holländischen, 11 französischen und 4 englischen, von denen
bis dahin einzelne, vielfach nicht ihre bedeutendsten Schriften
verboten waren, sämmtliche oder sämmtliche theologische Schriften
verbieten. In dieser Sitzung wurde auch die Gesammtausgabe
der theologischen Schriften von Hugo Grotius, von dem bis da-
hin fast nur nicht theologische Schriften im Index standen, ver-
boten.
Von 1757 bis 1821 wurden von keinem Schriftsteller grund-
sätzlich alle Schriften verboten, — thatsächlich alle, wie auch
früher und später, von manchen; — 1821—27 kamen hinzu G.
Morardi, D. Hume und Collin de Plancy, 1852 V. Gioberti,
Proudhon und E. Sue, 1862 — 64 Alex. Dumas, Vater und Sohn,
G. Sand, Murger, Stendhal, Balzac, Champflcury, Feydeau, Fr.
Souli6, 1876—77 A. Vera, B. Spaventa, G. Ferrari.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden einige
Bücher von der Inquisition oder Index-Congregation mit dem
Zusätze verboten, sie würden „in der 1. Classe" verboten (En-
tretiens, Grimaldi, Locke, Marchetti). Damit ist gemeint, sie
sollten bei Strafe der Excommunication, — sub anathemate, wie
es in dem Decrete von 1G05 (No. 5) von einem Buche von Ca-
millus de Gurte heisst, — verboten sein (S. 7). Die Verschär-
fung wurde bei Grimaldi später aufgehoben; bei Entretiens steht
seit Ben. Prohibentur ut 1. OL, bei Locke und Marchetti 1. Gl.
Frider. Broughton. Lud. de Dieu u. a. 89
1. 1603—1664.
Warum ansser Guicciardini (I S. 389) gerade Petms Fride-
ruB Mindanos (f 1616 als Professor in Giessen) in die 1. Cl. ver-
setzt wurde, ist gar nicht abzusehen (im span. Index steht er gar
nicht). Speciell erwähnt wird in dem Decrete nur De processibus,
mandatis et monitoriis in Imp. Camera extrahendis etc., Frcf. 1601
(zuerst 1595), und von diesem Buche wurde auch die Ausgabe von
1660 im J. 1662 ausdrücklich verboten. Ausserdem hatte er vor
1603 nur noch einen Tractatus de causa et materia possessionis,
1597, 8., veröffentlicht.
Die ersten, von denen sämmtliche Werke verb. wurden (1603)
sind Gl ord. Bruno und Nicodemus Frischlin; von letzterm(f 1580)
wahrscheinlich aus Anlass der 1601 erscbienenen Sammlung seiner
Opera poetica. — 1609 wurden verb. Hugonis Brosten opera; erst
Ben. hat den richtigen Namen Broughton hergestellt (lateinisch
nannte er sich Brochtonus). Er war ein eifriger Gegner der Pres-
byterianer und Calvinisten, stand mit dem Jesuiten Serarius in Cor-
respondenz, und Card. Baronius soll durch diesen mit ihm über eine
XJebersiedelung nach Rom verhandelt haben, wo man ihn in der
Controverse mit den Juden benutzen wollte. Er starb als Angli-
caner 1612. Er hat allerlei exegetische Schriften, meist englisch,
geschrieben, mehrere über den Descensus ad inferos (darunter auch
einen ytoyoq itQoq rovq Fevsßalovg, an die Genfer, Mainz 1601, 93
S. 8.); sie sind 1662 von Lightfoot in einem Foliobande edirt. Dass
gerade von ihm sämmtliche Werke verboten wurden, ist eine un-
verdiente Auszeichnung.^) — Von Conrad Schlüssel bürg (1543
— 1619) wurden 1616 Theologiae Calvinistarum 11. 3 verb., 1619
opera omnia, von Jo. Cluverius (1593 — 1633) sofort 1640 alle
Werke, also ausser den theologischen auch die seit 1631 oft ge-
druckte Epitome historiarum (A. D. B. 4, 352). Von Gregorius
Richter Gorlicius, von dem ausser Axiomata historica, 1599, oeco-
nomica, politica, ecclesiastica, 1602, Adelung nur eine Anzahl Pre-
digten verzeichnet, wurden 1609 opera, dann 1627 eine neue Aus-
gabe der Axiomata oeconomica verb. — Von Lud. de Dieu (1590
— 1642) wurden 1646 opera verboten, also, da eine Gesammtaus-
gabe nicht existirt, alle seine einzeln erschienenen, meist exegeti-
schen Schriften, dann aber 1661 und nochmals 8. März 1662: Hi-
storia Christi persice conscripta simulque multis modis contaminata
a P. Hieronymo Xavier S. J., latine reddita et animadversionibus
notata a Lud. de Dieu. Item liber huic annexus : Historia S. Petri
....(L. B. 1639. 4.), zum dritten Male 13. Nov. 1662: Eist.
Christi persice conscr. ab Hier. X. S. J., quam latine redditam ma-
lignis animadversionibus pravaque doctrina contaminavit Lud. de
Dieu. Der Jesuit Jerome Xavier, aus der Familie des h. Franz
Xavier, f zu Goa 1617, hatte auf Veranlassung des Grossmogul
1) Bayle. Chalmers, Lowndes s. v. Vgl. Nie. Serarius zu 1 Petr.
p. 44.
90 Ersatz für die erste Classe.
diese Geschichten, wie es scheint, portugiesisch verfasst und ins
Persische übersetzen lassen. L. de Dien publicirte den persischen
Text mit lateinischer Uebersetzung, einer Vorrede und Noten, worin
er es namentlich scharf rügt, dass der Jesuit zu dem, was das N. T.
berichtet, allerlei apokryphische und legendarische Dinge beigefügt
hatte (R. Simon, Hist. crit. des versions, eh. 17).
Von den Publicisten Arnold Clapmar (1574— 1G04) und
Henning Arnisaeus (f 1636) wurden 1609 opera verb., — beide
im span. Index in der 1. GL, — von Arnisaeus dann aber 1621:
De subjectione et exemtione clericorum ; item de potestate pontificis
in principes contra Bellarminum, 1612 u. s. ; De translatione imperii
commentarius politicus; Doctrina politica in genuinam methodum,
quae est Aristotelis, reducta, 1596, und 1622: De jure conciliorum
(vielmehr connubiorum) commentarius politicus, 1613; De jure ma-
jestatis Gl. 3, 1610; De potestate principum in populum sempet
inviolabili seu quod nulla ex causa subditis fas sit contra legitimum
principem arma movere, 11. 3, 1612. In dem Decrete von 1622
heisst er Henricus Arnisaeus, und so haben denn auch Henningius
und Henr. Arnisaeus im Index neben einander gestanden (Henke,
Galixtus I, 265), bis Ben. Henningii Arnisaei o. o. mit Beifügung der
Data der drei Decrete setzte. — Von Albericus Gentilis (1582
— 1608, Prof. in Oxford, Sohn des Mediciners Matteo Gentile, der
als Protestant Italien verliess) werden speciell verboten Disputatio
de nuptiis 11. 7, Hanau 1601, und De armis Eomanorum 11. 2.
Bei Bot. wird nur das erste Buch unbedingt verboten, das zweite
expurgirt, desgleichen De jure belli 1608 und einige andere Schriften,
auch Disputatio ad 1. librum Maccabaeorum, 1604 ( Vertheidigung
des Buches), und Disputatio de latinitate veteris bibliorum versionis
[der Vulgata] male accusata, 1606. Von Scipio Gentilis, dem Bruder
des Alberich (1503 — 1G16, Prof. in Heidelberg und Altdorf), wur-
den gleichzeitig (1603) nur De jurisdictione 11. 3, Frankf. 1601,
mit d. c. verboten. Sot. streicht darin nur drei Gapitel und zwei
Stellen im Register, und expurgirt auch zwei andere Bücher nur
unbedeutend. — Von Melchior Goldast von Haimisfeld (1576
— 1635) wurden 1609 (No. 9) verb.: Melchioris Haimsfeldii (so
oder auch Haimsfeldii auch in den Indices bis Ben.) Statuta et re-
scripta imperialia [1607] et alia ejus opera. 1634 wurde verb.:
Politica imperialia s. discursus politici ex bibliotheca M. Goldasti
[1614, Fol., eine systematisch geordnete Sammlung von staats-
rechtlichen und politischen Abhandlungen bis in das 14. Jahrb. hin-
auf], endlich 1709: Replicatio pro S. Gaes. et Regia Francorum
Majcstate illustrissimisque Imperii ordinibus adv. Jac. Gretseri Je-
suitae . . crimina laesae majestatis, rebellionis et falsi, extempora-
liter et populariter instituta a Melchiore Goldasto Haimisfeldio . .
Accesserunt insuper Rev. et 111. Principum Apologiae pro D. N.
Henrico IV. . . . adv. Gregorii cognomento Hildebrand i et aliorum
patriae hostium impias ac malignas criminationes, 1611 (also fast
ein Jahrhundert alt), itidem supradicti Goldasti opera omnia. Die
Gelehrten des Index scheinen Goldast und Haimisfeld für zwei ver-
Arnisaeus. Gentilis. Goldast. Hunnius. Salmasius u. a. 91
schiedene Personen gehalten zu haben. Seit Ben, ßtehen unter
6oldastu8 Haiminefeld iu8 die Politica mit dem Datum 1634, o. o.
mit 1709. Im apan. Index steht er in der 1. Cl. — Einige seiner
anonymen Schriften stehen als solche noch jetzt im Index :
Monita politica ad S. R. I. principe« de immensa Curiae Rom.
potentia moderanda latine, italice et gallice edita : quorum scriptores
sequens pag, exhibet, in quibus facile primas tenent Maximilianus I.
Imp., Guicoiardinus et Card. Peronus, Frcf. 1609, 188 S. 4., verb.
1613. Das Buch enthält ausser Maximiliani I. Epist. de pontificia
et imperatoria dignitate conjungenda, Fr. Guicciardini Disursus de
ortu pontificii imperii et incrementis, italice et gallice, Davidis Pe-
ronae S. R. E. Card, et episc. Eborac. ad Regem Franciae et Nav.
Epist. de pacificatione Veneta, lat.» gall. et ital., noch 7 andere
Stücke. Dass es von Goldast ist, ergibt sich aus Virorum dar. ad
M. Goldastum Epp., 1688, p. 303. — Simonia Curiae Romanae
invictissimo Carolo V. Caesare a S. R. I. electoribus comitiis No-
rimberg, a. 1522 oratori pontificio proposita, . . . Quibus ... de
eadem queruiae literae ut et variae Curiae Rom. deglubitivae taxae
Annatarum, Poenitentiariae, Cancellariae subnectuntur, 1612(Baumg.
1, 570), verb. erst 1700.
Helfricus Ulricus Hunnius (1583 — 1636), ein Sohn des Theo-
logen Aegidius Hunnius, der in der 1. Cl. steht, war Prof. in Giessen
und Marburg, wurde 1630 katholisch und 1632 Prof. in Köln. 1618
wurden von ihm verb. De interpretatione et authoritate juris 11. 2,
1615, 8., die allerdings scharfe Stellen über die päpstlichen Satzun-
/a^en im canonischen Rechte enthalten, 1621 Variarum resolutionum
Juris civilis 11. 4, 1616, et omnia ejus opera. Hunnius schrieb 1631
xur Rechtfertigung seines Uebertritts Invicta prorsus et indisso-
lubilia argumenta etc., dann noch einige polemische Schriften gegen
<iie Protestanten. Aus seinen Papieren wurde herausgegeben Encyclo-
X:>aedia univ. juris, Köln 1638, Fol. Da das Verbot seiner Werke bis
lieute nicht modificirt ist, so sind eigentlich auch die katholischen Schrif-
"ten von ihm verboten^). Bei Sot. steht er in der 1. Cl.; aber in
clem span. Index von 1 707 wird er, weil er icatholisch geworden,
in die 2. versetzt, eine Expurgation der Variae resol. gegeben und
in dem Tractat De jure episcopi, 1640, eine Stelle gestrichen. Sein
Bruder, der Theologe Nie, Hunnius steht im span. Index in der 1.
d., im Römischen gar nicht, obschon er sehr scharfe polemische
■Sachen herausgegeben, z. B. Necessaria depulsio gravissimarum ac-
oosationum, quibus Jesuitae Aug. Confessionis Ecclesias onerare non
^rubescunt, ac si Papam dicendo Antichristum Rom. Imperium, Cae-
^aream Maj. ceterosque Status catholicos injuria afficerent, Witt.
1.628. — Von Claudius Salmasius (de Saumaise, 1588 — 1658) wur-
den 1646 opera (ohne omnia) verb., also zunächst die bis dahin er-
Behienenen; das Verbot, wohl durch die 1045 erschienene Schrift
1) lläss, Convertiten 5, 329, sagt nichts davon, dass Hunnius im
Index steht.
92 Ersatz für die erste C lasse.
De primatu Papae veranlasst, wird aber auch für die späteren Schrif-
ten geraeint sein. Bei Sot. werden von seinen zahlreichen Schriften
(Paqiiot 3, 309) wenigstens einige philologische freigegeben. —
Von Bernardus Gr. Penotus a Portu S. Mariae Aquitanus werden
schon in den Nund. 1594 Tractatus varii de vera praeparatione et
usu medicamentorum chymicorum angezeigt, in den folgenden Jahren
viele derartige Bücher, die Adelung verzeichnet (er starb fast 100 *
Jahre alt, ohne den Stein der Weisen gefunden zu haben; Bayle,
Oeuvres 1, 399). 1603 wurde von ihm verb. Apologia in duas partes
divisa, Frcf. 1600, cum aliis ejus operibus. Ira span. Index steht
er in der 1. Cl. — Unter dem Namen Thomas Kocoabella, dessen
Schriften 1646 verb. wurden, hat nach Melzi 2, 471 der Venetia-
nische Mönch Filippo Roccabella di Cingoli Acroamata politico-mo-
ralia; Iddio operante (diese steht auch in der Raccolta); II principe
deliberante; II principe politico; II pr. pratico; II pr. morale ver-
öffentlicht,
2. 1673—1756.
Von Jo. Heinr. Heidegger (1633-98) wurden 1673 verb.
Dissertatio synodalis adv. religiosas et votivas peregrinationes ; De
historia sacra patriarcharum exercitationes selectae, 2 vol., 1667.
71 (mit Polemik gegen Baronius) et opera omnia tarn impressa quam
imprimenda, et praecipue liber cui titulus: Concilii Trid. Anatome
historico-theol., in qua praemisso Concilii textu post narratam ejus-
dem bist, et subjunctas historiae notas iisque insertas vindicias P.
Soavi Polani adv. censuram historico-theol. Scipionis Henrici Mes-
sani Theol. derauni succedunt ejusd. controversiae theol., 1672 (eine
2. Aufl. davon ist Tumulus Trid. Concilii, 1690). Trotz des allge-
meinen Verbotes von 1673 wurde 1687 noch verb. Historia Papatus,
novissimae historiae Lutheranismi et Calvinismi fabro [Maimbourg]
opposita . . . Accedit Franc. Guicciardini Hist. Papatus, Amst. 1684,
und 1690 : Quaestionum theologicarum ad BuUas, capitula et canones
Concilii Trid. disputationes, praeside J. H. Heideggero, Tiguri [1662].
In den Indices vor Ben. steht hinter diesem Titel: seu Sacerdotium
Romanum, una cum ejus sacrificio ex characteribus ordinum Aha-
ronitici et Melchisedeciani (vod-iiac: convictum) studio et opera
Henrici Horchii, Amst. 1690. Das ist aber ein anderes Buch und
von Ben. unter Horchius (Horche, R.-E. 6, 316) gestellt. — Vor
dem J. 1700 wurde von Georg Calixtus (1586 — 1656) nichts ver-
boten, 22. Dec. 1700 aber 9 Schriften, darunter auch De Pontifice
Rom. orationes tres, quas ... ed. Frid. Uiricus G. F. Calixtus,
1658, und zugleich seine sämmtlichen Werke. Sein College Conrad
Hornejus steht nicht im Index. — Von Jo. Franc. Buddeus (1667
— 1729) wurden die Institutiones theologiae dogniaticae, 1723, schon
1725 verboten, erst 1750 Inst, theol. moralis, 1727 (zuerst 1711),
und Meditationes sacrae antea singillatim, nunc vero conjunctim
editae, 1725, und (nach Ben.) sämmtliche Werke.
Von Jo. Clericus (Le Clerc, 1657—1736) wurde zuerst,
1685, eine pseudonyme Schrift verb., die er 22 Jahre alt zur Ver-
theidigung einer von den symbolischen Büchern unabhängigen Schrift-
G. Penotus. Heidegger. Calixtus. Clericus u. a. 93
erklärang und überhaupt einer weitgehenden Gewissensfreiheit her-
ausgegeben: Liberii de S. Amore Epistolae theol., in quibus varii
scholasticorum errores castigantur, Ircnopoli 1679; — dann 1690
die von ihm herausgegebenen Davidis Clerici (1591 — 1655, Prof.
in Genf, Oheim des Jo. Cl.) Quaestiones sacrae, in quibus multa
scripturae loca variaque linguae sacrae idiomata explicantur. Ac-
cedunt similis argumenti Diatribae Steph. Clerici (des Vaters von
Jo. Cl., 1599 — 1676, in Genf). Ed. et ad not. adjecit Jo, Clericus,
Amst. 1685 (und 1687. 2 vol. 8.). Dann wurden noch einzeln
verboten: Harmonia evangelica, 1699, verb. 1703; Ars critica, vol.
1. 2., 1697. 1700; Epistolae criticae, 1700; Compendium historiae
universalis ab initio mundi ad temp. Caroli M., 1698, verb. 1709 ;
Hugo Grotius de veritate religionis christ. Editio accuratior, quam
reccnsuit notulisque adjectis illustr. Jo. Clericus, cujus accedit de
eligenda inter christianos dissentientes sententia über unicus, 1709,
verb. 1714; Jo. Clerici . . . Vita et opera ad a. 1711, amici ejus
opusculum, philosophicis Clerici operibus subjiciendum, 1711 (Selbst-
biographie?), verb. 1718; Hist. ecclesiastica duorum prim. saecu-
loruni, 1716, verb. 1721; Opera philosophica in 4 vol. digesta,
1704j verb. 1728; Quaestiones Hieronymianae, in quibus expenditur
nupera editio Parisiensis, 1719, verb. 1734 mit dem Zusätze: Biblio-
theque universelle [et historique], quae communiter praefato authori
tribuitur, et oninia ejusdem auth. opera. Von der Bibliotheque waren
1686 — 9o, 26 vol. 12. erschienen. Die Fortsetzungen, Bibliothöque
choisie, 1703 — 13, und Bibl. ancienne et moderne, 1716 — 27, werden
nicht ausdrücklich verb. — Von Simon Episcopius (1583—1643)
wurden 1685 verb. Opera theologica (a St. Curcellaeo edita, 1650;
ed. 2. 1678, 2 Fol.j^), von den Streitschriften des Amsterdamer
Predigers Jac. Laurentius (1585 — 1644) erst 1651 Cauteriata
Jesuitarura conscientia und Appendix ad Jes. conscientiam, 1617,
gegen welche der Jesuit Max. Sandaeus 1619 Admonitio de caut.
Jes. consc. schrieb, dagegen schon 1633 die Entgegnung auf diese
Schrift: Vulpina Jesuitica, h. e. censura admonitionis Sandaeanae,
1619. ßeverentia Ecclesiae Rom. erga ss. patres veteres subdola
. . . cui accedit tract. de vera et legitima, quae s. scripturae et quae
88. patribus debetur, auctoritate, honore, reverentia, 1624, wurde
erst 1663, Fabula papistica infernalis tripartita, h. e. doctrina
trina Ecclesiae Eom. de tribus fictitiis locis infernalibus, purgatorio,
limbo puerorum et limbo patrum, 1632, erst 1693 verboten, aber nun
1) Chr. Sepp, Bibliogr. Mededeelingen, 1883, p. 18 führt aus Ma-
billons Traite des etudes monastiques von 1691, p. 238 folgende Stelle an:
Si Ton avait retranche quelques endroits des Institutiones theol. d'Episco-
piu8, dont Grotius faisait tant de cas, on s'en pourrait servir utileraent
pour la theologie . . . On ne perdrait pas son temps ä le Ure, si on Pa-
vait purge de quelques (endroits) oü il parle coutre les catholiques ou
en faveur de la secte Die Stelle ist in der folgenden Ausgabe von 1692
weggelassen.
94 Ersatz für die erste Classe.
aucli 0.0. — Von Samuel Mar es in 8 (des Marets, 1599 — 1673) sind
nach Ben. sämmtliche Werke 30. Juli 1678 verboten, also auch
die 1658 erschienene Joanna Papissa restituta (gegen Blondel) nicht
früher. Speciell verb. wurden 1654 zwei auf den Jansenistenstreit
bezügliche Schriften (s.u.). Sie werden seit Ben. nicht mehr speciell
aufgeführt. — Gisbert Voetius' (1589 — 1676) Desperata causa pa-
patus (gegen Com. Jansenius), 1635, wurde ebensowenig verb. wie
irgend eine andere seiner zahlreichen Schriften. Von den Streit-
schriften, die sein Freund Martinus Schoockius (f 1669) gegen
Jansenius' Vertheidiger Libertus Fromondus schrieb (Paquot 1, 296),
wurde eine, Auctarium ad desperatam causam papatus, 1645, verb.,
aber erst 17O0, zugleich o. o. ejus (Ben. hat beigefügt: in quibus de
religione tractat). Dann wurde aber 1709, also genau ein halbes
Jahrhundert nach dem Erscheinen, verb. Dissertatio singularis de
majestate, 165i). Vor 1700 war nur verb. Tractatus de pace, spe-
ciatini de paco perpetua, quae foederatis Belgii contingit, 1650,
verb. 1602. — Von Lambertus Velthuysius wurdft die Gesammt-
ausgabe seiner Opera, 1680, 2 vol. 4., Ifi84 verb. Er hat übrigens
bis Ben. im Index Vehnuvisius oder Vehuvisius geheissen. — Gerardi
Noodt [Prof. in Leiden, 1647 — 1725] opera oninia ab ipso recognita
et aucta et emondata multis in locis, Col. 1732, verb. 1737, ist ein Ab-
druck der zu Leiden 1724 erschienenen Ausgabe; die 1. Ausgabe war
schon 1713 erschienen. Zu dem Verbote werden namentlich die
Schriften De foenere et nsuris libri 3, 1698, Oratio de jure summi
imperii et lege regia, 1699, und Oratio de religione ab imperio jure
gentium libera, 1706 (mit starken Stellen über die Inquisition), An-
lass gegeben haben; die beiden Reden französisch von Barbeyrac:
Du pouvoir des souverains et de la liberte de conscience en deux
discours, 1707 (Jugler 2, 365). Im span. Index steht Noodt nicht.
Von Jean Daille (Dallaeus, 1594—1670) wurden 1672 verb.:
De duobus latinorum ex unctione sacramentis, confirmatione et ex-
trema unctione, disputatio, 1659, dann 1686 auf einmal 8 lat. po-
lemische Schriften, die alle bei seinen Lebzeiten erschienen waren
(auch De scriptis, quae sub Dionysii Areop. et Ignatii Antioch.
nominibus circumferuntur 11. 2), et insuper omnia alia opera
ejusdem auctoris ubicunque et quoc. idiomate impresaa. — Von
Charles Drelincourt (1595 — 1669) wurde 1633 verb.: Abr6ge des
controverses ou sommaire des erreurs de l'Egl. Rom., 1630 (20.
Ed. 1674); 1659: Nenf dialogues contre les raissionaires (sur le
Service de TEgl. reform^e, 1655); 16<»1: De Thonneur qui doit etre
rendu a la Sainte et Bienheureuse Vierge Marie; 1. Partie conte-
nant: 1. la croyance orthodoxe, 2. la demande de Mons. l'Eveque
de Belley avec la reponse, 3. les demandes faites a Mons. de Belley
sur la qualite de cet honneur, 1634 u. s. Das von Ben. beigefügte
et cetera ejusdem opera omnia, steht in keinem dieser Decrete, wird
also erst aus dem J. 1757 stammen. — Von Jean d'Espagne
wurden 1676 Les erreurs populaires es points principaux ... de
la religion, 1677 Les oeuvres, 1674, 2 vol. 12., verb. — Von Jean
de Labadie, — geb. 1610, bis 1639 Jesuit, dann Canonicus in
Schoock. Noodt. Labadic. Bull. Cave u. a. 95
AmienSy 1650 von dem Erzbischof von Toulouse suspcndirt, darauf
Calvinist, 1650 — 56 in Montauban, dann Pfarrer in Genf, später
Haupt einer separatistischen Gemeinde, t 1674 zu Altena, — wurde
schon 1654 eine gleich nach seinem Uebertritt veröffentlichte Lettre
ans Anlass des Jansenistischen Streites verb., später: Le bon usage
de Peucharistie, ou la vraye et saincte prattiquc du my störe du
sacrement de la cene de J. C. (steht im Index von 1681 ohne An-
gabe des Datums des Verbotes), dann 1693: Le hcraut du grand
roy J. C. ou eclaircissement de la doctrine de J. de TAbbadie pa-
Bteur sur le regne glorieux de J. C, Amst. 1668, Les divins he-
rauts de la penitence . . ., 1667, und Le veritable exorcisme ou
l'unique . . . moyen de chasser le diable du monde chretien, 1677,
— endlich 1700 sämmtliche Schriften. Von seiner Anhängerin Anna
Maria Schurmann (f 1674) wurden nur die von Friedr. Spanheim
herausgegebenen Opuscula hebraca, graeca, latina, gallica, prosaica
et metrica, Leyden 1648, 1678 verb., nicht die im Sinne Labadie's
geschriebene Euy.Xtjgiay Altona 1673.
Am wunderlichsten ist die Auswahl, die man unter den angli-
canischeu Theologen getroffen, um alle Werke von ihnen zu ver-
bieten. Von Georg Bull, Bischof von St. Davids (1634—1710),
wurden die Opera omnia, welche 1703 von J. E. Grabe in einem
Foliobandc edirt waren, 1739 von der Inq. verb. Ben. fügte d. c.
bei. Er wird namentlich die Defensio fidei Nicaenae, 1685, nicht un-
bedingt haben verbieten wollen, von der Card. Passionei, Voti p. 40
sagt: Wer hat den Glauben der vornicaenischen Väter besser ver-
theidigt als BuUV Bull hat freilich auch eine Vindication of the Church
of England from the errors of the Church of Rome, 1719, geschrieben,
und R. Simon, Lettres 1, 21, zeigt, wie er bei der Vertheidigung
des Nicaenischen Glaubens indirect die Lehre von der Transsubstan-
tiation angreift. — Schon 1700 wurden verb. William Cave's
(t 1713) Scriptorum ecclesiasticorum bist, literaria a C. n. usque
ad saec. XIV., Genf 1693, et omnia ejus opera^), gleichzeitig Henry
Whartons (f 1695) Appendix ad bist. lit. W. Cave, in qua de
Bcriptoribus eccl. ab a. 1300 usque ad a. 1517 pari modo agitnr.
1) Der spätere Card. Querini besuchte im J. 1711 Cave und erzählt
Comment. 1, 56: Cave sei verwundert darüber gewesen, dass er sein Buch
^o gut gekannt, von dem er gemeint, es sei in Italien unbekannt oder
tinbeachtet; er habe ihm aber versichert, in Florenz sei kaum ein Buch
V)ckannter! Anseimus Dandinus, ein Cousultor der Index-Congr., sagt in
Ocm 1703 zu Rom erschienenen, Clemens XI. gewidmeten Foliobande De
s^aspectis de haeresi p. 465, unter Umständen könne schon das Lesen der
ATorrede eines ketzerischen Buches eine materia gravis sein (I S. 76), und
führt als Beispiel an: Novissime G. Cave edidit Hist. lit. . . . eidemque
X^raefixit dedicationeni : nSanctissimao carissimaeque matri Ecclesiae Angli-
c^nae," si quis legeret vel hanc solam dedicationera, quid pestilentius
^ub oculis habere posset? FJs kommen freilich anstössigere Sachen bei Cave
vor: in der Einleitung zu dem Saeculum scholasticum z. B. bezciclmct er
die Inquisition als gravissimura et ab orco petitum christianae religionis
UedecuB simul et flagellum, conscientiarum crucificina etc.
96 Ersatz für die erste Classe.
Genf 1694 (in der Ausgabe des Werkes von Cave von 1720 mit ab-
gedruckt). — Von drei anderen engliscben Theologen wurden Ge-
sammtausgaben verb.: Jo. Ligbtfoot [1602 — 75] Opera omnia
duobus voluminibus comprehensa, Koterd. 1686, verb. 1690^), —
Henr. Mori Cantabrigiensis [1614 — 78] Opera omnia, tum quae la-
tine, tum quae anglice scripta sunt, nunc vero latinitati donata,
Lond. 1679, 2 Fol., verb. 1700 und nochmals 1703; — Jo. Pri-
deaux [1578 — 1650] Opera theol. quae latine exstant omnia, Zürich
1675, 4., verb. 1679 (J. Prideaux, Bischof von Worcester, hat auch
einige englische Sachen geschrieben, gehört aber nicht gerade zu
den bedeutenden Theologen ; Wood 3, 267).
3. Die Schriftsteller, von denen 1757 sämmtliche oder, wo
dieses ausdrücklich beigefügt wird, sämmtliche theologische Werke
verboten wurden, verzeichne ich hier, nach der Nationalität geson-
dert, alphabetisch und füge bei den einzelnen bei, welche Schriften
vor 1757 verboten waren, um die Planlosigkeit dieser Verbote an-
schaulich zu machen. Ben. führt von den vor 1757 verbotenen
Schriften in der Regel nur die erste an und lässt dann, mit Weg-
lassung der in den älteren Indices stehenden, gleich et reliqua ejus-
dem opera (bei einigen : de religione tractautia) folgen.
a. Deutsche: Valentin Alberti (1639 — 97); nur Interesse
praecipuarum religionum Christ, in omnibus articulis ita deductum,
ut non tantum de causa propter quam sie aliterve doceant etc.
Ed. 2., 1683 (die l. 1681), verb. 1703, eine Art Symbolik (A. E.
1682, 47). — Jo. Henr. Aisted (1588—1638): Systema mnemo-
nicum, 1610, verb. 1613; Encyclopaedia omnium soientiarum, 1630,
2 Fol., verb. 1651; keine theologische Schrift verb. — Balthasar
Bebel (1632 — 86): Antiquitates Ecclesiae in tribus prioribus p.
C. n. saeculis, 1669, verb. 1688. — Jo. Botsack (1600—74):
Promptuarium allegoriarum tributum in centuarias 18 et supra, verb.
1654; nicht verb. z. B. Patrologia s. de libertate veterum doctorum
scripta judicandi, 1664, worin er zu zeigen sucht, dass fast allen
Kirchenvätern von den päpstlichen Theologen Irrthümer und Ketze-
reien vorgeworfen würden (Fabricius, Hist. Bibl. 6, 454). — Her-
mann Conring (1606 — 81). De imperii germanici re publica acro-
amata sex historico-politica 1654, verb. 1662; De finibus imperii
germ. s. de pace civili inter imperii ordines religione dissidentes
perpetuo conservanda 11. 2, 1680, verb. 1682 (der Titel dieses
Buches ist seit Ben. so getheilt, als wenn es zwei Bücher wären);
von den zahlreichen theologischen Schriften keine vor 1757 verb.
— Jo. Grell (1590 — 1633, Socinianer). Ben. gibt an, seine Schrift
De uno Deo patre, 1631, sei 18. Dec. 1646 verb. worden. Das ist
1) In dem Decrete (Nam. 167) stehen unmittelbar dahinter die Mis-
cellanea von Th. Smith; auch in den Index-Ausgaben bis Ben* sind diese
hinter Jo. Ligbtfoot gestellt, in der von 1681 sogar mit davor gesetztem
et Opera sunt quae scquuntur, als ob die Miscellanoa die opera omnia Light-
foots wären.
Socinianer. Gerhard. Hottinger u. a. 97
aber nicht ganz richtig; in dem betreffenden Decrete und in allen
Indices vor Ben. wird vielmehr verb,: Jo. Henr. Bisterfeld
(t 1655) De nno Deo Patre, Filio ac Spiritu Sancto mysterium
pietatis contra Jo. Crellii Franci de uno Deo Patre libros duos,
qaorum textns e regione exponitur, breviter defensum, Lugd. Bat,
1639, 4., also zunächst die Gegenschrift. Auch von den anderen
Schriften von Joh. Grell (Clement 7, 324) wurde keine vor 1757
verb. Auch die Bibliotheca fratrum Polonorum, Irenopoli (Am-
sterdam) 1656 ff., 8 Fol.i), wurde erst 10. Mai 1757, also ein Jahr-
hundert nach ihrem Erscheinen verboten und erst 29. Juli 1767
(von derinq.) Christophori Sandii (1644 — 80) Nucleus historiae
eccl. exhibitus in historia Arianorum tribus libris comprehensa,
1668 und 1676, und die Appendix addendorum, confirmandorum,
emendandornm ; adduntur tres epistolae, 1678, nicht auch die
Bibliotheca Anti-Trinitariorum, 1684. Dagegen wurde schon 1714
verboten: Nie. Arnoldi (1618 — 80), Religio Sociniana s. Cate-
chesis Racoviana major [1609] , . . refutata, 1654. — Von den
vielen Schriften der Socinianer^j wurde überhaupt vor 1757 nur
verboten: Stanislaus Lubieniecius, Hist. reformationis polonicae,
in qua tum Reformatorum tum Antitrinitariorum origo et progressus
in Polonia narratur, 1685 (304 S. 8.), verb. 1687. — Joh. Georg
Dorsche (1597 — 1659): Thomas Aquinas exhibitus confessor veri-
tatis evangelicae Augustana Confessione repetitae jnxta seriem Con-
troversiarum tom. 4. Rob. Bellarmini examinatus, 1655, verb. 1658
(dagegen ist die Schrift von Thom. Leonardi, s. S. 85, gerichtet).
— Martin Geier (1614 — 80): De Hebraeorum luctu lugentiumque
ritibus, 1656, verb. 1693, nicht verb. (seine alttest. Commentare und)
die Dissertation De conformitate judaeo-papistica in loco de s. scrip-
tura, 1661. — Jo. Gerhard (1582 — 1637), „der gelehrteste unter
den Heroen der lutherischen Orthodoxie** (R.-E. 5, 91): nicht sein
Hauptwerk, ,,das an accurater und riesenhafter Gelehrsamkeit erste
unter allen dogmatischen Werken** (Tholuck), Loci theologici,
1610 — 22, 9 vol. 4., u. o., sondern nur: Comm. in 1. et 2. Petri
Epist., 1641, verb. 1672, Adnotationes ad utramque Pauli ad Tim.
Epist., 1666, verb. 1718. — Jo. Heinr. Hottinger (1620—67):
Thesaurus philologicus s. Clavis scripturae [1649; 2. Ed.] 1659,
verb. 1662, Historia orientalis (über den Muhammedanismus), 1660,
verb. 1662. Von seinem Sohne Joh. Jacob (1652—1735) steht
nichts im Index, auch nicht die Helvetische Kirchengeschichte,
1698 — 1729, wegen deren ,,ma88loser Polemik gegen den Katholi-
cismus'* man ihn als den „reformirten Capuciner'* bezeichnet hat
(R.-E. 6, 339), oder die Dissertatio jubilaris zu dem Reformations-
jubilüum von 1719, die zu einem Federkrieg mit dem Jesuiten
Rusca Anlass gab. — Christian Kortholt (1633—94): Valerianus
1) Freytag, Anal. 122. Fabricius, Hist. Bibl. 2. 57. Baumpr. 3, 162.
2) Daumg. 6, 172. 321. 397. Ueber Lubienicki s. Salig 11, 707.
Keusch, Index 11. 7
dd Ersatz für die erste Classe.
Confessor, h. e. solida demonstratio qiiod Eccl. Rom. hodierna non
sit Vera Christi Eccl. deducta ex Val. Magni Apologia antijesuitica,
1662, verb. 1664. — Jo. Adam Osiander (1622—97): 'öystema
theologicum s. Theologia positiva acroamatica 1679, verb. 1681. —
Jo. Henr. Ottius s. Otto (Ott, 1619 — 82): Epitome tractatus gal-
lici: La grandeur de l'Egl. Rom. (von Barcos s. u.), verb. 1663 ;
Examen perpetuum hist.-tbeologicum in annale« C Baronii. Centuria
1. 2. 3., verb. 1678. — Christoph Martin Pfaff (1686—1760):
S. Irenaci fragmenta anecdota (s. u.) und Primitiae Tubingenses,
quarum pars prior orationem auspicalem . . . dissertationesque in-
augurales de evang. . ., pars posterior de praejudiciis theoL, 1718,
beide verb. 1721, Institutiones historiae eccl., 1721 u. s., verb. 1754.
— Jo. Piscator (seit Ben. mit dem Zusatz Argentoratensis, geb.
1546 zu Strassburg, f 1626 als Prof. in Herborn): vorher nicht im
Index; denn Epitome omnium operum Augustini per Jo. Piscatorem
ist verdruckt für Jo. Piscatorium (I S. 446). — Abraham Scul-
tetus (1566 — 1626): Idea concionum ad po])ulum Heidelb. habita-
rum, confecta opera Balth. Tilesii, 1610, verb. 1613.
b. Holländer. Henr. Alting (1583 — 1644) : Theologia liisto-
rica 8. systematis historici loca quatuor, Amst. 1664, von seinem
Sohne herausgegeben, wie auch seine anderen (nicht bedeutenden)
Schriften, verb, 1684. — Jac. Alting (1618 — 76): Aoademicarum
dissertationum heptadcs duae, prior theologicarum, posterior philol.
Accedit heptas orationnm, 1676, verb. 1685. Seine Werke, 1685 — 87
in 5 Fol. zusammen herausgegeben, enthalten auch nützliche Bücher
über orientalische Sprachen. — Guil. Amesius (1578 — 1633, Eng-
länder, aber seit 1613 in Holland; seine Werke 1658 in 5 Bänd-
chen gesammelt, Streitschriften gegen Arminianer und Katholiken):
Philosophemata, 1643, verb. 1661. — Jac. Bas nage ( 1653— 1723,
seit 1685 in Holland, Historiograph der Generalstaaten). Von den
seit 1682 veröffentlichten polemischen Schriften wurde keine verb.
Er kam zuerst in den Index mit: J). Chrysostomi E]nstola ad Cae-
sarium monachum, cui adjunctae sunt tres epistolicae dissertationes,
prima de Apollinaris haeresi, 2. de variis Athanasio suppositis
operibus, 3. adv. Simonium, 1687, verb. 1693. Dann folgten: Hist.
de TEglise depuis J. Chr. jusqu'a present, 2 Fol., 1699, von der
Inq. verb. 1707; Sermons sur divers sujets de morale, de theologie
et de Thist. sainte, 1709, 2 vol., verb. 1714; Hist. de la rel. des
eglises reformees, 1725 (zuerst 1690), 2 vol., verb. 1728. Von sei-
nem Vetter Samuel Basnage (1638 — 1721) stehen im Index: Exer-
citationes hist.-criticae, in quibus Card. Baronii Annales ab a. C. 35.,
in quo Casaubonus desiit, expenduntur, tum et multa adv. Bellar-
minum et alios discutiuntur, 1692, verb. 1709; Morale theologique
et politique sur les vertus et les vices de Thomme, 1703, 2 vol.,
verb. 1718; Annales politico-ecclesiastici a Caesare Augusto ad
Phocam usque, 1706, 3 Fol., verb. 1727. Der ältere Samuel
Basnage (1580 — 1652, Grossvater der vorigen), von welchem Par.
De Tetat visible et invisible de l'Egl. [et de la parfaite satisfaction
de J. C, contre la fable du purgatoire, La Rochelle 1612] verbietet,
Oslander. Pfaf)'. ßasnage. Spanheim u. a. 99
steht nicht im Index. — Jo. Hoornbeek (1617 — 66): Examen
ballae papalis, qua Innocentius X. abrogare nititur pacem Germa-
niae. Accedunt bullae Urbani VIII. de jesuitissis, de imaginibus,
de festig cum scholiis, quibus addita est bulla P. Clementis, qua
mandat angelis etc., 1652, verb. 1658 (die Schrift erschien nach
der Aufhebung des Edicts von Nantes nochmals anonym: Bulla-
rii Komani destructio et confutatio generalis, ac specialis bullarum
Innoccntii X. et Urbani VIII. de abrogatione pacis Germaniae, de
suppressione Jesuitissarum , de cultu imaginum et observatione festo-
rum, Amst. 1686, verb. 1688; Bibl. uuiv. 1686, 3, 539); Miscel-
lanea sacra, 1676, verb. 1690. — Melchior Leidecker (1642
— 1721): Medulla theologiae concinnata ex scriptis . . . Gisberti
Voetii, Jo. Hoornbeek, Andr. Esseuii etc., 1683, verb. 1685. — Sibran-
dus Lubhertus (1556 — 1625): De papa Komano. Keplicatio ad
defensionem tertiae controversiae Hob. Bellarmini scriptam a Jac.
Gretsero, 1610, erst 1700 verb., keine andere seiner vielen polemi-
schen Schriften. — Andreas Rivet (1573 — 1651). Sein Name hat
bis 1758 nicht im Index gestanden, Ben. verzeichnet zwar als
1622 verb. Sommaire de toutes les controverses touchant la reli-
gion, agitees de notre temps entre Teglise rom. et les eglises refor-
m^es; aber dieses Buch steht in dem Decrete (No. 25) und in allen
Indices vor Ben. ohne den Namen Rivets als Summarium omnium
controversiarum . . . per Thomam Portam (Name des Druckers).
Schon 1651 — 60 waren Rivet.«» lateinische Schriften in 3 Fol. ge-
sammelt erschienen. — Fridericus Spanhemius (der ältere,
1600 — 49; von ihm werden opera de religione tractantia verb.):
Exercitationes de gratia universali, 1636, und drei damit zusammen-
hangende Schriften, verb. 1688 (sie stehen in den älteren Indices
unter den Schriften seines Sohnes). Nicht verb. wurde z. B. die
polemische Schrift Chamierus contractus, 1645, ein Auszug aus der
Panstratia von Chamier, der gar nicht im Index steht. Von seiner
anonymen Schrift Le soldat su^dois, 1633, wurde schon 1634 die
italienische Uebersetzung verb.: II Soldato Svezzese. Hist. della
guerra tra Ferdinande II. e Gustave re di Svetia, trad. da Matteo
Bellanda. — Fridericus Spanhemius filius (1632 — 1701): Disser-
tationum historioi argumenti quaternio, 1679, und Introductio ad
historiam et antiquitates sacras, 1675, verb. 1681 ; Selectiorum de
religione controversiarum . . . elenchus, 1687, und Pro Frid. Span-
hemio seniore adv. fictiones nuperi criminatoris de varia et libera
ecclesiae politia, 1684, verb. 1688; De auctore epist. ad Hebr., 1659,
und Hist. Jobi, 1670, verb. 1690; Historia imaginum restituta, prae-
cipue adv. . . . Maimburgum et Natalem Alexandrum, 1686, und De
papa femina interLeonem IV. et Benedictum III., 1691, verb. 1693.
Von dem jungem Frid. Spanheim wurden also mehr Schriften und
diese meist rascher verboten als von vielen anderen protestantischen
Theologen, aber freilich nicht alle, die man hätte verbieten können.
Sein Bruder Ezechiel (1629—1710) steht nicht im Index.
c. Franzosen. David Blondel (1591 — 1655): De jure plebis
in regimine Ecclesiae, 1648, verb. 1658; Pseudo-Isidorus et Tur-
IOC Ersatz für die erste Classe.
rianuB vapnlantes, Genf 1628, das erste bedeutende Werk über
Peeudo-Isidor, gegen den Jesuiten Fr. Torres, verb. erst 1661 ;
Actes authentiques des eglises reformees de France, Germanie etc.,
Amst. 1651, verb. erst 1709. Die Bücher De la primaute en
l'Eglise gegen du Perron, 1641, und andere polemische Schriften
kamen vor 1757 nicht in den Index, auch nicht das unter dem
Namen Amandus Flavianus veröffentlichte Commonitorium de fulmine
nuper ex Esquilinis vibrato, Kleutheropoli 1651 (über die Bulle
Innocenz' X. gegen den westfälischen Frieden), aber Extrait de
Texamen de la Bulle du P. Innocent X. contre la paix de TAlle-
magne conclue a Munster 1648, fait en latin par Aniand Flavien,
verb. 1709. — Von dem fruchtbaren Polemiker Jean Claude (1619
— 1687) wurden vor 1757 nur zwei Streitschriften gegen Arnauld
und Nicole verb. (s.u.), dagegen von Pierre Jurieu (1637 — 1713)
ausser Streitschriften gegen Arnauld auch schon andere, von den
unter seinem Namen erschienenen allerdings nur Analyse raisonnee
de i'Apocalypse, verb. 1737, aber mehrere anonyme, die noch jetzt
als solche im Index stehen: Reflexions sur la cruelle persecution
que souffre l'egl. reformee de France et sur la conduite et les
actes de la demi^re Assembl^c du Clerge, 1685, verb. 1690; Let-
tre s pastorales adressees aux fideleH de France qui gemissent sous
la captivite de Babylone (so seit Ben.; ursprünglich verbot die
Inq. 1700 davon 3, Edition, Roterd. 1688, wohl den 1. Band, dann
die Index-Congr. 1703 3. Annee und 1709 2. Ann^e, Rotterd. 1688);
L^accomplissement des propheties ou la delivrance prochaine del'
Eglise. Ouvrage dans lequel il est prouve que le Papisme est
Tempire antichretien. Par le S. P. J. . . 1686, 2 vol., verb. 1709;
Suite de TAcc. des pr. ou amplißcation des preuves bist, qui fönt
voir que le Papisme est rAntechristianisme. Par le S. P. J., 1688,
verb. 1709 und nochmals 1732 1). — Von Jacques Len fant (1661
— 1728, seit 1684 in Heidelberg, seit 1688 in Berlin) wurde 1718
sein Hauptwerk, Hist. du concile de Oonstance, 1714, verb., erst
1757 Hist. du concile de Pise, 1724, und Hist. de la guerre des
Hussites et du concile de Basle, 1781, et cetera ejus opera omnia,
in quibus de rel. tractat, also auch jetzt erst : Hist. de la Papesse
Jeanne und Preservatif contre la reunion avec le Siege de Rome,
1723, 4 vol. — Von Jean Mestrezat (1592—1657) war vor
1757 nur eine Schrift in italienischer Uebersetzung verboten (§ 21),
von Petrus Molina eus (Pierre du Moulin 1568 — 1658) nur Re-
ponse a quatre demandes faites par un gentilhomme de Poitou,
1623, verb. 1624, und Le Capucin; traite auquel est decrite l'ori-
gine des Capucins et leurs voeux, regles et disciplines examinees,
1640, verb. 1642. — Von einem seiner Söhne, der auch Pierre
hiess, wurde die anonyme Schrift Clamor regii sanguinis (§ 19)
1) Ueber die Lettres past. und L'accompl. vgl. R. Simon, Lettres I,
190. 316; II, 229, über L'accompl. auch Vie de Jurieu vor Bayle's Dict.
p. XLVlin.
Claude. Jurieu. Turretini. Bourignon u. a. 101
1669 verb., von einem andern Sohne, Cynis (f 1688) 1671: Le
Pacifique ou de la paix de TEglise. — Von Jean La Place tte (1639
— 1718) wurde 1709 verb. Observationes hiBtorico-ecclesiaBticae, qui-
bu8 eruitur veteris eccl. Bensus circa Pontificis Rom. potestatem in
definiendiB fidei rebus, 1695 (als Veteris Eccl. sententia circa aucto-
ritatem Eom. Pont, in reb. fidei def. variis observationibus pate-
facta, quibus ostenditur, nee summam illam nee errore nesciam exi-
stimatam olim fuisse, schon -1591 erschienen). — Von Benedict
Turretini (1588 — 1631, Herausgeber des Index von Sandoval;
sein Vater Franz war aus Lucca nach Genf geflohen) wurde 1619
verb.: Disputatio de Ecclesiae ßom. idololatria, quam ad 19. diem
Junii 1619 defendit Henricus Hamers, und 1651: Brief trait6, auquel
est montre que celui qui a connaissance de T^vangile, est n^cessai-
rement oblig^ de sortir de TEgl. papistique, — von dessen Sohn
Franc. Turrettini (1623—87) 1681 die Lettera del Card. Spinola
(§ 21), dann erst 1718 eine 1701 erschienene Ausgabe der zuerst
1682 und 1688 gedruckten Institutio theologiae elencticae, und Re-
cueil de sermons sur divers textes de FEcr. sainte, 1687, —
von seinem Enkel Jo. Alph. Turretini (1671 — 1737) 1750: In Pauli
Ap. ad Rom. epistolae capita IX praelectiones criticae theolo-
gicae 1741.
1757 wurden auch sämmtliche Werke der Schwärmerin An-
toinette Bourignon (geb. 1616 zu Lille, t 1680 zu Franeker)
verb. Vorher standen von ihr nur im Index: La lumi&re nee en
tenebres qui invite tous les hommes de bonne volonte, verb. 1671,
und: La lumiere du monde. R6cit tr^s-veritable d'une p^lerine,
A. Bourignon, voyageant vers Veternite, mis au jour par M. Chri-
stian de Cordt ^), Amst. 1679, von der Inq. verb. 1687; es wird
der 1. Band der von dem frühem reformirten Prediger Peter Poiret
besorgten Gesammtausgabe ihrer Werke sein, die in 21 Bänden
x\msterdam 1679 — 86 erschien. Von Poiret steht nichts im Index.
d. Engländer. Robert Baron ins (Baron); von ihm waren
früher verb.: Ad Georgii TurnebuUi tetragonismum pseudographum
apodixis cath. s. Apologia pro disputatione de formali objecto fidei,
auth. R. B., ecclesiaste Abredonensi, verb. 1669 (die Gegenschriften
des Jesuiten TurnebuU, f 1633, heissen: Imaginarii circuli quadra-
tura cath., s. de objecto formali et regula fidei adv. R. Baronem
ministrum, 1628; In s. scholae calumniatorem et calumniae dupli-
cätorem pro tetragonismo, 1632), und Philosophia theologiae an-
1) Christian Barth, van Cordt war ein holländischer Oratorianer,
der sich 1662 zu Mecheln an A. Bourignon anschloss. Nach seinem Tode
1669 erbte sie die Insel Nordstrand, wo sie 1671 — 76 lebte und eine eigene
Druckerei errichtete. Als jansonistischer Priester kann Cordt nur in dem
Sinne bezeichnet werden, in welchem damals die meisten holländischen
Weltgeistlichen Jansenisten waren. Der Bischof Neercassel hatte ihn als
Trinker u. dgl. suspendirt (Avr. 3, 145). Arnauld und andere waren finan-
ziell bei dem Ankauf von Nordstrand betheiligt, hatten aber mit der Bou-
rignon nichts zu schafl'en (Nie. 20, 168. S.-Beuve 4, 874).
102 Ersatz für die erste Classe.
cillans, h. e. pia et sobria explicatio quaestionam p1iilo8. in dispu-
tationibus theol. subinde occurrentium, auct. R. Baronio, Prof. Philos.
Oxon., Amst. 1646, 285 S. 12., verb. 1680. — Guil. Perkins
(1558 — 1602): Problema de romanae fidei ementito catholiciemo.
verb. 1610 (I S. 586). — Guil. Twissus (f 1645): Dissertatio
de scientia media tribus libris absoluta, quorum prior Gabrielem
Penottum ad partes voeat, posteriores duo Franc. Suaresio oppositi
sunt, Arnh. 1639, erst 1709 verb.; seine Opera tbeologica waren
schon 1648 gesammelt erschienen. — Daniel Whitby (1638 — 1726):
Ethices compendium, 1684, verb. 1690.
Auch in dem Pariser Index von 1685 (S. 57) werden von
vielen protestantischen Theologen, in der Regel nach Aufzählung
einzelner, meist polemischer Schriften , sämmtliche (theologische)
Werke verboten. Darunter sind die meisten oben verzeichneten
(einige derselben stehen gar nicht im Pariser Index: Jac. Alting,
M. Geier, auchB. Bebel, Chr. Kortholt, M. Leidecker, J. A. Osiander);
von anderen werden hier nur einzelne Bücher verboten, wie von
Herm. Conring, Jo. Hoornbeck, auch von Conr. Schlüsselburg und
Ben. Turretini. Aber von anderen, wovon im Rom. Index nur
einige Bücher stehen, werden hier alle verboten (M. Amyraldus,
Nie. Arnold i, Alex. Morus, Amandus Polanus, Gerh. Titius, Nie. Ve-
delius, M. Fr. Wendelinus), und von 27 werden sämmtliche Werke
verboten (und einzelne entweder an sich bedeutende oder scharf
polemische Schriften verzeichnet), die im Rom. Index gar nicht stehen.
Die Lückenhaftigkeit desselben bezüglich der protestantischen Theo-
logie wird durch ein Verzeichniss derselben einigermasscn illustrirt:
Robert Abbot, Frdr. Balduin, Casp. Erasmus Brochmand, Dan. Cha-
mier, Ludw. Crocius, Erich Ekkardus, Jean de TEspine, Sal. Ges-
ner, Fr. Gomarus, P. Haberkorn, Jac. Hertelius (s. I S. 418), Jo.
Himmel, Leonh. Hutter, Balth. Meißner (S. 33), Balth. Mentzer,
Georges Pacard, Chrph. Pelargus, Matth. Sutlivius, Dan. Tilenus,
Th. Thummius, Gisb. Voetius, Conr. Vorstius, Jo. Winckelmann,
Andr. Willet, endlich die Socinianer Jo. Schlichting, Val. Smalcins,
Andr. Wissowatius und J. L. Wolzogen.
Von Hugo Grotius (1583 — 1645) wurde zuerst, und zwar
schon 30. Jan. 1610 verb. die 1609 erschienene Schrift Mare libe-
rum 8. de jure quod Batavis competit ad Indicana commercia (sie
steht noch jetzt im Index nicht unter Grotius). Sie bekämpft
vom Standpunkte des Naturrecjhts und des jus gentium das durch
Alexander VI. bestätigte Monopol der Spanier und Portugiesen und
bestreitet das Recht des Papstes, Länder, Völker und Meere zu ver-
schenken (A. D. B. 9, 771 ; 19, 826 ; H. Grotii Manes 2, 726). Auch
bei Nat. Alexander (17, 576) wurde in Rom der Satz beanstandet:
Alexander VI. habe kein Recht gehabt, Indien den Spaniern zu
schenken; den Besitz verdankten diese ihren Waffen, nicht dem
päpstlichen Diplom. Nat. Alexander bemerkt dagegen: jenes Recht
des Papstes werde nicht nur von dem Verfasser des Mare liberum und
anderen Haeretikern bestritten, sondern auch von Katholiken bezweifelt.
Hugo Grotiiis. 108
— Der Name des Grotius kommt zuerst in dem Decrete vom 4.
Febr. 1627 vor, in welchem drei Schriften von ihm verb. werden:
Poemata collecta et edita a Gulielmo Grotio fratre, 1617, — Aj)olo-
geticu8 eorum qui Hollandiae Westfrisiaeque et vicinis quibusdam
nationibus ex legibus praefuerunt ante mutationem quae evenit a.
1618. Cum refutatione eorum quae adv. ipsum atque alios acta et
judicata sunt, 1622, über den von Moriz von Uranien veranlassten
Process gegen Oldenbarneveld, Hogerbeets und Grotius (A. D. B.
9, 775), — und mit d. c. : De jure belli ac pacis 11. 3, in quibus
jus naturae et gentium item juris publici praecipua explicantur,
1625, 4., u. 0. Das, wenn auch nur bedingte, Verbot dieses epoche-
machenden Buches ist auch von Katholiken mit Recht scharf geta-
delt worden. In den Manes 1, 280 wird die Aeusserung eines un-
genannten Katholiken mitgetheilt : Ich habe in dem Buche kaum zwei
oder drei Stellen gefunden, die der Verbesserung bedürften. Sie
sind aber nicht der Art, dass ich glaubte, es müsse um ihretwillen
das sonst sehr gute und gelehrte Buch verboten werden. Wenn
man mit solcher Strenge auch bezüglich anderer Bücher verfahren
wollte, würde der Index ungeheuer anschwellen. Sainjore 3, 134
sagt: Grotius' Name wird noch jetzt in der ganzen Gelehrten weit
mit Ehrfurcht genannt, selbst in Italien und in Rom, wo man in
öffentlichen Schriften sein ausgezeichnetes Buch De jure p. et b.
lobend citirt. Sogar der fanatische Albizzi sagt p. 588: De pace
servanda inter principes videndus est eruditissimi, utinam catholici
H. Grotii De jure etc. 1. 3 toto cap. 20. 21. et Alb. Gentilis Tr.
de jure belli 3, 24 (Gentilis steht mit allen Werken im Index),
^rnauld 9, 299 sagt: Es ist ein sehr schönes Buch, welches
allgemein, von den Katholiken ebenso wohl wie von den Protestan-
ten geschätzt wird. Vielleicht ist dieser wichtige Punkt der Politik
und der Rechtsgelehrsamkeit niemals in einer so edlen, verständigen
und gelehrten Weise behandelt worden. Dass Grotius Protestant
war, ist kein Grund, das Buch zu verbieten, da es nicht von reli-
giösen Dingen handelt. Es ist kaum anzunehmen, dass diejenigen,
welche es auf den Index gesetzt, sich eingebildet haben sollten,
CS würden viele Katholiken einfältig genug sein, zu glauben, sie
bürden Gott dadurch beleidigen, dass sie sich in diesem ausgezeich-
neten Werke über viele wichtige Wahrheiten belehrten, die darin
besser behandelt sind als in den meisten modernen Casuisten. —
Und dieses Buch wurde, wie wenigstens Lucas Holstenius in einem
Briefe vom J. 1629 (Epist. p. 467) berichtet, lediglich darum ver-
l)oten, weil die Gelehrten der Index-Congr. an zwei Stellen An-
«toss nahmen, an einer, wo Grotius die Parabeln des N. T. mit dem
Worte fabulae bezeichnet, und an einer, wo er von den allgemeinen
Concilien minus commode ad catholicorum aures gesprochen ; quam
culpam, fügt Holstenius bei, levissima mutatione redimere poterit in
«ecunda editione. Das Buch ist aber, da eine expurgirte Ausgabe
nicht erschienen, noch heute für die ganze Christenheit verboten.
Begreiflich ist, dass die schon um 1613 verfasste, aber erst
nach dem Tode des Grotius 1646 zu Paris gedruckte Schrift: De
104 Ersatz für die erste Ciasse.
imperio summarum potestAtum circa sacra, freilich erst 1658, ver-
boten wurde (1753 wurde auch die franz. Uebersetzung: Traite du
pouvoir du magistrat politique sur les choses sacrees verb.). Grleich-
zeitig wurden verb. H. Grotii et aliorum dissertationes de studiis
instituendifl, 1637 u. b., und 1661 die Annales et historiae de rebus
belgicis ab obitu Fhilippi Begis usque ad inducins a. 1609, 1657,
Fol. Amauld 9, 300 sagt über dieses Verbot: „Wenn Grotius auch
einiges zu Gunsten der neuen Republik sagt, unter der er geboren
wurde, oder gegen die Inquisition, die man in diesen Provinzen
nicht dulden wollte, so war das kein genügender Grund, den Katho-
liken das Lesen eines so schönen, so gut geschriebenen und so zu-
verlässigen Geschichtswerkes zu verbieten. Die Kirche darf nicht
eine so schlechte Meinung von ihren Kindern haben, zu glauben,
sie könnten dergleichen in protestantischen Geschichtschreibern, zu-
mal wenn sie so massvoll sind wie Grotius, nicht lesen, ohne dass
ihnen das Versuchungen und Aergerniss bereite. Es ist wenigstens
ganz sicher, dass man in keinem Jahrhundert mit Ausnahme der
beiden letzten den Katholiken allgemein das Lesen von Geschichts-
werken, die von Ketzern oder Heiden verfasst waren, verboten hat.
Man bemühte sich, durch Unterricht die Gläubigen in der Kenntniss
der Religion und in der Befolgung der Grundsätze des Evangeliums
zu befestigen, und man gab es dem Gewissen jedes einzelnen an-
heim, das Lesen solcher Bücher zu vermeiden, die ihm schädlich
sein könnten. Da die Kirche wusate, dass dieses durch das Natur-
recht verboten ist, hielt sie es nicht für angemessen, es durch posi-
tive Gesetze zu verbieten, die eben, weil sie allgemein sind, auch
viele treffen, für die sie nicht passen und die sie nur beunruhigen
können."
Von Grotius' theologischen Schriften wurden zuerst, 1672,
drei ohne Nennung seines Namens verboten, obschon er als Ver-
fasser bekannt war: Commentatio ad loca quaedam N. T. quae
de Antichristo agunt aut agere putantur, Amst. 1640, — Disser-
tatio de coenae administratione, ubi pastores non sunt: item an
semper communicandum per symbola, Amst. 1646 (die erste Disser-
tation schon 1638), — Explicatio decalogi ut graece exstat, et
quomodo ad decalogi locos evangelii praecepta referantur, Amst.
1640. — Die protestantischen Streitschriften gegen die erste Abhand-
lung^ worin Grotius zeigt, dass der Papst nicht der Antichrist sei,
von Sam. Maresius, (Dissert. de Antichr. qua refutatur nupera
Commentatio . . . H. Grotii credita simulque ecclesiarum reformata-
rum sententia de Antichristo Rom. defenditur, 1640) und Jac. Lau-
rentius (Grotius papizans, 1642) wurden erst verb., als die sämmt-
lichen Werke dieser Theologen 1678 bzw. 1693 auf den Index
kamen^). — Die Schrift De veritate religionis christianae, die zuerst
1) Grotius schrieb gep^eu Maresius; Appendix ad interpretationem
locorum . . ., dagegen Maresius : Concordia discors et Antichristus revelatus,
1642, 2 vol. 8.
Hugo Grotius. 106
1627 von J. G. Vossius, dann mit Anmerkungen von Grotius 1640
berausgegeben wurde, ist in vielen Auflagen, fünf französischen
und drei deutschen Uebersetzungen erschienen. Lucas Holstenius
schreibt (Epist. p. 463) im J. 1628: Card. Barberini (der Nepote
ürbans VITI.) sei ganz verliebt in das Buch (mirum in modum de-
perit) und habe es beständig in Händen. Verboten wurde 1715
die Ausgabe: Hugo Grotius de veritate religionis christ.: editio
accaratior, quam recensuit notulisque adjectis illustravit Jo. Cleri-
CU8. Accessit de eligenda inter christianos dissentientes sententia
über unicus, 1709 u. s. Bei Sot. wird das Buch expurgirt (es
heisst hier freilich Sensus librorum sex quos pro veritate religionis
Batavicae scripsit, Lugd. Bat. ex off. Jo. Mayre 1617); die Expur-
gation beschränkt sich aber auf folgendes: In dem Satze 3, 4: Non
est etiam quod fidem quis detrahat epistolae ad Hebr. eo solo nomine
quod nesciatur ejus scriptor, sind die Worte eo solo etc. zu streichen;
in dem Satze 3, 5 : Neque falli potuit Apocalypseos scriptor . . . aut
ille ad Hebraeos ist hinter scriptor Joannes, hinter Hebraeos Paulus
beizufügen; 3, 13 ist in dem Satze: Quod vero ad exiguas aliquas
circumstantias et ad rem nihil facientes attinet (in denen die neu-
testamentlichen Bücher sich zu widersprechen scheinen), facillime
fieri potest, ut non desit commoda conciliatio, sed nos lateat etc., ist
et ad rem nihil facientes zu streichen, und in dem Satze: Quod si
ex levi aliqua discrepantia, etiam quae conciliari nequiret, totis libris
fides decederet, jam nulli libro, praesertim historiarum, credendum
esset, der Zwischensatz etiam . . . nequiret.
Erst unter Benedict XIV. wurden 1757, unmittelbar vor dem
Erscheinen seiner neuen Index-Ausgabe, verb. : H. Grotii opera
omnia theologica in tres tomos divisa, Amst. 1679 (Basel 1732 in
4 Fol.), was nach der Analogie anderer Verbote aus dem J. 1757
als ein Verbot auch der früheren Separatausgaben der in dieser
Sammlung vereinigten Schriften zu verstehen sein wird. — Hugonis
Grotii, Belgarum principis manes ab iniquis obtrectatoribus vindicati.
Accedit scriptorum ejus tum editorum tum ineditorum conspectus
triplex, Delphis 1627, 2 vol. 8. (von Lehmann), wurde 1739 verb.
Man wird an dem, was II, 506 ff. über Grotius' religiösen Stand-
punkt bemerkt wird, Anstoss genommen haben.
Bei Sot. steht Grotius in der 1. Cl. als J. C, historicus et
poeta (misit etiam falcem in rem theologicam), ejusdem cum aliis
Hollandiae et Roterodamensibus ac Leydensibus sectae. Expurgirt
werden ausser De verit. rel. ehr. philologische Schriften und De
antiquitate reipublicae Batavae. Seit 1747 steht Grotius im span.
Index in der 1. Cl. als incertae sectae^) und werden nur seine Ge-
dichte expurgirt freigegeben.
1) Räas 11, 300 zählt Grotius zu den Convertiten. Dass er als Ka-
tholik gestorben sei, hat neuerdings Broere, De terugkeer van Hugo de Groot
tot te katholike geloof, 1856 (deutsch von F. X^ Schulte, lb71), zu be-
weisen vorsucht ; vgl. A. D. B. 9, 782.
106 Deutsche protestantische Theologen.
Als der Pariser Index von 1685 (S. 57) ziisammen^eBtellt
wiinle, wollten Dr. Faure u. a. auch die theologischen Werke des
ürotius darin aufnehmen. Kh unterhlieb, weil die Buchhändler Vor-
stellungen machten und darauf hinwiesen, dass einige derselben
in Paris gedruckt seien, und weil man den Erzbischof darauf auf-
merksam machte, dass die 1079 zu Amsterdam gedruckten Opera
theol. viele Dinge enthielten, die den Calvinismus ruinirten und die
katholische Kirche und die Macht des Königs stärkten (Sainjore 4,
181).
17. Deutsche protestantische Theologen 1600—1750.
Das Auf[^cbcn der 1. Classe ist eine der bedeutcudsteu Modi-
ficationeu der Thätigkcit der Index-Congregation. Im 16. Jahr-
hundert hatte man die Absieht, in dieser Chisse mögliehst voll-
ständig die ketzerischen Schriftsteller, die über religiöse Dinge
gesehrieben, zusammenzustellen. Nach dem J. 1596 hat man aber,
wahrscheinlich wegen der Ueberfülle des Materials, nicht mehr
daran gedacht, die Namen der Schriftsteller, deren Werke unter
die 2. Regel des Index fielen, sämmtlich zu verzeichnen. Wollte
man sich nun nicht einfach bei dieser Regel beruhigen, durch
welche alle ex professo über Religion handelnde Schriften von
Ketzern verboten werden, so wäre otfenbar das Richtige ge-
wesen, diejenigen unter diese Regel fallenden Schriften speciel)
zu verbieten, welche für Katholiken besonders bedenklich sein
konnten, also diejenigen, welche, vom Römischen Standpunkte
aus angesehen, am schlechtesten waren, oder, was noch
zweckmässiger gewesen wäre, diejenigen, bei denen es zweifel-
haft erscheinen konnte, ob sie unter die 2. Regel fielen. Mau
ist nun aber thatsächlich, wie schon aus § IG hervorgeht, be-
züglich dieser Literatur gar nicht nach einem bestimmten Plane
vorgegangen, und man wird sagen dürfen, dass es im allge-
meinen von zufälligen Umständen abgehangen hat, ob ein pro-
testantisch-theologisches Buch in den Index kam oder nicht. Wenn
vor 1660 überhaupt verhältnissmässig wenige protestantisch-theo-
logische, aber verhältnissmässig viele juristische Schriften ver-
boten wurden und anderseits Decrete von 1686, 1700, 1703 und
1709 verhältnissmässig viele protestantisch-theologische Schriften
Deutsche protestantische Theologen. 107
enthalten, so scheint das auch mit den Anschauungen des Je-
weiligen Praefeeten oder Secretärs der Index-Congregation zu-
sammenzuhängen.
Jedenfalls stehen viele protestantische Theologen, welche
an sich oder speciell als Polemiker bedeutend waren, gar nicht
im Index; von anderen sind nur nicht theologische oder ganz
unbedeutende Schriften verboten oder gerade die bedeutendsten
nicht verboten. Dagegen findet sich im Index eine grosse Zahl
von protestantisch-theologischen Schriften, die in jeder Hinsicht
unbedeutend und nicht nur jetzt völlig verschollen sind, sondern
auch zur Zeit ihres Erscheinens nur in sehr beschränkten Kreisen
Beachtung gefunden haben können. Charakteristisch ist auch,
dass manche Bücher erst lange nach ihrem Erscheinen verboten
wurden, auch solche, die den Römischen Theologen längst be-
kannt sein konnten, wie Blondeis Buch über Pseudo-Isidor
(S. 99), Schriften von Sixtinus Amama u. s. w.
Was die deutsche protestantisch-theologische Literatur be-
trifft, so stehen nur lateinisch geschriebene Schriften im Index.
Die einzige Ausnahme bildet eine Streitschrift eines 1084 Pro-
testant gewordenen schweizerischen Capucincrs, Claudius Scho-
binger, Der schlimme Alchymist Pater Rudolflf Gassert von Schwytz
Capuziner wegen seiner Dreifachen Capell schriftmässig er-
forschet, verb. 1703, "Jieelche der Nuncius denuncirt haben wird ^).
Von Gottfried Arnold aber z. B. steht nur die Historia theo-
logiao mysticac im Index, nicht die Kirchen- und Ketzerhistorie.
— Von den lutherischen Dogmatikern stehen gar nicht im Index
Leonhard Ilutter, Abraham Calovius, J. W. Baier, David lloUaz,
Matthias Hafenreflfer, Nie. Hunnius; von anderen sind nur einzelne,
vielfach nicht die bedeutendsten Schriften verboten. Wenn einige
lutherische und calvinistischc Lehrbücher verboten werden, so
ist gar nicht abzusehen, warum gerade diese. Auch von
den exegetischen und kircheugeschichtlichen Schriften stehen
gerade die bedeutendsten nicht im Index, auch solche nicht,
1) Eine andere Schrift von ihm, Schrifftmässige Waag-Schaale, da-
rinnen der vermeintliche kostbare Schatz P. Rudolfi Cap. von Schwytz
denen evangel. Landlcuten löblichen Cantons Glarus in XV Ratbschlägeu
aufgetragen, Zürich 1696, steht nicht im Index.
108 Deutsche protestantische Theologen.
die man gewiss nicht hat freigeben wollen, wie Seckendorfs
Conimentarius de Lutheranisnio (1091) und die reforniationsge-
schichtlichen Schriften von Daniel Gerdes (f 1765). Selbst die
Polemik gegen Papstthum und Katholicismus ist nur durch
wenige und planlos ausgewählte Schriften im Index vertreten;
auch von den zahlreichen Streitschriften gegen Bellarmin, Be-
canus, Gretscr u. a.^) sind nur ganz wenige verboten.
In einem 1651 in Rom erschienenen Foliobande De materiia
tribunalium S. Inquißitionis, auct. Seb. Salelles de S. J., werden
S. 283 ff. Jac. Arminias, Conr. Worstius (Vorstius), Sibrandus
Lubbertus als Haeresiarchac verzeichnet, und auch Jo. Piscator,
Dan. Tilenus, Fr. Gomarus u. a. besprochen. Von diesen stehen
nur Lubbertus und Piflcator im Index, ersterer seit 1700, letzterer
seit 1757. Die Schriften von Gerdes waren in Rom nicht unbe-
kannt; er selbst schickte dem Card. Passionei einen Index scri-
j)torum Huorura, der in den Memorie per servire alla storia del Card.
Passionei, Rom 1762, p. 249 abgedruckt ist.
Nur von wenigen protestantischen Schriftstellern, die nicht
schon § 16 verzeichnet sind, stehen so ziemlich alle theologischen
oder die Theologie berührenden Schriften im Index. So wurden
von Michael Cellarius (f 1707) 1784 auf einmal verb. die oft auf-
gelegten Handbücher Historia universalis, antiqua, medii aevi, ferner
Programmata et Orationes, Dissertationes academicae ed. J. G. Wah'-h,
1712, auch Appendix duarum dissertationum sub praes. Cellarii habita-
rum: 1. de excidio Sodomae, auctore J. G. Baiero, 2. de Patmo Lutheri
in arce Wartburg adv. Card. Pallavicinum aliosque historiogra-
phos romanenses, auct. Aug. Antonio. — Von Jo. Wolfg. Jaeger
(1647 — 1720) wurden nicht gerade alle Schriften verb., aber 1721
Opuscula varia theol., 1716, und Historia ecclesiastica cum paral-
lelismo profanae, in qua conclavia Pontificum Rom. fideliter ape-
riuntur et sectae omnes recensentur ... ab a. 1600—1710, 2 Fol.,
1709. 1717; 1725 Systema theologicum, 1715. — Von Jo. Ben.
Carpzov (I 1607- -57) ist nur Isagoge in libros ecclesiarum luther.
symbolicos, 1655, verb. 1679. Das Buch, worauf unter demselben
Namen verwiesen wird: Wilh. Schickardus (1592 — 1635), Ins regium
Hebraeorum, cum animadvcrsionibus et notis Jo. Ben. Carpzovii, 1674,
verb. 1678, ist von seinem gleichnamigen Sohne (1639 — 99) herausge-
geben. Sonst steht von allen Carpzoven nur der Jurist Benedict II., dieser
allerdings mit 7 Büchern, im Index. — Von Jo. Fabricius (1644
— 1729) steht im Index nur Oratio inauguralis de utilitate, quam
theologiae studiosus ex itinere capere potest italico. Adjectis tabula
figurarum seu locorum, quibus nonnulla de graecae et rom. ecclesiae
ritibus dicta oculis subjiciuntur, et notis, 1678, verb. 1679 (die
Rede ist gehalten, als Fabricius, nachdem er einige Jahre Prediger
1) Werner, bJuarcz 1, 34. Backer 1, 62. 284 u. s.
Deutsche protestantische Theologen. 109
der evangelischen Gemeinde in Venedig gewesen, Professor in Alt-
dorf wurde), von dem Philologen Jo. Albert Fabricius die Biblio-
graphia antiquaria Ed. 2., 1716 (zuerst 1713), verb. 1721, — nicht
die Bibliotheca ecclesiastica, 1718, — und Salutaris lux evangelii
toti orbi per div. gratiam exoriens (eine Art Missiousgeschichte).
Accednnt epistolae ineditae Juliani Imp., Georgii Habessini Theo-
logia aethiopica nee non index geographicus episcoporum, 1731,
verb, 1737. Ben. hat bei beiden Schriften d. c. beigefügt. Gleichzeitig
mit dem letzten Buche wurde verb. des Holländers Franc. Fabricius
Orator sacer. Acc. heptas dissertationum theologico-oratoriarum, 1733.
Von Jo. Val. Andreae (1586 — 1654) steht im Index nur
Mythologiae christianae 11. 3, 1619, 12., von Otto Casmaun (t 1607)
nur Rhetoricae tropologiae praecepta, von Jo. Hülsemann (1602
— 61) nur De ministro consecrationis, von Matthias Martini (f 1630)
nur Lexicon philologicum, verb. 1628 und nochmals 1662, seine
Epitome s. theologiae erst 1737 als Anhang zu Nie. Gürtleri In-
stitutiones theol., 1732; von Jo. Micraelius (1597 — 1658) nur
Ethnophronius . . . contra gentiles, 1637; von Jo. Georg Pritiue
nur Oratio inauguralis, 1699, merkwürdiger Weise noch in dem-
selben Jahre von der Inquisition verb.; von J. A. Uuenstedt (1617
— 88) ausser dem Dialogus (S. 80) nur Sepultura veternm s. tract.
de antiquis ritibus sepulcralibus; von Tobias Wagner nur Examen
elencticum atheismi speculativi, 1677, verb. 1703. — Auch von Jo.
Mich. Dilherr, Jo. Conr. Durrius, Chr. Gottl. Joecher, Jo. Musaeus,
Jo. Saubert, Conr. Sam. Schurtzfleisch, J. G. Walcli stehen nur
einzelne wenig bedeutende Schriften im Index.
Von den bekannteren dogmatischen Lehrbüchern stehen im
Index nur die von Conrad Dieter ich (Institutiones catecheticae,
zuerst 161o, verb. 1666), Nie. Gürtler (Institutiones theol., zuerst
1694, die Ausgabe von 1721 verb. 1747; Synopsis, 1715, verb.
1742), Jo. Fried. Koenig, Amandus Polanus, flÖlO, Marcus Frid.
W^endelinus, Jo. WoUebius (Compendium, zuerst 1626, die Genfer
Ausgabe von 1666 verb. 1718); — von den bedeutenderen exegetischen
Schriften nur: Sal. Glassius, Philologia sacra, zuerst 1623, die
Ausgabe von 1668 verb. 1737; Th. Hacspan, Miscellanea sacra,
1660, verb. 1714; Aug. Pfeiffer, Dubia vexata, 1679 (von diesem
auch Actio rei amotae contra papam in puncto subtracti calicis,
1686, gegen die Jesuiten Arnoldus Angelus und Georg Hiller) ;
Thesaurus theologico-philologicus s. sylloge dissertationum ad . . .
V. et N.T. loca . ., Amst. 1702 2 Fol. (der Herausgeber ist Gottfr.
Menthen; der Thesaurus novus von Hase und Iken, 1732, 2 Fol.,
Baumg. 8, 430, steht nicht im Index).
Nicht Seckendorfs Commentarius de Lutheranismo steht im
Index, aber das von ihm u. a. bearbeitete Compendium historiae
ecclesiasticae ... in usum gymnasii Gothani, 1666—70 u. s., verb.
1690 (Fabricius, Hist. B. 6, 226). Ferner stehen im Index: Jo.
Pappi Epitome hist. eccl. ed. Henr. Kipping (S. 67), von Kipping
auch Methodus nova juris publici, 1672, verb. 1709, und Antiqui-
tates romanae, 1713, verb. 1739; Concilia illustrata . . . una cum
110 Deutsche protestantische Theologen.
hist. haereseon et schismatum . . necnon colloquiorum . . ., Jo. Lud.
Ruelius coepit, J. L. Hartmannus contmuavit, 1675, 4 vol. 4.
(Winer, Handb. 1, 659); Sev. Walther Slüter, Propylacum histo-
riae christianae, 1696 (Winer 1, 531). — Jo. Caspar Suiceri
Thesaurus ecclesiasticus, 1682, wurde erst 1727 verb., Symbolum
Niceno-Const. expositum 1718, schon 1721. — Von den Schriften
über kirchliche Alterthümer sind xu erwähnen: Andr. Wilkius,
EoQVoygaffia, Pars prior festa christianorum oecumenica continens
. . . ed. Georgius Hessius, 1646; Pars posterior posthuma, festa
XTT apostolorum continens . ., 1676, verb. erst 1737; Henr. Rixner,
De institutis ac ritibus veterum christianorum circa s. eucharistiam
etc., 1671 (Fabricius, Hist. B. 5, 364); Petrus Zornius (in den
neuesten Indices Zoinius s. Zornius), Hist. eucharistiae infantium,
1736 (über seine anderen Schriften Fabricius 6, 431).
Von den zahlreichen bei (xelegenheit des Reformationsjubilaeums
1617 erschienenen Schriften steht im Rom. Index nur Theologorum
quorundam in electoratu Saxoniae Epistola invitatoria ... de ju-
bileo Lutherano . . . solemniter celebrando (im span. unter Academia
eine Anzahl von Universitätsschriften). Mit dem Zwingli-Jubilitura
hängt vielleicht zusammen Oratio solemnis a. 1623, Tiguri typis
Am berger., verb. 1624. — Von Schriften, worin solche, die Pro-
testanten geworden, ihren Uebertritt rechtfertigen, finden sich im
Index nur Jac. R ei hing (früher Jesuit in Ingolstadt, f 1628; s.
Backer s. v.), Laquei pontificii contriti, Tüb. 1621, verb. 1622, und
Mich. Litsich (Otho antea dictus, Benedictiner in Salzburg), Dc-
clamatio in li belli repudii vicem hodiernae jesuitico-pontificiae eccle-
siac data, dicta in univ. Argentor. Accedit comm. et Synopsis no-
vorura doctrinae fructuum jesuitico-romanae ccclesiae, Strassb. 1665,
16., verb. erst 1700.
Ausser den bereits erwähnten polemischen Schriften stehen im
Index: Jo. Fecht (t 1716) Disquisitio de judaica ecclesia, in qua
facies ecclesiae qualis hodie est et historia per omnem aetatem [et
parallelismus cum ecclesiis Papaea, Calvinistica et syncretica bre-
vitcr] exhibetur. Fd. 2. Argeut. 1670, verb. 1703. Die späteren
Streitschriften, z. B. Tractatio hist.-theol. de origine et superstitione
missarum in honorem sanctorum celebratarum (gegen Bossuet, Dez,
Grancolas), 1707, De cultu imaginum et reliquiarum, 1713, sind
nicht verb. — Anton (jünther Fritz ( Jurist j. Ad Jacobi Masenii
Jesuitae Meditatam concordiam [protestantium cum catholicis in una
confessione fidei ex s. scriptura, Köln 1661] considerationcs politicae
30, [in quibus novae fraudes, pericula, consilia, iniqui ausus Jesui-
tarum toti orbi exhibenturj, 1666, verb. 1700; — Valentin Leg-
daeus, Disputatio de idololatrico corporis Christi festo, verb. 1621
(erst Ben. hat den Namen des Verfassers beigefügt) ; Tractatus hist.-
theol. de festo corporis Christi von Jo. Zwinger, Basel 1685 (Bayle,
Nouv. 1686) steht nicht im Ind.; — Jo. Seb. Mitternacht, Ilexaß
dissertationum de putidissimis papaeorum fabulis, cum appendice de
abdominanda barbarie, quae rem literariam ante Lutherum foeda-
verat, verb. 1677, — Henr. Nicolai, Miscella theol. de sancti-
Deutsche protestantische Theologen. 111
monia, bonis operibuB, loquendi et sentiendi modis in illis et super-
stitiosis quibußdam festis, verb. 1654. H. Nicolai, seit 1630 Lehrer
in Danzig, hatte durch sein 1645 erschienenes Irenicuni, worin er
vorschlägt, mit Vermeidung der tricosi termini zu dem einfachen
Bibelworte, dem apost. Symboluni und dem Bekenntnisse der drei
ersten Jahrhunderte zurückzukehren, auch von Seiten der Lutheraner
Angriffe hervorgerufen (Tholuck, Vorgeach. 2, 2, 87); — Melchior
Nicolai, Jubar coelestis veritatis in medio tenebrarum papisticarum
rutilans, verb. 1G69 ; andere Streitschriften bei Walch 2, 304; —
Anton Reiser (1628 — 86), S. Augustinus veritatis evangelico-ca-
tholicae testis et confessor contra Bellarminum et alios scriptores
papaeos vindicatus, 1678, Brevis apologia pro epistola quadam con-
solatoria in gratiam S, Aletheae scripta et edita a. 1674; — Jo.
Adam Scherzer (1628 — 83), Breviculus theologicus, 1678, Anti-
Bellarminus s. in 4 tomos controversiarum . . Bellarmini disputa-
tiones academicae, 1681, (Baillet 6, 25); — Mich. Siricius, Os-
tensio fundamentalis abominationuni Papatus circa religiosum crea-
tnrarum cultum, una cum praef. et supplemento Val. Alberti, 1686
(A. E. 1687), verb. 1693; der Verf., Secretär des Herzogs von
Mecklenburg, wurde 1687 zu Hamburg katholisch (Eäss, Convert.
8, 366); — Gerhard Titius (1620—81, College G. Calixt's in
Helmstedt), Ostensio summaria, ,quod Pontificii dogmata sua sibi
peculiaria non possint unanimi scriptorum eccl. e quinque priori bus
saec. superstitum consensu probare, 1658, verb. 1709; — Adam
Tribbechovius, De doctoribua scholasticis et corrupta per eos di-
vinarum hnmanarumque rerum scientia, 1665, verb. 1703. — Dispu-
tatio theologica de necessaria secessionc ab Eccl. Kom. quam auspice
Spiritu S. sub praes. Jo. Caap. Wolphii amicae disquisitioni sub-
jicit Jo. Fort. Peracheras, Zürich, 1705, verb. von der Inq. (!)
1707. — Hieher gehört auch die anonyme Schrift von Christian
Eehbold, Salomon et Marcolphus Justiniano-Gregoriani (der end-
lose Titel steht vollständig bei Placcius, Anon. 235), auctore J X ^^
Frcf. et Drcsdae 1678, 126 S. 8., verb. erst 1714; in der Vorrede
wird als Zweck angegeben : ut (lectores) abominandas Ecclesiae Kom.
doctrinas dijudicare possint et ex animo istas angue pejus odio pro-
sequantur.
Als Beispiele von unbedeutenden Sachen, die im Index stehen,
mögen angeführt werden: Chr. Feustelii Misccllanea . . de phra-
seologia et emphasi biblica ad Val. Em. Loesclierum. Accedit Loe-
ficheri responsio de statu progresKU(jue scriptorum a se promissorum,
1715 (von Loescher sonst nichts im Index); Exercitatio acad. de
vnlncribus Christi, cujus theses sub praes. Jo. Sauberti defendet Jo.
Faes; Jo. Frid. Kocher Dissertatiunculae de sanguine Jesu Christi,
1697, verb. 1734; Caroli Lud. Stromeyeri, HS. Theol. Studiosi
(so in dem Decrete), Dissert. theol. divinitatem Christi ex oeconomia
gratiae demonstrans, habita sub praos. I). Jo. Frickii, Ulm 1716.
Andere derartige Sachen, deren Titel abzuschreiben sich nicht der
Mühe lohnt, findet nnin unter Chrjdi. Arnoldus, Bosius, Corthymius,
Genselius, Gundling, Kirchmeier, Knibbe, Jo. Nicolai, Noldius,
112 Deutsche protestantische Theologen.
Raupp, Romswinckel, Rudrauff, Statins, Stoeckmann (lies: Stock-
mann ),Thad(laeu8, Thilo, Ursinus, Wokenius ^). — Neben den Deutschen
mag hier der Däne Thomas B a n g i u s erwähnt werden, von dem
Coelum orientis et prisci mundi . . ., Havniae 1657, über das Bach
Henoch und andere Apokryphen (Clement 2, 403), 1659 verb. wurde,
Der Schwärmer Joh. Wilh. Petersen (1649—1727, R.-E. 11.
499) steht nicht im Index, aber ein von ihm gelobtes Buch, Andreae
Rallii Halcyonia ecclesiarum evangelicarum s. de regno Christi
glorioso in terris, Genf 1659 (Fabricius, Hist. B. 6, 436), und eine
Widerlegung seiner Schrift „Geheimniss des Erstgeborenen aller
Creaturen", 1711, von Lud. Melchior Fisch lin, Mysterium primo-
geniti omnis creaturae, 1715 (der vollständige Titel füllt in den
älteren Indices 10 Zeilen; s. Walch, 2, 833). — Dagegen kam ein
anderer Schwärmer, Hans Engelbrecht (R.-E. 4, 227), freilich erst,
als er vergessen war, in den Index: Divine vision et revelation des
trois etats, Teccleeiastique le politique et Toeconomique, laquelle
moy, Jean Engelbert de Brouswic, ay vue de mes yeux et vcillant,
etant a Winsem au pays de Lunebourg Tan 1625. Ecrito pour une
seconde fois a Embden Tan 1640 par Tautheur meme et trad. en
frangais, Amst. 1680, verb. 1714.
Das Verfahren der Index-Congregation unter Benedict XIV.
(1740 — 58) unterscheidet sich nicht wesentlich von dem frühem.
Der bedeutendste deutsche Theologe, der auf den Index kam, ist
Joh. Lor. Mosheim (1693 — 1755), von dem 1750—55 verb. wur-
den: Institutiones historiae christ. majores. Saec. I., 1739; Inst,
hist. Christ, antiquioris, 1737, und recentioris, 1741; Dissertationes
ad hist. eccl. pertinentes, 2 vol., 1733. 43 (diese mit d. c); Insti-
tutionum hist. christ. compendium auct. Jo. Pctro Miller, 1751.
Schon 1739 war die Uebersetzung des Buches von Cudworth (s. u.)
verb. Trotz dieser Verbote erschien eine italienische Uebersetzung
von Mosheims Kirchengeschichte von Roselli 1769 zu Neapel in 10
Bänden. Zaccaria p. 217 sagt davon: „Die Kirchengeschichte und
die kirchlichen Alterthümer können in der Hand von Protestanten
nur eine Waffe gegen die Wahrheiten der kath. Kirche werden. Es
ist darum zu verwundern, dass in Italien eine Uebersetzung der
Kirchengeschichte von M. gedruckt worden, noch dazu mit den
Noten des Engländers Archibald Maclaine. Hie und da sind freilich
Bemerkungen eines kirchlichen Revisors beigefügt; aber wie spärlich
1) Wahrscheinlich sind auch folgende Schriften von Protestanten
verfasst: Manuale catholicorum seu brevem compen<liiini verae, antiquissimae
et cath. doctrinae, in quo praecipua christ. roligionis capita ex solo Dei
vorbo perspiciie explicantur, verb. 1621; Acgidii Gcrnucho Breviarium
theolügicuni accuratiori mcthodo in forma definitionura conscriptum, Dan-
tisci 1680, verb. 1684; De salute christiana et philosophica, i. e. de
christianorum vera et philosophorum geiitilium, ut Hcrmctis Trismegisti,
Piatonis ete. falsa beatitudini» considoratioiies 34, authore J. S. P. L. Caea.
[Poeta Laureato Caes.?), verb. 1676.
Mosheim u. a. — Swedenborg. 113
und wie UDgenügend sind sie! Zudem pflegen solche Noten nicht
gelesen oder nicht beachtet zu werden. Am Ende übersetzt auch
noch jemand das abscheuliche Abrege de Fleury und meint mit
einigen Nötchen dem Bösen steuern zu können." Das Buch ist
nicht in den Index gekommen. — Ferner wurden verb.: Jac. Car-
povius, Theologia dogmatica, 1737; Jo. Frid, Stapf er, Institu-
tiones theologiae polemicae, ö vol. 8., 1743 — 47; Dan. Wytten-
bach, Tentamen theologiae dogmaticae, 3 vol. 8., 1747; Ericus
Benzelius (Erzbischof von Upsala, f 1743; im Index heisst er
Henricus), Syntagma dissertationum habitarum in academia Lundensi,
1746; Mich. Walther, Dissertationes theol. ed. C. G. Hofmann;
Chrph. Wollus, Hermeneutica Novi Foederis, 1736; Chr. Brunings,
De silentio S. Scripturae sive de iis, quae in verbo divino omissa
sunt, libellus. — Philosophiae Leibnitianae et Wolfianae usus
in theologia, auctore J. T. C, 1728, war schon 1739 verb.; 1758
¥nirde es nochmals verb. expresso nomine auctoris: Israel Theo-
philus Ganz. Sein Compendium theologiae purioris, 1752, verb. 1772,
steht im Index unter Israel Gottlieb Ganz. — 1742 wurde verb.
Jo. Gottfr. Hermann, Hist. concertationum de pane azymo et fer-
mentato in coena Domini, 1737, und 1757: Jo. Rud. Kiessiing,
Hist. concertationis graecorum et latinorum de transsubstantiatione,
1754 (dagegen: Herrn. Scholliner, Ecclesiae orient. et occid. con-
cordia in transs., 1756). Keine andere Schrift von Kiessiing steht im
Index, auch nicht die Exercitationes quibus Jo. Ghrys. Trombellii
dis8. de cultu sanctorum modeste diluuntur, 3 partes, 1742—46,
und von Gottlieb Wernsdorff nur Brevis et nervosa de indifferen-
tismo religionum commentatio. Acc. de authoritate librorum symb. diss.
Von den anderen protestantischen Gelehrten, mit denen Gard. Que-
rini Briefe und Streitschriften wechselte, Breitinger, Feuerlin, Rei-
marus, Schelhorn (N. Beitr. 1754, 558), ist keiner in den Index
gekommen, obschon Querini Ep. 439 z. B. von Schelhoms Amoe-
nitates sagt: quibus nihil catholicorum auribus inamoenius.
Unter Benedict XIV. erschienen zu Venedig von 1744 an die
ersten Bände des von Blasio Ugolini herausgegebenen Thesaurus
antiquitatum sacrarum (1765 mit dem 34. Bande vollendet; Baumg.
2, 510). Er enthält auch viele Schriften von Protestanten; aber in
der Vorrede heisst es: notis et dissertationibus ab omni labe emun-
data et emendata, praeterea haec loca nunc primum vel castigata
vel vindicata, quo magis legentibus caveatur, asteriscis etiam notata
ac distincta imprimenda pollicemur.
Schliesslich mag hier erwähnt werden, dass von Emmanuel
Swedenborg (1686 — 1772) die 1734 zu Dresden erschienenen
Opera philosophica et mineralia in tres tomos distributa 1739 verb.
wurden (Ben. hat dafür substituirt: Principia rerum naturalium
s. novoram tentaminum phaenomena mundi elementaris philosophice
explicandi etc.), dass aber kein anderes Werk von ihm im Index steht.
Iteiuoh, Index II. g
114 Holländische protestantische Theologen.
18. Holländisclie protestantisclie Theologen.
Die holländische protestantisch-theologische Literatur wurde
ganz ähnlich behandelt wie die deutsche; nur wurden ausser
lateinischen auch französische Schriften verboten. Conrad Vor-
stius, einer der fruchtbarsten Streittheologen, Gisbert Voetius,
Jacob Arminius, Franz Gomarus, Jo. Coccejus und viele andere
der bedeutenderen Theologen sucht man im Index vergebens;
von anderen wurden nur weniger bedeutende Schriften verboten.
Daneben findet sich eine Reihe von Schriften obscurer Autoren.
Ueber das Verbot einiger Schriften von Daniel Heinsius, Gerhard
Job. und IsaacVossius und Georg Hörn haben wir interessante
genauere Nachrichten.
1633 wurde Daniel Heinsius' AristarchuB sacer s. Exerci-
tationes ad Nonni metaphrasin in Joannem, 1627, mit d. c. verboten.
Lucas Holstenius (Epistolae ed. Boissonade p. 253) schreibt darüber
an Peiresc: er habe auf Befehl des Card. Franc. Barberini das Bucli
gelesen und das, was für Katholiken anstössig sein könnte, notirt;
das sei aber so wenig und unbedeutend und werde durch die vielen
vortrefflichen Bemerkungen so sehr aufgewogen, dass der Cardinal
auf seine Bitte den „Mönchen'* verboten habe, das Buch zu cen-
suriren. Wie die Thatsache zeigt, hat der Cardinal nur das unbe-
dingte Verbot hindern können. Das grössere Werk, Sacrarum exer-
citationum ad N. T. 11. 20, 1639, Fol., worin auch der Aristarchns
in vermehrter und verbesserter Gestalt aufgenommen ist, wurde 1646
unbedingt verboten. In demselben Jahre schreibt Holstenius an
G. B. Doni (a. a. 0. p. 361): der Sohn des Daniel Heinsius sei in
Eom sehr gut aufgenommen worden; das Verbot jener Bücher sei
gegen den Willen des Card. Barberini auf den Antrag und Bericht
des Gaudenzio Paganino erfolgt, che seppe trovare il pelo nell' ovo.
Von G. J. Vossius (1577—1649) wurde zuerst, 1624, verb.:
Consilium Gregorio XV. P. M. exhibitum per Michaelem Lonigunii
Sacro Vaticani Palatio et scripturarum monumentis digerendis tarn
in archivis ipsius Vaticani quam in Castro S. Angeli olim Prae-
fectum, de adhortando Ser. Maximilianum Bavariae Ducem ad pe-
tendam dignitatis electoralis nuper obtentae confirmationem a Sede
Apostolica. Juxta exemplar Arcenni editum, cui nunc praefatio et
censura accessit G. J. V. (1623, abgedr. im 5. Bande der Opera).
Lonigo räth, dem neuen Kurfürsten in geeigneter Weise vorzustellen :
die kaiserliche Gewalt werde vom Papste übertragen (dafür werden
19 Argumente angeführt), also müsse auch die kurfürstliche von
ihm bestätigt werden; geschehe dieses jetzt nicht, so würden die
Erben des frühern Inhabers derselben sagen können, sie sei ihren
D. Ileiusius. G. J. und Is. Vossius. 115
Ahnen nicht in legitimer Weise, weil ohne Zustimmung des Papstes
entzogen worden. Auf diese Schrift folgt noch eine kleinere, gleich-
falls mit polemischen Noten: Aphorismi de statu Ecclesiae restan-
rando, ex decreto et approbationc coUegii cardinalitii, collecti ex
Consilio Gregorio XV. exhibito per Mich. Lonigum, wonach die Car-
dinäle der Ansicht waren, nicht nur der Kurfürst von der Pfalz, son-
dern auch die von Sachsen und Brandenburg seien als Ketzer ihrer
Würde zu entsetzen. — 1654 wurden verboten Dissertationes tres de
tribus symbolis, apostolico, Athanasiano et Constantinopolitano, 1642,
worin Vossius zeigt, dass das erste Syrabolum nicht von den Aposteln
und nicht von einem allgemeinen Concil herrühre und bei den Griechen
nicbt in Gebrauch sei, dass das zweite nicht von Athanasius und
in das dritte das Filioque erst im 10. Jahrh. eingeschoben sei. —
In einem Decrete vom 2. Juli 1686 wurden noch zwei Schriften von
G.J. Vossius und 10 von seinem Sohne Isaac (1618 — 89) verboten,
von ersterm: Theses theologicae et bist, de variis doctrinae christ.
capitibus, 1658 (u. a. über gute Werke, Anrufung der Heiligen,
Eucharistie, Gebete und Opfer für Verstorbene), und Harmoniae
evangelicae de passione, morte, resurrectione et ascensione J. C.y
1656 (nach Vossius' Tode von Fr. Junius herausgegeben, rein exe-
getisch), von letztenn: De septuaginta interpretibus eorumque trans-
latione et chronologia dissertationes, 1661, 4. ; Chronologia sacra ad
mentem veterum Hebraeorum; Dissertatio de vera aetate mundi, 1659,
nebst den beiden noch in demselben Jahre erschienenen Vertheidi-
gungen, Castigationes ad scriptum G. Hornii und Auctarium castiga-
tionum etc.; Ad V. Gl. Andream Colvium epist., qua refelluntur ar-
gumenta, quae diversi scripto de aetate mundi opposuere ; Eesponsio
ad objecta Christiani Scotani; De lucis natura et proprietate, 1662;
De Sibyllinis aliisque, quae Christi natalem praecessere, oraculis;
accedit responsio ad objectiones nuperae criticae (von R. Simon), 1680,
endlich die Ausgabe der Briefe des Ignatius (s. u.). — Mabillon,
der 1686 in Rom war (S. 12), wurde von der Index-Congr. beauf-
tragt, ein Gutachten über die Schriften von Isaac Vossius abzugeben.
Dieses ist in seinen Opera posthuma ed. V. Thuillier, 1714, 2, 59
gedruckt und lautet im wesentlichen so: Er höre, dass das Verbot
der Schrift über die Chronologie der Septuaginta schon beschlossen,
aber noch nicht publicirt sei; es handle sich also darum, ob jetzt,
nachdem Vossius seine Ansichten gegen Georg Hörn u. a. verthei-
digt habe, seine Schriften oder die seiner Gegner oder beide zu
verbieten seien. Vossius lehre: 1. die Sept. sei dem jetzigen hebr.
Texte, 2. ihre Chronologie der des hebr. Textes [und der Vulgata]
vorzuziehen ; 3. die Sündfluth habe nur den von Menschen bewohnten
Theil der Erde überschwemmt. Die beiden ersten Ansichten seien
unbedenklich, da Vossius der Vulgata nicht zu nahe trete und die
Kirche der Chronologie der Sept. in den ersten vier Jahrhunderten
gefolgt sei und im Martyrologium noch folge ^). Die dritte Ansicht
1) Reuseh, Bibel und Natur S. 513.
116 Holländische protestantische Theologen.
Bei bisher nur von Einem (Stillingfleet) in der Synopsis criticorum
(von Polus) vorgetragen, aber von keinem Katholiken, nur von
Heterodoxen angegriffen worden, welche die kath. Kirche heftiger
angefeindet als Vossius, namentlich von Hörn, der diesem vorwerfe,
er folge den Pontificii, und der die kath. Kirche und die Päpste in
unverschämter Weise verhöhne. Die Meinung des Vossius könne
also geduldet und von einer Censurirung derselben abgesehen werden.
Sie sei ja auch schon vor 35 Jahren vorgetragen worden und habe
nicht unter den Katholiken, sondern nur unter den Haeretikern
Streitigkeiten hervorgerufen; es sei besser, diesen ruhig zuzusehen
als sich darin einzumengen. Wenn man die Ansicht hätte censuriren
wollen, hätte es früher geschehen müssen ; auch Hörn schweige seit
27 Jahren. Wenn die Ansicht des Vossius neu sei, so werde sie
ja schon darum von den Katholiken als verdächtig angesehen werden,
weil sie von einem Haeretiker ausgehe. Wenn aber die Congre-
gation die Meinung des Vossius censuriren wolle, müssten auch die
Schriften von Hörn wegen ihrer Schmähungen gegen die Päpste
verboten werden. Die Index-Congregation nahm natürlich diesen
eventuellen Antrag an und verbot neben der Schrift von Vossius
auch von Hörn (sonderbarer Weise nicht die erste Streitschrift,
Dissertatio de vera aetate mundi, 1659, aber die in demselben Jahre
erschienenen) Defensio dissertationis de vera aetate mundi contra
castigationcs Isaaci Vossii und Auctarium dissertationis etc. Sie
verbot in derselben Sitzung auch noch zwei Bücher von Jo. Leusdeu:
Philologus hebraeo-mixtus una cum spicilegio philologico continente
decem quaestionum centurias, 1663, und Philologus hebraeus con-
tinens quaestiones hebraicas, quae circa V. T. hebraeum fere moveri
solent, 1672 (zuerst 1656). Im J. 1742 wurde eine zu Basel 1739
erschienene neue Ausgabe dieser beiden Bücher und Philologus
hebraeo-graecus continens quaestiones hebraeo-graecas, quae circa N.
T. graecum fere moveri solent, zuerst 1670 gedruckt, verb. — Erst
1718 wurde verboten Ger. Jo. Vossii De theologia gen tili et phy-
siologia christiana s. de origine ac progressu idololatriae 11. IX. Editio
nova, quorum 4 libri priores ab authore aucti etc. Amst. 1668.
Schon 1619 wurde verb.: Judicium synodi nationalis refor-
matarum ecclesiarum Belgicarum habitae Dordrechti a. 1618 et
1619, und 1621 : Synodi Dordracenae et eorum, qui illi prae-
fuerunt, in Belgii Remonstrantes quos vocant crudelis iniquitas ex-
posita mit dem Zusätze (Alex. No. 23): prohibetur sicut ipsa synodus
Dordracena, von Ben. mit Rücksicht auf Decr. gen. I, 8 weggelassen.
Später kamen noch in den Index: Apologie pour le synode de
Dordrecht ou refut. du livre: L'impi6t6 de la morale des Calvinistes,
Genf 1679, verb. 1681, und Jo. Haies ii Hist. concilii Dordraceni,
J. L. Moshemius vertit, variis observationibus et vita Halesii auxit,
1724, verb. 1750 (John Haies, f 1656, hatte mit dem englischen
Gesandten der Synode beigewohnt; R.-E. 5, 552). — Sot. hat die
Subscriptores conciliabuli Dordrechtani in die 1. Cl. gesetzt, p. 434.
907; vgl. I S. 326.
Von Phil. Lira horch (1633—1712) stehen im Index: Histo-
Holländische protestantische Theologen. 117
ria inquisitionis, 1692, von der Inq. verb. 1694, Theologia chri-
Btiana ad praxim pietatis ac promotionem pacis christianae nnice di-
recta, 1700 (die erste vollständige Theologie der Arminianer, zuerst
1686), verb. 1727, und De veritate religionis Christ, amica coUatio
cum judaeo erudito [Isaac Orobio aus Sevilla], zuerst 1687, dann
Basel 1740, verb, 1749 (Paquot 1, 553), — von Ant. van Dale
(Mediciner, Anabaptist, 1638 — 1708) De oraculis ethnicorum diss.
daae, 1683, dann 1700 (er bestreitet den dämonischen Ursprung
des Orakelwesens; Bayle, Oeuvres 1, 4), und Dissertationes de
origine et progressu idololatriae et superstitionum. De vera et falsa
prophetia et de divinationibus idololatricis judaeorum, 1696, beide
verb. 1737 (letzteres in den Indices so gedruckt, als ob es sich
um zwei Bücher handelte). — Von den meisten steht nur je ein
Buch im Index: von Abr. Heidanus (van der Heyden, 1597
— 1678) De origine erroris 11. 8, 1678; Steph. Le Moyne (1624—89),
Varia sacra s. sylloge variorum opusculomm graecorum ad rem
ecclesiasticam spectantium (A. £. 1686; der 1. Band handelt u. a.
über Ghrys. Ep. adCaesarium, s. u.); Jo. Laetus (de Lact), Com-
pendinm historiae univ. civilis et eccl., tam romanae quam prote-
stantium 1669, verb. 1727.
Jo. Coccejus (1603 — 69) steht nicht im Index , aber einige
Schriften seiner Anhänger Wilh. Momma, Herm. Witsius und
Campegius Vitringa, — von diesem Typus theologiae practicae,
1716, und die Uebersetzung : Essai de thiol. pratique . . . trad.
par M. de Limiers, 1719, — ferner Prodromus corporis theolo-
giae, qua tota fidei ac morum doctrina, bist., item prophetia methodo
pariter et verbis sacns asseritur, 1682 (nach Placcius Anon. 104
von dem Coccejaner Gerhard van der Meulen), und Examen judicio-
rum de Prodrome . . . ., 1684, verb. 1709. — Von Vitringa's
exegetischen Schriften, die doch manches Anstössige enthalten, steht
keine im Index; aber Jo. Braun, Vestitus sacerdotnm hebraeo-
rum, 1680.
Von den scharf polemischen Schriften des Sixtinus Amama
(tl629) über die Bibel, besonders über die Vulgata, steht im Index
nur Antibarbarus biblicus libro 4. auctus, 1656. (zuerst 1628), verb.
erst 1709. Andere polemische Schriften, die im 17. Jahrh. verb.
wurden, sind: Arnoldi Montani Diatriba de esu carnium et qua-
dragesima Pontificiorum, 1668, verb. 1690; Herm. Ravensperger,
Via veritatis et pacis, 1614, verb. 1663; ferner die unter dem Na-
men Antipapius Lauterianus erschienene Schrift Meretricis Baby-
lonicae aureum poculum venenatum Ecclesiae propinatum hujusque
aotidotum . . ., Veritropoli 1689; — Epistola N. N. religionis
reformatae ministrorum ad perillustrem D. N. Legionis Batavae du-
cem in praesidio Bruxell. degentem, quae incipit: Non solum
strenue te agere in hello, von der Inquisition verb. 1693, — und
Folium qnoddam (also ein fliegendes Blatt) cum hac inscriptione:
Propositiones Belgio-unito-romanac ac papales, incipiens: Pecca-
tum non est, sacrificium Deo pollutis manibus sive in peccatum,
verb. 1666 und nochmals 1667 cum elucidationibns, cum quibus
118 Englische protcstantisoho Theologen.
fuit iterum impressnm. — 1742 wurden noch verb. Lettres d'un
theologien reforme k un gentilhomme Intherien par Armand de la
Chapelle, Paßteur de la Haye, Amst. 1736, gegen des Jesuiten
Scheffmacher Lettres d'un docteur allemand ä un gentilhomme et k
un raagistrat protestants, 1733 u. o. (Hurter 2, 968; von Haag s. v.
Boisbeleau mit Unrecht Chapelle abgesprochen).
Ferner stehen noch im Index: Justus Heurnius, De legatione
evangelica ad Indos capessenda admonitio (an die Curatores rerum
Indicarum, über die Ausbreitang des Christenthums in Indien),
Leyden 1618; — Caroli de Maets Sylva quaestionum insignium
philologiam . . ., potissimum vero theologiam spectantiam, 1650,
verb. 1663 (behandelt nach Bayle ausser anderen Casus auch die da-
malige Controverse, ob die Männer lange Haare tragen dürfen); —
Ch. Bonnefille, L'homme irreprochable en sa conversation, Leyden
1661, 12. Ebenso unbedeutende Sachen stehen im Index unter
Borremans, Broverius, Cremer, Gaillardus (eine Dissertation, worin
behauptet wird, Melchisedek sei Christus gewesen; Bayle, Oeuvres
1, 470), Timannus Gesselius (Med. Dr.), Holtius, J. B. Ottius, Vessel-
lius. Man kann sich wundern, im Index zu finden Cornelius A damus,
Exercitationes exegeticae de Israelis in Aegypto multiplicatione etc.;
aber Ben. hat den Titel staik abgekürzt; in den älteren Indices
steht er vollständig; er schliesst: malisque Komae paganae et ho-
diernae moribus, Gron. 1712.
Die interessante Briefsammlung lUustrium et clarorum virorum
epistolae selectiores superioris saeculi scriptae vel a Belgis vel
ad Beigas, Lugd. B. 1617, 8., wurde 1628 verb., weil unter den
200 Briefen viele theologischen Inhalts, von Haeretikern, Cassander
u. s. w. sind. Der in der Vorrede genannte Herausgeber Paul Ber-
tius wurde 1620 katholisch, f 1629 (Eäss, Conv. 4, 500). Harm-
loser ist Jo. Crucii Mercurius Batavus s. epistolarum 11. 5,
Amst. 1650 (dazu ein 1. sextus), verb. 1684,
19. EngHsche protestantische Theologen.
Englisch geschriebene protestantisch-theologische BUcher
kamen bis auf Benedict XIV. nicht in den Index ^). Von manchen
englisch geschriebenen Büchern wurden aber lateinische oder
französische Uebersetzungen verboten. In dem Index Alexan-
ders VII. ist die Zahl der Werke englischer Theologen noch
nicht gross; — 1634—63 wurden keine verboten; auch später
1) Die unter Cleitron, Osbom, Pliilaletbes und Philopenes stehenden
Bücher werden anderswo besprochen.
Th. James. Usscrius. Casaubonus. 119
mitunter in 5— 8 Jahren keine; — erst von 1676 an werden sie
zahlreicher. Während manche Bücher, die man am ersten im
Index zu finden erwarten sollte, nicht darin stehen, — z. B. Re-
formatio Ecclesiae anglicanae quibus gradibus inchoata et per-
fecta Sit, London 1603, Fol., eine Sammlung der wichtigsten
Actenstücke und Tractate (Clement I, 337), E. Browns Ausgabe
des Fasciculus (I S. 347), und die polemischen Schritten des
Bischofs Hall (f 1656, s. Bayle), von denen mehrere aus dem
Englischen ins Französische übersetzt, einige lateinisch erschie-
nen sind, — sind Schriften verboten, die nur wenig Anstössiges
enthalten, wie einige von dem frommen Naturforscher Robert
Boyle) 1627 — 91, dem Stifter der Boyle-Lectures, und einige be-
deutende Werke über archäologische und biblische Materien,
die, wie Waltous Polyglottcnbibel und R. Polus' Synopsis criti-
corum, nur von Fachgelehrten gebraucht, von diesen aber kaum
entbehrt werden konnten.
1603 wurde verboten Ecloga Oxonio-Cantabrigensis tributa
in libros duos, opera et studio T. J., d. i. Thomae James, London
1600,* 4., ein Verzeichniss von Manuscripten, mit scharfen polemi-
schen Zuthaten, von Possevino in einem Anhango zu seinem Appa-
ratus kritisirt (Baillet 2, 208). Von den polemischen Schriften,
die James (1579 -—1626) herausgegeben (I, S. 556. 559), steht keine
im Index, nicht einmal Bellum Papale seu concordia discors Sixti V.
et Clementis VIII. circa Hieronymianam editionem, Lond. 1600, 4.
(1678, 8.; bei Sand, steht es). — Von Jac. üsserius (Usher, gest.
1655 als Erzbischof von Armagh) wurde schon 1616 (Alex. No. 14,
seit Ben. staht unrichtig 1709) verb. : Gravissimae quaestiones de
Christ, ecclesiarum in occidentis praesertim partibus ab apostolicis
temp. ad nostram usque aetatem continua successione et statu histo-
rica explicatio, 1613 (entschieden antipapistisch), dagegen erst 1709
die 1687 erschienenen zwei Bände : Britannicarum Ecclesiarum anti-
quitates, quibus inserta est pestiferae adv. Dei gratiam a Pelagio
Britanno in Ecclesiam inductae haereseos bistoria (der 2. Band ent-
hält die Grav. Quaestiones). Bei Sot. steht Usher in der 2. Cl.
mit den Grav. quaestiones, aber in dem Index von 1707 in der
1. mit der Bemerkung: antea per errorem positus in 2. cl., cum
fuerit perniciosissimus haereticus.
Isaac Casaubonus (1559 — 1614), der ja, obschon kein Eng-
länder, am passendsten hier eingereiht wird, ist erst nach seinem
Tode in den Index gekommen. 1598 schrieb er an Baronius über
die ersten Bände der Annales und Baronius sandte ihm 1599 den
8. Band mit einer freundlichen Antwort, worin er meint. Gas. „klopfe
an der Thüre der Kirche.** Einige Jahre später war in Rom das
Gerücht verbreitet, er sei katholisch geworden. Jedenfalls bemühten
120 Englische protestantische Theologen.
sicli Card, du Perron u. a., ihn für die katholische Kirche zu ge-
winnen, und Clemens VIII. soll ihm eine Pension von 1800 Kronen
angeboten haben. Noch 1603 schickte er Baronius chronologische
Berichtigungen, die dieser 1612 benutzte. Erst 1614 veröffentlichte
er seine Kritik des Baronius: De rebus sacris et ecclesiasticis exer-
citationes XVI ad Cardinalis Baronii prolegomena et primam aooa-
lium partem, 800 S. Fol., verb. 1624. Sein Plan, in ähnlicher
Weise die 12 Bände des Baronius zu kritisiren, ist nicht ausge-
führt ^). — Von einer aus Anlass des Streites zwischen Paul V. und
Venedig erschienenen anonymen Schrift des Cas. De libertate Eccle-
siae Über singularis wurden zu Paris 1607 15 Bogen gedruckt; die
Schrift wurde aber auf Betreiben des Nuncius unterdrückt (sie ist
auch nicht vollständig geschrieben), die fertigen Bogen wurden aber
1612 in Goldasts Monarchia I, 674 abgedruckt (Pattison p. 217.
Clement 6, 254). — Die Sammlung der Briefe des Cas., Epistolae
quotquot reperiri potuerunt. Adjecta est epistola de morbi ejus mor-
tisque causa deque iisdem narratio Eaphaelis Thorii, Hagae 1637, 4.,
wurde 1640 verb.
Unter Casaubonus steht seit Alex., noch heute im Index :
Isaaci Casauboni Corona regia, i. e. panegyrici cujusdam, quem
Jacobe I. Britanniae Kegi delinearat, fragmenta ab Euphormione
inter schedas rot; fiaxagirov inventa, collecta et in lucem edita, Lond.
1615, 128 S. 12., 1646 verb., eine von Caspar Scioppius fabricirte
Satire auf Cas., Heinrich VIII. und seine Nachfolger, von Clement 6,
355 als la plus infame satire que Ton ait jamais publice bezeichnet,
in Rom wohl nur verboten, weil der Name des Cas. darauf steht.
Es wurde ein Preis auf die Entdeckung des Verfassers gesetzt, und
schon 1639 nannte ein Brüsseler Buchhändler Scioppius als solchen
(Pattison p. 542).
Noch bei Lebzeiten des Cas. schrieb Richard Montagu (Mon-
tacutius), damals Fellow in Eton (1628 Bischof von Chichester,
1638 von Norwich, t 1641), der einen Theil des Manuscriptes von
Cas. gelesen hatte und wie sein Gönner H. Savile unzufrieden dar-
über war, dass sich Cas. auf die specifisch-theologischen Contro-
versen so wenig eingelassen, ein Buch gegen Baronius. Es wurde
aber auf Veranlassung des Erzbischofs Abbot vorläufig nicht ge-
druckt und erschien erst 1622: Analecta ecclesiasticarum exercita-
tionum (Pattison p. 350. 419). 1635 folgten: Antidiatribae ad
priorem partem Diatribarum J. Caesaris Bulengeri a<}v. Exercita-
tiones Is. Casauboni und Apparatus ad origines ecclesiasticas, 1636:
De originibus ecclesiasticis commentationum tomus I., und 1640 :
Qeav&Qwmxov s. de vita J. Chr. D. N., originum ecclesiasticarum
pars prior et posterior. Alle diese Schriften wurden erst 1714 verh.
— 1690 wurde verb. Antibaronius Magenelis seu animadversiones
in Annales Card. Baronii cum epitome lucnbrationum criticarum
1) M. Pattison, J. Casaubonus, 1875, p. 138. 162. 358.
Montacutius. Rivius. Saravia u. a. 121
Casauboni in tomi 1. annos 34. Auct. Andrea Magendeo, eccle-
siastica [sie] Benearnensi. Qnibufl accessernnt quaedam ad Baronium
animadversiones Davidis Blondelli, L. B. 1679, 143 S. Fol., ein
Bach, welches schon 1675 gedruckt war und von dem, weil es nicht
abging, 1679 eine Titelausgabe mit Beifügung der Keclame Quibus
access. etc. auf dem Titelblatt veranstaltet wurde (Bayle s. v. Blon-
del, Note E).
Im J. 1624 hatte Nie. Alemanni, Bibliothekar der Yaticana,
«n convertirter Grieche, mit einer Widmung an Card. Ludovisi die
Anecdota des Procopius aus der einzigen Handschrift in der Vati-
canischen Bibliothek herausgegeben, dabei die Glaubwürdigkeit
des Procopius nachzuweisen gesucht und so Justinian recht schwarz
gemalt. Ein englischer Jurist, Thomas Ryves (f 1651) schrieb
gegen ihn: Imperatoris Justiniani defensio adv. Alemannum. Auth.
Th. Rivio J. C, Regis in Anglia Advocato, Francf. 1628,* 111 8.
12. (nochmals edirt von J. Eichel, Heimst. 1654). Dass das Schriftchen
1638 verboten wurde, erklärt sich: Rivius hatte nicht nur Justinian,
der in Rom nicht günstig beurtheilt wurde (I S. 553), vertheidigt,
sondern auch von Papst Vigilius und anderen Päpsten harte Worte
gebraucht. In Rom nahm man aber auch übel, dass Alemanni über-
haupt angegriffen wurde. Als 1636 Elzevier eine neue Ausgabe des
Procopius veranstalten wollte, rieth L. Holstenius, man möge nicht
in der Weise wie Ryves gegen Alemanni polemisiren, sondern lieber
in dessen Noten durch Heinsius oder einen andern Gelehrten das
Anstössige streichen lassen^). In jüngster Zeit hat ein Römischer
Theologe, Aloys Vincenzi (in dem 4. Bande des Werkes In S. Gre-
gorii Nyss. et Origenis scripta et doctrinam nova recensio cum
appendice de actis Synodi Y. oecumenicae, Rom 1865) Justinian
gegen den Vorwurf der Gewaltthätigkeit und der schlechten Regie-
rung, namentlich der Elirche gegenüber, vertheidigt und sich dabei
vorzüglich auf Rivius berufen^).
Hadrian Saravia (von Hause aus ein Holländischer Calvinist,
gest. als Canonicus in Canterbury) hatte gegen Calvin und Beza
geschrieben De diversis ministrorum evangelii gradibus, 1561 (Lond.
1590); dagegen erschien 1562 eine Responsio von Beza, dann von
Saravia 1601: Defensio tractationis de div. . . contra responsionem
Th. Bezae; nur die letztere wurde 1618 verb. — Ausserdem wurde
in der ersten Hälfte des 17. Jahrb. noch verb. nagaaxevtj (in dem
Decret No. 25 und in den Index-Ausgaben vor Ben. steht Prascheni)
sive Praeparatio pacificationis controversiarum quae exortae statim
post 1000. a Christo annum in immensnm bis 600 elapsis annis
excreverunt. Per Jo. Gordonium Huntlaeoscotum, Ruppellae 1619.
Gegen eine andere Schrift dieses John Gordon Huntley schrieb der
1) L. Holstenii Epistolae p. 264. 493. Fabricius, Bibl. gr. VI, 266.
Dahn, Procopius, 1865, S. 470.
2) Th. Lit-Bl. 1866, 549.
122 Englische protcsianiischc Theologen.
Jesuit Georg Stengel : Antitortor Bellarminianus Jo. Gordonius Scotus
pseudodecanus et capellanus calvinisticufl . . . tonsus et pexus, Jngolst.
1611. Ein Jacob Gordon Huntley war Jesuit und schrieb Contro-
versiarum christ. ßdei adv. hujus temporis baereticos epitome, 1612
— 20 (Dodd 2, 422).
1669 wurden verb. Romae ruina finalis a.D. 1666 mundique
finis sub quadragcsimum quintum post annum, sive literae ad Anglos
Romae versautes datae (1693: Abomi nationes Papatus, s. invicta
demonstratio, Papam Rom. esse Antichristum, excerpta ex libro <mi
tit. : Romae ruina fin. etc. excuso Londini a. 1655 et 1656), und
das Buch Regii sanguinis clanior ad coelum adv. parrioidas angli-
canos, Haag 1652, 12., welches gegen Miltons Pro populo anglicano
defensio contra Claudii anonymi alias Salmasii defensionem regiam
(1649), London 1651, gerichtet ist. Der Verfasser desselben ist der
jüngere Pierre du Moulin, Canonicus in Canterbury; aber Alexander
Morus hatte es, ohne ihn zu nennen, mit einer von ihm unterzeich-
neten Dedication an Karl 11. herausgegeben. Darum schrieb
Milton: Defensio pro sc contra Alex. Mori librum Regii sang, etc.,
cui adjungitur Jo. Philippi Responsio ad Apologiam anonymi cujus-
dam tenebrionis pro rege et i)opulo augl. infamissimam (gegen
Gl. Bart. Morisot, Carolus I. a securi et calamo Miltonis vindicatus,
Dublin 1652), London 1654. Diese und andere über religiöse und
kirchliche Dinge handelnde Schriften Miltons (seine Werke wurden
1699 in 3 Folianten zuKammen herausgegeben) stehen nicht im Index.
Erst 1700 wurden verboten: Literae pseudo-scnatus anglicani, Crom-
welli reliquorumque perduellium nomine ac jussu scriptae a Jo.
Miltonof eine Sammlung der Schreiben an die auswärtigen Regie-
rungen, die er 1649 — 58 als Secretiir der republicanischen Regierung
für den Staatsrath oder den Protector verfasst hatte, London 1676,
12. (und ed. J. G. Pritius, Lpz. 1690) i).
1671 wurden gleichzeitig ein gegen die Presbyterianer gerich-
tetes Buch des anglicanischen Geistlichen John Dureil (1625 — 83)
und ein im Sinne der Presbyterianer geschriebenes des Leydener
Historikers Georg Dorn verboten. Ersteres heisst : Ecclesiae angli-
canae adv. schismaticorum criminationes vindiriae, London 1669, 4.
(nochmals als Hißt, rituum Ecclesiae angl. etc. 1672); von Dureil
ist auch die Uebersetzung des Common Prayer Book: Liturgia ß.
Über precum communium etc., London 1681, verb. 1714, — letz-
teres: Honorii Reggii [Kemnatensis] de statu Ecclesiae britannicae*
hodierno 1. comnientarius, una cum appendice eorum quae in synodo
Glasguensi contra episcopos decreta sunt, Dantisci 1647 (Weingarten,
Revolutionskirchen S. 4).
Von den beiden Geschiclitswerken von Gilbert Burnet (1643
— 1715, Bischof von Salisbury) wurde die französische Uebersetzung
verb.: Hist. de la Reformation de l'Eglise d'Angleterre, trad. . .
1) Baillet 5, 311. Hist. Taschenb. 1862, 321; 1853, 391. Diss. lite-
raria in scriptores anglicani regicidii bei Fleur. 78.
Milton. Burnct u. a. 123
par M. de Rosemond, Genf 1087, und Hist. des dernieres revolu-
tions d'Angleterre, 1728 (engl. Ilist. of his own times). Andere
Schriften von G. Burnet sind nicht verboten, auch nicht, obschon
gleichfalls ins Französische übersetzt, Some letters containing an
account of what seeraed most remarkable in Switzerland, Italy. etc.,
1686, von denen Germain bei Valery 2, 88 Ragt, sie enthielten
une Satire continuelle et des calomnies et des injures grossieres contre
la religion, les rites et les ceremonies de TEglise. — Von Thomas
Burnet (1635 — 1715) wurde erst 1734 verboten: Telluris theoria
Sacra, 1681, gleichzeitig mit den erst nach seinem Tode gedruckten
Schriften: De statu mortuorum et resurgentium, 1726, und De fide
et officiis christianorum nee non appendix de futiira Judaeorum
restauratione, Lond. 1727 *).
Von 1676 — 1757 wurden ferner verb. : Roberti BaiUii (Baillie,
Presbyterianer, f 1662) Operis historici et chronologici 11. 2 a crea-
tione mundi ad Constantinum Magnum, Anist. 1668, Fol. (über an-
dere Schriften von ihm s. Weingarten S. 4); — Guil. Beveregii
(Beveridge, Bischof von St. Asaph, f 1708) — viod/xor s. Pandectae
canonum ss. apostolorum et conciliorum ab Eccl. graeca receptorum
. . . Oxf. 1672, 2 Fol.; — Jos. Binghami Origines seu antiqui-
tates ecclesiasticae, ex lingua angl. in lat. vertit J. H. Griscovius,
Halle 1724—29, 10 vol. 4. (das Original war 1708— 22 erschienen);
— Jo. Pearsonis Episc. Cestriensis Expositio syniboli apost., juxta
ed. angl. 5. in lat. linguani translata, 1691, verb. 1709, J. Arnolds
Uebersetzung der seit 1659 oft gedruckten Exposition of the Creed;
— Les religions du monde ou demonstration de toutes les religions
et heresies, par Alex. Ross, trad. par Thomas La Grue, Amst.
1666, verb. 1676, eine Art Symbolik, die unter dem Titel A view
of all religions etc. zuerst 1653 erschienen war (deutsch von Chr.
Sixtus: Der Welt unterschiedlicher Gottesdienst, Heidelb. 1660); —
Rob. Sande rson, De conscientia seu obligatione conscientiae et de
jiiramenti promissorii obligatione praelectiones 7, 1647; De obliga-
tione conscientiae prael. 10, Ed. 2., 1686, verb. 1700; Sanderson
wird von Wood als der erste Casuist seiner Zeit bezeichnet (Blount
p. 1005); — Origines ecclesiasticae s. de jure et potestate ecclesiae
Christ, exercitationes, auth. Herberte Thorndicio [Thorndyke],
Westmon. Can., 1674, verb. 1709; ferner Guil. Outram, De sacri-
ficiis 11. 2 (de sacrificiis Judaeorum et gentium, de sacrificio Christi),
1677, und eine französische Uebersetzung von Predigten von W.
Sherlock, 1723, und von dem Erzbischof J. Tillotson von Can-
terbury (übers, von J. Barbeyrac), 1705, 5 vol 8. (diese enthalten
einige Angriffe auf die Papisten; Lechler, Deismus S. 146), und von
einem Buche des Londoner Pfarrers Lucas, La perfection du chre-
tien, 1740; endlich noch einige anonyme Schriften:
1) Clement 5, 437. Lechler, Deismus S. 867. Gegen De statu schrieb
Muratori De paradiso regnique coclcstis gloria nou exspectata corporum
resurrectione justis a Deo collata, Verona 1738. Mich, a S. Jos. 3, 326.
124 Englische protestantische Theologen.
Apologie de lav^ritable Theologie chr6t. ainsi qa'elle esttenue
et prech^e par le peuple appele par mepris les Trembleurs, tradnite en
frani^ais, 1702, von der Inq. verb. 1712. Es ist das Hauptwerk des ein-
zigen eigentlichen Theologen der Quäker, des Schotten Robert Bar-
clay (1648 — 92; er war zuvor in Paris katholisch geworden), wel-
ches schon 1676 lateinisch erschienen war: Theologiae verae
christianae apologia (Weingarten S. 364. Möhler, Symbolik S. 490).
Seine Catechesis et fidei confessio, 1676, und seine Works, Lond.
1692, Fol., stehen nicht im Index. In Spanien wurde 1764 eine
1710 zu London erschienene span. Uebersetzung der Apologia von
Antonio Alvarado verb. Schon 1708 wurde in Rom verb.: CoUu-
vies Quackerorum secundum ortum, progressum et dogmata mon-
strosa delineata , . Auct. Jo. Joa. Zentgrafio Argentoratensi,
Arg. 1665.
De antiqua ecclesiae Britannicae übertäte atque de legitima
ejusdem eccl. exemptione a Romano patriarchatu diatribe per aliquot
theses deducta, auth. J. B. S. Th. Prof., Amst. 1695, verb. 1709,
zuerst 1656 erschienen. Der Verfasser ist John Basire, Prof. in
Cambridge, t 1676. Er vertheidigt die Sätze: 1. die Rechte der
Patriarchen sind durch Gewohnheit entstanden , von den Concilien
bestätigt, von den Kaisern sanctionirt; 2. die englische Kirche ge-
hörte nicht zu den Suburbicar-Kirchen und stand darum zur Zeit
des Concils von Nicaea nicht unter dem Römischen Patriarchen;
3. sie hat jetzt ihre alte Freiheit wiedergewonnen; 4. sie ist, von
dem Römischen Patriarchen eximirt, nicht schismatisch, sondern um
so mehr katholisch, je mehr sie die alte katholische Freiheit ver-
theidigt (Fabricius, Eist. B. 5, 201). — Von Eduard Stillingfleets
(englisch geschriebenen) Werken steht keins im Index, obschon
Schelstrate gegen seine Origines Britannicae or the antiquity of the
British Church, 1685, 1687 zu Rom die Diss. de auctoritate patriar-
chali et metropolitÄua drucken Hess. Dagegen stehen im Index:
Historia symboli apostolici . . ., ex angl. sermone in lat. trans-
lata, Lips. 1706, verfasst von dem Juristen Peter King (1702),
tibersetzt von Gottfr. Olearius (Fabricius 1. c. 6, 477). — Rela-
tion de Paccroissement de la papaute et du gouvernement absolu
en Angleterre, particuli^rement depuis la longue Prorogation 1675 — 76
jusqn'ä präsent, 1730, Uebersetzung der 1678 erschienenen Schrift
(von Andrew Marvell, t 1678): An account of the growth of Po-
pery (das Parlament setzte damals einen Preis von 50 Pf. auf die
Entdeckung des Verfassers).
Von John Wilkins, Bischof von Chester, steht im Index nur
die 1638 anonym erschienene Schrift The discovery of a new world
or a discourse tending to prove that it is probable there may be
another habitable world in the raoon, in der französischen Ueber-
setzung: Le monde dans lune, divise en deux livres, le 1. prou-
vant que la lune peut ßtre un monde, le 2. que la terre peut Stre
une plannte, de la traduction du S. de la Montagne, Ronen 1655,
erst 1703 verb.
Von Brian Wal tons Biblia sacra polyglotta, 1657, die 1668
Walton. Polus. Seiden u. a. 126
verb. wurde, sagt E. Simon (Lettres 3, 122): „Wenn man die
Schriftsteller nicht kannte, welche an den Prolegomena gearbeitet
haben, könnte man leicht annehmen, das Werk sei von einem Katho-
liken herausgegeben; es hat auch bei allen Katholiken Beifall ge-
funden, selbst in Rom/' Das schreibt Simon 1692, nachdem das
Werk schon fast 30 Jahre verboten war^). Anderswo (Lettres 2,
275) berichtet er: die Theologen von Port Royal oder einige ihrer
Freunde hätten die Prolegomena übersetzt; die Uebersetzung sei
aber nicht gedruckt; die zu Lüttich 1699 erschienenen Dissertations
sur les Proleg. de Walton, eine freie und abgekürzte Uebersetzung,
piece pitoyable, seien nicht von ihnen und die Approbationen un-
echt. — Im span. Index wird doch nur der Apparatus biblicus
verb., die Polyglotte selbst expurgirt, und zwar werden ausser Elogia
haereticorum nur wenige Stellen, u. a. einige in der lateinischen
Uebersetzung des Targum, ferner die Capitelüberschriften in den
Evangelien, als nicht dem Gebrauch der kath. Kirche, sondern dem
Ritus der Ketzer entsprechend, gestrichen und bei einigen Stellen
die Beifügung der Note verordnet, der ketzerische Herausgeber habe
bei der Aufzählung der canonischen Bücher Tobias, Judith u. s. w.
malitiose ausgelassen.
Matthaei Poli (Pool, f 1679) Synopsis criticorum ... ex
recensione Jo. Leusden, Ultr. 1684 [ — 96, vorher London 1669 — 90
und Frcf. 1678], wurde 1693 verb.; die Critici sacri, Lond. 1660,
9 Fol., u. s., sind nicht verb.; auch nicht Pools englisch geschrie-
bene polemische Schriften. Im span. Index steht die Synopsis
nicht, wohl aber die Critici; sie werden in dem von 1707 p. 244
— 260 expurgirt und verordnet, an die Spitze zu schreiben : Das
Werk ist sorgfältig expurgirt, aber da es fast ganz ex auctoribus
haereticis compactum, cum magna cautela legendum. Gleichzeitig
mit der Synopsis wurde verb.: Humfredi Hody Contra historiam
Aristeae de LXX interpretibus dissertatio, Oxf. 1684, dagegen nicht
seine De Bibliorum textibus originalibus, versionibus graeca et lat.
vulg. 11. 4, 1705.
Von dem Juristen Jo. Seiden (1584 — 1654) stehen im Index:
De jure naturali et gentium juxta disciplinam Ebraeorum 11. 7,
1640, und De synedriis et praefecturis juridicis veterum Ebr. 11. 3,
1679 (zuerst 1650), verb. 1714; Uxor ebraica s. de nuptiis et di-
vortiis ... 11. 3 [zuerst 1646J. Ejusd. de successionibus ad leges
Ebr. in bona defunctorum 1. 1 [zuerst 1631], in pontificatum 11. 2
[zuerst 1636], Ed. nova, Frcf. 1673, verb. 1718. Man kann sich
1) In Simons Biographie vor den Lettres 1, 7 wird erzählt, er sei,
als er noch Orato rianer war, weil er die Polyglotte, die Critici sacri u. dgl.
im Zimmer gehabt, bei dem Ordens-General Senault wegen Lesens ver-
botener Bücher denuncirt worden. Der General habe seinen Rath ver-
sammelt und eine Untersuchung eingeleitet. Simon habe aber erklärt, er
habe von dem Erzbischof und seinem Superior die Erlaubniss zum Ge-
brauche jener Bücher und darauf habe man ihn in Ruhe gelassen.
126 Englische protestantische Theologen.
weniger darüber wundern, dass diese Bücher verb. worden, als dar-
über, dass es so spät geschehen; denn sie enthalten Digressionen
über kirchenrechtliche Fragen (z. B. De syn. 1 , 10), an denen man
in Hom Anstoss nehmen masste.
Von der oft gedruckten Geschichte der Juden (The Old and
New Test, connected in the bist, of thc Jews and neighbonring
nations, 1716) von Hnmphrey Prideaux (1648 — 1724) wurde
eine französische Uebersetzung 1732 mit d. c. verboten: Eist, des
juifs et des peuples voisins depuis la decadence des royaumes
d'Israel et de Juda jusqu'^ la mort de Jesus Christ, par M. de
Prideaux, Amst. 1712 und Paris 1724. Die Uebersetzung ist von
Brutel de la Rivi^re und du Soul. Der Ausgabe Paris 1726, 7
vol. 12., und 1742, 6 vol. 12., sind zwei Dissertationen des Jesuiten
Tournemine beigefügt, in welchen einige Punkte, die bei Katholiken
Anstoss erregen konnten, berichtigt sind. Diese Ausgabe hätte
also doch wohl freigegeben werden können. — Sonst stehen nocli
folgende exegetische Sachen im Index: Nie. Füller, Miscellanea
theologica, quibus non modo scripturae div., sed et aliorum classi-
corum auctorum plurima monimenta explicantur, 1612 u. o.; —
Eduard Leigh, In N. T. annotationes, 1650, erst 1737 verb.; —
Jac. Windet (Dr. med.) De vita functorum statu ex hebraeorum
et graecorum sententiis, cum corollario de tarturo apost. Petri, 1677.
Roberti Boyle, Nobilis Angli et Societatis Regiae membri
dignissimi, opuscula sequentia: Cogitationes de s. scripturae stylo,
Genf 1680; De amore seraphico seu de quibusdam ad Dei amorem
stimulis, Genf 1693; Summa veneratio Deo ab humano intellecta
debita ob sapientiam praesertim ac potentiam, Genf 1693, wurden
1700 verb.i)
Von den sehr scharf antipäpstlichen, aber nur englisch er-
schienenen Schriften von Michael Geddes steht keine im Index:
Miscellaneous Tracts in 3 volumes, 2. Ed. London 1714,* The Council
of Trent, 1714,* Several Tracts against Popery. Together with
the life of Don Alvaro de Luna, Lond. 1715.* — Nur im spa-
nischen, nicht im Rom. Index steht: Le passe-partout de TEglise
Romaine, ou histoire des troniperies des pretres et des moines en
Espagne, par Antoine Gavin, ci-devant pretre seculier de TEgl. Rom.
ä Saragosse et depuis 1715 ministre de TEgl. anglicane, trad. de
Tanglois par M. Jani^on, Londres 1727, 3 vol., zuerst englisch er-
schienen: A master-key to Popery in five parts . . ., 2. Ed., London
1725 (Pelayo 3, 98).
l) In dem Giern, de' letterati, Rom 1745, p. II steht Estratto della
vita di R. Boyle premessa all' cdizionc inglese di tutto le sue opere (Lond.
1744, 5 Fol., edirt von Th. Birch). Mich. a. S. Jos. 4, 76 sagt von ihm:
Quamvis haeresim ad mortem usque retiiiuerit, a controversiis a sectariis
agitatis penitus abhorruit christianiquc nominis dilatationem ardentiori zelo,
etsi non recta fido procuravit.
Französische protestantische Theologen. 127
20. Franzosische protestantische Theologen.
Die protestantisch-theologische Literatur Frankreichs und
der französischen Schweiz ist verhältnissmässig am stärksten
im Index vertreten, aber freilich, wie schon eine Vergleichung
pit dem französischen Index von 1685 zeigt, bei weitem nicht
vollständig verzeichnet. Von manchen bedeutenden Schrift-
steilem sind nur einzelne Bücher verboten, keines von Daniel
Chamier, Ben. Pictet, Jacques Cappel, Samuel Bochart (der
ausser seinen grossen biblischen Werken auch polemische ge-
schrieben, Clement 4, 388), u. a. Namentlich in der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts wurden, wohl in Folge der Denunciationen
des Nuncius, manche jetzt verschollene Sachen verboten. Auch
manche französische Schriften wurden erst lange nach dem Er-
scheinen verboten.
Namhafte Theologen, von denen einzelne Schriften verb. wurden,
sind: Jacques Abbadie (1654 — 1727): Trait6 de la verite de la
religion chr6tienne, in drei Theilen, zuerst 1684, die Ausgabe von
1688. 89 verb. 1700 und 1703, eine Apologie des Christenthums
gegen Atheisten, Deisten und Juden, nach Picot von Katholiken und
Protestanten gelobt, stellenweise aber polemisch gegen die Römische
Kirche. Seine anonyme Schrift La verite de la religion reformee,
1718, steht nicht im Index. — Von Pierre All ix (1641-1717),
„einem der gelehrtesten und fruchtbarsten Polemiker der französi-
schen reformirten Kirche** (R.-E. 1, 304), steht im Index unter seinem
Namen nur Dissertatio de trisagii origine, 1674. 1703 wurden aber
drei anonyme Schriften von ihm verboten, die noch jetzt ohne seinen
Namen im Index stehen: Dissertatio de Tertulliani vita et scriptis,
8. 1.; Diss. de conciliorum quorumvis definitionibus, s. 1.; Diss.
de sanguine D. N. J. C. ad epistolam 146. S. Aug., qua num adhuc
existat, exquiritur, s. 1. 1680. Gegen die letze Schrift erschien Dis-
quisitio theol. de sanguine corporis Christi post resurrectionem ad
ep. 146. S. Aug. Auetore Theologo Paris., Metropol. Senon. Eccl.
Decano [Jacques Boileau], Paris 1681, worin Allix als Verfasser
der Diss. bezeichnet wird^). Auffallender Weise wurde der von
Allix herausgegebene Trait6 d^un auteur de la communion romaine
touchant la transsubstantiation, Lond. 1686 (Bayle, Oeuvres 1, 745),
1) Nie. 12, 128. A. E. 1682, 331. 333. Es handelt sich um die Frage,
ob Aug. Ep. 146 (205) bezweifle, dass iu dem Leibe des Auferstandenen
Blat gewesen.
128 Französische protestantische Theologen.
nicht verh. — Isaac de Beaueobre (1659—1738, seit 1694 in
Berlin) : nur Histoire eritique de Manich^e et du Manich^isme, Amst
1734.39, 2 vol. 4. — Louis LeBlanc (t 1675): Theses theologicae
variis temporibus in academia Sedanensi editae, Sedan 1646, 4.;
die 4. Ed., London 1708, Fol., 1725 verb. i). — Benjamin de Dail-
lon (bis 1685 Prediger in Frankreich): Examen de Toppression des
reformez en France, oii Von justifie Tinnocence de leur religion, et
oü Ton prouve que la doctrine des demons signifie dans S. Paul le
culte que les payens rendaient anx morts, et qu'il n^^tait point diffe-
rent de celui que TEgl. Rom. rend aux saints, 1687, verb. 1709i
— Jean Graverol (1647 — 1718) nicht mit seinem Namen im Index, von
ihm ist Jo. Rolegravii Tractatus de religionum conciliatoribus,
Lausanne 1674 (gegen ünionsprojeete von d'Huisseau), verb. 1714,
und die anonyme Schrift L*Eglise protest. justifi^e par l'Egl.
Rom. sur quelques points de controverse, Genf 1682 (gegen eine
kleine Schrift von de la Tour-Daill^, an der Card. Le Camus ge-
holfen haben soll), verb. 1737. — Alex. Morus (1616—70): Causa
Dei 8. de scriptura sacra exercitationes Genevenses, verb. 1673. —
Casimir Oudin (1638 — 1717, Praemonstratenser, 1690 Protestant):
Commentarius de scriptoribus Ecclesiae antiquis, 3 tom. Fol., Lips.
1722. — Abraham Ruchat (1680—1750): Histoire de la refor-
mation de la Suisse, 6 vol., Genf 1727 (Lausanne 1835— 38, 8 vol.
8.), verb. 1732, gleichzeitig die pseudonyme Schrift: Les delices de
la Suisse, une des principales republiques de TEurope, par Gottlieb
Kypseler, 4 vol. 12., Leyden 1714. — Charles Marie de Veil,
ein von Bossuet bekehrter Jude, der erst katholischer, dann angli-
canischer Geistlicher, dann Anabaptist wurde: Explicatio literalis
evangelii sec. Mth. et Marcum, ex ipsis scripturarum fontibus, He-
braeorum ritibus et idiomatis et recentioribus monumentis eruta,
Lond. 1678, verb. 1721 «). — Noel Aubert de Verse, Katholik,
Calvinist, Socinianer, um 1690 wieder Katholik, f 1714*), nicht mit
seinem Namen im Index: von ihm sind die anonymen Schriften:
L^avocat des protestants ou traite du schisme dans lequel on justifie
la Separation des prot. d^avec TEgl. Rom. contre les objections des
Sienrs Nicole, Brueys et Ferrand, par le Sieur A. D. V., Amsterd.
1687, verb. 1709, und Le tombeau du Socinianisme, auquel on a
ajout6 le nouveau visionnaire de Roterdam etc., Francf. 1687 (Le
nouveau vis., gegen Jnrieu, war schon 168o allein erschienen), verb.
1714.
1687 wurde verb. Syntagma thesium in academia Salmn-
riensi disputatarum sub praesidio Lud. Cappelli, Mosis Amyraldi et
Josue Placaei, Saumur 1660 — 64, 4 vol. 4. Von M. Amyraut,
1) Fabricius, Hist. Bibl. 1, 345. Der Jesuit Adam behauptet, l^e Diane
sei katholisch geworden.
2) A. Bernus, R. Simon, p. 99. R. Simon, Lettres 1, 87.
3) Räss, Convertiten 8, 438. Haureau, Hist. litt, du Maine 4, 199.
Französische protestantische Theologen. 129
J. La Place and Louis Cappel steht sonst nichts im Index. Die
Critica sacra des Lud. Cappellus wurde 1650 von seinem katholisch
gewordenen Sohne Joannes herausgegeben und Petau, Morin und
Mersenne, welche das Buch corrigirten, erwirkten dafür ein könig-
liches Privileg, welches man in Rom in dem Buche eines Haeretikers
doch ungern gesehen haben soll (Simon, Lettres 1, 28).
1640 wurde verb.: D^claration du Sieur F. Clouet, cy-de-
vant appele P. Basile de Ronen, predicateur Capucin et Missionaire
da Pape, oü il d6duit les raisons qu* il a eues de sa Separation de
TEgl. Rom. pour se ranger k la reform^e, Sedan 1639, 12., und
sonst, auch holländisch und deutsch. Sein Journal du capucin, wel-
ches 1642 zu Poitiers verbrannt wurde, steht nicht im Index. Jar-
rige sagt in seiner Retractation 1650, Clouet sei seit zwei Jahren
wieder katholisch^). — Zu den theologischen Streitschriften gehört
auch eine 1646 verbotene Schrift des Genfer Juristen J. Lect
(1560-1611). Der französische Jurist Ant. Favre (1577—1624)
hatte in dem Codex Fabrianus definitionum foi'ensium et rerum in
Sabaudiae senatu tractatarum, Lyon 1606, Fol., die Genfer Theo-
logen angegriffen und das katholische Argument von der Praescriptio
geltend gemacht. Dagegen ist gerichtet: Jacobi Lectii adv. Codicis
Fabriani ra Tipciinx xaxöSo^a praescriptionum theologicarum 11. 2,
Genf 1607, 8.2). — In einem Decrete von 1624 (Alex. No. 29)
steht: Conformitä della chiesa Rom. con li gentili, liber gallice
conscriptus, dafür seit Ben.: Fran^. de Croy, Les trois confor-
mites, savoir Tharmonie et convenance de TEgl. Rom. avec le pa-
ganisme, judaisme et h^r^sies anciennes, 1605 (deutsch von J. J.
Grasser: Fr. Croii Heydnisches Papstthum u. s. w., 1607, U. N.
1727, 353; englisch 1626, Walch, Bibl. II, 371). Aehnliche spätere
Schriften sind: Trait6 des anciennes c^remonies, ou bist, conte-
nant leur naissance et accroissement, leur entr6e en TFgl., et par
quels degrez elles ont pass6 a la superstition, Quevilly 1637, 8.,
Amst. 1646 u. s. (der Verfasser nicht bekannt, der Herausgeber,
Jean Porre, nennt sich in der Widmung an Karl II.), verb. 1669;
Les Conformit6s des ceremonies modernes avec les anciennes,
Genf 1667 (von P. Mussard, deutsch von Hosmann: Vorstellung
der vor Zeiten aus dem Heidenthum in die Kirche eingeführten
Gebräuche, 1695, Walch 1. c), verb. 1668. —- 1609 wurde ver-
boten: L^Antechrist Romain oppose k TAntechrist juif du Card.
Bellarmin, du Sieur Remond et autres, s. 1. 1604; bei Ben. noch
richtig unter Antechrist, jetzt: Remond (du Sieur et autres), L'an-
techrist . . . Bellarmin, als ob die Schrift von dem eifrigen Anti-
calvinisten Florimond de Remond (1570—1602) und anderen gegen
Bellarmin geschrieben wäre.
1) Bä88, Convertiten 6, 237. Backer 5, 740. Hist. de Pedit de Nantes
2, 160.
2) Jagler 8, 66. Nie. 19, 293; 80, 185.
Banaoli, Index IL 9
130 Französische protestantische Theologen.
Andere kleine Schriften aus dem Anfange des 17. Jahrh. sind:
Apologie ou defense des chrätiens qni sont de la religion evang6-
liqne ou reformee, satisfaisant k ceux qui ne veulent vivre en paix
et Concorde avec eux; Trois table s espagnol-fran^aises: la 1. de
Tancienne doctrine de Dien et de la nouvelle des hommes, la 2. de
la C^ne et de la Messe, la 3. de TAntechrist et de ses marques, beide
verb. 1624; Comparaison de Tivangile du Pape avec l'6v. de J.
C. touchant la remission des pich^s et la consecution de la yie
etemelle (bis Ben.: Folium idiomate gallico conscriptum: Be com-
paratione etc.), verb. 1627.
Später wurden noch folgende anonyme Schriften verb.: Baume
de Galaad, ou le v^ritable moyen d^obtenir la paix de Sion et de
h&ter la delivrance de TEgl., 1687, verb. 1709, von G. Torman; —
Le cinqui^me empire, ou trait6 dans lequel on fait voir qn' il j
aura un cinquieme empire sur la terre, qui sera plus grand que
celui des Assyriens, des Perses, des Grecs et des Romains, Haag
1687, 12., verb. 1693, von einem Hugenotten, der beweisen will,
Rom und Frankreich würden bald untergehen (U. N. 1745, 515);
— Entretiens curieux ou dialogues rustiques entre plusieurs per-
sonnes de differens 6tats, composez d^un stile ais6 et familier pour
l'utilit^ de ceux de la religion reformee etc., Amst. 1683, verb.
1 685, schon früher erschienen unter dem Titel : Dialogues rustiques
. . . par J. D. M., Geneve, J. de Baptista 1649; vielleicht ist
Baptista auch der Verfasser (Reuchlin, Port Royal I, 315); —
Les entretiens des voyageurs sur la mer, Col. 1704, und 2. par-
tie, dans laquelle on traite de plusieurs affaires concemant Vitai
et la religion, Col. 1704, von der Inq. 26. Oct. 1707 verb. „ut 1.
cl." (S. 88), eine spätere Ausgabe, Col. 1717, verb. 1725. Das
Buch war schon 1683 erschienen; es enthält Gespräche auf einem
von Amsterdam nach Hamburg gehenden Schiffe über die Verfol-
gung der Hugenotten, das Papstthum, die Jesuiten u. dgl. Als Ver-
fasser wird Gedeon Flournois bezeichnet. 1740 erschien eine Aus-
gabe in 4 vol. 12.^). — De r^tat de l'homme apr^s le pÄch6 et de
sa Prädestination au salut, Amst 1684, verb. 1725, von Charles
Le Cene (1647—1703), enthält nach Bayle, Oeuvres IV, 613 le pe-
lagianisme tout pour. Dagegen steht nicht im Index das im Sinne
Beverlands geschriebene, ganz ungläubige Buch: Etat de Thomme
dans le p^ch6 original oü Ton fait voir quelle est la source, quelles
sont les causes et les suites de ce pech^ dans le monde, 1714 u. s.,
auch unter dem Titel: Hist. de T^tat de Thomme dans le p. o.,
1781 u. S.2). — Histoire apologetique, ou defense des libertez
des ^glises reformees de France, Amst. 1688, 3 vol., verb. 1703,
von Fr. Gautier. — R6ponse au livre de Mgr. TEveque de Con-
1) U. N. 1733, 935; 1740 B, 235.
2) Freytag, Anal. 453. U. N. 1732, 949. Ueber Le Cöne's Projet
d*une nouvelle version frang. de la Bibl. 1696, 8. Bayle, Oeuvres IV, 769.
ü. N. 1741 B, 118. Baumg. 7, 16.
Italienische protestantische Schriften. 131
dorn qui a pour titre : Exposition de la doctrine de l'Egl. cath. sur
leg matieres de controverse, 1673, 12., verb. 1693, von M.-A. La
Bastide, die einzige der vielen Gegenschriften gegen Bossuets Buch,
die im Index steht (auch Jurieu's Priservatif contre le changement
de religion, ou id^e juste et v^ritable de ia rel. cath. rom. oppos6e
aux portraits flattis qu^on en fait, et particnli^rement a celui de M.
de Condom, 1680, wurde nicht speciell verb.); — Recueil de plu-
sienrs pieces cnrieuses comme il se verra a la page suivante, Yille
Franche, 1678, 12., verb. 1687, enthält zwei ältere satirische Schriften
gegen Fr. V6ron : La messe trouvee dans l'Ecriture, 1646 (32 S. 8.)
u. 8., nach Haag nicht von D. Derodon, sondern von Lucas Jansse,
und Le hibou des J^suites oppos^ k la Corneille de Charenton, 1624,
von J. Mestrezat, gegen Y^rons La Corneille de Charenton (über
die Abendmahlslehre). In der Schrift von Jansse wird Veron ver-
spottet, der in seiner Uebersetzung des N. T. 1646 Apg. 13, 2 xal
ieiTOVoyovvfüty uiicüv r^} xvgio) mit et eux disant la messe au Seig-
nenr übersetzt hatte. Es wird hier erzählt, Innocenz X. habe sich
sehr erfreut geäussert, dass die Messe nun auch in der Bibel ge-
funden worden; der Marquis Purgatoire, der Graf Merite und der
Yicomte Francarbitre bitten, sie auch in die Bibel zu setzen u. s. w. ^)
Auffallender Weise steht nicht im Index das anonym in Holland
erschienene Buch des Isaac la Peyr^re (geb. 1594), Praeadamitae
8. Exercitatio super v. 12 — 14 cap. 5. Epistolae ad Rom . . . Item
systema theologicum ex Praeadamitarum hypothesi. P. I., 1655,
welches viele Gegenschriften hervorrief, von dem Bischof von Na-
mur censurirt und in Paris verbrannt wurde. 1656 wurde Peyrore
in den spanischen Niederlanden verhaftet, auf sein Yerlangen nach
Rom geschickt, wo er katholisch wurde und bei seinem Uebertritt
sein Buch retractirte (er behauptete auch später, aus der Bibel lasse
es sich nicht widerlegen); er schrieb darauf I. Peyrerii Epist. ad
Philotimum, qua exponit rationes, propter quas ejuraverit sectam
Calvini, quam profitetabur, et 1 ihr um de Praeadamitis, quem edide-
rat, Rom, Propaganda 1657, 4., u. s. Er starb 1676. Auch sein
Bach Du rappel des juifs, 1643, enthält wunderliche Dinge ^).
21. Italienische protestantische Schriften.
Protestantische Schriften in italienischer Sprache erschie-
nen im 17. nnd 18. Jahrhundert nur in der Schweiz oder sonst
1) U. N. 1745, 567. Götze II, 708. Das Schriftchen ist zu Genf 1821
neu gedruckt worden.
2) R. Simon, Lettres 2, 1. Räss, Convertiten 7, 113. Lecky, Gesch.
der Auf kl. I, 230.
132 Italienische protestaDÜsche Schriften.
im Auslände. Der einzige bedeutende Schriftsteller, der hieher
gehört, ist Giacomo Picenino aus Samaden, Prediger in Soglio,
von welchem die Inquisition 1707—14 vier Schriften verbot und
mit dessen Widerlegung sich mehrere katholische Theologen zu
thun machten. Sonst sind nur einige kleine Schriften, nament-
lich über die Kämpfe im Veltlin (1620), und mehrere lieber-
Setzungen, einige von Vincenzo Paravicino, zu erwähnen (vgL
S. 69; über die Bibelübersetzungen s. u.).
Von Picenino wurde 1707 verb. : Apologia per i riformatori
e per la religione riformata contro le invettive di Fr. Panigarola e
P. Segneri [in L'incredulo senza seusa], Chur 1706, dann 1710:
Vestimento per le nozze dell' agnello qui in terra, Chur 1709.
(Beide wurden 1709 auch in Venedig verb.; Cecchetti, Rep. 2,268).
Die in demselben Jahre in Zürich erschienene Concordia del ma-
trimonio e del minister io in forma di dialoghi wurde erst 1714 verb.,
gleichzeitig mit einer vierten Schrift. Gegen die Apologia schrieb
nämlich der Jesuit Andr. Semery Breve difesa della vera religione,
Brescia 1710, und dagegen Picenino Trionfo della vera religione
contro le invettive di Andr. Semery S. J. esposte nella vile difesa
della sua religione, Genf 1712. — Der gelehrte Benedictiner Bac-
chini wollte gegen Picenino 18 Lettere schreiben. Gegen die ersten
fünf brachten aber die beiden in Rom bestellten Censoren, sein
früherer Gönner Fontanini und ein Dominicaner (Fabroni, Vitae
7, 208), so viele Einwendungen vor, dass Bacchini 21. Sept. 1707
an Passionei schrieb: er schicke ihm die Censuren mit seinen Ge-
genbemerkungen, beabsichtige aber das Buch nicht zu veröffentlichen,
sondern das Manuscript sammt den Censuren und Gegenbemerkungen
in einer Bibliothek zu deponiren (Aff6 5, 383). Nach Bacchini's
Tode (1721) wurden die fünf Briefe von seinem Schüler, dem Bene-
dictiner Sisto Rocco veröffentlicht : Lettere polemiche contro il Sig.
Giacomo Picenino, ministro in Soglio, con le censure alle medesime
e le osservazioni su di esse, Altdorf (Mailand) 1738, 4. Die Cen-
soren beanstandeten u. a., dass die Briefe italienisch geschrieben
seien. Aber der Dominicaner Vincenzo Lud. Gotti (er wurde 1728
Cardinal) schrieb unbeanstandet Vera Chiesa di 6. C. dimostrata
da' segni e da' dogmi contro i due libri di Giac. Pic. [Apol. und
Trionfo], Bologna 1719, 3 vol. 4, (nochmals 1734 und lateinisch
von dem Dominicaner Vinc. Thom. Covi, Bologna 1750), und gegen
die Concordia Colloquia theologico-polemica, 1727. Auch der Abt
Aloys Andruzzi und der Augustiner Hyacinth Tonti schrieben gegen
Pic. (Hurter 2, 1248). Eine gegen Tonti gerichtete Schrift von
Manelli, Esame placido della difesa del P. Tonti contro TApol. del
Picenino, Chur 1723, steht nicht im Index.
Die Con Version des Frid. Saliceus (Salis), eines Enkels des
gleichnamigen Hauptbeförderers der Reformation in Graubünden,
veranlasste mehrere Schriften von Graubündener Predigern. Eine
Picenino. Pol. Leyser. Sandis u. a. 183
derselben, die dem Vater und den beiden Brüdern des Convertiten
gewidmet ist, wurde 1640 verboten : Storgae Saliceae, i. e. Epistola,
in qua pater orthodoxus ülium papistam in veritatis viam reducere
conatur, auth. Stephano Gabriele, Ecclesiae Ilantinae in Grisaeo
Rbaetornm Foedere ministro, Genf 1617^). — Bei Gelegenheit des
Jubilaeuma von 1 650 erschien : Del Giubileo di N. S. Innocenzo X.
con il sommario degli altri passati giubilei e del vero modo di
ottenere pienissima indulgenza e d'altre cose misteriose e divote,
stampato nella Corte di S. Pietro, 1650, 12., verb. 1651 (bei Guicc.
p. 137 mit: composto dal R. P. M. Fr. di Cremona; vgl. U. N.
1737, 547); über ähnliche Schriften s. I S. 587. — Als Card. Spinola
Bischof von Lucca geworden, richtete er ein Schreiben an die Nach-
kommen der im 16. Jahrhundert nach Genf ausgewanderten Luc-
chesen, um sie zur Rückkehr zur Römischen Kirche zu bewegen;
es wurde in Genf 1680 mit einer Erwiderung gedruckt (Cantü 3,
720). Darauf verbot die Inquisition (Fer. V.) 1681 : Libellus quo-
mndam Genevensium inscr.: Lettera deW Emin. Signor Card. Spinola
Vescovo di Lucca agli oriundi di Lucca stanzianti in Geneva, con
le considerationi sopra d*essa fatte (mit dem Motto 1 Petr. 3, 15).
Seit Ben. steht die Schrift unter Lettera mit dem Zusätze: quae
coDsiderationes sunt Franc. Turretini, ministri Genevensis.
1 1619 wurden verb.: Due prediche catholiche, una delle opere
bnone, Paltra della giustificatione deir huomo con Dio, predicate
nell' Imperial Palazzo di Praga dal B^y, Padre P. L i s e r o (im
Decrete steht Suero, bei Alex. Silero, erst Ben. hat den richtigen
Namen hergestellt), eine s. 1. et a. (123 S. 16.) erschienene Ueber-
setzung von „Zwo christliche Predigten ... zu Prag gehalten als
die R. K. Maj. Rodolphos IL . . von dem Churf. zu Sachsen . . .
Christian IL besuchet ward, jetzo aber in offenem Druck publicirt
von wegen des vnnützen Geschreyes vnd Gespeyes, welches zween
Münch| ein Lojolitischer [Andr. Neupauer] vnd ein Capuciner
pLorenzo da Brindisi], dor wider erreget. Durch Polycarpvm Leyser n
D., Lpz. 1607, 120 S. 4. Die Vorrede und die Postfatio sind scharf
polemisch; in den Predigten selbst wird die protestantische Lehre
ohne Ausfälle vorgetragen, aber gelegentlich behauptet, Karl V.,
Ferdinand I. und Maximilian IL hätten sich beim Sterben allein auf
die Verdienste Christi verlassen. Wo die Predigten des eifrigen
Lutheraners als „katholische^* Predigten eines „Hochw. Paters** ge-
druckt sind, ist nicht bekannt^). — Gleichzeitig wurde verb. Re-
Petition e delli principali capi della dottrina cristiana cavati dalla
8. scrittura.
Edwin Sandys, ein Sohn des gleichnamigen Erzbischofs von
fork, der in der 1. Cl. steht, f 1629, schrieb 1599 ein Buch,
Welches 1605 ohne sein Vorwissen anonym und fehlerhaft, 1(329
Von ihm selbst correct herausgegeben wurde: Europae Speculum or
1) Porta, Bist. Ref. II, 287.
2) Stieve, Briefe und Acten V, 899. Rosenthal 34, 1655.
134 Italienische protestantische Schriften.
a view or survey of the State of religion in the westem pari of
the World, wherein the Homan religion and the pregnant policies
of the Chnrch of Eome to support the same are notably die-
played with other memorable discoveries and commemorations (wie-
derholt gedrückt, u. a. 1673). Davon erschien zu Genf 1625 eine
italienische (1626 eine französische) Uebersetzung mit Znsätzen zu
den zehn ersten Capiteln (von Sarpi?) von J. Diodati; diese wurde
1627 yerb.: Relatione dello stato della religione [e con quali disegni
& arti h stata fabbricata] del Cavalier Edoino Saudis, tradotta
dair inglese in linguaggio italiano^). — 1C27 wurde ferner vcrb. :
Instruttione fondamentale, se una setta duri pi& 6 meno di cent*
anni: similmente, quäl sia Tantica e nuova fede e dove avanti la Bi-
formatione essa sia stata, data in luce dal S. 6io. Giac. Breitingero,
trasl. da Vincenzo Paravicino, servo di Cristo, nell' a. 1622, Ueber-
setzung von Breitingers „Bericht" etc. 1620 (R.-E. 2, 604). — Della
communione con Jesu Christo nell* eucaristia contra 1 Card. Bellar-
mino e du Perron; trattato di Giov. Mestrezat [Trait6 de la com-
munion etc., Sedan 1625], trad. per V. Paravicino, ministro della
parola di Dio nelle chiese di Bondo e Castesegna in Bregaglia,
wurde 1640 verb. Andere üebersetzungen von Paravicino, — er
war später Prediger der italienischen Gemeinde in Zürich, — Gom-
pendio delle controversie (von Ch. Drelincourt), 1630, Del combat-
timento christiano (von P. du Moulin), 1627 (Guicc. 216. Suppl. 2,
16), stehen nicht im Index.. — 1714 verbot die Inq. Catechismo,
nel quäle le controversie principali di questo tempo sono brevemente
decise per la parola di Dio, trad. in lingua ital. ed accresoiuta,
stampato 1668 [?].
Mit der Unterdrückung des Protestantismus im Veltlin und
der Verfolgung der Waldenser in der Markgrafschaft Saluzzo *) hangen
zusammen: Vera narratione del massacro degli evangelici fatto dai
papisti ribelli nella maggior parte della Yaltellina 1620 a di 9. di
Luglio (von Paravicino), verb. 1621. — Memoriale cujus initium:
Alla Santitä di N. S. P. Gregorio XV. il clero e cattolici di Val-
tellina, verb. 1622 mit dem Zusätze: prohibetur tum impressum,
tum imprimendum, itaque etiam manuscriptum, ubique locorum et
sub quovis idiomate; nach dem Archiv für Schweiz. Reformations-
gesch. 1, 534 ist diese Denkschrift wie zwei andere, an die Könige
von Spanien und Frankreich, alle drei 1621 gedruckt, jede 12 — 18
S. 4., von dem Jesuiten Scipio Carrara; — Lettres des fidöles du
marquisat de Saluces, souveraineti du Duc de Savoye, envoyies k
Mess. les pasteurs de Teglise de Genöve, contenantes Thist. de leur
persicution et de la foy et constance de deux martyrs mis k mort
1) Wood II, 472. Nachr. v. der Stollischen Bibl. 2, 666. Eine fran-
zösische Ausgabe, Relation de Testat de la religion . . ., s. 1. 1641,* hat
auch die Zusätze. Eine deutsche Uebersetzung 1688.
2) Brosch, Gesch. des K.-St. 1, 366. 377. Henke, Neuere K.-G. 2, 164.
Paravicino. Veltlin. Waldenser u. a. 186
le 21. d*Oct. 1619 par sentence de rinquisition et du Senat de
Piemont, verb. 1624; gleichzeitig: Ragionamento iu materia di reli*
gione accaduto tra dueamici italiani; — Antidoto contra le calnnnie
de* Capncini, composto per li fideli confessori della verit^ nelie
Leghe de' Grigioni (b. 1. 1624,12., Guicc. Suppl. 2, 1), verb. 1627.
Histoire ecclesiastique des ^glises recueillies en quelques val-
lies de Piemont . . . autrefois appeUes iglises Yaudoises, 1160
— 1643, par Pierre Gilles, Pastenr deVigl. ref. de la Tour, Geneve
1644, wurde 1646 verb. (Clement 9, 183; Baumg. 1, 224); dagegen
steht nicht im Index die ausführlichere Hist. g^n. des igh evan-
giliques des valläes de Piemont ou Yaudoises . . . jusqu' k Tan
1664, par Jean Leger, Leyde 1669, 2 Fol. (Baumg. 1, 175). Von
den italienischen Streitschriften, welche Gilles, wie er eh. 61 be-
riohtet, gegen den Prior M. A. Rorengo ^) und den Mönch Theodor
Belvedere veröffentlichte, steht heine im Index. Apologia delle
chiese riformate del Piemonte circa la loro confessione di fede e la
continua successione di esse, tanto ne* natu del paese, quanto ne'
Valdesi, contra le cavillationi e calunnie del Priore Marco Aurelio
Borengo di Lucema, Genf 1662, wurde 1663 verb., aber von Ben.
weggelassen.
1722 verbot die Inq. La prattica di pietä che insegna al chri-
stiano il vero modo di piacere a Dio, composto in lingua inglese
dal S. Luigi Bayli, . . Vescovo di Bangor, trad. nell' ital. da G. F.,
Coira 1720 con licenza de* superiori e privilegio; — das Schrift-
chen von Lewis Bayly, Hofprediger Jacobs I., Practice of piety,
war schon 1619 in 11. Auflage erschienen und ist in mehrere Sprachen
übersetzt worden; — ferner: Conversazioni familiari fra due fo-
restieri sul punto della vera ed unica religione crist.; studio molto
utile e necessario per confondere e convertire gli eretici ostinati,
dedicato al merito grande dell' 111. S. Gugl. Burnetti da C. C,
Francf. 1711. So wird der Titel, vollständiger als bei Ben., in der
Raccolta angegeben; in dieser (nicht im Index) steht auch Lettera
stampata in Londra trasmessa da persona apostata ed eretica che
ha per titolo: Lettera a N. N. scritta da Cristoforo Caminata etc.
per giustificare la sua sortita dalla Chiesa Romana . . ., Londra 25.
Sett. 1707. Dieser Cr. Caminata wird also auch der C. C. sein, der
die Conversazioni herausgegeben. Bei beiden Schriften steht in der
Baccolta die Bemerkung: „Es wird erklärt, dass dieses eines der in
der Bulla Coenae verdammten Werke ist und dass darum jeder,
der es liest oder behält, der dem h. Vater reservirten Excommu-
iiicatio latae sent. verfällt." (S. 7).
1) Memoria historiohe dell' introduttione dell* heresie nelle valli di
*^ucema, raarchesato di Saluzzo, ed altre di Piemonte, del Prior Marc'
Aurelio Rorengo de' Conti di Lucerna, Torino 1649, 4.
136 Schriften über Päpste, Inquisition u. dgL
22. Schriften ober die Päpste, die Inquisition
und dgl 1600-1757.
Es Btehen nicht iiar sehr viele polemische Schriften gegen
das Papstthnm von Protestanten im Index, wie deren schon
manche § 16 — 21 angeführt sind, sondern auch geschichtliche
Werke über die Päpste überhaupt oder über einzelne derselben,
von Protestanten und Katholiken, auch ein Buch des Jesuiten
Riccioli über die päpstliche Unfehlbarkeit, freilich nur mit d. c
Dazu kommen mehrere Schriften über die Inquisition und den
Index, über die Taxen der päpstlichen Kanzlei und Datarie
u. s. w. Von Gregorio Leti (1630 — 1701) wurden, ohne Zweifel
wegen der antipäpstlichen Tendenz seiner Schriftstellerei, schon
1686 sämmtliche Werke verboten.
Aus dem 18. Jahrh. sind noch folgende Verbote von prote-
stantischen Schriften nachzutragen: Histoire des papes et souve-
rains chefs de Teglise depuis S. Pierre jusqu' ä Paul V., 2 vol.,
verb. 1628. — Historia Pontificnm Rom. contracta et compendio
perducta usqne ad a. 1632 a Jac. Eevio, Amst. 1632, 12., verb.
1651 (in dem Decrete und den älteren Indices steht Reccio; andere
Schriften von Revius, 1586 — 1658, sind nicht verb.). — Formatio
et exclusio infrunitae monarchiae papalin, auth. Daniele Lipstorpio,
Jena 1656, verb. 1662 (Lipstorp war Astronom und ist bekannt
als Vertheidiger des Copernicanischen Systems, A. D. B. 18, 746).
— Wilh. Christoph. Eriegsmann, De attrito per papas imperio
deque pontificatu a Caesare ecclesiae reique publicae causa capes-
sendo dissertationes, verb. 1687. — Nie. V edel ins (Wedel, 1596
— 1642), De cathedra Petri s. de episcopatu Antiocheno et Romano
S. Petri 11. 2 adv. Baronium et Bellarminnm pro libertate regnm,
principuni et populorum christianorum. Ed. 2. Genevensi [1624]
auctior, Franeker 1640, verb. 1693. Nicht im Index: Dispntatio theol.
de magistratu adv. Bellarmini librum de laicis, 1638, die 1642 noch-
mals als De episcopatu Oonstantini M. s. de potestate magistratuum
reformatomm circa res ecclesiasticas erschien und viele Streitschriften
veranlasste (Paquot T, 251).
Auf einzelne Vorgänge beziehen sich: Clementis VIII. Fer-
rariam petentis et ingredientis apparatus et forma, verb. 1624 (Cle-
mens VIII. war schon 1598 in das für den h. Stuhl gewonnene
Ferrara eingezogen; Ranke, Päpste, WW. 38, 177). — Supplica
alla Santita di N. S. Papa Paolo V. per varii cittadini Bolognesi
ed altri creditori di Girolamo Bocchi, Bologna 1619, und Replica
d'una supplica diretta a N. S. Paolo V. da' creditori in difesa della
verita d'esse e dell* honor de' creditori et altri nominati in una tal
Papstgesohichte. 137
risposta, uscita contro detta sDpplica, Frcf. 1620, beide als libelli
famosi yerb. 1627. — Ein gewisser Piccinardi, der eine Biographie
Clemens' VIII., in der er diesen mit dem Kaiser Tiberius verglich,
geschrieben, aber nicht nur nicht veröffentlicht, sondern so gut wie
niemand mitgetheilt hatte, wurde trotz der Verwendung einiluss-
reicher Personen gleich nach der Thronbesteigung Pauls V. auf
der £ngelsbrücke enthauptet (Ranke a. a. 0. S. 212). — Die 1634
mit d. c. verbotene Quinta parte de la historia pontifical por Marco
Guadalaxara y Xavier (Carmeliter), 1630, ist eine Fortsetzung
des Buches von Illescas (I S. 593) und handelt von Paul V.
Ein Decret vom 22. Dec. 1700, eines der umfangreichsten, die
es gibt, enthält eine ganze Keihe von Schriften über die Päpste,
zunächst von Protestanten die Simonia von Goldast, eine Schrift von
Sibr. Lubbertus vom J. 1610, das Breviarium Pontificum Eom. . . . a
Line usque ad Alexandrum VII. recensente Jo. Cunrado Diete-
richio, Giessen 1660, — eine wahrscheinlich nicht sehr bedeu-
tende zu Corbach 1675 gedruckte Chronologia et syncrotema papa-
tus, quae ex avitis aliisque veridicis authoribus Inci dedit Jo. Cor-
nerus (so in dem Decrete, in den Indices Colnerus) Wildunga-
WaldeccuB (dieser Zusatz, der den Mann als aus Wildungen in Wal-
deck gebürtig bezeichnet, ist ausnahmsweise, wohl weil man ihn
als Bestandtheil seines Namens ansah, bis heute im Index beibe-
halten), und Jo. Friedr. Mayer, De Pontificis Rom. electione liber
commentarius, cum duarum dissertationum appendice, 1690. Schulte,
Gesch. 3, 2, 667 verzeichnet von ihm noch 7 Dissertationen über
den Papst, und Frank, Gesch. der prot. Theol. 2, 285, Logica pon-
tificiomm äXoyog, Hamb. 1695. Er hat auch De morte Caroli V.
evangelica, 1682, geschrieben; die genannte Schrift ist die einzige,
die im Index steht; — dann von Katholiken: den Conatus von
PapebrochiuR, R. P. F. Francisci Carriere Aptensis [Minoritae
Convent. D. Theol.] Historia chronologica Pontificum Rom., cum
praesignatione futurorum ex S. Malachia. Ed. 2. aucta, Lugd. 1663'*',
c. 500 8. 12., mit d. c. verb., — Vitae Paparum Avenionensium
h. e. historia Pontificum Rom. qui in Gallia sederunt ab a. C. 1305
usque ad a. 1394, ed. Stephanus Baluzius Paris 1693, T. I. IL,
— und Gesta Pontificum Rom. ab Innocentio IV. Rom. Pontifice
180. usque ad Leonem X. P. 0. M. 219., additis Pontificum ima-
ginibus etc. Aut. Jo. Palatio, J. U. D. CoUegiatae S. M. Matris
Dni Plebano etc. Operis vol. III. Ven. 1688. •
Das Buch des französischen Minoriten Carriere (f 1665; Hur-
ter 2, 122) ist ein Separatabdruck eines Anhanges zu seinem
Fidei catholicae digestum, 1657, 2 Fol., und ist nicht etwa wegen
der dem h. Malaohias zugeschriebenen Weissagung verb. worden,
wie man aus der ausdrücklichen Erwähnung dieser bei der Wieder-
gabe des Titels schliessen könnte (Carr. behauptet übrigens nicht
deren Echtheit), sondern ohne Zweifel wegen einiger Gallicanismen :
neben anderen Verzeichnissen gibt Carriere auch eins der Pontifices
male affecti in Galliam: Nicolaus III., Bonifaz VIII. (sein Brief
an König Philipp und dessen Antwort Sciat maxima fatuitas tua
188 Schriften über Päpste, Inquisition u. dgl
werden mitgetheilt), Julius II., Leo X., Hadrian VI., Alexander VII.
(über den Streit zwischen dem französischen Gesandten und dem
Bruder des Papstes wird kurz berichtet); ferner werden die sechs
Sätze der Sorbonne über die Gewalt des Papstes vom J. 1663 mit-
getheilt mit der Bemerkung, sie seien allgemein recipirt. Im J. 1694
erschien das Buch nochmals mit einer Fortsetzung der Geschichte
der Päpste bis auf Innocenz XII. von einem andern Franciscaner.
Das Buch von Baluzius wurde nach Val6ry 2, 359 verb. wegen
der Vorrede, worin er sagt, durch die nach Avignon übergesiedelte
Curie seien die Laster der Italiener nach Frankreich gebracht worden,
und worin er die Vergleichung der Avignon'schen Periode mit dem
babylonischen Exil widerlegt. — Auffallender Weise steht nicht im
Index Petri Gastellani, Magni Franciae Fleemosynarii, vita auctore
Petro Gallandio, Regio lat. lit. Prof., St. Baluzius primus edidit et
notis illustravit. Accedunt P. Gastellani orationes duae habitae in
funere Francisci I., Par. 1674 (Clement 9, 37). Die beiden Reden
von Castellan (du Chastel), Bischof von Macon, waren schon 1549
gedruckt; weil er darin gesagt, man dürfe hoffen, dass der König
im Paradise sei, wurde er in der Sorbonne der Leugnung des Feg-
feuers verdächtigt. Die Vita hatte Galland für Margaretha, die
Tochter Franz* I., geschrieben. Es kommen starke Sachen über Rom
darin vor. Galland erwähnt z. B., Castellan, der übrigens kein An-
hänger der Reformation war, habe geschildert Pontificum Rom. su-
pinas libidines, avaritiam et rapacitatem, religionis contemtum soper-
biamque cardinalium, luxum et ignaviam nundinationesque, canpo-
nationes et flagitia reliqua aulicorum Romanensium, und die Ueber-
zeugung ausgesprochen, ne Pontifices quidem Rom. tot suis suorumque
flagitiis contaminatos vere et ex animo Christum colere, quae antem
in religione facerent, retinendae dominationis causa veluti larva ad
fallendum apposita egregie simulare. Baluzius schickte das Buch
dem Card. Bona (diesem hatte er 1672 auch seine Ausgabe der
Dialogi Augustini de gratia geschickt ; Bona lobte seine Annotationes,
nonnullis exceptis, de quibus te amice moneo; Bonae Epp. ed. Sala,
No. 287. 317. 365). Man hat in Rom wirklich an ein Verbot des
Buches gedacht. Ein Consultor der Inquisition, Michelangelo Ricci,
schreibt 1675 an Card. Leopold Medici (Lettere inedite, Firenze
1773, II, 191. 194): ein Blatt habe Bai. neu drucken lassen müssen
(es handelt sich um eine ziemlich harmlose Stelle über Margaretha
von Navarra); *von den Aeusserungen Castellans über Rom sage
Bai. in der Vorrede, er billige sie nicht; aber manche schrieben
ihm un certo prurito contro la corte di Roma zu, und darum sei
schon mehr als ein Buch von ihm verboten und die Neigung vor-
handen, auch andere zu verbieten. Ausser der Ausgabe des Buches
von de Marca war übrigens von Bai. nur (1674) verb. Antonii
Augustini dialogorum lihri duo de emendatione Gratiani cum notis
et novip emendationibus ad Gratianum, 1672, 2 vol. 8., und sp&ter
wurde ausser den Vitae P. Av. nichts von ihm verboten. Man be-
greift darum nicht recht die unmuthige Aeusserung, welche Card.
Querini (Commentarii 1, 214) von ihm berichtet: Je travaille poor
BaluziuB u. a. 139
l'Index de Rome. Ein Eömisclier Theologe wie Zaccaria, Storia p. 319,
durfte yielmehr sagen : die Bitterkeit (il fiele amarisBlmo o piuttosto
il veleno) gegen Rom, die Bai. in allen (?) seinen Werken bekunde,
rechtfertige nicht nar, dass einige wenige derselben verboten worden,
sondern lasse es verwunderlich erscheinen, dass man die anderen
verschont habe.
Von dem Werke des Palatins (Palazzi) wurden 1703 der 4.
und 6., 1709 der 1. und 2. Band verb., 1709 auch Fasti cardinalinm
S. E. E., Ven. 1701, 3 Fol., — warum, erhellt nicht. Schon 1693
war von ihm verb. Armonia contemplativa sopra la vita di Giesü
Cristo, delli santi Filippo Neri, Ignatio Lojola, Caietano di Tiene e
Teresa di Giesü, . . . consegrata all* Altezza Ser. d' Anna Maria
Isabella . . ., Antw. 1690, vielleicht weil ohne Erlaubniss ausser-
halb Roms gedruckt (I S. 341).
Im 18. Jahrb. wurden bis 1757 noch verb.: Jo. Georgü Fues-
lini Conclavia Romana reserata, Tiguri 1692, verb. 1714; — Vie du
Pape Alexandre VI. et de son fils Cesar Borgia, contenant les
guerres de Charles VIII. et Louis XII. rois de France, avec les pieces
originales . . . par Alex. Gordon, Amst. 1732, 2 vol. 8., verb.
1734 (aus dem Englischen übersetzt); — Disquisitio chronologica
de successione antiquissima episcoporum Rom. inde a Petro usque
ad Victorem . . . Acced. 4 dissertationes . . . Auct. Jo. Phil. Bara-
terio, ültrajecti 1740, 4., verb. 1748. Baratier, ein Sohn eines
evangelischen Pfarrers, Mitglied der Berliner Academie, starb, erst
19 Jahre alt, 5. Sept. 1740. Die Disq. sollte der Vorläufer eines
gprössem Werkes über die Eirchengeschichte der ersten Jahrhunderte
sein. Er sucht (in den Dissertationen) die Echtheit der apostolischen
Constitutionen, aller Ignatianischen Briefe, der Clementinen und
der Areopagitischen Schriften nachzuweisen, aber er lässt Petrus
nur 2 Jahre in Rom sein und die ersten Römischen Bischöfe anders
auf einander folgen als Baronius (Morery s. v. U. N. 1741 B, 59). —
Histoire des papes depuis S. Pierre jusqu' k Benoft XIII. inclusi-
vement, 5 vol. 4., Haye 1732 — 34, verb. 1750. Der Verf. ist der
Franzose Fr. Bruys, der im Haag Protestant, 1736 wieder Katholik
wurde, t 1738 (Nie. 42, 130). Der Plan, das Buch ins Deutsche
zu übersetzen, wurde aufgegeben, „um die Zahl schlechter Bücher
halbgelehrter Leute nicht zu vermehren'* (Baumg. 2, 383).
Auffallender Weise steht nicht im Index die History of the
Popes von Archibald Bower, die 1748 ff. in 7 Bänden erschien und
viele Auflagen erlebte. Bower bezeichnet sich auf dem Titelblatt
als frühern Professor in Rom, Fermo und Macerata und Consultor
der Inquisition zu Macerata. £r war ein geborener Schotte, wurde
1702 in Rom Jesuit, verliess 1726 Italien und wurde Anglicaner,
t 1766. Auch die deutsche Bearbeitung seines Buches von Ram-
bach, Magdeb. 1751 — 80, steht nicht im Index. — Auch eine von
dem Benedictiner Casimire Freschot bald nach 1700 anonym her-
ausgegebene Schrift über die Päpste von Clemens VIII. bis Cle-
mens XI. hätte wohl einen Platz im Index verdient: L*etat du
siige de Rome, dhs le commencement du si^cle pass^ jusqu' k pr6-
140 Schriften über PäpstOi Inquisition u. dgl.
sent. See papes, leurs familles, leurs inclinations . . . Av^c nne
id^e du gouvernement, des mani^res et des maximes politiqnes de
la cour de fiome, Cologne s. a., 3 vol. 8.
Auffallend ist das Verbot von zwei Biographieen heiliger
Päpste: Vie du P. Pie V., 6crite en italien par Acatio de Somma
et mise en fran^ais par M. F., Par. 1672, 12., verb. 1674. Der
Verfasser war nach Toppi Dr. jur. und königlicher Ehrencaplan zu
Neapel 1623 — 49, der üebersetzer, Felibien, Gesandtschaftssecretär
zu Rom und ein frommer Katholik, f 1695. Er hat ein Supple-
ment beigefügt über die Tugenden und das verborgene Leben des
Papstes. Pius V. wurde 1672 selig gesprochen ; wahrscheinlich ist
das Buch nur verboten, weil es gegen die Verordnung ürbans VIII.
(s. u.) verstiess; — Vita dell' ammirabile monaco e papa S. Pietro
Celestino, scritta dal R. P. Franc. Ant. Giorgi d'Alessano, Neapel
1689, verb. 1690 (Coelestin V., der 1294 einige Monate Papst war
und 1296 starb, war schon 1313 canonisirt).
Bald nach seinem Erscheinen wurde 1669 mit d. c. verboten
ein Buch des Jesuiten Jo. Bapt. Riccioli (1598 — 1671), Immuni-
tas ab errore tam speculativo quam practioo definitionum S. Sedis
Apost. in canonizatione sanctornm, in festorum eccl. institntione et
in decisione dogmatum, quae implicite tantum in verbo Dei scripto
vel tradito continentur, propugnata, Bon. 1668, 4. Was in dem
Buche corrigirt werden sollte, ist nicht bekannt; Benedict XIV. citirt
es in seinem Werl?e De beatif. wiederholt, ohne das Verbot zu er-
wähnen. Von dem Buche des Franciscaners Franc. Bordoni, Sacmm
tribunal judicum in causis fidei contra haereticos, Rom 1648, be-
richtet Albit. p. 13, es sei darin die Quaestio gestrichen worden
(das Buch steht übrigens nicht im Index), ob auch Definitionen, die
der Papst sine consultatione gebe, als unfehlbar anzusehen seien,
weil dieser Fall moralisch unmöglich sei, cum Dens, qui assistit
definitionibus fidei, assistat etiam, ut media adaptentur praedictis
definitionibus. — Tractatus de officio et jurisdictione Datarii et de
stylo Datariae, auct. Theodoro Amydenio, in Rom. Curia causarum
et regio advocato, ad S D. N. Innocentium X., wurde 1653 verb.,
weil der Verfasser, der Flamländer Ameyden, obschon er in Rom
lebte, das Buch ohne Erlaubniss auswärts hatte drucken lassen
(I S. 341). Er selbst wurde, wahrscheinlich weniger dieser Ver-
öffentlichung wegen als weil er Avvisi für die spanische Regierung
schrieb (I S. 452), ausgewiesen, durfte aber nach dem Tode Inno-
cenz' X. zurückkehren. Der Tractat ist übrigens auch Ven. 1654
gedruckt und Col. 1701 eine Editio in Germania prima ab innume-
ris mendis, quae antehac irrepserant, expurgata erschienen ^).
Etat present de l'Eglise Romaine dans toutes les parties du
monde, ecrit pour l'usage du P. Innocent XI. par Urban Cerri,
Secretaire de la Propagande, avec une 6pitre dedicatoire de Richard
1) Ciampi, Inuocenzo X. p. 257. Schulte 3, 1, 699.
Riccioli. Cerri. Misson u. a. Inquisition. 141
Steele an P. Clement XI., contenant T^tat de la religion de la
&rande-Bretagne, trad. par J. Eemond, Amst. 1716*, verb. 1721. Die
englieche Ausgabe war 1715 erschienen. Das Bach wird wohl zu*
nächst wegen der Dedications-Epistel verb. worden sein ; ohne Zweifel
hat man aber auch die Veröffentlichung des interessanten Berichtes
des Secretärs der Propaganda^) ungern gesehen (die Abschrift
stammte aus St. Gallen und war von da nach Zürich gekommen).
Nicht im Index steht: The Romish Ecclesiastical History of late
years. By R. Steele Esq., Lond. 1714*, 8., eine polemische Be-
schreibung eines Canonisationsprocesses ans dieser Zeit. Von Steele's
Spectator wurde 1745 ein französischer Auszug verb.: Le Specta-
teur ou le Socrate moderne, Amst. 1716, 6 vol. — Nouveau
voyage d* Italic avec un memoire contenant des avis utiles ä ceux
qui voudront faire le meme voyage, par Maximilien Misson,
Haye 1717, 3 vol., und Remarques sur diverses endroits d'Italie
par M. Addison pour servir de 4. tome au Yoyage de M. Misson,
Paris 1722, beide verb. 1729. Misson war ein französischer Pro-
testant, der seit der Aufhebung des Edicts von Nantes in England
lebte. Sein Reisehandbuch, das erste ausführliche derartige Buch,
fand vielen Beifall (deutsche Uebersetzung 1713). Das Verbot ist
erklärlich; denn er erzählt, wie Sainjore 2, 439 sagt, plusieurs
choses divertissantes ou p]ut6t badines, ist ein eifriger Calvinist,
glaubt an die Päpstin Johanna, und erzählt arge Dinge von Reli-
quien und dgl. (Paulinus, Die Märtyrer der Katakomben S. 42). —
Fiscus papalis sive catalogus indulgentiarum et reliquiarum Septem
principalium ecclesiarum Urbis Romae, Lond. 1621, verb. 1622,
wird gewöhnlich Thomas James, von anderen William Crashaw zu-
geschrieben (Pope Blount p. 945).
Von den über die Inquisition handelnden Büchern verbot die
Index-Congr. 1690 Relation del' inquisition de Goa, Par. 1688,
die Inq. 1694 das Werk von Limborch und Histoire de Tinqui-
sition et son origine, Col. (Brux.) 1693, 502 S. 12. Die erste
Schrift ist ein Bericht des französischen Arztes C. Dellon, der von
der Inquisition zu Goa zu 5 Jahren Gefängniss in Lissabon verur-
tbeilt, von dort aber entkommen war. Er sagt, die spanische In-
quisition sei plus rüde als die Römische, die portugiesische schlimmer
als die spanische, die von Goa aber noch ganz anders als die euro-
päische (Arnauld 3, 41). Ein Jesuit in Wien wollte Leibniz, wie
dieser an den Landgrafen Ernst schreibt (Rommel 2, 177), aufbinden,
der Bericht sei eine Erdichtung. Die Hist. de l'Inq. — die im span.
Index unter dem Namen des iingirten Verlegers dieser und vieler
anderer Schriften, Pierre Marteau zu Köln, steht, — ist von dem
fiegular-Canoniker Jacques Marsollier zu Usez, f 1724 (J. des Sav.
1694, 331), von welchem auch die Histoire de Torigine des dix-
mes, des benefices et des autres biens temporeis de F^glise, 1689,
1700 verb. wurde, während seine Apologie ou justification d^Erasme,
1) Mejer, Propaganda I, 107. 128; II, 116 u. s.
142 Schriften über Päpste, Inquisition n. dgl.
1713, zwar scharf angegriffen warde (Harter 2, 1133), aber nicht
in den Index kam^). — 1721 warde anch verb. L'inquisition fran-
gaise, on Thist. de la Bastille par M. Const. de Renneville,
Amst. 1711 (1724, 5 vol.; der 5. Band ist das Bach von Dellon).
Der Verfasser, ein Calvinist, hatte wegen angeblicher Correspondenz
mit fremden Mächten 11 Jahre in der Bastille gesessen und wurde
dann verbannt; er starb in £ngland 1724. — Im span. Index steht
auch De origine et progressu Ofiicii S. Inquisitionis . . . Aut. Lud.
a Paramo, . . Regni Siciliae Inquisitore, Madr. 1598, Fol., aber
lediglich, um zu bemerken, dass darin p. 888 in einer Bulle Plus* IV.
der Druckfehler sacramentis ab ecclesia institutis in sacr. in eccl.
inst, zu corrigiren sei. Mendh. p. 304 beschreibt ein Exemplar, in
welchem sacr. a Christo inst, corrigirt ist. Die Angabe von Peignot,
das Buch sei sans ^clat von der Inqaisition unterdrückt worden,
klingt nicht glaublich.
Von den Schriften über den Index steht ausser der Vorrede
von Pappus und Junius nur eine im Index, eine wissenschaftlich
unbedeutende, aber heftig polemische: Danielis Franc! Disquisitio
academica de papistarum Indicibus librorum prohibitorum et expur-
gandorum, Lips. 1684, 4., verb. 1688. In einem Briefe an Th. Spizel
vom Febr. 1686 (Schelh. Am. lit. 14, 608) berichtet Francke: der
ganze Vorrath von Exemplaren seines Buches sei von dem kaiserlichen
Büchercommissar zu Frankfurt confiscirt worden und dieser verlange,
auf dem Titelblatte solle Papistarum gestrichen werden, wozu er
sich aber nie verstehen werde.
Eine Ausgabe der Taxen der päpstlichen Poenitentiarie steht
bereits im Clementinischen Index, (I S. 421). 1654 wurde eine
von dem Schweden Laurenz Banck, Prof. in Franeker, f 1662, be-
sorgte und mit polemischen Noten versehene Ausgabe der Taxen
der päpstlichen Kanzlei verb.: Taxa sacrae cancellariae Romanae
in Incem emissa et notis illustrata a Laurentio Banck Norcopiensi
Gotho^ Phil, et J. U. D. et Prof. Frisio. Accedit Index latino-bar-
barus cum indice titulorum, rerum et verborum, Franeker 1651.
1662 wurde dieses Buch nochmals verboten, aber beigefügt: et
Tariffa delle spedizioni della Dataria. Dieser Tarif (aus der Zeit
Innocenz' X.) steht aber in dem Buche von Banck, und ist meines
Wissens nicht separat erschienen. Eine Reihe von anderen Aus-
gaben der Taxen der Poenitentiarie, Kanzlei und Datarie blieb in
Rom unbeachtet; nur die Simonia Curiae Rom. von Goldast vom
J. 1612 wurde nach fast 100 Jahren, 1700 verb. (S. 91). Gleich
nach seinem Erscheinen wurde 1820 verb. : Taxes des parties casu*
elles de la boutique du Pape, redig^es par Jean XXII. et publikes
1) Die Bücher von Dellon und Marsollier sind wieder abgedruckt
in der von Goujet anonym herausgegebenen, nicht verbotenen Bist, des in-
(luisitions, Col. 17G9*, 2 vol. 8.; hier sind auch die Memoires pour servir
a l'hist. de Tinq., 1717, 2 vol. abgedruckt, die gleichfalls nicht im Index
stehen.
Index. Taxen. Leti. 143
par Leon X., selon lesquelles on absout etc. Far M. Julien de Saint-
Acheal, Paris 1820, 528 S. 8. Dieser Schrift, wahrscheinlich
von CoUin de Plancy, liegt zu Grunde eine schon im 16. Jahrh.
erschienene, aber nicht verbotene : Taxe des parties casuelles de la
brmtiqne du Pape. £n latin & en fran^ois. Avec annotations . . .
Par A. D. P. [d. i. Antoine du Pinet], Lyon 1564, Leyden 1607
tt. 8.^). — Von L. Banck wurde ausserdem noch 1658 verb.: Pompa
triumphalis s. actus inaugurationis et coronationis Innocentii X. P.
M. brevis descriptio cum omnibus triumphis et ceremoniis eidem
actni additis. Accedit in fine Appendix de quarundam ceremoniarum
papalinm origine, Franeker 1645, 324 S. 12. (£d. 2., 1656, 480
S. 12., mit 12 Figuren; Banck hatte die Krönung Innocenz' X.
selbst mit angesehen), — dagegen nicht De tyrranide Papae in
reges et principes christianos diascepsis, Fran. 1649, und Bizzarie
politiche, overo raccolta delle piü notabili prattiche di stato nella
christianita, messa alla luce da Lor. di Banco, Fran. 1658, 314 S. 12.
(Clement 2, 398; Nie. 41, 384).
Eine nicht lange nach Banck erschienene dickleibige pole-
mische Schrift von Matthias Zimmermann, Superintendent in Meissen,
wurde erst 1703 verboten: Dorothei Asciani S. S. Theol. D. Moutes
pietatis Romanenses historice, canonice, theologice detecti. Praemit-
titur justus tractatus de nervis rerum gerendarum Kom. ecclesiae.
Subjungitur biga scriptorum pontificiorum : Nie. Bariani Augustiniani
Montes impietatis et Mich. Papafavae Decisio contra montes pietatis.
Opusculum omnium facultatum et curiosioris literaturae studiosis
leotn jncundum et utile, Lips. 1670*, 964 und 120 S. 4. ohne die
Register, also nicht gerade ein opusculum, auch nicht lectu jucun-
dum, ausser den Monti di pietä auch die ganze Papstgeschichte und
viele andere Dinge behandelnd und manches Interessante enthaltend.
— La ruine du papat et la simonie de Rome, avec une lettre cir-
culaire addressee aux p^res dont les filles desertent leurs maisons
et la religion pour se faire nonnains, 1677, verb. 1679.
Von Gregorio Leti 's Büchern sagt M. Brosch, Gesch. des
E.-St. 1, 485: ,,Bie ruhen auf Kömischem Grunde und sind aus ihm
zugetragenem Römischen Material entstanden . . . Leti, den heutzu-
tage die Kritik mit Recht verurtheilt und verwirft, hat dem 17.
Jahrhundert durch seine für uns ganz werthlose, von ihm nichts
weniger als richtig angewandte Sachkenntniss Römischer Dinge im-
ponirt. £r ist in seiner Mache die Flüchtigkeit selbst, gewissenlos
und fähig, Erfundenes oder höchst zweifelhaften Gewährsmännern
1) Bayle s. v. Pinet. Ph. Woker, Das kirchliche Finanzwesen der
Papste, 1878, S. 65. Banck gibt den altern, unzweifelhaft authentischen
Text der Taxen der Kanzlei und der Datarie (Woker S. 74. 136), die
Simonia einen Theil des echten Textes der Taxen der Poenitentiarie, (S. 79),
da Pinet einen Text der Taxen der apostolischen Kammer von zweifel-
hafter Authentie (S. 84. 86). Zu den von Woker S. 76 verzeichneten Schrif-
ten ist 1879 noch eine von A. Dupin de Saint-Andre hinzugekommen.
Deutscher Merkur 1879, SSI.
144 Schriften über Päpste, Inquisition u. dgl.
Nacherzähltes für G-eschichte za geben. Allein die Menschen glaub-
ten ihm aufs Wort, weil sie sahen oder es verspürten, ohne sich
darüber Kechenschaft geben zu können, dass hier ein Mann spreche,
der den KömiRchen Hof durchblickt, ins Detail kennt und in den
massgebenden Charakterzügen erkennt. Seine Schilderungen der
Gurial- und Conclaven- Vorgänge wurden für haare Münze genommen,
obwohl sie dies nachweislich selten genug waren; denn sie fielen
regelmässig nach der Seite aus, von der auch den Zeitgenossen das
Treiben des Römischen Hofes bekannt und geläufig war." Ein Yer-
zeichniss von Leti's Schriften, die übrigens nicht alle von italieni-
schen Dingen handeln, gibt Placcius p. 659: es sind 75 Bändchen,
diejenigen nicht mitgezählt, die nur theilweise von ihm sind oder
die er ableugnet (vgl. Niceron, deutsche Ausg. 3, 317). In den
älteren Indices stehen zehn Schriften von Leti und alle und jegliche
Werke desselben als am 2. Juli 1686 verb., und dann noch La
strage de' riforraati innocenti als 1703 verb., — die 17 1661 und
62 erschienenen Discorsi, aus denen dieses Werk besteht, werden
einzeln aufgeführt, — seit Ben. heisst es einfach: Gr. Leti, opera
omnia, decr. 22. Dec. 1700 (im span. Index steht er in der 1. CL).
Noch jetzt aber werden 18 pseudonyme und anonyme Bücher von
Leti, die 1666 — 82, durchweg bald nach dem Erscheinen, verb. wur-
den, im Index einzeln aufgeführt: Giulio Capocoda, L'amore di
Carlo Gonzaga dnca di Mantova e della contessa Margarita della
Kovere, Ragusa (Genf) 1666 ; Vita di Donna Olimpia Maidalchini
che governö lachiesa durante il pontificato d'Innocenzo X. 1644 — 55,
scritta dair abate Antonio G ual di, Cosmopoli (Leyden) 1666 (Eanke,
Päpste, WW. 29, 172); von letzterer auch eine neue Ausgabe:
Vita di D. Ol. M. Pamfili principessa di S. Martino, cognata d'In-
nocenzo X. S. P., (Florenz) 1781 (über andere Ausgaben, auch Eom
1849, und die französische und deutsche Uebersetzung s. Ciampi,
Innocenzo X. p. 401); II Parlatorio delle monache. Satira oomica
di Balth. Sultan in i, Genf 1G56 (nach Ciampi p. 398 von Pietro
Bruni); Vita di Sisto V. Pontefice Eom. -scritta dal Sig. Geltio
Eogeri all' instanza di Greg. Leti, Lausanne 1669^); Dialoghi
historici ovvero compendio bist. delF Italia e dello stato presente
de* prencipi e reppu bliche italiane, dell' Accademico Incognito; Dia-
1) Ranke, 39, 69*. Villani, Yisiera 111 sagt, das Buch sei bald nach
dem Erscheinen verb. worden, was die wenig gottesfürchtigen Buchhänd-
ler veranlasst habe, es quanti plurimi zu verkaufen. Eine französische
Uebersetzung, Vie du P. Sixte V., erschien anonym Paris 1685 u. 8., eine
deutsche Köln 1706. Eine Bearbeitung der französischen Uebersetzung
ist: SixtusV. und seine Zeit. Von Job. Lorentz, Mainz 1852. Prof. Konrad
Martin in Bonn, später Bischof von Paderborn, hatte den Eichsfeldischen
Pfarrer veranlasst, das französische Buch zu tibersetzen, und Kirohheim
und Schott, die Uebersetzung zu drucken, und meinte, es sei eine inter-
essante und nützliche Lectürc für das katholische Volk. Dass es sich um
Leti*s Buch handelte, davon hatte keiner der Betheiligten eine Ahnun?.
Als der Pfarrer Meuser zu Alfter dieses in einer Zeitung constatirte, wurde
das Buch aus dem Buchhandel zurückgezogen.
Scliriften über die morgenländische Kirche. 145
loghi politici owero la politica, che usano in qnesti tempi i pren-
cipi e reppubliche ital. per conservare i loro stati; II Nipotismo di
Roma owero relazioni delle ragioni, che muovono i pontefici all'
aggrandimento de' nepoti, (Amsterdam) 1667^); II Puttanismo
romano owero conclave generale delle puttane della corte, con
Tagginnto d'un dialogo tra Pasquino e Marforio sopra ristesso sog-
getto, Londra(?) 1669 (Melzi 2, 388); II Sindicato di Ales-
sandro VII. con il suo viaggio nell' altro mondo (U. N. 1714, 580);
n Cardinalismo di santa chiesa, diviso in tre parti; V Am-
hasciata di Komolo a' Homani, Brüssel 1671 (mit Pasquinaden aus
der Zeit der Sedisvacanz nach dem Tode Clemens' IX.); Li Segreti
di statu dei prencipi dell' Europa, rivelati da varii confessori politici,
Bologna 1670; Le Yisioni politiche sopra gPinteressi di tatti i
prineipi e reppnbliche della christianitä, mit dem Anhang: Pasquino
esilato da Eoma; Itinerario della corte di Koma, o teatro della
Sede apostolica, auch unter dem Titel: Precipitii della Sede apo-
Btolica owero la corte di Roma perseguitata e perseguitante ; II
Yaticano languente dopo la morte di demente X., con i remedii
preparati da Pasquino e Marforio per guarirlo, Parte I., II. e III. ;
II Livello politico o sia la giusta bilancia, nella quäle si pesano
tutte le massime di Roma, Parte I. — IV.; L'In quisitione pro-
cessata, Opera storica, Col. 1681. — La vita di Cesare Borgia,
detto poi il dnca Valentine, descritta da Tomaso Tomas!, Monte
Chiario, Lucio Vero 1655, 4., verb. 1656, ist später wiederholt con
nn' aggiunta di G. L. (Gregorio Leti) erschienen (Melzi 3, 233),
1789 in 2 vol. neu gedruckt (Nov. lett. 1789, 177).
1669 wurde verb. La Rome ridicule, caprice du Sieur de
Saint'Amant, s. 1. et a., von Marc- Anto ine de Gerard Sieur de
Saint-Amant, Mitglied der französischen Akademie, f 1661. Seine
Oeuvres, meist komische und lascive Poesieen, waren schon 1629,
1642 u. 8. erschienen (Baillet 1493).
23. Schriften aber die morgen! ändische Kirche.
Wie im 16. Jahrhundert (I S. 511), so wurden auch im 17.
und 18. nur verbältnissmässig sehr wenige Schriften von grie-
chischen Theologen auf den Index gesetzt, von Barlaam und
Sguropulos aus älterer Zeit, von Cyrillus Lukaris, Nektarius,
Philippus Cyprius aus dem 17. Jahrb. Dazu kommen Schriften
eines übereifrigen unirten Griechen, Jo. B. Catumsyritus. Von
1) Innocenz XII. erliess 23. Juni 1692 eine Bulle gegen den Nepo-
tismus (Bull. 12, 182). Damals erschien: Nepotismus theologice expensus.
S. L et a.* (1692), 16. (von dem Card. Sfondrato).
BeiUBch, Index II. 10
146 Schriften über die raorgenländische Kirche.
Schriften abendländischer Theologen wurden verboten eine von
Richard Simon und einige von Thomas Smith (§ 49) und mehrere
weniger bedeutende von protestantischen Schriftstellern, zum
Theil akademische Dissertationen.
Barlaamufl monachuR de principatu nen primatn papae Jo.
Luydio iiiterprete (Oxford 1592), wurde erst 1609 verb., nach dem
Erscheinen von Nili Archiep. Thessalonic. 11. 2 de primatn papae
Komani (I S. 275) . . . Item Barlaami mon. 1. de princ. etc.,
ed. Gl. Salmasiufl, 1608. (Barlaam, EaRilianer ans Calabrien, im
15. Jahrh., wurde übrigens später unirt und Bischof von Geraci in
Süditalien). — Sylvestri Sguropuli fSyropuli] Vera historia unio-
nis non verae inter graecos et latinos, sive Concilii Florentini exac-
tissima narratio, cum notis Roberti Creyghton, Haag 1660, verb.
1682. Creyghton, Prof. in Cambridge, t 1672 als Bischof von Bath,
hat nach einer ihm von Isaac Vossius gegebenen Abschrift des griech.
Textes, — nach Renaudot und A. Schurius, Epist. 1, 33. 35, sehr
frei und ungenau, — tibersetzt und in der Vorrede und den Noten
viel polemisirt. Leo Allatius schrieb 1674 gegen ihn (K.-L. 10,
626). Es ist um so auffallender, dass das Buch erst 1682 verb. wurde.
Tov naw kvq Nectarii Patriarchae Hierosolymitani Confn-
tatio imperii papae in ecclesia, Lond. 1702*, verb. 1709, ein dicker
Octavband, ist die von P. All ix herausgegebene ITebersetzung der
zuerst 1682 gedruckten Schrift des Nektarius (Pichler, (xesch. der
kirchl. Trennung 1, 24. 474); — Gregor ins bieromonachus Chius
protosyncellus, Synopsis dogmatum eoclesiafiticoruni vernaculo grae-
corum idiomate, verb. 1651, ein 1635 zu Venedig erschienener neu-
griechischer Catechismus, von dem Sainjore 1, 186 einen Auszug
gibt; — Chronicon ecclesiae graecae, quod primus e Byzantino mscr.
ed. Philippus Cyprius, magnae eccl. Ctp. ante hos 40 annos proto-
notarius, latineque vertit Nie. Biancardus. Henr. Hilarius recen-
suit. Acc. in fine app. bistoriac patriarcliicae . . ., 1087, verb. 1693; —
Lettres anecdotes de Cyrille Lucar, Patriarch e de Constp., sa con-
fession de foy aveo des remarques. Concile de Jerusalem tenu con-
tre lui avec un examen de sa doctrine. Attestations et piöces diverses
touchant la creance des grecs modernes examinees selon les regles
de la thiologie et du droit, Amst. 1718, verb. 1720, ist eine neue
Titelausgabe der 1708 von J. Aymon herausgegebenen Monuments
authentiques de la religion des grecs (ü. N. 1718, 809).
In dem Decrete vom 9. Mai 1636 (Alex. No. 39) werden
verb. Jo. Bapt. Catumsyriti Italo-Graeci opera, exceptis iis quae
ab auctore sunt recognita, Komae iterum edita ac probata. 1632
war zu Venedig mit Approbation mehrerer Doctoren und der Inqui-
sition und mit einer Widmung an Card. Franc. Barberini, den Ne-
poten Urbans VIII., ein Quartband erschienen: Vera utriusque Eccle-
siae sacramentorum concordia, auct. J. B. Catumsyrito, S. Th. Dr.
Italo-Graeco Rhegino; in der schon von 1629 datirten Widmung
bezeichnet er sich als olim deuterins post protopapam in coUegiata
Catumsyritus. Abudacnus u. a. 147
eccl. graeoa, mox canonicus et vicarias gen. Crassetanas. £r polemi-
Rirt darin gegen das 1619 erschienene Buch De concordia Ecclesiae
occidentalis et orientalis in Septem sacramentorum administratione
des in Rom lebenden Grriechen Petrus Arcudius, den er schon unter
Paul V. bei der Inquisition denuncirt hatte, weil er nach seiner
Meinung den lateinischen Standpunkt den Griechen gegenüber nicht
entschieden genug geltend machte. Die Inquisition verbot nicht nur
das Buch von Cat., sondern hielt ihn, wie Albit. p. 308 berichtet,
in Kom zurück, damit er nicht seine übel klingenden Ansichten
unter den Griechen verbreiten könnte. In seinem Eifer gegen die
Griechen war er so weit gegangen, selbst Päpste anzugreifen und n. a.
zu sagen, Bellarmin sei von den Griechen Eudaemon Joannis nnd
Monsero irregeführt worden und habe selbst den Papst irregeführt,
der das Euchologium von Grottaferrata approbirt habe; Pontifices
si approbarunt illud euchologium, errasse in Me nee audiendos;
ferner : Innocenz IV. habe gelehrt, die einzelnen Gebräuche bei der
Ordination seien nicht von Christus, sondern von der Kirche ange-
ordnet worden, und die Canonisten vcrtheidigten diese Ajisicht per
fas et nefas nnd sagten, der Papst oder ein Bischof könne mit den
blossen Worten: sis sacerdos, sis diaconus gültig weihen, was auf
die von dem Conc. Trid. s. 23, can. 3 verdammte ketzerische An-
sicht Luthers hinauslaufe^). Eine corrigirte Ausgabe des Buches
von Cat., die im Index als erschienen vorausgesetzt zu werden
scheint, existirt übrigens nicht.
Josephi Abudacni Historia Jacobitarum seu Coptorum in
Aegjrpto, Lybia . . . cum annotationibus Jo. Nicolai vulgavit Sig.
Havercampus, Leyden 1742, 217 S. 8., verb. 1765. Abudacnus war
Professor der orientalischen Sprachen in Löwen im Anfange des
17. Jahrh.2). Seine Hist. Jacob, wurde zuerst zu Oxford 1675 von Tho-
mas Maresohallus herausgegeben, 30 S. 4., dann von J. H. Seelen,
Lübeck 1733 ; Havercamps Ausgabe ist wegen der weitläufigen
Noten von Jo. Nicolai verb.
Georgii Dousa de itinere suo Constantinopolitano epistola,
1599, verb. 1619, enthält auch Briefe von Griechen, u. a. von dem
Patriarchen Meletius von Alexandria (Paquot 3, 391). — Elias
Veielius, Exercitatio hi8t.-theol. de ecclesia graecanica hodiema,
verb. 1662, ist eine praes. J. C. Dannhauer zu Strassburg verthei-
digte Dissertation. Die Defensio exercitationis . . . adv. refutationem
Senis Chii i. e. Leonis AUatii, 1666, und andere Schriften von
Veiel (t 1706 in Ulm; Fabricius Hist. B. 4, 429; A. E. 1697,483)
stehen nicht im Index. — Mich, van Oppenbusch, Exercitatio hist.-
theol., in qua religio Moscovitarum breviter delineata etc., Strassb.
1686, und Jo. Ulr. Wildt^ Ecclesia aethiopica breviter adumbrata.
1) Sainjore 3, 223. lieber Arcudius s. Hurter 1, 654. Werner, Gesch.
der apol. Lit. 3, 94 u. s.
2) Abu-Dhakn = Vater des Bartes; er nennt sich auch Jo. Bar-
batus: Spcculum hebraicum . . . auct. Jo. Barbato Memphitico, Lov. 1615.
Backer 4, 2. Clement 1, 18. Lessing, Werke, 1842, 4, 120.
ii8 Judaica.
Ed. 2., Strassb. 1672 (beides Dissertationen), verb. 1703. — Histoire
de Testat de Teglise grecque et de Teglise armenienne par M. le
Chevalier Ricaut, trad. de l'anglais par M. de Rosemond, lf)(>8,
verb. 1732 (Paul Ricaut war englischer Gesandter in der Türkei).
— Von Mathurin Veyssiere la Croze, geb. 1661, Mauriner, seit
1696 Protestant, t zu Berlin 1739, wurden 1742 verb.: Histoire
du christianisme des Indes, 1724, und Uist. du christ. d'Ethiopie
et d'Armenie, 1739 (Saiujore 4, 1. 33. U. N. 1743, 973).
lieber das Buch des protestantischen Theologen Jo. Herbinius
(A. D. B. 12, 41), Religiosae Kijovienses cryptae sive Kijovia sub-
terranea, Jena 1675 (mit Kupfern), verb. 1677, berichtet Benedict XIV.
De beatif. 1. 4, p. 1, c. 30, n. 24: die Einwohner von Kiew glaubten,
ihre Stadt sei das alte Troja und in den dortigen Katacomben lägen
noch unverwest die Leiber des Priamns, Hector u. a. ; Herbinius
sage dagegen auf Grund der Mittheilungen eines russischen Archi-
mandriten, es seien Leiber von Heiligen, die seit 600 Jahren unver-
west geblieben seien, und suche zu beweisen, dass dieses ein Wunder
sei ; in Rom, meint Benedict, nehme man ein solches Wunder auf
solche Gründe hin, wie sie Herbinius anführe, nicht als erwiesen an.
24. Jndaica.
Nachdem zu Rom 1675—94 die Hibliotbeca rabbinica von
Bartolocci und Imbonati erschienen war, wurden 1703 einige
ganz planlos ausgewählte rabbinische Schriften verboten, denen
1755 — 66 noch einige beigefügt wurden. Ausserdem sind einige
Uebersetzungen rabbinischer Schriften und eine lateinische und
eine spanische Schrift von jüdischen Verfassern verboten, die Tela
ignea von Wagenseil wegen eines Abschnittes der Vorrede, eine
ungeschickte antisemitische Schrift des italienischen Mönches
Vincenti und — freilich erst 1776 — eine Vertheidigung gegen
eine solche.
Die Titel der hebräischen Bücher werden hebräisch und latei-
nisch angeführt. Die hebräischen Wörter sind bei Ben. correct
gedruckt, in den älteren und neueren Indices gräulich entstellt^). Ueber
eine der zwei Schriften von R. Jacob, filius Chaviv, filii Salomonis,
die 1703 verb. wurden, — sie war seit 1546 wiederholt zu Venedig
gedruckt, — sagt Bartolocci 3, 844: es sei ein Spicilegium talmu-
1) Der Drucker des Index von 1752 scheint keine, hebräischen Typen
gehabt zu haben. P. 261 (unter L.) fängt ein Artikel bei ihm an: Latine
autem sie vertitur: Liber Jalkut (von R. Simeon).
Judaica. 1 49
dicum, und das Verbot des Talmud werde illusorisch gemacht, wenn
man dergleichen Bücher passiren lasse. Die Schrift vonMordechai
fil. [in den neuesten Indices: Filip.] Arje Loew ist nach Wolf 1, 590
eine 1701 erschienene cabbalistische Schrift. Der dritte Autor, von
dem 1703 ein Buch (ein BibelcommentÄr) verb. wurde, R. Simeon
Haddarsan, lebte nach Wolf 1, 1129 im Anfange des 14. Jahrh.
und sein Buch war seit 1521 wiederholt, 1650 in Li vorn o gedruckt;
diese Ausgabe wurde verb.
ni'^j:"« -ID01 nn:?o Jipn ]V^ "»13^*^, lat. Portae Sion, Praepa-
ratio convivii et über formationis, verb. 1757, ist ein Buch des R.
Nathan Hannover, welches ascetische Zugaben zum Ritualbuche ent-
hält, 1662 u. 0., mit den beiden Zugaben, einer Schrift über das
Tischgebet und dem bekannten cabbalistischen Buche Jezira zu Ven.
1701, 12., u. 0. gedruckt. Nach Wolf 1, 924 wurde R. Schabtai
wegen einer in seiner Druckerei zu Dyrenfurth erschienenen Aus-
gabe im Anfange des 18. Jahrh. zu Breslau gefangen gesetzt, weil
ein Jesuit angegeben, das Buch enthalte Schmähungen gegen die
christliche Religion, namentlich gegen die h. Maria. — Jalkut
Heubeni, i. e. Raccolta di Rabbin Reuben Oschi, 1766 von derinq.
verb., ist ohne Zweifel das seit 1660 wiederholt gedruckte hebräische
Buch des Prager Rabbinen, der bei Wolf 1, 1011 Rüben Fil. Hoschke
lieisst.
Von dem 1755 verbotenen O'^brtn "ido nD\c, lat. Pulchritudo
libri Psalmomm, una cum D"^bnn '«Dlöiij, i. e. usu Psalmorum, Man-
tuae 1714 sive alibi, ist mir ^) nur der Anhang bekannt, ein unzähligen
jüdischen Psalmenausgaben beigedrucktes Schriftchen, welches lehrt,
wie man die Psalmen zur Bereitung oder Weihung von Amuleten
u. dgl. gebrauchen soll. Wahrscheinlich sind Uebersetzungen oder
Nachbildungen dieses Schriftchens: Brevis expositio psalmorum cum
eorum virtutibus pro salute corporis et animae et augenda substantia
inundi etc., Ven. 1534 (circumfertur cum Psalterio D. Hieronymo
interprete), im Lissaboner Index von 1624; II Salmista di David
secondo la biblia, con la virtü dei detti salmi appropriata per la
salute delP anima e del corpo e per lo accrescimento della sostan-
tia di questo mondo, verb. 1621; La dichiaratione delli 150 salmi
di David con le sue vere esplicazioni e virtü, estratta da molti libri
di virtuosi rabbini ebrei, con una insigne tabella dei caratteri ebrei
e 8ue virtü. In Colonia, per il Daniele, verb. 1714. Von dem Ge-
brauche der Psalmen bei Zaubereien spricht Albit. p. 498.
üeber Precetti d'essere imparati dalle donne ebree . . . com-
posti per Rabbi Benjamin d'Arodonio in lingua tedesca e tradotti
per R. Giacob Alpron. Aggiunt(»vi molti avvertimenti importantissimi
e nel fine diversi precetti dMnsalar le carni ecc, Ven. 1710, verb.
1732, s. Bayle s. v. Arodon. lieber Rosales s. § 29. — Von den
zahlreichen Schriften des portugiesischen Juden Menasseh Ben
1) bezw. Prof. Gildemeister, der mir bei diesem Paragraphen ge-
holfen.
150 Judaioa.
Israel, der mit Daniel Huet und anderen christlichen Gelehrten in
Beziehungen stand und als Synagogen- Vorsteher zu Amsterdam 1657
starh (Paquot 1, 99), steht im Index nur De resurrectione mortuo-
rum 11. 3, 1636, verh. 1656. — Der Titel des 1755 verhotenen
span. Schriftchens heisst vollständig : Oracion panegyrico-doctrinal
sohre la mala tentacion, que compuso Mardojai Ben Ahraham de
Soria j que recit6 un discipulo suyo en dia que entro en Barmisba
(als er in das 14. Lebensjahr eintrat), Liorna 1751, 8. (Steinschneider,
Cat. B. Bodl. p. 1758).
Sententiae et proverbia rabbinorum, Lud. Henr. Daquin inter-
prete, verh. 1622. Der üebersetzer war, wie sein gelehrterer und
schriftstellerisch fruchtbarerer Bruder Philipp, Lehrer des Hebräischen
in Paris, ein getaufter Jude ; sie stammten aus Aquino in Süditalien,
daher Aquinas, Aquinius oder d'Aquin (Bayle s. v.). — Jo. Chrph.
Wagenseil, Tela ignea Satanae, h. e. arcani ethorribiles judaeorum
adv. Christum Deum et christ. religionem libri avtxcJoroi, 1681, fünf
jüdische Schriften mit ausführlicher Widerlegung enthaltend, wurde
1686 verb., wohl nur wegen der in der Vorrede stehenden Bemer-
kungen de modo, quem tribunal Komanum in librorum censura et
proscriptione observare solet, u. dgl. (Imbonati p. 98). — R. Mosis
Maimonidae de idololatria liber cum interpret. lat. et notis Dionysii
Vossii, Amst. 1668 (zuerst 1642 von seinem Bruder Isaac herausg.),
wurde erst 1718 verb.
Ein Alexander VII. gewidmetes Buch des Theatiners Gio.
Maria V in centi, II Messia venuto. Historia spiegata e provata agli
Hebrei in cento discorsi . . . con un trattato . . . intorno la famosa
questione, se meglio sia che i prencipi cristiani permettano ne' loro
stati gli hebrei 6 li discaccino, Ven. 1659, 1000 S. Fol., wurde 1680
verb. Bartolocci 3, 745 und Imbonati p. 112 führen die darin vor-
getragenen Thorheiten an, welche das Verbot veranlasst haben
werden. Gleichzeitig wurde verb. Le piaghe dell' ebraismo scoperte
nuovamente da Franc. Carbon i, Cittadino Veneto, Ven. 1677, nach
Melzi, 1, 174 von Ign. Contardi, der auch ein Flagellum hebraeorum
super judaicam perfidiam, Ven. 1672, geschrieben. — Gegen eine
Dissertazione della religione e del giuramento degli ebrei von dem
Advocaten G. B. Benedetti erschien Lettera apologetica a S, E. il
Sig. Marchese N. N., amico del Sig. Avv. Benedetti di Ferrara,
scritta dal Sig. N. N. ncir occasione di certo libro diffaniatorio contro
li hebrei, venuto alla luce sotto il titolo: Dissert. . ., fallacemente
attribuito a detto Sig. Avvocato, Mantua 1775, 4., von dem Hubbinen
Giacomo Saraval oder nach dem von diesem gelieferten Material von
dem Advocaten Luigi Casali verfasst, verb. 1776. Später erschien
noch Gli ebrei smascherati, diss. postuma dell' A(vvocato) G. B.
B(enedetti), Flor. 1799 (Melzi 2, 83).
Patrist, und mittelalterl. Schrift^iii. Heidn. Classiker. 151
25. Patristische nnd mittelalterliche Schriften.
Heidnische Classiker.
Wie im 16. Jahrhundert (I S. 299. 331), wurden einige
Ausgaben von patristischen Schriften wegen der von den pro-
testantischen Herausgebern beigefügten Zuthaten auf den Index
gesetzt, — mitunter werden ausdrücklich nur ihre Noten ver-
1)oten, — die Ausgabe des Cyprianus von Fell wohl auch wegen
der Beseitigung der Interpolationen, die in Frankreich Maran
beizubehalten genöthigt wurde. Eine Ausgabe einer Schrift des
^nastasius Sinaita aber wurde wegen ihres Inhaltes verboten.
Die Veröffentlichung des Briefes des Chrysostomus an Caesarius,
sowie des Liber diurnus und des Liber pontificalis von Agnel-
Ins wurde beanstandet, aber schliesslich nicht verhindert. Einige
mittelalterliche Schriften stehen nicht der Herausgeber, sondern
cles Inhalts wegen auf dem Index, namentlich ein Werk von
frigena (I S. 15), die von H. von der Hardt herausgegebenen
^eten des Gonstanzer Goncils und das Diarium des Burkhard
'Von Strassburg. — Von Classikern wurden eine Ausgabe des
«lalius Caesar und Uebersetzungen des Ovid, Anakreon und Lucrez
'Verboten.
Von den Editionen von Beumler und Heinsius, sowie von Qaes-
xiels Ausgabe des Leo M., der Mauriner Ausgabe des Augustinus,
^en Uebersetzungen von Lombert und Fontaines ist anderswo die
Hede, von der Uebersetzung des Cassianus I S. 222.
Ausdrücklich nur die Noten werden verb.: Notae in S. Jo-
<tnnis Chrysostomi opera, quae habentur tomo 8. editionis Etonae
1612, verb. 1621; es ist die Ausgabe von H. Savile; die Noten sind
"Von John Haies. — Geverhard Elmenhorst, Notae in Gennadii Mas-
8il. 1. de eccl. dogmatibus, veteris cujusd. theologi homiliam sacram
et Marcialis epist. Lemovicensis epistolas, Hamb. 1614, verb. 1627^).
- — Um der Noten willen stehen im Index: Sulpicii Severi opera
oum comm. Georgii Hornii, Leyden 1647 u. s., verb. 1658. —
1) Sot. expurgirt die Noten ziemlich stark. Zu einer Stelle in Elmen-
liorsts Commentar zum Minucius Felix, wo bemerkt wird : Crucem hono-
irarunt, non adorarunt Christiani, verordnet Sot. am Kandc beizuschreiben :
ATera et catholica ecclesiae doctrina tribuit imagini cnicis non solum ho-
Eiorariam adorationem tanquam instrumento saucto propter se, sed prae-
t^rea eadem adoratione, qua Christus adoratur, posse etdcbcrc involvi et
adorari crucis imaginem simul cum prototypo.
152 Patrist, and mittclalterl. Schriften, Heidn. Classiker.
L. Corn. Lactantii Firmiani opera cam Relectis variorum commenta-
riis OD. et st. Servatii Gallaei, Lagd. Bat. 1660, verb. 1685;
Gall6 8 Noten sind voll polemischer Erörterungen (R. Simon, Let-
tres 2, 181). — S. Caecilii Cypriani opera, recogn. et illnstr. per
Jo. [Fell] Oxoniensem Episc. Accednnt annales Cyprianici per Jo.
Pearson Cestriensem Episo., Oxon. 1682, verb. 1686; stand bis Ben.
unter Liber editus Oxonii 1682, cui tit.: S per Jo. Exo-
nensem Ep. — Epistolae genuinae S. Ignatii, quae nunc primum
lucem vident: adduntur S. Ignatii epistolae quales vulgo circum-
feruntur, ad haec S. Bamabae epistola cum notis Is. Yossii, 1646,
verb. 1686 (vor Ben.: Notae ad epistolas etc.). — Bibliotheca
patrum apostolicorum graeco-latina ed. Thomas Ittig, Lps. 1699;
— Jo. Em. Grabii Spicilegium sanctorum patrum ut et haeretico-
rum saeculi p. C. n. I., IT. et III., Oxon. 1700; in der Vorrede
heisst es u. a. : alle Steitigkeiten in der Kirche kämen daher,
dass die Menschen neglecta antiqua semita novas sectantur; —
Canon es graeci concilii Laodiceni cum versionibus Gentiani Herveti,
Dionysii Exigui, Isidori Mercatoris et observationibus Wolfg. Gund-
lingii, 1684, alle drei verb. 1714. — Codex canonufn Ecclesiae
universae a Concilio Chalcedon. et Justiniano Imp. conürmatus, ed.
Christoph. Justellus, 1610, wurde 1623 verb. (auch bei Sot.;
die beiden anderen Codices canonum von Justel stehen weder im
Eöm. noch im span. Index ; Schulte 3, 2, 254). — Christoph Mat-
thias Pf äff 8 S. Irenaei episcopi Lugd. fragmenta anecdota , . .
cum notis et duabus dissertationibus de oblatione et consecratione
euoharistiae, 1715 (über 600 S. 8.), 1721 verb. wegen der Noten
und Dissertationen, die von Scipio MafPei in dem Giornale de^ letterati
1716 bekämpft wurden (Fabroni 9, 106. 158).
In der Römischen Ausgabe des Cyprianus von 1563 waren
die Interpolationen in dem Bache de unitate ecclesiae im Texte be-
lassen worden, obschon Latinus Latinius auf ihre Unechtheit auf-
merksam machte^). Auch die Ausgabe von Rigaltius von 1648 hat
den „herkömmlichen" (interpolirten) Text, den richtigen nur in einer
Note. Die Ausgabe von Fell hat den richtigen Text und diesen
hatte auch der Mauriner Prud. Maran, der die von Etienne Balnze
(t 1718) begonnene Ausgabe 1726 vollendete, drucken lassen, mit
einer langen Note von Baluze, worin die Unechtheit der gestrichenen
Worte nachgewiesen wurde. Der Bogen wurde aber nachträglich
umgedruckt, der interpolirte Text beibehalten und Baluze^s Note
stark abgekürzt. Das Nähere wird in Baluze's Biographie von de
Chiniac berichtet: Ein Abbe Masbaret, Professor im Seminar zu
Angers, schrieb eine Dissertation zu Gunsten der Beibehaltung der
fraglichen Worte und schickte Abschriften davon an Card. Fleury,
1) S. I S. 559. Latinius (Bibliotheca sacra, Rom 1677, p. 178) hatte
ganz richtig bemerkt, die betreffenden Satztheile seien zunächst als Rand-
not«n beigefügt und dann in den späteren Handschriften in den Text ein-
geschoben worden, also aus diesem zu entfernen.
Cyprianiu. Anastasius Sin. ChrysostotnuB a. a. 153
die Jesuiten und andere einflusBreiche PerRonen. Der Cardinal be-
auftragte eine CommisBion mit der Untersuchung der Frage, ob die
Stelle beizubehalten sei. Damit war ihre Beibehaltung entscbieden;
denn wäre sie mit ministerieller Genehmigung weggelassen worden,
80 hätte man das ja als einen Angriff der französischen Regiernng
auf den Römischen Primat auffassen können. Die Commission sprach
sich übrigens auch für Beibehaltung der Interpolation aus, und Ma-
ran wurde angewiesen, sich mit dem Abbi de Louvois (Targny)
„über die Sache zu benehmen". Nur der eine Bogen wurde neu
gedruckt So kommt es, dass an anderen Stellen, z. B. p. XII,
der richtige Text citirt wird, als stände er in der Ausgabe^).
1684 wurde verb. Liber editus a quodam haeretico, inscr.
S. Anastasii Sinaitae anagogicarum contemplationum in Hexae-
meron liber XII. [graece et lat. ex interpretatione Andreae Dacerii],
cui praemissa est expostulatio de S. Joannis Chrysostomi epistolae
ad Caesarium monachum [adv. Apollinarii haeresim a Parisiensibus
aliquot theologis non ita pridem suppressa], Lond. 1682, 4. Das
Buch ist von P. Allix. Die 11 ersten Bücher des Werkes von
Anastasius waren schon in den Bibliothecae Patrum (lateinisch)
gedruckt, das 12. nicht, weil es eine der Lehre von der Transsub-
Btantiation widersprechende Stelle enthält. Das Manuscript, nach
welchem es Allix drucken Hess, befand sich in der Colbert'sohen
Bibliothek, und er hatte von Daille eine Abschrift erhalten (Clement
1, 295). — Auch der Brief des Chrysostomus an Caesarius erregte
Anstoss wegen einiger Stellen, die nicht zu der Lehre von der
Transsubstantiation passen. Emeric Bigot Hess ihn nach einer Flo-
renzer Handschrift, von der er durch Magliabechi eine Abschrift
erhalten, gegen dessen Wunsch, mit der Vita Chrysostomi von Palla-
üus 1680 zu Paris drucken; auf Verlangen der Censoren (Faure
lud Grandin) wurde er aber aus dem schon fertig gedruckten Buche
«eseitigt. Nach den unterdrückten Blättern wurde der Brief aber
686 von dem Erzbischof Wake veröffentlicht *). Schon 1686
itte ihn Le Moyne in den Varia sacra drucken lassen (verb. 1687).
»89 gab ihn auch Hardouin heraus (Hurter 2, 1103). Nach dem
^scheinen der Ausgabe von Le Moyne schrieb Mabillon an Bigot
Aug. 1685 (Thuiilier, I, 484) : „Diejenigen, welche früher den
druck des Briefes gehindert, wünschen jetzt, ich möge ihn grie-
9ch und lateinisch herausgeben. Ich weiss nicht, ob Schelstrate
1) Buchmann, Verm. Aufsätze, 1874, 5. H. S. 8. Hist. des capitulaires
avec la vie de Baluze. Par M. de Chiniac, Par 1779, p. 226. Mera.
'rev. 1726, 1877—1904: Lettre d'un savant d'A[nger8, Masbaret] pour
mer un passage important de S. Cyprien pret k etre enleve par de
res auteurs. Am Schlüsse heisst es: Vielleicht werden meine bemer-
m diejenigen, welche die neue Ausgabe vorbereiten, zurückhalten . . .
irgend eine Person von Autorität veranlassen, das Uebel zu ver-
•n.
2) Cbaufepie s. v. Bigot. R. Simon, Lettres 1, 116. Val6ry 1, 82,
eher die Castrirung des Pariser Drucks s. Mendham, Index of Gre-
:vi. p. XXXU.
154 Patrist, und mittelaltcrl. Schrifteu. Heidii. Clasnker.
seine Rechnung dabei finden wird, die Echtheit des Briefes zu be-
streiten; er wird von 7 oder 8 Griechen citirt, von denen einige
bald nach Chrys. gelebt haben, und die Ausdrücke, von denen er
meint, sie wiesen auf eine spätere Zeit hin, finden sich auch bei
Zeitgenossen des Chrys. Auch P. Grarnier, der ein grosser Protector
des Briefes war, wünschte, er möge gedruckt werden.'^ Montfaucon
nahm ihn denn auch in den 3. Band seiner Ausgabe des Chrys.
auf. Um dieselbe Zeit gab ihn auch der Marchese Maffei heraus:
Epistola di S. Giov. Cris. a Cesario rappresentata come sta nel cod.
Fior., Florenz 1721, 8. (Fabroni, Vitae It. 9, 108. 160). Der Je-
suit Ch. Merlin suchte in den M^m. de Trev. 1787 zu zeigen, der
Brief sei von einem Nestorianer, spreche aber nicht unbedingt gegen
die Transsubstantiation. Gegen ihn vertheidigte Dupuy in den Mem.
de Trev. 1739 die Echtheit. Noch heute wird darüber gestritten
(Fessler, Patrol. 2, 116).
A. J. P. 22, 765 wird berichtet, die Ausgabe der Epistolae
Romanorum Pontificum von dem Mauriner Pierre Coustant, Tom. I.,
Paris 1721, sei von Neidern der Inquisition denuncirt worden; wenn
es zu einem Verbote gekommen, sei dasselbe jedenfalls nicht pu-
blicirt worden. Es scheint gar nicht zu einem Verbote gekommen
zu sein. Tassin berichtet in der Hist lit. de la Congr. de S. Maur,
p. 433 : man sei mit der Einleitung Coustants in Rom nicht zufrieden
gewesen, weil er nicht günstig genug über die Ansprüche des h.
Stuhles gesprochen; Simon Mopinot, der das Werk seines Ordens-
genossen nach dessen Tode (18. Oct. 1721) mit einer Widmung an
Innocenz XIII. herausgegeben, habe mehrere Briefe zur Vertheidi-
gung desselben nach Rom geschrieben und dem Generalprocurator
der Mauriner in Rom einen gedruckten Brief übersandt, worin er
hervorhebe, dass Coustant sich bemüht habe, alle wirklich echten
Briefe der Päpste als solche nachzuweisen und ihr Verhalten gegen
die Angriffe der Haeretiker und einiger Katholiken zu vertheidigen.
Dabei wird man sich beruhigt haben.
Um 1650 wollte Lucas Holstenius, damals Bibliothekar des
Card. Barberini, den Liber diumus herausgeben; der Text war
bereits gedruckt. Die Veröffentlichung stiess auf Hindernisse, und
als nach Holstens Tode 1661 Card. Barberini das Buch Jo. Bona
vorlegte, erklärte dieser: es werde besser nicht veröffentlicht, da
sich die von Holsten versprochenen Noten nicht vorfänden und man
doch die in dem Glaubensbekenntnisse des neu gewählten Papstes
vorkommenden Worte, in denen Honorius verdammt werde, quia
pravis haereticorum assertionibus fomentum impendit, nicht ohne
eine Note, die für diese Wunde die Heilung enthalte, veröffentlichen
könne. Um dieser und ähnlicher Stellen willen hatte früher Sirmond
den Gedanken an die Herausgabe des Liber diumus aufgegeben.
Ein anderer Jesuit, Jean Garnier, edirte ihn 1680 zu Paris. Er
wurde nach Rom citirt, starb aber auf der Reise dorthin 26. Oct.
1681 zu Bologna. Es hiess, die Ausgabe solle auf den Index ge-
setzt werden. Die Angabe, dieses sei geschehen, ist unrichtig. Auch
spätere Ausgaben sind nicht verboten worden. Die Ausgabe von
Liber diumus. Agnellns. 156
n wnrde 1724 in Rom fertig gedruckt mit der Jahreszahl
Der Benedictiner Benedetto (in saeculo Bemardino) Bacehini,
rennd Mabillons, Muratori's Vorgänger als Bibliothekar zu
a, wollte den Liber pontificalie s. vitae pontificnm Ravennatnm
lern Abt Agnellus aus dem 9. Jahrh. herausgeben. In Rom
sn aber manche Angaben und Aeusserungen des Agnellus, dass
*zbischöfe von Ravenna das Pallium von den Kaisern erhalten
ll.j grossen Anstoss. Bacchini wurde von dem P. del Miro
ordert, das Manuscript nach Rom zu schicken, damit es von
gnsoren des Ordens geprüft werde; es wurde dann dem Mag.
l. vorgelegt, und dieser verbot 1705 die Veröffentlichung; der
itor von Modena wurde sogar beauftragt, Bacchini alle auf
nch bezüglichen Manuscripte wegzunehmen; Muratori wurde
e verboten, anderen Abschriften des Codex zu geben (Lettere
. Zeno, 1785, 1, 323). Bacchini reiste nun 1705 nach Rom,
e Zurücknahme des Verbotes zu betreiben, und fand Fürsprache
issionei und Fontanini, welche namentlich geltend machten, es
ch besser, dass Bacchini den Agnellus mit einer Vorrede und
oten, worin dessen Unrichtigkeiten widerlegt würden, heraus-
als dass er, was sonst nicht ausbleiben könne, von Prote-
1 edirt werde. Der Papst liess denn auch durch Casoni, den
lor S. Officii, Bacchini die Censuren von Franc. Bianchiani und
\1, Zaccagni einhändigen, um danach die Noten zu verbessern
ine neue Vorrede zu schreiben. Die beiden Censoren waren
auch mit der neuen Arbeit Bacchini^s nicht zufrieden. Nun
ler Papst das Manuscript und die vier Censuren einem andern
itor der Inquisition, dem Theatiner Joseph Maria Tommast
irde 1712 Cardinal, 1803 selig gesprochen) vorlegen, um zu
ob Bacchini die Monita der beiden Censoren genügend be-
shtigt oder noch weiteres zu ändern habe. Tommasi^s Gut-
vom 27. März 1706 ist in seinen Opera, Rom 1754, VII,
144, abgedruckt. Bezüglich der meisten unter den 28 Punkten,
e es sich handelte, trat er auf Bacchini^s Seite. Interessant
folgende Bemerkungen von ihm: Bacchini unterrichtet in der
Vorrede, wie ihm aufgegeben war, seine Leser in ausreichen-
eise über die inscitia et ignorantia des Agnellus; von seiner
litas spricht er allerdings nur mit einem suspicor, während
der Censoren mit Unrecht verlangt, er solle dieselbe als
hinstellen; über die Uebergabe des Palliums durch die Päpste
der neuen Vorrede genug gesagt ; wenn der Bischof von Rom
1) Liber diumus ou Recueil des formulaires usitees par la Chan-
i pontificalc du 5. au 11. sieclc, publ. par £. de Roziere, Par. 1869,
. p. 43. 56. 113. Das Gerücht, man habe Garnier in das Inquisitions-
niss setzen wollen, Michaud 4, 410, klingt nicht wahrscheinlich; es
sogar, dass er nicht wegen des Buches citirt, sondern zu einer
il-Congregation nach Rom gesandt word^i war.
156 Patrist, nnd mittelalterl. Sohriftcu Heido. Classiker.
als Patriarch und Metropolit bezeichnet wird, so thut das seinem
Primat keinen Eintrag; über die Constantiuisclie Schenkang spricht
ßacchini ganz wie Baronins u. a. Schliesslicli stellt Tommasi die
Addenda seu emendanda juxta tertii censoris crisim zasammen, nud
nachdem Bacchini danach seine Arbeit modificirt hatte, erhielt er
die Druckerlaubniss. Das Buch erschien unter dem Titel: Agnelli,
qui et Andreas, Abbatis S. Mariae ad Blachemas et S. Bartholomaei,
Liber pontificalis seu vitae pontificnm Ravennatum, dissertationibus
et observationibus necnon appendice monumentornm illustratus et
auctus, Mutinae 1708*, 2 vol. 4. i).
Von den seit 1483 oft gedruckten Flores doctorum pene om-
nium, qui tum in theologia, tum in philosophia hactenus claruerunt,
des Thomas Hibernicus (Thomas Palmeranus oder Palmerstone
ans Kildare, tl269) wurde 1642 eine bei Jacob Stoer in Genf er-
schienene Ausgabe verboten, cum sint ab hoc impressore haeretico
multis in locis adulterati. — Das Verbot von 1609: Jacobi Spie-
gelii (I S. 500) Scholia in Petri Günther! poetae de gestis Cae-
saris Friderici (seit Ben. in Ligurinum Guntheri) scheint durch die
Ausgabe von Conr. Rittershusius 1598 veranlasst zu sein; Guntherus
de gestis Imp. Caesaris Friderici cum scholiis Jac. Sp. war schon
1531 erschienen (Clement 9, 325). Das Gedicht gehört dem 12. Jahrh.
an (Wattenbach 2, 218). Antipapistische Stellen daraus bei Wolf
IT, 13. — Erst 1627 wurde verboten: Chronica Slavorum seu
Annales Heimol di opera Reineri Reineccii (1581). Cui addita est
etiam Historia de vita Henrici IV. et Gregorii VII. Diese Zugabe,
die auch unter Historia im Index steht, als ob sie besonders er-
schienen wäre, wird das Verbot veranlasst haben ; die Chronik von
Helmold (im 12. Jahrb.; Wattenbach 2, 259) war schon 1556 und
1573 herausgegeben. — Ein Beispiel eines noch mehr verspäteten
Verbotes ist: Lud. Tuberi Commentarii de rebus, quae temporibus
ejus (1490—1512) in illa Europae parte, quam Pannonii et Turcae
eorumque finitimi incolunt, gestae sunt, 1603, verb. 1734 (abgedr.
bei Schwandter, Script. Hung. 2, 107). Die JBerichte über Alexan-
der VI. werden das Verbot veranlasst haben.
Magnum oecumenicum Constantiense Concilium ... ed. Herm.
von der Hardt, 1700, 6 vol., verb. 1703. In dem Votum des von
der Index-Congr. bestellten Censors, des Benedictiner-Abtes del Miro,
über den 4. Band, — Döllinger besitzt eine Abschrift, — kommen
folgende merkwürdige Aeusserungen vor: er habe den Abdruck der
Actenstücke mit den Handschriften in der Vaticanischen Bibliothek
verglichen; der Herausgeber scheine bona fide verfahren zu sein
und es sei nicht anzunehmen, dass er absichtlich den Text geändert
habe; aber das intentum autoris sei schlimm: er wolle die damalige
Corruption in der Kirche zeigen; er spreche zwar nicht sein Ur-
1) Affo, Memorie 5, 845. Agncllus ist bei Muratori, Scr. rer. it. 2, 1
(mit der Vorrede Bacchini's) und in den Script, rerum langob. (M. G. 1878),
p. 265 abgedruckt.
Cona Consiant. ed. v. d. Hardt. Barchardus o. a. 167
theil aus, aber das intentum sei scblimm. „Die Ketzer werden frei-
lich sagen, schliesst er, wir verböten alles, was aus zuverlässigen
(probabiles) Schriftstellern angeführt werde, wenn es nicht mit der
Sitten- und Glaubenslehre übereinstimme, die wir in der Römischen
Kirche festhalten; aber ein solches Gerede (rumores) darf nicht
höher geachtet werden als das Seelenheil, sondern die dicteria der
Ketzer sind um des Seelenheils der Katholiken willen zu verachten,
welches durch das Lesen dieses Buches sehr gefährdet werden würde/^
1703 wurde verb. Historia arcana sive de vita Alexandri VI.
Papae excerpta ex diario Joannis Burchardi Argentinensis . . edita
a Godefr. Guil. Leibnizio 1697, — das einzige, was von Leibniz
im Index steht, — ein Verbot, welches bei den vielen unerbaulichen
Dingen, die Burkhard, seit 1483 päpstlicher Ceremonienmeister, seit
1503 Bischof von Herta, berichtet, sehr erklärlich ist. Der 2. Band
von J. G. Eccardus' Corpus historicum medii aevi, 1723, derp. 1863
— 2160 ausser den Berichten von Burkhard die ebenso unerbau-
lichen von Stephan Infessura enthält, steht nicht im Index. — 1856
erschien zu Florenz Jo. Burchardi . . . Diarium Innocentii VIII.,
Alexandri VI., Pii III. et Julii II. tempora complectens, nunc pri-
mum publici juris factum, commentariis et monumentis quamplurimis
et arcanis adjectis, ab Achille Gennarelli; diese Ausgabe wurde
sofort verb.^) und die Civ. 3, 2, 201 brachte darüber einen sehr
entrüsteten Artikel. Sie constatirt, dass Gennarelli, — er war früher
Advocat bei der Curie, — das im Vaticanischen Archiv aufbewahrte
Autograph nicht benutzt habe, sondern nur Abschriften, deren Zu-
verlässigkeit nicht feststehe, und die Stücke, welche Lutheraner
herausgegeben und mit den schmutzigen Dingen interpolirt hätten,
denen Burkhard seine traurige Beiühmtheit zu verdanken habe. Cha-
rakteristischer noch als diese bodenlose Verdächtigung ist die
Frage : wer denn Gennarelli ermächtigt habe, ein Document zu ver-
öfiPentlichen, dessen Original in der Hand der Kirche sei und aus
welchem die Kirche in ihrer Weisheit durch Rainaldi und andere
diejenigen Stücke, welche zur Aufhellung der Kirchengeschichte
jener Zeit dienen könnten, veröifentlicht habe, während sie das
übrige kraft jenes Rechtes, das jedem Eigenthümer zustehe, ver-
borgen halt«. „Wäre Gennarelli, heisst es zum Schlüsse, ehrlich
(di buona fede) gewesen, so hätte er nicht die Braut Gottes mit Ab-
scheulichkeiten befleckt, welche den Lutheranern so sehr gefallen
haben und vielleicht zum grossen Theile von ihnen herrühren."
Wenn in der Vaticanischen Handschrift die Päpste in besserm Lichte
erscheinen als in den Abschriften, warum wird sie noch immer ge-
heim gehalten? Die neueste Ausgabe des Diarium, von L. Thuasne,
1) In dem Index von 1877 steht das Buch unter Gennarelli. Man
hat es auch unter Burchardi setzen wollen ; aber der Setzer hat dieses
Wort weggelassen und so steht unter dem vorhergehenden Worte Buona
(la) novella: — Diarium pars 1. etc. Irren ist menschlich, aber in der
Ausgabe von 1881 ist der Irrthum nicht corrigirt.
158 Patrist, und mittelalterl. Schriften. Heidn. Classiker.
Paris 1883 — 84, ist (noch) nicht verb. — Das Diarium des Infes-
sura hat auch Muratori in den Scriptores rerum ital. t 3, p. 2 ab-
drucken lassen, aber manche anstössige Stellen, die in Eckharts
Ausgabe stehen, weggelassen ^).
Der im 6. Bande der Monumenta historica ad provincias Par-
mensem et Placentinara (Parma 1857) stehenden Ausgabe der Chro-
nica Fratris Salimbene Parmensis, 0. Min. (1282 — 87), liegt zwar
eine von Msgr. Marini gelieferte Abschrift der Vaticanischen Hand-
schrift zu Grunde; in dieser Abschrift sind aber alle Stellen weg-
gelassen, welche Marini oder dem Abschreiber (Abate Amati) an-
stössig erschienen 2). — In der 1837 zu Rom gedruckten Ausgabe
der Memorie storiche des Florentiners de Rossi (im 16. Jahrh.) sind
nicht nur grosse Stellen weggelassen, sondern auch der zweite Theil
von den Heransgebern fast ganz umgeschrieben und vieles gefälsclit
(Gregorovius 8, 602).
1725 wurden verb. Bern. Segni, Storie Fiorentine dall' a.
1527 al 1555, Augusta (Florenz) 1723, Fol., und Benedctto Varchi,
Storia Fiorentina, nella quäle si contengono Tultime revoluzioni
Fiorentine . . ., Colonia (Florenz) 1721, die von dem Florentiner
Franc. Settimani besorgten ersten Drucke der im 16. Jahrh. ge-
schriebenen Werke, beide wegen des Berichtes über eine Greuelthat
des Pierluigi Farnese, des Sohnes Pauls III., verb., der in vielen
Exemplaren beseitigt ist, Segni nur mit d. c, weil er nur ganz
kurz davon spricht*).
Warum Gaji Julii Caesaris quae exstant cum selectis variornm
commentariis, quorum plerique novi, op. et studio Arnoldi Montani.
Accedunt notitia Galliae et notae auctiores ex autographo Jos. Sca-
ligeri, Amst. 1660, 1709 verb. worden, weiss ich nicht. — Dell'
arte di amare libri 3, trasportati dal lat. di Ovidio Nasone in ott«va
rima toscana da S. Gaetano Vernice, Colonia (?) 1707, wurde 1709
von der Index-Congr. verb. — Von Alessandro Marchetti (1633
— 1714), Professor der Mathematik in Pisa, dem berühmtesten
Uebersetzer alter Dichter (Tiraboschi 8, 466), verbot die Inquisi-
tion 1712: Anacreonte tradotto dal testo greco in rime toscane da
AI. Marchetti, Accademico della Crusca, Lucca 1707. Clement 1,
288 verzeichnet vier ältere ital. Uebersetzungen des Anakreon, die
nicht im Index stehen. Marchetti wollte auch eine Uebersetznng
des Lucretius drucken lassen, — Tiraboschi nennt sie eine meister-
hafte Arbeit, — und Apostolo Zeno (Lettere, Ven. 1785, I, 93)
schrieb ihm 1709, die Inquisition werde dieselbe wohl nicht bean-
1) Schelhorn, De consil. 2, 40 theilt eine solche Stelle (über Inno-
cenz VIII.) mit. Vgl. Gregorovius, Gesch. der St. Rom. 7, 600. 605.
2) Arch. stör. N. S. 16 (1862), 1, 25. Der in der Ausgabe von Parma
fehlende erste Theil ist bei Cledat, De fratre Salimbene et de ejus chro-
nicae auctoritate p. 67—116 abgedruckt. Waitz, N. Archiv 5, 648.
3) Schelh., Erg. 2, 633. Ein italienischer Fürst soll 400 Exemplare
von Varchi gekauft und veruichtot haben. Beide Werke sind 1857 zu
Florenz und sonst neu gedruckt.
Gedichte. Schulbücher. Zeitschriften u. 8. w. 159
standen, wenn er eine Vorrede beifüge. Er unterliesB aber die Ver-
öffentlichang, weil der Grossherzog Cosimo III. die Widmung nicht
annehmen wollte, obschon er eine christliche Protestation gegen die
Lehren des Lucretius beigefügt hatte. Nach seinem Tode meinte
Zeno 1716 (2, 284), da die Uebersetzung in vielen Abschriften ver-
breitet sei, sei es rathsamer, sie correct und ganz drucken, als in
incorrecten und unvollständigen Abschriften circuliren zu lassen.
Sie wurde dann auf Veranlassung Paolo Rolli's gedruckt: Di
Tito Lucrezio Caro della natura delle cose libri sei, trad. da AI.
Marchetti, Londra 1717, aber 1718 von der Inq. verb., und seit
Ben. steht 1. cl. bei dem Verbote. (In Spanien wurde 1779 eine
Amsterdamer Ausgabe von 1754 verb., por estar en vulgär y por
8U8 laminas obscenas). Eine Uebersetzung des Abate Giuseppe
Quirini scheint darum nicht verb. zu sein, weil er einen fortlaufen*
den widerlegenden Commentar beigefügt hat. Dagegen wurde wieder
-verboten: Haffaele Pastore (geb. 1732, Jesuit 1744; Caballero,
Sibliotheca Script. S. J. Suppl. 2, 79), Filosofia della natura di
^to Lucrezio Caro e confutazione del sno deismo e materialismo,
Gol poema di Ant. Paleario deir immortalitä degli animi, Londra
CVen.) 1776, 2 vol. 8., von der Inq. verb. 24. Febr. 1779. Da-
liinter steht Saggio di poesie toscane e latine, in dem Index von
1819 mit dem Zusatz: libellus jussu S. D. N. a S. Congr. S. 0. ad
S. Ind. Congr. transmissus, ut illum referret in consuetum catalogum
1. prob. 25. Febr. 1779.
1828 wurden verb. Le opere scelte di Giuliano imperatore per
la prima volta dal greco volgarizzate, con note e con alcuni dis-
eorsi illustrativi di Spiridione Petrettini (aus Corfu, f 1833),
Mil. 1822.
26. Gedichte, Facetieu n. dgl. Schnlbücher. Zeitschrifteo
and eneyclopädische Werke.
Wie im 16. Jahrhundert, so wurden auch im 17. und 18.
maDche Bücher verboten, weil sie Obscönitäten, Spöttereien
^uf katholische Dinge u. dgl. enthielten, — auch einige Schul-
l)ücber, die anstössige Beispiele enthalten haben mögen (I S. 130).
Die lateinischen Schriften der Art, die im Index stehen, gehören
fast ausschliesslich dem 17. Jahrhundert an. Ausser lateinischen
finden sich fast nur italienische unsaubere Gedichte, Romane
n. 8. w., zum Theil von Literaten, die wie Marini im Dienste
von Cardinälen standen, daneben auch anständige Prodncte, die
nur wegen einzelner Stellen mit d. c. verboten und mitunter
expurgirt nochmals gedruckt wurden. Manche dieser Sachen,
160 Gedichte. Schalbücher. Zeitschriften a. s. w.
sind jetzt kaum noch den Literarhistorikern bekannt, stehen aber
noch in der neuesten Ausgaben des Index. Im 17. Jahrhundert
werden auch die Verbote solcher italienischen Schriften seltener.
— Eine Merkwürdigkeit ist, dass die „Visiones de Don Quevedo,
d. i. wunderliche satyrische und warhaiFti^e Geschichte Philanders
von Sitte wald," 1645 (u. s., von. Hans Michael Moscherosch)
1662 verboten wurden. Ausser diesem Buche kam im 17. Jahr-
hundert kein deutsch geschriebenes Buch in den Index, und
das nächste Buch aus der deutschen „schönen'* Literatur, welches
verboten wurde, sind Heine's Reisebilder. Nicht viel besser
ist die Auswahl, welche die Index-Congregation aus der fran-
zösischen und englischen bellettrischen Literatur des 17. und 18.
Jahrhunderts getroffen hat.
Weniger zu rechtfertigen sind die Verbote der Acta Eru-
ditorum und anderer Zeitschriften und mehrerer lexicalischen
und encyclopädischen Werke, die nur für Gelehrte bestimmt,
für diese aber kaum zu entbehren waren, und es gereicht Bene-
dict XIV. nicht zur Ehre, dass er die Zahl dieser Verbote ver-
mehrt hat.
Wie ein Schulbuch in den Index kommen kann, zeigt ein
Beeret aus dem J. 1804: von einer Grammatica italiana e inglese
von Dalmazoni wird die 1793 zu Neapel erschienene^) Terza
edizione modificata, corretta ed accresciuta dal Professore di lingua
inglese J. B., verdammt (damnatur), donec corrigatur, praesertim
quoad duo specimina ad stylum historicum pertinentia, also wegen
zweier aus englischen Historikern entnommener Lesestücke. — In
den ersten Decennien des 17. Jahrh. kamen, ohne Zweifel aus ähn-
lichen Gründen, von Schulbüchern in den Index: Daniel Angelo-
crator, Officina poetica; Conr. Aslacus, De dicendi et discendi
ratione; Fr. Bonnaeus, Tract. de ratione discendi; Thom. Sagit-
tarius, Epistolica institutio s. de conscribendis epistolis tractatus
(wird bei Sot. ohne Expurgation freigegeben). 1661 wurde verb.
Phil. Garnier, Dialogues en cinq langues, espagnole, italienne,
latine, franyoise et allemande (bei Sot. wird seine 1593 erschienene
französische Grammatik cum sua nota, d. h. unter der Bedingung,
dass er als auctor damnatus bezeichnet werde, freigegeben).
Von dem Juristen Otto Melander (Schwarzmann) wurden
Jocorum atque seriorum centuriae aliquot, 1604, 1605 verb.; sie
enthalten Supplicatio collegii sacrorum scortorum rom. ad Snmmum
1) In dem Deerete steht: Roma presso Ven. Monaldini (subdola in-
dicatio), Napoli da 6. P. Merenda 1793.
Lateinische Gediohte u. dgl. 161
*ontif. pro Card. Carapha exule, Stücke aus Naogeorgus n. dgl.
Strobel, Mise. 3, 137). — Jo. Owen Epigrammata, London 1612
. o., wurden erst 1654 verb. Bei Sot. werden sie stark expnrgirt.
ie enthalten viele Obscönitäten und Satiren gegen Mönche u. dgl.
Baillet 1387). Jedenfalls ist es nicht richtig, wenn A. D. B. 19,
6 gesagt wird, Owen sei Dicht wegen seiner Epigramme auf den
odex gekommen, sondern wegen des Distichons: An Petrus fuerit
lomae, sub judice lis est, Simonem Eomae nemo fuisse negat. —
'emer kamen in den -ersten Decennien des 17. Jahrh. in den Index:
^ominici Baudii Poemata und Orationes (Paquot 2, 210); unter den
redichten stehen Lobgedichte auf Ketzer, Satiren auf Philipp 11.
. dgl., in den Orationes werden bei Sot. die Grabrede auf Jos.
caliger und die Orationes ad Elisabetham und ad Jacobum Regem
estrichen; — Deliciae poetarnm gallorum coUectore Ranutio Ghero
i. i. Janus Qruterus), 3 vol., 1619, die einzige der unter dem Titel
)eliciae poetarum erschienenen Gedichtsammlungen (Baillet 3, 183),
ie im Rom. Index steht; bei Sot. füllt die Expurgation dieser De-
ciae nur 1 Spalte, die der 6 Bändchen Del. p. germanorum 24
eiten; — TarraeiHebii (d. i. Caspar von Barth, A. D. B. 2, 101;
gl. I S. 594) Amphitheatrum seriorum jocorum und Amph. sapien-
iae; — ferner Schriften von J. M. Dilherr, Gaspar Dornavius,
0. Freinshemius, Georg Richter, Steph. Ritter, A. Th. Siber, Jo.
^alch (Decas fabularum) ; — Barth .Alechtrochora, Dissert. theo-
ico-practica de nobilissima et frequentissima Hanreitarum materia,
erb. 1624; — Bacchi et Yeneris facetiae, ubi agitur de generibus
briosorum . . de meretricum in suos amatores Me, s. 1. 1617, und
wei Facetiae facetiarum, verb. 1651. — Nebulo nebulonum, h. e.
3C0-8eria nequitiae censura, annis abhinc C rhythmis germanicis edita,
einde latinitate donata a Jo. Flitnero Franco, 1620 u. s. (eine
lebersetzung von Th. Murners Schelmenzunft), wurde erst 1718 verb.,
nd erst 1700, in Spanien erst 1752: Aloysiae Sigaeae Toletanae
atyra sotadica de arcanis amoris et veneris, Aloysia hispanice scripsit,
itinitate donavit Jo. Meursius, seit 1680 wiederholt gedruckt (Barbier
, 49. Drujon 5). Unter dem Titel Jo. Meursii Elegantiae latini
Brmonis wurde das Buch 1718 nochmals verb.
1603 wurden verb. Rerum memorabilium jam olim deperdi-
ärum et recens inventarum 11. 2 Guidonis Panciroli, lat. vertit et
otis illustr. Henr. Salmuth, Amberg 1602 ; 1605 wurde aber das
''erbot auf die Annotationes Henr. Salmuth zu dem Buche von
^ancirolo (1523 — 99) beschränkt. Sie werden bei Sot. stark expur-
irt. — 1621 wurde mit d. c. verb. Liber falso adscriptus Simon!
lajolo, episcopo Yulturariensi, cui titulus Colloquiorum s. dierum
anicularium Tomus II. Es ist die von Georg Draudius 1614 her-
usgegebene Fortsetzung des zu Rom 1597 u. s. erschienenen, von
^ossevinus den Philosophen und Predigern empfohlenen Buches von
fajolo gemeint. Der 3. und 4. Band stehen nicht im Rom. Index;
•ei Sot werden alle drei expurgirt. — Joseph! Lang!! Novissima
^olyanthea in 11. 20 distributa, Ven. 1616, wurde 1627 mit d. c.
erb. Sot. sagt, er habe Lang, weil er (1603) katholisch geworden,
B«iiaoh, Index n. XI
162 Gedicbte. Schulbücher. Zeitschriften u. 8. w.
ans der 1. GL, in der er bei Sand, stand, in die 2. versetzt, spricht
ausführlich über die verschiedenen Ausgaben des Buches (A. D. B.
17, 602) und expurgirt mehrere derselben.
Zu den Curiositäten, welche im Index stehen, gehört D i Spu-
ta tio perjucunda, qua anonymus probare nititur, mulieres homines
non esse ; cui opposita est Simonis Gedicci defensio sexus muliebris,
qua singula anonymi argumenta distinctis thesibus proposita viriliter
enervantur. £d. novissima, Hagae Comitis 1644, verb. 1714. Die
Disputatio wurde zuerst 1 595 gedruckt ; Valens Acidalius, der 1594
katholisch wurde und 1595 starb (Eäss 3, 264) ist nicht der Ver-
fasser, hatte aber das Manuscript seinem Verleger Osthaus in Leipzig *
gegeben. Sie ist wahrscheinlich in Polen verfasst und soll zeigen,
dass man eben so gut, wie die Socinianer bewiesen, dass Christus
nicht Gott sei, beweisen könne, dass die Weiber keine Menschen
seien. In Leipzig wurde gegen das Schriftchen gepredigt und die
Wittenberger theologische Facultät warnte 1595 davor in einer Ad-
monitio ad studiosam juventutem. In demselben Jahre erschien die
Defensio des Magdeburger Theologen Simon Gedicke ^). Eine
italienische Uebersetzung Discorso piacevole, che le donne non
siano della specie degli huomini, tradotto da Horatio Plata Ro-
mano, Lyon 1647, wurde 1651 verb. (sie rief mehrere italie-
nische Widerlegungen hervor, Melzi 1, 111), von den beiden la-
teinischen Schriftchen aber erst die Ausgabe von 1644, und diese
erst, nachdem mittlerweile noch mehrere Abdrücke (Paris 1693,
Leizig 1707) erschienen waren, genau 70 Jahre nach ihrer Ver-
öffentlichung.
Der berühmteste unter den italienischen Dichtem im Anfange
des 17. Jahrh. war Gio. Batt. Marini (1569 — 1625); er stand Jahre
lang in Diensten des Card. Aldobrandini, des Nepoten Clemens' VIII.,
1622 des Card. Barberini (ürbans VIII.), wurde in der Theatiner-
kirche zu Neapel begraben (die Grabschrift bei Toppi p. 136) und
nach seinem Tode von der Accademia degli Umoristi zu Kom als
der grösste Dichter seines Jahrhunderts gefeiert 2). Unter Paul V.
wurde er wegen seiner obscönen Gedichte verhaftet, versöhnte aber
den Papst durch die Strage degli Innocenti. Erst nach seinem Tode
wurden 1627 L'Adone und Gli amori notturni verb. (dass niemand
als der Papst die Erlaubniss zum Lesen des Adone ertheilen könne,
wie Erythraeus, Pin. 1, p. 35 sagt, steht wenigstens nicht in dem
Decrete), 1628 eine Eeihe von anderen Gedichten und noch drei
erst 1678. — Tommaso Stigliani, dessen Rime 1605 verb. wurden,
stand im Dienste des Card. Scipio Borghese; 1623 erschien zu Rom
eine diesem gewidmete expurgirte Ausgabe der Rime unter dem
veränderten Titel II canzionero (Tirab. 8, 454). Cristoforo Bronzini,
dessen Dialogo della dignitä e noblitä delle donne 1622 mit d. o.
1) Placcius p. 373. Freytag, Anal. 5. Frank, Gesch. der prot. TheoL
1 287
2) Nicodemo-Toppi 112. Baillet 1404. Nio. 82, 187. TiraboBohiS, 462.
Italienische Schriften. 168
yerb. wurde, war Caudatario der Cardinäle Palletta und Carlo de*
Medici und berühmt als genauer Kenner der päpstlichen Ceremonien
(Erjthraeus, Pin. 3,26). Gioseffo Passi, dessen Defetti donneschi,
Yen. 1598 und sonst, 1623 verb. wurden, wurde Camaldulenser und
nannte sich als solcher Pietro Passi. Von Girolamo Brusoni,
Yon dem zwei Bücher im Index stehen, berichtet Mazzuchelli, er sei
dreimal aus dem Carthäuser- Orden ausgetreten; er war ein Freund
Ferrante Pallavicini^s und schrieb ein Leben desselben. La simpli-
ciik ingannata di Galerana Baratotti, 1654, verb. 1661, ist ein
Roman der Yenetianischen Nonne Arcangela Tarabotti, nach ihrem
Tode gedruckt (Yillani p. 110). Ein Buch von Tomaso Costo,
welches erst 1664 verb. wurde, war schon vor 1600 zuerst erschienen.
— Andere solche Sachen stehen unter ßenamati, Buongiomi, Bretel,
Cicognini, Doppia, Loredano, Malespini, Moro, Pignatto, Satire, Scelta.
Andere bellettristische Sachen werden nicht wegen Obscöni-
täten verb. worden sein, wie die von Ferrella, Flori, Nali, ferner
des Dominicaners Luca Belli Commento sopra il Convito di Pia-
tone in 6 discorsi (sollte nach Mazzuchelli ursprünglich ein Com-
mentar zu zwei Sonetten von Petrarca werden), und Franc. Pona,
La lucerna di Eureta Misocolo, dialoghi lY, Yen. 1626, verb. 1627,
Gespräche mit einer Lampe, in der sich der Autor (Arzt in Yerona,
1594 — 1652) eine durch mehrere Körper gewanderte Seele gegen-
wärtig denkt. Es erschien auch eine Entgegnung: L'antilucema.
Dialogo (Melzi I, 385). — In einem Decrete vom J. 1621 wird
Ansaldi Ceb4 Historia Bester metrice conscripta mit d. c. verb.;
erst Ben. hat den richtigen Titel: La reina Esther, poema. Ery-
thraeus, Pin. 3, 30 berichtet, der Card. Doria, Erzbischof von Palermo,
babe in dem Gedichte vieles absurd und anstössig gefunden, Gehk
habe sich in einem Briefe an den Cardinal vertheidigt und dieser
darauf replicirt, — Erythraeus theilt beide Briefe mit, bemerkt aber:
mihi videtur uterque pugnare pro nugis ac velitari de lana caprina,
— schliesslich habe man das Buch verboten, weil es historiae sa-
crae veritatem mendaciunculis multis contaminasset. Andere Sachen
von Cebä (t 1623), — ehe er sich auf das Yerfertigen frommer
Gedichte verlegte, schrieb er Liebesgedichte, die er später selbst
corrigirte, — werden anstössiger sein als die Esther. — Den Schluss
dieser Liste mag ein Curiosum bilden: La Cicceide, verb. 1690,
ist ein Sammlung von 360 Sonetten von Franc. Lazzarelli, worin
er seinen frühern Freund Buonaventura Arrighini als Don Ciccio
(s= Francesco) verhöhnt. In der Yorrede einer 1692 erschienenen
2. Ausgabe sagt er, die erste sei ohne sein Yorwissen gedruckt
worden; er wolle nicht kirchliche Dinge verspotten und unterwerfe
«ich dem Urtheil der kirchlichen Oberen; einige der anstössigsten
Sonette, über Don Ciccio^s Taufe, Firmung und letzte Oelung u. dgl.,
sind hier weggelassen (Bayle s. v. Lazzarelli. Mazzuch. 1, 1130).
Im 18. Jahrhundert sind viel weniger italienische Yersemacher
n. dgl. in den Index gekommen: Sofilo Molossio, Pastore Arcade
Perugino e custode degli armenti automatici in Arcadia, gli difende
dallo Bcrutinio che ne fa nella sua critica il Sig. Pietro Angelo
164 Gedichte. Schulbücher. Zeitschriften u. 8. w.
Papi, medico e filosofo Sabinese, zu Rom 1706 gedrackt, nach 5
Jahren verb., worauf der Verfasser, der Mediciner Alessandro Pas-
coli, wie Melzi berichtet, renmüthig Sofilo seuza maschera, Rom 1711,
drucken Hess. — II Ricciardetto di Nicolo Carteromaco, Par. (Ven.)
1738, verb. 1739, 30 Canti in der Manier Ariosto's mit sehr schlüpf-
rigen Stellen. Der Verfasser hiess Nie. Fortiguerri (1674—1736),
wurde unter Clemens XI. Cameriere und Canonicus in St. Peter und
Referendario della Segnatura, 1733 unter Clemens XII. Secretär der
Propaganda, nach Fabroni 9, 10 ein uomo costumatissimo. Seine Verse
durfte er Clemens XII. vorlesen, und Card. Comelio Bentivoglio
erhielt von ihm eine Abschrift des Ricciardetto, wonach dessen Neffe
Guido ihn nach dem Tode des Dichters drucken liess ; es erschienen
zwei Auflagen in einem Jahre. Fortiguerri übersetzte auch den
Plautus und Terenz; dieser ist 1736 gedruckt. — Ritratti poetici,
storici e critici di varii uomini di lettere, di Appio Anneo deFaba
Cromaziano, Neapel 1745, verb. 1755, schwülstige und satirische
Sonette auf 60 Schriftsteller mit einem Commentar, von dem Cöle-
stiner Appiano (in saeculo Benvenuto) Buonafede (1716 — 93), der
1740 Professor der Theologie in Neapel, 1752 Abt wurde, als Arcade
Agatopisto Cromaziano hiess und unter diesem Namen mehreres ge-
schrieben hat. 1760 gab er eine expurgirte Ausgabe seiner Ritratti
unter dem Namen Lavisio heraus (Mazzuch. s. v. Buonafede ; Melzi
1, 78). — Teatro comico Fiorentino contenente venti delle piü rare
commedie, citate da' signori accademici della Crusca, Florenz (Ven.)
1750, 6 vol, 8., verb. 1757, eine Sammlung von Comödien von
Cecchi, Lasca, Salviati, Buonarroti u. a., herausg. von G. C. Fre-
ghetti (Graesse). — Andere Sachen stehen unter Lopez, Viccei
Specchio.
Considerazioni intorno alla poesia degli ebrei e dei greci von
dem Abate Biagio Garofalo waren 1707 zu Rom gedruckt und
wurden 1718 verb., mit dem Bemerken, das Verbot treffe nur jene,
nicht die eben (1718) erschienene (nach den Weisungen der Index-
Congr.) expurgirte Ausgabe. Garofalo stand im Dienste des Fürsten
Borghese und hatte Homilieen Clemens' XI. ins Griechische und
Hebräische übersetzt (Clar. Ven. ad Magliabechum epp. p. 255).
Paradiso perduto, poema inglese del Sig. Milton, trad. in
nostra lingua, al quäle si premettono alcune osservazioni sopra il
libro del Sig. Voltaire che esamina Tepica poesia delle nazioni, da
Paolo Rolli, Verona 1730, wurde 1732 wohl nur der Vorrede wegen
verb., denn andere üebersetzungen, — von Feiice Mariottini 1796,
Mich. Leoni 1817, — stehen nicht im Index und die von G. C.
Cuneo wurde 1822 zu Rom gedruckt. — Auch II Tamburo, Para-
frasi in versi sciolti della commedia tradotta in prosa dal Sig. des
Touches dair originale inglese di M. Addison, Flor. 1 750 con appro-
vazione, eine Uebersetzung von Addisons The Drummer von Giulio
Ruccellai wurde noch in demselben Jahre wegen der Vorrede ver-
boten, worin es heisst: die Comödie, die den Zweck habe, die Sitten
zu verbessern, indem sie Fehler lächerlich mache, dürfe auch, ohne
der Religion selbst zu nahe zu treten, religiöse Missbräuohe zum
Englisohe nnd franzosische Sohriften. 166
Gegenstände nehmen (Storia lett. 11, 26). — Es mag gleich hier
erwähnt werden, dass 1819 die Uebersetzung von L. Steme's Yo-
rick's Sentimental Journey (1765): Viaggio sentimentale di Yorick
longo la Francia e Tltalia [tradnzione di Didimo Chierico, Pisa 1813;
der üebersetzer ist Ugo Foscolo], mit der charakteristischen Be-
merkung verb. wurde : opus anglice editum, sed tantum in italica
yersione ad S. Congr. relatum.
Le conte du tonneau contenant tout ce que les arts et les
Sciences ont de plus sublime et de plus mysterieux, avec plusieurs
autres pi^ces curieuses parle Docteur Swift, trad. de Tanglois, Haye
1721, 2 vol., verb. 1734, ist eine schlechte Uebersetzung der 1704
erschienenen Tale of a tub (Marchand 1, 326), — Pamela oula
vertu r^compensee, traduit de Tanglois, Lond. 1742, verb. 1745,
eine Uebersetzung des Richardson'schen Eomans von Abb6 Prevost;
gleichzeitig wurde verb. Anti-Pamela, ou la fausse innocence
d^couverte dans les avantures de Sirene, bist, v^ritable . . ., trad.
de Tanglois (von de Mauvillon), Amst. 1743 (Marchand 1, 51 ver-
zeichnet noch zwei andere Anti-Pamelas). — Im span. Index steht
auch La vie et les avantures de Robinson Crusoe, verb. 1756.
1703 wurden verb. Contes et nouvelles en vers de M. de La
Fontaine, Nouv. 6d., Amst. 1695, 2 vol. (zuerst 1665, in Spanien
erst 1761 verb.); sehr überflüssiger Weise wurde 1804 noch einmal
eine Ausgabe s. 1. 1777 verb. — Ferner stehen noch im Index:
Le cabinet satyrique ou recueil de vers piquans et gaillards etc.,
verb. 1671 ; — Jacqueline de Bavi^re, comtesse de Hainaut. Nou-
velle bist, par Mdlle de la Roche-Guilhem, 1702, verb. 1727,
wahrscheinlich nicht gerade der schlechteste unter ihren Romanen;
— Les illustres Frangoises, histoires vÄritables . . . 1713 u. o.,
verb. 1725, erdichtete Liebesgeschichten von Roh. (Gr6g.) de Challes;
vgl. Marchand s. v., der mehr dergleichen Bücher verzeichnet, die
man ebenso wohl hätte verbieten können; — Lettres historiques
et galantes de deux dames de condition, par Mad. Dunoyer, Col.
1704, 7 vol., verb. 1725 (in Spanien erst 1762, erst seit Ben. im
Index); — Les emportemens amoureux de la religieuse etrang^re.
Nouvelle bist, et galante, 1707, verb. 1727 (in Spanien erst 1790).
— Meliere steht weder im Rom. noch im span. Index.
Dass Sot. in Cervantes' Don Quijote einen Satz streicht, wurde
bereits I S. 594 erwähnt. Der Lissaboner Index von 1624 streicht
mehrere, zum Theil 3 — 4 Seiten lange Stellen; er streicht auch in
einer Brüsseler Ausgabe der Novelas ejemplares von 1614 acht
Stellen und liefert zu Los trabajos de Persiles eine 2 Foliospalten
füllende Expurgation (profecia wird z. B. in pronostico, cosa sobre-
natural in cosa muy nueva geändert); Lissaboner Ausgaben beider
Bücher von 1617 werden als expurgirt freigegeben.
Von den Acta Eruditorum wurden 1703 die Jahrgänge 1682
und 1683, 1709 die Jahrgänge 1684—1705 verboten, dann vor und
nach die folgenden, von den Supplementa zuerst 1714 der 4. Band,
1728 der 5., 6. und 7,, 1732 die drei ersten, u, s. w. In dem Index
166 Zeitschriften und encyclopädisohe Werke.
von 1752 füllt die Aufzäblang der einzelnen Theile eine ganze Seite.
Jetzt stehen im Index die A. E. 1682 — 1751 nnd die Supplementa
bis 1749 als 1685—1757 verboten, die Nova Acta Erud. 1752-56
als 1763—64, and die 8 Bände Sapplementa dazn als 1762 verb.
In Spanien wurden die A. E. erst 1756 verb. Die Bibliotheca
Lubecensis steht in den älteren Indices mit dem Zusätze Lubecae
1726 als 1737 verb. Ben. hat den Zusatz weggelassen, also das
Verbot auf alle zwölf, 1725 — 32 erschienenen Theile ausgedehnt.
Ebenso steht in den älteren Indices Bibliothecahistorico-philologico-
theologica (von Theod. Hasaeus und F. A. Lampe), Classis I, Fase.
1 — 3, Bremse 1718, verb. 1727; von Ben. wurde 1757 das Verbot
auf alle 8 Bände ausgedehnt. — Von französischen Zeitschriften
wurde ausser den Nouvelles von P. Bayle und der Biblioth^que
universelle von J. Clericus vor Ben. nur verb.: Biblioth^que bri-
tannique ohne nähere Angabe 1742. Ben. verbot 1757 die ganze
Serie, 1733 — 46, 25 vol. 8., und ausserdem Biblioth^que germanique,
1720 — 40, 35 vol., und Biblioth^ue raisonn^e des ouvrages des
savans de TEurope, 1728 — 53, 50 vol. ^). — Einige interessante
Bemerkungen finden sich in dem von Val6ry herausgegebenen Brief-
wechsel von Mabillon aus dem J. 1685. Estiennot schreibt: Mons.
(der spätere Cardinal) Slusius theile ihm regelmässig die Nouvelles
(von Bayle) mit; es ständen hübsche Sachen darin und man lese sie
in Rom gern (1, 158). Sie wurden 1690 verb. Germain meint,
nachdem er die ersten Theile von Adrien Baillet's Jugements des
savants sur les principaux ouvrages des auteurs (1685 — 86, 9 vol.)
gesehen: es sei sehr zu fürchten, dass Baillet auf den Index komme,
nicht nur, weil er a un peu ^gratigne M. Schelstrate, mais aussi
parcequ'il y a trait^ tres-rudement la Congregation de Tlndex, qui
t6t ou tard se vengera (2, 192). Auch Mabillon meint: die ersten
Theile seien sehr gut; aber man werde wohl (in Frankreich?) die
Fortsetzung nicht gestatten, weil Baillet zu frei spreche. L' Index
y est maltraite (1, 116, 145). Das Werk rief in Frankreich Gegen-
schriften hervor, kam aber nicht in den Index.
Lexicon universale historico-geographico-chronologico-poetico-
philologicum von Job. Jac. Hof mann, Basel 1677, 2 Fol., und die
Continuatio 1683, 3 Fol. (A. D. B. 12, 630), wurden 1688 mit
d. c. verb., ebenso 1703 Caroli Stephan i Dictionarium historicum,
geogr., poet. [zuerst anonym 1596 erschienen], innumeris pene locis
auctum per Nie. Lloydium, Oxon. 1670 u. s., dagegen unbedingt
1737 Magna Bibliotheca ecclesiastica sive notitia scriptorum ec-
clesiasticorum veterum ac recentiorum, angeblich Coloniae, Perachon
et Gramer, 1734, Fol., eine sehr tüchtige Arbeit (von H. Ph. de
Limiers u. a.), die allerdings auch die protestantischen Theologen
behandelt. Es ist nur ein den Buchstaben A umfassender Band er-
schienen ; das Werk wurde nach dem Tode des Verlegers nicht fort-
1) Näheres über diese Zeitschriften bei Brunet und Graesse und in
dem Artikel Journaux litteraires im Supplement zu Morery.
Protestantisohe Juristen. 167
gesetzt (Biblioth. rais. 32, 1, 280). — Gleichzeitig wurde verb. Da-
nielis Georgii Morhofii Polyhistor literarius, philosophicus ac prac-
ticus cum acceßsionibus Jo. Frickii et Jo. MoUeri. Cui praefationem
notitiamque diariorum literariorura Europae praemisit Jo. Alb. Fabri-
cius, Lubecae 1732. Die 1. Ausgabe des Polyhistor war schon 1688
— 92 erschienen. Schon 1721 war verb. Morhofs De ratione con-
Rcribendarum epistolarum libellus, 1694; das Buch steht aber erst
seit Ben. im Index. — Von Ephraim Chambers' Cyclopaedia, die
zuerst 1728 in 2 Fol. erschien, wurden erst 1760 zwei italienische
Uebersetzungen verb. : Dizionario universale delle arti e delle scienze
. . . Traduzione esatta ed intiera dair inglese, Ven. 1749, 9 vol.;
Ciclopedia ovvero Dizionario . . . tradotto dall' inglese, Napoli 1747
— 1754, 8 vol.
27. Protestantische Juristen.
Es wurde (S. 106) bereits bemerkt, dass in den ersten
Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts verhältnissmässig wenige pro-
testantisch-theologische, verhältnissmässig viele, zum Theil ganz
unbedeutende juristische Schriften, fast ausschliesslich von Deut-
schen und Holländern, in den Index kamen. Von 1640 an
werden die Verbote weniger bedeutender Schriften seltener.
Das Verbot traf nicht bloss kirchenrechtliche Werke, — von
diesen stehen einige der bedeutendsten nicht im Index, — sondern
auch viele andere juristische und politische Schriften. Im spa-
nischen Index stehen einige Juristen, von denen im Römischen
nur einzelne Bücher verboten werden, in der 1. Classe, — einige
stehen gar nicht im spanischen Index, — manche Bücher werden
aber hier nur mit d. c. verboten, — was im Römischen Index
nur selten vorkommt, — und expurgirt, und aus diesen Expur-
gationen lässt sich der Grund des Verbotes ersehen, der ja in
Rom im allgemeinen derselbe gewesen sein wird wie in Spanien.
In den über Pandectenrecht handelnden Werken fand man be-
greiflicher Weise vielfach in den Titeln De summa trinitate et
fide catholica und De haereticis et paganis Anstössiges. In
manchen nicht ex professo kirchenrechtlichen Büchern werden
kirchenrechtliche oder theologische Fragen behandelt oder doch
berührt. In vielen verordnet der spanische Index Stellen zu
streichen, die von der Usura handeln, den Consensus der Eltern
168 Protestantische Juristen.
bei VerheirathuDgen für DÖthig erklären^) n. dgl. Bei anderen
juristischen und politischen Schriften sind Erörterungen über
die päpstliche Gewalt in politischen Dingen u. dgl. der Grund
des Verbotes. Manche Bücher werden im Römischen Index un-
bedingt verboten, in welchen im spanischen nur ganz nnbedeu-
tende Dinge expurgirt werden. — Ein merkwürdiges Beispiel
eines späten Verbotes eines bedeutenden Werkes ist, dass Pufen-
dorfs zuerst 1667 erschienenes Buch De statu germanici imperii
erst 1754 in den Index kam.
1. Kirchenrechtliche Schriften. — Von Jo. Schilter (1632
— 1705) stehen im Index: Praxis juris rom. circa connubia in foro
germanico, 1680; De libertate ecclesiarum Germaniae 11. 7, 1683;
nicht die Institutiones juris canonici, 1681 u. o., und anderes, —
von Caspar Ziegler (1621 — 1690) nur: ^idrjQoivXov ecclesiasticum
sive episcopus miles in veteri ecclesia invisus 1672, verh. 1686;
De episcopis eorumque juribus, privilegiis et vivendi ratione commen-
tarius, 1686, von der Inq. verb. 1687; De diaconis et diaconissis
veteris ecclesiae, 1678, verb. 1690, — von Justus Henning Boehmer
(1674 — 1749): Animadversiones in Institutiones juris eccl. Claudii
Fleurii, 1724, verb. 1729; Institutiones juris canonici tum ecclesia-
stici, tum pontLficii, 1738 u. r., verb. 1745; Schilterus illustratus,
1712, verb. 1749, keine seiner anderen Schriften, auch nicht sein
Hauptwerk, Jus ecclesiasticum protestantium, 1714 — 37, 5 vol. 4. —
Antonii Augustini de emendatione Gratiani 11. 2, Gerhardus von
Mastricht edidit. . ., Historiam juris ecclesiastici praemisit et
Steph. Baluzii suasque notas . . subjunxit, 1677 (Schulte 3, 2, 58),
wurde erst 1718 verb. — Von Benedict Carpzov (IL, 1595 —
1666; A. D. B. 4, 11; Schulte S. 39) wurden 1655 verb.: Com-
mentarius in legem regiam Germanorum (Reichs-Staatsrecht), 1623
u. B. ; Practica nova imperialis saxonica rerum criminalium, 1635,
und die drei Centurien Decisiones illustres saxonicae, 1646 — 54;
dann 1 662 : Centuriae juridicarum positionum de juribus feminarum
singularibus. Von der seit 1649 oft gedruckten, Jahrhunderte lang
beinahe wie ein symbolisches Buch angesehenen Jurisprudentia eccle-
siastica seu consistorialis wurde eine Ausgabe von 1652 erst 1714
verb. Im span. Index steht dieser Carpzov (kein anderer) in
der 1 . GL, werden aber die drei zuerst genannten Werke expurgirt.
— 1678 wurde eine Manuductio ad Universum jus civile et ca-
nonicum, 1677, 12., verb., welche Ben. Carpzovs Methodus de studio
1) Bei Sot. wird Gentiani Herveti Oratio ad Concilium, qua suadetor,
ne matrimonia, quae contrahuntur a filiis familias sine consensu eoram, in
quorum sunt potestate, habeantur deinceps pro legitimis, Par. 1556, verb.,
„obschon der gelehrte und fromme Autor sie geschrieben und veröfFent-
licht hat, ehe die Kirche auf dem Concil von Trient das Gegentheil be-
schlossen hatte/*
Kiröhenrechtliohe Sobrifben. 169
juris recte et feliciter instituendo (13 S.)f Jo. Serpilii compendiosa
juris canonici et civilis delineatio und andere kleine Schriften von
Daniel Keyser, Georg Brncksulberg u. a. enthält. — Von Ahas-
verus Fritsch steht im Index nur: Tractatus theologico-nomico-
politicus de mendicantibus validis, ... in qno de officio magistratnum
circa pauperes etc., verb. \6^0 (steht in seiner Sylloge variorum
tractatuum, 1657, p. 1 — 170; ein Capitel handelt von den Bettel-
mönchen); — von Jo. Nie. Hert nur eine unter seinem Praesidium
vertheidigte Dissertation De jactitata vulgo ordinis Cisterciensis
libertate ac exemtione a snperioritate et advocatia regionum in S.
R. Gr. Imperio dominorum, 1703, verb. 1714 (Jugler 5, 144); —
von Georg Adam Struvius die von ihm mit Anmerkungen ver-
sebene Ausgabe der Erotemat« juris canonici des Löwener Yalerius
Andreae Desselius, 1675; —von Jo. Georg Simon Brevis delinea-
tio impotentiae conjugalis, 1672, verb. 1687, und 1700 fünf unter
seinem Praesidium zu Jena 1675 — 78 vertheidigte Dissertationen,
deren Titel noch heute im Index gewissenhaft verzeichnet werden,
allerdings seit Ben. mit Weglassung der Namen der Respondenten.
Einzelne, meist nicht bedeutende Schriften über kirchenrechtliche
Fragen, für welche auf Schulte verwiesen werden kann, stehen noch
im Index von Boeckelmann, Glasen, Tobias, Eckhard, Estor, Cyriacus
Herdesianus, Linck (er heisst im Index noch heute Linkens), Sith-
mann, Sixtinus, Sonner, Joachim und Matthias Stephani (des erstem
Libri 4 de jurisdictione werden bei Sot. expurgirt), Stypmann,
Üngepauer, Zanger (stand schon in der 1. Gl.), speciell über Ehe-
Techt von Beatus, Brower, Ghristen, Kirchovius, Monner, J. Nicolai.
Zu erwähnen ist noch Georg Theod. Dieterich, De jure et statu
judaeorum in republica christianorum discursus, Marb. 1658, verb.
1662.
Lexicon juridicum juris caesarei simul et canonici, feudalis
item, civilis .... opera Jo. Galvini alias Kahl Veterani, 1600,
IFol., u. 0., wurde erst 1661 verb.; bei Sot. steht eine 5 Spalten
ifÜllende Expurgation, die sich natürlich hauptsächlich auf die das
^irchenrecht betreffenden Artikel, auch den über Usura, bezieht^).
2. Es wäre zwecklos, die sonstigen juristischen Schriften, die
:im Index stehen, vollständig zu verzeichnen. Ausser den im fol-
genden zu erwähnenden wurden im 17. Jahrb. verboten Schriften
Ton Barth. Agricola, Val. Arithmaeus, Jo. Bidenbach, Jac. Bomitius,
IMatth. Bortius, Andr. Gludius, L. Gothmann, Justus Eccardus, Zach.
JFridenreich, E. Gockel, Nie. Hampel, J. G. Heineccius (Elementa
^oris naturae et gentium, 1738, mit d. c. verb. 1745), Jo. Hensler,
ISL Huyssen, Balth. Klammer, Gasp. Klockius, Herm. Lather, Jac.
üjampadius, Chr. Liebenthal, Jo. Marquard (d. c), Ant. Matthaeus
<1564— 1637; die bei Schulte S. 267 erwähnte Manuductio ad jus
1) Sot. bezeichnet ihn als JG. Gallus, Wetterauus. Er war gebürtig
SOS Wetter bei Marburg und Professor in Heidelberg, f 1614 (Stintzing
S. 682), und nicht, wie Harter 1, 306 meint, identisch mit dem Convertiten
Justus Calvinus (Baronius, 1 S. 184. E.-L. 2, 1728).
170 Protestantitche Juristen.
canonicum von einem andern Ant. Mathaeus, 1696 erschienen, steht
nicht im Index), Chr. Matthias, Herrn. Meyrer, Dan. Moller, Barth.
Musculus, Josias Nolden, Phil. Andr. Oldenburger, Tobias Paur-
meister, P. A. de Petra, Chr. Phil. Richter, Val. Riemer, M. Rume-
linus, Georg Schonborner, L. D. Schritsmeier, Henr. Scotanus (Pa-
quot 1, 364), Jo. Stuckius, Jo. Wurmser, Bern. Zieritz, — im
18. Jahrh. von Henr. Koehler, Guil. van der Muelen, Andr. Chrph.
Rosenerus (Roesener). — Als Beispiele von unbedeutenden Sachen
mögen angeführt werden: Georg Braud lacht, Epitome jurispru-
dentiae publicae universae, Gotha, 1643, 12., verb. 1662; Henr.
Korn mann, Sib^^la Trig-Andriana seu de virginitate, yirginum
statu et jure tractatus, 1610, verb. 1621 (die Ausgabe von 1654
ist ein Bändchen von 214 S. 12; vgl. Bayle s. v.); Joachim C In-
te nius de Parchim Megalopolitanus, Sylloge rerum qnotidianarum,
verb. 1624, dagegen nicht De erroribus pontificiorum in jure cano-
nico und anderes; bei Sot. 1. Cl.); Jac. Andr. Crusius, De noete
et nocturnis officiis tam sacris quam profanis, und De jure offerendi,
verb. 1662. — Vereinzelt kommen Verbote ganz unbedeutender
Schriften auch noch später vor. So wurde 1760 verb. Abr. Wie-
ling, Apologeticus. Accedit Valentini Jo. Blondeel dissertatio aca-
demica de legibus, ütr. 1745. Die unter dem Praesidium Wielings
vertheidigte Dissertation war von den Utrechter Theologen ange-
griffen und von der Universitätsbehörde ein Verfahren gegen den
Respondenten eingeleitet worden ; das veranlasste Wieling, die Disser-
tation mit einer Vertbeidigung drucken zu lassen ( Jugler 6, 206). —
Neben vielen einzelnen akademischen Dissertationen finden wir im
Index auch Volumina duo disputationum selectiorum inauga-
ralium . . . a quibusdam candidatis in Basileensium academia pro-
positarum, verb. 1621.
Von den zahlreichen Schriften von Christoph Besold, —
1577—1638; er wurde 1630 heimlich, 1635 öffentlich Katholik,
— stehen im Index nur Disputationum nomico-politicarum 11. 8,
1614, und De jurisdictione Imperii Rom. discursus, 1616, verb. 1619,
Templum justitiae s. de addiscenda et exercenda jurisprudentia dis-
sert., 1614, verb. 1621, und Diss. politico-jurid. de foederum jure,
1622, verb. 1663, nicht z. B. Discursus de nuptiis, 1621. Im span.
Index steht er seit Sot. (1640) in der 1. Cl. (1790 als Besdas);
zwei Schriften (keine der' genannten) werden expurgirt, alle anderen,
also auch diejenigen, die er als Katholik geschrieben, verb. — Von
Conrad Rittershusius (1560—1613) wurden 1619 verb. Diff^e-
rentiarum juris civilis et canonici seu pontificii 11. 7, 1616, worin
oft scharf gegen das päpstliche Recht polemisirt wird (Stintzing
S. 418; Schulte S. 632), und Jus Justinianeum h. e. Novellarum
Imp. Just, expositio methodica, 1615, wozu Sot. eine zwei Spalten
füllende Expurgation liefert (Sot. expurgirt auch einige philolo-
gische Schriften). — Von seinem Sohne Georg, 1595 — 1670 (nicht
im span. Index), wurde 1622 verb.: Jucunda de osculis dissert.
hist-philol., und 1640: ^AavXia h. e. de jure asylorum tractatio,
Argent. 1624. — Gleichfalls 1619 wurden verb. von Dominicus
ProtestantiBche Juristen. 171
Arnmaens, dem Stammvater der Publicieten (1579 — 1673), Dis-
cursus academici de jnre publico, in quibus de imperatoribus, re^s
romani electione et potestate, electornm origine . . . tractatur, also
nur der erste 1617 erschienene Band dieser Sammlung von eigenen
und fremden Arbeiten; denn die 4 anderen erschienen erst 1620 —
23; femer 1650: Commentarius de comitiis Eom. - Germanici
imperii, 1680 u. s. ; im span. Index stehen nicht diese, aber andere
Werke von ihm. — Von Jo. Althusius (1557 — 1638) wurden
1620 verb. Politica methodice digesta, exemplis sacris et profanis
illustrata, 1603, und Dicaeologiae 11. 3, Universum jus quo utimur
complectentes, 1617 u. s. Althusius' Lehre von der Volksouve-
ränetät und dem Rechte, einen Tyrannen abzusetzen ev. zu tödten,
wurde von Boeder, Conring u. a. als error pestilens bekämpft (Bayle
s. V.) ; sie hat aber seine Bücher wohl nicht in den Index gebracht.
— Von Nie. Rens n er (1545 — 1602) stehen im Rom. Index nur
Consilia, 1603, 3 Fol., verb. 1624; bei Sot. wird eine Reihe von
Schriften von ihm expurgirt.
Namentlich bei manchen unbedeutenden juristischen Sachen,
die in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrb. verb. wurden, liegt
die Vermuthung nahe, dass die Titel aus den Messcatalogen abge-
schrieben sind (S. 13). Die Titel und die Namen sind übrigens in
den Decreten und in den älteren Indioes vielfach bis zur Un-
kenntlichkeit entstellt und erst von Ben. richtig gestellt worden.
In dem Decrete Alex. No. 5 (1605) wird z. B. verb. H. Breubau
1. de militia politica togata et armata, 1593 (bei Sot. expurgirt), in
No. 9 (1609) dasselbe Buch, aber als verfasst per H. Breulan Li-
contenaviensem Bassum, und in No. 18: H. Breulaei Lichtenav. De
renunciandi recepto more modoque. Henr. Breubau, Breulan und
Breulaeus haben dann im Index friedlich neben einander gestanden,
bis Ben. die beiden Bücher unter Breulaeus stellte. — Ebenso
hat erst Ben. erkannt, dass Everardus Bemoist, von dem 1603 Ei'uy-
ruKpanav centuriae duae et conciliationes eorundem juxta seriem pan-
dectarum dispositae, 1594 u. o., verb. waren, kein anderer ist als
Everardus Broncho rst, von dem 1646 Aphorismi verb. wurden.
Üeber Reinh. Koenig s. S. 19.
Warum Dissert. de ludibriis aulae Rom. in translatione Im-
perii Rom. auth. Ant. Alberto Scottellio, Rinteln 1678, freilich
erst 1709, verb. wurde, zeigt der Titel. In anderen Fällen gibt
der span. Index über den Grund des Verbotes Auskunft. Bei Pe-
trus Heigius (bis Ben. hat er im Index Eigius geheissen), Quae-
stiones juris tam civilis quam saxonici, 1601, verb. 1603, streicht
Sot. im 1. Bande p. 296 — 311: De clandestinis sponsalibns ex
jure civili, canonico et provinciali, ... de parentum consensu, im 2.
p. 1 — 37 die Quaestio: Usurae an jure divino vel humano licitae
etc. Femer werden in folgenden Sätzen die hier eingeklammerten
Worte gestrichen : Sponsalia de praesenti (verum et) consummatum
matrimonium dici non possunt. (Matrimonia per adulterium), spon-
salia per fomicationem solvuntur. Electio imperialis per auream
Bullam expressa neqne Imperatoris (neque Pontificis) sanctione abro-
172 Protestantische Jaristen.
gari potest, — aasserdem BemerkuDgen, wie: Gefangene seien (ex
verbo Dei) per ministros legis et evangelii zu belehren, durch den
Passauer Religionsfrieden sei tranquillitas (nempe religionis) rei-
publicae toti Germaniae wiedergegeben worden, n. dgl., endlich viele
Verweisungen auf Luther, Melanchthon, Flacius, Postellns u. s. w.
und die Bezeichnung Godelmanns alsJC. clarissimns u. dgl. — Bei
Matthias Co 1er, Tractatus de processibus executivis in causis civi-
libus et pecuniariis ad practicam fori saxonici accommodatus, 1562
u. 8., mit d. c. verb. 1622, handelt es sich in der Expurgation von
Sot. hauptsächlich um die üsura. Diese ist u. a. auch Anlasa zur
Expurgation bei Bronchorst. — In den Eesolutiones des H. U. Hun-
nius (S. 91) sollen nach dem span. Index die Stellen gestrichen
werden, an denen gesagt wird: die Polygamie sei im Alten Test.
nicht nur geduldet, sondern erlaubt gewesen, der Concubinat sei
nach canonischem Rechte gestattet, zur Gültigkeit der Eheabschlies-
sung sei die Einwilligung der Eltern erforderlich, die Ehen zwischen
Christen und Juden oder Muhammedanem seien gültig, durch Ehe-
bruch oder böswillige Yerlassung werde die Ehe aufgelöst, das
canonische Recht müsse dem bürgerlichen weichen und sei unver-
nünftig. — Von Jo. Harpprecht (1560—1639) wurde Tractatus
criminalis, 1603, 1605 verb., wahrscheinlich u.a. wegen der Bemer-
kungen über Hexenprocesse (Stintzing S. 646), von In 4 libros In-
stitutionum juris civ. Justin, commentarii, 1615 — 27 u. s., die Ed.
novissima von 1658 erst 1718 (zu der in älteren span. Indices
stehenden Expurgation dieses Buches liefert der von 1790 noch
einen Nachtrag auf Grund eines Edictes der Inq. von 1777). —
Mit den Hexenprocessen wird auch zusammenhangen das Verbot von
Christoph. Crusius, Tract. de indiciis delictorum, und Tract. de
ind. del. specialibus cum praemissa maleficiorum eorumque poenae
compendiosa relatione, Rinteln 1683, verb. 1714. — Von den Con-
clusiones practicabiles des Matth. Berlichius sagt A. Dandinus,
De suspectis de haeresi p. 86, sie seien (1659) verboten worden,
weil darin der offenbar ketzerische Satz vorkomme, maledictiones
in SanctoB non esse blasphemias. Man hat aber ohne Zweifel in dem
Buche, von dem alle 5 Theile (1615 ff. Jugler 2, 132) verb. sind,
auch noch andere anstössige Dinge gefunden. — 1623 wurden verb.
Hieron. Treutier Selectarum disputationum ad jus civile Justinia-
neum Volumina duo, zuerst 1592 — 93., ein beliebtes Lehrbuch des
Pandectenrechtes, von dem bis 1619 mindestens 11 Auflagen er-
schienen (gleichzeitig die 1625 erschienenen Consilia von Treutier
und Andreas Schöps ; Stintzing S. 465). Bei Sot. wird die Ausgabe
von 1603 expurgirt: gestrichen werden 11 Zeilen in der Vorrede
und zwei Stellen, an denen von der Nothwendigkeit des Consenses
der Eltern bei der Heirath gesprochen wird. Dieser Punkt ist u. a.
auch Object der Expurgation bei Cothmann und Hilliger. — Jo.
Jac. Wissenbach, In libros quatuor priores codicis Justin. . . .
commentationes, 1660, wurde 1661 verb., wie Wissenbach selbst in
der Vorrede zu der 1663 erschienenen Fortsetzung angibt, wegen
der Titel De summa trinitate etc. (Jugler 5, 70). Seine Disputa-
Schriften über Politik. 173
tiones juris civilis; ad calcem adjeetae sunt contradictiones juris
canonici, 1665, wurden erst 4.723 verb. — Von einem Buche des
Leydener Professors Arnold Vinnius (Vinnen, f 1657), In 4 libros
Institutionum imperialium commentarius, welches seit 1642 oft ge-
druckt ist und von dem eine zu Venedig 1712 erschienene Ausgabe
1725 mit d. c. verb. wurde, berichtet Paquot 1, 149, es sei ledig-
lich wegen einer Stelle über die Noth wendigkeit des Consenses der
Eltern bei der Heirath in den (spanischen) Index gekommen und
es sei dann eine expurgirte Ausgabe erschienen: A. Vinnii JC,
auctoris damnati, cum expurgatione vero permissi, in 4 libros . . ,
correctus secundum Indicem expurg. S. Inquisitionis Hispan. a. 1707
publicatum, Lugd. 1737.
3. Schriften über Politik. Von Samuel Pufendorf (1632— 94)
stehen im Index: Introduction k Fhistoire des principaux ^tats,
trad. de Toriginal allemand par Claude Rouxel, 1687 (deutsch 1682),
verb. 1693; De jure naturae et gentium, 1672 u. s., und Le droit
de la nature et des gens, trad. par Jean Barbeyrac, avec des notes
du traducteur, 1706, verb. 1714 (das Buch wurde von protestan-
tischen Theologen und dem Convertiten Nie. Beckmann schon seit
1673 scharf angegriffen; E.-E. 12, 385); Introductio ad historiam
Europaeam, lat. reddita a Jo. Frid. Cramero . . . 1704, verb. 1737;
De officio hominis et civis, cum notis variorum, Traj. 1740, verb.
1752 mit dem Zusätze: et etiam sine notis (das Buch war zuerst
1673 erschienen) ; De statu imperii germanici liber unus, notis ad
praesens saeculum accommodatis et praefatione de libertate sentiendi
in causis publicis restricta auctus a Jo. Godefr. Schaumburg, 1739,
verb. 1754. Letzteres Buch hatte Puf. 1667 unter dem Namen
Severinus de Monzambano erscheinen lassen ; strenge genommen sind
also die unter diesem Namen erscbienenen und überhaupt alle Aus-
gaben mit Ausnahme der genannten nicht verb. Im span. Index
steht von Puf. nur, und erst seit 1787 Le droit . . . und Devoirs
de IHiomme in jeder Sprache, mit und ohne die Noten von Bar-
beyrac.
Daniel Otto, Dissert. juridico-politica de jure publice Imperii
Bomani, 1616, verb. 1661 und 1662, ist das erste staatsrechtliche
Compendium; es wird darin u. a. die Frage bejaht, ob die Eeichs-
atände zur Vertheidigung der Beligion Bündnisse gegen den Kaiser
eingehen dürfen (Stintzing S. 669). Sonst sind noch zu erwähnen:
Aulicus politicus diversis regulis . . . instructus, ante multos annos
^ub nomine Duri de Pasculo ablegatus, . . . nunc multis thesibus
auctior . . . divolgatus cura Eberarti de Weihe . . . , Frcf. 1415*,
14 Bl. 236 S. 4., verb. 1619 (steht erst seit Ben. unter Weihe,
früher unter Aulicus). Das Buch war unter dem Namen Durus de
I^asculo zuerst 1596, dann öfter, auch zu Verona, gedruckt (Jugler,
^, 23 L). Zu dem Verbote werden die Stellen gegen Beligionszwang
-Anläse gegeben haben : sanguine, tormento religionem defendere sei
%ie poUuere et violare (vgl. I S. 578). Weihe's Schrift De contro-
Arersia, an jus pontificium s. canonicum merito et licite in scholis et
Toto fidelium locum obtinere possit, 1588, steht nicht im Index
ITA Philos., natarwiss. and medicin. Schriften.
(Schalte S. 31). — Specali aulicaram atque politicaram observa-
tionam libelli octo . . . prooarante Lazaro Zetznero Bibliopola Ar-
gentinense 1610, über 500 S. 4., verb. 1621. Eine Aasgabe von
1600 enthält nur 6, eine Ausgabe von 1621 (über 800 S.) 13
libelli. In allen Ausgaben stehen De conciliis et consiliariis prin-
cipuni Frid. Furii (I S. 255), Aulicus pol. Duri de Pasculo, eine
Schrift von Jo. Sturm, zwei von Hippolytus a CoUibus (Jugler 3,
195) und Hypomneses politicae Franc. Guicciardini, denen Auszüge
aus seinem Geschichts werke (I S. 388) beigefügt sind. Diese werden
hauptsächlich das Verbot veranlasst haben. — Venturae de Valen-
tiis JC. Parthenius litigiosus s. discursus politico-juridicus de liti-
giosis nostri saeculi malitiis et de remediis abbreviandarum litium,
verb. 1623. Der Verf. ist G. V. Winther, Rath der Herzoge von
Pommern (Placcius, Pseud. 599). — Pacificus a Lapide, Homo po-
liticus h. e. consiliarius novus officiarius et aulicus secundum bodier-
nam praxin, Cosmopoli 1665, verb. 1667. Der Verfasser der zu-
erst 1654 erschienenen Schrift ist der preussische Kanzler Christoph
Rappe. £r gab die Schrift nochmals 1668 heraus mit einer Ad-
monitio, worin er sagt, er habe nicht die hodiema praxis, wie sie
sein solle, sondern die hodierna praxis der Pseudo-Politiker dar*
stellen und damit auch bekämpfen wollen. Diese Erklärung ist
durch eine Gegenschrift veranlasst, die der Nürnberger Advocat
Christoph Peller zuerst 1663 anonym, dann 1669 u. s. unter
seinem Namen veröffentlichte: Politicus sceleratus impugnatus, i. e.
compendium politices novum sub titulo Hominis politici . . editum,
notis ubique et a^ditionibus . . . illustratum, verb. 1685 (Nachr.
von der Stollischen Bibl. 2, 621). — Zu einem Thesaurus politi-
corum aphorismorum von dem Lütticher Canonicus Jo. a Chokier,
der mit einer Widmung an Paul V. zu Rom 1610 u. s. gedruckt
wurde (eine Ausgabe von 1625* ist ein Band von mehr als 300 8.
4.), erschien ein Epimetron sive Auctarium Thesauri aph. pol.,
h. e. Quaestionum poiiticarum . . . libri tres, Frcf. 1615 (auch 1619*,
4 Bl. 160 S. 4.), verb. 1618 (bei Sot. stark expurgirt). Der Verf.
bestreitet die Gewalt des Papstes in weltlichen Dingen, tadelt die
Einführung der Inquisition in Belgien durch Karl V., die inquisi-
tiones severae in 4i8sentientes u. dgl.
28. Philosophische, naturwissenschaftliche nnd
medicinische Schriften.
Die philosophische Literatur des 17. Jahrhunderts ist^ ab-
gesehen von Descartes und anderen, von denen später zu handeln
ist, im Index vertreten durch Montaigne, Charron, Fludd, Bacon
von Verulam, Herbert von Cherbury, Hobbes, — von dem, reif-
Philosophische Schriften. 175
lieh erst 1709, — Bämmtliche Werke verboten worden, und einige
weniger bedeutende Namen. Von Julius Caesar Vanini, der 1619
zu Toulouse, von dem Parlamente als Verbreiter des Atheismus
yerurtheilt, verbrannt wurde und der im spanischen Index als
impiissimus atheus in der 1. Classe steht, — von Hobbes steht
im spanischen Index nichts, — wurde in Rom 1623 nur ein
Buch mit d. c. verboten und dieses d. c. erst unter Benedict XIV.
gestrichen. — Die Naturwissenschaften sind, abgesehen von Ga-
lilei (§ 48) in dem Index Alexanders VII. nur durch einige
Chemiker oder Alchymisten und durch eine Anzahl Mediciner
vertreten. Von diesen sind einige durch die um 1600 viel er-
örterte „magnetische Heilung der Wunden" in den Index ge-
kommen, — J. B. van Helmont, der dadurch in Belgien in eine
mehrjährige Uhtersuchung verwickelt wurde, ist nicht darunter,
— Lionardo di Capua durch seine scharfe Kritik der schola-
stischen Philosophie, andere aus unbekannten, wahrscheinlich
gar nicht mit der Medicin zusammenhangenden Gründen, wegen
gelegentlicher anstössiger Aeusserungen.
Petrus EamuB (de la Eam^e, geb. 1515, ermordet in der Bar-
tholomaensnacht 1572) und einige Anbänger seiner Philosophie, wie
Thomas Freigius und Frid. Beurhusius, stehen schon bei Clem. in
der 1. Gl., nicht als ob man die Kamistische Philosophie geprüft
and verwerflich gefunden, sondern weil man die Namen bei Frisins
fand. Die Pariser Universität hatte allerdings schon 1543 ein
königliches Verbot von antiaristotelischen Schriften von Bamus er-
wirkt^). In den ersten Decennien des 17. Jahrh. kamen mehrere
Ramisten und Semiramisten in den Index, aber meist mit nicht
eigentlich philosophischen Schriften, wie Libavius, Goclenius, Alste-
dins. Schon 1603 wurde aber auch ein Buch verb., welches sich
auf dem Titelblatt als der Schale angehörend bezeichnet, die eine
Vereinbarung der Ramistischen und der Melanchton' sehen Logik an-
strebte: Syntagma Philippo-Rameum artium liberalium methodo bre-
vi ac perspicua concinnatum per Jo. Bipsterium (erst Ben. hat Bil-
steninm) Marsbergianum in gratiam tyronum etc., Basel 1598.
Daneben sind ein paar Compendien der Logik zu nennen: Jo.
Schollii Praxis logica, verb. 1619, und Barth. Keckermann
Gymnasium logicum, verb. 1605; von Keckermanns theologischen
Schriften steht keine im Index. — Von dem Semiramisten ßodol-
phus Goclenius (Goeckel aus Corbach, Prof. in Marburg, 1547 —
1628; A. D. B. 9, 808) wurden verb. Physicae completae specnlum,
1) Werner, Thomas von Aquin 8, 506.
176 Philos., natarwiss. und medicin. Sohrifteo.
1604, verb. 1613; Fartitionum dialecticarum 11. 2, 1595 — 1598, und
Controversiae logicae, 1604, verb. 1623; Lexicon philosopbicum,
1613 u. 8., verb. 1633. Der Tractatus de magnetica valnerum cu-
ratione (s. u.), der im Index mitten unter seinen Scbriften stebt, ist
von seinem gleichnamigen Sobne (1572— -1621). — Nie. Tanrellns
(1547— 1606) stebt im span., aber niebt im Römiscben Index. Von
Daniel Sennert, 1572 — 1637, Prof. der Medicin in Wittenberg,
sind nur die Pbysica bypomnemata, 1635, 1642 verb., und zwar
nur mit d. c. Kocb Benedict XIV. citirt seine £pitome physic&e
oft in dem Bucbe De beatif. Honoratus Fabri polemisirt u. a. gegen
seine Ansiebt, die Seele sei nicbt von Natur, sondern durcb den
Willen Gottes unsterblicb (Bayle s. v., Nie. 14, 140). Im span.
Index von 1747 werden seine Opera medica expurgirt. Mir un-
bekannte, wahrscheinlich unbedeutende Sachen stehen unter Bon-
zaeus (vor Ben. Bauzeus), Mangetus, Rndigerus (Ruediger), Ulmius,
Witekindus. Eine Reihe von Schriften steht im Index von dem Mediciner
Jo. Jonstonus Folonus (geb. 1603 zu Samter in Polen, aus einer
schottischen Familie stammend, f 1675 in Schlesien): Naturae con-
st<antia; Thaumatographia naturalis; Historia universalis civilis et
ecclesiastica [ab orbe condito usque ad a. 1633, später fortgesetzt
bis 1672]; De festis Hebraeorum et Graecorum cum lectionnm
philos. miscellis, (abgedr. bei Gronovius, Thes. VII.), verb. 1662;
Folymathiae philologicae s. totius rerum universitatis ad snos
ordines revocatae adumbratio, 1667, verb. 1690. Im span. Index
stebt er in der 1. Cl. (Mich, a S. Jos. 3, 83).
Von Jo. Blancus (Bianchi aus Nizza, Dr. med.) wurde 1640
verboten Divina sapientia arte constructa ad cognitionem et amorem
Dei acquirendum, 1642: Sapientiae examen, in quo eruditissimi viri
peripateticae et communis doctrinae apologi dubia proponuntnr et
a Jo. Blanco solvuntur, Lugd. 1640, 8, letzteres Buch nach Mazzach.
2, 1136, weil der Verfasser sich nicht nur von der Lehre des Aristo-
teles und den gewöhnlichen Ansichten der Philosophen, sondern auch
von der bei den Theologen üblichen Ausdrucksweise entfernt und
neue Ansichten vorträgt.
Jacob Boehme stebt nicht im Rom. Index (im span. als Ja*
cobus Böhmen, Germanus, Lutberanus, in der 1. CL), aber seit 1633:
^/oXoyia vera J. B. T. |d. i. Jacobi Boehmii Teutonici] 40 quae-
stionibus explicata a Jo. Angelio Werdenbagen, Amst. 1632,
620 S. 12., Böhmens Antwort auf 40 Fragen des Mediciners Balth.
Waltber (Baumg. 8, 404). Von Werdenhagen, Prof. in Helmstädt
(1581 — 1652), wurde 1636 noch verb. Universalis introductio in
omnes res publicas s. Politica generalis, 1632 (Moll, Cimbria 2, 966).
1676 wurden verb. Les Essais de Michel Seigneur de Mon-
taigne, mit dem Zusätze: wo immer und in welcher Sprache auch
immer gedruckt. Die beiden ersten Bücher waren schon 1580, das
ganze Werk 1588 u. o. gedruckt, zu Venedig 1633 auch eine Italien.
Uebersetzung. Dagegen wurde schon 1605 das Werk eines mit
Montaigne befreundeten und eine ähnliche philosophische Richtung
verfolgenden katholischen Geistlichen verb.: Liber gallico idiomate
Montaigne. Charron. Bacon. Hobbes u. a. 17?
conscriptas cui titulus est: De sapientia 11. 3 auct. Petro Cbarron
.1. V. D. Parle 1604. Erst seit Ben. stebt der französiscbe Titel
im Index: De la sagesse, trois livres. Die erste Ausgabe: TraitÄ
de la sagesse war schon 1601 erschienen. Der vor dem Tode
Charrons 1603 begonnene Druck der 2. Ausgabe wurde 31. Dec.
1603 von der Pariser Universität inhibirt, bis das Buch revidirt
und approbirt sei (Jourdain, Hist. P. just. 19). In der 1605 ver-
liotenen Ausgabe von 1604 ist also manches geändert. In der Aus-
gabe von 1607 sind die weggelassenen Stellen beigefügt (Bayle
8. V.; noch 1830 ist eine deutsche Uebersetzung des Buches von
Willemer erschienen).
Von Franz Bacon von Verulam (1Ö61 — 1626) wurde De dig-
nitate et augmentis scientiarum, 1605 englisch, 1624 vollständiger
lateinisch, mit d. c. verb., und zwar erst 1669. Bei Sot. stehen
Franc. Baconus und Franc. Verulam als zwei Autoren in der 1. Cl. ;
von ersterm wird De sapientia veterum, 1617, freigegeben, von
letzterm Instauratio magna, 1620, expurgirt, in dem Index von
1707 auch die Opera omnia, 1665 (1 Spalte). Erst in dem Index
von 1790 steht Fr. Baco Baro de Verulamio. — Von den vielen
Schriften von Robert Fludd, f 1637, steht nur eine im Index:
Utriusque cosmi, majoris sei licet et minoris, metaphysica, physioa
atque technica historia. Authore Roberto Fludd alias de Fluctibus,
Armigero et inMedicina Doctore Oxoniensi . . . 1617 — 23, 3 Tomi
Fol. (Clement 8, 377). Bei Sot. steht er in der 1. Cl. und wird
potissimum die Medicina catholica verb. — Von Edward Herbert,
Lord Cherbury, + 1648, wurde 1634 verb.: De veritate prout di-
stinguitur a revelatione, a verisimilitudine, a possibili et a falso,
Par. 1624, 4., u. o. Sein Buch De religione gentilium errorumque
apud eos causis, von dem die erste unvollständige Ausgabe zu Lon-
don 1645, vollständige Ausgaben zu Amsterdam 1663 (von Isaac
Vossius besorgt) und 1700 erschienen waren (Clement 9, 422), wurde
erst 1709 verb. (in dem Decrete wird die Ausg. Amst. 1663 an-
gegeben), in demselben Decrete: Jo. Musaei, S. Th. Dr. et Prof.,
Dissertatio de aeterno electionis decreto, an ejus aliqua extra Deum
causa impulsiva detur necne etc. Accessit de luminis naturae insuffi-
cientia ad salutem dissert. contra Eduardum Herbert Decher-Puris
^Baronem Anglum, Jenae 1668. Erst Ben. hat Decher-Puris in de
Cherbury geändert, führt aber die zwei Dissertationen als besondere
Schriften auf. (De rel. gent. p. 312 erklärt Herbert, er unterwerfe
«ensuram hiinc censurae et judicio catholicae et orthodoxae Eccle-
fiiae). — In diesem Decrete von 1709 werden auch sämmtliche
Werke von Thomas Hobbes (1588 — 1679) verb. Vorher war von
ihm nur verb., und zwar erst 1703 : Leviathan sive de materia,
forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis . . . una cum
appendice, 1668 (die englische Ausgabe war schon 1651 erschienen),
und gleichzeitig Vita Thomae Hobbes Angli Malmesburiensis phi-
losophi, Carolopoli (London) 1681 (von dem Mediciuer Rieh. Black-
burn; Bayle, Oeuvres 4, 841). Viel prompter als die Schriften von
Hobbes wurde ein harmloseres Buch auf den Index gesetzt: Religio
Rensch, Index II. |2
178 Philos., naturwiss. und medicin. ^hriften.
medici. So in dem Decrete vom 18. Dec. 1646 und im Index noch
jetzt, obschon der Verfasser, der Mediciner Sir Thomas Browne
(1605 — 82), der diese religiösen Betrachtungen und Grübeleien zu-
nächst für sich selbst aufgezeichnet hatte, in den späteren Ausgaben
des Buches in der Vorrede genannt wird. Das Buch erschien 1642
englisch, eine lateinische Uebersetzung von John Merryweather zu
Leyden 1644. In Paris galt Browne, dessen Buch viel gelesen, in
mehrere Sprachen übersetzt und vielfach nachgebildet wurde, —
Religio laici, jurisconsulti, medici catholici u. dgl.^) — als katho-
lisch gesinnt, in Deutschland als Atheist; in Bom erschien eine
Gegenschrift Medicus mediratus.
Das Buch von Julius Caesar Vanini, welches 1623 mit d. c.
verb. wurde. De admirandis Nuturae, reginae deaeque mortalium,
arcanis 11. 4, Lutetiae 1616, 8., war mit königlichem Privileg und
mit einer vom 20. Mai 1616 datirten Approbation von zwei Doc-
toren der Sorbonne, Edm. Corradin, Ord. Min., und Claudius Le
Petit, erschienen, in welcher erklärt wird, es enthalte nichts der
katholischen, apostolischen und römischen Religion Widersprechen-
des und sei sehr scharfsinnig und des Druckes durchaus würdig.
Auch sein Amphitheatrum aeternae providentiae divino-magicum,
christiano-physicum necnon astrologico-catholicum adv. veteres phi-
losophos Atheos, Epicureos, Peripateticos et Stoicos, Lugd. 1615, 8.,
war mit geistlicher und weltlicher Approbation erschienen. Der
erzbischöfliche Censor de Ville bezeugt, das Buch enthalte nichts
von dem katholischen und römischen Glauben Abweichendes, aber
viele scharfsinnige und kräftige Argumente gemäss der gesunden
Lehre der bedeutendsten Magister der h. Theologie. In der Vor-
rede unterwirft Vanini alles der Censur der Römischen Kirche^).
Dieses Buch steht nicht im Rom. Index.
Von Andreas Libavius, einem der Begründer der wissen-
schaftlichen Chemie, f 1616, stehen im Index : Defensio et declaratio
perspicua alchimiae transmutatoriae . . . 1604, verb. 1605 (der Titel
scheint aus den Nund. von 1605 abgeschrieben zu sein), und Appen-
dix necessaria syntagmatis arcanorum chimicorum, verb. 1618 (das
1615 erschienene Syntagma selbst ist nicht verb.). Bei Sot. werden
mehrere andere Werke expurgirt. — 1624 wurde verb. Symboh
aureae mensae; erst Ben. hat Mich. Maierus, Symb. aureae men-
sae duodecim nationum . . . 1617; von demselben Maier (f 1622) ^
wurde 1628 noch verb. Verum inventum, h. e. munera Germaniae -^
ab ipsa primitus reperta et reliquo orbi communicata, 1619 (diese -*
munera sind: das deutsche Kaiserthum, die Erfindung des Schiess- —
pulvers und der Buchdruckerkunst, Luthers Reformation, die Reform
der Medicin durch Theophrastus Paracelsus und die Fratemitas ^
roseae crucis; Moll, Cimbria 1, 376). — Theatrum chemicnm, -
praecipuos selectorum authorum tractatus de chemiae et lapidis phi-
1) Weingarten, Revolutionskirchen S. 306.
2) Nachr. von der Stollischen Bibl. 2, 181. 206. Baumg. 4, 519.
Vanini. Libavius. Helmont u. a. 17d
losopkici antiquitate, praestantia et Operation! bus continens, Argeot.,
Laz. Zetzner, 1659, 6 vol., wurde erst 1709 verb. Bei Sot. wird
die Ausgabe Urseliis 1602 in 3 Bänden expurgirt.
Die magnetische Heilung der Wunden spielt in der medici-
nischen Literatur um 1600 eine grosse Rolle. Bei Sot. wird ein
Tractat von Andreas Libavius De impostoria vulnerum per unguen-
tum armarium sanatione vom J. 1594 expurgirt. Der jüngere Ru-
dolph Goclenius veröffentlichte 1608 zu Marburg Oratio qua
defenditur, vulnus non applicato etiam remedio citra ullum dolorem
cnrari naturaliter posse, si instrumentum vel telum, quod sauciavit
seu quo vulnus est inflictumi peculiari unguento inunctum obligatur,
dann 1609: Tractatus de magnetica vulnerum curatione citra ullum
dolorem et remedii applicationem et superstitionem, verb. 1621.
Gegen diesen Tractat schrieb der Jesuit Jo. Roberti Anatome ma-
gici iibelli R. Goclenii etc., 1615, und es folgten nun noch mehrere
Streitschriften von beiden Seiten bis zum Tode des Goclenius 1621
(Strieder 4, 495. Backer I, 635). Nun trat Job. Bapt. van Hel-
mont (1577 — 1644) für Goclenius ein. Die für seine Schrift schon
ertheilte Druckerlaubniss der geistlichen Censurbehörde wurde auf
Betreiben der Jesuiten zurückgenommen, die Schrift aber ohne Hel-
monts Vorwissen in Paris 1621 gedruckt: De magnetica vulnerum
naturali et legitima curatione contra Jo. Roberti S. J. Dieser ant-
wortete in Curationis magneticae et unguenti armarii magica impo-
stura clare demonstrata etc., 1621. Die spanische Inquisition ver-
bot Helmonts Schrift 1626, nachdem vier Examinatoren 27 Sätze
daraus censurirt und erklärt hatten: ipse auctor tam videtur hae-
Teticus quam impudenter audax; gleichzeitig wurden verb. J. B.
Helmontii medici et philos. per ignem propositiones notatu dignae
depromptae ex ejus disputatione de magn. . . . Parisiis edita, Col.
1624, 16 S. 8. Im J. 1627 wurde dann von dem Official des Erz-
l)i8chof8 von Mecheln gegen Helmont ein Process eingeleitet. Die
theologische Facultät zu Löwen gab ein (auch von Cornelius Jan-
eenius unterzeichnetes) Gutachten ab, worin seine Ansichten als
Icetzerisch und zur diabolischen Magie gehörend bezeichnet wurden.
Auch die theologische Facultät zu Douay und die medicinischen
JPacultäten beider Universitäten censurirten 27 Sätze von Helmont
^die oben erwähnten Propositiones wurden nochmals gedruckt mit
Censurae celeberrimorum tota Europa theologornm et medicorum ex
mutographis optima fide descriptae, Leodii 1634, 20 S. 4). Helmont
^wurde 1634 für kurze Zeit verhaftet; es wurde beantragt, ihn zu
"verbannen und sein Buch Öffentlich zu verbrennen; man nahm aber
"^on einer Bestrafung Abstand, da er selbst erklärte, er verdamme
«ein Buch, sofern es etwas Bedenkliches enthalte, und unterwerfe
«ich in allem der Censur der Kirche und der Oberen ^). — Im Rom.
1) G. Broeckx, Notice sur le manuscrit Causa J. B. Helmontii (im
erzbischöfl. Archiv zu Mecheln), in den Annales de Pacad. d'archeol. de
Belgique, t. 9 (1852), 277; t. 13 (1856), 306. Haeser, Gesch. der Medicin
% 346.
IdO Thilos., naturwlss. und medicin. Sokriften.
Index steht Helmont, wie gesagt, nicht; aber 1659 wurde eine Dis-
ceptatio apologetica de sanguinis missione in vulneribus von Hora-
tius Vaccherius verb. (1668 schrieb der Theatiner Girolamo
Vitale Physico-theologica de magnetica vulnerum curatione; Nico-
demo-Toppi 139). — Von dem 8ohne J. B. van Helmonts, Franz
Mercurius v. H. (1618—99), — er war um 1662 in seinen jüngeren
Jahren einige Zeit im Gefängniss der Inquisition zu Rom^), —
wurden nach seinem Tode zwei anonyme Schriften von der Inqui-
sition verb., ein Compendium der cabbalistischen Theologie: Seder
olam sive ordo saeculorum, historica enarratio doctrinae, s. 1. 1693,
196 S. 12, verb. 1700, und eine »Schrift über Seelen Wanderung:
De revolutione animarum humanarum: quanta sit istius doctrinae
cum veritate christianae religionis conformitAs. Problematum cen-
turiae duae, lectori modesto modeste propositae et latinitate do-
natae juxta exemplar Anglicanum Londini a. 1684 Impressum (144
S. 12., in den Opuscula philosophica, Amst. 1590. Clement 9, 369).
Von dem Neapolitanischen Mediciner Seb. Bartoli (t 1676)
wurde 1667 verb. Astronomiae microcosmicae systema novum cum
annexo opusculo : In eversionem scholasticae medicinae exercitatio-
num paradoxicarum decas, und 1669 eine neue Ausgabe dieses An-
hangs: Artis medicae dogmatum communiter receptorum examen,
1666. — Genauer unterrichtet sind wir über das Verbot der Schriften
eines andern Neapolitanischen Mediciners, Lionardo di Capoa. Er
war, wie in dem Avviso vor dem 2. Bande der Discussioni von
Grimaldi (s. u.) berichtet wird, zu einem Gutachten über die Re-
form des medicinischen Studiums aufgefordert worden und hatte in
diesem gezeigt, dass für den Mediciner auch das Studium der Phi-
losophie nöthig sei, das Studium der scholastischen Philosophie aber
nicht genüge. Dadurch hatte er sich die Anhänger der letztern zu
Feinden gemacht. Seit Ben. steht im Index unter seinem Namen
nur Parere divisato in otto ragionamenti ; aber aus den älteren In-
dices ist zu ersehen, dass es sich um ein Buch über Medicin handelt
und dass die Inquisition es ist, die es 1693 verb. hat. Als Titel
wird angegeben : Parere di Lionardo di Capoa divis. in otto rag.,
ne' quali parinienti narrandosi l'origine e'l progresso della medicina
chiaramente Tincertezza della medicina si fa manifesta. Lionardo
hat aber zwei Schriften veröffentlicht, 1681 Parere sopra Torigine
etc. und acht Jahre später (s. a.) Ragionamento oder Tre ragiona-
menti intorno alla incertezza de'medicamenti (der Titel, wie er im
Decrete angegeben wird, gehört vielleicht zu einer neuen Ausgabe
beider). Die scharfe Kritik der herkömmlichen Heilmethode erregte
in Neapel grosses Aufsehen (es erschien auch eine Gegenschrift von
Lavagna), und der berühmte Mediciner Redi schreibt, die medicini-
schen Pfuscher und ihr Anhang (il volgo e la plebe de' mediconzoli)
hätten Lust gehabt, den Entlarver ihres Schwindels (ciurmeria) zu
steinigen (Valery 1, 324. Tirab. 8, 325). Woher die Inquisition
1) Adelung, Gesch. der menschl. Narrheit 4, 298.
Magische, astrologische und ahnliche Bücher. 181
die Mission hatte, sich in die Sache einzumengen, ist schwer zn
sagen. Sie verbot aber 1700 auch ein ähnliches Buch eines Eng-
länders Gedeon Harvey, Ar« curandi morbos exspectatione, item
de vanitatibus, dolis et mendaciis medicorum, Amst. 1695| nach
Haeser 2, 427 eine schon 1689 englisch erschienene „werthlose,
gegen die China gerichtete Schrift von einem zanksüchtigen Viel-
schreiber, dem Leibarzt Karls 11." --Von der Index-Congr. wurde
1717 eine Schrift eines angesehenen Anatomen verb. : Tractatus de
natura substantiae energeticae . . . auth. Fr. Glissonio, Lond.
1672. Erklärlicher ist, dass ein halb medicinisches, halb exegeti-
sches Buch des Dänen Thomas Bartholinus, Paralytici Novi
Test, medico et philologico commentario illustrati, verb. wurde (zu-
erst 1653 gedruckt, verb. erst 1700; De morbis biblicis miscellanea
medica, 1672, steht nicht im Index), obschon darin die wunderbare
Heilung nicht bestritten wird und Benedict XIV. De beatif. 1. 4,
p. 1, c. 12 u. s. das Buch citirt.
Auch Lettera del Dr. Bart. Corte Milanese, nella quäle si
discorre, da quäl tempo probabilmente s'infonda nel feto Tanima
ragionevole, von der Inq. verb. 1704, behandelt eine Frage, die auch
von den Theologen erörtert wurde. — Martin Wein rieh De ortu
monstromm commentarius, Lpz. 1595, wurde 1621 mit d. c. verb.
Im Anfange des 17. Jahrb. wurden ausserdem noch Schriften verb.
von den Medicinem Caspar Hofmann, Godfr. Smoll, Chr. Fr. Gar-
mann und Henr. Petraeus (verschieden von dem bei Clem. in der
1. Cl. stehenden Henr. Petraeus Herdesianus).
29. Hagische, astrologische und ähnliche Bücher.
Im 17. Jahrhundert wurde eine Reihe von Büchern Über
Magie, Astrologie u. dgl. verboten, — auch die Steganographie
des Abtes Trithemius, weil man sie für ein magisches Buch hielt,
— namentlich 1623 und 1624. Am 1. April 1631 erliess Urban VIII.
eine eigene Bulle „gegen die Astrologen, welche über den Zu-
stand der Christenheit oder des h. Stuhles oder über das Leben
des Papstes und seiner Verwandten Berechnungen machen,"
nahm am folgenden Tage in einem Breve alle Ermächtigungen
zum Lesen verbotener Bücher zurück und schloss bei den neuen
Licenzen, die er ertheilte, die astrologischen Bücher aus ^). Im
18. Jahrhundert werden solche Verbote seltener; 1732 aber
1) Keusch, Galilei S. 200. 76. Hist. Zts. 1P80, 43, 160.
182 Magische, astrologische uud ähnliche Bücher.
schritt die Inquisition zum ersten Male gegen eine Sorte von
Büchlein ein, die in Italien bis auf diesen Tag viele Abnehmer
finden, gegen die Anweisungen, in voraus, speciell nach Träumen,
die Nummern zu berechnen, welche bei den nächsten Ziehungen
der Lotterie herauskommen werden.
In dem Decrete vom 7. Aug. 1603 werden ausser dem Buche
von Godelmann (I S. 417) verb. Davidis Origani Glacensis Ephe-
merides [Brandenburgicae annorum sexaginta, Frcf. 1599] und Jo.
Petri Stupani Tractatus de idololatria et magia, beide mit d. c.
Der Verfasser des letztern Buches, Giampietro Stoppani, einer der
Gründer der Congregation der Oblaten des h. Ambrosius, ein Fami-
liär des h. Carl Borromeo und 1580 angeblich wunderbar von ihm
geheilt, wurde von ihm 1583 nach der Valle Mesolcina (Misoxer
Thal) gesandt, um dort Ketzerei und Zauber- und Hexenwesen zu be-
kämpfen, und wird damals dieses Buch geschrieben haben. Was in
Rom daran missfallen, erhellt nicht; jedenfalls hat man Stoppani
seine Fehlgriffe nicht entgelten lassen, denn er starb 1630 als Ge-
neralvicar und Inquisitor des Veltlin^). — Die Ephemeriden von
Origanus stehen auch im Liss. 1624 und bei Sot. Dieser verordnet,
einer Stelle der Vorrede eine Note beizuschreiben: die hier vorge-
tragene Ansicht über die Bewegung der Erde sei zwar nicht die
Copernicanische, aber jani parum tuta et periculosa in fide atque
adeo in speciem valde adversa nonnullis scripturae locis, quantum-
vis Origanus contendat scripturam aliorsum trahere, imo videtur
damnata peculiari quodara edicto Pauli V. a. 1616 (Galilei bei Berti,
Antecedcnti p. 33, sagt: Origanus beweist im Anfange der Ephe-
meriden ausführlich die Bewegung der Erde). An dieser Stelle hat
man in Rom 1603 ohne Zweifel noch keinen Anstoss genommen;
das Verbot ist vielmehr veranlasst durch die gleichfalls von Sot.
monirten astrologischen Prognosen und die Beifügung von Namen
von Ketzern in den Kalendaricn-).
1609 wurde verb. Steganographia h. e. ars per occultam scrip-
turam animi sui voluntatem absentibus aperiendi certam anct. Jo.
Trithemio abbate Sponhemensi et maßjiae naturalis magistro per-
fectissimo, Frcf. 1608. Das Buch des Trithemius (f 1516) ist ein©
Anweisung zu einer Geheimschrift, wurde aber, weil darin allerlei au»
1) Quadrio, Dissert. intorno alla Rezia, Mil. 1756, III, 460. Porta^
Hist Ref. I, 49; U, 27.
2) Liss. 1624 verbietet eine Ausgabe der Ephemerides mit der naiven.
Bemerkung: donec ab auctore adhuc superstite recognoscantur ad normam
Constitutionis Sixti V. (I S. 3:9). Fir expurgirt auch die Ephemerides von.
Cyprianus Leovitius (ira Rom. Index 1. Cl.), Jo. Stadius (Lugd. 1585),
Jo. Meletius (Ven. 1564). — Sot. liefert zu einigen astrologischen Büchern,
statt sie einfach zu verbieten, spaltenlange Expurgationen, so zu dem
Speculum astrologiae von Franc. Juntinus, Lgd. 1583. und zu einem por-
tugiesischen Buche von Joan de Barreira, Cintra 1579.
Origanus. Stupanus. Trithemius a. a. 183
der Magie entnommene Ausdrücke gebraucht werden, vielfach für
ein magisches Buch gehalten, obschon es Trithemius selbst noch
gegen diese Auffassung vertheidigt hatte (Baumg. 2,327; Kurfürst
Friedrich von der Pfalz Hess auf Dujons Betreiben die Original-
handschrift verbrennen). Auch Possevinus, App. I, 945 sagt: es sei
nicht eine clavis polygraphiae, sondern superstitionis et periculi
plenissimum magiamque sapit, non naturalem illam, quo tarnen no-
mine plerique suas sordes tegunt, verum etiam ipsam, quae cum a
S. Kom. Ecclesia prohibita sit una cum ejusmodi libris in Rom. In-
dice, haud dubium quin et istud sit ablegandum. Dieses Votum
hat denn ohne Zweifel das Buch in den Index gebracht. Es er-
schienen mehrere Vertheidigungen, u. a. von Caramuel, Stegano-
graphiae necnon Claviculae Salomonis Jo. Trithemii declaratio, Col.
1635 (Paquot 2, 178) und von dem Jesuiten Caspar Schott, Schola
steganographica, 1665. Aber noch 1684 beanstandeten die Römi-
schen Censoren in der Kirchengeschichte des Natalis Alexander die
Stelle, an der er unter Berufung auf Spondanus sagt, Trithemius sei
von unkundigen mit Unrecht der Magie verdächtigt worden, und
noch 1703 wurde verb. Jo. Trithemii . . . Steganographia, quae hucus-
que a nemine intellecta, sed passim ut suppositicia [bei Sot. steht:
opus falso Trithemio adscriptum], perniciosa, magica et necromantica
rejecta, elusa, damnata et sententiam Inquisitionis passa, nunc tandem
vindicata, reserata et illustrata, auth. Wolfg. Ernesto HeidelWor-
roatiense, Mog. 1676. Roncaglia (1734) sagt in seinen Noten zu
Natalis Alexander (ed. Bing. 17, 396), dessen Bemerkung über Tri-
themius sei richtig, das Buch aber mit Recht verb., weil weniger
Unterrichtete es für ein magisches halten und durch das Beispiel
eines so bedeutenden Mannes zum Aberglauben verleitet werden
könnten; von ihm selbst habe ein nicht ungelehrter Mann das Buch
verlangt, um daraus die Kunst zu lernen investigandi nomina in
lüde Januenii extrahenda^). Jedenfalls steht der arme Trithemius
noch heute im Index.
In dem Decrete vom 16. März 1621 wird ein Schriftchen von
Bon Angelo Gabriello Anguisciola — er war ein Lateranensischer
Chorherr und wird von MazzuchelH als ein frommer und gelehrter
Mann bezeichnet, f 1643, — ■ verb.: Della hebraica medaglia detta
Maghen David & Abraham, Dichiaratione, desgleichen ein gedrucktes
Blatt: Maghen David & Abraham. Breve discorso e compendiosa essa-
minatione della natura e proprietä di questa medaglia. Estratto dal
libro sopra cio di Don Angelo etc. Zugleich wird die Medaille
selbst verb. und verordnet, alle Exemplare an die Inquisition ab-
zuliefern. Die Medaille wird in der Raccolta s. v. Medaglia be-
schrieben: auf der einen Seite ein Christuskopf, umgeben von Kreisen
und Quadraten mit hebräischen Buchstaben, auf der andern Quadrate
und Dreiecke mit hebr. Buchstaben und Namen, „von denen einige
1) Baillet, Jugem. 2, 288. Canzler und Meissner, Quartalschrift f.
alt. Lit. 2. J. (1784), 3. Qu. 2. H. S. 103.
184 Magische, astrologische und ähnliche Bücher.
unbekannt und verdächtig sind, eines injuriös gegen den Erlöser".
Das Amulet wurde namentlich als wirksam gegen Feuersgefahr an-
gesehen^). Imbonati p. 212 meint, die Schrift von Angnisciola sei
nur ein Auszug aus einer handschriftlich im Vatican vorhandenen
Schrift des getauften Juden Raffaello Aquilino, der uns. als Gehülfe
Girolamo Muzio's bei seinem Feldzuge gegen die talmudischen
Bücher im J. 1553 begegnet ist (I S. 48). Eine in eben diesem
Jahre 1621 zu Bracciano gedruckte Schrift: Scudo di Christo ovvero
di David in tre libri distinto dal B. D. Carlo de Fabri da Mon-
dolfo, J. U. D., die eine andere Erklärung der Medaille und eine
Vertheidigung der Schrift von Angnisciola enthält, wurde von der
Inq. verb., aber erst 1701!
In dem Decret vom 3. Juli 1623 (Alex. No. 27) werden verb.
Antonii Cararini duo libelli astrologici. Erst Ben. hat die Titel
eingesetzt: Specchio d'astrologia naturale, il quäle tratta dell' incli-
natione della nativitä degli uomini, und Tnclinatione e natura de*
sette pianeti e de' dodici segni celesti. — In demselben Decret wird
verb. Achmetis Sereimi F. Oneirocritica cum notis Nicolai Rigaltii.
Diese Schrift über Traumdeutung wurde schon 1160 von LeoTuscus
aus dem Griechischen ins Lateinische und danach von Patr. Tricasno
(I S. 395) ins Italienische übersetzt, griechisch zuerst zusammen
mit dem Artemidoms 1603 von Rigault herausgegeben (Bayle s. v.
Achmet). Diese in wissenschaftlichem Interesse veranstaltete Ausgabe
gehörte offenbar nicht in den Index. — Im J. 1623 wurden ferner
noch verb.: Antonii Pjellegrini Physiognomia naturalis, Mail. 1622,
auch die schon 1596 zu Venedig erschienene italien. Ausgabe: Segni
della natura dell' huemo, und Strozzi Cicogna, Palazzo degl' in-
canti. Erst Ben. hat den Titel genauer gegeben. Vollständig heisst
er: Palagio degV incanti e delle gran maraviglie degli spiriti et di
tutta la natura loro, diviso in libri 45 et in 3 prospettive: «piri-
tuale, Celeste et elementare, da Strozzi Cigogna, gentil huomo Vicen-
tino, Teologo, Filos. & Dott. di leggi & Nuncio della cittä di Vi-
cenza appressa la Sereniss. Rep. di Vinegia, Vicenza 1605,4. Dieser
Band, der also erst 18 Jahre nach dem Erscheinen verb. wurde,
handelt von den guttun und bösen Geistern, von der schwarzen
Magie, Goetie undNoetik; die drei Bände, welche de diis coelestibns
(Astrologie), de anima mundi und von der natürlichen Magie han-
deln sollten, sind nicht erschienen. Das Buch ist in Deutschland
ins Lateinische übersetzt worden: Magiae omnifariae vel potins
universae naturae theatrum . . . Auct. D. Strozzio Cicogna, ex ital.
lat. opera Caspari Ens L., Col. 1607.* 568 S. 8. — Cicogna hat
sich übrigens mit fremden Federn geschmückt: der Verfasser des
Buches ist der Can. reg. Thomas Garzoni, f 1589, dessen Bruder
auch Cicogna zu Venedig wegen unbefugter Veröffentlichung des
Buches unter seinem Namen verklagte 2).
1) Bartolocci 4. 164. Wolf, Bibl. rabb. 3, 997.
2) Placcius p. 575. Fabriciiis, Hist. Bibl. 476.
Cicx)gna. Lo Normant. Nouhusius u. a. 186
Auch 1624 wurden mehrere Bücher verboten: Historia memo-
rabilis de tribus energumenis, Par. 1623, seit Ben. Jo. Le Nor-
mant Vera et memorabilis biet, de tr. en. in partibns Belgii et de
qoibusdam aliis magiae complicibuR. Die Schrift, 1623 zu Paris
lateinisch und französisch (2 vol. 8.) erschienen, handelt von den von
dem Dominicaner Franz Dooms 1610 — 11 mit drei Nonnen vorge-
nommenen Exorcismen, worüber damals mehrere Schriften erschienen
(Qu^tif II, 483). Die Sorbonne censurirte schon 1623 diese und
eine zweite Schrift desselben Jean le Normant, Sieur de Chiremont:
De la vocation des magiciens et magiciennes par le ministere des
d^mons. (Arg. II b 137.) — Marcelli Viscardi Necessitatis magna-
lia (Ben. hat d. c. beigefügt). — Tragica seu tristium historiarnm
de poenis criminalibus et exitu horribili eorum, qui impietate, blas-
phemia .... ultionem divinam provocarunt et mirabiliter perpessi
sunt, libri dao, Islebiae 1598,* fast 700 S. 4. Das Buch wird in
der Vorrede als 2. Theil eines in demselben Verlag erschienenen
Buches bezeichnet, welches, obschon gewiss bedenklicher als jenes,
erst 1656 verb. wurde: Magica seu mirabilium historiarum de
spectris et apparitionibus spirituum, item de magicis et diabolicis
incantationibus, de miraculis, oraculis, vaticiniis . . . visionibus, reve-
lationibus et aliis hujusccmodi multis ac variis praestigiis . . . malo-
rnm daemonum libri duo, ex probatis et Rde dignis historiarum
scriptoribus diligenter collecti, Islebiae 1597,* 4 (dem Herzog Hein-
rich Julius von Braunschweig gewidmet), auch Lugd. Bat. 1656, 12.
Edonis (in den neuesten Index- Ausgaben falsch Edoardi) Neu-
husii Fatidica sacra sive de divina futurorum praenunciatione libri
duo, Amst. 1630, verb. 1640. Das Buch handelt auch de somniis
divinis, de tempestatibus prodigiosis, de monstrorum speciebus u. dgl.,
und ein 1648 erschienener Liber 3. de praesensione ex astris u. dgl.
Von demselben Autor wurde 1677 verb.: Theatrum ingenii humani
sive de cognoscenda hominum indole et secretis animi moribus,
gleichfalls 1677 Julii Reichelti Exercitatio de amuletis, Argent.
1676, 94 S. 4 (mit Abbildungen). — Ptolemaeus parvus in gene-
thliacis junctus Arabibus, auct. Andrea Argolo in Patavino Lyceo
mathematicas scientias profitente, Padua 1652 u. s., verb. 1658, ist
der Königin Christine von Schweden gewidmet. Argoli (1570 — 1657),
ein angesehener Mathematiker und Astronom, war um 1630 Lector
der Mathematik in Rom, machte sich aber dort durch seine astro-
logischen Dinge und seine böse Zunge unmöglich (Mazzuch. s. v.).
— Mauritius Comes de Flisco (aus Genua), Decas de fato annisque
fatalibuR tam hominibus quam regnis, Frcf. 1665, verb. 1673. Die
Stücke waren vorher einzeln erschienen: Discursus an resp. Veneta
a. 1656 sit passura imminentes Italiae calamitates, maxime de peste,
1655; De mutationibus sectarum, imperiorum et regnorum mundi,
1662; De fato Austriaco, 1664; De paroemia pontificum: Non vide-
bis dies Petri, 1665 u. s. w. (Oldoini, Athenae Ligur. s. v.)
Erst 1674 wurden zwei schon 1610 zu Paris gedruckte Bücher
verb.: Magia astrologica h. e. P. Constantii Albinii Villanovensis
Clavis sympathiae Septem metallorum et 7 selectorum lapidum ad
186 Magische, astrologische und ähnliche Bacher.
planetas, und D. Petri ArlensiR de Scudalnpis HieroBolymitaoi
presbyteri Sympathia 7 met. ac 7 sei. lap. ad planetas, nach Morbof
Polyh. I, 1, c. 11 schon zu Madrid 1602 und auch zu Rom gedruckt,
wo aber der Sohn des Verfassers die Exemplare zurückgekauft habe ;
letzterm ist beigefügt Cam. Leonardi Speculum lapidum (S. 70).
— Ausserdem wurden bis zum J. 1700 noch verb. : Nie. Groderi
(seit Ben. Crogeri, bei Jöcher Croeder) Amphitheatrum mortis ma-
turae, sortis durae, — Jo. Franc. Spina De mundi catastrophe, b.
e. de maxima rerum mundanarum revolutione post a. 1623, — Fas-
ciculus trium yerarum propositionum, astronomicae, astrologicae et
philosophicae. Auth. Immanuel B. T. Y. Rosales Hebraeo, Flor.
1654, — Nie. Spadon, Studio di curiositä, nel quäle si tratta di
fisionomia, chiromantia e metoposcopia, diviso in dne parti, — Tri-
nnm magicum s. secretorum magicorum opus . . . editum a Caesare
Longino Philos., Frcf. 1673 (enthält auch Goclenius de magnetica
vulnerum curatione), verb. 1700. — Des Holländers Balthasar Bekkers
seit 1691 oft gedruckte „Bezauberte Welt" steht nicht im Index,
obschon sie 1694 auch französisch erschienen und in Rom nicht un-
bekannt war (Bened. XIV. De beatif 4, 1, 39, 3).
Dass Delrio^s Disquisitiones magicae, 1593, nicht verb., sondern
viel benutzt wurden, wurde schon IS. 418 erinnert. Selbst de Backer
I, 257 sagt: Le livre eut beaucoup de vogue, quoiqu'il soit rempli
de contes et de fahles qui ne meritent pas d'Stre rapport6s. II y cite
une infinit^ d'auteurs, la plupart obscurs et inconnus. Auch Vinc.
Baron, L. apol. II, 163, sagt: Das Buch wäre vielleicht besser nicht
gedruckt worden. — Ein ähnliches Werk wie das von Delrio ist
Epitome delictorum s. de magia ... 11. 4, auct. Franc. Torreblanca
Villalpando Cordubensi, Sevilla 1618 und sonst (Ed. noviss. Lngd.
1678*), auch unter dem Titel: Daemonologia s. de magia naturali,
daemonica, licita et occulta, Mog. 1623.* Diese Ausgabe, ein Quart-
band von fast 700 S., ist dem Bischof von Würzburg gewidmet.
Auf dem Titelblatte steht: Nunc jussu Philippi III. conscripti et
ad petitionem Fiscalis gen. cum approbatione Senatus Regii et S.
Inq. editi. Es ist eine Yertheidigung des Buches beigedruokt, aus
der sich ergiebt, dass der Verfasser nicht ohne Schwierigkeit die
Druckerlaubniss erhielt. Im span. Index werden 3 Stellen expurgirt.
Das Buch wird von Albit. wiederholt citirt.
1701 verbot die Inquisition eines der vielen Bücher, welche
gegen Ende des 17. Jahrb. über die Wünsch elruthe erschienen:
La physique occulte ou traite de la baguettc divinatoire et de son
utilit6 pour la dicouverte des sources d^eau, des minieres, des tre-
sors Caches et des meurtriers fugitifs, avec des principes qui expli-
quent les ph^nom^nes les plus obscures de la nature, par M. Le
Lorrain de Vallemont, Pr6tre et Dr. en Theol. Par. 1693. 609 8.
12., — deutsch Nümb. 1694^). — 1712 wurde von der Inq. ein
1) Ausführlich darüber N. Lit. Anz.. München 1807, 393. Albit p. 339
lehrt übrigens: der Gebrauch von duae virgae nucis punicae seu avellanae
Wünschelruthc. Lotteriebücher. 187
nicht ernst gemeintes Buch eines andern Abbe über Cabbala und
Kosenkreuzerei verboten: Le Comte de Gabalis ou entretiens sur
les Sciences secr^tes, Anist. 1671, 328 S. 12. u. s., und La suite du
Comte de Gabalis ou nouveaux entretiens sur les sciences secr&tes
touchant la nouvelle philosophie, Amst. 1708. Der Verfasser hiess
de Villars, Abb^ de Montfaucon. Nach dem Erscheinen seines Buches
wurde ihm das Predigen untersagt; er wurde 1673 ermordet^).
1752 wurde noch eine italien. Uebersetzung verb. : II Conte di Ga-
bali ovvero ragionamenti sulle scienzc segrete, trad. dal francese
da nna dama italiana, Londra 1751. Nach Bayle s. v. Borri hat
Villars La chiave del gabinetto del Cavaliere Gianfrancesco Borri
Milanese benutzt. Borri (Burrhus) wurde 1661 von der Komischen
Inquisition in absentia zum Tode verurtheilt und in effigie mit seinen
Schriften verbrannt, 1670 in Oesterreich verhaftet und von Leopold I.
unter der Bedingung, dass er nicht hingerichtet werde, nach Rom
ausgeliefert. Hier wurde er, nachdem er abgeschworen, 1672 zu
lebenslänglicher Haft verutheilt, f 1695 (K.-L. 2, 1121). Er steht
auffallender Weise nicht im Index.
Gegen die Lotteriebücher erliess die Inquisition 1732 zwei
Decrete. Am 28. Mai verbot sie: Libretto che contiene nove
liste di tutte le arti, che sono per tutte Testrazioni, che si faranno
nelli presenti anni av venire, aggiuntevi due liste generali, che me-
desimamente servano per qualunque estrazione, ed in fine una gab-
bola [cabbala?] per li nomi della luna con alcune tariffe de* prezzi
per miglior chiarezza de' giuocatori quanto de' prenditori. In Genova
per il Casamarra, — am 15. Juli: Liste deir arti di tutte Testra-
zioni ridotte per ordine d'alfabeto. In Genova etc. und ein zweites,
dessen Titel Ben. bis zur Unverständlichkeit abgekürzt hat (Carlo
Franc. Capuro, AnnotAzione curiosa e distinta ecc); in den älteren
Index -Ausgaben füllt er 16 eng gedruckte Zeilen; etwas abgekürzt
lautet er so: Curiosa e distinta annotatione di tutti li nomi, che
sono stati sino al presente nelle liste del gioco del seminario di Ge-
nova, Napoli . . ., con l'estrazioni seguite nelle suddette cittä . . .,
di piü tre alfabeti, uno de' nomi, Taltro de' cognomi ed il terzo de
quondam . . . con Vinterpretazione de* sogni et altre curiositä per
avventurare la sorte de' giuocatori. In Milano 1712 con privilegio.
Diesem Verbote fügte die Inquisition bei: „Da aber zu vermuthen
ist, dass einige schlechte Menschen ähnliche verderbliche Büchlein
drucken werden, so verbietet und verdammt die Inq. unter denselben
Strafen alle entweder schon verfassten und gedruckten, oder, was
Gott verhüten wolle, in Zukunft zu verfassenden und zu druckenden
characteribus inscriptae et aqua lustrali benedictae sei als Zauberei straf-
bar, dagegen nicht der Gebrauch solcher virgac simpliciter bifurcatae et
insimul connexae (ohne cbaracteres und Weihwasser), quia possunt illae
virgae naturali quodam instinctu se inclinare in eam partem, ubi condita
sunt metalla vel aquae.
1) Baillet V, 249. Freytag, Anal. 358. J. G. Hocheisen, Diss. phy-
sicae, quibus elementicolae Comte de Gabalis examinantnr. Witt. 1704.
188 Geschichtliche Schriften.
ähnlichen Bücher, welche in irgend einer Weise der durchaus eiteln
und abergläubischen Deutung von Träumen zur Vorherbestimmung
zufälliger zukünftiger Ereignisse dienen. Sie ermahnt zugleich die
Bischöfe und Inquisitoren, sich mit aller Sorgfalt zu bemühen, diese
Pest fem zu halten und zu unterdrücken ; gegen die Uebertreter aber
sollen sie auch mit Geld- und körperlichen Strafen je nach dem
Masse der Schuld vorgehen" (A. I. P. 2, 2652). Aus diesem In-
quisitionsdecrete wird das allgemeine Verbot bei Ben. in den Decr.
gen. II, 14 stammen: Libri omnes agentes, ut vulgo dicitur, delle
venture e delle sorti. — Das Verbot ist nicht wirksam durchgeführt
worden. In den Wiener Indices stehen: II vero mezzo per vincere
all* estrazzioni de* lotti, osia nuova lista generale di tutte le visioni
notturne, Ven. 1752, und II vero . . . lista gen. contenente quasi tutte
le voci delle cose popolaresche appartenenti alle visioni e sogni col
loro numero, Ven. 1768. Und in der Allg. evang.-luth. K.-Z. 1883,
585 wird aus Neapel berichtet: ,, Welche Nummern bei der nächsten
Ziehung glücklich sein werden, ist den im Laufe der Woche ein-
tretenden Ereignissen zu entnehmen; denn jedes derselben bedeutet
eine Nummer. Hiebei ist aber nicht die Willkür des Einzelnen
massgebend, sondern eine aus unbekannter Zeit stammende Fest-
setzung. Diese findet sich in dem Orakelbuch Smorfia (eigentlich:
Fratze). Dieses findet man in Neapel in der Altstadt in allen Caf(6*8,
in denen das niedere Volk verkehrt; man kauft es bei den zahl-
reichen Strassenbuchhändlem ; es hat der Priester wie der Kaufmann ;
es ist hier der Bibel an Würde gleich. Letztere ist verboten, aber
das heidnische Buch der Smorfia zu verbieten, ist der Kirche i^ie
in den Sinn gekommen.^' Das „nie" ist, wie wir gesehen, nicht
richtig.
Unter Benedict XIV. wurde 1744 verb.: Gli avvenimenti
felici 0 sinistri degli amanti, regolati dall* infiuenza de* pianeti Tanno
1744, mit dem gewiss falschen Druckort Augusta.
30. Geschichtliche Schriften.
Es ist nicht zu verwundern, dass viele geschichtliche
Schriften von Protestanten im Index stehen, da es nicht schwer
ist, in solchen irgend welche Stellen zu finden, an denen man
in Rom Anstoss nehmen konnte. Es ist auch nicht za verwan-
dem, dass in der Auswahl der geschichtlichen Schriften, die
man verbot, ebenso wenig ein Plan zu erkennen ist wie in der
Auswahl der theologischen. Aber auch geschichtliche Werke
von Katholiken erregten in Rom Anstoss und wurden verboten.
Das erste bemerkenswerthe Beispiel dieser Art ist das Verbot
des Geschichtswerkes von de Thou, um so interessanter, als wir
6e8ckicKtliche ^diriften. Id9
über den Grund des Verbotes genau unterrichtet sind. — Im
Index Alexanders VII. stehen fast nur lateinische Schriften.
Später wurden französische und italienische, auch zwei englische,
keine deutsche verboten. Bemerkens werth ist, dass im 17. und
18. Jahrhundert in Italien keine nennenswerthe Bearbeitung der
allgemeinen Geschichte erschien und dass eine 1719 von einem
Carmeliter herausgegebene Uebersetzung der Weltgeschichte
von E. Dupin und eine Uebersetzung einer englischen Weltge-
schichte alsbald verboten wurden.
In grosser Zahl stehen noch heute im Index kleinere Schrif-
ten über kirchliche und politische Vorgänge in verschiedenen
Ländern, deren Verbot gleich nach ihrem Erscheinen erklärlich
ist, die aber jetzt doch nur für den historischen Forscher ein
Interesse haben, zum grossen Theile auch für diesen von geringer
Wichtigkeit und zum Theil auch schwer aufzutreiben sind.
1. Von vielen SchTiftstellern, von denen geschichtliche Werke
oder Werkchen in latein. Sprache im Index stehen, vrird es genügen
einfach die Namen zu verzeichnen. Dahin gehören die Deutschen
und Holländer Roh. Baillius, Marcus Zuerius Boxhom ^), Jo. Buno,
Phil. Camerarius, Andr. Corthymius, Martin Difenbach, Gaspar
Facius (Politica Liviana, in qua pnmo, regnum Rom. quibus pacis
et helli artibus partum, auctum et multiplicatum sit sub regibus,
inde, quibus erroribus amissura etc., 161.3), Chr. Funccius, Jo. Lud.
Gotofredus (Archontologia, mit d. c. verb.), M. de Guichardo, Jo.
Dietr. van Gulich, Chrph. Helvicus, Herrn. Kirchner, Jo. Isaac
Pontanus, Chrph. Rupcrtus, Elias Schedius, und die Engländer Peter
Heylin (Cosmographia, 1657, erst 1717 verb.) und Rob. Johnston.
Einige andere sind speciell zu erwähnen :
Ephemeris s. Diarium historicum, in quo est epitome omnium
fastorum et annalinm tam sacrorum quam profanorum, auspiciis Nie.
Reusneri elaboratum et consummatum ab Elia Reusnero, Frcf. 1590,
verb. 1603. Bei Sot. wird nur verordnet, dem Namen des Verfassers
und zwei anderen Namen die nota haeretici beizufügen. In Reus-
ners Stratagematographia s. Thesaurus bellicus, Frcf. 1609, verb.
1623, streicht dagegen Sot. einige Stellen, die den protestantischen
Verfasser verrathen. Noch stärker expurgirt er Basilicon, Opus
genealogicum catholicum de praecipuis familiis imperatorum etc.,
1592. Dieses Buch steht nicht im Rom. Index. Possevinus, Appar.
I, 502, erzählt zwar, er habe von diesem Buche die Ausgabe cum
auctario Nie. Reusneri, Frcf. 1602, im Auftrage von Cardinälen
1) Der Titel Eist. univ. sacra et profana ad a. usque 1650. Accessit
appendix proximorum sequentium annorum res complexa, ist in den neue-
sten Indices verhunzt in Ilist. univ. sacro et proximorum etc.
190 Geschichtliche Schriften.
dorchgeleHen und nachgewiesen, dass sie stark expurgirt werden
müsse; man scheint aber in Korn vergessen zu haben, das Buch zu
verbieten. — Von dem Mercurius gallo-belgicus Sleidano succentu-
riatus des Gothardus Arthusius Dantiscanus wurden 1616 die die
Jahre 1554 — 70 behandelnden Bände, 1623 Tomi 14. 1. 1. verh.
Ben. hat das Verbot auf alle von Arthus herausgegebenen Bände
(A. D. B. 1, 618) ausgedehnt. Seine Commentarii de rebus in regno
Antichrist! memorabilibus, 1609 — 11, sind nicht verb. Im span.
Index steht er in der 1. Cl. und werden nur ein paar Bücher frei-
gegeben. — Auch Mich. Gasp. Lnndorp steht im span. Index in
der 1. Gl., im Rom. nur Bellum sexennale civile germanicum, Frcf.
1622, 4., verb. 1623. — Marquard Freher steht im span. Index
in der 1. Cl. zweimal, als Theol. Calv. Zuingl. und daneben als JC.
Hist. Luth. Im Rom. Index steht er gar nicht, obschon Nie. Sera-
rius 1598 an Card. Baronius schrieb, er habe eine Broschüre gegen
Frehers De numismate census geschrieben, worin derselbe die Ka-
tholiken mitunter angreife und namentlich sage, Laien und Halbge-
lehrte wüssten jetzt, was grosse Doctoren und Cardin äle der Römischen
Kirche, wie Baronius im 1. Bande der Annalen, nicht wüssten
(Baronii Epist. ed. Albericius 3, 249). — Pallas Rhaetica armata
et togata . . . auth. Fortunato Sprechero a Berneck Davosiano
. . Bas. 1617, 4., u. s., verb. 1621, wird von Sot ohne Expurgation
freigegeben (auch in seiner zu den Elzevir'schen Respublicae ge-
hörenden Respublica Rhaetica, 1633, werden nur ein paar Stellen ge-
strichen). Seine Historia motuum et bellorum postremis hisce annis
in Rhaetia excitatorum, Genf 1629, die jedenfalls mehr Anstössiges
enthält, obschon Quadrio in der Einleitung seiner Dissert. intomo
alla Rezia ihre Objectivität rühmt, steht nicht im Index. — Fri-
derlei Achillis Ducis Wörtemberg. Consultatio de principatu inter
provincias Europae, habita Tubingae in lUustri CoUegio an. Chr.
1613* (Tüb. 1613 u. s.), 750 S. 4., ist eine von dem Ephorus III.
Coli., Jo. Joachim a Grüenthall, herausgegebene Sammlung von
Declamationen, welche die hochgeborenen Zöglinge vorgetragen und
worin der Reibe nach die einzelnen Länder Europa's gepriesen und
herabgesetzt werden, bis zum Schlüsse der Herzog Friedrich Achiilea
das Facit zieht: in Europa nihil Germania illustrius. — Von der
Introductio in universam geographiam tam veterem quam novam
von Phil. Cluverius (Klüwer), dem Begründer der wissenschaft-
lichen historischen Geographie, steht im span. Index die Original-
Ausgabe (1624), im Rom. nur die Ausgabe von Jo. Frid. Hekelina
von 1685, und diese erst seit 1709.
1609 wurde verb. Hist. Belgica ab a 1560 usque ad 1600
gallice conscripta et 1604 apud S. Gervasium impressa; erst Ben,
hat dafür gesetzt: Hist. des Pays-Bas depuis l'an 1560 jusqu'ä la,
fin de 1602, tir^e de Thist. de Jean-Fran^ois Le Petit. Das Buch,
von Le Petit heisst: Chronique des Provinces Unies, Dordrecht 1600,
2 Fol. Der Auszug ist von Simon Goulart, Prediger in Genf^
t 1628. — Georg Hörn, Prof. der Geschichte in Leyden, f 1670^
steht im span. Index in der 1. Cl., ohne dass ein Buch von ihm.
Arthusius. Hom. Palma Cayet u. a. 191
erlaubt würde. Im Eöm. Index stehen ausser den bereits erwähnten
Schriften seit 1685: Orbis imperans, seu tractatus de 13 orbis im-
periis historico-politicus isque . . . partim castigatus, partim illustra-
tus a L. Joa. Fellero, Prof. Lips., 1677; Orbis politicus imperiorum,
regnorum, principatuum, rerum publ., cum memorabilibus historicis
et geographia veteri ac recenti [von diesem Buche ist eine Ed. 3
zu Verona 1688 erschienen , wie es scheint, mit berichtigenden
Noten; Journ. des Sav. 1687, 277], und Historia ecclesiastica et
politica. Erst 1732 wurden verb.: Dissertationes historico-politicae,
1668.
1605 wurde verb. Liber gallico idiomate conscriptus: Chrono-
logia septennaria .... Auetore P. V. P. C, 1624: Petri Victoris
Garetani chronologia septem annorum. Seit Ben. steht dafür: Chro-
nologie septennaire, ou Thist. de la paix entre les rois de France
et d'Espagne, contenant les choses les plus memorables . . . depuis
le commencement de Tan 1598 jusqu'ä la fin de Tan 1604, divisie
en 7 livres, par P. V. P. C, 1604 u. s. Der Verfasser ist der Con-
vertit Pierre Victor Palma Cayet, f 1610; das Buch ist Heinrich IV.
gewidmet. Die Sorbonne censurirte das Buch 30. Juli 1605 wegen
der Sätze: Der Papst hat bezüglich der Glaubenslehre nicht mehr
Gewalt als ein anderer, wenn er nicht eine Offenbarung erhalten,
und eine solche dürfte nicht angenommen werden ohne Wunder. Der
Papst ist als Bischof dem Erzbischof von Ostia unterworfen. Um
die allgemeine Uebereinstimmung (auf einem Concil) zu constatiren,
ist ein Vorsitzender nöthig, und dieser ist der geistliche Mensch, der
von niemand gerichtet wird und über alle richtet (1 Cor. 2, 15;
Arg. II a 542). In der 2. Ausgabe, von 1 605, steht eine Erklärung
von Cayet, worin er sagt: man habe sich an einigen Sätzen in seinem
Berichte über die Regensburger Conferenz gestossen ; er theile aber
in diesen Aeusserungen der Disputanten, nicht seine eigene Ansicht
mit; bezüglich der von der Sorbonne beanstandeten Sätze habe er
vor einer Commission derselben 5. Juli erklärt: er erkenne die
höchste und unfehlbare Autorität der allgemeinen Kirche und des
Papstes an; die ersten Sätze drückten die Ansicht der Lutheraner
aus, in dem dritten accommodire er 1 Cor. 2, 15 auf den Papst;
in der neuen Auflage habe er an den betreffenden Stellen deutlicher
zwischen der Ansicht der Katholiken und der Protestanten unter-
schieden (Clement 6, 476). In Rom müssen die Verbesserungen
in den neuen Ausgaben nicht genügend befunden worden sein, da
das Verbot 1624 wiederholt wurde. Dagegen ist die 1608 erschie-
nene Chronologie novennaire (über die Jahre 1589 — 98) nicht ver-
boten, obschon in denselben Aeusserungen über die Päpste dieser
Zeit vorkommen, die man in Rom übel nehmen durfte^). — Gleich-
zeitig mit dem Buche von Cayet wurde 1605 verb.: Epitome
1) Beide Werke stehen in der Nouv. Coli, des mem. von Michaud,
vol. 12 und 13 (mit einer Notiz über Cayets Leben und andere Schriften).
192 Geschichtliche Schriften*
historiae gallicae h. e. regum et rerum gallicarum usque ad a. 1603
brevie notatio, Frcf. 1604.
2. Der erste Band von Jacobi Augusti Thuani Historiae
sni temporis, der die ersten 18 (nach der spätem Zählung 26)
Bücher enthält und die Zeit von 1546 — 60 behandelt, erschien 1604,
nachdem er vorher Heinrich IV. vorgelegt und von diesem gut ge-
heissen worden war. Der Nuncius beklagte sich über das Buch;
der König nahm dasselbe anfangs in Schutz, liess jedoch im Mai
1605 durch Villeroy de Thou ersuchen, dasselbe vorläufig nicht neu
drucken zu lassen. In Kom traten die Cardinäle Serafino, Sforza,
Ossat und Duperron der Absicht entgegen, das Buch zu verbieten.
— 1606 erschien der 2., 1607 der 3. Band, welche die Bücher 27
— 57 enthalten und bis zum J. 1574 gehen (der 4. Band, bis B. 80
und bis zum J. 1584, erschien 1609). Da man in Rom wusste, dass
de Thou's Gegner bei dem Könige Einfluss gewonnen, die Cardi-
näle Serafino und Ossat mittlerweile gestorben waren und Duperron
Rom verlassen hatte, wurden in dem Edict des Mag. S. Pal. vom
9. Nov. 1609 Jac. Aug. Thuani Historiae verboten. Das Edict er-
regte in Paris um so mehr Aufsehen, als darin auch das ArrSt des
Parlaments gegen Chatel verboten war. Dieses Verbot wurde re-
dressirt (s. u.), aber Jac. Aug. Thuani Historiae steht auch in dem
neuen Edicte vom 30. Jan. 1610. Der Gesandte de Breves versuchte
auch dieses Verbot rückgängig zu machen oder die Umwandlung
des unbedingten Verbotes in ein Verbot mit d. c. zu erwirken. De
Thou hatte einen Brief an ihn geschrieben, den er dem Papste und
dem Card. Borghese in Abschrift überreichte. Dieser schrieb .darüber
an den Nuncius in Paris 2. Febr. 1610: man wolle sehen, ob das
Buch expurgirt werden könne; das Richtige aber würde sein, dass
de Thou selbst sein Buch verbessere und es unbedingt dem Urtheile
Roms unterwerfe; der Nuncius möge ihn das in geeigneter Weise
wissen lassen, aber ihm nichts bestimmt versprechen, da man in
Rom fast das ganze Buch für unerträglich (intolerabile) und eine
genügende Umarbeitung für sehr schwierig halte (Lacmmer, Melet
p. 275). Card. Barberini (später Urban VIII.) sprach sich de Breves
gegenüber, wie dieser 18. Febr. 1610 an de Thou berichtete, in
diesem Sinne ganz offen aus : er halte eine Verbesserung des Buches
für so gut wie unmöglich; de Thou zeige sich von Anfang bis zn
Ende voreingenommen gegen alles, was mit der Ehre und Grösse
der Kirche zusammenhange, spreche immer von den Katholiken
geringschätzig, von den Protestanten lobend und tadle sogar, wa0
sein Vater gebilligt habe, die Bartholomäusnacht (North Brit. Rer-
51 [1870], 69).
Der Nuncius schlug de Thou vor, er möge eine neue Ausgabe
veranstalten und darin einiges ändern und erklären, in der ersteo
sei manches nicht genau ausgedrückt oder abweichend von den^
Manuscripte gedruckt. Darauf ging de Thou nicht ein (Perrens T»
350). Am 22. Juni 1610 aber schrieb der Jesuit Richeome aa^
Roman de Thou: die Jesuiten seien ganz unschuldig an dem Verbote
seines Buches, — sein Vater habe ja 1546 ihre Rechte vertheidigi^y
J. A. Tkuanos. I9d
— sie wünschten vielmehr, seine Werke möchten überall die ver-
diente Anerkennung und Verbreitung finden; dieser ihr Wunsch
würde auch verwirklicht werden, wenn de Thou klug genug sei,
bei dem, was Anstoss erregt habe, Schwamm und Feile anzuwenden.
De Thou muss diesen Vorschlag nicht abgelehnt haben; denn am
13. Oct. 1610 schrieb ihm Card, de la Rochefoucauld : P. Richeome
habe ihm seinen Brief gezeigt; er habe sich bei dem Papste für
ihn verwendet; Bellarmin und einige andere hätten erklärt, sie würden
eine Expurgatiou des Werkes gerne sehen ; er wolle denn eine solche
versuchen. Im Jan. 1611 schrieb er dann, er habe das Buch dem
Herrn de Creil gegeben, um es zurecht zu machen. Richeome schrieb
um dieselbe Zeit: man habe von Paris nach Rom geschrieben, das
Arret des Parlaments gegen Bellarmins Buch, in dem doch sehr be-
scheiden von der Gewalt des Papstes gesprochen werde, sei von
de Thou aus Verdruss über das Verbot seines Buches, als dessen
Urheber man Bellarmin ansehe, erwirkt worden ; er glaube das nicht;
er rathe ihm, bezüglich der Correction seines Werkes einige Pariser
Boctoren zu Rathe zu ziehen.
Jedenfalls hat de Thou keine im Römischen Sinne expurgirte
Ausgabe seines Werkes besorgt. In den späteren Ausgaben ist
zwar manches geändert, einiges gemildert; aber die in Rom bean-
standeten Stellen finden sich auch in diesen. Das Römische Verbot
ist auch nicht modificirt worden. Die nach 1610 erschienenen Theile
ausdrücklich zu verbieten, hat man nicht für nöthig gehalten. Aber
1683 wurde noch verb.: Abrahami Vechneri Suada Gallica, h. e.
Conciones et orationes Thuanaeae . . . , Frcf. 1679.
In der Londoner Ausgabe des Werkes von de Thou^) sind
die Gutachten abgedruckt, welche der Tbeatiuer Antonio Caraccioli,
ohne Zweifel im Auftrage der Index-Congr., über die ersten beiden
Bände ausgearbeitet hat, — in dem über den 2. Band ist, wie der
Herausgeber angibt, einiges von Bellarmins Hand geschrieben,
der ohne Zweifel bei der Sache betheiligt war, — und welche ans
darüber Aufschluss geben, was man in Rom beanstandete. Aus
der Vorrede des 1. Bandes hebt Caraccioli einige Stellen hervor,
wo de Thou gegen die gerechte Bestrafung der Ketzer losziehe und
sich für Gewährung der Gewissensfreiheit ausspreche und die Ge-
währung derselben in Frankreich lobe. Aus dem Werke selbst führt
er Stellen an, wo de Thou selbst tadelnd über Päpste spricht oder
tadelnde Bemerkungen von ketzerischen Autoren anführt, und viele
Stellen, an denen Ketzern lobende Epitheta gegeben werden ; zu
diesen werden auch Beatus Rhenanus und Erasmus gezählt, den
de Thou als grande hujus saeculi decus bezeichnet. Zum Schlüsse
1) Jac. Aug. Thuani Historiae sui temporis (ed. Sam. Buckley).
London 1733, VII, 44. In dieser Ausgabe VII, 19 flF. und in der Einleitung
des 1. Bandes stehen die Actenstücko, die im Texte benutzt worden sind,
wo nicht eine andere Quelle angegeben wird. VII, 63—137 sind die im
spanischen Index gestrichenen Stellen abgedruckt.
Renscb. Index II. 13
194 Geschichtliche Schriften.
beantragt er, den 1. Band unbedingt zu verbieten, da derselbe so
viele und so abscheuliche (tarn foede pestilentes) Stellen enthalte, dass
er nicht expurgirt werden könne, ohne die geschichtliche Darstel-
lung lückenhaft und darum unbrauchbar zu machen; der Verfasser
zeige vielfach einen solchen Hass gegen den Römischen Stuhl und
die Päpste, dass er ein Calvinist zu sein scheine und in die 1. Cl.
gesetzt zu werden verdiene. Auch aus dem 2. Bande führt er viele
Stellen an, an denen die Päpste getadelt (mordentur), Ketzer nicht
nur wegen ihrer Gelehrsamkeit, sondern auch wegen ihrer Fröm-
migkeit gelobt, ketzerische Secten mit dem Ehrennamen Religion
bezeichnet würden, — unter den gelobten Ketzern werden auch Con-
daeus und Navarrus genannt, — auch das Trienter Concil werde,
wie im 1. Bande, vielfach angegriffen. Auch dieser Band sei un-
bedingt zu verbieten; ob der Verfasser unter die Haeretici 1. Cl.
zu setzen, darüber möge man die Cardinäle Duperron und du Henry
befragen, die ihn kannten.
In Frankreich wurde das Römische Verbot nicht als bindend
angesehen; noch Arg. I, XLI wird es als ein von dem Mag. S.
Pal. für die Italiener erlassenes bezeichnet. Auch in Venedig wurde
es nicht publicirt; L'Estoile notirt in seinen M^moires (N. Coli, des
M^m. ed. Michaud 15, 561): Aus Briefen von Sarpi sehe ich, dass
man in Venedig nach dem Römischen Verbote das Buch an den
Thüren aller Buchläden affichirt hat, wie um der Censur des h.
Vaters zu trotzen. In dem Index von Sandoval vom J. 1612 wird
das Buch nur mit d. c. verboten, aber freilich sehr stark expurgirt,
— die Expurgation der 80 Bücher füllt 19 Quartseiten: in der
Vorrede an Heinrich IV. wird ein Passus von 7 Seiten gestrichen,
— und ausserdem vorgeschrieben, vor das 1. Buch zu schreiben:
dieses ganze Geschichtswerk ist cautissime et cum judicio zu lesen,
weil der Verfasser vieles zu Gunsten der Protestanten sagt. Der
Lissaboner Index von 1624 sagt: das Buch war bisher, nachdem es
expurgirt worden, gestattet; jetzt wird es gemäss dem Römischen
Decrete von 1610 unbedingt verboten. Sot. hat nur die Expur-
gation von Sand, abgedruckt, obschon nach dem Tode de Thou's
(t 1617) 1620 alle 188 Bücher erschienen waren.
Arnauld sagt 9, 300 im Anschluss an die S. 104 mitgetheilte
Bemerkung über Grotius: Auch de Thou's Werk ist verboten. Man
würde sich aber sehr täuschen, wenn man glaubte, es werde darum
nicht gelesen. Die Kenntniss der Geschichte hat immer einen be-
trächtlichen Theil der allgemeinen Bildung ausgemacht, und auch
diejenigen, welche zu Gunsten der Kirche schreiben, bedürfen der-
selben oft. Es war darum moralisch unmöglich, dass ein so um-
fangreiches, so gut geschriebenes und so sorgfältig ausgearbeitetes
Geschichtswerk wie das von de Thou nicht von sehr vielen benutzt
werden sollte trotz des Römischen Verbotes ... So sehr Sie auch
verpflichtet zu sein glauben mögen, zu behaupten, es sei eine schwere
Sünde, verbotene Bücher ohne Erlaubniss von Rom zu lesen, so
werden Sie doch schwerlich kühn genug sein, z. B. einen Juristen
zu verdammen, der ohne Erlaubniss bei de Thou sich über eine ge-
schichtliche Thatsache Auskunft holt.
Französische Schriften.
ehalte, cia55
ie I)ar«tpJ-
»Stuhl und
<ii> J. a
t er viVj*
tzer nktt
er Fr..n:-
uch Con-
il werd».
sei tu-
i 1. CL
u Henrr
ET wnnje
oll. .Jr«
^, das*
an d-n
des t
2 Win:
in der
^>h«?a.
^ e*
>
1
Soioppins polemisirte gegen de Thou in dem Scaliger hy]
bolimaena 1607, nnd in dem Eoclesiasticus anctoritati Ser. D. Jae
M. Britanniae Regis oppositns, 1611 (später kritisirte er de Tho
Stil in dem der Infamia Famiani 1658 beigedruckten Judicium
Btylo bittoricö). Der Ecclesiasticus wurde 1612 wegen der da
enthaltenen Schmähungen Heinriche IV. und anderer Stellen i
Befehl des Pariser Parlamentes verbrannt. Bellarmin aber sehr
22. Jan. 1612 an Scioppius: er habe das Buch bei dem Papste
lobt; wenn Scioppius auch in einigen wenigen Ansichten von i
abweiche, so verdiene doch seine Belesenheit in der Bibel, sein Ei
ffSar die Bekehrung der Ketzer, seine Freimüthigkeit im Tadeln
Tbou's und seine geschickte Polemik gegen «Jacob I. alles Lob. 1(
erschien in Ingolstadt: In J. A. Thuani historiarum libros nc
tiones lectoribus et utiles et necessariae, auct. Jo. Bapt. Gallo .
Geschrieben ist das Buch von dem Jesuiten Jean de Machault, z
Dmck befördert von Jacob Gretser, in dessen Opera 1623 es wie<
abgedruckt ist. In Paris wurde dasselbe 1614 verboten.
Von Nie. Abraham Amelot de Uoussaye (1634 — 1706) wur(
1667 verb. Bist, du gouvemement de Venise nnd Supplimeni
Fhist. du gouv. de Yenise (conteiiant une relation du differend
Paul y. et de la Hepublique de Venise), ferner von Tacite, a
des notes polii. et bist, die 1. Partie, 1690, verb. 1721, Tom<
verb. 1732, beide mit d. c, nicht die Uebersetzung von Sar]
(beschichte des Trienter Concils, die 1685 in 2. Auflage ersch
(Bayle, Oeuvres 1, 403. 438 J. — Jacques Spon, Bist, de la vi
et de r^tat de Geneve, 2 vol. 12., verb. 1688, ist die einzige Seh:
des protestantischen Mediciners Spon zu Lyon, die im Rom. Ine
steht; im span. steht auch diese nicht ^). — Der französische A
Samoel Sorbiere (1615—70), seit 1653 katholisch (Räss, Gonv
titen 7, 25), veröffentlichte anonym Relation d'un voyage en An|
terre, oü sont touch^es plusieurs choses qui regardent Titat <
Sciences et de la religion et autres matieres curieuses, Par. 16(
Sie wurde von der französischen Regierung unterdrückt (Nie. 4, i
und rief mehrere Gegenschriften hervor. Eine derselben, Repon
aux faussetez et aux invectives qui se iisent dans la Rel. du vi
de Sorbi&re en Angl., Amst. 1675, wurde nach 22 Jahren, 17
von der Inq. verb.
Von 1700 — 1757 wurden folgende französ. Schriften verb.: H
toire de Louis XI. (nicht näher bestimmt), verb. 1746, wahrsche
lieh die von Duclos, Amst. 1746, 3 vol. 8. (Baumg. 6, 342). — Joi
nal de Henri III., Roy de France et de Pologne, ohne nähere ]
Stimmung, verb. 1750, ist ohne Zweifel : Journal . . . ou memoi
pour servir 4 l'hist de France par M. Pierre de Lestoile, Haye
1
^
z
t-
1) Seine Miscellanea sind dem Dauphin gewidmet. Gegen seine Let
au P. de la Chaise sur Tantiquite de la religion schrieb Arnauld 1687]
marqoes sur une lettre de M. Spon, wovon Bossuet, OeuvrcH 37,225 sa
L'ouvrage est fort et d'une tres bonne et solide doctrine. Notre hon s
Spon avait bien dit des pauvretes.
166 äeschichtliche Schriften.
Paris 1744, 5 vol. 12. (herausg. von Lenglet du Fresnoy), seit
1621 wiederholt gedruckt. Das Jonmal dn rfegne de Henri IV.,
1741, 4 vol. 8., welches viel mehr Anstössiges enthält (beide in
der Nouv. Coli, von Michaud, vol. 14. 15), wurde in Spanien 1750
strenge, in Eom gar nicht verb. — Hißt, dn r^gne d<e Louis XIU.
par Michel le Vassor, 2. Ed. Amst. 1700 — 18, 11 vol., die 3
ersten Bände 1714, die anderen 1718 verb. (Polenz, Gesch. des
Calv. 5, 21. 432). Le Vassor (1648—1718) war früher Oratori-
aner, später Anglicaner. 8ein Traite de la mani^re d'examiner
les differends de religion, Amst. 1697, und die Uebersetzung der
Lettres et m^moires de Fr. de Vargas, du P. de Malvenda et de
quelques ^v^ques d'Espagne touchant le Concile de Trente, 1699,
8., sind nicht verb. — Histoire du r^gne de Louis XIII., . . .
Paris 1716, mit d. c. verb. 1725, von J. Le Cointe, revidirt von
E. Dupin. — Hist. du rfegne de Louis XIV. . . . par H. P. D.
L. D. E. D., Amst. 1717, und 2. Ed., par H. P. de Limiers,
Docteur en Droit, 1719, verb. 1725. — Le si^cle de Louis XIV.
par M. de Francheville, verb. 1753. — Jean Eon sset de Missy,
Hist. memorable des guerres entre les maisons de France et d' An-
triebe, 1724, 2 vol., verb. 1752. — Abb6 Een^-Aubert de Vertot
(1655 — 1735), Hist. des chevaliers hospitaliers de St. Jean de Je-
rusalem, appellez depuis chevaliers de Ehodes, 1726, 5 vol., verb.
1729 (Baumg. 7, 48). Origine de la grandeur de la cour de Eome,
Haye 1737 (TJ. N. 1737 B, 3), ist nicht verb. — Isaac de Larrey,
Hist. d*Angleterre, d'Ecoese et d' Irlande, 1707 — 13, 4 Fol., verb.
1732. Larrey war ein Protestant, der nach der Aufhebung des
Edicts von Nantes Frankreich verliess, Historiograph der General-
staaten, t 1719 zu Berlin. — Continuation de Vhist. univ. de J.-B.
Boflsuet, ^vlque de Meaux, 1704, verb. erst 1742, von J. de la Barre.
— Methode pour Studier la geographie, dans laquelle ou donne une
description exacte de Tunivers, tir^e des meilleurs auteurs, avec un
discours pr^liminaire sur T^tude de cette science, Amst. 1718, verb.
1725, von Martineau du Plessis, umgearbeitet von Lenglet du
Fresnoy.
Eines der wenigen Bücher, die im englischen Original verb.
sind, ist Francis Osborn's Miscellaneous works, 2 vol., nach Ben.
1737 verb. (nicht in den früheren Indices). Der Publicist Osbom
lebte 1559 — 1659 ; seine Schriften erschienen gesammelt 1673 u. s.
(Cbaufepi^ 3, 85). Johnson (bei Lowndes) sagt von ihm : a con-
ceited fellow ; were a man to write so now, the boys would throw
stones at him. — Gleichzeitig wurde eine Schrift verboten, die ich
nicht nachweisen kann: Much may be said on both sides; a fami-
liär dialogue etc., latine: Plura utrinque dici possunt; dialogus fa-
miliaris Eichardum inter et Joannera quondam condiscipulos per
E. Cleitron armigerum relatus. — Jacques Melvil, Memoires
historiques contenant plusieurs ev^nements tres-importants, — womit
nur die Haye 1694, Par. 1695 erschienene Uebersetzung der zu
London 1G83 erschienenen Memoiren von Sir James Melvil, der in
Diensten der Maria Stuart stand (1534—1606), gemeint sein kann,
Englische und italienische Schriften. 197
— ist durch ein Versehen durch Ben. in den Index gekommen. In
dem dahei citirten Decrete der Inq. vom 26. Oct. 1707 und in den
älteren Indices steht: M^moires de M. le Chevalier de Melville,
General-Major des troupes de S. A. S. Monsieur le Duo de Coli et
Grand-Baillif du Comte de Gifhom, Amst. 1704.
3. Von italienischen Werken wurde zuerst, 1605, verh.
Tesoro politico; tutte le sue parti. Erst Ben. hat den vollständigen
Titel: Tesoro politico, in cui si contenprono relationi, instruttioni,
trattati e varii discorsi pertinenti alla perfetta intelligenza della
ragion di stato, P. L, II. e III., Colonia 1598, Milano 1600 u. s.,
auch lateinisch : Thesaurus politicus Philippi Honorii J. U. D.,
Frcf. 1617. Die Verfasser der einzelnen Stücke gibt Melzi 3, 140
an. — Aless. Campiglia, Delle turbolenze della Francia in vita
del re Henrico il Grande, Ven. 1614 u. s., Ludwig XIII. gewidmet,
mit d. c. verb. 1621. In Venedig wurde auf ein Gutachten Sarpi's
hin die Publication des Verbotes verweigert (Ceochetti, La rep. di
Ven. 2, 258). — Continuatione del commentario delle guerre suc-
cesse in Alemagna, del Conte Maiolino Bisaccioni, verb. 1634.
Bisaccioni, 1582 — 1663, gab 1633 zu Venedig Commentario . . .
Alemagna dal tempo che il re Gustave Adolfo si lev6 da Norimbergo
heraus, dann 1634 zwei Continuazioni und 1637 eine dritte (Maz-
zuch.). Der 1. und der 4. Band sind also jedenfalls nicht verb.
Die Schriften, welche Trajano Boccalini, 1556—1613, unter
Gregor XIII. Governatore von Benevent, — „ein hervorragender
Publicist, unter den servilen Schriftstellern des Kirchenstaats ein
Unicum an Männlichkeit und Kraft" (Brosch, Gesch. des K.-St. 1,
486), — herausgab, wurden nicht verboten : Ragguagli di Pamasso,
Centuria I. und IL, Ven. 1612, 1613 (Apollo auf dem Parnass hört
die Klagen der ganzen Welt und entscheidet; der 1. Theil dem
Card. Borghese, der 2. dem Card. Gaetano gewidmet), auch nicht
die nach seinem Tode erschienene Pietra del paragone politico, Cos-
mopoli 1615, die noch 31 weitere Ragguagli enthält, in welchen der
Hass des Verfassers gegen die Spanier und die Jesuiten am stärksten
hervortritt. Die von ihm hinterlassenen historischen und politischen
Bemerkungen zu Tacitus zu Venedig zu veröffentlichen, wurde seinem
Sohne nicht gestattet. Sie erschienen zu Genf 1667, dann Cosmo-
poli 1677 unter dem Titel Commentarii di Trajano Boccalini Romano
sopraTacito. Im folgenden Jahre veröffentlichte Gr. Leti: La bilan-
cia politica di tutte le opere di Traj. Bocc. . . II tutto illustrato dagli
avvertimenti del Cav. Lod. du May, Castellana (Genf) 1678, 3 vol. 4.
Die beiden ersten Bände enthalten die Osservazioni politiche über
Tacitus mit Noten von du May, Prof. in Tübingen, der 3. als dessen
Herausgeber sich Leti nennt, 40 Lettere politiche ed historiche, von
denen aber nur 7 von Boccalini sind ^). Diese Bilancia und die Aus-
gabe der Commentarii, Cosmopoli 1677, wurden 1679 verb. — Schon
1) Arch. stör. N. S. I (1855), 2, 117. Mazzuch. 8. y.
198 Geschichtliche Schriften.
1634 wurde verb. Degl' avvisi di Parnaso, ovvero Compendio de'
Raggaagli di Traj. Boccalino, di Franc. Prati, und 1658 La segre-
taria d'Apollo da Ant. Santacroce, Amst. (Ven.) 1653, 16., eine
Nachahmung der Ragguagli; der Verfasser war Secretär und Theo-
loge des Königs Ladislaus von Polen ^).
Von den bändereichen Werken des Benedictiners Vittorio Siri,
1625 —85, der als königlicher Historiograph in Frankreich lebte,
ist nichts verb., aber ein Schriftchen: Parenesi di Franc. deFranchi
al Dottor Capriata (Verfasser einer Geschichte seiner Zeit, Tirab.
8, 389), con una lettera informativa del Conte Don Em. Tesauro
a M. l'abate Siri, autore del Mercurio Italiano, s. 1. (Turin oder
Genf) 1668, 12., verb. 1669 (vielleicht ist das ganze Schriftchen von
Tesauro; Villani, Visiera p. 45. Melzi 1, 428), — und ein von Siri
unter dem Namen Collenuccio Nicocleonte herausgegebenes Schrift-
chen: Lo scudo e Pasta del Soldato Monferrino, verb. 1671. Dieses
ist die Vertheidigung einer 1640 von ihm unter dem Namen Capi-
tano latino Verita herausgegebenen Schrift über den Krieg von
Monferrato: II politico soldato Monferrino, gegen seines Ordensge-
nossen, des Sicilianers Cesare Gotho Spadafora, Lo storico politico
indifferente^). Dass nicht auch diese und andere Streitschriften, in
welchen es sich um die Vertheidigung der damaligen französischen
resp. spanischen Politik handelt, verb. wurden und noch heute im
Index stehen, ist weniger bemerkenswerth, als dass die anderen noch
immer fortgeführt werden. — II Mercurio, postiglione di questo
air altro mondo, verb. 1669, wird auch eine solche ephemere
Schrift sein.
Pietro della Valle fand, als er 1626 von seinen Reisen zu-
rückkehrte, bei Urban VIII. eine freundliche Aufnahme (er wurde
zum Cameriere d'onore di spada e cappa ernannt). Als er aber die
Schrift Delle conditioni di Abbas ße di Persia, air 111. e Eev. Big.
Francesco Card. Barberino, Nipote di N. S. Papa Urbano VIII.,
Pietro della Valle il Pellegrino drucken lassen wollte, wurde in
Rom das Imprimatur verweigert, weil er darin einen nicht christ-
lichen König zu sehr gelobt. Die Schrift wurde darauf, angeblieh
nach einer von einem Freunde ohne Vorwissen des Verfassers ge-
machten Abschrift, 1628 zu Venedig con licenza de^ superiori e
privilegio gedruckt^), aber 1633 verboten mit der Bemerkung : Cum
auctor ut suum tan tum agnoscat librum qui Romae impressus est.
£ine Römische Ausgabe dieser Schrift finde ich nirgend erwähnt.
— Von Valle's Bericht über seine Reise in den Orient erschien der
1. Band in Rom 1650; die beiden anderen wurden nach seinem Tode
(1652) von seinen Söhnen herausgegeben, 1658, Alezander VII.
und seinem Neffen gewidmet. Nach Ciampi, Innocenzio X., p. 252,
wurden darin manche Stellen, namentlich die auf die spanische Po-
1) Melzi 3, 47. Marcbesi 2, 130.
2) Melzi 1, 390, Aflfo V, 205.
3) N. Antol. 1879, 48, 104. Kollar, Analecta Vindob. 1, 1047. 1060.
Italienische Schriften. 199
litik bezüglichen, weggelassen. — Von der Historia della citta e
regno di Napoli di Gio. Summonte . . . dall* anno 1127 insino
all' a. 1442, welche schon 1601 — 43 in 4 vol. 4. erschienen war,
wurde erst die Ausgabe Napoli' 1675 (Toppi s. v., Giannone, Op.
1, 217) im J. 1693 mit d. c. verb., unbedingt 1680: Della congiura
de' ministri del Re di Spagna contro la . . . cittä di Messina, Rac-
conto historico del D. G. B. Romano e Colonna, 3 Parti, 1676
(Mongitore s. v.).
Im 18. Jahrb. wurden einige aus dem Französischen über-
setzte Geschichtswerke verb. : Storia della lega fatta in Cambrai
fra Papa Giulio II., Massimiliario I. Imp., Luigi XII., re di Francia,
Ferdinando V., re di Aragonia, et tutti i principi d'Italia contro la
republica di Yenezia, trad. dal linguaggio francese, Anversa 1718,
verb. 1719. — La Storia della Chiesa dal principio del mondo
sino al presente, espressa in ristretto e trasportata dalla lingua
franc. nelV ital. da Selvaggio Canturani, verb. 1719, und Storia
profana dal suo principio sino al presente, composta nella lingua
franc. dair autore della Storia della Chiesa e trad. in lingua ital.
da S. Canturani, Padova 1719, verb. 1725. Die beiden französischen
Werke sind von E. Dupin; der Uebersetzer war der Carmeliter
Arcangelo Agostini. — Storia universale dal principio del mondo
sino al presente, trad. dair inglese in frances e dal franc. in ita-
liano, verb. 1737 (erst seit Ben. im Index). Von dieser erschien
Bpäter zu Florenz eine neue Ausgabe mit Noten, die freilich Zacc.
p. 217 für ungenügend erklärt.
1646 wurden, freilich nur mit d. c, zwei Schriften verb., die
iiber die Streitfrage handeln, ob der Rubicon das Flüsschen Piscia-
t^ello, auch Rigone genannt, bei Cesena oder der Luso bei Rimini
sei: Jacobi Villani Ariminensis Rubicon in Caesenam Scipionis
C/laramontii, ubi auctor per prosopopoeiam Rubiconem fluvium intro-
daeit asserentem se esse Arimini, non Caesenae (gegen Chiaramon-
t^i's Caesenae urbis historiarum 11. 16, 1641), und die Entgegnung
"Von Chiaramonti: Vincentii civis Caesenatis de Rubicone antiquo
«^dv. Ariminenses scriptores dissertatio, 1643 (alle drei Schriften
^bgedr. bei Graevius, Thes. ant. Ital. VII, 2). Der Streit lebte ein
•Jahrhundert später noch einmal wieder auf^); in dem in Rom er-
scheinenden Giornale de' lett. sprach sich Giov. Bianchi aus Rimini
den Luso aus; dass aber ein päpstliches Decret von 1756 den
U80 für den wahren Rubico erklärt habe (Mannert, Geogr. 9, 1,
234; Paulj, Real-Enc. unter Rubico), wird eine Fabel sein.
Auch ein in Rom selbst gedrucktes Buch über die Anfänge
<ier römischen Geschichte steht im Index: Jac. Hugonis, Can.
"Xheol. Belgae Insulensis, Vera historia Rom. seu origo Latii vel
Xtaliae ac Rom. Urbis e tenebris longae vetuRtatis in lucem producta,
Xj. I., qui primordia Europae ac Latii primaevi annales demonstrat
1) Moroni 25, 196; 57, 255. Melzi 1, 360; 2, 155. Uebrigens fand
kuch noch ein drittes Flüsschen bei Savignano Advocaieu.
200 Geschichtliche Schriften.
atque urbis conditae, Rom 1655, 284 S. 4., verb. 1656. Der Yerf.
meint u. a.: Homer habe von der Zerstörung Jemsalems nnd vom
Leben und Tode Christi geweissagt, Romulus und Remus seien Petrus
und Paulus, die Harpyien die Holländer, welche die Kirchengliter
geraubt, die Lotophagen die Lutheraner, Jason mit dem goldenen
Vliesse sei der gute Hirt mit dem Lamme auf der Schulter, Lauren-
tia tellus Loreto u. dgl. Auf dem Titelkupfer steht: D. Petrus,
veterum Janus, Aeneas, Romulus, etc. Götze, Merkwürd. 3, No. 294,
erklärt es für unbillig, die in diesem Buche enthaltenen Dinge der
Römischen Kirche aufzubürden; der Theatiner Aug. de Bellis, der
das Buch approbirt, erkläre nur: es sei darin nichts gegen den
Glauben und die guten Sitten, und füge bei : Historiae vero, quam
contexit, ejusque allusionum fides penes ipsum sit auctorem. Aber
komisch ist doch, dass man 1H55 ein Buch approbirte, um es 1656
zu verbieten. Eberh. Rud. Roth, Prof. in Ulm, hat dagegen die
Diss. de hello Trojano, Jena 1672, geschrieben. Vgl. Observ.
Halenses 3, 66. — Ein ebenso grosses Curiosum ist das Verbot einer
Schrift, in der es sich nach dem Titel zu urtheilen lediglich um den
Stammbaum einer Römischen Adelsfamilie handelt: Familiäre castigo
apologetico sul discorso genealogico del P. Gamorrini sopra la fami-
glia Confidata d' Assisi, pretesa de* Dragoni, dedicato alla veritä da
Latino Volgari, verb. 1667. — Auch Giac. Lauro, Historia e
pianta della cittk di Terni, mit d. c. verb. 1646, und Istoria crono-
logioa della Franca Martina del Dottor D. Isidoro Chirulli, Arciprete
della medesima cittfi, Napoli 1749, verb. 1751, werden nur eine
locale Bedeutung gehabt haben, und nur eine ephemere: Fantasie
capricciose trasportate in sensi politici e morali di Ramigdio Gla-
tesecha, Accademico de' Fantastici della veneranda Assemblea
della veritä, Lipsia (?) 1710, verb. 1714 (von dem Marchese di
Gagliati).
Aus Portugal und Spanien stehen im Index: Manuel Calado,
0 valoroso Lucideno e triumpho da liberdade; 1. Parte, verb. 1655
mit d. c, zu Lissabon IG^IS, Fol., gedruckt und von den Thaten des
Joao Fernandez Vieira handelnd, der 1645 die Seele des Aufstandes
in Pernambuco war, in Folge dessen die Holländer ihre Besitzungen
in Brasilien verloren (Schäfer, Gesch. v. Port 4, 564). Nach Silva
5, 384 erschien löTiS eine neue (Titel-) Ausgabe, in welcher einige
Approbationen weggelassen sind und dafür die Notiz der portugie-
sischen Censurbehörde beigedruckt ist : Auf Grund einer neuen Unter-
suchung und entsprechend dem dem h. Officium übersandten Decrete
der Index-Congregation vom 2^^. März 1607 heben wir das Verbot
des Buches auf. Im Rom. Index steht das Buch noch heute als
mit d. c. verb. — El Marafion y Amazonas : historia de los descu-
brimientos . . . en las dilatadas montaflas y mayores rios de la
America, por Manuel Rodriguez [Jesuit], Madrid 1684, Fol., verb.
1700, nicht im span. Index.
4. Von den kleineren zeitgeschichtlichen Schriften sind zuerst
die auf Deutschland bezüglichen zu erwähnen: Discursus historico-
polit. in tres sectiones distributus, quibus errores scripturientium
Broscliürcn. 201
nostri aevi deteguntur, anct. Ericho (vor Ben. Henr., in den neuesten
Indices Enr.) Bering ero Philyreo, verb. 1616. — Tractatus de
Salomonis nuptiis vel Epithalamium in nuptias inter Fridericum V.
Comitem Palatinum etc. et Elisabetham, Jacobi Britanniae Regis etc.
filiam unicam [1613], verb. 1619. — Dieb iaratione publica di
Federico, per la grazia di Dio Re di Bobemia, Conte Palatino del
Reno, Elettore etc. Per quali ragioni babbi' acoettata il govemo
del regno di Bobemia e delle provincie annesse. Anno 1619, 7 Bl.
4., üebersetzung des „Offenen Ausscbreibens" vom 28. Oct. 1619,
verb. 1621. — Sacre de T Electeur Palatin FrHeric Roi de Boerae
en Teglise parocbiale du cbateau de Prague [Traduit de latin en
fran^ais P. J. B. D. G., Paris 1619, 8], verb. 1624, wird Ueber-
setzung des Processus in coronando Hege Bobemiae Friderico ejus
nominis primo breviter consignatus, Pragae [l620], 1 Bl. 4., sein
(im span. Index steht auch Triumpbus bobemicus s. panegyricus in
coronationem Friderici V.). — Nescimus quid vesper serus vebat.
Satyra Menippea Liberii Vincentii Hollandi [Amstelodami IV Idus
Sept. 1619], verb. 1621, ist eine auf den Ausbruch des deutschen
Religionskrieges bezügliche Nachahmung des berühmten Pamphlets
La Satyre Menippee ou la vertu du Catholicon vom J. 1594 (Hist.
Zts. 1878, 379), nach Melzi und Placcius p. 418 in Holland ge-
drückt, aber von dem Advocaten Nicola Crasso zu Venedig verfasst,
Franc, degli Ingenui (Sarpi) gewidmet^).
Charakteristisch für die Gelehrten der Index-Congregation ist
das Schicksal eines Heftes von t35 Quartseiten, welches den langen
Titel hat: Machiavellizatio qua unitorum animos dissociare
nitentibns respondetur, in gratiam Dn. AE. castissimae vitae Petri
Pazmann succincte excerpta. [Dieses Stück beginnt mit etwas aus-
führlicherem Titel p. 3 und ist datirt Cassoviae a. 1620.1 Oratio
parrhesiastica, qua anxilia a Rege et Ordinibus petuntur [für Frie-
drich von der Pfalz], habita Neo-Solii in comitiis [p. 14]. Epistola
Eucharii Martini Buddissino-Lusati ad celebrem theologum D. Matth.
Hoe ab Hoheneg etc. Comitem Lat. etc. [p. 22, datirt 1620]. Ad-
ditÄ est epistola C. Scioppii, in qua haereticos jure infelicibus lignis
cremari concludit [p. 30, datirt Rom 9. Febr. 1600]. Omnia horum
tempornm genio accommodata, lectu dignissima. Saragossae 1621
cum licentia Off. S. Inq. (Vgl. Salig I, 777). In dem Decret vom
16. März 1621 (Alex. No. 23) stehen nun unter den alphabetisch
geordneten verbotenen Büchern, und noch heute stehen an ihrer
Stelle im Alphabet die drei ersten Stücke, als ob das zweite und
dntte besondere Schriften wären: Ep. Euch. Martini ad Matthiam
Comitem Lateran, (seit Ben. ad M. Hoeneg C. L.), — 3fachiavelli-
zatio . . . respondetur (seit Ben. wie in der Schrift selbst p. 3:
Mach, qua un. a. Jesuaster quidam dissociare nititar), — Oratio
1) Von anderen dem Schotten Andrew Melvin oder dem Niederländer
Petrus Cunaeus zugeschrieben; von diesem ist die Satyra Menippea Sardi
venales, 1612, die nur im span. Index steht.
202 Geschichtliche Schriften.
qaaedam parrh. etc. (seit Ben. Oratio parrh.). Nur das dem Sciop*
pius zugeschriebene Stück über die Verbrennung der Ketzer steht
nicht in dem Decrete, nnd offenbar hat man dieses nicht mit, nicht
einmal das Heft mit diesem Stück verbieten wollen and darum die
drei anderen einzeln aufgezählt, und die Hedactoren des Index Bene-
dicts XIV. haben, wie die von ihnen vorgenommenen Aenderungen
zeigen, das Schrifteben vor sich gehabt und doch Oratio und Epistola
ohne Andeutung, dass sie nur hinter der Mach, zu finden sind, stehen
lassen ^).
Tuba pacis occenta Scioppiano belli sacri classico a salpiste
Theodosio Berenico, historiarum et patriae studioso. Fax optima
rerum. Argent. 1621, 4., u. s., verb. 1636, ist eine Entgegnung
auf Gasp. Scioppii, Consiliarii Hegii, Ciassicum belli sacri etc., Ticini
1619 (Aufforderung zur Unterdrückung der Protestanten), verfasst
von Mathias Bemegger^). Gleichzeitig wurde verb. : Juris publici
qnaestio capitalis, sintne protestantes jure caesareo haeretici et ultimo
supplicio afficiendi. Contra sanguinarium G. Schoppii Ciassicum
tractata a Justo Meiere JC. Acad. Argent. Antecessore, Arg. 1621.
Von Bemegger wurden 1659 noch verb. die nach seinem Tode
(f 1640) erschienenen Observationes historico-politicae.
Von den Schriften über den westfälischen Frieden stehen im
Index, ausser denen von Hoornbeck, Blondel und Conring: Ludovici
de Montesperato Vindiciae pacificationis Osnabr. et Monast. a
declaratione nuUitatis . . . attentata ab Innocentio X., Lond. (?)
1653, verb. 1654, wahrscheinlich von Benedict Carpzov II. (A-
D. B. 4, 18); — De regimine saeculari et ecclesiastico, cum acceB"
sione eorum, quae durantibus bellis circa statum Imperii Rom. et^
subsecutam in eo pacis compositionem innovata, auth. Theod. Rein-
kingk (7. Ed. 1717), verb. 1661; — Tempi um pacis et paoiscen-'
tium: leges Imperii fundamentales, et imprimis instrumenta paci^
Westfal., Noviomagicae et armistitii Katisbon., cum asteriscis »^
auctariis clarissimcrum . . . scriptorum, Frcf. 1688, 856 S. 8, verl^ —
1709, unter dem Titel Annotationes ad instrum. pacis Westf. etc. ^
Lips. 1697, mit dem Namen des Verfassers, Jac. Otto, erschiener'
(Flaccius 236). — De non speranda nova monarchia dialogu»-^
Regensb. 1681, 176 S. 12., wurde erst 1714 verb. — Relatione
50 ex Pamasso de variis Europae eventibus; adjuncta est ratio statu
David, Judaeorum regis, tribus libris comprehensa, Hamb. 168^
verb. 1686, kenne ich nicht.
Lettera di Giov. Av entrot al Re di Spagna nella quäle »
dichiara il misterio della guerra delle 17provincie del Paese Bass
tradotta della lengua flamenga secondo Tesemplare stampato Ams^
1615, 72 S. 8.^), verb. 1621, mit dem Zusätze quae etiam sub idio»
1) Dem Münchener Exemplar der Mach, ist eine Castigatio libeH
calvinistici cui tit. est Machiavellizatio . . . a Thema Balasfi, electo Episc:^
Bosznense, Praep. Posen., Aug. Vind. 1720, 26 S. 4. beigebunden.
2) Forschungen zur I). Geschichte 11, 433. Clemeut 3, 160.
3) So gibt Pelayo 506 den Titel an. Der Brief erschien in verschie
i
Broschüren. 203
mate hispaDico circumfertur. J. Aventrot, ein niederländischer Cal-
vinist, hatte seit 1609 wiederholt Briefe an Philipp III. gesandt,
in denen er über die Unterdrückung seines Vaterlandes klagte. Von
einem dieser Briefe schickte er 7000 Exemplare in spanischer Sprache
nach Lissabon, die er durch seinen Diener in Spanien verbreiten
lassen wollte; die Inquisition von Toledo verurtheilte diesen 10. Mai
1615 zu 7 Jahren Galerenstrafe. Aventrot Hess nun den Brief
nochmals drucken: er will darin beweisen, dass der Papst der Ur-
heber des Krieges in den Niederlanden und der Antichrist sei, dass
das Reich des Antichrists 313 begonnen und 1555 beendigt sei u. s.w.
Später kam er selbst nach Spanien um dem König und dem Herzog
von Olivares Bittschriften um Gewährung der Gewissensfreiheit in
Spanien und Flandern zu überreichen; er wurde 22. Mai 1632 zu
Toledo verbrannt. Bei Sot. steht er in der 1. Cl. und werden „alle
seine Werke in jeder Sprache, gedruckte und geschriebene, nament-
lich seine spanischen Briefe an Philipp III/* verb. £r hatte seine
Briefe auch dem Dogen von Venedig geschickt; sie wurden dort
1617 auf Befehl des Senats als gottlos und ketzerisch verbrannt. —
Conferencia cnriosa de la asemblea populär, que convoc6 en la
puerta del Sol Catalina della Parra, explicada en una carta, que
escrive a Emerico Tekeli, verb. 1693, steht auch im span. Index.
Emerich Tököly stand an der Spitze des ungarischen Aufstandes
gegen Kaiser Leopold 1678 (Maylath, Gesch. der Magyaren 5, 28).
Von den französischen Schriften stehen natürlich nicht im
Komischen Index zwei Broschüren, in denen Richelieu's Politik, als
er sich mit Venedig und England verband, die Spanier im Veltlin
angriff und mit Holland und den deutschen Protestanten in Unter-
handlung trat, als Verrath an der katholischen Kirche dargestellt
wird : G. G. R. Theologi ad Ludovicum XIII. Galliae et Navarrae
fiegem christianiss. admonitio, ex gallico in lat. translata, qua bre-
viter et nervöse demonstratur, Galliam foede et turpiter impium
foedus iniisse et injustum bellum hoc tempore contra catholicos
movisse salvaque religione prosequi non posse, Aug. Francorum 1625,
55 S. 8., und Mysteria politica h. e. Epistolae arcanae virorum
illustrium sibi mutuo confidentium, lectu et consideratione dignae,
Neapoli 1625, 42 S. 4., — wahrscheinlich beide von dem Jesuiten
Jacob Keller, dem Beichtvater Maximilians von Baiern, nach anderen
die erste Broschüre von dem Jesuiten Eudaemon-Joannis. In Paris
wurden sie auf Befehl des Parlaments verbrannt und von der Sor-
bonne und der Assemblee du Clerg^ censurirt^j. — Im folgenden
denen Sprachen. In München befinden sich: Epistola Joannis Aventroti
ad Potentiss. Regem Hispaniae, in qua breviler declaratur mysterium belli
XVII provinciarum Belgicarum. Recognita et aucta. Cum admonitione ad
proceres. Ut fuit belgice excusa. Amst. 1615, 85 S. 8., und Ein Sendbrief
Johann Aventrots ... In Hochteutsche spräche übersetzet aus dem Nieder-
ländischen. 80 gedruckt in Amsterdam im jähr 1616, 72 Bl. 8. Vgl. Cec-
chetti. La repp. di Ven. 2, 258.
1) Arg. II b 19o. Mercure Jesuite 1, 773. Jourdain p. 109. Prat
4, 576. Perrens 2, 395. Hist. Zts. 1878, 379.
204 Geschichtliche Schriften.
Jahre erschien ein neues Pasquill von nur 16 Seiten: Quaestiones
politicae qnodlibeticae agitandae in majori aula Sorbonica diebns
saturnalitiis praeside Card, de Richelieu, von dem nur 2 Exemplare
nach Paris kamen, die aber dort fleissig abgeschrieben wurden.
Richelieu drohte den Verfasser hinrichten zu lassen; der Jesuit
Garasse eilte zu ihm, um seine Unschuld zu versichern ^). — In Rom
wurde dagegen 1646 verb. : La guerre libre. Traicte auquel est
decid^e la question, s'il est loisible de porter armes ou service d'un
prince de diverse religion, trad. del'anglais, La Haye 1641,. 12. (von
J. Bouillon).
Jean Silhon, Staatsrath unter Richelieu und Mazarin und
eines der ersten Mitglieder der französischen Akademie, schrieb: Le
ministre d*etat avec le veritable usage de la politique moderne, 2 vol.
4., Paris 1631 — 43 u. s. In dem I.Bande spricht er gegen die Ge-
walt des Papstes in weltlichen Dingen, in dem 2. gegen die Ver-
grösserung der österreichischen Macht. Im Index steht nur die
italienische üebersetzung (des 1. Bandes?): 11 ministro di stato del
Sig. de Silhon, transportato dal francese per Mutio Ziccatta (d. i.
Matteo Zuccati Venetiano), verb. 1640. — Romolo Cortaguerra,
L'huomo del Papa e del Re, contra gl' intrighi del nostro tempo
di Zambeccari. All' Illustr. e Rev. Sig. Patron colendiss. Mgr. Giulio
Mazarini, plenipotentiario della Maestä cristianissima al convento di
Colonia. Cuneo s. a.,* 203 S. 12., verb. 1671; Mazarin wird ironisch
dafür belobt, dass er das Unglaubliche fertig gebracht, als Mann
des Papstes und des französischen Königs in Einer Person aufzu-
treten, angeblich aus dem Französischen übersetzt: Romule Courte-
guerre, LTiomme du Pape et du Roy, ou repartie veritable nur Ics
imputations calomnieuses d'un libelle diffamatoire seme contra Sa
Saintet^ et contre S. M. Tres Chr^t. Brux. 1635, 8. (Bibl. Casan.).
— Ausserdem stehen noch im Index: Breviarium politicomm
secundum rubricas Mazarinicas, Col. 1684, verb. 1687. — Abrige
de l'hist. de ce si^cle de fer, contenant les mis^res et les calamitez
des demiers temps, par Jean-Nic. Parival, Leyde 1653 u. s., verb.
1661. — Interets et maximes des princes et des estats souve-
rains, und Maximes des princes et estats souverains, beide Cologne
1666,* 16., erst 1709 verb.: dem ersten liegt eine um 1634 geschrie-
bene und dem Card. Richelieu gewidmete Schrift Sur les intcrßts
des princes von dem Herzog Henry de Rohan, dem Haupte der
protestantischen Partei unter Ludwig XIII., zq Grunde. — Nouveaux
interets des princes de TEurope, oü Von traite des maximes quMls
doivent observer pour se maintenir dans leurs /jtats et pour em-
pecher qu'il ne se forme une monarchie universelle, Col. 1695*, 16.,
verb. 1687 2). — L'Europe vivante ou relation nouvelle bist, et polit.
1) Avrigny, Mem. Eur. 1, 409.
2) Hinter diesem Verbote steht in den neuesten Indices: Vide Deda-
ratio. Unter Declaratio steht aber das Interim (I S. 528) und die Con-
fusion ist dadurch entstanden, dass vor Vide das bei Ben. stehende Interim
weggelassen ist.
i
Falsche Ablässe. 205
de tou8 868 ^tats jnsqu'ä rannte präsente 1667, verb. 1676, von Sam.
Chappnzean (Hoefer s. v.). — L'Europe esclave 8i TAngleterre ne
rompt 868 fers, Col. 1702, verb. 1709, von J.-P. de Cerdan. — Etat
present de TAngleterre . . ., Par. 1731, verb. 1734. — Besonders
komisch ist, dass noch heute im Index steht Abr 6g i des mimoires
donnes au Roy snr la reunion de Tordre et grande maistrise de St.
Jean etc., verb. 1628.
Von 1709 an wurden einige politische Satiren in der später
von Montesquieu in den Lettres persannes angewendeten Form verb.,
zuerst: L^espion dans les cours des princes chritiens, ou lettres et
memoires d'un envoy6 secret de la Porte, . . . Col. 1696, 2 vol.,
und die Suite in 3 vol., 1697—99 (nach Barbier 2, 176 ist der 1.
Band, zuerst 1684, von P. Marana); — 1750; L'espion de Tha-
mas Kouli Khan . . . trad. du persan par Tabb^ de Rochebrune, Col.
1746, — und 1770: L'espion chinois . . . trad. du chinois, Col. 1765
(von Ange Goudar).
31. Falsche Ablässe.
Seit dem J. 1603 sind, anfangs von der Inquisition oder der
Index- CoDgregation, später auch von der AblassCongregation
(S. 14) sehr viele Bücher, Heftchen und Blätter verboten worden,
worin Ablässe verzeichnet sind, die entweder nie oder nicht so,
wie dort angegeben wird, verliehen oder, weil nur auf eine be-
stimmte Zeit verliehen, wieder erloschen waren. Bei der un-
übersehbar grossen Zahl und Mannichfaltigkeit der Ablässe,
welche — trotz dem von dem Trienter Concil (Cont. S. 25., Decr.
de indulg.) ausgesprochenen Wunsche, es möge in dieser Hinsicht
Mass gehalten werden, — von den Päpsten verliehen wurden^),
war es nicht zu vermeiden, dass auch ohne irgend welche böse
Absicht Irrthttmer und Verwirrungen vorkamen; manche der
falschen Ablässe verdanken aber ihre Existenz der Speculation
auf die Dummheit und den Aberglauben des Volkes, und es ist
1) Card. Baronius schreibt 20. Jan. 1601 an Antonio Talpa (Epp.
ed. Albericius 3, 125): Als ich gestern Abend den Papst um den voll-
kommenen Ablass bat, fand ich ihn zu ipeiner Verwunderung aufs neue
entschlossen, nie mehr einen vollkommenen Ablass für eine Person oder
für einen Ort zu verleihen. Ich lobte ihn dafür; denn in der That sind
in das Ablasswesen viele Missbräuche eingerissen; ich habe mich darüber
in den Congregationen früher oft ausgesprochen (ne ho esclamato) und
eifrige und gutgesinnte Männer haben mir zugestimmt.
206 Falsche Ablässe.
charakteristisch, dass einige der fabulosesten Ablässe vom Anfang
des 17. Jahrhunderts an bis in die Gegenwart immer aufs neue
wieder haben desavouirt werden müssen.
In den Decreta generalia Benedicts XIV. stehen vier auf
Ablässe bezügliche Bestimmungen (III, 9—12). Im Index werden
jetzt unter Compendio vier (italienische) Ablassschriften verboten,
unter Indulgentiae 11, darunter 6 spanische, die 1696 verboten
wurden, unter Sommario 12 italienische, unter Sumario eine
spanische und unter Summario eine portugiesische, unter Ablass
auch eine deutsche (verboten 1750). Einige andere stehen unter
Diario, Dovizie, Folium, Giornale. Notizia, Orazioni oder unter
den Namen der Herausgeber, Jo. Anicius Dulmensis (Francis-
caner), Franc, di S. Lorenzo (Trinitarier) u. s. w. Es ist aber
nur ein verhältnissmässig kleiner Theil dieser Literatur in den
Index aufgenommen; in der Raccolta (S. 37) füllt der Artikel
Indulgenze allein 8 Seiten und stehen noch viele unter Com-
pendio und Sommario^).
In den Decr. gen. III stehen: 9. Alle Ablässe, welche vor dem
Decrete Clemens' VIII. vom J. 1597 de forma indalgentiarum für
coronae, grana seu calculi, cruces et imagines sacrae verliehen sind;
alle Ablässe, welche OrdeD, Bruderschaften u. s. w. vor den
Bullen Clemens' VIII. vom 7. Dec. 1604 und Pauls V. vom 13. Mai
1605 und 23. Nov. 1610 verliehen worden, sind zurückgenommen
und als apokryph anzusehen, wenn sie nicht von denselben Päpsten
oder ihren Nachfolgern erneuert und bestätigt sind (diese Bestim-
mung ist aus dem Beeret von 1G78, s. u.). — 10. Die dem Bir-
gitten-Rosenkranz von Alexander VI. verliehenen Ablässe werden
für apokryph erklärt, nicht aber die von Leo X. 1515 verliehenen.
— 11. Die den Kreuzen des h. Turibius von Urban VIII. verliehe-
nen Ablässe sind als falsch anzusehen. — 12. Alle Bücher, Diaria,
Summaria, Libelli, Folia u. s. w., worin Ablass- Verleihungen verzeich-
net sind, sollen nicht ohne Genehmigung der Ablass-Congregation
herausgegeben werden. — Zur Beachtung dieser letzten Bestimmung
wurden die Bischöfe 1856 nochmals aufgefordert (A. J. P. 2,2293).
Auf eine Anfrage des Bischofs von Perigueux erklärte dann aber
die Ablass-Congr. mit Genehmigung des Papstes 1858: ein durch
ein päpstliches Schreiben bewilligter Ablass und ein Auszug aus
einer von der Congr. genehmigten Sammlung von Ablässen könne
mit Erlaubniss des Bischofs gedruckt werden; nur neue Verzeichnisse
bedürften der Approbation der Congr. — Erst 1807 erschien zu Born
1) Im span. Index stehen nur wenige von diesen Schriften, von den
1696 verbotenen spanischen keine.
Falsche Ablässe. 207
nnter dem Titel Raccolta di orazioni e pie opere etc. eine von der
Ablass-Congregation als authentisch anerkannte Sammlung der Ab-
lässe; sie ist seitdem in einer Reihe von Auflagen (1855 schon die
13.) erschienen^).
Schon in einem Decrete vom J. 1603 werden mit d. c. verb.
Liber Indulgentiarum Fratrum Ordinis Carmelitarum und Ord.
Servorum, 1605 unbedingt Tesoro ricchissimo delle indulgenze
concesse . . . alla compagnia posta in Yenetia in S. Maria Formosa,
per ordine del P. Cesare Henaldino Piovano, Yen. 1605. Acht im
.1. 1613 verbotene Indulgenze stehen in der Eaccolta von 1624 (S.
24. 32), aber nicht im Index. — Einige Decrete stehen im Bulla-
rium, so die 1703 — 20 erlassenen im Bull. cont. 2, 386 (ein Breve
Innocenz' XL vom 31. Juli 1679 über die der Rosenkranzbrnder-
schaft verliehenen Ablässe füllt im Bull. cont. 1, 24 sechs Seiten),
ein Decret vom J. 1754 A. J. P. 2, 2292. Yon besonderem Interesse
ist ein im J. 1678 in der Druckerei der apostolischen Kammer er-
schienenes Decret der Ablass-Congr. vom 7. März 1678, unterzeich-
net von dem Praefecten Card. A. Homodeus, worin eine grosse Zahl
von Ablässen verzeichnet ist mit der Erklärung, dieselben seien ent-
weder erdichtet und ganz falsch oder von den Päpsten zurückge-
nommen oder nur für eine bereits abgelaufene Zeit verliehen. Dieses
Decret ist abgedruckt bei Albit. p. 518, — p. 506 ff. spricht er über
andere Decrete, — uud mit einem Commentar bei Thiers, Traiti des
superstitions 4, 16. 120. In demselben Jahre erschien (in Frank-
reich?) Decret du Saint Office de Rome qui condamne et abolit
comme un abus toutes les confrairies ou societez de TEsclavage de
la Mere de Dien, Scapulaire des Cannes et autres cordons, ceintures
etc. et defend sous de grieves peines Tusage des chaines, images et
medailles qui portent les marques de l'Esclavage en tous les lieux
qui louent ou approuvent ces devotions; am Schlüsse steht: Donn6
ä Rome le 7 Mars 1678, Le Card. Aloisio Homodei; Michel An-
gelo Ricci, Secretaire. A Rome derimprimerie de la R. Chambre
Apost. 1678. Dieses Schriftchen wurde von der Inq. Fer. lY. 25.
Jan. 1679 verb. mit der Motivirung: es sei darin ein Decret, wel-
ches die Inq. am 5. Juli 1673 ad tollendos quosdam abusus catenu-
larum, numismatum et societatum Mancipiorum B.Y. M. (§ 35) er-
lassen, zum grossen Theile abgedruckt, aber vielfach entstellt und
böswillig auf andere von dem apostolischen Stuhle gutgeheissene
Bodalitates cincturae, scapularis et chordae angewendet; femer sei
darin der vorletzte Paragraph des Decrete» der Ablass-Congr. vom
7. März 1678 abgedruckt, aber mit Weglassung der nöthigen Ein-
schränkungen, so dass die genannten Societates und auch richtige
Ablässe als ganz verworfen erschienen (Alb. p. 519).
1) Vgl. J. Schneider, S. J., Die Ablässe, 6. Aufl. Puderb. 1878 (die
im folgenden citirte Raccolta ist nicht die hier erwähnte, sondern die
S. 37 besprochene). Keusch, Die deutschen Bischöfe und der Aberglaube,
1879. — üeber den Birgitten-Rosenkranz (63 Ave Maria zum Andenken
an die G3 Lebensjahre der h. Jungfrau) s. Schneider S. 200.
208 Falsche Ablässe.
Es ist weder möglich noch nöthig, alle im Index stehenden
Ablassschriften zu besprechen. Es wird genügen, einige charakte-
ristische Einzelheiten hervorzuheben. In dem Decrete von 1678
werden u. a. verzeichnet : a) Ablässe, welche von Johann XXII. den-
jenigen verliehen sein sollen, welche meusuram plantae B. M. V.
küssen, und Ablässe, welche geknüpft sein sollen an die revelatio
de plaga in humero Jesu C. facta S. Bernardo, an die mensura alti-
tadinis J. C D. N., an die imago aut mensura vulneris lateri ejus
inflicti. Der angeblich von Johannes XXII. verliehene Ablass steht
schon in dem Decrete von 1613, und die Sorbonne verbot schon
1635 (mit einigen französischen Ablassbüchern, Arg. III a 15)
l'oraison miraculeuse k la Vierge etc., avec la mesure de la playe du
c6t6 de N. S.^) — b) ein Ablass, welcher der Bruderschaft des h.
Nicolaus verliehen worden, wonach durch 5 Vater unser und Ave
Maria täglich eine Seele aus dem Fegfeuer befreit werden könne
(nach der Kaccolta schon 1604 von der Inq. verboten); — c) ein
Ablass von 80,000 Jahren, der auf einer alten Tabelle in der La-
terankirche für ein Gebet verheissen wurde (angeblich von Bonifacius
VIII. und Benedict IX. bewilligt, 18.">6 nochmals verdammt) ; —
d) Ablässe für ein angeblich im Grabe Christi gefundenes Gebet*);
1) In dem Enchiridion manuale precum, welches Thiers 4, .88 be-
spricht, steht ein Bild mit der Unterschrift: Haec est mensura plagae, quae
erat in latere Christi, delata Constantinopoli ad Carolum M. in Capsula
aurea, und mit der Versicherung, es sei gut gegen Feuer- und Wassers-
gefahr 11. 8. w. Von der „wahren Länge Jesu Christi" — Papierstreifen
von etwa IV^ Meter Län^e mit einigen Zeichen und ähnlichen Versiche-
rungen — habe ich selbst zwei in Deutschland, eins im 19. Jahrb., ge-
druckte Exemplare gesehen (letzteres war an einem Wallfahrtsorte ge-
kauft). Auf der Diöcesansynodo zu Münster 1749 wurde „Gewisse und
wahrhafte Länge und Dicke Christi und Mariae" verb. (auch eine „Copie
des Himnielsbriefs von Gott selbst geschrieben*' und noch 6 ähnliche Dinge;
Fleur. 79, 774). Ein Blatt mit der Inschrift La tres-juste mesure du pied
de la S. Vierge, tiree du soulier de cette niere de Dieu, lequel est con-
serve k Saragosse. und mit Angabe der Ablässe, die Johannes XXII. und
Clemens Vlll. für das Küssen eines solchen Blattes verliehen haben sollen,
beschreibt J. Tissot, Le catholicisme et l'instruetion publique, 1879, S. 49
als in dem repertoire pieux einer Französin der Gegenwart gefunden.
2) Im spau. Index werden unter Oraciou sechs derartige Gebete
(und ein von Christus geschriebenes, zu Rom auf dem Altare des h. Petrus
gefundenes) erwähnt. Thiers 4, 51 erwähnt eine Pratique pour adorer le
tr^s-saint sacrament, worin die bekannten Gedichte Anima Christi sancti-
fica me und Ave verum corpus mit der Bemerkung stehen, sie seien im
Grabe Christi gefunden worden, und wer sie bei sich trage, werde keines
plötzlichen und bösen Todes, nicht ohne Beicht sterben, vor Pest, Blits
und Zauberei bewahrt bleiben u. s. w. In dem Antidotarius animae von
dem Cistercienser-Abt Nie. Salicet, Paris 1502, steht, Johannes XKII.
habe für das Beten des ersten Gebetes 3000 Tage Ablass für Tod- und
20,000 für lässliche Sünden verliehen. Im span. Index wird unter Kst^mpa
ein angeblich von Alexander VI. verliehener Ablass von 12,000 Jahren für
Tod-, von 80,000 für lässliche Sünden verb.
Falsche Ablässe. 209
— e) Ablässe, die den Cruces Caravacenses ^) verliehen worden
(nach der Raccolta schon 1653 nnd 1655 von der Inq., von der
Ablass-Congr. nochmals 1721 unter Indulgentiae, auch im span. In-
dex unter Indulgencias verb.); — f) die Ablässe, welche sich auf
eine Offenbarung an die sei. Johanna vom Kreuze stützen und den
Rosenkranzkügelchen verliehen sein sollen, welche an eines der
drei Kügelchen angerührt sind, welche sich im Besitze des Papstes,
des Königs von Spanien und des Generals der Minoriten-Observanten
befinden (schon 1613 und nach der Eaccolta auch 1635 verb.). Diese
drei Kügelchen sollen von den Kosenkränzen herrühren, welche die
Franciscanerin Juana de la Cruz (im Anfange des 16. Jahrh.) durch
ihren Schutzengel in den Himmel tragen und von Christus selbst
benediciren liess; ausser verschiedenen Ablässen hatten sie auch die
Kraft, Besessene zu befreien, Fenersbrünste zu löschen, Krankheiten
zu heilen, von Versuchungen gegen den Glauben, Scrupeln u. s. w.
zu befreien u. s. w. und diese Kraft allen an sie angerührten Rosen-
kranzkügelchen mitzutheilen. Die Sorbonne censurirte 1614 eine
französische Uebersetzung einer spanischen Biographie der Juana
und eine Brieve relation touchant les grains benits, vulgairemeut
appellez de S. Jeaune, Par. 1614 (Arg. II b 89). Bei Sot. wird von
Fr. Antonio Daza^s Hist. de Soror Juana de la Cruz die verbesserte
Ausgabe von 1614 freigegeben, aber im Index von 1707 eine Me-
moria über die Rosenkranzkügelchen der Juana de la Cruz verb.
(auch eine Memoria de las gracias que N. S. J. C. ha concedido a
las cruces que la Ven. Ana de la Cruz presento a Su Magestad und
andere über diese analoge Geschichte handelnde Schriften aus dem
J. 1649). Nach einem Briefe Benedicts XIV. an den Bischof von
Augsburg vom 1. Oct. 1745, § 40, ist die Canonisation der Juana
de la Cruz wegen dieses Schwindels aufgegeben worden.
Im J. 1689 verbot die Inq. Fer. V. 17. Nov. ein Heftchen
von einigen Blättern, welches mit Deutschland zusammenhängt:
Compendio della confederazione Mariana eretta sotto la protettione
della £. V. Maria nella chiesa parochiale di S. Pietro della cittä
elettorale di Monaco. In dem Decrete wird das Verbot in folgender
Weise motivirt: Durch ein Breve vom J. 1684 seien der Confra-
temitas B. M, V. Auxiliatricis in der genannten Kirche Ablässe ver-
liehen worden ; der Bruderschaft werde aber in diesen Heftchen ein
anderer Name gegeben; es sei von einem Ablass für die Anrufung
der Namen Jesu und Mariae in der Todesstunde die Rede, wovon
in dem Breve nichts stehe ; die Blätter würden in Italien und anders-
wo verbreitet, als ob man überall ohne weiteres der Bruderschaft
beitreten könne, während die Ablässe nur für solche verliehen seien,
die an gewissen Tagen jene Münchener Kirche besuchten (A. J. P.
1) Ueber dieses angeblich aus der Zeit des h. Ferdinand III. 1230
stammende miraculöse Kreuz s. Acta SS. Maii 7, 893. Die dort haupt-
sächlich benutzte Ilist. del mysteriöse aparecimiento de la s. cruz de (Ja-
ravaca von Juan de Robles Corvalan, Madrid 1615, wird bei Sot. expurgirt.
RenBcta, Index II. 14
210 Falsche Ablässe.
2, 2289). — 1750 wurden von der Ablass-Congr. auch eini^
deutsche Schriftchen verboten: Ablas 8 des kleinen privilegirtcn
Kosenkränzleins derer Closter-Frauen von der Verkündigung Mariae,
welche verliehen hat der P. Alexander VI., Julius II. und Leo X.,
Passau 1747, und Der Orden des Friedens i) oder deren dreyen An-
dachten der hochgelobten . . . Mutter Gottes Maria. Zwei 1721
verbotene in Deutschland gedruckte lateinische Schriften stehen unter
Indulgentiae.
Zu den deutschen Producten dieser Art wird auch Effectus
et virtutes crucis s. numismatis S. Patriarchae Benedicti, verb. 1678,
zu zählen sein; denn die BenedictuH-Medaille ist von den Benedic-
tinern von Metten aufgebracht worden, und die 1678 verbotene
Schrift ist ohne Zweifel Effectus . . . Benedicti, item Medicamentnm
spirituale contra morbos et pestem in eodem numismate expresanm
cum benedictione S. Zachariae. Cum permissu superiorum. Salis-
burgi, typis J. B. Mayr, Aulico-Academiae Typographi 1669, abgedr.
bei Dorotheus Ascianus (S. 143) p. 611 — 618. Unter den effectus
wird ausser der Beseitigung von maleficia, ligaturae omneque opus
diaboli u. a. erwähnt: in lacte, faciendo butyro aliisque successum
per maleficia impeditum restituit. In der Benedictio S. Zachariae
kommt auch die Formel vor: Maledicti . . . daemones, in virtute
verborum istorum Messias, Emmanuel, Sabaoth. Adoratus, Athana-
tos, Ischyros, Eleison, Tetragram maton vos constringimus. — 1742
hat Benedict XIV. auf Ersuchen des Abtes von St. Margareth bei
Prag die Medaille bestätigt und die Weise der Segnung bestimmt.
Dabei ist allerdings diese Formel beseitigt worden ; im übrigen aber
unterscheiden sich die Schriftchen, durch welche die Benedictiner
im 19. Jahrh. diese Medaille empfehlen, nicht wesentlich, jedenfalls
nicht zu ihrem Vortheil von den 1678 verbotenen Effectus^).
Unter Clemens XI. wurden 1703 von der Inq. zwei Ablass-
schriftcn, beide als quaedam folia bezeichnet, mit wunderlichen Titeln,
und mit um dieser Titel willen verb.: Lega spirituale de' viventi
formata co' morti (Bündniss der Lebenden mit den Verstorbenen)
und Lotto spirituale per le povere anime del purgatorio molto bi-
sognose di christiano soccorso (Geistliches Lotto für die armen
Seelen u. s. w.). Auf den letzteren Blättern, heisst es in dem Decrete,
die in Rom, Venedig und vielleicht auch anderswo gedruckt seien,
werde eine Anweisung gegeben, für die Verstorbenen zu verrichtende
Gebete zu verlosen ; sie seien zu unterdrücken wegen des Titels und
1) So heisst eine von der sei. Johanna von Valois (f 1605, E.-L. 1,
873) gestiftete Bruderschaft; über die ihrem wunderlichen Rosenkranse
verliehenen Ablässe (1000 Jahre für das blosse Tragen desselben u. dgl.)
ist 1868 noch einmal verhandelt worden. Acta S. S. 4,286.
2) Reusch S. 49. Schneider S. 526. Thiers 1, 303 kritisirt ein von
den französischen Benedictinem verbreitetes Scbriftchen: Les effets et
vertus de la croix ou medaille du grand Patriarche S. Benoit. Extrait de
rimprime d'Alleraagne. Paris, chez N. Bessin . . proche la porte de
TArcheveche 1668. Avec permission.
Medaillen. Scapuliere. Gürtel. Portiuncola. Öll
wegen des profanen und der christlichen Frömmigkeit unwürdigen
Arrangements. Bezüglich der Lega wird bemerkt: 1653 seien einer
Bruderschaft B. M. V. del soccorso in der Jesuitenkirche zu Santa
Fe, 1 680 derselben Bruderschaft in der Jesuitenkirche zu Innsbruck
und 1683 der Bruderschaft B. M. V. de bono remedio in der Tri-
nitarierkirche zu Turin Ablässe verliehen worden ; von diesen seien
Summaria auf Blättern gedruckt, die, wo immer und in welcher
Sprache sie auch gedruckt seien, verboten würden, weil die für Le-
bende verliehenen Ablässe auf Verstorbene ausgedehnt würden, weil
darin in Widerspruch mit den Breven gesagt werde, auch ein Ver-
storbener könne als den Bruderschaften adscribirt angesehen werden,
wenn ein Lebender einige guten Werke für ihn thue, und weil den
beiden Jesuiten-Bruderschaften der selbst ausgedachte Titel (titulus
proprio marte excogitatus) Lega beigelegt sei^). — Später scheint
der Orden der Minimi die Sache wieder aufgegriffen zu haben ; denn
1755 wurde eine Informazione über eine Lega spirituale in
Santa Fe und in der Kirche der Minimi des h. Franz von Paula in
Turin verb.
1712 wurden verboten: Breve notizia del santo habitino che
si dispensa dal Padri Teatini ad onore dell' Immac. Concezione . . .,
Verona 1711, und Sacro diario delle grazie ed indulgeuze concesse
alla compagnia della Cintura detta di S. Agostino e di S. Monica,
Bologna 1707, beide weil darin viele falsche Ablässe verzeichnet
seien ^). Dabei wird aber constatirt, dass es auch echte Ablässe für
das Tragen des himmelblauen Scapuliers der Theatiner und des Gür-
tels der h. Monica gebe, und seitdem sind deren noch viele ver-
liehen worden^). — In dem Decrete von 1678 werden wahre und
falsche Ablässe für diejenigen, die den Gürtel (funiculus) des h.
Franciscus tragen, unterschieden, und falsche Ablässe für das Tragen
des Gürtels des h. Franciscus von Paula erwähnt.
Wenn im Index mehrere Schriften über den Portiuncula-Ablass
stehen, so trifft das Verbot natürlich nicht diesen Ablass selbst,
sondern irgendwelche Uebertreibungen, die sich die Franciscaner er-
1) Bull. cont. 2, 386. Pragm. Gesch. der Mönchsorden 3, 353 wird
ein Schrifbchen erwähnt, welches nicht im Index steht; Le commerce des
vivans fait en füveur des ames du Purgatoire, par le P. Bonaventure Breu-
gue, Gardien des Recollets ä Digne, Lyon 1658.
2) Bull. cont. 2, 443. Falsche Ablässe für den Gürtel der h. Monica
werden auch in dem Decrete von 1678 erwähnt. In der Raccolta steht
ein Sommario dell* indulg., gratie e privilegi concessi . . a' Cinturati di
S. Agostino, ultimamente confirmati da N. 8. Gregorio XIII., von der Inq.
verb. 1634 und 1640 und im Index noch Giornale dell' indulg. della
cintura di S. Agostino e di S. Monica, verb. 1738. Aus der zu Angers
erschienenen Schrift: Les beautes et les richesses de la ceinture, principa-
leraent de cuir en Thonneur du glorieux S. Augustin et de S. Monique,
sa devote mere, par Roland Bourdon, Provincial des Augustins en France,
wird in der Pragm. Gesch. der Mönchsorden 6, 72 ein satirischer Auszug
gegeben.
3) Schneider S. 396. 437. 438. Reusch S. 40. 48. A. J. P. 2, 1820.
212 Falsche Ablässe.
laubten^). So wurde ihnen z. B. 1657 verboten, diesen Ablass in
forma jubilaei zu publiciren (Alb. p. 517). Darum wird verboten
Bein: Indulgenza plenaria e giubileo perpetuo per tutti li fideli
christiani concessa dalla bocca di N. S. Giosu Christo ad istanza del
nostro Serafico Padre San Francesco & intercessione della Pnrissima
Vergine e Madre di Dio alla capella della Madonna degli Angioli
in Assisi detta Portiuncula etc., la seconda volta data in luce dal
P. Fra Michele Angelo di Bogliasco [Min. Oss.], Livorno 1662,
verb. 1860 (die 1. Ausgabe ist nicht verb.; Mazuch. 2, 1429). —
Erst seit Ben. stehen im Index zwei schon 1698 verb. ähnliche
Schriften von Villa Santi und Stef. Tofi. Die Ablass-Congr. ver-
bot dann noch 1735: Notizia vera della diversitä dell* indulg.
plen. quotidiana concessa da P. Inuocenzo XII. a S. Maria degli
Angeli da quella concessa da Onorio III. alla piccola basilica della
Portiuncula, mit dem Zusatz: firma tarnen remanente ind. plen. quoti-
diana da Innoc. XII. concessa. — Eine gegen den Portiuncula-Ablass
gerichtete Schrift : Breve trattato teol. in cui si esamina, cosa si debba
giudicare dell' Ind. accordata, come volgarmente si dice, da Gesü
Cr. medesimo a S. Francesco etc. (Florenz) 1789, 92 S. 8 (Nov. lett.
1789, 578), ist nicht verb. Eine scharfe Kritik des Portiuncula-
Ablasses gibt Thiers 4, 231.
In der Raccolta und im span. Index von 1790 stehen noch
mehr falsche Ablässe. In letzterem ist u. a. p. 182 von einem Ge-
bete die Rede, für welches Pius V. so viele Ablässe verliehen, als
Sterne am Himmel stehen, p. 270 von einem Ablasse von 12,000
.Fahren, den S. Petrus und 30 Päpste verliehen (in einem 1777 zu
Mexico gedruckten Schriftchen), p. 301 von einem 1748 zu Ant-
werpen gedruckten Gebetbuche, nach welchem durch ein bestimmtes
Gebet nach einer (Joncession Pauls V. fünf Seelen aus dem Fegfeuer
befreit werden, und pag. 301 wird in einem 1738 in Spanien mit
Approbation gedruckten Gebetbuche u. a. die Stelle gestrichen: Jo-
hannes XXII. habe für ein Gebet so viele Tage Ablass verliehen,
als Leichen in der betreffenden Kirche oder auf dem Kirchhofe be-
graben seien. P. 235 wird ein Sumario de las indulgencias del
Ave Maria del Millon verb., worin von einem Rosenkranze die Rede
ist, dem (von Urban VIII. und durch eine Bulle vom J. 1750, also
von Benedict XIV.!) das Privilegium verliehen worden, dass jedes
daran gebetete Ave Maria den millionenfachen Werth habe.
Bezüglich des Verbreitens fabuloser Ablässe ist es im 19. Jahrb.
eher schlimmer als besser geworden. 1856 wurde den Bischöfen
ein Beeret der Ablass-Congr. vom 31. März mitgetheilt, worin eine
lange Reihe von falschen Ablasszetteln, die in Italien, grossentbeils
in Florenz in der letzten Zeit gedruckt seien, verdammt wird.
Darunter befindet sich ausser dem schon 1678 verdammten Abläse
1) Schneider S. 539. Pragm. Gesch. 7. 207. Ueber 1769 und 1777
erschienene deutsche SchriftiMi s. Nova a(;ta bist. eccl. 1778, 755; Acta
bist. eccl. nostri temp. 3, 25. 86.
Schriften gegen und über Ablässe. 213
von 80,000 Jahren n. a. folgender: ein Gebet, für welcheB PiusV.
so viele Ablässe verliehen wie Sterne am Himmel, Sandkörner am
Meere, Kräuter auf dem Felde sind: 9 Gebete, für welche der h.
Gregor und sein Nachfolger 14 Millionen und 80,149 Jahre Ablass
für jeden Freitag und für den Charfreitag ausserdem 8 vollkommene
Ablässe verliehen: ein auf einem Bilde in Polen stehendes Gebet,
welches Maria sprach, als sie den Leichnam Christi in ihre Arme
nahm; wer es spricht, dem hat Innocenz XII. bewilligt, dass er 15
Seelen aus dem Fegfeuer befreit oder 15 Sünder, die er namhaft
machen kann, bekehrt^).
Einige protestantische Satiren auf das Ablasswesen (Fiscus,
Giubileo) wurden bereits erwähnt. Auffallender Weise steht
nicht im Index eine der umfangreichsten derartigen Schriften:
Evangelium Romanum prout immediate a Clementis VIII.* manu
Jacobo Davyo Ebrodunensi episcopo aliisque traditum est et ab
iisdem annunciatum. Cui adduntur 1. Traetatus de remissione
peccatonim adv. paparum indulgentias ; 2. Ejusdem evangelii per
partes expressa expositio. S. 1. 1600, 666 S. 8., Ph. Mornay du
Plessis dedicirt von J. L. An der Spitze steht: Evang. Rom. a Per-
rono annunciatum. Indulgentiae concessae a Clemente VIII. corollis,
granis, cruciculis, rosariis . . . instante Jac. Davyo episc. Ebrod.,
impressae Romae. Indulgenze concesse da Clemente VIII. ad instanza
del Card. Radziwil, Vesc. di Cracovia. Roma, P. Blado 1592. (Cle-
ment 8, 139). — Erst 1709 wurde verb. Andreae Henr. Bucholtz,
Eccl. Brunsvicensis Coadjutoris, de Ecclesiae Rom. Pontifici subjectae
indnlgentiis Traetatus theol., in quo indulgentiarum earundem vani-
tas ostenditur, Rinteln 1657, — 1760 Lettres bist, et dogm. sur
les jubil^s et les indulgences k Toccasion du jubil6 unirersel celebre
ä Rome par Benoit XIV. Tan 1750 et etendu k tout le monde cath.
romain en 1751, par Charles Chais (prot. Pfarrer im Haag), 1751,
3 vol. 8.
1753 wurde verb. Trait^ theol., dogmatique et crit. des indul-
gences et jubiles de l'Egl. catholique, Avignon (?) 1751, 280 S. 12.
Die Schrift ist von dem Pfarrer N. Loger verfasst, von Ph. Boidot,
Dr. Sorb., einem Appellanten, herausgegeben und lässt die Ablässe
nur als Nachlass der Eirchenstrafen gelten (Migne 2, 613).
11 A. J. F. 2, 2293. Schneider S. 73. — A. J. P. 22. 884 ist die
vom 28. Juli 1882 datirte Antwort der Ablass-Congr. auf eine Anfrage
des Bischofs von Gap abgedruckt, der V)erichtet hatte, ein früherer Missionar
J. P. Blanchard behaupte, Pias IX. habe ihm vivae vocis oraculo einen
vollkommenen Ablass verliehen für alle, welche die von ihm gesegneten
Cracifixe oder Medaillen küssen oder ansehen würden, was hundertmal
in einem Tage geschehen könne. Die Congregation weist den Bischof an,
dafür zu sorgen, dass Blanchard von dieser angeblichen Vollmacht keinen
Gebrauch mehr mache, und erklärt die Ablässe für apokryph, was nach
dem curialistischen Sprachgebrauche nicht etwa so verstanden werden muss,
als ob Pius IX. jenen (oder einen ähnlichen) Ablass gar nicht verliehen,
sondern auch bedeuten kann, dass kein beweiskräftiges Documeut dafür
vorhanden sei (vgl. Acta S. S. 15, 37.3).
214 Ofßcieu und andere Gebete.
32. OfAcien und andere Gebete.
Zu den älteren Verordnungen Über Messbuch und Brevier^)
kam unter Urban VIIL 1624 bezw. 1628 das jetzt in den Decr.
gen. IV, 5 stehende Verbot der ohne Approbation der Congre-
gation der Riten herausgegebenen oder herauszugebenden Offi-
eien der h. Jungfrau Maria oder von Heiligen und anderer der-
artiger Sachen hinzu. Ausser diesen nicht autorisirten Bereiche-
rungen des Breviers und Büchern mit nicht approbirten Litanieen
(S. 75^ steht noch eine Reihe von einzelnen, meist augenscheinlich
abergläubischen Gebeten und eine Anzahl von Gebetbüchern
die dergleichen Gebete enthielten, im Index. In den Decr. gen.
IV, 8 werden auch alle neu erfundenen oder zu erfindenden,
von dem h. Stuhle nicht genehmigten Rosenkränze, durch welche
der authentische Rosenkranz zu Ehren Gottes und der h. Jung-
frau Maria beseitigt werden würde, verboten.
Eine italienische Nonne bat Urban VIII. um die Erlaubniss,
das Officium von den 15 Nothhelfern (K.-L. 7, 648) pro sua devo-
tione recitiren zu dürfen. Der Papst überwies das Gesuch der
Riten-Congregation. In einer Sitzung dieser am 14. Jan. 1617 be-
richtete Cardinal Bellarmin: jenes von dem Fr. Hieronymus Capella
verfasste und 1613 zu Brescia gedruckte Officium und die in dem
Messbuch der Dominicaner stellende Messe von den 15 Nothhelfern
seien ohne apostolische Anctorität gedruckt, und die Congr. beschloss,
beide vorläufig zu verbieten (A. J. P. 7, 145). In der nächsten
Zeit sclieint über andere ähnliche Dinge verhandelt worden zu sein;
denn 1628 erschien ein von Urban VIII. bestätigtes Decret der
1) lieber das auf das Missale bezügliche Decr. gen. IV, 4 s. I S. 438.
lieber verbotene und anstössige Messformulare handelt ausführlich Thiers,
Tr. des superst. 2, 344. Er kritisirt scharf die 30 Missae de S. Gregorio
pro defunctis, vor denen in mehreren alten Missalen stehe: Incipit Tren-
tenarium B. Gregorii Papae quod quicunque dixerit vel dici fecerit ob-
tinebit plures annos et quadragenas Indulgentiarum per Innocentium P.
datarum. (Sie sind auch verboten; Bened. XIV. De niissa 3, 23, 3). Er
erwähnt auch Messen de S. Veronica, de S. Longino, de la dent, du pre-
puce, du norabril de N. S. — Nebenbei erwähnt Thiers auch p. 326 Dinge,
die in den Calendarien alter Messbücher stehen, wie in dem Missale des
Ordens von Fontevraud von 1606 bpi dem Januar: Vult lautas calidasque
epulas et pocula Janus, in einem Missale von Maus 1559 beim August:
Raro dormitat, aestum coitum quoque vitat, in dem Missale der Clunia-
censer von 1523 und 1550: Jani prima dies et septima finem minatur,
Tertius in Maio lupus est et septimus anguis.
Brevier. 215
Riten-Congr.y des Inhalts: die von ihr nicht genehmigten Messen,
wie S. Gregorii pro vi vis et defunetis, 15 Auxiliätonun, de Patre
aeterno [zn Madrid gedruckt] n. a., — abgesehen von den nur
Ordensgeistlichen [den Carmelitem] gestatteten, wie Eosarii, S. M.
de Carmelo u. a., — sowie die nicht approbirten Officia seien als
verboten und verdammt anzusehen bei den in den Bullen Pius* Y.
über das Messbuch und Brevier und in dem Index angedrohten
Strafen (A. J. P. 1, 1248). Die Index-Congr. verbot schon 1624
(Alex. No. 29): alle ohne Approbation der Riten-Congr. heraus-
gegebenen oder herauszugebenden Officia, wie: Officium parvum
in honorem S. Joseph, Brixiae 1608; Off. parvum S. Angeli Cu-
stodis, nicht das von der Congr. approbirte, sondern das Ven. 1611
gedruckte; Off. quindecim Sanetorum Auxiliatorum, Brixiae 1613;
Sanctissimae Deiparae laudes, 150 Psalmorum prima verba ^expo-
nentes David (erst seit Ben. unter dem Namen des Herausgebers
Mich. Ang. Äthan asius); ein Opusculum mit dem Titel Breve
ad honorem S. übaldi und ähnliche Dinge, welche ohne irgend
welche Approbation in Umlauf sind. Dem entsprechend stand seit
Alex, im Index: alle ohne Approbation der Riten-Congr. herausge-
gebenen oder herauszugebenden Officia.
Schon 1623 war verb.: Preces devotissimae ad Deiparam Vir-
ginem in quatuor magnae devotionis officia distributae a Fr. de-
mente Ottardo Ord. Erem. S. Aug., absque S. Rituum Congr. appro-
batione suorumque superiorum licentia impressae (seit Ben. unter
Cl. Attardus de Unelia). — 1642 wurde verboten: Libellus falso
inscriptus: Off. S. Raphaelis Archangeli duplex, cum hymnis et
lectionibus 2. Noct. a S. Rituum Congr. approbatis et in nova im-
pressione Breviarii Rom., quandocunque evenerit, apponendis de
mandato Sanctissimi, gedruckt bei dem kurfürstlichen Drucker in
München 1641. Warum ein unter Domus stehendes Buch über die
7 Hören 1671 verb. wurde, erhellt nicht.
Ein wunderliches das Brevier betreffendes Verbot steht zwar
nicht im Index, aber in den Decreten bei Alex. Ko. 47. In das
Officium der h. Catharina von Siena (30. April) war bei der Revi-
sion des Römischen Breviers unter Ürban VIII. im J. 1631 die
Bemerkung hineingekommen: die Heilige sei aus der mit der Fa-
milie Borghese verwandten Familie Benincasa gewesen, ex Beniucasa
nna cum Burghesia familia ex eodem stipite proveniente. In dem
von Pius II. verfassten Officium hatte das nicht gestanden, aber der
Jesuit Tarquinio Gralluzzi hatte es in der Leichenrede auf den Card.
G. B. Borghese, den Bruder Pauls V., gesagt, die 1616 zu Rom
mit einer Dedication an den Card. Maffeo Barberini (später Ur-
l)an VIII.) gedruckt war. 1641 kam die Sache, wie es scheint, in
Folge einer Reclamation der Familie Borghese, in der Riten-Congr.
zur Sprache: die noch lebenden Mitglieder der Commission, welche
4ie Revision des Breviers im J. 1631 besorgt hatte, stimmten alle
für die Streichung der Worte, desgleichen fast alle Cardinäle der
Congr., weil dergleichen genealogische Bemerkungen in die Lectionen
des Breviers nur dann aufgenommen zu werden pflegten, wenn sie
216 Ofticien und andere Gebete.
unzweifelhaft richtig seien, während die Richtigkeit der fraglichen
Notiz mit sehr gewichtigen Gründen angefochten werde. Die Riten-
Congr. verordnete also 28. Sept. 1641 die Streichung der Worte.
Es scheinen noch einmal Einwendungen erhoben worden zu sein;
denn die Congr. erklärte 11. Nov. 1641 alle unter ihrem Nameu
oder dem Namen des Papstes über die Familie der h. Catharina
erlassenen Decrete für irrig und erschlichen. Am 22. Jan. 1642
verordnete dann die Index-Congr. unter Berufung auf das Decret
vom 28. Sept. 1641 bei den in dem Index angedrohten Strafen, in
allen Exemplaren des Breviers die fraglichen Worte zu streichen
und sie in neuen Ausgaben wegzulassen^).
Ueber die liturgischen Bücher der unirten Orientalen stehen
im Bullarium ausführliche Verordnungen von Benedict XIV. vom
26. Mai 1742, 26. Aug. 1754 und 17. Mai 1755. Im Index steht
nichts, was darauf Bezug hat.
Eine ganze Reihe von Verboten steht seit Ben. unter Orazione.
Sie sind aus der Nota (S. 38) aufgenommen, wie auch ähnliche
Sachen, die unter Confessione, Contemplazione, Epistola, Griardino,
Laude, Opera, Operetta, Paradiso, Passione, Rime stehen. In der
Raccolta stehen noch viel mehr derartige Sachen, u. a. folgende als
„durch mehrere Decrete der Inquisition verboten'*: Gebete, welche
verkauft werden als gut gegen die WaflTen, gegen die Feinde, um
die Folter zu ertragen (per sostenere la corda), um sich beliebt zu
machen, für Gebärende, um Gefahren zu entgehen und für andere
Zaubereien, mit Missbrauchung des Namens Gottes und der Heiligen
und heiliger oder geweihter Sachen, die man bei sich tragen oder
verschlucken soll ; ein Gebet gegen Waffen und Gefahren, angeblich
gefunden im Grabe Christi; Gebete gegen die Pest, angeblich hinter-
lassen von dem Bischof Zacharias von Jerusalem und wiedergefunden
in einem Benedictinerkloster zu Jerusalem, bestehend aus einigen
Buchstaben des Alphabets, welche gewisse Versikel andeuten, die
man hersagen oder bei sich tragen soll (von der Inq. verb. 1630;
es steht bei Albit. p. 499); an sich gute Gebete, bei denen gesagt
wird, sie raUssten, um den gewünschten Erfolg zq haben, in einer
bestimmten ungewöhnlichen Weise gesprochen oder so und so vielmal
wiederholt werden; Gebete, in welchen die Worte der kirchlichen Ge-
bete, des Paternoster, Ave Maria, Credo, eines Psalmes oder Hymnus
mit injuriösen Satiren gegen eine bestimmte Person vermengt sind
(die Racc. nennt sie orationi sacro-profane ossiano libelli detti fa-
mosi, ma realmente infami); Zettel (bolletini), auf welche geschrieben
ist: Christas natus, Christus passus etc., um Krankheiten zu heilen.
— Auch im span. Index werden unter Oracion, Devocion, Exercicio,
Novena und sonst viele sonderbare Gebete verboten, u. a. eine an-
geblich von Gregorius M. verfasste Deprecacion que contiene los
1) Bened. XIV. Beatif. 1. 4, p. 2, c. 8, n. 7. Quetif 2, 836. A. J. P-
7, 277.
AbergläubiRche Gebete. Rosenkranz. 217
2 nombrcH de Christo, und Sacrae et antiquae contra peBteni ora-
ones, Compostella 1702.
Bei manchen nach 1680 verbotenen Gebetbüchern ist nicht
isznmachen, ob sie wegen abergläubischer oder wegen quietistischer
estandtheile (§ 63) im Index stehen. Zu den ersteren gehören
denfalls ein 1688 verbotenes Enchiridion, welches ausser den
Busspsalmen eine Oratio devota Leonis Papae und aliquot ora-
ones adversus omnia mundi pericula enthält, vielleicht auch das
. 77 erwähnte Vademecum^).
1727 wurde verb. Coronelle della Santissima Trinitü et di
[aria Sant. estratte dall' opera data in luce da Franc. Pepe, und
728 mit d. c. Esercizii di divozione in onore della Sant. Trinita,
f)era di Franc. Pepe, Nap. 1726, 407 S. 12. Fabroni 10, 359
erichtet von diesem Jesuiten, er solle in Neapel gepredigt haben,
Br Verfasser der Regolata devozione, Muratori, sei ohne Sacramente
nd als Ketzer gestorben und in der Hölle; er bestreite dieses in
inem Briefe an Muratori's Neffen, habe aber jedenfalls starke Aus-
rücke gebraucht, da er von seinen Oberen zum Schweigen gebracht
orden sei, worauf er gesagt haben solle, die Kinder des Teufels
ätten ihm den Mund geschlossen. In den N. E. 1758, 68. 120;
759, 151 wird berichtet: Pepe habe in Neapel Zettel mit einem
ebete über die Immac. Conceptio verbreitet und Kranken empfohlen,
}lcbe Zettel zu verschlucken; man habe sie auch den Hühnern ein-
egeben, damit sie viele Eier legten; er sei als Deputirter zur
•eneralswahl nach Rom geschickt worden; dort seien seine Zettel
af Befehl des Mag. S. Pal. von der Douane confiscirt worden; da
Benedict XIV. eben gestorben war, habe er von den Capi d'ordini
es Conclave die Erlaubniss verlangt, neue drucken zu lassen, sei
ber auf Betreiben des Card. Passionei abgewiesen worden. Er
tarb 1759. — üeber die Heureset instructions chr6tiennes a l'usage
es troupes de S. M. le Roi de Sardaigne, die 1759 von der Inq.
erb. wurden, berichten die N. E. 1758, 132 (also vor dem Verbote):
er Rector des Jesuiten- Collcgs zu Chambery, Portula, habe das
!uch angeblich zu Turin drucken lassen und dem Könige selbst
berreicht. Dieser sei aber von seinem Sohne, dem Herzog von
avoyen darauf aufmerksam gemacht worden, dass darin die Buss-
salmen und das Officium Immac. Conc. französisch, eine neue Litanie
on den heiligen Soldaten und andere ungehörige Dinge ständen; es
abe sich dann aiich herausgestellt, dass das Buch gar nicht in
'urin approbirt und gedruckt sei (vielmehr zu Lyon); der König
abe darauf das Buch eonfisciren lassen und Portula ausgewiesen.
Ir wird dann auch das Verbot veranlasst haben.
Der gewöhnliche „authentische" Rosenkranz wird bekanntlich
af den h. Dominicus zurückgeführt und wurde von den Domini-
anern zu den Glorien ihres Ordens gezählt. Einer der gelehrtesten
Dominicaner des 17. Jahrb., Vincenz Baron, sagt Apol. I, 244: Ut
1) Friedrich, Beitr. zur Kirchengesch. S. 69.
218 Exorcismen-Bücher.
ille locus deliciamm uno fönte rigabatur in quatuor flavios diviso,
sie Praedicatomm Ordo, capite et institutione unus, partibus qna-
druplex, rosario, magisterio S. Palatii, inquisitioniB officio et S. Tho-
mae doctrina velut quatuor fluviis totum ambit et irrigat orbem
christiannm et qua potest foecundat. Andere Orden, namentlich die
FranciRcaner, suchten den Dominicanern Concurrenz zu machen.
Durch ein Breve Alexandere VII. vom 28. Mai 1664 wurde ein
von den Franciscanern zu Toulouse gebrauchtes Rosarium saraphicnm
von 9 Novenen verb.; im Index stehen ein Rosario della gloriosa
Sant' Anna, vom Mag. S. Pal. 1673 verb., Rosarium seraphicum
cruentis passionis Dominicae vermiculatum floribus, quam S. P. Francis-
CUR, vivus sacrorum quinque vulnerum Christi bajulus. recentissimae
iramemoris mundi offert memoriae et devotioni, Yarsaviae 1705, verb.
1707, und Rosaire et chapelet de la trös-sainte et adorable Triniti
qu'on dit . . . dans la chapelle des P^res de la S. Trinit6 redemption
des captifs du couvent de Toulouse (ohne Pater noster und mit Zusätzen
bei dem Gloria Patri), in Folge einer Denunciation des Dominicaner-
Generals verb. 1714, wie Bened. XIY. De beatif. 1. 4, p. 2, c. 31,
n. 27 ausführlicher berichtet. — Ausser dem authentischen Rosen-
kranze sind übrigens mehrere andere mit Ablässen überreich begna-
digt (Schneider S. 168 u. s.).
33. Exorcismen-Bficlier.
Im J. 1614 erschien eine Ausgabe des Rituale Romannm
mit einem Breve Pauls V. vom 17. Juni, worin die Bischöfe,
Aebte und Pfarrer „im Herrn ermahnt" werden, dasselbe ein-
zuführen. Da die Einführung nicht befohlen wurde, blieben
neben dem Römischen Rituale andere in Gebrauch. Auch wurden
vielfach neben dem Rituale Bücher gebraucht, welche eine reich-
haltigere Sammlung von Segnungen, Beschwörungen n. dgl.
enthielten. In einem Decrete vom 4. März 1709 wurden aber
auf einmal fünf Exorcismen-Bücher verboten, welche seit einem
Jahrhundert in vielen Ausgaben mit kirchlichen Approbationen
erschienen waren. Dass sie jetzt endlich verboten wurden, er-
klärt sich daraus, dass Daniel Francus (S. 142) einige scanda-
löse Stellen aus diesen Büchern abgedruckt und dann gesagt
hatte, man möge ihm die Indices zeigen, in denen sie verboten
seien oder auch nur ihre Expurgation angeordnet sei, und dass
von einem der schlimmsten dieser Bücher, dem von Hieronymus
Mengus, im J. 1708 zur Verhöhnung der Katholiken zu Frank-
£xorci8inen-Bücher. 219
furt ein Abdruck besorgt worden war (U. N. 1708, 538). In
den nächsten Decennien wurden noch einige derartige Bücher
verboten, und einem Index-Decrete vom 4. Dec. 1725 ein allge-
meines Verbot beigefügt, welches in folgender Fassung in die
Decreta generalia IV, 1.. 2. 7 aufgenommen worden ist: (ver-
boten sind) alle nach der Reformation des Römischen Rituale
durch Paul V. ohne Genehmigung der Riten-Congregation zu
demselben gemachten oder zu machenden Zusätze, alle von der-
selben Gongregation nicht genehmigten kirchlichen Benedictionen
and alle Formeln von Exorcismen, welche von den in den
Regeln des Römischen Rituale vorgeschriebenen verschieden
sind, und der Gebrauch derselben ohne vorherige Prüfung durch
den Bischof. — Noch 1832 hat die Riten-Congregation auf die
Anfrage, ob die viel gebrauchte, aber nicht approbirte Collectio
s. apparatus absolutionum, benedictionum, conjurationum etc.
auct Bern. Sannig 0. S. Franc. (Col. 1733*), auf Grund der
Decr. gen. als verboten anzusehen sei, geantwortet: nur die-
jenigen Bücher und in diesen nur diejenigen Benedictionen seien
zu gebrauchen, die dem Römischen Rituale conform seien (A.
J. P. 1, 1249; im Index steht Sannig nicht).
In dem Beeret von 1709 (Hanot p. 268) werden fünf Bücher
verboten, zunächst zwei von demselben Verfasser: 1. Compendio dell*
arte esorcistica e possibilita delle mirabili e stapende operationi delli
demoDÜ e malefici. Del F. Fr. Gcrolamo Menghi, Minore Osser-
vante, posto in luce in Bologna per Gio. Rossi 1580, auch Bol.
1586 u. 8. — 2. Flagellum daemonum, Auth. P. Fr. Hieron. Mengo
. . Ven. 1644. Accessit Pars secunda quae Fustis daemonum inscri-
bitur, — das Flagellum auch Bologna 1586 u. s., die Fustis Bologna
1584, Ven. 1599* u. s., beide zusammen 1600 u. s. Der Titel der
in dem Decrete stehenden Ausgabe heisst: Flagellum daemonum,
exorcismos terribiles, potentissimos et efficaces remediaque probatis-
sima ac doctrinam singularem in malignos Spiritus expellendos fac-
turasque et maleficia fuganda de obsessis corporibus complectens,
cum suis benedictionibus et omnibus requisitis ad eorum expulsionem.
Accessit postremo pars secunda, quae Fustis daemonum inscribitur.
Quibus novi Exorcismi et alia nonnulla, quae prius desiderabantur,
snperaddita fuerunt. Auetore E. P. Fv Hieronymo Mengo Vitellia-
nensi, Ord. Min. Eegularis Observantiae. Ven. 1644.* 247 S. 8. —
Fustis daemonum, adjurationes formidabiles, potentissimas et efficaces
in malignos Spiritus fugandos de oppressis corporibus human is ex
Sacrae Apocalypsis fönte variisque Sanctorum Patrum auctoritatibus
haustas complectens. Auetore . . . Opus sane ad maximam Exor-
cistarum commoditatem nunc in lucem aeditum. Ven. 1644.* 232 S. 8.
220 Exorcismen-Bücher.
Auf der Rückseite beider Titelblätter steht: 1623. die 4. Sept.
Imprimatur. Fr. Franc. Garen us Lect. Theol. Vic. S. Inquisit. Me-
diol. — Fr. Aloy. Bariola ConsuUor S. Oif. pro 111. D. Card. Ar-
chiep. — Vidit Saccus pro Excel]. Senatu. — In einem Schreiben
der Congr. der Bischöfe und Regularen vom Dec. 1700 (A. J. P.
11, 902) wird angeordnet, in einem angeblich von bösen Geistern
gestörten Kloster die Exorcismen anzuwenden, die in dem Flagellum
daemonum stehen. — Die anderen 1709 verbotenen Bücher sind:
3. Complementiim artis exorcisticae [cum litaniis, benedictionibns et
doctrinis novis]. Auth. Fr. Zach. Vicecomite, Ord. SS. Barnabae
et Ambrosii ad Nemus, Mediol. 1587, auch Ven. 1600,* Col. 1608,
Med. 1618, Yen. 1636 (Fabricius, Hist. Bibl. 6, 514). — 4. Malleus
daemonum. Auth. P. Fr. Alexandro Albertino (a Rocha Contrada)
Ord. Min. Observ., Mediol. 1624.* — 5. Practica exorcistamm ad
daemones et maleficia de Christifidelibns expellendnm, Fr. Valcrii
Polydori Patavini Conventnalis, Ven. 1616.
1725 wurde dann noch verb. : Circulus aureus s. breve com-
pendinm coerimoniarum et ritunm, qnibns passim ad snas et proximi
utilitates presbyteris nti contingit, desumptnm ex his quae ab Eccl.
cath. Rom. taliter et sparsim sancita sunt, ad majorem eorum com-
moditatem a P. F. Franc. Maria de Capellis a Bononia, Ord. Min.
Capuc. Concionatore, — dieses Buch, das einzige dieser Gruppe, mit
der [von Ben. weggelassenen! ausdrücklichen Bestimmung : quocunque
loco et tempore impressus, — 1650 von dem Ordensgeneral, dem
Vertreter des Erzbischofs und der Inquisition zu Bologna approbirt,
14. Ed. Neap. 1670,* 526 S. 16; 19. Ed. Ven. 1677; 21. Ed. Ven.
et Bassani s. a.* — In diesem Index-Decrete werden im allgemeinen
verboten alle von der Riten-Congr. nicht approbirten Zusätze zum
Römischen Rituale, et maxime Conjurationes potentissimae et effi-
caces ad expellendas et fugandas aereas tempestates a daemonibus
per se sive ad nutum cujusvis diabolici ministri excitatas ex diver-
sis et probatis auctoribus collectae a presbytero Petro Lucatello
tit. S. Cassiani Bergomi, et Benedictio aquae quae fit in Vig. Epi-
phaniae (A. J. P. 2, 2648). Daher stammt das allgemeine Verbot
in den Decr. gen. und das Verbot von Lucatellus seit Ben. (in den
früheren Indices steht er nicht).
1727 wurden noch zwei Bücher verb.: Manuale exorcistamm
ac parochorum, h. e. tractatns de curatione ac protectione divina,
in quo variis reprobatis erroribus verus, certus, securns, catholicus
. . . ejiciendi daemones . . . curandi infirmos, ab inimicis se tnendi
Denmque in cunctis necessitatibus propitium habendi modus traditnr,
auth. Candido Brognolo. Ven. 1673 (auch Bergamo 1651 u. b.).
Der Verfasser, Minorit, hat auch ein Alexicacon h. e. de maleficiis
et morbis maleficis, Ven. 1668 Fol., und 1714, 2 vol. 4., herausge*
geben (Mazzuch. s. v.) ; — Manuale commodo per gli curati e per
ogn' altro sacerdote che s'impieghi al benefizio de' fedeli in funzio-
ni al sno ministerio spettanti, di Giov. Batt. Benamati, Parma 1690.
Später wurden noch einige derartige Bücher bald nach dem
Erscheinen verboten: Ubaldi Stoiber Arraamentarium ecclesiasticam
Exoroismen-Bücher. 221
complectens arma spiritualia fortissinia ad insultus diabolicos eliden-
do8 etc. Augsb. 1736,* 2 vol. 8., verb. 1754. (Der Verfasser war
Minor! t, Lector in Freising.) — Steph. Coletus, EnergumenoK
dignoRcendi et liberandi, tarn maleficia quaelibet dissolvendi, nee
non benedictiones ntiliter conficiendi super aegrotos conipendiaria
et facillima ratio, nnd Anonyma quaestinncula ex eodem opusculo
desumta de liberandis energumenis, seclusa licentia ordinarii [im-
pressa] Ven. 1762, verb. 1763. — Aus älterer Zeit wird stammen:
Dissolvitur celebre quaesitum a nemine hactenus discassum pro
exorcista rite edocto, quem fecit idoneum ministruni N. Testamenti
donnm Dei. Ad obsessam ovem si quis sacerdos accedat, ad malefi-
ciatam liberationis gratia, et benedictionis ad infirmam, quid sentiant
pastores eanim, verb. 1764.
Vor 1709 wurde von derartigen Büchem nur verboten; Floriano
Canale, Del modo di conoscere & sanare i maleficiati <& deli* anti-
cbissimo & ottimo uso del benedire, verb. 1706 (vor Ben. nicht im
Index). Ob das Eituale seu Caeremoniale ecclesiasticum juxta
ritum S. Matris Ecclesiae Eom. usumque Fratrum discalceatorum S.
Patris Augustini per Galliam, Par. 1632, wegen solcher Formeln
oder wegen beigefügter Litanieen oder aus einem andern Grunde
1634 mit d. c. verb. worden, erhellt nicht. — Nicht verboten ist
das umfangreichste derartige Buch, in welchem die Bücher von Poly-
doruß. Menghi (die beiden latein.) und Vicecomes und Petri Ant.
Stampae Fuga Satanae und Max. ab Eynatten Manuale exorcistarnm
zusammengedruckt sind: Thesaurus exorcismorum et conjurationum
terribilium ... ad maximam exorcistarum commoditatera editus et
recusns . . . Col., haer. L. Zetzner (1608) und 1626.* 1232 S. 8
(Clement 8, 193). — Im span. Index stehen die hier besprochenen
Exorcismen-Bücher nicht, aber andere, in Spanien, also mit Approbation
der Inquisition gedruckte, z. B. Costa, Exorcismi contra tempestates,
1636; Jugum ferreum Luciferi s. exorc. terribiles contra malignes
Spiritus possidentes corpora humana, V^alencia 1705, verb. 1756;
andere unter Valladares und Vallejo und Expurgationen unter La-
sterra und Paschasius.
Wie scandalös es ist, dass die älteren, sehr viel gebrauchten
Bücher dieser Art erst im 18. Jahrb. verboten wurden, mögen einige
Auszüge zeigen. In manchen Exorcismen (bei Mengus, Flag. p. 46
nnd oft) findet sich folgende Formel, mit der Vorschrift, bei jedem
Worte das Kreuzzeichen zu machen: Hei, Heloym, Heloa, Eheye,
TetragrammatoD, Adonay, Saday, Sabaotli, 8oter, Emanuel, Alpha
et Omega, Primus et Novissimua, Principium et Finis, Hagios,
Ischyros, Ho Theos, Athanatos, Agla, Jehoua, Homousion, Ya, Mes-
sias, Eserebeye etc. (Meugus gibt p. 25 eine Erklärung der Namen),
üapellis p. 309 räth: um zu erkennen, ob jemand wirklich besessen
sei, solle man eine Formel, die jene Namen enthält, auf geweihtes
Papier schreiben und dieses dem Patienten, ohne dass er es wisse,
auflegen; wenn er danach unruhig werde, sei er besessen. Capellis
bemerkt ausdrücklich, das sei nicht als Aberglauben anzusehen. —
In anderen Formeln (Mengus, Flag. p. 86) findet sich : Conjuro vos
222 Exorcismen- Bücher.
per omnia nomiua B. V. Mariae, sc. (bei jedem Namen ein Kreaz-
zeichen) Virgo, Flos, Nubee, Regina, Theotocos, Imperatrix, Domina,
Aurora, Ancilla (folgen noch 80). Vicecomes p. 554 hat folgende
Formel: 0 maledicti . . ., vos ejicio et maledico et annthematizo, et
Ritis a Deo maledicti Ricnt Aniadiani et Basilidiani, amen ; Ricnt
Cherinthiani et Origeniani, amen ; . . . . sicut Lutherani et Ugle-
nothi (sie), amen; sicnt omnes haerebiarchae, amen; et sitis maledicti
in Omnibus haeresibus, sectis et schismatis nunc et semper et in
Raecula saeculorum, amen. — MenguR, Flag. p. 134 verordnet, ein
Bild des Dämons, von welchem jemand besessen . ist, mit seinem
darüber geschriebenen Namen, in einem Feuer zu verbrennen, worin
zuvor gesegnetes sulphur, galbanus, asa foetida, aristolochia, hyperi-
con et ruta hineingeworfen sind. Er gibt mehrere Formeln zur
Segnung von Oel, welches bei Besessenen äusserlich und innerlich
anzuwenden, eine, welche von einigen dem h. Cyprianus zugeschrie-
ben werde (p. 176), eine, bei welcher ganz in der Art eines medi-
cinischen Recepts die Materialien angegeben werden, die damit zu
vermischen sind (p. 189: Recipe Rutarum, Salviae, Anethi cfmas
tres etc.; ähnliche Recepte, in denen auch Helleborus albus, Perfo-
rata, Flores genistae, Hypericum, Marrubium, Urtica aut Iva vor-
kommen, p. 191. 216).
Viele Benedictionen finden sich namentlich bei Capellis p. 283
u. 8., benedictio tritici, farinae, leguminum, vini aut aceti u. 8. w.
In fast allen kommt der h. Ubaldus ^), mit Christus oder Gott coordi-
nirt, vor, z. B. Exorcizo et benedico te, creatura N., in nomine
Jesu Christi et S. Ubaldi; Exorcizo te, creatura incensi, per Deum
vivum ... et per S. Ubaldum, flagellum inferni; In tuo sancto no-
mine Tetragrammaton et servi tui Ubaldi eas exorcizo et benedico
et sanctifico; In nomine Jesu et S. Ubaldi, quorum nomen et vir-
tutem invoco super has herbas ; Fax et benedictio SS. Trinitatis et
S. Ubaldi descendat super hanc dorn um. — Das Buch von Qapellis
beginnt mit einem Passus über die Wirksamkeit (virtfi) der (vom
Papste) gesegneten Agnus Dei: sie befreien diejenigen, welche sie
andächtig und gläubig gebrauchen, von den Dämonen, Hexen, Ver-
zauberungen (fatture), Versuchungen, Pfeilen, Hagel, Pest, Sturm,
Fallsucht, Feinden, Schiffbruch, Feuersbrunst, Geburtsschmerzen,
plötzlichem Tode, lässlichen Sünden ; diese Wirkungen seien ent-
nommen aus den Versen, die Urban V. mit dem Agnus Dei dem
Kaiser der Griechen gesandt, und aus den Gebeten, welche die Päpste
bei der Benediction der Agnus Dei Rprechen. In letzteren kommt
in der That so ziemlich alles vor, was Capellis aufzählt 2).
Benedict XIV. publicirte 1752 eine neue Ausgabe des Rituale
1) Von Ubaldus berichtet das Römische Brevier: er sei von Hono-
rius II. (1124—39) zum Bischof von Gubbio ernannt und von Coelestin III.
(1191 — 98) canonisirt worden, und: Ejus virtus praecipue in effugandis
spiritibus immundis elucet.
2) A. J. P. 6, 1680. Reusch, Die Deutschen Bisch. S. 62. Friedrich,
Beitr. zur Kirchongesch. 8. 72.
Sohriften über Heilige. Heiligenbilder. 22H
Romanam. Sie enthält verhältniRsmässig wenige Benedictionen;
aber einer zu Rom 1874 gedruckten Ausgabe ist ein Anhang bei-
gefügt, in welchem sich Benedictionen nicht nur für neue Eisenbahnen,
Telegraphen, Brunnen, Erzs^iessereien, Ziegeleien finden, sondern auch
für Bier, Käse, Butter, Medicin, Viehfutter, Ställe, Vögel, Bienen
u. fl. w. und Gebete gegen Mäuse, Heuschrecken und andere schäd-
liche Thiere (Vering, Archiv f. K.-R. 1877, 224).
34. Schriften fiber Heilige. Heiligenbilder.
Unter ürban VIII. wurde 1625 und 1634 verboten, Schriften
Aber Leben und Wunder nicht heilig oder selig gesprochener
Personen ohne Genehmigung zu veröffentlichen und solche Per-
sonen wie Heilige oder Selige zu verehren oder sie mit dem
Heiligenschein (cum laureolis aut radiis sive splendoribus) abzu-
bilden. Solche Bilder werden danach in den Decreta gen. III, 1
verboten (die anderen auf Bilder bezüglichen Verbote der Decr.gen.
sind § 38 zu besprechen). Im Index stehen aber ausser Schriften
Über derartige Personen auch Schriften über anerkannte Heilige,
welche ohne Zweifel meist wegen frommer Thorheiten verboten
worden sind, wie deren namentlich fast unglaubliche in Schriften
Über den h. Joseph und die h. Anna vorkommen.
Unter Urban VIII. wurde zunächst ein Decret der Inq. von
Fer. V. 13. März 1625 publicirt (Alex. No. 31), eine Bestimmung
desselben 5. Juni 1631 erläutert, dann der Inhalt desselben durch
ein Breve vom 5. Juli 1634 bestätigt. Diese Verordnungen sind
bei Albit. p. 528 und Bened. XIV. De beatif. 1. 2, c. 11 und 12
abgedruckt und commentirt. Sie und eine Verordnung vom 17. Nov.
1674 sind 1821 von der Riten-Congr. wieder eingeschärft worden
(Gardellini t. 7 n. 4434). Bezüglich der Schriften über Personen,
die im Rufe der Heiligkeit gestorben, wurde 1625 verordnet, die-
selben seien von den Ortsbischöfen mit Zuziehung von Theologen
und anderen frommen und gelehrten Männern zu prüfen, und wenn
jene sie des Druckes würdig erachteten, sei das negotium instructum
nach Rom zu schicken und die Autwort des h. Stuhles abzuwarten.
In Rom wurden diese Angelegenheiten von der Riten-Congr. oder (wie
es scheint, gewöhnlich) von der Inquisition untersucht. Diese be-
Bchloss 1688: die zahlreichen von den Relatoren bereits geprüften
Bücher sollten den Bischöfen zurückgesandt werden ohne eine andere
Krklärung als: die Bücher würden hiermit zurückgesandt und es
werde die Beobachtung der Decrete von 1625 und 16H4 eingeschärft;
ebenso sei in Zukunft zu verfahren. Femer wurde verordnet, jedem
224 Schriften über Heilige. Heiligenbilder.
derartigen Buche sei am Anfange und am Schlüsse eine Protestatio
beizndrucken, — der Wortlaut derselben ist vorgeschrieben, — worin
der Verfasser unter Bezugnahme auf die Verordnungen Urbans VIII.
erklärt : das, was er berichte, stütze sich nur auf eine menschliche,
nicht auf die göttliche Autorität der römisch-katholischen Kirche
oder des h. apostolischen Stuhles, mit Ausnahme derjenigen, die von
diesem in das Verzeichniss der Heiligen, Seligen oder Märtyrer auf-
genommen worden seien. Eine solche Protestatio steht z. B. vom
1. April-Bande an bei den Bollandisten.
Das Decret Urbans VIII. wurde anfangs strenge gehandhabt.
Janus Nicius Erythraeus (Epp. ad Tyrrh. p. 70) berichtet im
J. 1642: er habe ein Leben des Bischofs Jo. Juvenalis Ancina von
Saluzzo herausgeben wollen, es sei ihm aber die Druckerlaubniss
verweigert worden, weil verboten sei, von nicht canonisirten Personen
wunderbare Dinge zu berichten; er habe sich erboten, diese Stellen
wegzulassen und dafür die Tugenden des Bischofs ausführlicher zu
behandeln, aber auch das habe man beanstandet; man dürfe also,
fügt er bitter bei, über schändliche Thaten und Reden böser Menschen
schreiben, aber nicht über die Tugenden frommer Männer. Man hat
aber vielleicht an diesem Buche etwas anderes beanstandet; denn
in dem Decrete von 1631 war der Magister S. Pal. angewiesen»
nur die Bezeichnung der nicht canonisirten Personen als heilig oder
selig nicht zu dulden, wohl aber, mit dem in der Protestatio ent-
haltenen Vorbehalt, ea quae cadunt super mores et opinionem. —
1648 wies die Riten-Congr. den Erzbischof von Neapel an, ein Buch
über das Leben und die Wunder der Ursula Benincasa, der Stifterin
der Theatinerinnen, f 1^16 (K.-L. 10, 834), die auf dem Titelblatte
als Beata bezeichnet war, zu confisciren und den Herausgebern den
Process zu machen (Ben. XIV. Beat. 1. 2, c. 12, n. 3). Das ist
vielleicht ein Buch von dem Theatiner Franc. Maria Maggio (Ma-
zius, Mongitore p. 219. Vezzosi 2, 4), der ein sehr fruchtbarer
Schriftsteller war, eine ganze Reihe von Büchern über die Benincasa
geschrieben hat und von dem eine lateinische Vita als zu Palermo
1645 und dann (expurgirt) zu Rom 1654 gedruckt erwähnt wird.
Diese steht nicht im Index, aber sein Compendioso ragguaglio della
vita, morte e monasterii della Madre Orsola Benincasa, Neapel 1669,
verb. 1674, und seine 1655 zu Rom gedruckte Vita della Ven,
M. 0. B. (nur der 1. Band erschienen), verb. erst 1679, gleich-
zeitig mit der 1671 zu Venedig erschienenen Vita della Ven. 0. B.«
von dem Theatiner Gio. Bonif. Bagatta^). — 1657 wurde auch
der Druck einer Biographie des Hippolytus Galantinus nur mit
der Weglassung des B. vor seinem Namen gestattet, und 1661
verbot die Riten-Congr. unter den für das Behalten verbotener
Bücher angedrohten Straften ein anonymes Schriftchen eines Trini-
tariers, worin der Trinitarier Petrus de Figuiera Carpi als Märtyrer
1) Mazzucli. s. V. — Vezzosi 1, 95 verzeichnet mehrere Biographieen der
Benincasa, eine Rom 1G90, 430 S. 4.
Schrifieu über Heilige. Heiligenbilder. i2&
mit dem Heiligenscheine abgebildet war und die spanischen Bischöfe
und Geistlichen aufgefordert wurden, seine öffentliche Verehrung zu
fördern. Der Nuncius in Spanien wurde beauftragt, das Decret den
Bischöfen und Ordensoberen mitzutheilen und den Verfasser zu be-
strafen (A. J. P. 20, 5). Im Index steht das Schriftchen nicht.
Schriften über nicht canonisirte Personen stehen noch im In-
dex: von Franc, di Poggio über Suor Cherubina dell' Agnus Dei,
verb. 1679; von Fem. Blas. Franco über die Franciscanerin Maria
de Jesus von Villa Robledo, Madrid 1675, verb. 1714 (von dieser
Sor Maria de Jesus ist auch ein Buch, Litania y nombres miste-
riosos de la reyna del cielo, 1678 verb.); von dem Jesuiten Gius.
Gentili ein zu Rom 1739 gedrucktes Buch über die Garmeliterin
Bosa Maria Serio di S. Antonio, mit d. c. verb. 1746^); von dem
bekannten Jesuiten G. B. Scar am eil i über die Franciscanerin Maria
Crocifissa Satellico, von der Riten-Congr. 1769 verb. mit dem Zu-
satz: salvis tarnen juribus causae (ohne Präjudiz für den Selig-
sprechungsprocess) ; eine zu Kom 1819 erschienene emendirte Aus-
gabe wurde von der Riten-Congr, 1820 freigegeben. — Im span.
Index stehen sehr viele span. Schriften über nicht canonisirte Per-
sonen 2).
Das Decret von 1625 fügt zu dem Verbote der Beilegung der
Titel „heilig" oder „selig** den Vorbehalt bei, dass es in keiner
Weise denjenigen präjudiciren solle, welche entweder auf Grund
eines communis consensus der Kirche oder eines immemorabilis
temporum cursus oder der Schriften von Kirchenvätern und heiligen
Männern oder einer langjährigen Kenntniss und Duldung des h. Stuhles
oder des Ortsbischofs verehrt würden. Dieser Vorbehalt war ge-
eignet, Controversen hervorzurufen. Bald nach 1625 entstand ein
Streit zwischen den Erzbischöfen von Cagliari und Torres über die
Frage, ob der als Schriftsteller bekannte Bischof Lucifer von Cag-
liari, t um 370, als Heiliger zu verehren sei. Jener beklagte sich
in Rom, dass dieser die Sache vor die spanische Inquisition ge-
bracht, und die Römische Inq. wies darauf 1638 den Nuncius an,
den spanischen General-Inquisitor aufzufordern, die Sache dem h.
Stuhle zu überlassen. Sie verbot dann aber 1641 nur bei Strafe
der Excommunication, bis auf weiteres pro und contra Schriften her-
auszugeben. Eine Entscheidung ist nicht erfolgt; nur wurde 1647
die Frage verneint, ob es gestattet sei, Messe und Officium von dem
h. Lucifer zu halten und sein Bild zur Verehrung auszustellen,
namentlich in Diöcesen, wo das nicht herkömlich sei (Bened. XIV.
Beatif. 1, 40, 3). Mit diesem Streite hängt zusammen, dass um 1640
1) A. J. P. 20, 34 wird berichtet, Benedict XIV. habe 1741 die Ein-
leitung des Canonisationsproccsses genehmigt, Pius VI. 1797 die Wieder-
aufnahme desselben gestattet, obschon Benedict XIV. perpetuum silentium
aufgelegt, also den Antrag auf Heiligsprechung definitiv abgelehnt habe,
womit das Verbot des Buches zusammenhangen wird.
2) Die spanische Inq. befahl 1777, auf Bildern der S. Joanna, uxor
Pilati, das uxor Pilati zu streichen.
Rensch, Index II. 15
226 Schriften über Heilige. Heiligenbilder.
eine Predigt des Jesuiten Jo. Nie. Diana über den h. Lueifer von
der sardinischen Inquisition verdammt wurde; Diana appellirte an
den Span. General-Inquisitor, und dieser cassirte 1653 das Urtheil
und ernannte Diana zum Consultor (Bayle s. v. Diana). — lieber
eine charakteristische Entscheidung Pius' IX., die mit dem Decrete
von 1625 zusammenhängt, wird in den Acta S. S. 6, 67 berichtet.
In einer in dem 12. October-Bande der Bollandisten unter dem
29. Oct. stehenden Abhandlung bestreitet der Jesuit Victor de Bück
das Martyrium von drei in Bergamo besonders verehrten Heiligen,
Eusebia, Domnus und Domnion. Die Sache wurde von dem dortigen
Bischof an die Riten-Congr. gebracht und diese beschloss 20. Aug.
1870, bei aller Achtung vor den Verdiensten der Bollandisten nach
Prüfung der Documente zu erklären, dass die von de Bück gegen
die das Martyrium betreffende Tradition vorgebrachten Argumente
nichts bewiesen. Das Decret wurde 1. Sept. von Pius IX. bestätigt
uud „für alle, die sich mit der Kirchengeschichte and h. Archäo-
logie beschäftigen, vorgeschrieben, in den Fällen, wo es sich um
Heilige oder Selige handelt, die mit Approbation des h. Stuhles im
Besitze eines öffentlichen Cultus sind, sehr vorsichtig zu sein und
immer die Regeln zu beachten, die Benedict XIV. in der Bulle über
das Martyrologium Rom. n. 2 und 18 und De beatif. 1. 4, p. 2,
c. 17 n. 9. 10, c. 13, n. 7. 8 aufstellt." — Durch ein Decret der
Riten-Congr. vom 15. Dec. 1883 (A. J. P. 23, 629) ist die von
den Grelehrten viel verhandelte Frage über Boethius (f 526) dahin
entschieden worden, dass er in Pavia den cultus immemorabilis als
Märtyrer besitze.
Von den Schriften über anerkannte Heilige oder Selige sind
folgende zu erwähnen: Compendio della vita e miracoli del B. An-
drea Avellino Chierico Regolare von Pasquino Pignoni, Flor. 1627,
1642 mit d. c. verb., weil darin erzählt wird, die Stadt Palermo
sei durch die Hülfe dieses Beato von der Pest befreit und dieser
darum 1625 auf den Antrag des Senates mit Genehmigung des
Papstes unter die Patronen der Stadt aufgenommen worden, der
Senat aber erklärt hatte, er habe nie einen solchen Antrag gestellt,
das päpstliche Decret sei also erschlichen (A. J. P. 7, 275) ; —
drei italienische Schriften über die 1669 canonisirte Carmeliterin
Maria Magdalena de' Pazzi, verb. 1680— -88 (unter Solazzi, Tributi
und Maniera divota da pratticarsi verso la serafica M. M. dei Pazzi
etc., letztere mit dem von Ben. weggelassenen Zusätze verb.: ubi-
cunque et quoc. idiomate fuerit impressa); — ein Buch von Franc.
Noia über den h. Amatus, Bischof von Kusco, verb. 1714; — L'in-
tera istoria della famiglia, vita, miracoli, traslazione e culto del
glorioso martire San Gennaro, Vescovo di Benevento . . . scritta
dal Prete Nicolo Carminio Falcone Napoletano; fatica promossa
dal P. F. Ilarione da San Pietro, Napoli 1713, ein Folioband mit
schönen Kupferstichen, verb. 1718; es war eine Anzahl von Streit-
schriften gegen das Buch erschienen (Meizi 1, 337; 2, 105). — Die
zu Palermo gedruckten Panegirici di diversi santi des Capuciners
Feiice Brandimarte scheinen auf Betreiben eines französischen Con-
Schriften über Heilige. Heiligenbilder. 2^7
sultore der Index-Congr. (1678) verb. worden zn sein, der sich über
die Aasfälle gegen die Franzosen ärgerte, aber auch auf eine Stelle
hinweisen konnte, wo der Capuciner den h. Benedict als Mit-ErlÖser
des Abendlandes neben Christus stellt (Michaud 3, 231). — Eine
Centaria di lettere del glorioso Patriarcha San Francesco da Paolo,
fondatore dell' Ordine de' Minimi, herausgegeben von dem General
des Ordens, Franc, da Longobardi, und gedruckt zu Rom 1655,
4., wurde 1659 verb. mit der Motivirung: cum multa falsa et apo-
crypha contineat; mit derselben Motivirung eine Scelta di lettere
. . ., Viterbo 1657, erst 1703. — Lettere di S. Antonio di Padova,
raccolte da' suoi divoti sermoni da Nie. Graffio, verb. 1651. Da-
zu kommen noch eine Informazione über „falsche Erscheinungen
und Wunder" und mehrere aus der Nota (S. 38) entnommene Schrift-
chen unter Historia, Leggenda, Vita. — Als eine der wenigen nicht
italienischen Schriften ist noch zu erwähnen Thomas Messingham,
Florilegium insulae sanctorum seu vitae et acta sanctorum Hiber-
niae, Par. 1624, mit d. c. verb. 1634.
Historia sagra di Santa Veneranda Parasceve, cittadina di
Sezza, dal P. M. Filippo Ciammaricone, Min. Convent, Ronsi-
glione 1706, verb. 1709, nisi corrigatur epistola ad academicos Seti-
nos. An der Heiligen selbst scheint man also keinen Anstoss ge-
nommen zu haben, obschon es sehr bedenklich klingt, wenn Toppi
p. 286 von einem Carmeliter Simone dello Spirito santo eine zu
Neapel 1656 erschienene Vita di S. Veneranda, detta dal volgo S.
Venera, dai greci ayia flaouaHsvi] verzeichnet und dabei die S. Pa-
rasceve als virgine martire e predicatrice evangelica, contemporanea
dei santi apostoli bezeichnet, deren Fest am 14. Nov., von den
Griechen 26. Juli gefeiert werde ^). Im Martyrologium Rom. steht
am 14. Nov. eine S. Veneranda, die unter Antoninus in Gallien als
Martyrin gestorben. — Von der Vita S. Rusinae seu Rosanae filiae
Austeri Romanorum regis verfügte die Index-Congr. 1661: expun-
gatnr a quocunque libro ubi impressa reperitur; bei Ben. ist dieses
weggelassen, so dass der Schein entsteht, als ob ein bestimmtes
Buch mit jenem Titel verb. wäre. Die Legende wird aus einer
Sacra Rappresentazione des 15. Jahrb. stammen, worin eine Rosana,
Tochter des Königs Austero von Rom, vorkommt; das ist aber
eine dramatische Bearbeitung der Liebesgeschichte von Flor et
Blancheflor^).
1633 wurde verb.: Sanctificatio S. Joseph, sponsi Virginis, in
1) In seinem Commentar zu dem 63. Canun der Trullanischen Synode
von 692, in welcbem erdichtete Martyrergeschichten verboten werden,
berichtet Balsamon, 1148 habe der Patriarch Nicolaus eine alberne Vita
der h. Parasceve verbrennen lassen und einen befähigten Mann mit der
Abfassung einer bessern beauftragt. — Eine im Giern, eccl. 11, 111 ge-
lobte Vita di S. Veneranda von dem dalmatinischen Canonicus Paulovich
Lucich, Ven. 1795, erinnert an das Leben der h. Philumena; Deutscher
Merkur 1684, 217.
2) Symonds, Renaissance. Ital. Lit. III, 862.
US Schriften über fieilige. tieiligenbilder.
utero asserta auth. Petro Marchant, 0. Min., Brugia 1631. Jetzt
werden solche Bücher nicht mehr verboten. Der Redemtorist Bouvy
hat 1809 dieselbe Ansicht vertheidigt und der Bischof Laurent in
seinen gedruckten Predigten behauptet, die Reinigung des h. Joseph
im Mutterleibe werde mit vollem Recht von den h. Vätern ange-
nommen (Bouvy gesteht doch noch, dass kein Schriftsteller vor 1400
etwas davon sage), leuchte allen Frommen von selbst ein, ja ver-
stehe sich von selbst^). — 1661 wurde mit d. c. verboten: Jose-
phina Lucernensis, in qua Lucernae Helvetiorum S. Joseph, vir
Mariae . . . centum elogiis illustratur atque propugnatur praeside
Jacobo Reiss, Constanz 1658. Die Index-Congr. erklärte, wenn 21
von den 100 Elogia und die ganze am Ende des Buches stehende
Quaestio singularis weggelassen würden, dürfe es neu gedruckt
werden (Catalani, Secr. Ind. p. 30). — La famille chr^tienne sous
la conduite de St. Joseph, Paris 1644, verb. 1671, wurde von der
Sorbonne schon 1644 censurirt (Arg. III a 53), weniger wegen
einiger Ueberschwenglichkeiten zu Ehren des h. Joseph, als wegen
mancher Satze über Ehe und Cölibat u. dgl. Als Verfasser gilt
AI. Colas de Portmoran. — 1683 wurde verb.: Gabr. de S. Maria,
Tractado de las siete misas del Sefior S. Joseph en reverencia de
sus siete dolores e siete gozos, Cadiz 1670 (nicht im span. Index).
Pius IX. hat 1847 für die Verehrung der sieben Schmerzen und
Freuden des h. Joseph einen Ablass verliehen (Schneider S. 297).
— Andere auf den h. Joseph bezügliche Schriften stehen unter In-
stitution, Manuale und Pastrana, in der Raccolta unter Stellario.
Im J. 1666 (Alex. No. 80) wurden verb. libelli quidam con-
tinenles particularem cultum B. Annae: Orationi quotidiane da
recitarsi ad onore delle grandezze di S. Anna, madre della madre
di Dio, — Ristretto prattico delle devotioni da farsi alla glo-
riosa S. Anna, madre della gran madre di Dio et ava del nostro
signor Giesü Christo, — Rosario della glor. S. Anna, in cui si
da il modo di contemplare e riverire i principali misteri della sua
vita, ad imitatione della B. Vergine sua figlia (dieser Rosenkranz
wurde auch von der Riten-Congr. 1678 verboten, desgleichen ein
Bild der h. Anna mit einem Ave gratia plena beginnenden Gebete).
— Von 1667 an wurde dann noch eine ganze Reihe von Schriften über
die h. Anna verboten. Manche derselben stehen in dem Index von
1681 unter Libelli quidam continentes particularem cultum B. Annae,
noch mehr in der Raccolta s. v. Anna zusammen. Seit Ben. stehen
sie im Index zerstreut unter Devozione, Devotioni (vier unter diesem
Titel, davon drei in Neapel erschienen), Instruttione und unter den
Namen der Verfasser, G. B. Magnante, Girol. Meazza (Theatiner),
Fra Massimo da Monza. — Einige andere verdienen eine specielle
Erwähnung. 1667 wurde mit d. c. verb. Mater honorificata S. Anna
s. de laudibus, excellentiis ac praerogativis Divne Annae, op. et
studio R. P. Jo. Thomae a S. Cyrillo. Auf den Antrag der Car-
1) ReuHch, Die deutschen Bischöfe S. 103. 107.
S. Joseph. S. Anna. 229
meliter gestattete die Index-Congr. 1668, um die Kosten eines
Neudmcks des ganzen Baches zu vermeiden, die Correctio auf einem
besondern Blatte zu drucken und beizubinden und auf dem Titel-
blatte beizufügen: cum correctione per S. Congr. Ind. ordinata
(A. J. P. 2, 2640; im Index wird nichts davon gesagt). Oswald,
Mariologie S. 70 sagt, das Buch sei nicht sowohl darum verboten
worden, weil der Verfasser Anna Grossmutter Gottes genannt, als
vielmehr weil er andere Cruditäten vorgebracht und Anna als
Schwiegermutter des h. Geistes bezeichnet habe. Aber 1673 ver-
bot, wie in der Raccolta s. v. Anna angegeben wird, der Mag. 8.
Pal. alle Bücher, Zettel und Gebete, in welchen Anna als Gross-
mutter (ava oder progenitrice) Christi oder als nächste Blutsver-
wandte der göttlichen Majestät nächst der h. Jungfrau (la piüi stretta
di sangue eolla Maest^ divina etc.) oder Christus als £nkel der
h. Anna bezeichnet werde; schon 1666 war das Ristretto, in welchem
ava di Gesü Christo vorkommt, verb. und 1678 wurde eine Kaccolta
mit derselben Bezeichnung verb. — Der Jesuit Petrus Ant. Spinelli
hatte in dem Buche Maria Deipara thronus Dei, Neapel 1613, be-
hauptet, Anna und Joachim seien im Mutterleibe geheiligt worden;
Jac. Imperiali lehrte in einem zu Rom gedruckten Buche, Anna
habe Maria ohne Verletzung der Jungfrauschaft empfangen, und
gründete eine Bruderschaft zu Ehren der B. Anna Virgo et Mater
Matris Dei. Ein anderer Jesuit in Neapel vertheidigte dieselbe
Ansicht in einer kleinen Schrift, und ein dritter forderte in einer
Predigt auf, am Feste der h. Anna zu communiciren, weil man im
Abendmahle das Fleisch der h. Anna empfange. Die Inquisition
zu Neapel censurirte die Meinung, die Predigt und die Schrift und
bestrafte den Drucker^). Ob mit dieser Geschichte das Verbot
einiger in Neapel erschienenen Schriften (s. o.) zusammenhängt, er-
hellt nicht.
35. Mariologie.
In den Decreta ^eneralia werden II, 4 alle nach dem J.
1617 gedruckten Schriften verboten, in denen behauptet werde,
Maria sei in der Erbsünde empfangen, oder in denen gesagt
werde, diejenigen, welche meinten, sie sei in der Erbsünde em-
pfangen, seien Ketzer und Gottlose (impii) oder begingen eine
Todsünde. Dieses Verbot stand schon seit Alexander VII. im
Index (unter Libri) und ist aus einer Bulle dieses Papstes vom
1) Arg. III b 326. Thiers, Tr. des Superst 2, 265. Nach A. J. P.
19, 661 wurde die Ansicht des Imperiali 1677 verdammt.
280 Mariologie.
3. Dec. 1661 entnommen. 1617 hatte Paul V. durch die Inqui-
sition die Aufstellung jener Behauptung in Predigten, Vorlesungen,
Thesen u. s. w. verbieten, zugleich aber erklären lassen, da-
mit solle der fraglichen Ansicht nicht präjudicirt werden. Wenn
auch eine Reihe von Büchern, in denen die Lehre von der Im-
maculata Conceptio vertheidigt wird, im Index steht, so hat
das seinen Grund in Missgriffen, Uebertreibungen, Incorrectheiten,
Verketzerung der Gegner und dergleichen Dingen, welche von
den Dominicanern bei der Inquisition oder der Index-Congrega-
tion geltend gemacht wurden. Wegen arger, zum Theil sehr
arger Uebertreibungen, Verirrungen und Geschmacklosigkeiten
wurden auch mehrere andere mariologische Werke verboten,
— von den schlimmsten, denen von Maria von Agreda und J.
B. Poza ist anderswo die Rede, — desgleichen eine Anzahl
von Bruderschaften mit ihren Schriften, Zetteln und Medaillen,
von denen zwei, die der Sciaven der Mutter Gottes und die
der Heerde des guten Hirten, auch in den Decr. gen. III, 3. 4
erwähnt werden. Von den im Index stehenden Schriften gegen
die Uebertreibungen der Marienverehrung wird später zu handeln
sein.
1. Das Baseler Concil hatte 1439 decretirt, die Lehre von
der unbefleckten fimpfängniss sei eine von allen Katholiken festza-
haltende. Dem entsprechend beschloss die Sorbonne 1497, dass
jeder Doctorandus eidlich zu geloben habe, diese Ansicht zu ver-
theidigen (die Erklärung, dass die entgegengesetzte falsch, gottlos
und irrig sei, wurde später beseitigt). In Rom wurde natürlich das
Baseler Decret nicht anerkannt, aber Sixtus IV. verdammte 1483
in einer Bulle die Behauptung, die Lehre von der Imm. Gonc. sei
ketzerisch und die Feier des Festes derselben sündhaft, verbot aber
zugleich auch, die entgegengesetzte Lehre als ketzerisch zu bezeichnen.
Jene Behauptung hatte der Dominicaner Vincentius de Bandeiis
(Bandellus) in dem Tractatus de singulari pnritate et praerogativa
conceptionis Salvatoris nostri J. C. ex auctoritatibus 260 scriptorum
illustrium, ed. per Fr. Yincentium de Castronovo 0. P., Bononiae
1481, 4., ausgesprochen. Der Tractat war vorher, 1475, zu Mailand
anonym als Libellus recollectorias de veritate conceptionis B. M.
erschienen. Er wurde 1502 neu herausgegeben (angeblich von dem
Dominicaner Didacus de Deza, Qu^tif 2, 52), auch Mailand 1512^).
1) Auch von J. R. Wetstein s. 1. et a. (Clement 2, 396). Man be-
schuldigte Bandellus, er habe eine Aeusserung der Catharina von Siena
zu seinen Gunsteu gefälscht (Quetif. 2, 834). Anderen Dominicaneni sind
ImniHCulata Couceptiü. 231
— Paul III. Hess, als das Gerächt ging, es solle in Trient über die Con*
troverae verhandelt werden, einen Tractat gegen die Dogmatisirung
der Lehre, den Joh. de Turrecremata zu Basel im Auftrage der päpst-
lichen Legaten geschrieben, der aber in Basel nicht mehr vorgelegt
worden war, durch den Mag. S. Pal. Barth. Spina (und den Domi-
nicaner Albertus Duimius) herausgegeben^). Die Trienter Synode
erklärte 1546 Sess. 5. nur : es sei nicht ihre Absicht, in dem De-
crete über die Erbsünde Maria mit einzuschliessen; sie erneuere
vielmehr die Verordnung Sixtus' IV. Pius V. fügte dieser Bestim-
mung 1570 das Verbot bei, die Controverse in Predigten und in
öffentlichen Zusammenkünften von Männern und Frauen zu erörtern
und sonst die eine oder die andere Ansicht als irrig zu bezeichnen^).
Auch Paul V. schärfte in einer Bulle vom J. 1616 nur die Ver-
ordnung Sixttts' IV. ein, Hess aber durch ein Decret der Inquisition
vom 31. Aug. 1617 verbieten, in Predigten, Vorlesungen, Thesen
u. dgl. zu behaupten, die h. Jungfrau sei in Sünde empfangen, dabei
aber erklären, dieser letztern Ansicht solle damit nicht präjudioirt
werden. Wie Paul V. von Philipp III., so wurde Gregor XV. von
Philipp IV. gedrängt, die Controverse zu entscheiden; er liess durch
ein Decret der Inq. vom 24. Mai 1622 das Verbot Pauls V. auch
auf Privatgespräche ausdehnen, nahm aber davon diejenigen aus,
welche von dem apostolischen Stuhle ein Indult hätten, die Domi-
nicaner, welche unter sich, aber nicht in Gegenwart anderer, ihre
Ordensansicht aussprechen durften. Zugleich bestimmte er aber,
diejenigen, welche die Imm. Conc. Öffentlich vertheidigten, sollten
die entgegengesetzte Ansicht nicht bekämpfen, sondern darüber
schweigen, und in der Messe und dem Officium von der Conceptio
Mariae — ein solches, von Leonardus de Nogarolis verfasst, hatte
schon Sixtus IV. 1476 approbirt, Paul V. hatte ein anderes in das
Brevier aufgenommen, — dürfe nicht Conc. Immaculata (allenfalls
aber Conceptio Mariae immaculatae) gesagt werden.
Alexander VII. sagt in der Bulle vom 3. Dec. 1661: Vetus
Fälschungen in den Schriften des Thomas von Aquin Schuld gegeben
worden (Raynaud, Apop. 49. Vgl. Scheeben, Dogm. 3, 553). Im Sacro
Arsenale von 1679 p. 499 wird verordnet, in dem Off. de Conc. überall
den angeblichen A usspruch des h. Anselm zu streichen: Non est verus ama-
tor qui celebrare respuit festum suae conceptionis. — lieber einen Streit
über die Imm. Conc. in Leipzig im J. 1489 s. U. N. 1718, 371.
1) Tractatus de veritate conceptionis B. V. pro facienda relatione
coram Patribus Conc. Bas. a. D. 1437 mense Julio de mandato Sedis Apost.
Legatorum eidem concilio praesidentiura, per R. P. F. Jo. de Turrecre-
mata S. T. P. Ord. Praed., tunc 8. Apost. Pal. Mag., postea S. R. E. Card.
Episc. Sabin., Romae 1547 (neu herausgegeben von £. B. Pusey). Bened.
XIV. De festis 2, 15, 10. Pusey, Kirenicon II, 72. 428.
2) Wenn Pius V. unter den Sätzen des M. Bajus auch (No. 73) den
verdammte: „Niemand als Christus ist ohne Erbsünde; also ist die h. Jung-
frau wegen der von Adam ererbten Sünde gestorben und alle ihre wie
auch der übrigen Heiligen irdische Leiden waren Strafen einer wirklichen
oder der Erbsünde," so wollte er damit die Controverse nicht berühren.
232 Mariologie.
est ChriHti fidelium erga B. V. M. pietas sentientium, ejus animam
. . . a macula peccati originaliß praeservatam immunem, atqne in
hoc sensu ejus Conceptionis festivitatem celebrantium. . . Aucta et
propagata fuit pietas haec et cultus ... ita ut jam fere omnes
catholici eam complectantur. £r erneuert dann aber nur die von
früheren Päpsten zu Gunsten jener Ansicht erlassenen Decrete und
verbietet, diejenigen, welche die entgegengesetzte Ansicht festhielten,
der Ketzerei oder der Todsünde zu beschuldigen, da dieses von der
Römischen Kirche und dem apostolischen Stuhle noch nicht entschie-
den sei. Clemens XI. schrieb 1708 die Feier des Festum Concep-
tionis B. M. V. Immaculatae allgemein vor, Hess aber ein^n Abdruck
der Bulle, worin Festum Immaculatae Conceptionis B. M. V. gesetzt
war, confisciren ^). Erst Gregor XVI. hat erlaubt in der Messe
Immaculata Conceptio zu sagen und der Lauretanischen Litanie Re-
gina sine labe original! concepta beizufügen. 1854 ist dann die Lehre
von der Imm. Conc. von Pius IX. zum Dogma erhoben worden. Son-
derbarer Weise steht aber das Decr. gen. II, 2 auch noch in den
nach 1854 erschienenen Indices; nur ist in dem neuesten hinter
den Decr. gen. und anderen Monita die Declaratio beigefügt: Wie-
wohl, nachdem 8. Dec. 1854 das Dogma von der Imm. Conc. definirt
worden, einige Werke, die darüber handeln und in den Index gesetzt
worden sind, daraus hätten entfernt werden müssen, so hat man doch
in dieser Hinsicht nichts ändern wollen, weil diese Werke auch um
anderer Gründe willen verboten worden sind; darum wird erklärt,
dass dieselben aus dem Grunde, dass ßie auf die Imm. Conc. Bezug
haben und diese vertheidigen, keinem Verbote unterliegen.
Unter den Orden standen seit dem Anfange des 17. Jahrb.
die Dominicaner mit der Ansicht von der befleckten Empfängniss
allein. Einer der bedeutendsten älteren Theologen des Jesuiten-
ordens, Maldonado, hatte um 1570 den Eid der Sorbonne getadelt
und war dafür in Rom denuncirt worden (I S. 450). Aber nach dem
Streite de auxiliis traten die Jesuiten in corpore auch bezüglich der
Imm. Conc. als Gegner der Dominicaner auf (Serry, Hist. p. 635).
Der Jesuit J. B. Faure erhebt gegen die Dominicaner in seinem
Commentarium (I S. 177) p. 213 folgende Anklage: Der Domini-
caner Barth. Spina, Mag. S. P. unter Paul III. schrieb gegen die
Imm. Conc. (1542), der Franciscaner Petrus de Alva dafür (1655);
dieser steht im Index, jener nicht, obschon er z. B. sagt: „Wenn
der Papst Schweigen geböte, so wäre er nicht mehr Papst oder
Statthalter Christi . . . Die Dominicaner können unbeschadet des
Decretes Sixtus' V. die Meinung von der Imm. Conc. als ketzerisch
bekämpfen**. Diese und andere Stellen wurden von den spanischen
Gesandtschaften, die unter Paul V., Gregor XV., ürban VIII.,
Innocenz X., Alexander VII. nach Rom kamen, vorgelegt, das Buch
aber nicht verboten. Es ist 5 — 6 mal gedruckt worden [aber nur
; 1) Bened. XIV. De festis 2, 15, 15. 22. 23. üeber die älteren Mia-
salien und Breviere s. Pusey, Eirenicon II, 370.
Immaculata Conceptio. 288
vor 1617], — Alexander VII. befahl auf den Titel des Baches des
Jesuiten Martin de Esparza Immaculata Conceptio zu setzen. Darauf
verweigerte der Mag. S. P. die Approbation mit den Worten: Wenn
der Papst das kraft seiner höchsten Gewalt befiehlt, mag er auch
die Veröfi'entlichung des Buches befehlen; meine Approbation nach-
zusuchen, ist dann nicht mehr nöthig [das Buch erschien 1655 zu
Rom mit dem Titel Immaculata Conc. B. M. V. deducta ex origine
peccati originalis; Hurter, Nom. 2, 3]. — 1646 wurden in Rom
Exemplare eines angeblichen Decretes der Inq. vom J. 1644 ver-
breitet, worin gesagt war, es dürfe nur Conceptio B. M. V. imma-
culatae, nicht immaculata gesagt werden, und darauf hin befahl der
Mag. S. P., jene Formel auf Bildern und Bücbertiteln zu corrigiren.
Die Franciscaner und die Spanier beklagten sich darüber, und Philipp
IV. erwirkte die Cassirung des Decretes. Franciscaner und Jesuiten be-
haupteten, dasselbe sei erschlichen oder gefälscht. Die Dominicaner ge-
standen endlich, das Decret sei nur aus einer bestimmten Veranlassung
für Bologna erlassen. Der Jesuit Consalvi, der in Sachen der Imm.
Conc. von Philipp IV. nach Rom gesandt war, verlangte eine au-
thentische Abschrift; das Decret war aber weder in Bologna noch
in Rom im Archiv zu finden. (Etwas ähnliches berichtet Raynaud,
Apop. p. 63.) In der Sache der Imm. Conc. sind die Dominicaner
Partei und Richter zugleich, und zwar bei einem Gerichte, welches
ganz heimlich verhandelt. Sie erfahren, was die Franciscaner und
Jesuiten thuen und lehren ; diese aber erfahren nicht, was die
Dominicaner dem Papste und den Cardinälen ins Ohr flüstern.
Spanien hat schon wenigstens zwölf Gesandtschaften in dieser An-
gelegenheit nach Rom geschickt. Unter Alexander VII. verlangte
der spanische Gesandte, die Dominicaner sollten von den Verhand-
lungen ausgeschlossen werden; man hiess sie gehen; der Papst be-
rieth mit den Cardinälen und liess einen Prälaten als Secretär fun-
giren, und in acht Tagen war die Bulle fertig. — Faure hätte noch
beifügen können, dass 1 649 der Tractat des Petrus de Vincentia de
conceptu Virginis neu herausgegeben wurde, angeblich von dem Do-
minicaner Antonius Reginaldus, der in Folge des dadurch entstan-
denen Lärms Rom verliess, aber 1652 zurückkehrte (Qu6tif 2, 662).
-- Ein Buch des Dominicaners Job. Martinez de Prado, l^otitia
veridica scriptorum Ordinis Praed. de praeservatione Deiparae im-
maculatae V. M. a peccato originali. Liber I. praevius, quasi histo-
ricus de statu controversiae. Deest alter scholasticus edendus, si
nobis a S. Sede Apost. fuerit specialiter indultum, Alcala 1661,
worin namentlich gezeigt werden soll, dass die Lehre des h. Thomas
noch nicht verworfen sei, steht im span., aber nicht im Rom. Index.
Prado schrieb auch 1662 eine Denkschrift für Philipp IV. circa
legem concionatoribus in Hispania impositam de laudanda initio ser-
monis Virginem conceptam sine pecc. orig. Er wurde von Philipp IV.
verbannt (Qu6tif 2, 624). Das einzige Buch eines Dominicaners,
welches wegen der Imm. Conc. verb. wurde, ist das von Leonardi
(S. 85). Die 1676 erschienenen Praescriptiones de conceptu B. M.
V. von Launoy, von dem sonst so viele Bücher verb. sind, und die
234
Mariulogic.
Dissertation theol. et bist, snr ]a Conception de la S. Y., 1756,
210 S. 12., worin die Lehre direct bekämpft wird (N. E. 1778,
195), steben nicbt im Index.
Das erste grössere Bucb zu Gunsten der Imm. Conc, welcbes
verboten wurde, ist das des italieniscben Capuciners Jo. Maria Za-
morus (Zamora), De eminentissimae Deiparae V. M. perfectione IL
3, Ven. 1629, Fol., verb. 1636. Raynaud, Apop. p. 171 sagt, es sei
verboten worden, weil darin die immunitas B. M. V. a debito
peccati orig. gelehrt werde (Scbeeben, Dogni. 3, 533), und rübmt
die span. Inq., welche nicbt nur das Bucb nicht verboten, sondern
jene Lebre (bei Poza) gut geheissen habe. — Gleichzeitig wurde
verb. Maria concetta. Poema sacro dell' Abate Gio. Carlo Coppola,
Flor. 1635. Der Poet wurde 1643 Bischof von Muro und liess zu
Neapel 1649 sein Poema nochmals corretto dall* autor medesimo
drucken (Nicodemi-Toppi p. 121). Im Index wird von dieser Aus-
gabe keine Notiz genommen.
Die fruchtbarsten Schriftsteller auf diesem Gebiete waren der
spanische Franoiscaner Pedro de Alva y Astorga, f 1667, und der
Italiener Hippolytus Marracci aus der Congr. Cler. Reg. Matris
Dei, 1 1675. Von Alva wurden, da er auch „unpassende Waffen ge-
brauchte und die Gegner, namentlich die Dominicaner zu hart an-
griff** (Hurter 2, 12), 1665 einige Bücher verb.: Nodus indissolu-
bilis de conceptu mentis et conceptu ventris (Brux. 1661) seu sub
alio titulo: Funiculi nodi ind. . . . ventris, Brux. 1663, 4., die 2.
Ausgabe jenes Buches^). — Sol veritatis cum ventilabro seraphico
pro Candida aurora Maria in suo conceptionis ortu sancta, pura, im-
raaculata et a pecc. orig. praeservata, Madrid 1660, Fol. — Von
Marracci's mehr als 100 Büchern (Hurter 2, 25) wurden 1667 verb.:
Alloquutiones pacificae pro immac. Deiparae Virginis conceptione;
£xcusatio pro libello praenotato: Fides Cajetana, ac pro opere: Ca-
jetanus triumphatus ac triumphator in controversia Conceptionis B.
M. V.; Magister a discipulo edoctus in causa Conc. B. M. V.; Me-
ditamenta circa bullam Alexandri VII. in favorem Deiparae virginis
ab orig. pecc. praeservatae editam. — Alva und Marracci polemi-
sirten auch sonst scharf gegen die Dominicaner; letzterer wurde eine
Zeit lang in Rom in Haft gesetzt, weil er ein Buch gegen die Do-
minicaner durch Alva in Brüssel hatte zum Druck besorgen lassen
(V. Baron, Apol. I).
1677 wurde verb. Balduini Helenoccei, Doctoris Theologi,
Vera ao sincera sententia de imm. Conc. Deiparae Virginis ejusdem-
que cultus festivi objectis, in qua ad trutinam buUarum Apost.
Sedis appenditur et examinatur Synopsis bist, de eadem conceptione
F. Marcelli Siderei Cyriaci, opusculum extemporaneum lucidatum
>ti'
1) Clement 1, 231. Quctif. 2, 765. 789, wo auch die Gegenschriften
verzeichnet sind. — Baillet I, 146 sagt, Alva sei le jouet des Dominicains,
la confusion des Cordeliers et le rebut de PEglise geworden. — Er schrieb
auch unter dem Namen Petrus a Conceptione und Jo. Garcia de Loaysa.
Hurter 2, 13.
Mariao Himmelfahrt. 235
sab yelo hominis diaphano. Cnm. lic. snp., Salisb. 1668, 4., mit dem
Zusätze: qui liber etiam sub nomine Jo. Lud. Schoenleben Car-
nioli Labacensis circumfertur^). Schönleben, geb. zu Laibach, war
bis 1651 Jesuit, dann Decan zu Laybach, f 1681. 1679 wurde von
ihm noch verb. : Palma virginea sive Deiparae V. M. de adversariis
suae imm. conceptionis victoriae. — Steph. Chiesa, Epistolica
Dissert. scoti-thomistica super facti quaestione, utrum Doctor angelicus
docnerit, B. Virginem fuisse immunem a pecc. orig., Turin 1716,
mit d. c. verb. 1729. — Das Buch des Jesuiten Thomas Strozzi,
Controversia della Concezione della B. Vergine Maria descritta isto-
ricamente, Palermo 1700 (2. Ed. 1703), 2 Fol., welches von Hurter
2, 349 als „weniger kritisch" bezeichnet wird, wurde ohne Zweifel
wegen der Ausfälle gegen die Dominicaner (Faure stützt sich bei
der oben mitgetheiltea Anklage ausschliesslich auf Strozzi) 1704
verb. — Im span. Index steht von diesen Büchern keins, aber Alph.
Sanchez Zarzosa, Thesaurus Conceptionis imm. Y. M. Dei genitricis,
1631.
Ausser dem Gedichte von Coppola steht noch eine Reihe von
anderen Gedichten im Index: Dialogo per musica a favore deir
imm. Concezione nel primo istante, verb. 1680. — Quatre sonnets
k Thonneur de la tr^s-pure et tr^s-immacuUe Conception de la Vierge
Marie, par le Pore Anne- Joachim de Jesus-Marie, verb. 1686. —
La gara dell' intelletto e della volontä, il giudicio della sapienza
e la vittoria della grazia, da cantarsi nell' accademia de^ Signori
Affidati nella cittä di Pavia la vigilia deir Imm. Conc. della S.
Vergine, deir accademico Affidato Concorde, Pavia 1690, verb. 1693.
Der Verfasser ist der Principe der Academie, der Senator Cesare
Pagani. — Wahrscheinlich hat man die Verordnung Pius' V., dass
die Controverse nicht in Predigten oder Versammlungen von Personen
beider Geschlechter verhandelt werden solle, auf diese Verse ange-
wendet.
2. Um 1670 wurde die Ansicht von der leiblichen Aufnahme
Mariae in den Himmel Gegenstand einer Controverse. In der Pariser
Cathedrale war am 15. Aug. bis zur Mitte des 16. Jahrb. aus dem
Martyrologium des Usuardus ein Passus verlesen worden, worin es
heisst: Corpus (Mariae) etsi non inveniatur super terram, tamen
£cclesia ejus memoriam sie festivam agit, ut pro conditione camis
eam migrasse non dubitet; quo autem illud . . . nutu et consilio
divino occultatum sit, plus elegit sobrietas Ecclesiae cum pietate
nescire quam aliquid frivolum et apocryphum inde tenendo docere.
Seit der Mitte des 16. Jahrh. war dann statt dieses Passus eine
Homilie verlesen worden, welche sich an die Legende anschloss.
1668 beschloss das Capitel, fortan wieder jene Stelle des Usuardus
vorlesen zu lassen. Die Canonici Nie. Ladvocat Billiald und Jacob
Gaudin bekämpften diesen Beschluss, der Canonicus J. Claude Joly
vertheidigte ihn. Card. Bona correspondirte darüber 1676 mit Joly
1) ViUani, Visiera p. 63. Backer 6, 621.
286 Mariologie.
und deutete an, dass er der allgemein verbreiteten Anschauung ent-
gegentrete^). Indess kam keine von Joly's StreitBcliriften in den
Index, auch nicht J. Boileau's Observationes adv. Gaudini 1. pro
corpprea SS. Deiparae assumptione contra Gl. Jolium, wohl aber
Launoy's De controversia super exscribendo PariBiensis Eccl. mar-
tyrologio exorta Judicium, Lauduni 1671 (zuerst 1670, Opp. I, 1,
84) und Diversi generis erratorum, quae in Parthenicis Nicolai Bil-
lialdi vindiciis [1672] exstant, 1672, verb. 1690 (gleichzeitig mit
vielen anderen Schriften Launoy's und wohl nicht gerade wegen der
Bestreitung der Legende). Auch eine neue Ausgabe des Pariser
Breviers wurde in Rom 1680 — 82 in Untersuchung genommen, weil
darin das Officium Assumtionis nach üsuardus geändert war (Michaud
4, 290) ; man Hess die Sache aber fallen. — Ueber denselben Punkt
entstand nochmals eine Controverse, als der Löwener Professor
P. J. Marant eine Discussio bist., an de fide sit aut saltem ita cer-
tum et de Ecclesiae mente, B. Y. M. et corpore in coelum assnm-
tam esse, ut haereticum sit aut saltem temerarium de eo coram hi-
storiae eccl. studiosis modeste inquirere, Lov. 1 786, 283 S. 8, trotz
des Abmahnens des Erzbischofs und des Rectors veröffentlichte^).
— Benedict XIV. De festis 2, 8, 18 sagt: die leibliche Assumtio
Mariae sei eine pia et probabilis opinio, die zu bestreiten temerär
sei, aber kein Dogma; die dafür angeführten Bibelstellen könnten
anders erklärt werden, nee est ejusmodi traditio, quae satis sit ad
evehendam hanc sententiam ad gradum articulorum fidei. In neuester
Zeit ivird aber die Dogmatisation der Ansicht betrieben, und Dom.
Arnaldi, Super transitu B. M., Genua 1879, hat sogar zu beweisen
versucht, Maria sei gar nicht gestorben^).
3. Grossen Lärm erregte es, als durch ein Edict des Mag. S.
P. Capisucco vom 17. Febr. 1678 verb. wurde: Officio dell' Imma-
colata Concettione della Santissima Yergine nostra Signora, appro-
vato dal Sommo Pont. Paolo V., il quäle a chi devotamente lo re-
citerä, concede indulgenza di cento giomi, [come apparisce nel suo
breve dato Roma, 3. Luglio 1615], in Milano per Franc. Yignone
(es handelt sich um ein lateinisches Officium; denn es wird ange-
geben, es fange an: Ad Matutinum. Ave Maria. V. Eja mea labia,
nunc annunciate, und schliesse mit der Oration : Dens qui per imma-
culatam Yirginis Conceptionem). Das Decret ist vollständig abgedr.
bei Thiers, Tr. des superst. 4, 144. Das Yerbot wurde vielfach als
ein Yerbot des Officium Imm. Conceptionis überhaupt gedeutet, als
solches von den „Jansenisten^^ in Frankreich und den Niederlanden
eifrig verbreitet, von den Spaniern, Franciscanern, Jesuiten u. s. w.
sehr übel aufgenommen. Der Kaiser Leopold schrieb darüber an
Innocenz XI. Dieser antwortete 18. Dec. 1678, das Schriftchen sei
1) Jo. Bonae Epist sei. ed. Sala No. 169. 176. 183. 188. Nat. Alex.
S. 2, p. 1, art. 3. Harter 2, 413.
2) N. E. 1786, 167; 1787, 41. 200. Backer 6, 184.
3) Scheeben, Dojirm. 3, § 281. Lit. Rundschau 1883, 673. Kath.
1882, 1, 331.
Officio dell' Immac. Couc. 237
verboten worden, weil die Angabe, Paul V. habe für das Officium
einen Ablass verliehen, unrichtig sei (in dem Beeret der Ablass*
Congr. vom 7. März 1678 wird dieser Ablass für apokryph erklärt),
und aus anderen Gründen; das Verbot trefie nicht das Officium,
welches seit der ältesten Zeit mit Erlaubniss des h. Stuhles in der
Kirche recitirt werde; der Nuncius werde mündlich eingehender
antworten. Die „anderen Gründe" scheinen Abweichungen des be-
treffenden Officiums von dem in Kom approbirten gewesen zu sein,
namentlich die Beifügung des immaculata vor Conceptio; denn es
wird berichtet, der Papst habe eine neue Ausgabe genehmigt, in
welcher sancta conceptio zu setzen sei, und in welcher der Mag.
S. P. auch Domina, exandi orationem meam in Domina, protege or.
m. und sonst noch einige Kleinigkeiten geändert habe. — £inen
interessanten Bericht über die Vorgänge in Eom gibt ein Brief eines
dortigen Jesuiten vom 10. Sept. 1678^): „Der Mag. S. P. hat das
Off. kraft eigener Autorität ohne ausdrücklichen Auftrag und ohne
Vorwissen der Cardinäle der Inq. verboten, wie uns Card. Nithard
gesagt. Das Verbot hat viele verletzt, namentlich die Spanier.
Unser Cardinal hat das dem Papste vorgestellt. Er hat auch dem
Mag. S. P. Vorhaltungen gemacht und ihm bemerkt, das Off. hätte
wegen der darin erwähnten Ablässe nicht unbedingt, sondern nur
vorläufig, bis zur Beibringung des betreffenden Ablass-Breve's ver-
boten werden dürfen. Das Verbot braucht uns also als ein unüber-
legtes nicht zu rühren. Der Papst hat in diesem Jahre viele Ab-
lässe, für die kein Breve existitirt, für ungültig erklärt (s. S. 207).
Das haben die Dominicaner benutzt, um das Off. zu unterdrücken,
da sie gegen das Decret Alexanders VII. nichts machen können.
Auch wenn das Verbot rechtsgültig wäre, würde es [als von dem
Mag. S. P. ausgegangen] nur für den Kirchenstaat gelten, nicht für
das übrige Italien, noch weniger für die Ultramontanen. Und da
das Verbot jenseits der Alpen nur Aergerniss hervorgerufen hat,
wird es vielleicht bald modificirt werden. Das ganze litthauische
Heer hat eine ganz militärische Epistel an den Papst gerichtet und
sich über das Verbot beklagt. Es wäre an der Zeit, die Frechheit
der Mönche zu unterdrücken und das Decret Alexanders YIL,
welches von einem Papste und nicht von einem beliebigen Mönche
ausgegangen ist, aufrecht zu halten/^ Ein Kölner Jesuit schreibt
26. Aug. 1678: „Auch hier verbreiten die Dominicaner das Decret.
Da die Anhänger der Meinung der Franciscaner ihren Unwillen
äusserten, hat der Nuncius den Dominicaner, der sich Inquisitor
nennt, fragen lassen, ob er das Decret direct von dem Mag.* S. P.
erhalten, was dieser verneinen musste. Dem Nuncius ist das Decret
nicht, wie andere ])ecrete, von Rom übersandt worden. Er hat
darüber nach Eom geschrieben, wie auch im Namen des Kurfürsten
der Weihbischof und Generalvicar. Wir beachten das Decret nicht,
so lange es uns nicht in gesetzlicher Weise intimirt wird.*^ In Rom
1) Münchener Hofbibl. Codd. Moll. 109.
238 Mariologie.
hat man das Verbot nicht als nur für den Kirchenstaat gültig an-
gesehen und auch nicht, wie vielfach angegeben wird, cassirt; es
steht in allen Indices, und erst in den neuesten ist beigefügt : eine
zu Rom 1835 mit Erlaubniss der Oberen gedruckte emendirte Aus-
gabe sei gestattet. — Mit der Controverse über dieses Off. scheint
zusammenzuhängen: De Officio Imm. Conc. Deiparae antiquissimo
et devotissimo, parvo mole, magno mysteriis, recens per auonymnm
correcto et Lucensibus typis edito Observationes Sigismundi a S.
Maria Theologi ex SS. Patribus et Doctoribus, praesertim Ordinis
PP. Praed. desumtae, Paris 1681, verb. von der Inq. 1682.
Andere Officia wurden wohl auf Grund des allgemeinen Ver-
botes der nicht approbirten Officia (Decr. gen. IV, 5) oder der
Uebersetzung des Off. parvum (I S. 439) verb. So stehen im Index
ein Officium . . . Imm. Conc, zwei Offices de la Conception, unter
Fil. M. Bonini (s. Mazzuch. s. v.) L'officio di M. V. trasportato
air ital. lingua per comandamento . . . di Eleonora Aug. Reg. di
Boemia ed üngheria, Wien 1672, verb, 1674, — De Kleine gety-
den (s. u.) und: Die Regel des dritten Ordens so von dem Sera-
phischen Patriarchen S. Francisco . . und (mit) dem Officio B. M. V.,
Strassb. 1729, verb. 1742. — Dazu kommen noch andere Marien-
Gebetbücher, von Octavius Bayardus (er bezeichnet sich als Re-
fereudario delF una e deir altera Segnatura, Accademico £tru8co
e Cittadino Romano), von Mich. Ang. Athanasius und von Unelia
(S. 215); — Henr. Heuel, Off. B. M. V. parallelometricum nna
cum litaniis Lauret. . . Wien 1700, verb. 1739, ferner anonyme
unter Meditazioni, Novena, Orationi, und eine Reihe von Schrift-
chen, die Ben. aus der Nota entnommen: Allegrezze, Benedizione,
Confitemini, Contemplazione , Contrasto, Dolori, Lamento, Pianto,
Orazione, Transite. — Auch einige Sammlungen von Marien-
predigten und dgl. stehen im Index unter Greg. Gallicanus (d. c;
Observant in Mailand), Lucas a Monte forti (Minorit), Girol. Clo-
dinio seu Klodzinsky (Theatiner; sein Bruder Carlo wurde 1686
General des Ordens, Vezzosi 1,272), Gins. Saliceti (S. 16), Diego
de Lequile (d. c. ; Franciscaner, Hofprediger des Erzherzogs Fer-
dinand Karl, später Bischof von Almisso in Dalmatien; Freytag,
Anal. 524).
Wenn einige Schriftchen zu Ehren der Madonna von Loreto
im Index stehen, so hat das seinen Grund in irgend welchen Extra-
vaganzen ; die Legende von der Translatio almae domus Lauretanae
ist durch die Indulgirung eines besondern Festes (10. Dec.) durch
InnoceÄz X. und durch die Verleihung von Ablässen für den Be-
such des h. Hauses durch Paul IL und Sixtus IV. approbirt. Yittorio
Briganti, Novelli fiori della Vergine Maria di Loreto e santa casa
sua, Ven. 1600, verb. 1603 (der Verfasser, ein Beneficiat an der
Santa Casa hat nach Mazzuch. 1606 eine Geschichte der Translation
mit Berichten über Wunder, Verzeichniss der Ablässe und Weisungen
für Pilger herausgegeben). Aus der Nota hat Ben. aufgenommen :
Orazione della Madonna di Loreto, beginnend: 0 vergin di Loreto,
alma Maria.
Novarinus. Sidereo u. a 289
4. £ine6 der vielen Bücher des Theatiners Aloysina Novari-
nus (t 1650), Vita di S. Maria nel ventre di S. Anna, Verona 1641,
ururde 1642 und 1646 mit d. c. verb., wie Raynaud behauptet,
angeblich wegen eines einzigen Wortes, welches noch dazu einer
guten Deutung fähig gewesen, in Wirklichkeit wegen der Verthei-
digung der Imm. Conc, — wie Casalas p. 582 erwidert, wegen
Nicht-Beachtung der päpstlichen Decrete (gegen die Verketzerung
der Gegner), also nicht wegen des abenteuerlichen Themas, welches
nach Vezzosi 2, 100 in 63 Capiteln (Opuscoli App. p. 59 — 84) be-
handelt wird. Eine zu Prag gedruckte Novena in onore delli 9
mesi ne' quali la B. V. dimorö nel ventre di S. Anna, von der
Inq. 1704 verb., steht nur in der Raccolta, nicht im Index.
Im J. 1654 wurde mit d. c. ein ascetisches Werk verb.,
welches Vincenzo CarafFa, f 1649 als 7. Greneral der Jesuiten, Pseu-
donym veröffentlicht hatte, und welches zuerst 1641 zu Neapel,
dann zweimal in Rom 1650 und 1654 gedruckt war: Camino del
cielo overo prattiche spirituali del P. Luigi Sidereo della Comp,
di Gr.j 4 vol. 12. Raynaud (bei Casalas p. 583) sagt, der damalige
Secretär der Index-Congr., Raymund Capisucco (er nennt ihn Caput
Cucurbitae), hätte auf Betreiben seines zum General der Domini-
caner beförderten Vorgängers J. B. de Marinis das Buch in den
Index gebracht, weil darin die Imm. Conc. vertheidigt werde; da
sie diesen Grund nicht hätten geltend machen können, hätten sie
folgende nugae vorgebracht: 1. Caraffa sage, die h. Jungfrau sei
(w&hrend ihres Aufenthalts) im Tempel von den Engeln mit himm-
lischem Nectar gespeist worden; 2. er sage, die Gnade Maria's sei
vom ersten Augenblicke ihres Lebens an grösser gewesen als die
der reinsten Geschöpfe; 3. er citirte den h. Bernardin von Siena,
der Maria als Dea bezeichne. Das erste, sagt Raynaud, lehrten
auch die bedeutendsten Väter und sehr viele Neuere; das zweite
sei eine fromme und probabele Meinung^), die von vielen vorge-
tragen werde unter Berufung auf Ps. 86 ; wenn das dritte verdamm-
lich sei, hätte man zuerst den h. Bernardin verdammen müssen;
übrigens sei in Rom um dieselbe Zeit mit Approbation des Mag. S. P.
Vinc. Candido der Commentar des Hipp. Marracci zu den Reden des
leidor von Thessalonich erschienen, in welchem eine 10 Seiten lange
Polemik gegen Raynaud stehe, der in dem Nomenciator Marianus
gesagt, man solle Maria nicht Dea nennen ; dieses geschehe aber
auch von vielen anderen. Casalas erwidert darauf nur, man wisse
1) Heutzutage wird ohne Widerspruch der Index-Congr. gelehrt:
jjEb ergibt sich mit Evidenz, wie besonders seit dem Epbesinum stets in
der Kirche festgehalten worden, dass die heiligmachende Gnade Mariens
wenigstens seit der Empfängniss Christi, — mit hinreichender Sicher-
heit aber auch seit ihrer ersten Heiligung, grösser war als die Gnade
nicht nur der höchstbegnadigteu Menschen, sondern auch der höchsten
Engel." Scheeben, Dogm. 3, 516. Die Bezeichnung Dea lehnt aber
dodi auch Scheeben S. 506 ab.
240 Mariologie.
nicht, warum Caraffa's Buch verboten worden sei. Vinc. Baron,
Apol. II, 182, gibt dieselben drei Gründe an wie Eaynaud. Von
Caraffa's Werk erschien eine neue — ohne Zweifel expurgirte —
Ausgabe unter seinem Namen zu Köln 1660 (eine deutsche Ueber-
setzung Augsb. 1747).
Ein Buch eines französischen Franciscaners (Eecollecten),
welches eine der ärgsten unter den vielen argen mariologischen Ver-
irrungen enthält, wurde 27 Jahre nach seinem Erscheinen, nachdem
es der Bischof Persin von St. Pons denuncirt hatte (Bossuet 41,
264), verboten : La devotion k la Mere de Dieu dans le tres-saint
sacrement de Tautel, fond^e sur les unions qui sont entre son fils
et eile en ce divin mystere. Par le E. P. Zepherin de Someire,
Narbonne 1663, verb. 1700. Er lehrt, wie Ben. XIV. De beatif.
1. 4, p. 2, c. 31, n. 32 berichtet: in sacramento altaris nos habere
non tantnm sanguinem Deiparae, quatenus in carnem et ossa Christi
mutatus est, sed etiam parteni sanguinis in propria specie, neque
solnm veram carnem ipsius, sed etiam aliquid singulorum membro-
rum, qnia sanguis et lac, ex quibus formatum et nutritum fuit cor-
pus Christi, missa fuerunt ab omnibus et singulis membris B. Y.
Diese Lehre wurde, wie Ben. berichtet, als irrig, gefährlich und
ärgernissgebend bezeichnet und die darauf basirte Verehrung der
h. Jungfrau im h. Sacramente verworfen^). Dasselbe hatte tibrigens,
wie Ben. beifügt, schon 1653 der Jesuit Christoph Vega in seiner
Theologia Mariana gelehrt, die nicht im Rom. Index steht (im span.
wird sie expurgirt; in diesem fehlt aber Someire. Mich, a S. Jos.
4, 503).
Uebrigens stehen viele Bücher, welche sehr bedenkliche Lehren
über Maria vortragen, nicht im Index 2). In dem 1631 erschienenen
Viridarium sacrae et prof. eruditionis -des Jesuiten Franc, de Men-
doza wird, wie Arnauld 8, 493 berichtet, die Frage, utrum B. Vir-
ginia cultorem in aetemum damnari omnino impossibile sit, bejaht
mit der Motivirung: Haec impossibilitas ex eo oritur, quod B. V.
suo patrocinio semper impetrat a Deo auxilia gratiae congruae,
quibus cultores alioqui pravi ac scelerati ad Deum convertuntnr,
und die Recollecten zu Lüttich liessen demgemäss 1676 die These
vertheidigen : Frequens confessio et communio et cultus B. V. etiam
in iis, qui gentiliter vivunt, sunt signum praedestinationis. Der
aus Pascals Provincialbriefen bekannte Jesuit Paul de Barry em-
1) Eine ähnliche Ansicht hat im 19. Jahrh. Oswald vorgetragen;
sein Buch ist wegen dieser und anderer Ansichten verboten worden (Schee-
ben, Dogm. 3, 619). Die Dublin Rev. 18G7, Jan. p. 220. 230 nimmt unter
Berufung auf Suarez und andere Jesuiten eine solche Ansicht in Schutz
und meint, Benedicts XIV. Angabe, sie sei verdammt worden, werde
irrig sein!
2) Im span. Index wird seit Sot. s. v. Ponce und Tenauderius eine
fabulosa historia de obstetricibus explorantibus virginitatem B. V. erwähnt,
die überall gestrichen werden soll.
Someire ü. a. Stellarium. 241
pfiehlt in der Schrift Le paradis ouvert k Philagie par cent devo-
tions ä la M^re de Dieu (1636 — 58 in 16 Auflagen erschienen,
auch ins Deutsche, Holländische, Italienische und Lateinische üher-
setzt; Backer s. v.) u. a. folgende Devotionen: choisir plut6t l'enfer
que si la S. Yierge n^6tait pas mere de Dieu, quitter sa place du
paradis, si hesoin etait, pour c6der k la S. V., graver et former
sur son coeur le nom de Marie, par honneur ne prononcer pas le
nom de Marie en lisant, mais en suhstituant un autre, donner des
oeillades amoureuses aux images de la S. Y. u. s. w., und, wie
Thiers, Tr. de superst. 4, 80 sagt, le hon F^re s'imagine que toutes
ces d^votionettes sont autant de clefs du paradis.
5. Im J. 1640 schritt die Inq. gegen die von den Francis-
canem gegründeten Sodalitates suh nomine Stellarii Imm. Concep-
tionis B. M. V, ein. Man deutete die Vision von dem Weihe mit
einem Kranze von zwölf Sternen (Apok. 12, 1), als oh dadurch
dem h. Johannes die Imm. Conc. geoffenhart worden wäre, fahricirte
in diesem Sinne eine Collecte, feierte im August ein Fest vom Stella-
rium und führte einen hesondern Rosenkranz mit 12 Perlen ein.
Die Inq. löste 1640 die Bruderschaften auf, revocirte ihre Ahlässe
und verhot das Beten der corona suh titulo Stellarii. Das Decret
wurde dem General der Minoriten intimirt und Fer. V. 28. Nov.
1642 nochmals bestätigt i). Die Ablass-Congr. erklärte 1678 die
diesem Rosenkranze verliehenen Ablässe für apokryph. In der Rac-
colta wird auch ein libretto: Stellario dell' Imm. Conc. della B. Y.
erwähnt (auch im span. Index unter Estellario). Im Rom. Index
steht dieses nicht; aber mit dieser oder einer ähnlichen Deutung
von Apok. 12, 1 hangen zusammen: Lode sopra li 12 privilegi
concessi dalla SS. Trinita alla B. Y. M. in onore della sua Imm.
Conc, Yen., von der Inq. verh. 1712; Corona di 12 stelle da
porsi in capo alla grande Imperatrice del cielo . . ., Fano 1733,
verb. 1734; Corona d'oro a M. Y. contenente i 12 privilegi che
gode in cielo, verb. 1737.
Ein Decret der Inq. Fer. lY. 5. Juli 1673 (Alb. p. 517. A.
J. P. 1, 1242) besagt: Ordens- und Weltgeistliche hätten Bruder-
schaften der Sclaven Mariae, Schiavi della Madre di Dio, errichtet,
an die Mitglieder derselben kleine Ketten vertheilt, die als Zeichen
dieser Sclaverei am Halse und an den Armen zu tragen seien, Bilder
und Medaillen verbreitet, auf welchen diese Sclaverei dargestellt sei,
und Büchlein mit den Regeln und zur Empfehlung der Bruderschaft.
Die Inq. habe diesen Missbrauch an verschiedenen Orten durch
specielle Edicte zu unterdrücken gesucht ; da derselbe aber in Folge
der Bemühungen einiger immer mehr um sich greife, erlasse sie
jetzt ein allgemeines Edict: die Bruderschaften würden hiermit auf-
1) Dieses Decret bei Porter, Systema decretorum p, 628. Schneider
S. 224 sagt: „Es gibt einen RoRCukranz von der unbefl. Empf. von 12
Körnern, dessen Ablässe 1678 für falsch erklärt wurden, und einen echten
zvL Ehren der 12 Privilegien Mariae, dem 1860, und die sog. Corone von den
12 Sternen, der 1838 ein Ablass verliehen wurde.
Beuicb, Index II. 16
242 Mariologie.
gelöst, der Gebraueb der Kettchen untersagt und die Büchlein,
Bilder und Medaillen bei den im Index angedrohten Strafen ver-
boten. Es stellte sich aber heraus, dass es nicht bloss Sclaven
Mariae gab. Clemens X. erliess 15. Dec. 1673 ein Breve (Porter,
Systema p. 643. A. J. F. 1, 1243), worin es beisst: es seien
Bruderschaften unter der Anrufung des b. Sacramentes, der h. Jung-
frau und des h. Joseph unter dem Titel ,,Heerde des guten Hirten"
mit Erlaubniss von Bischöfen und sogar des Papstes errichtet worden,
in deren Regeln der Gebrauch gewisser Kettchen und andere der
Lehre und Praxis der Kirche nicht entsprechende Dinge vorge-
schrieben seien und welche Schriften, Blätter und Bilder verbreitet
hätten, die Aergemiss geben könnten. Die Bruderschaften würden
hiermit nach Anhörung der Inq. aufgehoben, die Schriften, Bilder,
Kettchen u. s. w. verboten. Demgemäss werden (in den Indices
seit 1681 unter Libelli, genauer seit Ben.) in den Decr. gen. III,
3. 4 verb. : Bilder und Medaillen für die Bruderschaften der Sclaven
der Mutter Gottes, welche die Mitglieder mit Ketten darstellen,
und Bücher, in denen die Regeln stehen . . . Bilder, Kettchen,
Zettel und Bücher für die Bruderschaften vom h. Sacrament, der
h. Jungfrau und des h. Joseph unter dem Titel He erde des guten
Hirten, auf welchen Menschen an Christus, das Ciborium, die h. Jung-
frau, den h. Joseph oder einen andern Heiligen angekettet (penduli
a Christo etc.) dargestellt werden^). Speciell werden im Index als
durch ein Decret vom 2. Oct. und das Breve vom 15. Dec. 1673
verb. verzeichnet: Regole da osservarsi dai devoti di Maria che
professano d'essere incatenati schiavi di lei, — Lo schiavo della
Madonna santissima ovvero prattica di conservarsi perfettamente
per servo della B. V. M., — Catena preziosa de' schiavi della
santiss. ed imroacol. Regina del Cielo, Madre di Dio, — Sommario
della schiavitudine di Giesu sagramentato, Maria immacolata e Giu-
seppe giusto, intitolata Ovile del buon pastore, — Gregge del
buon pastore e piü perfetta schiavitudine di Gesü sagramentato
. . . giusto (nach den älteren Indices ein Zettel).
Der Unfug scheint auch am Rhein und in Belgien Verbreitung
gefunden zu haben; wenigstens wird in den 1673 erschienenen Mo-
nita des Kölnischen Juristen Widenfeld dagegen polemisirt, und der
Bischof von Toumay vertheidigt diesen unter Bezugnahme auf
das Römische Verbot gegen eine Streitschrift (s. u.). — In Frank-
reich wurde diese Devotion u. a. durch Louis Marie Grignon de
Monfort befördert. Als es sich bei dessen 1838 eingeleitetem Cano-
nisationsprocesse um die Prüfung seiner Schriften handelte, wurde
1) Eine merkwürdige ünkenntniss des Index verräth es, wenn der
Jesuit Schneider, Die Ablässe S. 424 das Decr. gen. III, 3 mit der Be-
merkung anführt, es stehe in dem Index, „wie er auf Befehl S. H. Gre-
gors XVI. herausgegeben und 1841 in Rom gedruckt wurde, in der Vor-
rede S. XLV, No, 8**, und dann vollends noch beifügt: „dasselbe Verbot
hatte schon die Congr. der Ablässe durch ein Decret vom 18. Dec. 1821
erlassen.'*
Sclaven Mariae. Maria del Lume. 248
gegen eioe snr Tesclavage de la S. Vierge eingewendet, dass darin
das Tragen gesegneter eiserner Eettchen als Zeichen de l'esclavage
de J^sus et Marie empfohlen werde. Zur Vertheidigung Montforts
wurde angeführt, die Devotion der Sclaverei Mariae werde schon
von der Dominicanerin Agnes de Jesus, f 1603, erwähnt; die Ver-
dammung derselben durch den Index [die Inquisition] beweise nicht,
dass sie nicht vom h. Geiste eingegeben sei, sondern nur, dass sich
Missbräuche in dieselbe eingeschlichen, die der h. Stuhl verdammt
habe; sie beziehe sich übrigens auch nur auf Braderschaften, nicht
auf einzelne Personen und nicht auf die Form derselben, die Mont-
fort empfohlen habe. Die Eiten-Congr. entschied 1853: die Schrift
Aber die Sclaverei der h. Jungfrau komme gar nicht in Betracht,
da nur eine angeblich nach dem Autographon Montforts angefertigte
Abschrift vorliege, also nicht erwiesen sei, dass sie von ihm her-
rühre; in den Schriften, von denen Montforts Originalhandschrift
vorliege, komme nichts vor, was der Fortsetzung des Canonisations-
processes im Wege stehe. Darunter ist aber ein Trait^ de la vraie
devotion k la S. V., von dem der Promotor fidei bemerkt hatte, es
kämen viele Sätze darin vor, die einer Explication bedürften (A. J.
P. 1, 737. 1049), und in welchem auch der Ausdruck Sclaven Mariae
gebraucht wird^).
Mit den Edicten von 1673 war jedenfalls die Sclaverei Mariae
nicht für immer beseitigt. Im J. 1761 bestand in Montpellier eine
Soci^ti de Teeclavage de la S. V. und war dort ein in Paris ge-
drucktes Schriftchen Dieu seul ou le saint esclavage de la M^re de
Dieu verbreitet (N. E. 1761, 39); die span. Inq. verbot, wie der
Index von 1790 s. v. Aurora zeigt, 1755 ein zu Granada 1701 ge-
drucktes Sumario de la Esclavitud de Jesus Sacramentado, Maria
Immac. y Justo Joseph von Jos. Man. de la Aurora; die Eiten-
Congr. musste 1821 die alten Yert)ote in Erinnerung bringen, und
Schneider S. 425 bemüht sich zu zeigen, dass ein Eescript Gre-
gors XVI. von 1833, durch welches angeblich eine Bruderschaft
vom Sclavendienste Marions genehmigt werde, wenn es echt sei,
sich nur auf eine Confraternitä dei servi (nicht schiavi) di Maria
beziehen könne.
In einem Decrete der Congr. der Eiten vom 27. Jan. 1742
(Bened. XFV. Beatif. 1. 4, p. 2, c. 31, n. 33) heisst es: in Sieilien,
namentlich in Syracus seien drei anonyme Schriftchen über eine An-
dacht zu Unserer Lieben Frau vom Lichte (Madre Santissima del
Lume) verbreitet; es werde unter Berufung auf Eevelationen zur
1) Diese Schrift ist von F. W. Faber 1863 und von einem andern
1864 in englischer Uebersetzung herausgegeben worden und hat in Eng-
land lebhafte Discussionen hervorgerufen. Man hat schliesslich gesagt,
die uebersetzung sei schlimmer als das Original. Pusey, Eirenicon III.,
332. Dublin Rev. 1871, Jan. p. 37. Der Biachof Ullathorne von Birming-
ham erklärte 1866 : man habe die von Montfort empfohlene Andacht auch
in seiner Diöcese eingeführt, er habe sie aber sofort untersaget, ohne von
dem päpstlichen Verbote etwas zu wissen. Th. Lit.-Bl. 1866, 295.
iii Fälschungen.
Feier eines Festes mit diesem Namen (am Mittwoch in der Octav
von Christi Himmelfahrt) aufgefordert, in der Litanie etwas beige-
fügt und Bilder und Medaillen vertheilt. Alle diese Dinge wurden
verboten, die Schriftchen suspendirt, bis die Index-Congr. sie ge-
prüft habe. Diese verbot dann 1745: La divotione di Maria madre
santissima del Lume, distribuita in tre parti e dedicata a . . . Cristof.
Fernandez de Cordova e Alagon, Vicere . . . del Eegno di Sicilia,
da un Sacerdote della Comp, di Gesu, Palermo IT^-^S, 2 vol. 12.
Das Buch ist nach Backer von dem Jesuiten Giov. Ant. Genovesi
unter Mitwirkung von Emanuel Aguilera verfasst. 1761 wurde auch
ein span. Schriftchen von Jos. de Tobar verdammt: La invocacion
de N. S. con el titulo de Madre sautisima de laLuz . . reimpreso
en Zaragoza 1758.
Mit einer andern derartigen Devotion hangen zusammen: Gratie
concesse da Maria nostra signora imm. a molti divoti del digiuno
perpetuo in pane et acqua in honore della sua purissima Concettione
. . .* Col modo di fare detto digiuno, verb. 1683, seit Ben. unter
Buonav. Ferrara, — Digiuno perpetuo istituito in onore dell*
Imm. Conc. di Maria sempre virgine nella terra di Soriano, — Ri-
cordo per il digiuno perp. ist. in onore dell' Imm. Conc, beide
verb. 1739.
36. Fälschungen.
In den Decreta generalia II, 10 werden verboten alle ge-
schriebenen und gedruckten Bücher, Tractate, Gutachten, Com-
mentare u. s. w. über die bei Granada gefundenen Bleitafeln
(laminae plumbeae) mit alten arabischen SchriftzUgen und über
die in einem Thurme zu Granada gefundenen Schriften. In
Schriften, wird beigefügt, die davon nur gelegentlich handeln,
sind die betreffenden Stellen zu streichen. Die fraglichen Blei-
tafeln und Schriften, die angeblich aus der apostolischen Zeit
herrühren, wurden 1588—97 gefunden und, obschon die Fäl-
schung handgreiflich ist, erst 1639 vorläufig, 1682 definitiv in
Rom verworfen. Die damit in einem gewissen Zusammen-
hange stehenden gefälschten Chroniken des Flavius Lucius
Dexter u. a. wurden weder in Rom noch in Spanien verboten.
— Von den zahlreichen Schriften über den angeblichen Brief der
h. Jungfrau Maria an die Einwohner von Messina kamen zwei in
den Index; aber von einer derselben, von dem Jesuiten Melchior
Inchofer, wurde 1633 eine zweite Ausgabe frei gegeben, in
Laminae Granatenses. 245
welcher der Brief als wahrscheinlich, nicht, wie in der ersten,
als sicher echt bezeichnet wurde. — In den Decr. gen. II, 8
werden alle gedruckten und geschriebenen Bücher, Codices und
Blätter über die angebliche Heiligkeit. Weissagungen, Visionen
und anderen derartigen Zeichen des angeblichen Anachoreten
Joannes Gala u. s. w. verboten, und III, 6 alle Bilder, welche
diesen Gala als Heiligen oder Seligen darstellen. Es handelt
sieh hier um einen in seiner Art grossartigen, um 1660 begon-
nenen, 1680 durch einen Mitschuldigen aufgedeckten Betrug
eines Neapolitanischen Geistlichen, der den Joannes Gala als
einen Heiligen des 12. Jahrhunderts rein erfunden hat.
1. Im J. 1588 fand man in Granada beim Abbrach eines alten
Thurmes ein bleiernes Kistchen mit einem leinenen Tuche und einem
Knochen nnd einem Pergamentblatte, auf dem der Priester Patricius
erklärt: er habe diese Reliquien, die der Bischof Caecilius von Gra-
nada von dem h. Dionjsias erhalten, in den Tagen der Apostel hier
verborgen; der Leinwandlappen sei die Hälfte des Tuches, mit welchem
Maria bei der Passion ihre Thränen abgetrocknet, der Knochen sei
von den Gebeinen des h. Stephanus. Ebendort fand man ein dem
Evangelisten Johannes zugeschriebenes Document, arabisch, griechisch
nnd lateinisch auf Pergament geschrieben, nnd anderes. Im März
1595 fand man in einer Höhle in einem Berge in der Nähe von
Granada eine Bleitafel mit der Inschrift: Corpus ustnra D. Mesitonis
martyris; passus est sub Keronis Imp. potentatu, später noch drei
Tafeln mit den Notizen: in den Höhlen dieses Berges seien die Re-
liquien von drei Schülern des h. Jacobus, Caecilius, Hesychius und
Tesiphon verborgen, die mit ihren Schülern im 2. Jahre des Nero ver-
brannt worden seien, so wie ein von dem h. Tesiphon in Bleiplatten
eingegrabener Über fnndamenti ecclesiae. Man fand dann auch 5 Blei-
platten mit dem arabisch geschriebenen Buche. Dieses kündigte
aber wieder die Existenz von anderen an, die man dann auch fand.
1597 hatte man 18 arabisch theils auf Bleiplatten, theils auf Per-
gament geschriebene Bücher von Caecilius, Tesiphon u. a. in Händen,
n. a. Liber ordinationis missae Jacobi Apost., L> rerum praeclare
gestamm D. N. Jesu et miraculorum ejus et matris ejus, L. prae-
clare gestarnm S. Jacobi, L. mysteriorum magnorum, L. historiae
sigilli Salomonis. Eine von dem Erzbischof von Granada, Pedro
Vaca de Castro y Quiftones, gebildete Commission erklärte die Sachen
für richtige Reliquien und die Lehre der Bücher für übernatürlich
nnd geoffenbart, und 1608 erschien zu Granada eine Relacion breve
de las reliquias etc., deren Nachdruck zwar unter Androhung der
Excommunication verboten, die aber zweimal nachgedruckt wurde.
Der Bischof J. B. Perez von Segorbe erklärte die Sache gleich für
Betrug, schickte aber sein Gutachten gar nicht an den Erzbischof,
246 Fälschungeu.
weil das doch nichts helfen würde ^). Auch einige Gelehrte sprechen
sich in diesem Sinne aus; aher Yic. de la Fuente constatirt mit
Bedauern, die Zahl der berühmten Spanier, Inquisitoren, Cardinäle,
Erzbischöfe und Bischöfe, welche während der Begierung der drei
Philippe an die Geschichte geglaubt hätten, sei schrecklich gross.
Clemens VIII. erliess mehrere Breven an den Erzbischof von
Granada, worin er ihm die Veröffentlichung der fraglichen Schriften
verbot und befahl, dieselben dämmt allem, was dazu gehöre, nach
Rom zu schicken, und zugleich jedermann, welchen Ranges er auch
sein möge, kraft des h. Gehorsams und unter Androhung arbiträrer
Censuren und Strafen untersagte, über die Bücher und ihren Inhalt
irgend ein Urtheil zu fällen (aliquid affirmare vel negare vel alias
de illis judicare). Erst unter Urban VIII. erfolgte die erste päpst-
liche Entscheidung in Form eines Decretes der Inquisition von
Fer. V. 5. Mai 1639 (Alex. No. 43). Es heisst darin: der Erz-
bischof von Granada selbst habe eingestanden, dass die Schriften
wegen des Alters der Sprache und der ungewöhnlichen Schriftzüge
dunkel und schwer zu deuten, von verschiedenen Uebersetzern ver-
schieden übersetzt worden seien und grosse Schwierigkeiten dar-
geboten hätten. Die Päpste seit Clemens VIII. hätten eine Unter-
suchung der Bleitafeln in Rom durch Sprachkundige und Theologen
für nöthig gehalten; es habe aber bis jetzt die Uebersendung der-
selben nach Rom nicht durchgesetzt werden können. Die Schriften
würden aber vielfach in Büchern und Predigten, auch zur Begrün-
dung von Dogmen, mit Ehrfurcht citirt und ihnen eine göttliche
und canonische Autorität beigelegt, obschon angesehene und sprach-
kundige Männer dagegen gewichtige Bedenken vorbrächten und be-
haupteten, in einigen der Schriften sei nicht weniges enthalten, was
nach Gottlosigkeit, Aberglauben und Irrthümern rieche. Um also
zu verhüten, dass nicht etwa unter dem Namen von Aposteln und
Apostelschülern falsche Lehren in die Kirche eindrängen, verordne
Seine Heiligkeit nach ernster und reiflicher Ueberlegung und nach
Anhörung der Vota der Cardinäle der Inq.: die besagten Bücher,
Schriften und Bleitafeln seien zu suspendiren ; es dürfe ihnen und
ihren Uebersetzungen keinerlei Glauben beigelegt und keine reli-
giöse Verehrung (venerationem sive cultum) erwiesen werden, bis
der apostolische Stuhl entscheide, was von der Qualität und Lehre
derselben und der Wahrheit und Treue ihrer Uebersetzungen und
Deutungen zu halten sei; alle Bücher, Tractate, Gutachen (responsa,
consulta), Commentare, Glossen, Zusätze oder Anmerkungen, über-
haupt alle Schriftstücke, handschriftliche wie gedruckte, welche ex
profesßo von den Bleitafeln und Schriften handelten, würden suspendirt
1) Es ist gedruckt bei Villanueva, Viaje leterario 3, 259; ebend.
S. 278 ein den Erzbischof zur Vorsicht mahnender Brief von Benito Arias
Montano vom 3. Mai 1595. — Ctesiphon, Caecilius, Hesychius und 4 andere
werden übrigens im Martyrologium Rom. 15. Mai als „von den Aposteln
zu Rom zu Bischöfen geweiht und zur Verkündigung des Evangeliums
nach Spanien gesandt,^* aber nicht als Märtyrer bezeichnet.
Laininae Granatenses. 247
und verboten und dürften nioht gelesen oder behalten werden, seien
vielmehr sofort an die Bischöfe oder Inquisitoren abzuliefern, bis
der apostolische Stuhl anders verfüge ; Manuscripte und Bücher,
in welchen die Bleitafeln oder ihre Lehre nur beiläufig erwähnt
würde, sollten bezüglich dieser Stellen keinerlei Glanben oder Au-
torität haben ; die Stellen seien zu streichen, widrigenfalls die Bücher
als verboten, donec expurgentur, anzusehen. Die Verhandlungen,
Gutachten und ürtheile der von dem Erzbischof von Granada oder
anderswo zusammenberufenen Gelehrten würden als jedes Gewichtes
und jeder Autorität entbehrend erklärt und dergleichen Verhand-
lungen für die Zukunft strenge verboten. Auch solle niemand,
wer es auch sei, fortan etwas zu Gunsten der fraglichen Bücher
principaliter vel incidenter schreiben, drucken oder sonstwie ver-
breiten oder die Schriften übersetzen oder in Büchern, Predigten,
Vorlesungen, Versammlungen, mündlichen oder schriftlichen Gut-
achten von den Bleitafeln oder ihrer Lehre reden oder Schriftsteller,
die darüber handelten, citiren. Die üebertreter dieser Verordnung
ohne Unterschied des Standes und Ranges werden mit der dem
Papste reservirten Excommunicatio latae sent. bedroht, Ordensgeist-
liche ausserdem mit Verlust ihrer Aemter und des activen und pas-
siven Stimmrechtes, Weltgeistliche mit Verlust der Aemter und mit
der Unfähigkeit, solche zu erlangen, Laien mit Geld- und Leibes-
strafen. Die Publication des Decretes in Hom soll für jedermann
so verbindlich sein, als wenn ihm dasselbe persönlich intimirt
worden wäre.
Dass man es in Rom mit der Durchführung dieses Decretes
ernst nahm, zeigt ein Vorfall im März 1651, den Saint- Amour in
seinem Journal p. 203 berichtet: Ein Jesuit berief sich in einer in
dem Professhause gehaltenen Predigt auf das Zeugniss des h. Ctesi-
phon in den Bleitafeln zu Gunsten der Immac. Conceptio. Ein Do-
minicaner, der die Predigt gehört, denuncirte ihn bei der Inquisition.
Die Papiere des Jesuiten wurden confiscirt und bestätigten die An-
klage. Der Papst ertheilte dem General einen Verweis dafür, dass
er den Jesuiten nach der Predigt noch hatte Messe lesen lassen,
wodurch er irregulär geworden sei. Der Jesuit musste, um von
den Censuren freigesprochen zu werden, in Gegenwart von zwei
Notaren der Inquisition eine von dieser aufgesetzte Erklärung von
der Kanzel verlesen.
Endlich erliess Innocenz XL unter dem 6. März 1682 ein
Breve folgenden Inhaltes (abgedruckt bei Albit. p. 311): er habe
die Prüfung der bei Granada gefundenen Schriften, — sie werden
einzeln aufgezählt, — einigen Cardinälen der Inquisition übertragen;
diese hätten nach Anhörung von Qualificatoren in mehreren Sitzungen
über verschiedene auf die Glaubenslehre und die Kirchengeschiohte
bezügliche Sätze, die aus der von den von Innocenz X. bestellten
üebersetzern approbirten üebersetzung entnommen seien, mit Ver-
gleichung der in Spanien angefertigten und dem h. Stuhle über-
sandten Uebersetzungen verhandelt und sich einstimmig für die Ver-
dammung der besagten Bücher und ihres gesammten Inhaltes aus-
248 Fälsohungen.
gesprochen, weil dieselben fälschlich als von der h. Jungfrau Maria
und dem Apostel Jacobus major verfasst oder von diesem seinen
Schülern Thesiphon und Caecilius dictirt bezeichnet würden, in Wirk-
lichkeit aber zum Verderben des katholischen Glaubens verfasste
menschliche Erdichtungen (figmenta) seien, Ketzereien bezw. von
der katholischen Kirche verdammte Irrthtimer enthielten, dem Texte
der h. Schrift und der Auslegung der h. Väter und dem Gebrauche
der. Kirche widersprächen, ja manches in denselben nach Mahome-
tismus rieche und die Gläubigen zur Secte Mahomets verlocke, aus
dessen Alkoran sowie aus anderen unsauberen Büchern der Mahome-
taner ein nicht unbedeutender Theil der Bücher abgeschrieben sei.
Demgemäss verdamme er aus eigenem Antriebe und aus sicherer
Wissenschaft und nach reiflicher üeberlegung und kraft der Fülle
seiner apostolischen Gewalt die besagten Bleitafeln, Bücher u. s. w.
und verbiete das Lesen und Behalten derselben bei Strafe der reser-
virten Excomm. 1. sent. Bei derselben Strafe verbiete er, dieselben
in Schriften, Predigten u. s. w. anders zu citiren als um die in
ihnen enthaltenen falschen Lehren und Offenbarungen zu verdammen.
— Von der Trinität und der Gottheit Christi ist freilich in diesen
Büchern nicht die Eede, aber von der Definition der Immaculata
Conceptio durch das Apostelconcil und von der Missionsthätigkeit
des h. Jacobus und seiner Schüler in Spanien. Daneben kommt die
Formel vor: es ist kein Gott als Gott und Jesus ist der Geist
Gottes, und was von dem Leben Jesu erzählt wird, steht zum Theil
im Koran. Die Araber werden als das Volk bezeichnet, welches
Gott erwählt habe« in den letzten Zeiten sein Gesetz zu bewahren
u. dgl. Godoy hält es für sicher, dass Moriscos die Sachen fabri-
cirt haben, und für wahrscheinlich, dass die beiden Moriscos, die
man als Uebersetzer der arabischen Schriften verwendete, sie auch
gemacht^).
Albizzi sagt in seiner Selbstbiographie (vor De inconst.) : ea
sei bei der Inquisition vor der Entscheidung vom J. 1682 zehn Jahre
lang über die Laminae verhandelt worden; in jeder Woche seien
drei Sitzungen bei dem Card. Spada oder, wenn dieser verhindert
gewesen, bei dem Card, de la Cueva oder dem Card, de Lugo ge-
halten worden. An einer andern Stelle (p. 30) sagt er sogar, er
selbst, — er war damals Assessor S. Officii, — habe fast 12
Jahre bei der Uebersetzung derselben geschwitzt (insudavi). Unter
den Gelehrten, die zu Käthe gezogen wurden, waren Athanasius
Kircher und Lud. Marraci, die jedenfalls mehr von der Sache ver-
standen als Albizzi.
In den folgenden Indices werden unter Laminae die betreffen-
den Stücke wie in dem Breve einzeln aufgezählt; seit Ben. steht
nur Laminae plumbeae et membranae Granatenses im Index. —
In dem span. Index von 1707 (und dem von 1747) wird unter
1) Historia critica de los falsos cronicones, por D. Jos6 Godoy Al-
cantara, Madr. 1868, p. 44. Vgl. Pelayo 2, 643. Mich, a S. Jos. 2, 359.
Chronicon Flavii Lucii Dextri. 249
Laminas das Breve abgedruckt und dabei bemerkt: alle lateiniscben
und spanischen Uebersetzungen, auch die Informacion para la histo-
ria del Sacro Monte . . . donde parecieron las cenizas de San Ce-
cilio, Tesifon j Hisicio, discipulos del Apostol unico patron de las
Espafias Santiago, y otros santos discipulos de ellos y sus libros
y escritos en laminas de plomo, und alle anderen vor 1682 darüber
erschienenen Schriften seien verboten ; dieses Verbot beziehe sich aber
nicht auf das, was bezüglich der in dem h. Berge gefundenen Keli-
quien erklärt worden sei, und nicht auf deren Verehrung. In dem
span. Index von 1790 wird ausser dem Index von 1747 noch ein
Edict der Inquisition vom 2. Oct. 1777 citirt. Dieses wird sich
auf eine Erneuerung des Schwindels beziehen, die in der Mitte des
18. Jahrhunderts versucht wurde und von der Vic. de la Fuente 5, 406
berichtet: Cristobal Medina Conde u. a. gruben in der Nähe von
Granada Tafeln von Kupfer, Blei und Stein ein, mit Inschriften, in
denen die Immac. Conceptio u. a. gelehrt wurde. Der Betrug wurde
entdeckt und die Fabricate wurden mit den dafür geschriebenen
Apologieen verbrannt.
Mit den Laminae Granatenses hängt eine andere Fälschung
zusammen. 1594 producirte der Jesuit Hieronymus Roman de la
Higuera zu Toledo (1563 — 1611), angeblich nach einer Fuldaer
Handschrift, ein Chronicon Flavii Lucii Dextri aus dem 5. Jahr-
hundert, später auch Fortsetzungen dieser Chronik von Marcus Maxi-
mus, Bischof von Saragossa, und von Luitprand, Bischof von Cremona,
aus dem 10. Jahrhundert. Alle drei enthalten Zeugnisse für die
Immac. Conceptio, Dexter die Mittheilung, das Fest der Imm. Cono.
sei seit der Predigt des h. Jacobus in Spanien gefeiert worden,
ausserdem Mittheilungen über den Brief der h. Jungfrau an die
Messinesen (s. u.) und über Heilige, die in den ersten Jahrhunderten
in verschiedenen spanischen Städten, namentlich in Toledo gewirkt
hätten. Higuera hat alle diese Dinge fabricirt; sie sind aber längere
Zeit von vielen für echt gehalten worden: die Chronik des Dexter
wurde wiederholt gedruckt, 1627 mit einem Commentar und einer
Vertheidigung ihrer Echtheit von dem spanischen Cistercienser Franc.
Bivarius (de Bivar), der 1652 auch den Marcus Maximus commen-
tirte, und noch 1695 von dem Cardinal Sfondrato in seiner Inno-
centia vindicata zu Gunsten der Imm. Conc. citirt (Bossuet 40, 209).
— Der Bischof Perez von Segorbe erkannte sogleich auch diese
Fälschung. Sie wurde ausführlich nachgewiesen von Nie. Antonio,
— die Bleitafeln vertheidigte er; seine Censura de historias fabu-
losas ist 1742 von Mayans edirt worden, — und von dem Card.
Aguirre in seiner Ausgabe der spanischen Concilien. Die Index-
Congr. hat von diesen Fälschungen keine Notiz genommen. Im
J. 1630 hiess es zwar, die Chronik des Dexter solle verboten werden.
Der Cardinal Sandoval y Moscoso, Bischof von Jaen, der nach Rom
reiste, um den Hut zu holen, beabsichtigte, sich der Chronik anzu-
nehmen, und liess durch Bivar eine Vertheidigung schreiben, —
Urbano , . S. P. pro Fl. L. Dextro libellus supplex et apologeticus
a Fr. Franc. Bivario porrectus, 19 Bl. Fol.; — als er aber in Rom
250 Fälschungen.
ankam, erfuhr er, dasB die Kachriclit, man wolle die Chronik ver-
bieten, ein leeres Gerücht gewesen^).
2. Der Brief Mariae an die Einwohner von Meßsina ist abge-
druckt bei Fabricius, Cod. apocr. N. T. p. 849^). Inchofer, derselbe,
der in dem Galilei' sehen Processe eine Rolle spielte, hatte 1629 zn
Messina, angeblich im Auftrage des dortigen Senates, in Folio eine
Schrift herausgegeben unter dem Titel Epistolae B. M. V. ad Messa-
nenses veritas vindicata ac plurimis gravissimorum scriptornm testi-
moniis et rationibus illustrata. Er wurde nach Rom citirt und die
Schrift mit d. c. verboten, dieses Verbot aber, wie es scheint, nicht
publicirt, weil Inchofer gleich eine nach den Weisungen der Index-
Congr. corrigirte Ausgabe publicirte: De epistola B. M. ad Messa-
nenses conjectatio plurimis rationibus et verosimilitudinibus locuples,
Viterbo 1632. In dem Decrete vom 19. März 1633 wurde die
erste Ausgabe verboten, die zweite freigegeben. Gleichzeitig wurde
Vindicata veritas Panormitana von dem Ex- Jesuiten Franc. (Man-
fredi) Baronio, Ven. 1629, verb., — ob auch wegen dieser Sache,
erhellt nicht. Im falgenden Jahre, 1634, wurden von Rochus Pir-
rus' (1577 — 1651) Notitiae Siciliensium ecclesiarum (Sicilia sacra)
die ersten Theile (Vol. I. IL, Palermo 1630. 33, Philipp IV. ge-
widmet) mit d. c. verb. Ob in dem Abschnitt, worin er die Echt-
heit des Briefes bestreitet, etwas beanstandet wurde oder sonst
etwas, weiss ich nicht. In der Vorrede zu , der 2. Ausgabe (von
1644 (das ganze Werk ist abgedr. im 2. Bande des Thesaurus
antiq. Sicil. von Graevius und Burmann) sagt Pirrus nur, er habe
pauca, quae sapientibus hominibus displicuisse sensi, venerationis
et obsequii causa gestrichen. Andere Schriften, welche die Echt-
heit des Briefes vertheidigten, z. B. zwei 1647 von den Jesuiten
P. Belli und G. B. Appiano veröffentlichte (Backer s. v.) und des
1) Godoy p. 128. 227. V. de la Fuente 5, 398. — In Migne's Pa-
trologia t. 31 ist das Chronicon Dcxtri nach der Ausgabe des Bivarius
vollständig abgedruckt. Auf der 1. Seite steht aber unten in ganz kleinem
Druck, es werde jetzt allgemein für eine Fälschung aus dem 16. Jahrb.
gehalten. Backer und Hurter s. v. Higuera sagen nichts von der Fälschung.
Hurter erwähnt sie, ohne Higuera zu nennen, 1, 648, wo er von Bivar
spricht.
2) Bened. XIV. De beatif. 1. 4, p. 2, c. 26, n. 7 erzählt die Legende ;
Als die Messinesen von dem h. Paulus hörten, dass Maria noch lebe,
schickten sie Gesandte an sie nach Jerusalem, die einen hebräisch ge-
schriebenen Brief mitbrachten. Dieser wurde, ,,wenn dem Flavius Dexter
zu glauben ist", 480 in Messina wieder aufgefunden. Benedict erwähnt
c. 81, n. 26 die Notiz von R. Pirrus, ein Madonnenbild, welches man sab
tabulato quodam, italice literio s. literino, gefunden, habe den Anlass zu
dem Namen S. Maria de litera gegeben. Er erwähnt auch, dass schon
liaronius, Suarez und Brisighella die Legende bestritten. Mabillon, De re
dipl. p. 25 berichtet nach R. Pirrus, ein griechischer Bischof sei dabei
ertappt worden, als er das angebliche Original des Briefes vergraben, da-
mit man es auffinde. — Harenberg, Gesch. der Jes. S. 1028 verzeichnet
ausser den im Texte erwähnten noch 7 Schriften von Jesuiten über den
Brief. Vgl. Mich, a S. Jos. 3, 295.
Brief Mariac in Messina. Jo. Cala. 251
Dominicaners Th. Spada Due discorßi per la lettera scritta a' Mes-
sanesi dalla B. Y., Messina 1654, wurden nicht verb., und 1718
erschien zu Rom eine Widerlegung der Argumente von Kochus
PirruB von dem Basilianer-Abt Petrus Mennitus. 1734 verbot die
Index-Congr. ein Buch mit dem wunderlichen Titel Miklat Mamer-
tinum ex s. bibliis et ss. patribus excerptum, quo urbs Messana ad
suam perpetuam protectricem Mariam a S. Epistola quotidie refu-
geret, in horas precarias distributum per Marianum Jesuard um,
Messina 1725. Aber schon 1737 Hess der Jesuit Ph. Scelsi (Backer
s. V.) wieder einen Panegirico in onore della s. lettera etc. drucken,
der nicht verboten wurde, und Benedict XIV. berichtet von einem
Feste der S. Maria de litera, welches in Messina und in der Kirche
der Sicilianer zu Rom gefeiert werde, und von Ablässen für den
Besuch dieser Kirche und der Capelle S. Maria de litera im Dome
zu Messina. Ein ernstliches Einschreiten gegen den Schwindel wird
man mit Rücksicht auf die spanische Regierung nicht gewagt haben.
— Die 1. Ausgabe von Inchofers Buch steht übrigens seit 1632
auch im spanischen Index mit d. o. ; es werden aber nur an einer
Stelle 5 Zeilen gestrichen und an einer ein Wort geändert. In den
späteren span. Indices steht auch noch eine 1675 zu Messina ge-
druckte Orazione panegirica della sacra lettera ecc. von GioseflFo
Galessi. Und noch 1806 wurde laut dem Index von 1848 in Spanien
ein Abdruck des Briefes verboten wegen der apokryphischeft und
abergläubischen Note dazu, in der demjenigen, der den Brief bei
sich trage, un feliz suceso y raras maravillas versprochen werden.
3. Carlo Cala, Präsident des königlichen Rathes zu Neapel,
ein angesehener Jurist, — ein Buch von ihm steht im Index, —
Hess sich von einem Landsmann, dem Priester Ferdinande Stocchi
(Lo Stocco) aus Cosenza in Calabrien, aufbinden, in der Geschichte
des 12. Jahrb. kämen ein Joannes und ein Henricus Cala vor, die
Verwandte Heinrichs VI. und tapfere Krieger gewesen seien; Jo.
Cala sei später Einsiedler geworden, habe Wunder gewirkt, prophe-
zeit und fromme Bücher geschrieben, sei von den Päpsten wieder-
holt um Rath gefragt worden und überhaupt das Orakel seiner Zeit
gewesen. Von Cala mit archivalischen Nachforschungen beauftragt,
fand Stocchi in mehreren Archiven, u. a. in zwei Römischen, die
gewünschten, von ihm selbst fabricirten, Urkunden. Darauf erschien :
Istoria dei Suevi nel conquisto de' regni di Napoli e di Sicilia
per rimperatore Enrico VI., scritta da Carlo Cala, con la vita del
B. Giovanni Cala, capitan generale che fü di detto Imperatore, e
la giunta di opere di antichissimi autori sopra la vita cosi secolare
come ecclesiastica del medesimo Beato, Napoli 1660, Fol. (Melzi 2,
47). Das Buch wurde Alexander VII. gewidmet; die Inquisition
verbot aber die Fortsetzung des Druckes. Einige Jahre später ver-
öffentlichte Cala De gestis Suevorum in utraque Sicilia et de hello
cum Normannis . . . militiae principibus Jo. Cala, postea Beato . . .
Neapel 1665, 2 vol. — Stocchi wusste es auch einzurichten, dass
man die Gebeine des sei. Jo. Cala auffand, — es sollen Eselsknochen
gewesen sein, — es wurde eine Procession mit denselben veran-
262 Nonnen-Offenbarungen.
staltet, — Stocchi soll wälireiid derselben leise gebetet baben : Feli-
ces asini, qui tot meruistis bonores, Quot jam Romulei vix meruere
duces, — der Generalvicar von Cassano, Hyacintbus Micelli, Hess
sieb bestimmen, 1678 zu erklären: Joannem Cala anacboretam fuisse
in quasi possessione cultus atque ideo in ca manutenendum, und
Neapel wurde nun mit Bildern und Medaillen des sei. Cala über-
schwemmt. Die Geschiebte kam dadurch aus, dass ein Mitschul-
diger Stoccbi*s sie dem Jesuiten Pietro Giustiniani di Scio beichtete
und dieser sich von ihm ermächtigen Hess, den Betrug aufzudecken,
ohne ihn zu nennen. Die Inquisition wurde nun durch anonyme
Denunciationen aufmerksam gemacht und erliess Fer. V. 27. Juni
1680 ein Decret, worin sie das Decret des General vicars cassirte,
jeden Cultus des Jo. Cala untersagte und verordnete, die Gebeine
auf dem gewöhnlichen Begräbnissplatze zu begraben und die Bilder
und Medaillen zu vernichten. Alle geschriebenen und gedruckten
Bücher und Blätter, über die Heiligkeit, Wunder u. s. w. des Cala
und Abschriften und Abdrücke des Decretes des Generalvicars
wurden bei den Strafen des Index und des Decretes Urbans VIII.
vom 5. Mai 1639 verboten. Dieses Decret wurde fast wörtlicli den
folgenden Indices (unter Libri) einverleibt. Im span. Index steht
nur C. Cala, De gestis etc.^).
37. Nonnen-Offenbarungen.
Von den zahlreichen Offenbarungen, welche Klosterfranen
erhalten haben wollen, haben keine die Römischen Behörden
80 viel beschäftigt wie die der Maria von Agreda, f 1665. Ihre
zuerst 1670 gedruckte „mystische Stadt Gottes" wurde 1681 von
der Inquisition verboten, das Verbot aber von Innocenz XL dem
spanischen Hofe zu Gefallen suspendirt. Seitdem wurde bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts wiederholt darüber verhandelt.
Das Urtheil der Inquisition ist aber weder förmlich publicirt,
noch aufgehoben worden, und es liesse sich darüber streiten,
ob das Buch der Agreda zu den verbotenen Büchern gehört oder
nicht, wenn es nicht, — abgesehen davon, dass es nicht im
1) Das Decret der Inq. steht bei Bened. XIV. De beatif. 2, 8, eine
ausführliche Darstellung der ganzen Geschichte nach den Acten der In-
quisition im Giornale eccl. VlI (Rom 1792), No. 13. 1793 erschienen zu
Rom: In Suevorum et Beati Cala adulterinam historiam adnotationes [von
P. Paoli, Präsident der Accademia de' Nobili] latine redditae [von Conte
Azzolini di Brounfort]; Giorn. eccl. VIII, No. 12.
Maria von Agreda. 253
Index steht, — in vielen Ausgaben mit Gutheissung der kirch-
lichen Behörden verbreitet wäre. — Dagegen stehen seit dem
Ende des 17. Jahrhunderts im Index ähnliche Schriften einer
andern spanischen Nonne, Hippolyta Rocaberti, und seit 1758
ein in München gedrucktes deutsches Heftchen mit Offenba-
rungen einer Clarissin.
1. Maria, geboren 1602 zu Agreda, seit 1627 Oberin des dor-
tigen, von ihrer Matter gegründeten Klosters der Franciscanerinnen,
t 1665, schrieb, wie ihre Biographen berichten, auf Befehl ihres
Beichtvaters die ihr zu Theil gewordenen Offenbarungen auf, ver-
brannte das Buch auf Befehl eines andern Beichtvaters, und schrieb
es dann, nachdem der erste Beichtvater wieder eingetreten, zum
zweiten Male. Von der ersten Aufzeichnung war eine Abschrift in
den Händen Philipps lY. geblieben; eine Yergleichung zeigte, dass
die zweite fast wörtlich damit übereinstimmte. Das Buch erschien
gedruckt unter dem Titel : Mystica Ciudad de Bios, milagro de su
omnipotencia y abismo de la gracia. Historia divina y vida de la
Yergen Madre de Bios, Eeyna y Sefiora nuestra Maria santisima,
restauradora de la culpa de Eva y medianera de la gracia. Mani-
festada en estos Ultimos siglos por la misma Sefiora a su esciava
Sor Maria de Jesus, Abadesa de el convento de la Immaculada Cou-
cepcion de la yilla de Agreda . . . para nueva luz del mundo, ale-
gria de la Iglesia catolica y confianza de los mortales, Madrid
1670, 3 Partes in 4 vol.
Im J. 1673 beschloss die Congregation der Eiten die Einlei-
tung des Seligsprechungsprocesses der Agreda. 1677 beauftragte
sie den Card. Portocarrero, unter Zuziehung von Consultoren die
Schriften der Agr. zu prüfen. Mit diesen beschäftigte sich aber
auch die Inquisition, und am 4. Aug. 1681 wurde ein Fer. V. 26.
Juni unter dem Yorsitz Innocenz' XI. beschlossenes Decret ange-
heftet, durch welches alle Bände der „Stadt Gottes** einfach ver-
boten wurden. In dem Gutachten eines Qualificators der Inquisition,
auf welches hin das Yerbot erfolgte und welches den Yertretem
derjenigen, welche die Seligsprechung der Agreda betrieben, mit-
getheilt wurde, wird hervorgehoben: die Yerfasserin canonisire als
göttliche Offenbarungen die besonderen theologischen Ansichten der
scotistischen Schule (bezüglich der Imm. Conc. und anderer Punkte) ;
das Buch enthalte vieles, was der gesunden Lehre widerspreche,
manches Falsche, Apokryphische und Unwahrscheinliche; es lehre,
Fleisch und Blut Mariae seien propria specie in der Eucharistie ge-
genwärtig und könnten durch einen besondem Cult verehrt werden ,
Maria selbst habe alljährlich am 8. Dec. das Gedächtniss ihrer Imm.
Conc. gefeiert, sei an diesem Tage, an allen Sonntagen und an an-
deren Tagen von Engeln in den Himmel getragen worden, und auf
Erden habe unterdessen ein Engel ihre Stelle eingenommen u. s. w.
Zur weitern Charakteristik des Buches mögen gleich hier noch einige
Auszüge aus den später von Theologen der Hönnschen Inquisition
264 Nonnen-Ofifenbarangen.
abgegebenen Gutachten beigefügt werden: Das Buch soll göttliche
Offenbarungen enthalten, von denen Christus gesagt: Ich habe euch
noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Es be-
richtet: Maria wurde gleich nach ihrer Geburt von Engeln in den
Himmel getragen und sah dort die Trinität per visionem beatificam;
je hundert Engel aus jedem der neun Chöre waren ihre Schutzengel,
zwölf dienten ihr in sichtbarer Gestalt; als Kind bat sie die h.
Anna, ihr ein Kleid zu machen ähnlich dem der Ciarissen ; sie wollte
auch die vier Gelübde ablegen (der Keuschheit, der Armuth, des
Gehorsams und der perpetua inclusio), Gott gestattete ihr aber nur,
das der Keuschheit abzulegen; Maria war bei der Verklärung des
Herrn mit zugegen; bei dem letzten Abendmahl reichte ihr der
Engel Gabriel die Eucharistie; diese blieb in ihrer Brust unter dem
Herzen, bis nach der Auferstehung Christi der h. Petrus zum ersten
Male die h. Messe las und ihr die Communion reichte; Maria be-
suchte den h. Jacobus in Saragossa und überbrachte ihm den Befehl
Christi, dort ihr zu Ehren eine Kirche zu bauen, in welcher ihre
Marmorstatue aufgestellt und von Engeln bewacht wurde ^). — In
der gleich zu erwähnenden Censur der Sorbonne werden mehrere
Stellen nicht angeführt, sondern nur die Seitenzahlen des Bnches
angegeben mit der Bemerkung, dieselben seien castarum anrium
offensivae; ein Römischer Censor weist auf die mehr als unanstän-
dige Beschreibung der Geisselung Christi hin 2). Ein Römischer
Censor constatirt, dass vieles aus den Revelationen des sei. Amadeus,
anderes aus apokryphischen Evangelien stamme ; ein anderer ver-
muthet, das Buch sei von einem andern verfasst, Agr. habe es nur
aus Gehorsam copirt und zugegeben, dass es unter ihrem Namen
veröffentlicht werde, weil man ihr gesagt, das werde Gott und der
h. Jungfrau zur Ehre gereichen.
Die Hand oder der Einfluss eines Franciscaners ist in dem
Buche gar nicht zu verkennen. Was vom 3. bis 8. Capitel steht,
sagt Bossuet (30, 639), ist nichts als eine subtile Scholastik nach
den Principien des Duns Scotus. Gott selbst trägt diese Scholastik
vor und erscheint dabei als erklärter Scotist. Dieser Umstand und
namentlich die Bestätigung der Lehre von der Imm. Conc. war der
Grund, weshalb die Franciscaner für, die Dominicaner gegen das Buch
Partei ergriffen. Letztere waren bei der Römischen Inq. und. Index-
Congr. einflussreich, aber erstere fanden mächtige Bundesgenossen
in den Jesuiten und im spanischen Hofe, und die Rücksichtnahme
auf diesen ist in der Angelegenheit der Agreda noch stärker ge-
wesen als bei dem Streite über die Schriften des Raymundus LuUas
(I S. 31). König Carl' IL von Spanien, die Königin Louise nnd
die Königin Mutter Marianne beschwerten sich über das Inquisitions-
1) Es ist die Maria del Pilar. Im span. Index von 1790 werden unter
Examen die Schriften verb., welche „die Tradition von der Reise Mariae
nacli Saragossa*' bestreiten.
2) Weitere Auszüge im Deutschen Merkur 1870, 90. Vgl. E. Amort,
De revelationibus p. 227.
Maria von Agreda. 256
decret von 1681 bei Innocenz XI. Er antwortete ihnen in Breven
vom 9. !Nov. 1681 : auf ihren Wunsch habe er, obschon dieses gegen
die Praxis der Inq. Verstösse, das Decret suspendirt (supersedendum
duximus, heisst es in einem, sisti jussiraus rei cursum in dem an-
dern Breve); der Nuucius Meilini sei beauftragt, ihnen weiteres
mitzutheilen. Jedenfalls gestattete die span. Inquisition 1686 aus-
drücklich das Lesen des Buches. Carl II. schrieb später an Alexan-
der VIII.: er habe gehört, man wolle in Rom die Schriften der
Agr. verbieten ; in seinem Gebiete würden sie gedruckt und gelesen,
nicht nur mit Erlaubniss der Inq., die nach einer elfjährigen Prüfung
keinen Anlass zu einem Verbote gefunden, sondern auch auf Grund
des Breves Innocenz' XI.; der Papst möge die Schriften allgemein
freigeben, und wenn man in Rom an etwas darin Anstoss nehme,
möge man die Franciscaner darüber hören. Der Papst liess durch
den Gesandten antworten : eine neue Verordnung über die Schriften
sei nicht im Plane; nach dem Breve supersessorium dürften sie (in
Spanien) gelesen werden. Carl II. bat auch Innocenz XII. 1692
und 1696, das Lesen der Schriften allgemein zu gestatten; der
Papst antwortete beide Male, er habe fromme und gelehrte Männer
(die Cardinäle Campegna, Spada und Laurea) mit einer nochmaligen
Prüfung beauftragt.
In der 1692 gedruckten Appendix zu dem Index von 1681
(S. 34) steht auch das Buch der Agr. Die Franciscaner beschwerten
sich darüber, und der Papst befahl, dasselbe in den folgenden Index-
Ausgaben wegzulassen (es steht nur in jener Appendix und in dem
Abdruck derselben in dem Elenchus, Nancy 1709). — Im J. 1697
erklärten die Cardinäle Casanate und Noris den spanischen Fran-
ciscanern in Rom, an eine neue ihren Wünschen entsprechende Ent-
scheidung sei nicht zu denken. Als aber 1713 der Bischof und der
Inquisitor von Ceneda das Buch der Agr. als ein verbotenes be-
zeichneten, cassirte die Inq. 26. Sept. 1713 diese Erklärung, weil
das Decretum supersessorium noch in Kraft sei^).
Der 1 695 zu Marseille erschienene, von zwei Pariser Doctoren
approbirte erste Band einer französischen Uebersetzung: La mystique
Cite de Dieu .... traduite de l'espagnol par le P. Thomas Croset,
Recolet, veranlasste die Sorbonne, sich mit dem Buche zu beschäf-
tigen. Es wurden zunächst 22. Mai 1696 6 Doctoren mit der Prü-
fung beauftragt ; deren Bericht, in welchem viele Sätze scharf kriti-
sirt wurden, wurde gedruckt. Der Nuncius bemühte sich auf Be-
treiben der Franciscaner vergeblich, die Discussion zu verhindern.
Beim Beginne derselben sprach der Franciscaner Merom von zwei
Breven, in denen der Papst sich die Sache reservire, und drohte,
wenn man weiter gehe, an den Papst zu appelliren. Es stellte sich
aber heraus, dass die Breven nicht existirten. Es wurde nun, da
152 Doctoren ihr Votum abgaben und von den Vertheidigem der
Agr. einige 4 — 6 Stunden sprachen, vom 14. Juli bis 17. Sept. 1696
1) E. Amort, Controvorsia de reveiationibus Agred. p. 10.
256 Nonnen-OffenbaruDgen.
discutirt und dann mit einer Mehrheit von 50 Stimmen die Ver-
dammung des Buches beschlossen, welches viele temeräre Sätze,
Fabeln und apokryphische Träumereien enthalte und die katholische
Religion der Verachtung der Gottlosen und der Ketzer preisgebe,
mit der Erklärung, die Facultät wolle damit der Verehrung Mariae
und dem Glauben an die Imm. Conc. und die leibliche Himmelfahrt
Mariae nicht zu nahe treten^).
Unter Benedict XIII. wurden 1729 auf den Antrag der Po-
stulatoren für die Seligsprechung der Agreda die Verhandlungen
über das Buch wieder aufgenommen und unter Clemens XII. bis
1734 fortgesetzt. Die Replik auf die Censur der Inq. vom J. 1681
wurde einer Commission von Cardinälen überwiesen, von denen der
Dominicaner Gotti, ein Gegner der Agr., eine besonders hervor-
ragende Rolle gespielt zu haben scheint. Es erschien ein Decret,
worin das Buch der Agr. freigegeben wurde ; dasselbe wurde aber
alsbald für erschlichen erklärt ^j.
Unter Benedict XIV. kam die Sache wieder zur Verhandlung.
Der Promotor fidei, der Consistorialadvocat Lud. de Valentibus ver-
fasste 1747 eine ausführliche Zusammenstellung der Bedenken^),
und der Papst schrieb dann an den General der Observanten, Ra-
phael a Lugagnano 16. Jan. 1648: Bisher habe man nur über die
Frage verhandelt, ob das Buch der Agr. gelesen werden dürfe;
jetzt handle es sich um eine Prüfung desselben behufs Seligsprechung
der Verfasserin. Dabei kämen mehrere Punkte in Betracht. Zu-
nächst sei zu beweisen, dass das Buch wirklich von Agr. geschrieben
sei, und zu dem Ende seien die beiden Manuscripte desselben mit
dem, was sie sonst geschrieben, durch Sachverständige zu vergleichen ;
dann sei, da auch behauptet worden sei, sie habe das Buch zwar
geschrieben, aber verfasst habe es ihr Beichtvater, das Buch hin-
sichtlich des Stiles mit den unzweifelhaft echten Schriften der Agr.
zu vergleichen. Drittens sei der Inhalt des Buches zu prüfen und
dabei seien auch das Urtheil der Sorbonne und die Entgegnung des
Card. Aguirre und die Schriften des Eusebius Amort zu berück-
sichtigen. Der Card. Aguirre*) behaupte zwar, die Sorbonne habe
1) Arg. III a 150. Jourdain Bist. p. 281. Bossuet, Oeuvres 30, 637;
40, 172. 204 etc.
2) E. Amort, De revelationibus p. 220.
8) abgedr. bei E. Amort, Controv. p. 19; ib. p. 90 das Breve.
4) Ueber den Cardinal Aguirre macht Bossuet in seinen Briefen
(40, 205) böse Mittheilungen. Am 10. Juni 1696 schreibt er: „Aguirre
will sich nicht aussprechen; er will das Buch nicht gutheissen, aber auch
nicht verdammen, was seine Nation und sein König gutheissen**; 4. Sept.:
„Aguirre hat endlich offen gesprochen; man ist dahinter gekommen, dass
die Approbation des Buches die Wirkung einer Hofcabale ist, und der
Cardinal hat sich in Rom meinem Neffen gegenüber ziemlich unumwunden
darüber geäussert"; 3. März 1698 (41, 92): „Aguirre hat dem Abbe de
Pomponne einen pitoyablen Brief über die Mere d'Agreda geschrieben;
er sagt, diese Affaire könne zu einer Erneuerung des Krieges zwischen
den beiden Kronen führen."
Maria von Agreda. 257
die von ihr censurirten Sätze aus der fraDzÖBisohen üebersetzuDg
entnommen, nnd diese sei nngenau ; aber eben diese Uebersetzang
werde in einem von den Postulatoren eingereichten Actenstücke bis
in den Himmel erhoben. Noch nnter Benedict XIY. erklärte die
Riten-Congr. 7. Mai 1757, es sei erwiesen, dass Agr. das Bach ge-
schrieben^), aber erst unter Clemens XIV., 9. März 1771, der Stil
desselben stimme so genau mit dem ihrer unzweifelhaft echten
Schriften überein, dass man annehmen müsse, sie habe das Buch
auch verfasst (A. J. P. 2, 2332). — Theiner (Clemens XIV., I,
319) berichtet: Carl III. habe bei Clemens XIV., der als (Francis-
caner-)Cardinal Postulator für die Beatificatiou der Agr. und des
Bischofs Palafox gewesen, 1769 auf die Beendigung der beiden Pro-
cesse gedrungen; der französische Gesandte in Madrid habe an
Choiseul geschrieben : der Papst wünsche durch die Approbation des
Buches der Agr. die Definition der Imm. Conc. vorzubereiten ; es
wäre traurig, wenn, nachdem der Streit über die Bulle Ünigenitus
eben zu Ende sei, nun ein neuer Streit über die Imm. Conc. ent-
stände; er möge doch in Kom gegen das Project wirken; Choiseul
habe denn auch in diesem Sinne an den Card. Bemis geschrieben.
Unter Benedict XIV. schrieb Eusebius Amort 1744—61
mehrere Bücher über die Agr. und wurde, zumal er dabei auch
(in der Controversia de revelationibus Agredanis, 1746) bedenkliche
Aeusserungen über die Imm. Conc. gethan, von den Franciscanem
bei dem Kurfürsten von Baiem verklagt und von diesem die Nova
demonstratio de falsitate revelationum Agredanarum, 1751, verboten.
Benedict XIV. lobte brieflich einige Schriften von Amort. Der Mag.
S. Pal. gab sein Buch De revelationibus, visionibus et apparitionibus
privatis, 1744, dem P. Mamachi zur Prüfung; dieser fand aber
nichts daran zu tadeln als den schlechten Stil^).
Eine definitive Entscheidung über das Buch der Agr. ist weder
unter Clemens XIV. noch später erfolgt. In den A. J. P. 10, 454
wird berichtet: im April 1866 sei durch ein vom Papste bestätigtes
Decret der Index-Congr. dem Secretär derselben die Weisung ge-
geben worden, auf etwaige Anfragen zu antworten, das Buch der
-Agr« gehöre zu den verbotenen Büchern. Aber damit stimmt doch
nicht, dass bis in die neueste Zeit hinein Uebersetzungen und Be-
arbeitungen des Buches mit Approbationen erschienen sind und dass
eine ausführliche Apologie desselben von dem Abt Gueranger von
Pins IX. belobt worden ist^j.
1) Agreda hatte einige Briefe an Giulio Hospigliosi als Nuncius in
Madrid, Cardinal und Papst (Clemens IX.) geschrieben. Da sie sich nir-
gends, auch nicht in den Archiven der Rospigliosi und Pallavicini, fanden,
forderte Card. Chigi, Präsident der Riten-Conjz^r , durch ein Edict vom
2f». Jnni 1768 unter Androhung der reservirten Excommunication alle,
die von den Briefen etwas wüsstcn, auf, sich zu melden. Es kam nichts
zu Tage. A. J. P. 2, 2952.
2) Friedrich, Beitr. zur K.-G. des 18. Jahrh. S. 17.
3) Deutscher Merkur 1876, 72. Eine 1880 zu Turin erschienene
Reusch, Index n. X7
iteS Konnen-Ofifenbarungen.
2. Isabella de Eocaberti y Solier, geb. um 1550 zu Barce-
lona, wurde 1567 Dominicanerin, — ihr Ordensname war Hippolyta
de Jesus» — t 1624. Als ihr Seligsprechungsprocess in Rom ein-
geleitet war, — 1676 wurden in der Druckerei der apost. Kammer
zu Rom Informationes pro beatificatione et canonizatione Yen. Servae
Dei Hippolytae de Jesus . . . monialis Ord. S. Dom. gedruckt, —
beauftragte ihr Neffe, der Dominicaner Jo. Thomas de Rocaberti,
seit 1676 Erzbischof von Valencia, — er wurde 1095 General-
Inquisitor, t 1699, und ist bekannt als Herausgeber der Bibliotheca
pontificia in 21 Bänden (Hurter 2, 351), — seinen Ordensgenossen
Antonius de Lorea, die Schriften der Nonne, von denen ein Buch
De la penitencia, temor de Dios y meditaciones celestiales mit einer
Oracion que se tuvo en las honras de la Ven. Madre Sor Hipp, de Jesus
von dem Jesuiten Jaime Puig bereits 1643 zu Barcelona gedruckt
war, herauszugeben. Dieselben erschienen zu Valencia 1679 — 85
in 15 Bänden. Lorea veröif entlichte auch £pitome de la prodigiosa
vida, virtudes y admirables escritos de la Ven. Madre Hipp, de
Jesus y Rocaberti, sacada de los procesos de su beatificacion y ca-
nonizacion y otros documentos autenticos, Valencia 1679, 212 S.
Fol. Aber 1. Dec. 1687 wurde nicht nur diese Biographie verb.,
sondern auch schon einige Schriften der Rocaberti selbst, und bis
1700 folgte das Verbot weiterer Schriften, nach Qu^tif, quod quas-
dam visiones parum graves decentesque exhiberent; das Verbot
einiger Bücher wird aber wohl mit der Verdammung der Lehre des
MolinoB (1687) zusammenhangen. — Das Verzeichniss der 13 Schrif-
ten, die verb. wurden, drei mit d. c, die anderen unbedingt, füllt im
Index fast eine Seite. Es finden sich darunter zwei Bände De los
sagrados huesos [Knochen] de Cristo und Alaban<;as de los divinos
huesos in 7 Büchern. Die anderen Titel klingen unverfänglicher :
mystische Auslegung des Hohen Liedes und des Salve Regina,
Tractat von den h. Engeln u. s. w. ^).
Auffallender Weise steht weder im Rom. noch im span. Index
ein span. Buch von Luis de Mesa, Vida y virtudes de la Ven. Sor
Marianna de Jesus, Madr. 1661, obschon die darin mitgetheilten
Offenbarungen der 1620 gestorbenen Franciscaner-Tertiarierin von
dem Dominicaner Cayetano Benitez de Lugo als Consultor der
italienische üebersetzung wird in der Civ. catt. S. 11, vol. 6 (1881), p. 92
gelobt. — Die oben im Text benutzten Actcnstücke stehen, wo nicht eine
andere Quelle angegeben wird, in den A. J. P. 6, 1549. 2073. Die p. 2180
angekündigte Fortsetzung des Aufsatzes ist nicht erschienen; aber A. J. P.
9, 44 stehen noch einige scharfe Bemerkungen über Agr. — Der Jesuit
d'Avrigny, dessen Memoires ja aber anonym erschienen, spricht IV, 48
spöttisch von der Sache und meint, es wäre sehr gut gewesen, wenn der
erste Beichtvater das Buch ebenso beurtheilt hätte wie der zweite; es
habe die Seligsprechung der Agr. nicht gefördert und Bayle Anläse ge-
geben de debiter bien des sottises.
1) Quctif (2, 844) hat nicht alle Bände der Gesammt- Ausgabe ge-
sehen; sein Verzeichniss der Schriften ist aus dem Index zu vervollstän-
digen; er verzeichnet aber einige Schriften, die nicht verb. sind.
Hippolyta Rocaberti u. a. 25^
Riten-Congr. in einem 1731 abgegebenen Yotum und, als dieses
angegriffen wurde, in einer 1735 in der Cameraldruckerei zu Rom
gedruckten Assertio et justificatio voti etc. (abgedr. A. J. P. 19,
528) sehr scharf kritisirt wurden und der Beatificationsprocess dar-
auf abgebrochen wurde.
8. 1731 veröffentlichte der Benedictin er Bern. Pez zu Wien
zwei wunderliche Stücke aus dem 13. und 12. Jahrb.: Ven. Agnetis
Blannbekin . . . Vita et revelationes auctore anonyme Ord. FF.
Min. . . Accessit Pothonis ... 1. de miraculis S. D. G. Mariae
(456 S. 8.). Der Kaiser Carl VI. liess auf Betreiben des Grafen
Sinzendorf und des Bibliothekars Garelli das Buch wegen seines
anstössigen Inhalts, namentlich wegen einer das Praeputium Christi
betreffenden Stelle in den Revelationen der Nonne confisciren ^). Es
steht auch in dem Wiener Index von 1765. Im Rom. Index steht
dieses Buch nicht, aber unter Libellus stehen noch heute zwei
Ausgaben eines deutschen Schriftchens, von denen die eine 1758
von der Inq., die andere 1765 verb. worden (dem deutschen Titel
ist eine latein. resp. Italien. Uebersetzung beigefügt). Der Titel eines
in der Münchener K. Bibliothek aufbewahrten Exemplares (einer
andern Ausgabe) lautet: 3)ie fünf}el^en geheime Serben, fo einer
©d^toefler 9lamen8 SRagbalena im Älofter gfre^burg, @t. ßlarä Crbenä
uttb im Sllul^m groffer ^eiligleit, öon ß^rifto 3efu felbften geoffenbaret
tootbcn. aOBie aud^ nad^ bem Slblebcn in il^ren ©d^riften biefe fotgenbe
Offenbarung fid^ befunben. 2Rit Setnittigung her ^ol^en Cbrigleit.
^ünd^en, 3U ftnben be^ ber Jter^Ierin in ber @ruft. Es ist ein Heftchen
von 8 Octavblättern. Als Probe der geheimen (d. h. nicht in den
Evangelien erwähnten) Leiden Christi mag angeführt werden: 7. Sie
schlugen mich durch einen Nagel an das Erdreich und zogen mich
also bei den Beinen von der Statt. 8. Sie durchstachen mich mit
mannigfaltigen Waffen an den hinteren Theilen meines Leibes. 9.
Sie schlugen mich mit Steinen und brannten mich mit Fackeln und
Glut. 11. Sie begossen mir die Wunden mit wallendem Blei und
Pech. Das Schriftchen ist noch 1820 wieder gedruckt und von der
baierischen Regierung 1824 verb. worden (s. u.).
Im 19. Jahrb. ist man gegen „Offenbarungen" von Nonnen
sehr nachsichtig geworden. A. J. P. 9, 39 wird Klage darüber
geführt, dass die Werke der Marie Lataste ohne die durch Urban VIII.
1625 vorgeschriebene Erlaubniss des h. Stuhles (S. 223) wiederholt
gedruckt worden seien, — mit bischöflicher Approbation; sie auf
den Index zu setzen, davon ist nie die Rede gewesen, — und wird
folgendes daraus mitgetheilt : sie erzählt, sie habe in der Brust des
Heilands geweilt; dieser habe sein Herz in das ihrige gelegt; sie
sei in den Himmel und in die Mitte der drei göttlichen Personen
1) Hadriani Pontii Epist. ad amicum qua . . . historiam libri rarioris
exponit, qoi inscribitur: Ven. Agnetis . . . Adjectae sunt . . . R. P. Pezii
et 111. Garellii Biblioth. Caes. de hoc libro epistolae, 1735, 32. S. 8. Fleur.
74, 114. ü. N. 1732, 291.
i60 Schriften über Orden.
versetzt worden; Jesus habe ihr geoffenbart, er habe zwei Jahre
nur von der Milch Mariae gelebt; le lait ne venait au sein de ma
mere que lorsque je devais teter, dreimal im Tage zu bestimmten
Stunden; die Schönheit Christi werde als eine beaut^ physique etlascive
geschildert; sie habe in einer Vision die Accidentien des Brodes von
der Substanz der Eucharistie getrennt gesehen u. dgl.
38. Schriften über Orden.
Der Index enthält sehr viele Schriften über Orden. Schrif-
ten gegen den Ordensstand überhaupt oder gegen bestimmte
Orden bilden darunter die Minderzahl, die Mehrzahl Schriften
von Ordenslenten selbst, in denen sie ihren Orden ungebührlich
verherrlichen oder andere herabsetzen oder welche mit den
mancherlei, durchgängig kleinlichen Streitigkeiten der Orden
unter einander zusammenhangen. In den Decreta generalia
steht II, 12 das 1658 erlassene Verbot aller ohne Erlanbniss
der (Index-)Congregation gedruckten oder zu druckenden Bücher,
welche die Controverse über die wahre und ununterbrochene
Nachfolge der Söhne des h. Franciscus und über die wahre
Form seiner Capnze behandeln, und III, 8 das 1663 erlassene
Verbot aller Inschriften auf Bildern des h. Franciscus und des
h. Antonius von Padua, in welchen gesagt wird, die Foim des
Habites, in welcher sie abgebildet werden, sei diejenige, die
sie selbst getragen, oder in denen behauptet wird, dieser oder
jener Orden des h. Franciscus sei die wahre, legitime und unun*
terbrochene Nachfolge desselben. — Ausserdem stehen im Index
Schriften über die Streitigkeiten der Franciscaner und Domi-
nicaner, der Augustiner- Eremiten und Augustiner-Chorherren, der
Augustiner- Chorherren und Benedictiner, der Benedictiner und
Hieronymiten, der Mercedarier und Trinitarier. Auch einige die
Ordenstraditionen der Carmeliter betreffende Schriften stehen
im Index, auffallender Weise aber nicht das von Innocenz XII.
1698 ausgesprochene Verbot aller Streitschriften, die darüber
noch erscheinen würden. Der Streit, welcher darüber zwischen
Carmelitern und Jesuiten geführt wurde, führte in Spanien 1695
zu einem (1715 wieder aufgehobenen) Verbote von 14 Bänden
Capuciner und Fraiiciscaner. 261
der Acta Sanctoram der Bollandisten. In Rom warde nur ein
Band, und dieser aus einem andern Grunde, verboten.
1. Im Auftrage des Generalcapitels der Capuciner schrieb
Zaccaria Boverio, — Theologe des Cardinais Franc. Barberini auf
seiner Legation in Frankreich und Spanien, dann Consultor der In-
quisition, — die Geschichte des Ordens : Annalium sive sacrarum
historiarum Ordinis Minorum S. Francisci qui Capucini nuncupantur
Tom. L, Lugd. 1632, Fol. (1525-80). Der 2. Band (1580—1612)
erschien erst nach seinem Tode (1638) 1639 (der 3., 1612—38,
von Marcellino da Pisa, erst 1676). Es erschien auch eine italie-
nische üebersetzung : Annali de' Cappuccini del Z. Boverio tradotti
in volgare da Benedetto San-Benedetti, Ven. 1643, 4 vol. 4. (auch
eine spanische Üebersetzung, Madrid 1644, 3 Fol., eine französische
erst 1675), Das Buch wurde von den Franciscanern scharf ange-
griffen und 1651 (Alex. No. 55) wurden die beiden Bände des Ori-
ginals und die italienische Üebersetzung mit d. c. verboten. Im
folgenden Jahre, 19. Nov. 1652, gab die Index-Congr. die bean-
standeten Stellen an und gestattete, das Buch nach dieser Expurgation
neu zu drucken. Das Decret steht nicht bei Alex.; aber im Index
steht seit Alex., die nach demselben corrigirten Ausgaben beider
Bücher seien freigegeben. Es scheinen aber keine neuen Ausgaben
gedruckt zu sein^). — 1656 wurde ein zweites Buch eines Capu-
ciners mit d. c. verboten: Lectiones paraeneticae ad regnlam Sera-
phici Patris S. Francisci . . . Auct. Fr. Cypriano Crousers Ant-
werpiensi, Col. 1625, — 1658 ein drittes: Vera et dilucida expli-
catio praesentis status totius seraphicae Fratrum Minorum religionig
a sancto et magno Francisco Patriarcha inclito numine divino inspi-
rante fundatae. Per R. P. Fr. Bonitum Combasson Sabaudum,
Friburgi 1628 (Aug. Vind. 1630*. 104 S. 12.), worin der Orden
des h. Franciscus über alle Orden, der Capucinerorden über alle
alle anderen Zweige desselben erhoben wird. Gleichzeitig wurde
aber auf Betreiben der Capuciner unbedingt verboten ein prachtvoll
ausgestattetes, mit 75 Kupferstichen illustrirtes, von einem Laien
geschriebenes, aber nach dessen Tode von seinem Bruder, einem
Minoriten herausgegebenes und einem Cardinal gewidmetes Werk:
Fiume del terrestre paradiso diviso in quattro capi o discorsi. Trat-
tato difensivo del Signor Dottor Don Niccolö Catalano da S.
Mauro, ove si ragguaglia il mondo della veritä dell' antica forma
deir abito de* frati minori instituita da S. Francesco. Dato alle
stampe dal P. M. Giulio Ant. Catalano da S. Mauro, Min. Prov. di
S. Niccol6 Min. Conventuale . . . dedicato . . . al Card. Pier Luigi
Carafa, Prefetto della S. Congr. del Concilio, Florenz 1652, 4.
Albit. p. 283 sagt, es sei als injuriös für den Capucinerorden verb.
1) Mazzuchelli 2, 1915. Niceron 25, 319. Clement 5, 151. Pragm.
Gesch. der Mönchsorden 7, 44 (hier werden Auszüge aus dem Buche ge-
geben).
262 Schriften über Orden.
worden. — Das Decret von 1658 (Alex. No. 67) enthält auch das
allgemeine Verbot, welches Ben. in die Decr. gen. aufgenommen.
Unter dieses fällt auch das nicht speciell verbotenene Buch von
Boverio : Demonstrationes undecim de vera habitus forma a S. Fran-
cisco instituta. Ad Urbanum Ylll.f Lugd. 1632.
l^ach diesem Verbote wurde der Streit über das Habit des
h. Franciscus nicht mehr mit Büchern, aber mit Bildern weiterge-
führt. Die Capuciner Hessen zu Verona ein Bild des h. Antonius
von Padua im Capucinerhabit drucken mit der Unterschrift: La vera
forma dell' abito di S. Francisco. Die Congregation der Riten be-
fahl ihnen, unter Bezugnahme auf das Decret von 1658, das in la
piü vera zu corrigiren (A. J. P. 20, 486). Die Index-Congr. aber
erweiterte das Verbot von 1658 durch ein Verbot in einem Decrete
vom 20. Nov. 1663 (Alex. No. 78), dessen Inhalt von Ben. in die
Decr. gen. lU, 8 aufgenommen wurde. Der Streit brach nach
wenigen Jahren wieder aus. Die Franciscaner-Conventualen stellten
mit Erlaubniss Innocenz^ X. in Neapel ein Bild des h. Antonius in
ihrem Habit aus, wurden aber von der Congr. der Riten 15. Jan.
1667 ermahnt, ne victoriam et triuraphum jactarent, da die Contro-
verse über das Habit des h. Franciscus mit jener vom Papste er-
theilten Erlaubniss nicht entschieden sei. Nun stellten die Capuciner
in Neapel ein Bild des h. Antonius in ihrem Habite aus ; das wurde
von der Riten-Congr. 19. Nov. 1667 verboten. Die Conventualen
Hessen das betreifende Decret drucken und deuteten es dahin, dass
der h. Antonius überhaupt nicht im Habite der Capuciner, sondern
nur in dem der Conventualen abgebildet werden dürfe. Die Riten-
Congr. erklärte darauf 21. Juli 1668, jenes Verbot gelte nur für
Neapel, und 22. Jan. 1707 ((xardelHni 4, 3612), es sei den Capu-
cinern gestattet, Bilder des h. Antonius im Capucinerhabit aufzustellen
und auch bei Processionen ausserhalb ihrer Kirchen umherzutragen,
aber nicht unter solchen Bildern Inschriften anzubringen, worin das
Capucinerhabit als die verior forma des Habits des h. Franciscus
bezeichnet werde. Benedict XIV., der über diese Controverse ganz
ernsthaft berichtet (Beatif. 1. 4, p. 2, c. 21, n. 11; vgl. A. J. P.
20, 486), sagt, jetzt stelle jeder Zweig des Franciscanerordens die
beiden Heiligen mit Habiten nach seinem Schnitt aus^).
Auch die anderen Zweige des Franciscanerordens hatten Fehden
unter einander. Urban VIII. verbot 15. Mai 1628 unter Androhung
der Excommunication, zu behaupten, die Conventualen seien nicht
wahre und echte Söhne des h. Franciscus (A. J. P. 20, 485), und
Melzi 2, 164 erwähnt eine zu Lucca 1748 — 50 in 3 Quartbänden er-
schienene Apologie eines Minoriten gegen eine der Riten-Congr. vor-
gelegte Schrift, worin mit historischen Gründen bewiesen war, dass
alle HeiHgen und SeHgen der beiden ersten Jahrhunderte des Francis-
1) Im span. Index steht auch eine Cuestion medica moral von dem
Arzte J. B. Manganeda über die Sitte der Capuciner, auch während schwerer
Krankheiten die Kutte auf blossem Leibe zu tragen, Cordova 1679.
Franciscaner und Doininioaner. 268
canerordens ansschliesslicb den Conventnalen angehörten. Diese
Controverse hat aber keine Spuren im Index hinterlassen. Nur im
Bpan. Index steht eine Schrift von Juan de Solana, worin bewiesen
werden soll, die Observanten seien die echten Söhne des b. Fran-
ciscus. Mit irgend einer Franciscan er- Angelegenheit hängt aber zu-
sammen das Verbot der Croniche della Eiforma di Basilicata da
Fra Buonaventura fAbbate) di Laurenzana, Neapel 1683, verb.
1690; denn nach Toppi handelt es sich in dem Buche um die Pro-
vinz Basilicata des Ordens der Observanten. Mit irgend einem
Streite im Franciscanerorden in Spanien, über den ich nichts ge-
funden, hangen zusammen eine Elucidatio veritatis von Jo. Alvin
(Albin), der als General der Minoriten bezeichnet wird, und Re-
tractorias vozes von dem Minoriten Julian Chumillas, die beide
1693 verb. wurden. Dies letztere steht auch im span. Index als
1750 verb. und wird dort als ein Papel von 3 Blättern und als
vom 24. Juli 1692 datirt bezeichnet. — Fulgentio Manfredi, von
dem 1605 Apologia sopra la riformatione deir ordine suo contra
quelli che sotto pretesto di riformare lo diiformano^ verb. wurde,
war nach Alex. No. 5 ein Observant.
Im Rom. (nicht im span.) Index steht seit 1665: Naturae
prodigium et gratiae portentum h. e. Seraphici P. Francisci vitae
acta ad Christi Domini vitam et mortem regulata et coaptata a P.
Petro de Alva et Astorga 0. Min., Madr. 1651, Fol., worin 4000
Aehnlicbkeiten zwischen dem h. Franciscus und Christus nachge-
wiesen werden, während in dem Liber conformitatum des Bartholo-
maeus von Pisa doch nur 40 nachgewiesen waren ^). Gleichzeitig
wurde ein Buch eines Gehülfen Alva's verb.: Juizio de Salomon
acerca de averiguar, quien sea la verdadera niadre de un hijo 11a-
mado antiguamente Continuo, despues Glossa conti nua, y ahora Ca-
tena aurea, sacado a luz y dispuesto por el P. Fr. Martin Perez
de Guevara del Orden de los Menores, 1662, worin bewiesen werden
soll, dass die Catena aurea des Dominicaners Thomas von Aquin
ein Plagiat aus einem Werke des Franciscaners Pontius Carbo-
nellus sei ^).
2. Mit den Dominicanern zankten sich die Franciscaner nicht
nur über die Immaculata Conceptio, sondern auch über andere Dinge,
unter anderen über die Stigmatisation, welche diese als eine Art
von Privilegium ihres Ordensstifters anzusehen geneigt waren. Der
ans ihrem Orden hervorgegangene Papst Sixtus IV. verordnete 1475,
nur der h. Franciscus dürfe mit den Wundmalen abgebildet werden,
1) I S. 238. Pragm. Gesch. der Mönchsorden 7, 145. 247. 278. Cle-
ment 1, 231. Biblioth. raisonuee 31, 1, 287. — Im span. Index werden
Conclusiones verb., welche Franciscaner 1742 vertheidigt hatten, darunter:
Corpus S. P. N. Francisci, ut proponitur sacris stigmatibus insignitum,
est adorabile cultu respectivo latriae, und wird (1747) in den Asserta
theologica des Minoriten B. G. Deccrra die Quaestio gestrichen : Qua ado-
ratioue sit adorabile corpus parentis nostri S. Francisci.
2) Vinc. BaroDi Apol. l, 222. Mich, a S. Jos. 3, 446.
264 Schriften über Orden.
und verbot 1472 speciell, zu sagen und zu predigen, auch die b.
Catharina von 8iena habe das charisma stigmatum gehabt, und sie
mit den Stigmata abzubilden. Innocenz YlII. schärfte dieses letzte
Verbot ein und befahl, auf den vorhandenen Bildern der h. Catha-
rina die Stigmata zu beseitigen. Unter dem Dominicaner - Papst
Pius V. wurde aber bei der Revision des Breviers ein ausführlicher
Bericht über die Stigmatisation der h. Catharina in ihrem Officium
approbirt und das Abbilden derselben mit den Stigmata gestattet.
Clemens VIII. verbot, über die Sache zu streiten. Benedict XIII.
gestattete den Dominicanern 1727 ein Officium in honorem impres-
sionis stigmatum in corpore S. Catharinae Senensis nach Analogie
des Officium in hon. impr. st. in corp. S. Francisci, welches seit
Paul V. im Rom. Brevier (17. Sept.) steht i). — 1738 liessen die
Dominicaner zu Palma theologische Conclusionen drucken mit einem
Titelbild, worauf die sei. Lucia de Narni, eine Dominicanerin, mit
den Stigmata dargestellt war. Die Minoriten beklagten sich bei dem
Bischof und dieser verbot die Conclusionen bei Strafe der Excommu-
nication. Die Dominicaner appellirten nach Rom und die Riten-
Congr. erklärte es 1740 nach Anhörung beider Orden für erlaubt,
die sei. Lucia mit den Stigmata abzubilden (A. J. P. 1, 1240).
Auf Grund des Verbotes Clemens' VIII. kamen in den Index: Re-
ligiosa difesa del singolar favore delle sagratissime stimraate del
raffigurato di Cristo S. Francesco, fatta da S. F. Ugolini, verb.
1669, und Dialogo traumatico regulär, en el cual hablan tres pa-
dres del orden de S. Domingo como censores de un tratado intitu-
lado : El humano Seraphin y unico Llagado de como solo el glorioso
Padre nuestro S. Francisco etc., Genua 1690, verb. 1700, — erst
seit Ben. unter dem Namen des Verfassers, Pedro San che z Arroyo,
Min. Conv., — wie Benedict XIV. 1. c. berichtet, verboten, weil
der Verfasser bei der Besprechung eines Streites, der in Mexico
über ein Bild des h. Domin icus mit den Stigmata entstanden war,
behauptet hatte, es sei unpassend (nee decuisse nee decere), dass
ein Weib stigmatisirt werde, was man mit Recht als eine Stichelei
(suggillatio) auf die Stigmata der h. Catharina aufgcfasst habe. Im
Span. Index steht nicht der Dialogo, aber El humano Seraphin y
unico Llagado, tratado apologetico, mit dem Namen des Verfassers,
Fr. Martin del Castillo.
3. Wie Franciscaner und Capuciner, so befehdeten einander
auch Augustiner-Eremiten und Augustiner-Chorherren (Canonici re-
guläres; K.-L. 1,1657. Pragmat. Gesch. 5,319). Von den auf diese
Fehde bezüglichen Schriften stehen im Index: Prosperi Stellartii
Augustiniomachia i. e. pro Augustino et Augustinianis vindiciae
tutelares, Lugd. 1613, verb. 1622, von dem belgischen Augustiner
P. Stellaerts zu Gunsten der Eremiten geschrieben (Paquot 2, 161);
— Jos. Mozzagrugni Narratio rerum gestarum Canonicorum regu-
larium, in qua praeter eorum originem, .... praecellentiam, habi-
1) Bened. XIV. Beatif. 1. 4, p. 2, c. 8, n. 4.
Augustiner und Benedictiner. 265
tum, reform ationes in Universum praecipue recensentur reformatio
ßjnsdem Ordinis in Canonicos reguläres congregationis S. Salvatoris
Ordinis S. Aug. necnon privilegia etc., Ven. 1622, 4., verb. 1624 ;
— Apologeticus tripartitus pro D. Augustini triplici epistola per
modum libelli supplicis oblatus Summo Pontiüci, supremae Pari-
siorum Curiae et Generali Eremitarum Ordinis, in quo multae quae-
stiones de D. Augustino ejusque ordine solvuntur, opera ac studio
Prancisci Renati Equitis Gallo-Belgici, Lugd. 1645, 8., verb. 1646,
^egen die Augustiner-Chorberren, speciell gegen eine spaniscbe Schrift
,,der goldene Leuchter im Tempel Salomo's**, von dem Augustiner*
Eremiten Carl Moreau geschrieben, von seinen Freunden veröffent-
licht. Der Verfasser des goldenen Leuchters denuncirte das Buch
bei der Index-Congr., die dasselbe nicht des Inhalts, sondern der
icherzhaft-satirischen Form wegen verboten haben soll. Darauf er-
schien Yindiciae quadripartitae pro D. Augustino et Augustinianis
s. epitome omnium, quac disputari hactenns solent circa D. Augustini
)pera quaedam, monachatum, habitum, regulam, calceaturam, anti-
juitatem Ordinis Eremitarum ejusque approbationem et reformationem.
[Jbi examinatur Candelabrum aureum . . . op. et studio F. Garoli
lloreau, Ord. Erem. S. Aug. Communitatis Bituric, Antw. 1650, 4.
^uch dieses Buch wurde denuncirt und Moreau nach Rom citirt.
[Cr schrieb nun Ad Emin. Cardinales negotiis et consultationibus
»piscoporum et regularium praepositos pro Vindiciis . . . Apologeti-
sns 11. Oct. 1651 (nicht gedruckt), und wurde freigesprochen^).
Stärkere Spuren hat der Rangstreit zwischen den Augustiner-
Chorherren und den Benedirtinern im Index znrückgelassen: Mure-
lulae sacrae vestis sponsae regis vermicnlatae. Opus de privilegiis
»rdinum regularium, auth. Virginio Alviset Bisontino, Ven. 1661,
^erb. 1664. Opus de privilegiis ordinum regularium et in specie
le privilegiis ordinis Bonedicti, 1673 und Kempten 1679, wird eine
xpurgirte Ausgabe desselben Buches sein. Erath in dem gleich
n erwähnenden Buche ist besonders verdriesslich über eine Ge-
chichte, worin ein Bauer über das Habit der Chorherren spottet,
ie Alviset aus einer Schrift des Bischofs P. Camutz (Camus) auf-
:enommen. — Commentarius theologico-juridico-historicus in regulam
I. P. N. Augustini . . . Auth. D. Augustino Erath, Eccl. coUeg.
d B. V. in Wettenhausen Canonico regulari. Tom. 1., Wien 1689,
50 S. Fol. — Antilogia s. juridico-historica defensio et responsio
d praejudicia ecclesiasticae hierarchiae, clero, specialiter cathedrali
t Ordini S. Benedicti illata a D. Aug. Erath .... studio et
pera Dom. Eusebii Carlymmeshin Castroferrariensis, Wien 1715
von Anselm Schramb, Benedictiner in Melk), beide verboten in
inem Decrete der Index-Congr. vom 13. Juli 1717, in welchem
ugleich beiden Theilen und jedermann Schweigen aufgelegt wird
iber die in diesen Büchern verhandelte controversia praecedentiae
wischen den Canonici reguläres und den Benedictinern. Erath Hess
1) Villani, Visiera alzata p. 108. Pragm. Gesch. 5, 880; 6, 53.
266 . Schriften über Orden.
wegen dieses Verbotes dem ersten Bande keine weiteren folgen (er
schrieb auch Acta pro coaeva exemptione cathedralis Ecclesiae Passa-
viensis contra subjectionem metropolitanae Eccl. Salisburgiensis ;
anch bezüglich dieses Streites, über den in Wien und bei der Rö-
mischen Eota verhandelt wurde, wurde Schweigen geboten). Aber
in Hildesheim vertheidigte den Vorrang der Benedictiner Benedictus
St ölte in dem Tractatus historico-juridicus de praecedentia contro-
versa monachos Benedictinos inter et Canonicos reguläres S. Au-
gustiui, Erfurt 1730. Das Buch wurde in Rom denuncirt und 1731
verboten. Die Chorherren hefteten das Decret an den Kirchenthüren
an; der Abt von Gladbach, Praeses der Bursfelder Congregation,
schrieb nach Rom und erhielt zur Antwort, das Buch sei nur ver-
boten, weil überhaupt verboten sei, über dieses Thema zu schreiben;
der Streitfrage selbst werde damit nicht präjudicirt. Ohne Zweifel
wurde auch von des Augsburger Benedictiners Corbinian Khamm
Hierarchia Augustana der Prodromus partis III. Regularis, Augsb.
1717, 1721 darum verb., weil darin p. 145 eine Abhandlung De
praerogativa praecedentiae Canonicorum Reg. Ord. S. Aug. steht.
— 1734 verbot die Index-Congr. Repartie de M. Tabbe de St.
Gilles ä la protestation de M. Tabbe de Boneffe du 2. de May,
1732, und Apologie pour les Religieux Benedictins du diocise
et pays de Liege touchant leur pres^ance et prirogatives, pour ser-
vir de r^ponse ä un ecrit intitul6 Repartie etc., 1732. Sie fügte
nun aber gleich bei, die Schriftchen würden verboten ob transgres-
sionem impositi silentii etc., was im Index billiger Weise auch bei
Stolte (und Ehamm) stehen sollte^).
4. Mit einer ganzen Reihe von Schriften ist der Index be-
reichert worden durch die Streitigkeiten zwischen den beiden Orden,
die sich mit der Loskaufung der Gefangenen beschäftigten, den Tri-
nitariern, — Ordo Sanctissimae Trinitatis redemtionis captivomm
(della redenzione de' schiavi oder del riscatto, in Frankreich Mathu-
rins genannt), gestiftet 1198 von Job. de Matha und Felix von
Valois, — und den Mercedarien, — Ordo B. Mariae de Mercede
redemtionis captivomm (auch de Remedio), gestiftet 1235 von Petrus
Kolascus. Im J. 1663 beklagten sich die Mercedarier bei dem
Papste, die Trinitarier behaupteten, die Loskaufung der Gefangenen
sei nicht schon in der ursprünglichen Regel des Ordens als Zweck
desselben bezeichnet; dieses werde namentlich in einer 1660 zu Rom
gedruckten Biographie der Stifter des Trinitarier-Ordens von Franc,
di S. Lorenzo behauptet. Die Trinitarier ihrerseits sagten, die Mer-
cedarier behaupteten von ihnen ähnliches. Der Papst beauftragte
den Secretär der Riten-Congr., Febeo, zwischen den Generalprocura-
toren der beiden Orden Frieden zu stiften, und diese versprachen
denn auch, das Vortragen jener Behauptungen zu verbieten. In dem
incriminirten Buche befahl die Riten-Congr. die betreffende Stelle
1) Ziegelbauer, Hist. rei lit. 1, 622 (hier ist auch das Index -Decret
von 1717 abgedruckt). Clements, 94. Ueber den Streit zwischen den beiden
Orden in Burgund s. Dupin 19, 25. Valery, 2, 130. 150.
Trinitarier und Mercedarier. 267
in einer neuen Ausgabe zu corrigiren (A. J. P. 8, 1140). Ausserdem
scheinen sich aber in den Abläse- Verzeichnissen der beiden Orden
und der mit ihnen verbundenen Bruderschaften Unrichtigkeiten ge-
funden zu haben. Denn in dem Decrete der Index-Congr. vom
10. Apr. 1666 finden sich unter der Ueberschrift: Libelli quidam
continentes indulgeniias, gratias, privilegia etc. confraternitatis S.
Trin. de Hedemtione Captivorum et B. M. de Remedio ausser dem
Compendio della vita miracolosa dei Santi Giovanni de Matha e
Feiice Yalesio, con una brevissima dichiaratione delle s. indulgenze
von Franc, di S. Lorenzo noch 8 Ablass-Bncher und Ablasszettel,
die seit Ben. unter Lorenzo, Compendio, Confr^rie, Institutione und
Sommario stehen, ausserdem J. Jenny n, Vera confraternitatis S.
Trin. de Red. Capt. et B. M. de Remedio nee non vitae SS. Patriar-
charum Joannis et Felicis idea. Schon 1621 war ein derartiges
Ablassverzeichnißs (jetzt unter Indulgenze) mit d. c. verb. 1694
wurde eines (jetzt unter Sommario) von der Inq. verboten, mit dem
Zusätze: impressum, ut falso dicitur, Romae cum insignibus Inno-
centii XII. et Relig. Captiv. — 1714 wurde ein Rosaire verboten
(S. 218), dann 1714 — 18 noch drei Ablassverzeichnisse von der Ab-
lass-Congr. (jetzt unter Sommario; vgl. Bull. cont. II, 444 — 446).
In den beiden letzten ist auch von einem Scapolario ovvero abitino
der Trinitarier die Rede; es ist das weisse Scapulier, von welchem
Schneider S. 308 ausführlich handelt (Keusch, Die deutschen Bischöfe
S. 39). Auch die unter Sanz stehenden spanischen Thesen werden
mit diesen Ordensstreitigkeiten zusammenhangen. — 1729 wurde
noch verb. Jo. a S. Feiice Triumphus misericordiae i. e. sacrum
Ordinis SS. Trinitatis institutum de redemtione capt. cum Kaien-
dario historico universi ordinis, Wien 1704. Um diese Zeit hatten
die beiden Orden wieder eine Differenz: die Trinitarier erhielten
1727 die Frlaubniss, das Officium B. M. V. de Remedio am 2. Sonntag
im October zu beten; die Mercedarier machten darauf aufmerksam,
dass B. M. V. de Remedio doch nicht verschieden sei von B. M.
V. de Mercede, deren Officium Innocenz XII. für den 24. Sept. all-
gemein vorgeschrieben, worauf 1730 jene Erlaubniss zurückgenom-
men wurde.
5. Das erste auf die Carmeliter bezügliche Verbot ist vom
J. 1646: Paradisus Carmelici decoris, in quo archetypicae religionis
magni patris Heliae prophetae origo et trophaea monstrantur et He-
liades ab ortu suo usque ad haec tempora sapientia et mirabili vir-
tutg clarentes per anacephalaeosin perstringuntur. . . . Cum apologia
pro Joanne XLIV. Patriarcha Jerosolymitano. Additur.in fine Jo.
Trithemii ... 1. de laudibus ordinis Carm. ^). Auct. R. P. F. Marco
Ant. A legre de Casanate Carmelita, Hispano Celtibero . . . Lugd.
1639, Fol. (mit vielen Approbationen von Theologen). Natürlich
wird Elias als der Stifter des Ordens dargestellt; unter seinen Mit-
1) In dem Fxemplar der Münchener Hofbibl. steht hier Ad fidem
Indicis expurgatorii a s. fidei solio supremo editi nuperrime.
268 Schriften über Orden.
gliedern fignriren die Propheten Jonas, Michaeas, iBaias, Jeremias^
£zecbiel nnd Daniel, Jesus Sirach, die Rechabiten und die Assidäer,
Johannes der Täufer, die h. Jungfrau, der Evangelist Marcus, S.
Schariotus, abbas conventus Engaddi» unus ex Essenis Joannis Bap-
tistae discipulis u. s. w. u. s. w. (Ph. Labbe, Diss. de Script, eccl.
2, 826). In dem Apologema für Johannes von Jerusalem (I S. 554)
wird namentlich Baronius bekämpft. Natürlich wird auch die Or-
denstradition über das Scapulier ausführlich vertheidigt. 1642 nahm
die Sorbonne das Buch in Untersuchung. Launoy schrieb damals
auf Ersuchen eines Freundes zwei Abhandlungen, die ein Canonicus
von Beauvais ohne sein Vorwissen drucken Hess: Dissertatio duplex,
una de origine et confirmatione privilegiati scapularis Garmelitarum,
altera de visione Simonis Stockii, Lugd. Bat. (Beauvais) 1642. Die
Schrift wurde von drei Carmelitern bekämpft und nun gab Launoy
selbst heraus: De Simonis Stockii visu, de Sabbathinae Bullae pri-
vilegio et de scapularis Garmelitarum sodalitate dissertationes qnin-
que, 1642 (Opp. II, 2, 379), mit anderen Schriften von Launoy
verb. 1690. — 1684 wurde verb.: Historia Carmelitana theologice
propugnata. Quaestio theologica: Quis prophetas facit successores
post se? Theses quas tuebitur Biterris mense Aprilis 1682 Philippns
Teissier. In diesen Thesen, die wirklich im Carmeliterkloster zu
Beziers in Gegenwart des Bischofs vertheidigt wurden (abgedr. bei
Bayle, Oeuvres 1,82. Pragm. Gesch. der Mönchsorden 1, 121) wird
u. a. die freilich auch von anderen Carmelitern vorgetragene An-
sicht ausgesprochen, wahrscheinlich seien auch Pythagoras und seine
Schüler und die Druiden Carmeliter gewesen.
Als Teissiers Thesen verboten wurden, war der Streit der Car-
meliter mit den Jesuiten (Bollandisten) bereits im Gange, der bis
zum Ende des Jahrhunderts dauerte. In den 1668 erschienenen Acta
Sanctorum mensis Martii zeigte Daniel Papenbroek, dass Berthold
von Calabrien um 1160 (29. März) als erster, Cyrillus, 1231 — 34
(6. März), als dritter General der Carmeliter anzusehen sei. Auch
in den folgenden Bänden der Acta Sanct. wurden die Ansichten der
Carmeliter von dem Alter ihres Ordens u. s. w. direct oder indi-
rect bekämpft. Es erschien nun 1668 — 98 eine Reihe von Streit-
schriften (Helyot I p. XXXVII. 282 Backer 5, 70) und bald wurde
der Streit auch in Rom und bei der spanischen Inquisition anhängig
gemacht. Der Hauptkämpe der Carmeliter war Sebastianus a S. Paulo.
Er schrieb zunächst 1683 Libellus supplex Innocentio XI. pro
origine et antiquitate Ordinis Garmelitarum variisque illius hist^is
a S. Gongr. Rituum iterato recognitis et approbatis nee non Summo-
rum Pontif. buUis adv. R. P. Dan. Papebrochium eas ut commenta
et imposturas explodentem exhibitus, mit dem falschen Druckort
Frankfurt o. J., dann, nachdem der Process bereits anhängig war,
Exhibitio errorum, quos R. Daniel Papebrochius S. J. commisit
contra Christi paupertatem, . . . S. PontiÄcum acta et gesta, bullas^
brevia et decreta, Concilia, S. Scripturam, Ecclesiae capitis prima-
tum et unitatem etc. etc. Gol. 1693*. 650 S. 4. Gegen letztere
Schrift erschien Besponsio Danielis Papebrochii ad Exhibitionem etc.,
Carmeliter und BoUandisten. 269
Antw. 1696 und 1697*, 350 und 550 S. 4., und als 3. Band: Elu-
cidatio historica actorum in controversia super origine . . . S. Or-
dinis B. M. V. de Monte Carmelo, Antw. 1698,* 212 S. 4. (einige
andere Schriften sind beigedruckt). — Wie schon der Titel zeigt,
beschränkt sich Seb. a S. Paulo in seiner Exbibitio nicht auf die
Traditionen der Carmeliter; er klagt Pap. u. a. auch an, dass er
die Legende von der Yeronica, die Echtheit der Lucasbilder, des
Praeputium Christi zu Antwerpen^) u. s. w., den 25jährigen Epi-
scopat Petri zu Eom, den Aufenthalt des Lazarus, der Maria und
Martha in der Provence, die Missionsthätigkeit des Dionysius Areo-
pagita in Paris, sein Martyrium und die Echtheit der ihm zuge-
schriebenen Schriften, das Concil von Sinuessa, die Taufe Constan*
tins durch P. Silvester, die Constantinische Schenkung, die Abfassung
des Symbolums Quicunque durch Athanasius bestreite, Paulus neben
Petrus Bischof von Rom gewesen sein lasse u. s. w., ferner dass
er Ketzern epitheta honorifica beigelegt, z. B. Cl. Salmasius als eru-
ditus et accuratus, Gerhard Yossius als vir eruditissimus bezeichne
und von D. Blondels incredibilis diligentia spreche, dass er ver-
botene Bücher, namentlich von Alexander Natalis und Launoy, citire
u. s. w.
Bei der spanischen Inquisition wurden die Acta Sanctorum
1691 denuncirt. Nach dem Tode des General-Inquisitors Diego Sar-
miento de Yolladores und vor der Ernennung seines Nachfolgers
verboten die Provincial-Inquisitionen von Toledo, Saragossa, Madrid
und Yalladolid im Nov. und Dec. 1695 die 1668 — 88 erschienenen
Bände, je 3 vom März und April, 7 vom Mai (die 4 letzten ent-
halten nichts über die Carmelitertraditionen) und das Propylaeum
ad AA. SS. Maii (1685), zusammen 14 Bände. Das Yerbot wird
in allen vier Decreten damit motivirt, dass die Bände irrige, ketze-
rische, nach Ketzerei schmeckende, . . . . , für mehrere Päpste, den
apostolischen Stuhl, die h. Congregation der Eiten, das Römische
Brevier und Martyrologium, für viele Orden und namentlich den
der Carmeliter und für viele Nationen und insbesondere die spanische
beleidigende Sätze, auch viele Lobsprüche auf Ketzer und übel be-
rufene Autoren enthielten. Der portugiesische General-Inquisitor,
Bischof Joseph de Lancastro (ein Carmeliter), beschränkte sich in
seinem Edicte vom 24. Jan. 1696 darauf, zu verordnen, die 14
Bände, von denen er erfahren, dass sie manche der Lehre der h.
Yäter und der gewöhnlichen Ansicht der Kirche widersprechende
Sätze enthielten, seien binnen drei Tagen an die Inquisition abzu-
liefern, um von dieser geprüft zu werden^). Pap. und seine Mit-
1) Ich habe bei Döllinger ein 1802 zu Born mit Approbation des
Mag. S. Pal. gedrucktes Schriftchen gesehen (Narrazione critico-storica
della reliquia preziosissima del santo prepuzio di N. S. Gesü Cristo etc.),
worin u. a. p. 6 gesagt wird, diese in der Pfarrkirche zu Calcata in der
Diöcese Civitä Castellana befindliche Reliquie sei nächst dem h. Sacra-
mente der Eucharistie die werthvollste unter allen Reliquien Christi.
2) Ein zu Löwen 1696 erschienener Abdruck derß Decrete: Decreta
Schriften über Orden.
fignriren die Propheten Jonas, Michaeas, iBaias, Jeremiasi
und Daniel, Jesus Sirach, die Rechabiten und die Assidaer,
8 der Täufer, die h. Jungfrau, der Evangelist Marcus, S.
tus, ahbas conventus Engaddi, unus ex Essenis Joannis Bap-
iscipulis u. s. w. u. s. w. (Ph. Lubbe, Diss. de Script, ecci.
). In dem Apologema für Johannes von Jerusalem (I S. 554)
amentlich Baronius bekämpft. Natürlich wird auch die Or-
dition über das Scapulier ausführlich vertheidigt. 1642 nahm
rbonne das Buch in Untersuchung. I^aunov schrieb damals
rsuchen eines Freundes zwei Abhandlungen, die ein Ganonicus
eaavais ohne sein Vorwiseen druckou licss: Dissertatio duplex,
de origine et confirmatione privib^giati scaputaris Garmelitarum,
a de visione Simonis Stockii, Lugd. Hat. (Beauvais) 1642. Die
ift wurde von drei Carmelitern bekämpft und nun gab Launoy
st heraus: De Simonis Stockii visu, de Sabbathinae Bullae pri-
gio et de scapularis Carmelitaruni sodalitate dissertationes quin-
, 1642 (Opp. 11, 2, 379), mit anderen Schriften von Lannoy
b. 1690. — 1684 wurde verb.: ITistoria Carmelitana theologice
bpugnata. Quaestio theologica: (^uis prophetas facit successores
st se? Theses quas tuebitur Biterris niense Aprilis 1682 Philippns
eissier. In diesen Thesen, die wirklich im Carmeliterkloster zu
eziers in Gegenwart des Bischofs vertheidigt wurden (abgedr. bei
ayle, Oeuvres 1,82. Pragm. Gesch. der Mönchsorden 1, 121) wird
. a. die freilich auch von anderen Carmelitern vorgetragene An-
icht ausgesprochen, wahrscheinlich seien auch Pythagoras und seine
Scbtiler und die Druiden Carmeliter gewesen.
Als Teissiers Thesen verboten wurden, war der Streit der Car-
meliter mit den Jesuiten (Bollandisten) bereits im Gange, der bis
zum Ende des Jahrhunderts dauerte. In den 1668 erschienenen Act«
Sanctorum mensis Martii zeigte Daniel Papenbroek, dass Berthold
von Calabrien um 1160 (29. :März) als erster, Cyrillus, 1231 — 34
(6. März), als dritter General der Carmeliter anzusehen sei. Auch
in den folgenden Bänden der Acta Sanct. wurden die Ansichten der
Carmeliter von dem Alter ihres Ordens u. s. w. direct oder indi-
rect bekämpft. Es erschien nun 1668 — 08 eine Reihe von Streit-
Bchriften (Helyot I p. XXXVII. 282 Backer 5, 70) und bald wurde
der Streit auch in Rom und bei der spanischen Inquisition anhängig
gemacht. Der Hauptkämpe der Carmeliter war Sebastianus a S. Paulo.
Er schrieb zunächst 1683 Libellus sup{>lex Innocentio XI. pro
origine et antiquitate Ordinis Carmelitarum variisque illius hist^is
a 8. Congr. Rituum iterato recognitis et approbatis nee non Summe-
rnm Pontif. bullis adv. R. P. Dan. Papebrochium eas ut commenta
et imposturas explodenteni exhibitus, mit dem falschen Druckort
Frankfurt o. J., dann, nachdem der Process bereits anhängig war,
Exhibitio errorum, quos R. Daniel Papebrochius S. J. commisit
contra Christi paupertatem, . . . S. Pontificum acta et gesta, bnllaa,
brevia et decreta, Concilia, S. Scripturam, Ecclesiae capitis prima-
tum et unitatem etc. etc. Col. 1693*. 650 S. 4. Gegen letztere
Schrift erschien Besponsio Danielis Papebrochii ad Exhibitionem etc..
* ■*•
-. f*. J
■•V *
^ 1^
^^ >i
= £
■ "i
i' — ^
Carmeliter und BoUandisten. 269
Antw. 1696 und 1697 ♦, 350 und 550 S. 4., nnd als 3. Band: Elu-
cidatio historica actorum in controversia super origine . . . S. Or-
dinis B. M. Y. de Monte Carmelo, Antw. 1698,* 212 S. 4. (einige
andere Schriften sind beigedruckt). — Wie schon der Titel zeigt,
beschränkt sich Seb. a S. Paulo in seiner Exhibitio nicht auf die
Traditionen der Carmeliter; er klagt Pap. u. a. auch an, dass er
die Legende von der Yeronica, die Echtheit der Lucasbilder, des
Praeputium Christi zu Antwerpen^) u. s. w., den 25jährigen Epi-
Bcopat Petri zu Eom, den Aufenthalt des Lazarus, der Maria und
Martha in der Provence, die Missionsthätigkeit des Dionysius Areo-
pagita in Paris, sein Martyrium und die Echtheit der ihm zuge-
schriebenen Schriften, das Concil von Sinuessa, die Taufe Constan-
tins durch P. Silvester, die Constantinische Schenkung, die Abfassung
des Symbolums Quicunque durch Athanasius bestreite, Paulus neben
Petrus Bischof von Eom gewesen sein lasse u. s. w., ferner dass
er Ketzern epitheta honorifica beigelegt, z. B. Cl. Salmasius als eru-
ditus et accuratus, Gerhard Yossius als vir eruditissimus bezeichne
und von D. Blondels incredibilis diligentia spreche, dass er ver-
botene Bücher, namentlich von Alexander Natalis und Launoy, citire
u. 8. w.
Bei der spanischen Inquisition wurden die Acta Sanctorum
1691 denuncirt. Nach dem Tode des General-Inquisitors Diego Sar-
miento de Yolladores und vor der Ernennung seines Nachfolgers
verboten die ProvinciaMnquisitionen von Toledo, Saragossa, Madrid
und Yalladolid im Nov. und Dec. 1695 die 1668 — 88 erschienenen
Bände, je 3 vom März und April, 7 vom Mai (die 4 letzten ent-
halten nichts über die Carmelitertraditionen) und das Propylaeum
ad AA. SS. Mail (1685), zusammen 14 Bände. Das Yerbot wird
in allen vier Decreten damit motivirt, dass die Bände irrige, ketze-
rische, nach Ketzerei schmeckende, . . . . , für mehrere Päpste, den
apostolischen Stuhl, die h. Congregation der Biten, das Komische
Brevier und Martyrologium, für viele Orden und namentlich den
der Carmeliter und für viele Nationen und insbesondere die spanische
beleidigende Sätze, auch viele Lobsprüche auf Ketzer und übel be-
rufene Autoren enthielten. Der portugiesische General-Inquisitor,
Bischof Joseph de Lancastro (ein Carmeliter), beschränkte sich in
seinem Edicte vom 24. Jan. 1696 darauf, zu verordnen, die 14
Bände, von denen er erfahren, dass sie manche der Lehre der h.
Väter und der gewöhnlichen Ansicht der Kirche widersprechende
Sätze enthielten, seien binnen drei Tagen an die Inquisition abzu-
liefern, um von dieser geprüft zu werden^). Pap. und seine Mit-
1) Ich habe bei Döllinger ein 1802 zu Born mit Approbation des
Mag. S. Pal. gedrucktes Schriftchen gesehen (Narrazione critico-storica
della reliquia preziosissima del santo prepuzio di N. S. Gesü Cristo etc.),
worin u. a. p. ß gesagt wird, diese in der Pfarrkirche zu Calcata in der
Diöcese Civitä Castellana befindliche Reliquie sei nächst dem h. Sacra-
mente der Eucharistie die werthvollste unter allen Reliquien Christi.
2) Ein zu Löwen 1696 erschienener Abdruck derßDecrete: Decreta
270 Schriften über Orden.
arbeiter baten nun den nenen span. General-Inquisitor Thomas de Ro-
caberti, Erzbischof von Valencia (Dominicaner), ihnen die von der
Inq. beanstandeten Sätze mitzutheilen, damit sie sich vertheidigen
könnten. Rocaberti bewilligte dieses 3. Aug. 1696 mit dem Vor-
behalt, dass die Sätze bei Strafe der Excommunicatio latae sent.
niemand anders mitgetheilt, die Vertheidigungen nicht gedruckt,
sondern mit allen Concepten der Inq. eingereicht werden sollten
(Eluc. p. 128). Nach neun Monaten erhielt Pap. über 300 Sätze
mit den Gensuren der Qualificatoren, verzichtete aber auf die von
der Inq. vorgeschriebene Art der Vertheidigung. — Die Carmeliter
baten nach der Publication des Verbotes von 1695 den König, bei
dem Papste dahin zu wirken, dass die weitere Bekämpfung ihrer
Ordenstraditionen verboten werde. Die Jesuiten reichten eine lange
Supplik ein, worin sie diesen Vorschlag bekämpften und um eine
nochmalige Untersuchung baten, indem sie andere Fälle anführten,
wo die Inq. Verbote wieder aufgehoben habe (Elucid. p. 181). —
Unter Berufung auf ältere Decrete, welche den Orden verbieten,
einander zu schmähen, verbot die span. Inq. durch Decrete vom
19. Oct. 1696 und 11. Juli 1697 (Elucid. p. 170) alle auf den
Streit zwischen Jesuiten und Carmelitem bezüglichen Schriften,
speciell u. a. den Libellus supplex und die Exhibitio des Seb. a S.
Paulo und eine zu Sevilla 1696 gedruckte spanische Bearbeitung
des erstem von Daniel de San Pedro. Auch eine spanische Bear-
beitung des ersten Theils von Pap.*s Responsio von dem Jesuiten
Antonio Jaramillo (Xaramilius), Madrid 1697, wurde confiscirt^).
In Rom, wo die Carmeliter schon 1683 Klage geführt (Elucid.
p. 106) und 1690 eine förmliche Denunciation angebracht, wurde
die Sache anfangs sehr langsam betrieben und scheint man sich
bald weniger mit den gegen die Acta Sanctorum vorgebrachten An-
klagen als mit dem 1685 erschienenen Propylaeum beschäftigt zu
SS. Inquisitionis Hispaniarum etc., 4 Bl., ist manchen Exemplaren von
Streitschriften aus dieser Zeit beigebunden. Das Decret der Inquisition
von Toledo steht auch in der Biblioth. Carmelitana I, 843.
1) Avr. 4, 46, Helyot t. I, Pref. p. XIX und nach ihnen andere er-
wähnen ein Schreiben des Fr. Paulus a Sebastiane aus dem Orden der
Hospitaliter vom h. Johannes de Deo an seinen General vom J. 1696,
worin gesagt wird: ihr Orden sei noch 9 Jahrhunderte älter als der der
Carmeliter; Abraham sei ihr erster General gewesen; derselbe habe im
Thale Marare ein Hospiz gegründet und nach seinem Tode ein zweites
im Limbus für die ungetauften Kinder. Der Brief steht wirklich, wie
angegeben wird, in Pap.'s Responsio II, 254, aber Pap. selbst lässt doch
keinen Zweifel darüber, dass der P. Paulus a S. Sebastiane nur erfunden
ist, um den P. Sebastianus a S. Paulo zu übertrumpfen. — Mich, a S.
Jos. 2, 519 berichtet übrigens über ein 1626 von dem Capuciner Jean
Bolduc herausgegebenes Buch De Ecciesia ante legem: es würden darin
die Nephilim der vorsündfluthlichen Zeit als fromme Asceten, die Ena-
kim als ein von Abraham gegründeter Ritterorden dargestellt u. dffl.
(Hurter und das K.-L. sprechen von dem Buche als einem wissenschaft-
lichen).
Carmeliter und ßollandisten. 271
haben. Die Sache kam erst recht in Fluss nach der Veröffentlichung
der spanischen Censur von 1695. Die Jesuiten baten den Papst, er
möge das decretum atrocissimum, Luthero Calvinoque dignum, sus-
pendiren (Elucid. p. 151. 161). Mehrere hochgestellte Personen
verwendeten sich för sie; Kaiser Leopold schrieb über die spanische
Censur an den Papst und an den König von Spanien. (Als der
letzere Brief gedruckt erschien, wurde er von einem Carmeliter der
span. Inquisition denuncirt, freilich mit der Vorbemerkung, es würde
maximum crimen laesae majestatis sein, wenn man den Brief für
echt halten wollte; Elucid. p. 147). Aber 1698 schrieb der Bene-
dictiner Estiennot an Mabillon, der an den Cardinal CoUoredo ge-
schrieben, der Papst müsse die BoUandisten schützen und die Auf-
hebung des spanischen Verbots verlangen: „Ich habe mit dem Card.
Casanate darüber gesprochen, ob man nicht eine Suspension des
Decretes erwirken könne; aber die Römische Curie will sich mit
einem so resoluten und furchtbaren Tribunal, wie die Santa Inqui-
sizione in Spania ist, nicht einlassen. Ich habe die Sache auch bei
dem [spanischen] Card. d'Aguirre zur Sprache gebracht; er ant-
wortete aber, er würde dazu nicht nur nicht mitwirken, sondern
sich mit aller Macht widersetzen. So hat also Pap. in diesem
Punkte von Rom nichts zu hoffen"^). Man beschränkte sich darauf,
den Nuncius in Madrid zu beauftragen, er möge den General-Inqui-
sitor zu einer Suspension des Decretes zu bestimmen suchen (Elucid.
p. 162).
Im J. 1696 beauftragte Innocenz XII. die beiden Ordensgc-
nerale, ihren Untergebenen die Einstellung des Streites zu gebieten.
Aber der Jesuiten-General Hess Pap. gleichzeitig mit dieser Mit-
theilung schreiben, er dürfe seine Responsio fortsetzen (Elucid.
p. 103), und auch Seb. a S. Paulo Hess noch 1697 zu Antwerpen
ein Memoriale pro sacros. Sede Apost. ex parte Seb. a S. P. . . .
in quo refutantur Responsiones R. P. Dan. Papebrochii, 68 S. 4.
(nur der Anfang) drucken.
Während die Index-Congr. noch mit den Acta Sanct. oder viel-
mehr mit dem Propylaeum beschäftigt war, erliess Innocenz XII.
unter dem 20. Nov. 1698 ein Breve (Bull. 12, 312). Er beklagt
darin, dass über das Alter des Carmeliterordens, eine Frage, die
gar nichts mit der Wahrheit des Glaubens und der Sittenlehre zu
thun habe, unter Ordensgeistlichen, die durch ihre Gelübde beson-
ders zu Heiligkeit, Gerechtigkeit und brüderlicher Liebe verpflichtet
seien, ein für die Gläubigen ärgerlicher Streit entstanden sei und
in vielen bitteren Schriften fortgeführt werde, und legt dann, ent-
sprechend dem Antrage der Congregatio Concilii Tridentini, aus
eigenem Antriebe und sicherer Wissenschaft und nach reiflicher
üeberlegung und kraft der Fülle der apostolischen Gewalt über
die Frage de primaeva institutione ac successione Ordinis Fratrum
B. M. V. de Carmelo a prophetis Elia et Ellsaeo ewiges Still-
1) Thuillier, Ouvr. postb. de Mabillon 1, 804. Val^ry, 3, 40.
272 Schriften über Orden.
schweigen auf, welches von den Vertheidigern beider Ansichten und
allen und jeglichen anderen in Schriften und Öffentlichen Disputationen
zu beobachten sei, bei Strafe der Excommunicatio latae sent. Alle
Bücher, Thesen und Schriften, welche in Widerspruch mit dieser
Verordnung veröflPentlicht werden würden, würden bei den in den
Eegeln des Index angedrohten Strafen verboten und seien ohne
weitere Erklärung als ausdrücklich verboten anzusehen. Indess solle
durch dieses Gebot des Stillschweigens keiner der beiden einander
gegenüberstehenden Ansichten ein grösseres Gewicht gegeben werden,
vielmehr sollten beide in statu quo bleiben, bis der apostolische
Stuhl anders entscheide. Auffallender Weise ist dieses allgemeine
Verbot nicht, wie ähnliche, in den Index übergegangen; es steht
auch nicht in den Decr. gen. bei Ben. Es ist aber nie aufgehoben
worden, und der gute Helyot, der das Breve sammt dem Decret der
Congregatio Concilii mittheilt (I, 295), erklärt: das Verbot, über
die Stiftung des Carmeliterordens durch Elias und Elisaeus zu schrei-
ben, hindere ihn, die Gründe mitzutheilen, die er dagegen vorbringen
könnte^).
Der einzige Band der Acta Sanctorum, der schliesslich in Rom
beanstandet wurde, ist das Propylaeum in Acta Sanctorum, Antw.
s. a. [1685]. Der Band enthält drei besonders paginirte Theile:
Apparatus G. Henschenii ad Chronologiam Pontificiam; Dan. Pape-
brochii Conatus chronico-historicus ad catalogum Rom. Pontificum,
Pars prior, a S. Petro usque ad Gelasium IL, und Pars secunda, a
Gelasio P. II. ad S. D. N. Innocentium XI. Anstoss nahm man
aber auch bei diesem Bande schliesslich nur an den bei einigen
Päpsten beigefügten Berichten über die Conclaven, die aus gleich-
zeitigen Aufzeichnungen unverkürzt abgedruckt sind und allerdings
manche unerbauliche Dinge enthalten.
Schon 10. Sept. 1695 schreibt Noris, damals Consultor der
Index-Gongr., an Magliabechi: „Das Propylaeum soll mit d. c. ver-
boten werden. Damit man von mir nicht sagen kann, ich hätte zu
dieser Verdammung mitgewirkt aus A erger über die Pamphlete,
welche die Jesuiten gegen mich verbreiten, habe ich der Congre-
gation vorgestellt, Pap. polemisire in den Mai-Bänden gegen mich
bezüglich der Controverse über den Semipelagianismus des Hilarius
von Arles und des Vincentius von Lerin; ich könne also nicht
als Censor fungiren, da Alexander VII. verordnet habe, die Cen-
soren sollten procul ab amore et odio gegen den Autor sein. So
bin ich von der odiösen Censur befreit geblieben. Die Gardinäle
haben es übel genommen, dass Pap. für die Zeit von 1490 an Be-
richte über die Conclaven mittheilt, die hier schon verboten waren
1) Danielis Papebrocbii protestatio iterata de silcntio circa primae-
vam S. Ordinis Carmelitani institutioncm et antiquitatem, scmper sibi
optato, nunc demum inviolabiliter teuendo, 19 S. 4., ist vor der Publi-
cation des Breve's gedruckt (nach Backer ist die Approbation vom 27.
Sept. 1698 datirt). Pap. hatte wahrscheinlich von dem Decret der Congr.
Concilii vom 8. März 1G98 Kunde erhalten.
Carmeliter und BoUandisten. 278
und nur darum wollen sie das Propylaeum mit d. o. verbieten/'
Nachdem Noris Cardinal und Mitglied der Index-Congr. geworden,
schreibt er 5. Mai 1686 : ,,Das Propylaenm ist schon von zwei
Examinatoren verdammt worden und wird auch von dem dritten
verdammt werden. Ich bin mittlerweile aus einem Gensor ein Eichter
geworden, und will thnen, was ich kann, um den guten Namen des
P. Pap. zu beschützen, der sehr unklug daran gethan, sich mit dem
ganzen Carmeliterorden caloeatorum et excalceatorum zu brouilliren,*'
und in einem Briefe ohne Datum : „In der Sitzung der Index-Congr..
am 6. d. M., wo wir zu zehn Cardinälen waren, wurde das Propy«
laeum zum zweiten Male von dem zweiten Examinator verdammt
und das Buch dem dritten Censor übergeben, nach dessen Bericht-
erstattung man zum Beschlüsse kommen wird. Die Patres Jesuiten
vertrauen die ganze Sache meiner Protection an, und ich habe ihnen
vorgeschlagen: während hier die dritte Prüfung stattfinde, solle P.
Pap. auf einem fliegenden Blatte das corrigiren, was er aus den zu
Lyon gedruckten und schon verbotenen alten Conclaven aufgenommen
hat und was der Grund ist, weshalb die Congregation das Propy-
laenm verdammen will"^).
Pap. Hess wirklich eine Erklärung drucken, worin er sagt:
er habe einige Irrthümer, die in früheren Bänden der Acta Sanc-
torum vorkämen, in späteren berichtigt, z. B. den Irrthum bezüglich
des Frohnleichnams-Officiums im Conatus 2, 51 ; so habe er auch
verordnet, dass die Geschichten der Conclaven gestrichen werden
sollten; er wolle den ganzen Conatus revidiren und neu drucken
lassen mit Weglassung der Conclaven und mit Verbesserungen, die
er selbst als nöthig erkannt oder die ihm von der Index-Congr.
oder anderen angegeben werden würden (Responsio I, 190). — Mit
den mehrfach erwähnten Lyoner Conclaven ist das Buch Conclavi
de' Pontefici Rom. quali si sono potuti trovare fin a questo giorno,
de' quali si vede la tavola nel foglio seguente, 1667*, 583 S. 4.
(Ranke, Päpste 3 [WW. 39], 85*) gemeint, welches aber gar nicht
verboten (vielleicht in Rom confiscirt) war, wenigstens nicht im
Index steht.
Seinen Unniuth spricht Pap. in einem Briefe vom 4. Oct
1696 aus, der an Delbecque, den Herausgeber von Serry's Hist.
Congr. de auxiliis gerichtet (und in dieser p. 659 abgedruckt) ist:
„Ich danke meinem lieben Freunde R. P. Q. [Quesnel?] für seine
Theilnahme wegen des Verbotes meiner Bücher in Spanien und der
noch unwürdigem Römischen Censur gegen das Propylaeum. Ob
diese Censur zu einem Decrete führen wird, wird noch bezweifelt;
es ist möglich, dass man nach Anhörung der Cardiuäle und der
französischen Bischöfe ein solches nicht erlässt. Ich hoffe, der erste
Theil meiner Responsiones wird die Censoren umstimmen, von denen
ich annehmen will, dass sie mehr aus Unkenntniss des Sachverhalts
als aus Böswilligkeit gefehlt und dass sie anders geurtheilt haben
1) Clar. Venet. ad Magliabechum Epistolae p. 178. 184. 187.
BeuBob, Index II. 18
274 Schriften über Orden.
würden, wenn sie meine Antworten abgewartet hätten, die all-
wöchentlich in Rom ankommen [Pap. schickte die Aushängebogen
seiner Eesponsio nach Rom]. Der Sturm wird dazu beitragen, dass
die Acta in weiteren Kreisen bekannt werden. Es wäre gut, wenn
N. [Card. Noris] den Secretär der Index-Congr. bestimmte, die Promul-
gation des Decretes gegen das Propylaeum durch die Hinweisung
darauf zu hindern, dass durch ein solches der Respect vor der Con-
gregation und den Römischen Censuren in Frankreich sehr ver-
mindert werden würde ^). Dort wird das Propylaeum von Bischöfen
und Cardinälen sehr gelobt und selbst den Acta vorgezogen.*'
Nach den Mittheilungen von Noris musste man ein Verbot
des Propylaeum mit d. c. erwarten; aber in dem Decrete der Index-
Congr. vom 22. Dec. 1700 (Nam. p. 177) wurden unbedingt verb.:
Danielis Papebrochii Conatus chronico-historicus ad Catalogum Bom.
Pontiücum cum praevio ad eundem apparatu Godefr. Henscbenii
atque Petri Possini a S. Petro usque ad Pascalem II. deductns ante
tomum ly. de Actis Sanctorum Maji und Conatus . . . Pontificnm,
Pars 2. a Gelasio Papa II. ad S. D. N. Innocentium XI. — In den
folgenden Index-Ausgaben steht, als ob es sich um zwei verschiedene
Bücher handelte und als ob das zweite nicht von Pap. wäre, daa
erste Stück unter Danielis, das zweite unter Conatus. ImJ. 1749 gab
der Jesuit Zaccaria zu Venedig in drei Bänden heraus: Praefationes,.
tractatus . . . monumenta . . . Actorum Sanctorum voluminibns prae—
fixa, nunc primum conjunctim edita, und Hess, als ob der Inder
nicht existirte, im 2. Bande p. 1 — 538 den Conatus ohronico-biBto—
ricus D. Papebrochii ad universam seriem Rom. Pontifionm cum.
praevio ad eundem apparatu wieder abdrucken. Am 13. Jnni 175T
erklärte nun die Index-Congr. : Conatus non permittitur nisi expnnc—
tis historiis conclavium pro electione Rom. Pontificum, und seit Ben^
steht im Index unter Papebrochius : Conatus . . . Pars I. et U^
non permittitur etc. mit Anführung der Decrete von 1700 und 1757^
Nach dem Tode des General- Inquisitors Rocaberti, — von denk^
Pap. einmal den Verdacht äussert, er habe sich durch das Verbote
(vielmehr die Aufrechthaltung des Verbotes) der Acta SanctomsL
für das Verbot seiner Bibliotheca pontificia in Paris revanobiren
wollen, als dessen Urheber man den P. de la Chaise angeseben.
(Epp. ad Magliab. p. 184), — kamen auch in Spanien für die Aota^
Sanct. bessere Zeiten. Als unter seinem Nachfolger Vidal Marin
1707 ein neuer Index gedruckt wurde, wurden zwar die 1696 mid^
1697 verbotenen Bücher von Seb. a S. Paulo, Jaramillo n. 8. w-.
darin aufgenommen, nicht aber die Acta Sanct., vielmehr 17 Quali —
ficatoren mit einer nochmaligen Prüfung derselben beauftragt, ünter"^
dem General-Inquisitor de Giudice wurde dann 20. Dec. 1715 ein»--
1) Arnauld, sonst kein Freund der Jesuiten, schreibt 1693, als
sich noch um die Acta Sanct. selbst handelte: ,, Durch eine Verdammun^^
der angeblichen Irrthümer Pap.'s würde man sich bei allen verstandigfei
Leuten in und ausserhalb der Kirche blamiren*' (Arn. 8, 598).
Carmeliter und Bollandisten. 275
Bues Edict publicirt, durch welches das Verbot vom J. 1695 rörm-
ch cassirt und bestimmt wurde: die früher verbotenen 14 Bände
den einfach freigegeben; in dem Propylacum sei der zweite Theil
BS Conatus, ubi conclavium historiunculae prostant, zu beseitigen;
i dem 3. Märzbande sei der Abhandlung über die Genealogieen
hristi bei Matthäus und Lucas an der Stelle, wo gesagt wird,
ie meisten Ausleger seien temere dem Africanus gefolgt, temere
I facile zu corrigiren (ebenso in dem Apparatus des Propylaeum,
'0 dieselbe Abhandlung steht); im 1. April-Bande sei an zwei
teilen auf Berichtigungen zu verweisen, die in späteren Bänden
egeben werden, im 1. Mai-Bande eine Stelle zu streichen, wo von
er Bibliothek des Escurial gesagt wird: ubi codicum manu-
3riptorum cadavera asservantur et putrescunt; auch in 3 anderen
•änden wird je eine Stelle corrigirt, so viel ich sehe, nichts, was
ie Carmeliter angeht, jedenfalls nichts von Bedeutung. Diese Be-
timmung wurde dann in den Index von 1747 aufgenommen und
on den Jesuiten, die diesen Index machten, noch mit einigen Redens-
rten verbrämt, wie: 14 libros, gravi olim censurae subjaoentes per
3mpus aliquod proscripti fuere, quousque Supr. Inq. Senatus viso
uthorum defensorio auditisque iterum iterumque perpensis gravis-
imis doctissimorum S. Inq. censorum rationibus, teneri, legi . .
ermisit adhibitis sequentibus notis . . . His adhibitis notis omnes
lias censuras et prohibitiones omnino proüigi et aboleri mandavit.
Die Parteinahme der span. Inq. für die Carmeliter im J. 1695
it um so aufifallender, als sich dieselbe früher nichts weniger als
önstig gesinnt gegen sie gezeigt hatte. Im span. Index wird schon
Bit 1640 (Sot. p. 988) unter Estampa ein Bild verboten, worauf
ie h. Jungfrau vom Berge Carmel dargestellt ist, wie sie dem
imou Stock das Scapulier übergibt mit den Worten: Pili, reoipe
li ordinis scapulare, in quo quis moriens aeternum non patietur
icendium, und seit 1707 verordnet, in dem Compendium privile-
iorum . . confraternitatis Scapularis B. M. V. de Monte Carmelo,
^1. 1643, und bei Aubertus Miraeus, Ordinis Carmelitani origo
tque incrementa, Col. 1643, dieselbe Geschichte und ausserdem
ae B(eatus) vor Joannes Hierosolymitanus zu streichen. So strenge
it man in Rom gegen die Carmeliter nicht gewesen. Im J. 1666
shrieb Card. Bona an Christianus Lupus, die Carmeliter wollten
m anklagen, dass er in seinen Schollen Johannes von Jerusalem,
en sie zu den ihrigen zählten, als Ketzer (Origenisten) bezeichnet
abe; er habe den Papst über die Sachlage aufgeklärt, rathe ihm
her, die Streitschrift der Carmeliter nicht zn beantworten (Epp. sei.
d. Sala, No. 87). Die Geschichte von dem Scapulier haben die Carme-
ter ebenso wie die von der Stiftung des Ordens durch Elias und
Uisaeus nicht nur ohne Einsprache der Index-Congr. unzählige Male
rucken lassen, sondern sie steht auch — freilich etwas vorsichtig
tilisirt^) — in dem Officium des Festes B. M. V. de Monte Car-
1) Die Lectionen sind von Bellarmin unier Paul V. revidirt. Bened.
:iV. De festis 2, 6, 10.
276 Schriften über Orden.
melo (16. Juli), welches bis 1675 nur von den Carmelitern recitirt,
dann aber von Clemens X. für die spanischen Gebiete vorgeschrieben
wurde (der Bischof von Antwerpen trug 1677 in einer von Papen-
broek verfassten Eingabe der Riten- Congr. seine Bedenken vor,
£luoid. p. 39), und seit Benedict XIII. 1726 im Römischen Brevier
steht. — Das Buch von Alegre wurde in Spanien erst 1663 und
nur mit d. c. verboten, gleichzeitig aber in derselben Weise eine
Reihe von anderen Büchern von Carmelitern, u. a. ein 1636 zu Rom
gedrucktes von Michael Mufioz, Propugnaculum Eliae et propaginis
Carmelitanae, und mehrere von dem Historiographen des Ordens
Francisco de S. Maria, und im allgemeinen alle Bücher, welche lo-
quuntur de monachatu Eliae affirmando, quod fuerit Status publicus
tam pro viris quam pro mulieribus cum tribus votis substantialibus
et professione religiosa sub approbatione istius Ecclesiae. Diese
„Lehre", dass es schon im Alten Bunde einen Ordensstand gleich
dem kirchlichen gegeben, wird auch als Hauptgrund des Verbotes
der genannten Carmeliter-Schriften angegeben^). 1697 verbot die
Inquisition mit anderen die Controverse zwischen Carmelitern und
Jesuiten betreffenden Büchern auch Controversia dogmatica . . . con-
tra asserentes quod in Y. T. fuit verus Status religiosus, auct. Franc.
Galliano Spuche, Ord. S. Hieronymi, Madrid 1596, und eine Apo-
logia Controversiae etc. von demselben. Die Hieronymiten schickten
einen Procurator nach Rom, um die Cassirung des Verbotes zu be-
treiben (Elucid. p. 170). Die Bücher wurden in Rom nicht ver-
boten, blieben aber im span. Index.
6. Der spanische Hieronymit Hermenegildo de S. Pablo suchte
in dem Buche Origen y continuaoion del instituto y religion G-ero-
nyma, Madr. 1669, verb. 1672, nachzuweisen, dass der h. Ambro**
sius, dessen Nachfolger Simplicianus, der h. Paulinus und viel»
andere, auch der h. Benedictus Hieronymiten gewesen, was nament-
lich die Benedictiner übel nahmen (Thuillier 1, 457. Nie. Antonio
s. V.). Im span. Index stehen noch 5 spätere Schriften von ihm.
Von mehreren Schriften, die im 17. Jahrh. verb. wurden, weiss
ich nichts oder nicht den Grund des Verbotes. Sie stehen im Index
unter Propugnaculum (Canonicorum Lat.), Riponse, Responsomm
(über einen Streit eines Klosters in civitate Novariensi [Novesiensi
= Neuss?] mit einer Bruderschaft in Köln), Ooms und Molarcha
(über einen Streit der Birgittaner mit dem Bischof von Gent), Cac-
cini (7 Folia und ein 8. unter Torellatius über einen Streit des
Damiauus Caccini, Mönches von Vallombrosa, mit seinem General;
Alex. No. 73), P. A. Tornamira e Gotho (Benedictiner von Monte
Cassino, 3 Schriften), Yso Pfaw (in St. Gallen, Collectarium der den
Schweizer Benedictinern von Urban VIII. verliehenen Privilegien).
— Ein ausführliches Werk über das Strafverfahren in Orden, Anrea
1) Das Decret von 1663 und eines von 1673 8t<?hen in der (hinteir
Papebrochii Elucidatio abgedruckten) Apologfia pro veritate, auct. Ant.
Xaramilio, p. 134.
Ordeus-Streiiigkoiien. Bildor. 277
methoduB corrigendi reguläres, auct. Oct. Spathario de Incisa,
Ord. Min., Col. 1623 (Pragm. Gesch. 5, 221), wurde sofort verb.,
später, 1700, noch Enchiridion judiciale Ordinis Fr. Min. . . von
Fr. Emmanuel a Conceptione, Liss. 1693 (es gibt mehrere portu-
giesische Ordensgeistliche dieses Namens ; dieser hiess nach Machado
3, 226 in saeculo Manoel Teixeira de Seixas, f 1693).
7. Mit Ordens-Eivalitäten hangen einige jetzt in den Decr.
gen. stehende Verbote von Bildern zusammen: III, 2. Bilder Christi,
Mariae, der Engel, Evangelisten und anderer Heiligen in anderer
Kleidung und Form, als sie in der katholischen und apostolischen
Kirche seit alter Zeit gebräuchlich ist, oder auch in der besondem
Kleidung irgend eines Ordens. — 5. Bilder, auf denen der Knabe Jesus
dargestellt ist und unter ihm drei Kirchenlehrer und statt der drei
anderen, die auf den älteren Bildern dieser Art dargestellt waren,
drei Ordenpriester, mit der Unterschrift: Jesu doctorum intima etc.
— 7. Bilder, auf denen die h. Jungfrau mit dem Kinde dargestellt ist
inmitten zweier Heiligen aus der Gesellschaft Jesu, wie sie dem einen
ein Buch, dem andern einen Rosenkranz übergibt, mit der Unter-
schrift: „Die Mutter Gottes mit dem Sohne inspirirt und empfiehlt
der Gesellschaft Jesu die Gründung von Modalitäten und den Ge-
branch des Officiums und des Rosenkranzes" ^). Die beiden letzten Ver-
bote sind von der Index-Congr. 9. Febr. 1683 bezw. 15 Jan. 1684
erlassen worden (A. J. P. 1, 1240). — Am 10. Dec. 1636 erliess die
Index-Congr. ein eigenes Decret (Alex. No. 42), worin sie, um den
Anlass zu Erörterungen (quaestiones) unter den Orden zu beseitigen
und wegen Nichtbeachtung der Vorschriften des Trienter Concils^) bei
den im Index und in den h. Canones enthaltenen Strafen ein Bild
verbietet, auf welchem der h. Basilius, in der Tracht der Benedic-
tiner (cucullatus, habitu prorsus Benedictino) dargestellt ist, wie er
mit der Linken seine Ordensregel vier vor ihm knieenden heiligen
1) Den Observanten zu Toledo wurde 1664 verb., die h. Jungfrau
abzubilden, wie sie dem h. Franciscus und der h. Clara (statt dem h. Do-
minicus) den Rosenkranz übergibt. Bened. XIV. Beatif. 1. 4, p. 2, c. 2G,
wo noch andere derartige Verbote angeführt werden.
2) Das Concil von Trient hatte Sess. 25 die Aufstellung ungewöhn-
licher Bilder und ohne Erlaubniss des Bischofs verboten; Urban VIII.
reservirte in einem Breve vom 15. März 1642 die Ertbeilung der Erlaub-
niss dem Papste (A. J. P. 1, 1238) — 1797 wurde in Wien mit Genehmi-
gung der k. k. Ccnsur ein Bild der h. Dreifaltigkeit verbreitet, worauf
der h. Geist als ein Jüngling mit einer Taube dargestellt war, angeblich
uach einer altern Zeichnung des Hofmalers Göz zu Augsburg. Da der
Erzbischof Migazzi vorstellte, das Bild sei auf eine Anfrage des Bischofs
von Augsburg von Benedict XIV. [in dem Schreiben an den Bischof vom
1. Oct. 1745, n. 8] für unzulässig erklärt worden, wurde es confiscirt (Arch.
f. Ost. Gesch. 50, 368}. Iü25 verbot die Inquisition, wie in der Raccolta
8. V. Imagini angegeben wird, Bilder, auf denen die Trinität als ein Mensch
mit drei Gesichtern oder mit zwei Köpfen, zwischen denen eine Taube,
dargestellt war, — Bilder die den Ketzern in Ungarn Anlass gegeben,
die Trinität als Cerberus trifaux, Janus trifrons und dgl. zu verspotten.
278 Schriften über Orden.
Ordensstifteni übergibt, während die Stifter der anderen Orden, auch
der Ritterorden zur Rechten angebracht sind, mit der UnterBchrift :
Zur Erinnerung an den Ursprung des gemeinsamen coenobitischen
Lebens nach der Anordnung des h. Basilius in Kupfer gestochen
von Jo. de Noort 1634. Das Verbot wurde 1728 erneuert und
steht im Rom. Inde^ unter Basilius (im spanischen Index unt-er
Estampa wird das Bild etwas anders beschrieben; als die vier
Ordensstifter werden hier Augustinus, Benediotus, Franciscus und
Albertus genannt).
8. Von einer 1623 verbotenen Schrift muss der Titel etwaa
vollständiger angeführt werden, als er im Index steht: Jo. de Or-
bara. Civitatis Nicosiae in insula Siciliae gubernatoris, Epistola ad
S. D. N. Paulum V. P. M. et ad omnes principes et propulos christ.
et potissimum ad sacerdotes et religiöses, qua ostenditur testimoniis
V. et N. T. . . . Ventura esse tempora, in quibus sacerdotes et
religiosi Christi arma ferre contra infideles suscipiant, ut eos de
superficie terrae penitns deleant et . . . proponitur forma quaedam
militandi ferro adeo ordinata, ut perfectissimi religiosi possint snb
ea militare et bonos suos mores conservare, Panormi 1611, 8. Nä-
heres über den Vorschlag bei (Pray), Index rar. libr. biblioth. Bu-
densis, 1781, II, 163, der seinen Auszug mit dem Satze schlieest:
Haec ille sub ardente, ut videtur, coelo natus. 23 der 36 Capitel
handeln übrigens von den Bibelstellen, und die Exegese wird den
Autor in den Index gebracht haben.
Scalae Jacob virginibus Deo cum proposito perpetuae conti-
nentiae in saeculo famulantibus a Rev. D. Jo. Lindenbom, S. Th.
Lic. formato, applicatae, 1666, wurde 1667 verb., weil der Ver-
fasser, ein holländischer Geistlicher (Hurter 2, 489), in dieser fUr
einen von ihm geleiteten Verein von frommen Frauenzimmern ver-
fassten Schrift solche in der Welt lebende Jungfrauen über die
Klosterfrauen erhob. Qu6tif 2, 663 führt zwei Gegenschriften einei»
Dominicaners Freylinck au; Heussen erzählt in der Batavia sacr^-
2, 124: Lindenborn sei, als er wegen der holländisch herausgege^
benen Schrift denuncirt worden, nach Rom gereist, und man hab^^
von einer Censur abgesehen unter der Bedingung, dass er in einer^
latein. Ausgabe einiges erkläre; aber eben diese latein. Ausgabc^s-
steht im Index.
9. Im J. 1700 wurde verb. Epistola sub nomine Andreac^^
Alciati edita ab Ant. Matthaeo Lugd. Bat. 1695 contra vitam mo —
nasticam ad collegam olim suum, qui transierat ad Franciscanos, Ber —
nardum Mattium. Die Epistola, welche von A. Matthaei cum sylloge»
aliarum epistolarum etc. herausgegeben wurde, ist wirklich von A^
Alciati (1492—1550; Jugler 3, 38) und steht seit Ben. auch unter*
seinem Namen im Index.
1755 wurde verb.: Ordre s monastiques. Histoire extraite d©
tous les auteurs qui ont conserv^ a la posterit6 ce quMl y a de
plus curieux dans chaque ordre, enrichie d'un trös-grand nombre
de passages des memes auteurs . . . Berlin (Paris) 1751, 7 vol. 8.,
nach Barbier von Abbi Müssen. Danach ist die Pragmatische Oe-
Satiren. 279
scbiclite der vornehmsten Mönchsorden, mit Vorrede von Ch. W. Fr.
Walch, Lpz. 1 774—83, 10 Bände 8. (von dem Rector L. G. Cromo
in Einbeck, unter Mitwirkung von Walch) bearbeitet.
Von Satiren auf Mönche stehen im Index: Le moine s6cula-
risi, Col. 1676, verb. 1679, ist Le moine secularis^, augment6 de
nouveau de la vie des moines suivant Toriginal, Cologne chez
Pierre Marteau (in Holland gedruckt). Nach einem Briefe von Bayle
an Minutoli (Oeuvres 3, 553) waren in einer frühern Ausgabe auf
Verlangen der Inquisition de Geneve Stellen über das unzüchtige
Leben der Mönche weggelassen. Nach demselben Briefe wurde ein
Geistlicher zu Lyon, Du Pr6, für den Verfasser gehalten. Le Ji-
suite s^cularisÄ, Col. 1683, 234 8. 16., verb. 1687, wird ein ähn-
liches Product sein. — Meliton, L^apocalypse de M^liton ou r6v6-
lation des my stires cenobitiques, 1665, 12., erst 1681 verb., ist von
Claude Pithoys, früher Mitglied des Ordens der Minimi, dann Prof.
der Philosophie in Sedan ; er gibt vor, der Bischof J. P. Camus von
Belley, dessen Schriften er benutzt hat, habe ihm die Apocalypse
dictirt (Querard 2, 1101). — Le Calvaire profan6 ou le Mont
Valerien usurpä par les Jacobins reform^s du Fauxbourg S. Honori,
Par. 1670, 12., ein Gedicht des Abb6 Duval, worin geschildert wird,
wie den Dominicanern der Besitz des Mont Valerien, worüber sie
mit einer Genossenschaft von Weltgeistlichen stritten, auf Betreiben
des Card, de Eetz von dem Parlamente zugesprochen und dieser Be-
schluss, da die Weltgeistlichen nicht weichen wollten) mit Gewalt
durchgesetzt und dabei ein Priester verwundet, ein Bauer getödtet
wurde (die Weltgeistlichen wurden bald darauf wieder in ihr Recht
eingesetzt. Suppl. de Morery, s. v. Valerien. U. N. 1735, 451).
Das Schriftchen wurde 30 Jahre nach seinem Erscheinen, 1700,
verb. und steht noch heute im Index. — La Guerre seraphique,
ou histoire des perils qu'a courus la barbe des Capucins [par les
violents attaques des Cordeliers, avec une dissertation sur Tinscrip-
tion du grand portail de r6gl. des Cordeliers de Keims, Haye
1740], verb. 1752, mit Unrecht vielfach dem bekannten französischen
Theologen J. B. Thiers zugeschrieben. Von diesem ist nur die
p. 267 — 359 stehende Dissertation, die als Diss. sur iHnsor
de Keims „Deo homini et B. Francisco utrique crucifixo", par le
Sieur de Saint-Sauveur, Brux. 1670 und 1673, 12., erschienen war
und auch scharfe Bemerkungen über den Liber conformitatum ent-
hält. La guerre ist ohne Zweifel von einem Protestanten, angeblich
nach Boverio bearbeitet^).
1) Ein Auszug bei Irailh 3, 176. Vgl Marchand 1, 8. U. N. 1744, 690.
Die Inschrift in Reims wurde in Folge der Broschüre von Thiers durch
eine andere ersetzt: Crucifixo Deo homini et S. Fraucisco. Comm. de
rebus pert. ad Card. Quirinum 1, 161.
280 Jesuitica.
39. Jesnitica.
Schriften von und über die Jesuiten sind in vielen Ab-
schnitten der Geschichte des Index zu besprechen. Hier sollen
diejenigen zusammengestellt werden, welche nicht mit einer
andern besonders zu behandelnden Materie im Zusammenbange
stehen. Dahin gehören zunächst mehrere 1600—1757 erschienene
Schriften gegen den Orden, von denen die bedeutendsten von
Katholiken verfasst sind, von dem Jesuiten Mariana, von J. Gl.
Scotti und anderen Ex-Jesuiten, — dahin gehören auch die
Monita secreta, — von dem Capuciner Valerianus Magni, dem
altern Arnauld, Pasquier und G. Scioppius. Von den protestan-
tischen Schriften gegen den Orden steht nur ein kleiner Brnch-
theil im Index. Ferner ist über einige Controversen zwischen
Jesuiten und den älteren Orden und den Weltgeistlichen zu bandeln,
über das Pasquill auf alle anderen Orden und die Weltgeistlichen,
welches 1712 zu Wien unter dem harmlosen Titel Cura salutis
erschien, über einige Verherrlichungen des h. Ignatius und einige
Controversen über ihn, endlich über den Orden der Jesuitissen,
der 1631 unterdrückt wurde, später aber als Institut der eng-
lischen Fräulein wieder auflebte.
1. Schriften von Jesuiten und £x- Jesuiten. ProtocatastAsis
8. prima Societatis Jesu institutio restauranda, Summe Pontifici la-
tino-gallica expostulatione proponitur Theophili Eugenii zelo, 1614,
verb. 1621. Der Verfasser ist Guillaume Pasquelin, der 18 Jahre
Jesuit war, sich nicht zufrieden gab, als man ihn nicht zu dea
letzten Gelübden zulassen wollte, und IG 13 mit päpstlicher Geneh-
migung aus dem Orden entlassen wurde. Er beantragt, die Kegeln.
80 zu reformiren, dass der Orden der Idee seines Stifters wieder
entsprechend und den anderen Orden ähnlich werde ^). Di&
Schrift ist abgedruckt im 2. Bande der Tuba magna; im span»
Index steht sie nicht.
In demselben Decrete (Alex. No. 23) werden verboten Monita^
privata Societatis Jesu [ex hispanico latine facta], Notobrigiae fKrar
kau] 1612, sine nomine auctoris. Das Buch war schon 10. Dec--
1616 in einer im Hause (in palatio) des Card. Bellarmin, des da^
1) Schulte, Gesch. 3, 1, 584. Prat 3, 594. Dieser berichtet auch über"
ähnliche damals erschienene Schriften und über die Gegenschriften von-
Coton und Richeome.
Protocaiastasis. .Monita secreta. Mariana. 281
maligen PräfecteD, gehaltenen Sitzung der Index-Congr. verb. worden
als liber falso Societati Jesu adscriptus, calunrniosus et diffamatio-
oibus plenns. Dieses mit der Unterschrift des Secretärs Magd.
Capiferrens vom 28. Dec. 1616 in der Druckerei der apostolischen
Kammer 1617 gedruckte Decret ist nicht bei Alex., aber in dem
Krakauer Index von 1617 (in welchem auch eine polnische Ueber-
setzung verboten wird) und bei Huylenbroucq, Vindicationes alterae,
1713, p. 110 abgedruckt. Die folgenden Ausgaben haben etwas
andere Titel: Aurea monita religiosissimae Soc. Jesu edita a Theo-
philo EulaliOi Placentiae s. a., Arcana monita religiös. Soc. Jesu,
1618, u. s. w. Im J. 1633 liess sie Scioppius in seiner Anatomia
p. 49 als Instructio secreta (mit einer Aenderung in der Anordnung
und Beifügung von zwei Capiteln) abdrucken. Seitdem sind sie oft
lateinisch und in Uebersetzungen gedruckt. Eine italienische Aus-
gabe, Istruzioni secrete della Compagnia di Gesü con aggiunte
importanti, wurde 1836 verb. mit dem Zusätze: opusculum Impres-
sum cum ementito editionis loco (Rom?). — Die span. Inq. verbot
erst 1634 auf Betreiben der Jesuiten eine angeblich von dem £x-
Carmeliter Dr. Spinus gemachte Uebersetzung: Singulares y secretas
admoniciones . • ., s. 1. et a.» und nur diese steht seit Sot. im
Index. — Man hat vielfach trotz wiederholter Erklärungen der Je-
suiten gemeint, es seien in den Monita wirklich von den Ordens-
oberen ausgegangene geheime Yerhaltungsmassregeln enthalten; das
Buch ist aber ohne Zweifel eine Satire, in welcher von dem that-
sächlichen Verhalten mancher Jesuiten diese fingirten Monita abs-
trahirt sind. Der Verfasser ist allem Anscheine nach ein Ex-Jesuit,
wahrscheinlich der 1611 aus dem Orden entlassene Hieronymus
Zaorowski, Pfarrer in Gozdziez^).
Discorso del P. Mari an a, Giesuita spagnuolo, intorno a' grandi
errori, che sono nella forma del governo dei Gesuiti (Bordeaux 1625),
verb. 1628 (seit Ben. ist Gies. spagn. weggelassen). Das Manu-
script wurde mit anderen Papieren bei der Verhaftung Mariana's 1609
conÄscirt; die Papiere wurden dem Bischof Franc. Sola von Osma
zur Durchsicht gegeben. Nach dem Tode Mariana's (16. Febr. 1623)
wurde aus Veranlassung der Streitigkeiten zwischen der Universität
Paris und den Jesuiten 1624 eine französische Uebersetzung gedruckt
(sie liegt der italienischen zu Grunde), das spanische Orginal, Tra-
tado de las cosas que ay dignas de remedio en la CompaÜia de
1) Backer, 5, 491. Gieseler, K.-G. 8, 2, 656. Pragm. Gesch. der
Mönchsorden 9, 220. 270. 458. Mastiaux, Lit.-Ztg. 1818, No. 94. Friedrich,
Beitr. zur Gesch. des Jesuitenordens, 1881, S. 3. Die Monita sind abgedr.
in der Tuba ma^na von 1713; in der Tuba altera von 1715 wird ihre Un-
echtheit anerkannt. Auch Arnauhl 3, 143 sieht sie als eine Satirc an.
Von der Ausgabe: Monita secreta Soc. Jesu. Instructions secretes des
Jesuites. Par Ch. Sauvestre, wurden 22O0O Exemplare in 1^2 Jahren ab-
f^esetzt und erschien 1679 die 13. Auflage. H. A. Bergmann, Die geheimen
Instructionen für die Gesellsch. Jesu, ist doch nur 1867 in 3. Aufl. er-
schienen.
282 Jesuitica.
Jesus, steht im Mercure J^s. II, 1. Das Buch wird auch als Discnrso de
las enfermedades de la Comp, de Jesu, Tract. de morhis Soc. Jesu
citirt. Bei Sot. (vorher schon in dem Index von Palermo von
1629) steht unter Juan de Mariana: ün tratado que se le atribuye
De regimine Societatis. Die Behauptung der Jesuiten, die Schrift
sei nicht von Mariana oder von den Herausgebern interpolirt (so
Backer 5, 517), ist grundlos^).
Von Julius Clemens Scotus (Scotti), der 1616 zu Rom Jesuit
wurde und, nachdem er die vier Gelübde abgelegt, 1645 zu Venedig
aus dem Orden austrat und als Professor der Philosophie und des
Kirchenrechts 1669 zu Padua starb, wurden 1651 verb. : Julii Clemen-
tis Piacentini ex illustriss. .Scotorum familia De potestate pontificia in
Societatem Jesu ... ad Innocentium X., Paris (Venedig) 1646*, 3908.
4. (Dagegen erschien im Auftrag des Jesuiten -Generals Vincenz Caraffai
Vindicationes Societatis Jesu, quibus multorum accusationes in ejus,
institutum, leges, gymnasia, mores refelluntur. Auot. Sfortia Pal'
lavicino, Rom 1649, 400 S. 4.). — Julii Clem. Scoti De obliga-
tione regularis extra regulärem domum commorantis ob justum me--
tum. De jure tuendi famam. De apostatis et fugitivis. Opuscnlar
tria, in quibus juxta principia theologiae tum scholasticae tum posi—
tivae sacrorumque canonum ac philosophiae moralis plurimae sei —
vuntur quaestiones. Coloniae (Venedig) 1647,* 256 S. 4. (in deis-
Index- Ausgaben so gedruckt, als ob die drei Opuscula besondere
erschienen wären). — Später wurden von ihm verb. Paedia peripa —
tetica, qua omnis docendae ac discendae philosophiae Arist. ratic^
dissertationibus octo exponitur. In bis inter cetera passim aluoi —
nationes a P. Sf. Pallavicino in libro Vindiciae . . . publicatae de —
teguntur ac praesertim antiquiores patres et insignes christiani orbi
academiae ab ipsius injnriis asseruntur, Patavii 1633, als Paedia
peripat. dissertationes octo verb. 1654. — Opusculnm de seligendi
opinionibus et auctoribus generatim, Patavii 1625,* 852 S. 8; Opus
culum de observandis in auctorum praesertim scientissimorum leo
tione, Pat. 1652, 32 S. 8., als Opuscula duo etc. verb. 1656;
endlich 1665 noch die pseudonyme Schrift: Notae 64 morales, cen
soriae, historicae ad inscriptionem, epistolam ad lectorem, appro — '
bationem et caput 13. introductionis ad Historiam Concilii Tridentin^
P. Sfortiae Pallavicini e S. J., in quibus multa reponuntur cum mal
tiplice eruditione ad utramqne theologiam, canonicam conoiliaremq
scientiam potissimum spectantia. Stanislai Felic Coloniensis ope
1) R. Simon, Lettres 2, 109. Serry, Hist. de aux. p. 74. 106. 759 ^
Baumg. 8, 250. Friedrich a. a. 0. S. 12. Die Schrift steht auch in der:^-
Obras de J. Mariana (Bibliot. de autores, 1854) II, 595. Nach der V
treibuDg der Jesuiten erschien: Discurso sobre las enfermedades de l
Compania, per el P. Juan de Mariana, con uua dissertacion sobre el aato
y la legitimidad de la obra y un apendice de v4rio8 testimonios de j
suitas espafioles que concuerdau con Mariana, Madr. 1768, 808 S. 4. Di
Dissertation ist von Jose Miguel de Flores. Pelayo 3, 168.
J. Cl. Scotti. Monarchia Solipsorum. Jarrige. S63
typis evnlgatae et selectis in Eom. Carla viris dicatae. His. additns
est libelluB continens discnssioDem qnatuor judiciorum jam impres-
sornm de eadem P. Pallavicini Hiatoria, una cnm incommodis ab eo
Rom. Ecclesiae illatis ac inferendis ac illins pariter oommodis. Quam
seqnitur exceptio contra accusationem Historiae P. Soave Polani
ejnsdemque accusationis confatatio, Coloniae (Padna?) 1664,* 136
und 24 S. 4. (beginnend: Yiris in Eom. Curia selectis Stan. Felic
Colon. F. P.)i).
Scotti wird yielfach als der Verfasser eines Buches angesehen,
welches auffallender Weise nicht im Rom., wohl aber im span. Index
steht: Lucii Comelii Europaei Monarchia Solipsorum ad V. Cl. Leo-
nem Allatium, zuerst 1646, dann wiederholt gedruckt, auch in
französischer, italienischer und deutscher üebersetzung. Diese Satire
auf die Jesuiten (soli ipsi, sie denken nur an sich) ist aber wahr-
scheinlich von Melchior Inchofer, von dem Abb6 Bourgeois, der
damals in Rom war, erzählt, er habe 1645 dem Papste eine Denk-
schrift über die Nothwendigkeit einer Reform seines Ordens über-
geben, sei in Verdacht gekommen, die Monarchia verfasst zu haben,
und die Jesuiten hätten versucht, ihn von Rom gewaltsam wegzu-
schaffen 2).
Jesuita in ferali pegmate ob nefanda crimina in provincia Gui-
enna perpetrata a Petro Jarrigio, antea ejusdem Societatis viro,
constitutus, Lugd. Bat. 1665,* verb. 1688. Pierre Jarrige trat,
nachdem er 20 Jahre Jesuit gewesen und die vier Gelübde abgelegt,
weil er sich zurückgesetzt glaubte, aus dem Orden aus, wurde
25. Deo. 1647 zu La Rochelle Protestant und schrieb nun zuerst
Declaration du Sieur Pierre Jarrige, cy devant Jesuiste . . . , Leyde
1648,* 87 S. 8., dann Les Jesuistes mis sur T^chafaut pour plusi-
eurs crimes capitaux par eux commis dans la Province de Guienne.
Avec la response aux calomnies de Jacques Beaufes, Leyde 1648,*
1) Backer 1, 753; 3, 559. Poggiali, Memorie . . . di Piacenza 2. 215.
— Der General Caraffa beauftragte den Provincial zu Augsburg 27. Juli
1647, den Jesuiten seiner Provinz mitzutheilen, dass der eben erschienene
2. Band von Scotti's Buch über die Gesellschaft (die 1647 erschienenen
Opuscula) in derselben Weise verboten sei wieder 1. und von niemand ge-
lesen werden dürfe als von den wenigen, denen er die Erlaubniss ertheilt,
den 1. zu lesen. (Münch. Hofbibl. Cod. Moll. 109).
2) Der Bericht von Bourgeois bei Arn. 28,716; vgl. A. D.B. 14, 64.
Was der Jesuit Hon. Fabri, ApoL 1, 470 gegen den Bericht sagt, klingt eher
wie eine Bestätigung desselben : Dolo sublatum fuisse, mentiris (Bourgeois
sagt, der Plan sei vereitelt worden); scio quibusdam malevolis et aemulis
hoc in meutern venisse eosque inanem illam movisse suspicionem. Dass
Inchofer die Monarchia verfasst, bestätigt Fabri, wenn er sagt: Aliquid
forte ad Societatcm non reformandam, sed deformandam moliebatur, idque
joco potius quam serio. — In dem Lit. Wochenbl., Nürnb. 1770, I, 104
wird eine Notiz von Christoph Arnold mitgetheilt: der Verfasser sei der
Maronit Abraham Zechelleusis [Ecchellensis, f 1664], wie ein Verwandter
desselben, Nie. Henr. Panesius, Wagenseil in Rom mitgetheilt habe. —
La Monarchie des Solipses par J. C. Scotti Jesuite, publiee par d'Henin
de Cttvilliers, Par. 1824.
284 Jesuitica.
132 und 147 S. 8. n. o., auch in mehrere Sprachen übersetzt. Er
-wurde aber sohon 1649 wieder katholisch und veröffentlichte eine
Ketractation du P. P. Jarrige de la Comp, de Jisus retir6 de sa
double apostasie par la misericorde de Dieu, Antw. 1650 (deutsch
bei Räss, Conv. 6, 264), in welcher er bezüglich der Enthüllungen,
die er in der frühern Schrift über einzelne Jesuiten gemacht, er-
klärt, die Schuldigen seien ausgestossen worden. Man stellte ihm
frei, ob er wieder in den Orden eintreten oder als Weltgeistlicher
leben wolle; er zog letzteres vor und starb 1660 in seiner Vater-
stadt Tülle, üeber seinen Uebertritt und Rücktritt und über sein
Buch ist eine Reihe von Schriften erschienen. Sein Buch wurde
also 40 Jahre nach dem Erscheinen der 1. Ausgabe und 28 nach
seinem Tode verboten^). — Unbekannt ist mir die 1654 (Alex.
No. 60) verbotene Schrift Nuda veritas s. apologetica dilucidatio
cujusdam epistolae capituli Conimbricensis ad instantiam patrum
societatis directae ad Urbanum VIII., aiict. Caesare Digner, quon-
dam solipso. Im span. Index wird auch eine spanische Ueber-
Setzung, Verdad desnuda etc., Venedig 1646, verb., die der Rath
von Castilien 1771 verbrennen liess.
2. Schriften von anderen Katholiken. In einem Edicte des
Mag. S. P. vom 9. j^ov. 1709 steht: Oratio M. Antonii Arnaldi
Advocati in Parlamente Paris, habita 4. et 3. Id. Jul. prohibetur
cum annoxis opusculis, vid. Arrestum contra Jo. Castellum scholasticum,
et Jo. Passeratii prnefatiuncula in Disputationem de ridiculis cam.
sequentibus carminibus, Lugduni Bat. ex ofücina Lud. Elzevirii a...
1595. Das verbotene Buch enthält die Rede, welche Antoine Ar—
nauld, der Vater des berühmten Theologen, als Advocat der Uni —
versität 12. Juli 1594 gehalten, als das Pariser Parlament übe
den Antrag verhandelte, die Jesuiten aus Frankreich auszuweisen*)
femer den von dem Parlamente nach dem Mordversuche Jean Chatel
auf Heinrich IV. (27. Dec. 1594) gefassten Beschluss, wodurc
Chatel zum Tode verurtheilt und zugleich decretirt warde, ' die Je
Suiten, die man als Mitschuldige ansah, hätten „als Verführer de
Jugend, Störer der öffentlichen Ruhe und Feinde des Königs un
des Staates*' das Land zu verlassen, endlich eine kleine Streitschriffc==-
des Pariser Professors Passerat nebst einigen Gedichten gegen dio^
Jesuiten. In dem Edicte des Mag. S. P. war ausser anderen Büchern
noch das Geschichtswerk von de Thou verboten. Das Ediet wurde^"
in der üblichen Weise, als Placat gedruckt, in Rom angeheftet«.^
Als dieses in Paris bekannt wurde, erregte das Verbot des Werke
1) BackcT 3, 318. Cret.-Joly 3, 351. Bayle s. v. Jarrige und Adam.^
Arn. 29, 400.
2) Sic war französisch schon 1594 gedruckt: Plaidoye de M. Ant^
Arnauld, advocat en Parlament, pour l'üniversitc de Paris demandcsresse^
contrc les Jcsuites defendeurs des 12 et 18 Jaillei 1594. Eine anderem
Ucbersetzung von 1695 heisst Actio habita otc, eine in Deutschland 159^
gemachte Phiüppica etc. Clement 1, 119. — Man nannte das Plaidoyef
später le peche originel des Arnauld. S.-Beuve 1, 69.
A. Arnauld. Arret gegen Chatcl. 286
von de Thou, noch mehr aber das des Parlamentsbeschlasses über
den Königsmörder, grosses Aufsehen. Allerdings hatte sich schon
Clemens VIII. unwillig über dieses Arr§t geäussert nicht nur wegen
der scharfen Anklagen gegen die Jesuiten, sondern auch weil sich
ein weltlicher Gerichtshof angemasst, den Satz: que le Roy Henry IV.
k präsent regnant n'est en ^glise jusqu'ä ce quMl ait Tapprobation
da Pape für ketzerisch zu erklären ; aber der Cardinal d'Ossat hatte
ihn beschwichtigt (Avr. 1, 112). Nun wurde nach 14 Jahren unter
Paul V., der eben damals nach Beendigung des Venetianischen Con-
fiictes mit Heinrich IV. auf gutem Fusse stand, das ArrSt verboten !
Der Generaladvocat Louis Servin beantragte im Parlamente, das
Edict des Mag. S. P. durch Henkershand öffentlich verbrennen zu
lassen. Der Antrag wäre durchgegangen, wenn nicht Heinrich IV.
auf die Vorstellungen des Nuncius Ubaldini hin die Beschlussfas-
sung bis auf weiteres suspendirt hätte. Der König beauftragte den
Kanzler, den Staatssecretär Villeroy und seinen Beichtvater P. Coton,
mit Ubaldini über die Sache zu conferiren. Dieser versicherte^ man
habe in Rom gewiss nicht den Mordversuch Chateis billigen oder
dessen Verurth eilung missbilligen, sondern nur einige in dem ArrSt
enthaltene anstössige Sätze, — dieselben, an denen Clemens VIII.
AnstosB genommen, — verdammen wollen; wenn das Parlament
diese Sätze widerrufen wolle, werde man gewiss das Arret wieder
vom Index entfernen. An einen Widerruf des Parlaments war na-
türlich nicht zu denken, und so verlief die Conferenz ohne Resultat.
Villeroy bestand darauf, das Edict müsse zurückgenommen werden,
schlug aber vor, man möge dieses in der Weise thuen, dass man
ein neues Edict drucken lasse, welches einige neue Bücher und alle
in dem ersten verbotenen mit Ausnahme des die Rede von Ar-
nauld und den Parlamentsbeschluss enthaltenden verbiete, so dass
durch dieses neue Edict das frühere stillschweigend cassirt würde.
F. Coton scheint in einer Privatbesprechung mit dem Nuncius
diesen Vorschlag unterstützt zu haben, und der Nuncius über-
mittelte denselben nach Rom ; er fügte bei : „Wenn dieses Mittel
dem h. Vater nicht gefiele, müsste man nothwendig ein anderes
finden, um den König zufrieden zu stellen; sonst würde dem Par-
lament gestattet werden, weiter zu gehen; denn der Kanzler und
Herr de Villeroy haben mir gesagt, der König habe das Parlament
nur zurückgehalten, um Seiner Heiligkeit Zeit zu gewähren, die
Sache zu regeln." Der König Hess auch an den Gesandten de
Bröves in Rom schreiben: es sei ihm nicht lieb, dass er sich nicht
Mühe gegeben, über die Verhandlungen der Inquisition sich zu
unterrichten und die Publication des Edictes zu hintertreiben, und
dass der Cardinal de Givry, der als Protector Frankreichs in Rom
residire und Mitglied der Inquisition sei, zur Zeit, als diese das
Edict genehmigt habe, nicht in Rom gewesen sei ; er sei auch unwillig
darüber, dass die Cardinäle und Prälaten, welche Pensionen von
Frankreich bezögen, ihm nicht, wie es ihre Pflicht gewesen, über
das, was man im Vatican geplant, berichtet hätten, und er habe
Lust, ihnen die Pensionen zu entziehen; der Gesandte solle dem
286 Jesuitica.
Papste vorstelleii^ der König sei ebensowohl wie das Parlament
unzufrieden über das Edict, er habe vorläufig das Parlament von
Massregeln gegen dasselbe zurückgehalten, werde aber, wenn man
in Rom den Fehler nicht redressire, nicht umhin können, dem Par-
lament freie Hand zu lassen, mit dem Edicte zu verfahren, wie es
schon früher mit päpstlichen Bullen verfahren sei, die auch ohne
Ueberlegnng erlassen worden. (Das Parlament hatte z. B. 1591 eine
Bulle Gregors XIV. verbrennen lassen.) Als der Gresandte dieses
dem Papste vortrug, antwortete er: das £dict sei mehr durch ein
Versehen als aus böser Absicht und gewiss nicht in der Absicht,
den König zu beleidigen, publicirt worden und dgl. Dann fragte er:
welche Genugthuung der König denn verlange. Der Gesandte ant-
wortete: er habe keinen Auftrag, eine bestimmte Form vorzuschreiben,
sondern nur den Auftrag, überhaupt Genugthuung zu verlangen.
Darauf gestand denn der Papst, der Nuncius habe ihm bereits einen
Vorschlag mitgetheilt, mit dem die französische Eegierung einver-
standen sei. In der That wurde denn auch 30. Jan. 1610 ein neues
Edict des Mag. S. P. veröfifentlicht, worin das frühere vom 9. Nov.
1609 nicht erwähnt wird, in welchem aber zuerst die nämlichen
Bücher, die in diesem stehen, mit einziger Ausnahme des streitigen,
dann einige andere verboten werden ^), und der Gesandte berichtete
am 3. Febr. an den Staatssecretär de Villeroy: „Die Sache ist in
der Weise wieder gut gemacht, wie Sie mit dem Nuncius verab-
redet haben. Ich schicke dem Könige das neue Placat, welches
gedruckt worden ist, um Seine Majestät zufrieden zu stellen. In
der That hat Seine Heiligkeit sich zu dieser Satisfaction sehr bereit
gezeigt und seine Unzufriedenheit über das Vorgefallene und grosses
Wohlwollen gegen Seine Majestät an den Tag gelegt.'' Der Papst-
ernannte sogar aus eigenem Antriebe einen zweiten französischen.
Cardinal zum Mitgliede der Inquisition, damit der allerchristlichst»
König, der älteste Sohn der Kirche, in dieser Behörde besser ver^
treten sei, — den Card, de la Rochefoucauld, der freilich» wie»=^
1) Prat 3, 188 erzählt: „Paul V. Hess ein anderes Decret publiciren^.
in welchem dieselben Bücher verboten wurden mit Ausnahme des Parla^ —
mentsbeschlusses, welcher durch andere Bücher ersetzt wurde. So bliel^
das Plaidoyer Arnaulds auf dem Index, aber es steht in dem neuen De —
crete ohne den Zusatz : cum annexis opusculis vid. Arrestum contra Joan^
nem Castellum.** In der Note fügt er bei: .,Die beiden Decrete stehen in^
den Indices 1. pr. hispanicus et romanus, Madrid 1756 Fol., zweite Pagi^
nation S. 205. 206.'^ Eine zu Madrid 1756 gedruckte Ausgabe derlndlce»
gibt es nicht. Prat meint die von 1667, in welcher die beiden Decret« au^
den angeführten Seiten stehen; er hat sich aber nicht die Mühe gegeben^
die Decrete durchzulesen; sonst würde er gesehen haben, dass in denk
zweiten das Plaidoyer Arnaulds nicht steht. — Ubaldini schlug' vor, ii^
dem neuen Decrete auch die anonyme Schrift von J. Gilot, Traite de»
droits et libertez de PEglise gall., 1609, zu verbieten, die man in Rom.
noch g^r nicht in Händen hatte: man könne sie sur sa parole et snr l9
nom de l'auteur verbieten. Das freschah ind^'ss nicht; das Buch wurde aucb
später nicht verboten.
A. Arnuuld. £t. Pasquier. 287
Perrens sagt, zu tugendhaft war, als dass man ihn in Born nicht
allgemein he wundert, aher auch zu unhedeutend, als dass man ihn
gefürchtet hätte.
Der weitere Verlauf der Sache zeigt, dass die französische
Begierung mit der Cassirung des Edictes vom 9. Nov. 1609 ehenso
dapirt wurde wie drei Jahre später mit dem Erlass des Decretes
gegen Becanus. In der Baccolta von 1624, in den Ausgahen des
Elenchus von 1632 und 1640 und in dem Index Alexanders YII.
von 1664 steht : Oratio A. Arnaldi . . . cui annexa sunt sequentia
opnsoula, vid. Arrestum etc., in den folgenden Indices his 1752
incl. wörtlich wie in dem angeblich cassirten Decrete : Oratio A.
Arnaldi . . . prohibetur cum annexis opuscnlis, quae sunt Arrestum
etc., und in der Sammlung von Decreten von 1624 und bei Alex,
ist No. 10 das Decret vom 9. Nov. 1609 unmittelbar vor dem vom
30. Jan. 1610 abgedruckt (es steht auch bei Arg. III a 99 in der
Expostulatio von Valerien de Flavigny gegen die Thesis Claromon-
tana von 1663, worin die Jesuiten behauptet hatten, das Arret gegen
Chatel sei nie von der Inq. verdammt worden). Erst bei Ben. und
in den folgenden Index- Ausgaben steht: Arnaldus Ant., Oratio con-
tra jesuitas habita Parisiis 4. et 3. Idus Julias ohne den Zusatz cum
annexis opusculis. Diese Aenderung ist aber wohl nur als eine der
Abkürzung wegen vorgenommene anzusehen, wie sehr viele Bücher-
titel von Ben. abgekürzt worden sind. Dass das Edict vom 9. Nov.
1609 als nicht cassirt, also auch Arnaulds Bede sammt dem Parla-
mentsbeschlusse gegen Chatel als verboten angesehen werden soll,
ergibt sich daraus, dass hinter dem Artikel Arnaldus etc. „Decr.
9. Nov. 1609" (seit 1806 in allen Ausgaben verdruckt 5. Nov.)
beigefügt ist.
Von einer Broschüre, die Amauld 1602 gegen die Bückbe-
rufung der Jesuiten veröffentlichte, Le franc et v^ritable discours
au Boy sur le retablissement qui lui est demande pour les Jesuites
(120 S. 8. und 144 S. 12., später oft gedruckt; Prat. 2, 71), kam
erst 1624 die lateinische Uebersetzung in den Index: Ingenua et
Vera oratio ad Begem christiauiss. de eo quod postulatur, ut Jesui-
tae restituantur in regno Galliae (Lugd. Bat. 1603 u. s.). In dem-
selben Decrete von 1624 wurde verb. Ca techismus Jesuitarum seu
examen eorum doctrinae. Gemeint ist Le cat^chisme des Jesuites
ou examen de leurs doctrines, Villefranche (La Bochelle) 1602, also
in demselben Jahre wie Arnaulds Discours erschienen, verfasst von
dem berühmten Juristen Ehienne du Pasquier (1529 — 1615). Der
Jesuit Bicheome schrieb dagegen La chasse du renard Pasquin de-
coavert et pris en sa tani^re du libelle diffamatoire, faux marque
Le Cat. des Jes., par Foelix de la Grrace, 1603 (Perrens 2, 221).
Man kannte also den Verfasser, der auch selbst Heinrich IV. ein
Exemplar überreicht hatte. Die Jesuiten bemühten sich vergebens,
den alten Herrn durch seinen Beichtvater zu einem Widerruf zu
bewegen. — Pasquiers Becherches sur l'histoire de France, zuerst 1 560,
dann oft, u. a. 1622 von seinem Sohne stark vermehrt herausge-
geben, kamen in den span., aber nicht in den Böm. Index, obschon
288 Jesuitica.
sehr bedenkliche Erörterungen über das Verhältniss der Päpste zu
den französischen Königen darin vorkommen und der Jesuit Garasse
dagegen 1622 die Recherches des Recherches schrieb, in 5 Büchern
mit den Ueberschriften : Le medisant, Timpertinent, Tignorant, Je
libertin, le glorieux^).
Einer der eifrigsten Gegner der Jesuiten war (seit ihrem
Streite mit den alten Orden über die Klostergüter, s. u.) Graspar
Scioppius, seit 1598 katholisch, f 1649^). Unter seinem Namen
steht im Index nur Imfamia Famiani, cui adjunctum est de styli
historici virtutibus ac vitiis Judicium et de natura historiae et histo-
rici officio diatriba, Sorae 1658 (auch Amst. 1G63), gegen Famiani
Stradae de hello belgico, Rom 1632, erst 1687 verb. — Von den
Schriften, die er nach 1630 anonym oder pseudonym, mitunter die-
selbe Schrift unter mehreren Titeln, herausgegeben, wurden 1634
folgende verboten: Actio perduellis in Jesuitas S. Rom. Imperii
juratos bestes. Auct. Philo xeno Melander, 1632, deutsch ge*
schrieben, auch als Flagellum jesuiticum d. i. Jesuitergeissel her-
ausgegeben, 1632*; — Anatomia Soc. Jesu seu probatio Spiritus
Jesuitarum. Item arcana imperii Jesuitici cum instructione secretissima
pro superioribus ejusdem [Monita secreta]. Et deliciarum Jesuitica-
rum specimina, tandem divina oracula de Societatis exitu. Ad exci-
tandam regum et principum catholicorum attentionem utilissima. A.
1633,* 103 S. 4. (auch u. d. T.: Sanctii Galindii e S. J. Anatomia
Soc. J. una cum aliis opusc. ad salutem ejusd. Soc. . . Lugd. 1633;
Baumg. 3, 240). — Jesuita exenteratus s. 1. et a. (1633, deutsch).
— Wahrscheinlich ist nicht von Scioppius das gleichzeitig ver-
botene Buch: Mysteria Patrum Jesuitarum ex eorum scriptis cum
fide eruta. Accedunt huic editioni auctiori et emendatae duae appen-
dices, Lampropoli 1633. In der Vorrede heisst es: das Buch sei
vor 9 Jahren französisch, dann englisch, dann wieder vermehrt
französisch erschienen; jetzt habe es der Verfasser lateinisch bear-
beitet. Eine Vertheidigung der Jesuiten gegen die Mysteria von
Laurenz Forer wurde beantwortet in Statera qua ponderatur Man-
tissae Laur. Forerii Sectio I. quam emisit adv. lib. cui titulus est
Mysteria Patrum Jes., auct. Renate Verdaeo, Lugd. 1637. Diese
Schrift und das französische Original der Mysteria, Les my stires
des Peres Jesuites pUr interrogations et reponses, extraits fidMement
des ecrits par eux publies, Villefranche par Eleuthire Philalethe
1624, sind von Andr. Rivet und in dessen Opera 3, 1228 abgedruckt.
Möglich wäre, dass die lateinische Uebersetzung nicht, wie an-
gegeben, von dem Verfasser, sondern von Scioppius ist und von
diesem auch die Appendices beigefügt sind. Die Mysteria handeln
in der Form von Dialogen zwischen einem Professor und einena No-
1) Leon Faugere, Oeuvres choisies d'Et. Pasquier, 1849, I, 173. 183.
211. 217.
2) H. Kowallek, üeber G. Scioppius, Forsoh. zur D. Gesch. 11 (1871),
401. Nie. 35. Backer s. v. Forer.
6. Scioppius. Val. Magni. 2d9
vizen von der Apotheose des h. Ignatins, dem blindem Gehorsam,
der Gewalt des Papstes über die Fürsten, der fides servanda, dem
Beichtsiegel und der Aequivocatio, die Anhänge von den Bestre-
bungen der Jesuiten im Orient. (Placcius p. 604. Baumg. 3, 255).
— 1 665 wurde noch eine hauptsächlich über den Streit zwischen den
Jesuiten und den alten Orden handelnde Schrift verb., die Scioppius
unter dem Namen Alphonsus de Vargas Toletanus herausgegeben:
Relatio ad reges et principes christianos de stratagematis et sophis-
matis politicis Societatis Jesu ad monarchiam orbis terrarum sibi
conficiendam, in qua etc., s. 1. 1636* (und 1641), 111 S. 4. (neue
Titelansgabe: Stratagemata et sophismata Jesuitarum, Col. 1648).
Ein eifriger Gegner der Jesuiten war auch der Capuciner
Valerianus Magnus (aus der gräflichen Familie Magni zu Mailand),
apostolischer Missionar in Deutschland, Polen und Ungarn, dessen
einem Jesuiten gegenüber gebrauchter Ausdruck: Mentiris impuden-
tissime durch Pascal (Lettres prov. No. 15) zu einem geflügelten
Worte wurde. Er schickte wiederholt heftige Anklagen gegen die
Jesuiten an den Papst und die Römischen Congregationen und gab
schon 1653 einige kleine Streitschriften gegen sie heraus. 1655
erliess die Propaganda (aus einem andern Anlass) ein Decret, worin
den apostolischen Missionaren unter Androhung der Excommunication
verboten wurde, irgend etwas ohne ihre schriftliche Erlaubniss
drucken zu lassen. Magnus veröffentlichte ohne Erlaubniss 1659
Apologia Val. Magni contra imposturas Jesuitarum. Ad majorem
Dei gloriam. (Eine spätere Ausgabe, in der ein von Magnus 1661
in der Haft geschriebener Brief beigefügt ist, ist ein Bändchen von
130 S. 16.). Gegen eine unter Titel Audiatur et altera pars 1661
zu Wien veröffentlichte Schrift seines frühern Gönners, des Land-
grafen Ernst von Hessen-Rheinfels schrieb ein anderer Capuciner
Defensio pro Yal. Magno, in qua exponitur Ecclesiae Komano-cath.
ffcandalum i. e. Jesuitarum haeresis seu atheismus detectus a Theo-
philo secundum apostolicam denunciationem Yal. Magni, s. 1. 1661.
Magnus wurde wegen Uebertretung des Decretes der Propaganda
nach Rom citirt, da er nicht Folge leisten wollte, 1661 in Wien
von dem Auditor des Nuncius verhaftet, auf Verwendung einfluss-
reicher Personen aber gegen Caution freigelassen; er starb in dem-
selben Jahre, wahrscheinlich auf der Reise nach Rom, zu Salzburg.
Seine Apologia wurde erst 1665, die Schrift von Theophilus schon
1664 verb., gleichzeitig eine Schrift des Kieler Theologen Chr.
Kortholt, worin die Apologia ausgebeutet wird (S. 97). Eine 1662
verbotene Schrift des Giessener Theologen J. H. Seipius, Manes
Roh. Bellarmini in colloquio a Val. Magno Capuccino cum D. Ha-
berkom et theologis Giessensibus habito irritati, bezieht sich auf
eine 1651 zu Rheinfels gehaltene Disputation (A. D. B. 20, 92).
1618 wurde eine italienische Schrift verb.: Instruttione
a* prencipi della maniera, con la quäle si governano li Padri Gesuiti,
fatta da persona religiosa et totalmente spassionata, im Mercure je-
suite II, 231 — 255 abgedruckt mit der Angabe : stampata in Milano
1617, e di nuovo corretta et ristampata in Roma (!) per Ant. Bru-
Beoscb, Index II. 19
290 Jesuitica.
giotti 1618. Con licenza de* nnperiori (französisch in der Monarchie
des Solipses, Amst. 1754, p. 347 — 396), eine nicht satirisch, sondern
ernsthaft gehaltene, übrigens nicht bedeutende Darlegung, wie die
Jesuiten sich bei den Fürsten und Grossen einschmeichelten, um
selbst zu herrschen. Sie ist auch 1619 u. s. ins Deutsche übersetzt
(Harenberg, Gesch. der Jes. 1, 306).
3. Protestantische Schrifen. Consilium datum amico de recu-
peranda et in posterum stabilienda pace Kegni Poloniae [in quo
demonstratur, pacem nee stabiliri posse, quamdiu Jesuitae in Polonia
maneant. Conversum ex Polonico in Latinum. Anno 1607.* 2 Bl.
44 S. 4.], verb. 1609 (nochmals gedruckt als Gravis et maximi
momenti Deliberatio de compescendo perpetuo crudeli conatu Jesui-
tarum, de novo . . . typis repetita et dedicata . . . L. Baroni Alexio
Oxensternio. Cui accessit Philander Philanax . . . Frf. 1632.*
Die Dedication ist unterzeichnet Jonas Henricceus D.). — Relatio
nuperi itineris proscriptorum Jesuitarum ex regnis Bohemiae et Un-
gariae missa ex Helicone juxta Pamassum, Prag 1619.* 32 Bl. 4.,
verb. 1623, gegen die Apologia pro S. J. ex Boemiae regno ab
ejusdem regni statibus religionis sub utraque publico decreto Imme-
rito proscripta a. 1618 die 8. Junii, Wien 1618,* 59 S. 4., (von
Adam Tanner; Backer 2, 624). — Aphorismi doctrinae Jesuitarum
et aliorum aliquot pontificiorum, quibus verus christianismus corrum-
pitur, pax publica turbatur (et vincula societatis tolluntur, sumpti
ex pontificum, jesuitarum et aliorum pontificiorum scriptis, dictis et
actis publicis. Nunc reges intelligite etc.), verb. 1624. So gibt
L'Estoile 1608 (Nouv. Coli, de M^m. par Michaud 15, 470) den
Titel seines Exemplares an mit der Bemerkung: une nouvelle bat-
terie contre les j^suites, mais forte, pour etre par \k battus de leurs
Canons meme. Backer I, 56 erwähnt eine Ausgabe mit dem Zn-
satze: Accedunt octavae huic editioni propositiones doctr. Jes. col-
lectae ab authore libelli anglici: An exact discoverie of Romish
doctrine, Amberg 1609. Becanus schrieb dagegen: Aphorismi doc-
trinae Calvinistarum ... cum brevi responsione ad Aph. falso Je-
suitis impositos. Dagegen erschien: Ad M. Becani Aphorismos cal-
vinisticos notae, Amberg 1609. — Le Mercure jesuite ou recueil
des pieces concernant les progres des Jesuites, leurs ecrits et diffe-
rents depuis Tan 1620 jusqu^a la präsente annde 1626, le tont fid^-
lement rapporte par pieces publiques et actes authentiques par l'ordre
des temps, Genf 1626 (2. Ed. en deux tomes 1631*), verb. 1633,
ein Sammelwerk des protestantischen Juristen Jacques Godefroy,
angeblich wörtlich mitgetheilte Actenstücke zuerst über die Händel
der Jesuiten in Frankreich 1620 — 24, dann aus älterer Zeit 1540
— 1618, zuletzt aus den J. 1624 — 26, im 2. Bande die Schrift von
Mariana, Bittschriften von Jesuiten an Clemens YIII. und anderes
(Baumg. 3, 246). — Philander Philanax de natura, fine et mediis
Jesuitarum, verb. 1633 (von J. Seyifert, mit dem Titelblatt: Monar-
chia Jesuitica s. Instrumenta potentialia, Jesuitica . . . nunc primum
public! juris facta, Frf. 1632* nebst einigen Gedichten, 47 S. 4.,
als Anhang zu Deliberatio s.o.). — Ludovici Lucii Historia jesui-
Protest. Schriften. J. Markiewiez. Gura salutis. 291
tica, Bas. 1627, 4., verb. 1646 (A. D. B. 19, 354). — La politi-
qne des J^suites, Lond. 1699, verb. 170(), zuerst s. 1. 1688,* 454
S. 8., von L. de Montpersan, auch Jurieu zugeschrieben.
4. Streitigkeiten mit anderen Orden und Weltgeistlichen. Die
durch das Restitutionsedict vom J. 1629 wieder eingezogenen Kloster-
güter wollte Ferdinand II. den Jesuiten zuwenden. Darüber ent-
stand ein lebhafter Federkrieg zwischen den Vertretern der alten
Orden, namentlich dem Benedictiner Koman Hai, und Gaspar Sciop-
pius und den Jesuiten Laymann, Forer und Crusius^). Merkwürdiger
Weise steht ausser der Relatio von Vargas keine der betreffenden
Streitschriften im Index. Dagegen wurden mehrere Schriften des
polnischen Domherrn Jo. Markiewiez verb., welche sich auf die
von den Jesuiten in Polen beanspruchte Zehntfreiheit und die darüber
in Rom geführten Processe beziehen {Backer 3, 243 s. v. Cichowski).
Die erste Schrift: Decima cleri saecularis in Regno Poloniae de-
fensa contra exemtiones Patrum Soc. Jesu per Jo. Markiewiez, J. U.
D., Canonicum Posnan., P. I., Siena 1643; P. II., Paris 1644, wurde
nicht verb., aber 1655 zwei spätere: Speculnm zeli a pessimis ad
exemplar malitiae contra sacros canones et jurisdictionem ecclesia-
sticam elucubratum et sie sub nomine ficti cujusdam Adami Nie-
sielski ad contemplationem et censuram Joanni Markiewiez Canonico
Warmiensi in forma famosi libelli dedicatum et oblatum, ab eodem
contemplatum, censuratum et tanquam pestiferum et scandalosum
refntatum, Gedani 1652; Scandalum expurgatum in laudem Instituti
Societatis Jesu, Gedani 1654. Die Schrift, welche Markiewiez in
der ersten als Pseudonymes Pasquill bekämpft, wurde nachträglich
1661 auch verb.: Speculum zeli pro clero in materia decimarum
adv. Polonam Soc. Jesu per replicationem titulo canonicam a Rev.
Jo. Markiewiez pessimis ad exemplar malitiae lucubratum, 111. et
adm. Rev. D. Jo. Markiewiez Canonico . . . neenon S. R. Maje-
statis Secretario et J. IJ.D. ad contemplationem abAdamo Niesielski
S. R. E. Presbytero dedicatum et oblatum, s. 1. et a. — Zwei
weitere Schriften von Markiewiez wurden 1674 verb.: Veritas bonae
vitae ex oecasione occupatae haereditatis Jaroslaviensis patribus So-
cietatis demonstrata, Paris 1671, und Summus Pontifex Innocentius X.
de duplici instituto Societatis ejusque constitutionibus et declaratio-
nibus interrogatus (vielmehr interrogans optimam informationem ac-
eepit per Jo. Markiewiez, Paris 1672).
Ein richtiges Jesuitenstück verbirgt sich hinter dem harm-
losen Titel Cura salutis, sive de statu vitae mature ac prudenter
^eliberandi methodus, per decem dierum Veneris Spiritus Sancti, S.
Dei Matris boni consilii, SS. Ignatii et Xaverii honori instituendam
eolitam devotionem proposita. Coloniae apud Petrum Marteau 1716,*
'S., verb. 1725. Das Buch erschien zuerst zu Wien 1712 mit einer
Vorrede von G. H. S. J., d.i. Gabriel Hevenesi (tl715 zu Wien),
dann 1714 mit einer Manuductio ad coelum, mit der Bemerkung
1) Backer 1, 237. 460. Salig I, BIO. Arn. 80, 112. 146.
292 Jesuitica.
auf dem Titelblatte : Sodalibus B. M. Y. sine labe conceptae in Caes.
academico S. J. CoUegio Yiennae erectae in strenam oblatum fuit.
Von dieser Ausgabe ist die Kölnische ein Abdruck, mit Weglassung
der Manuductio, daher mit p. 142 beginnend, mit p. 326 schliessend.
Gleich p. 148 wird berichtet, der h. Aloysius habe zu Madrid, vor
einem Bilde der h. Jungfrau vom guten Bathe betend, eine Stimme
gehört, die ihm befahl, in die Gesellschaft Jesu einzutreten und mit
seinem Beichtvater darüber zu reden. Von p. 230 an folgen Be-
trachtungen, in denen die Gründe für und gegen den Eintritt in
einen weltlichen Stand, in den status Petrinus (den Stand der Welt-
geistlichen), in einen Orden, qui habet stabilitatem loci (Benedictiner,
Praemons traten ser), in einen Bettelorden in solcher Weise, mit so
starker Hervorhebung der pericula et incommoda aller einzelnen
Stände vorgeführt werden, dass der um sein Seelenheil Besorgte
schliesslich froh darüber sein muss, dass es noch einen andern Stand
gibt, von dem dann in der Weise gehandelt wird, dass die 11 Motive,
welche den h. Aloysius bestimmten, Jesuit zu werden, und die 6 Be-
denken, die sein Vater dagegen erhob, mit ihrer Widerlegung angeführt
werden. — Zur Vertheidigung der Benedictiner, die besonders schlecht
wegkamen, erschien 1715 zu Kempten: Bernardi Pezii Bened. episto-
lae aliquot apologeticae pro ord. S. Bened. adv. lib. Cura salutis . . .
Defenduntur hie etiam obiter inclytus status Petrinus, ordo Can.
Reg. S. Aug., Cisterc, Praemonstr. Ed. Rev. D. P. Mellitus Oratius
ejusdem ord. 1721 erschien Dav. Fr. Hüffenwetter sacerdotis eccl.
Dialogus apol. pro statu Petrino s. eccl. adv. lib. Cura . . . Opusc
posth. ed. a J. B. Werdenhagen, mit scharfen Angriffen gegen
die Jesuiten. Mehrere Jesuiten sprachen sich anderen Ordensgeist-
lichen gegenüber unwillig über Hevenesi's Buch aus und versicher-
ten, auch der General sei unzufrieden darüber. In dem Buche:
Modesti Taubengall Apologeticus adv. umbras Oratii Melliti pro fama
A. R. P. Gabrielis Hevenesi et universae Societatis Jesu in causa
libelli, qui Cura sal. inscribitur . . ., Veronae(?) 1722,* sagt der
Verfasser sogar, es sei den Jesuiten von ihren Oberen verboten,
gegen die beiden Gegenschriften zu schreiben, darum habe er sich
dazu entschlossen. Natürlich verbirgt sich hinter dem Namen M.
Taubengall ein Jesuit, Marcus Hansiz. Es erschienen noch einige
weitere Streitschriften^).
5. Schriften über den h. Ignatius. Im J. 1611 hatte der Je-
suit Fr. Solier drei nach der Seligsprechung des Ignatius von Loyola
durch Paul V. (1609) in Spanien von dem Augustiner Valderama
und den Dominicanern Deza und Rebullosa gehaltene Predigten in
französischer Uebersetzung herausgegeben: Trois tres-excellentes
predications prononcees au jour et fete de la beatification du glo-
rieux patriarche le bienheureux Ignace . . . Poitiers 1611. Sie
wurden von dem spanischen Dominicaner Gallardo der Sorbonne
1) ü. N. 1751,673.786. Ziegelbauer, Hist. rei lit. 8.626. Backer s.v.
Hevenesi und Hansiz. Roskovany, Rom. Pont. 8, 1176.
J. £. Nieremberg. H. Engclgrave. 293
denunoirty and diese erklärte 1. Oct. 1611 vier Sätze darin für resp.
Bcandalös, blasphemisch, häretisch n. s. w. Einer der Redner hatte
gesagt: Ignatius habe durch seinen auf Papier geschriebenen Namen
mehr Wunder gewirkt als Moses und ebenso viele wie die Apostel;
ein anderer hatte gesagt: Auch die anderen Ordensstifter wurden
zum Heile der Kirche gesandt; novissime autem diebus istis locutus
est nobis in filio sao Ignatio, quem constituit haeredem universo-
rum und auf welchen sich nur die folgenden Worte nicht anwenden
lassen: per quem fecit et saecula (Hebr. 1, 2); der dritte hatte den
Papst als Nachfolger Jesu Christi bezeichnet ^) . Unter den Doctoren
der Sorbonne meinte nur Andr6 Duval, die Sätze liessen sich allen-
falls in einem erträglichen Sinne deuten. Selbst der Nuncius Ubal-
dini meinte, man dürfe doch nicht Ignatius von Loyola über die
Apostel, Moses und Ignatius von Antiochia erheben (Perrens 2, 58).
Diese Predigten sind nicht in den Index gekommen. Aber 1646
wurde mit €. c. verboten: Vida de San Ignacio de Loyola, fnnda-
dor de la CompaÜia de Jesus, resumida y afiadida de la Bula y
relaciones de su canonizacion y de otros graves autores por Juan Eu-
sebio Nieremberg, Madrid 1631. Eaynaud sagt (bei Casalas p. 590),
die Dominicaner hätten das Buch in den Index gebracht, weil darin
die Geschichte von dem Priester stehe, der sich während seines
Lebens zu der Lehre der Dominicaner von der Empfängniss Mariae
bekannt, als aber zu Manreea für ihn die Exequien gehalten wurden,
sich aus dem Sarge erhoben und seine Ansicht retractirt habe, ein
Wunder, welches vor Ignatius* Anwesenheit in Manresa sich zuge-
tragen und dort durch ein Wandgemälde verewigt sei, für dessen
Beseitigung die Dominicaner sich erfolglos bemüht hätten. Vincenz
Baron (Apol. II, 180) sagt aber, das Buch sei nicht darum verb., weil
diese, sondern weil andere Wundergeschichten, die bei dem Canoni-
sationsprocess als falsch erwiesen worden seien, darin als wahr er-
zählt würden; der spanische Minorit Lud. de Aro habe nach Eom
geschrieben, man möge das Buch corrigiren und dann freigeben, der
Censor P. Lezana habe aber erklärt, das Buch sei nicht zu ver-
bessern et a capite ad calcem spongia delendus. Es wurde indess
nur mit d. c. verb. und die Bollandisten sagen, nur die 2. Ausgabe
sei verb., die 3., Madrid 1636 (sie enthält die Biographieen von Ig-
natius und Franz Xavier) sei freigegeben, wovon freilich im Index
nichts steht. — Ein etwas später erschienenes Buch von Henr.
Engelgrave, — Cr6t.-Joly 4, 227 bezeichnet ihn, Job. Coster und
Hazart als die drei grössten Prediger unter den belgischen Jesuiten
(s. Biogr. univ. s.v.), — wurde erst 1686 (unbedingt) verb.: Lucis
evangelicae sub velum sacrorum emblematum reconditae pars 3.,
h. e. Coeleste Pantheon sive coelum novum in fest« et gesta Sanc-
torum totius anni morali doctrina varie illustratum. Pars prima.
1) Arg. IIb 50. Flosculi blaspheraiarum Jesuitarum ex tribus con-
donibus . . . decerpti, cum Sorbonae censura, 1612, 4. Marchand 1, 40.
— Prat 3, 368 sucht die Prediger zu entschuldigen.
294 Jesuitica.
Es ist aber nicht auszumachen, ob das Buch wegen der Fabulosa
über den h. Ignatius verboten wurde, die in der Pragm. Gesch. des
Mönchth. 9. 73 daraus mitgetheilt werden, oder wegen anderer
Dinge, z. B. wegen der Stellen über die h. Anna, die bei (Weller)
Altes und Neues, 1762, I, 546, zu lesen sind, z. B.: Filius omnia
nos habere voluit per Mariam; ita Maria, observantia in matrem,
omnia nos habere voluit per Annam; Jesus, Maria und Anna seien
Trias in terris; Christus habe bei seiner Empfängniss von Joachim
und Anna aliquam illius substantiae particulam sibi univit, weshalb
auch im Abendmahl reperitur aliqua particula, quae ab anima D.
Annae vel D.Joachim informaretur ; Alexander VI. habe 1494 den-
jenigen einen Ablass von 30,000 Jahren verliehen, die dem Ave
Maria beifügten: et benedicta sit Anna mater tua, ex qua sine ma-
cula et peccato processisti u. dgl.^). — Kitratto del glorioso capi-
tano di Cristo, difensore et ampliatore della sua fede, S. Ignatio di
Loiola, fondatore della Compagnia di Gesü, 1690 mit«d. c. verb.,
ist mir nicht bekannt.
Der Benedictinerabt Constantin Gaetani (Caietanus), gest. 1650
als Greis von 90 Jahren, schrieb eine Keihe von Büchern, in welchen
er von berühmten Männern nachzuweisen sucht, sie seien Bene-
dictiner gewesen. So vindicirte er seinem Orden Gregor den Grossen,
Amalarius Fortunatus^ Isidor von Sevilla, Ildefons von Toledo,
Augustinus, den Apostel von England, und Bonifaoius, den Apostel
der Deutschen. Die meisten seiner Bücher wurden in Hom gedruckt,
— er war Custos der Vaticanischen Bibliothek, — und zwar von
anderen Schriftstellern bekämpft, aber nicht censurirt. Bezüglich
einer von ihm dem Benedictinerorden vindicirten Gelebrität, des
Verfassers der Bücher von der Nachfolge Christi, hatte er sogar
die Freude, dass die Propaganda 14. Febr. 1639 entschied, dieses
Buch dürfe in Eom und anderswo unter dem Namen des Joannes
Gersen de Canabaco, Abbas monasterii S. Stephani Vercellensis,
Ordinis S. Benedicti, gedruckt werden. Aber als er in einem 1641
erschienenen Buche zu beweisen suchte, Ignatius sei vor der Grün-
dung seines Ordens in Spanien Benedictiner gewesen und seine
Exercitien seien im wesentlichen aus einem Werke eines Benedic-
tinerabts Cisneros geschöpft, und der Jesuit Jo. Hho dieses Bach
sehr lebhaft bekämpfte, wurden beide Schriften 1646 verb.: Con-
stantini Cajetani De religiosa S. Iguatii s. S. Enneconis, funda-
toris Soc. Jesu, per Patres Benedictinos institutione deque libello
Exercitiorum ejusdem ab Exercitatorio Garciae Cisnerii desumto libri
1) Nach (Dodd), Hist. du College de Douay p. 420 erzählt Engel-
grave auch die dem h. Franz Borgia 1569 zu Theil gewordene Offenba-
rung, dass in den nächsten 800 Jahren keiner, der als Jesuit sterbe, ver-
loren gehen werde, — eine Offenbarung, über welche 1874 der Jesuit J.
Terrier eine besondere Schrift herausgegeben. Deutscher Merkur 1880,
66. — loh besitze von dem Buche von Eng. ein Exemplar der 3. Ed.,
Col. 1658, welches im J. 1746 ein Schüler eines Jesuiten-Gymnasioms als
Prämie erhalten.
CoDst. Cajetanus. J. Rho. 295
duo, Yen. 1641, 8., mit dem Zusätze: quos ipse Abbas Constantinus
tanquam suppoBitios sive adulteratos non agnoscit (er sagte, der Druck
stimme nicht mit seinem Manuscripte tiberein; aber unterschoben
kann das Buch auf keinen Fall genannt werden; Armellini, Biblioth.
Ben. - Gas. I, 127); — Joannis Kho Mediolanensis Achates ad
D. Const. Cajetanum monachum Casinensem et S. Barontii Abbatem
adversus ineptias et malignitatem libelli Fseudo-Constantiniani de S.
Ignatii institutione et Exercitiis, Lugd. 1644, 12.^). — Kho hatte
etwas frtiher ein anderes Buch über die frühere Lebensgeschichte
des Ignutius bekämpft. Giambattista Castaldo hatte nämlich in der
Vita del P. Gaetano Tiene, fondatore della religione de' Chierici
Regulari, Rom 1616, erzählt, Ignatius habe einige Jahre vor der
Gründung seines Ordens bei den Theatinem zu Venedig gewohnt
und bei ihnen eintreten wollen; Cajetanus aber habe ihn nicht auf-
genommen, weil ihm Gott geoifenbart habe, Ignatius werde selbst
einen Orden stiften. Dagegen schrieb Rho: Ad Jo. Bapt. Castal-
dum Inten'ogationes apologeticae, in quibus S. Ignatii cum B. Caje-
tano Thienaeo colloquentis atque ab eo Theatinorum ordinem postu-
lantis rejicitur fabula, Lugd. 1641, 4.
Th. Raynaud (bei Casalas p. 482) hält den Dominicanern yor:
Leo AUatius, der auch gegen den halb verrückten Cajetanus ge-
schrieben, sei nicht in den Index gekommen, wohl aber Rho, weil
er ein Jesuit sei ; dessen Buch gegen Castaldo habe man nicht ver-
boten, weil man dann auch diesen hätte in den Index setzen müssen.
Rho's Buch gegen Castaldo wurde aber später verboten, und zwar
ohne dass zugleich Castaldo's Buch verboten worden wäre, freilich
erst 1693, allem Anscheine nach nur wegen der scharfen Polemik;
denn die von ihm bekämpfte Legende galt auch bei der Curie als
Fabel, wie sich aus einem Briefe des Assessor S. Officii, Carlo Viz-
1) Gegen Cajetanus' Buch, worin Gregor der Grosse zum Benedic-
tiner gemacht wurde, schrieb Ant. Gallonius oder unter dessen Namen
Card. JBaronius (R. Simon, Lettres 2, 132; 3, GOj. Seine Behauptung, der
Abt Gersen sei der Verfasser der dem Thomas von Kempen zugeschriebenen
Nachfolge Christi, wurde von dem Jesuiten Heribert Rosweyd bekämpft
(Backer 1, 651). In neuester Zeit haben die Jesuiten in der Civ. catt.
für Gersen Partei ergriffen (Tüb. Q.-S. 1880, 57). — In dem (von Jesuiten
bearbeiteten) span. Index von 1747 wird p, 813 verordnet, in dem Supple-
ment zu Morery, Paris 1735, p. 169 den Satz zu streichen: man sage, die
Exercitien des Ignatius fänden sich in einem Manuscript eines Benedic-
tiners, welches 160 Jahre vor der Geburt des Ignatius geschrieben sei,
und Gaetani habe bewiesen, dass die Regel des Ignatius zu Monte Casino
von vier Benedictinern verfasst worden sei, — weil das päpstlichen De-
creten und Breven widerspreche. Cajetanus, Castaldus und Rho stehen
übrigens nicht im span. Index. — Gegen Castaldo polemisiren auch die
Jesuiten F. Sacchini in der Vorrede zu der Hist. Soc. Jesu (1615) und
Julius Negroni -in der Hist. disputatio de S^ Ignatio ... et de B. Caje-
tano Thienaeo, Col. 1G30 (Backer 2, 139). — Auch über die Sage, Philipp
Neri habe sich bei Ignatius zur Aufnahme in den Jesuitenorden gemeldet,
sei aber zurückgewiesen worden, sind im 17. und 18. Jabrh. in Italien
Schriften erschienen. Melzi 1, 78. 462.
296 Jesuitica.
zano, an den Generalvicar von Cosenza vom J. 1669 ergibt, von
dem die Münchener Hofbibliothek (Cod. Moll. 104) eine AbBchrift
hat. Es heisst darin : der Papst habe entsprechend dem Votnm der
Cardinäle der Inq. das vor einigen Monaten erschienene Summarinm
vitae et miraculornm B. Caietani verbieten wollen, weil es im Wider-
sprach mit den Decreten der Congregation die Fabel enthalte, dass
der h. Ignatius die Aufnahme in den Theatinerorden nacbgesneht
habe. Die Theatiner hätten aber versichert, das sei ohne ihr Vor-
wissen gedruckt worden, sich auch bereit erklärt, das betreffende
Blatt zu beseitigen, und dem Papste ein Exemplar überreichen lassen,
worin die Sache corrigirt sei. Darum habe der Papst das Verbot
Buspendirt und die Veröffentlichung des Buches in der corrigirten
Gestalt gestattet. Nicht corrigirte Exemplare dürften aber nicht
verkauft werden; widrigenfalls werde das Buch verboten und die
Verwegenheit dessen gestraft werden, der es gewagt, die Decrete
der h. Congregaton ausser Acht zu lassen. Danach ist es allerdings
auffallend, dass Castaldo nicht in den Index gekommen ist.
Der zur Feier des hundertjährigen Bestehens des Ordens 1640
zu Antwerpen gedruckte Foliant: Imago primi saeculi Societatis,
den man nicht ganz mit Unrecht dem Li her conformitatum S. Fran-
cisci an die Seite gestellt hat^), ist nicht in den Index gekommen,
wohl aber wegen eines kleinen Versehens die bei Gelegenheit der
ersten Säcularfeier des Collegium germanicum im J. 1652 von
einem Zöglinge in Gegenwart fast aller Cardinäle vorgetragene
Festrede: Panegyricus de institutione Collegii Germanici et Ungarici
a Comite Eusebio Truxes Collegii ejusdem Alumno dictus, a Hie-
ronymo Cataneo S. J. scriptus anno saeculari ejusdem Collegii,
s. 1. et a. 112 S. 12. 2). Sie wurde einige Tage nach der Ver-
öffentlichung durch den Mag. S. P., dessen Socius V. Fanus das Im-
primatur ertheilt hatte, mit d. c. verboten. Saint-Amour (Journal
p. 300) will gehört haben, dass il y ^tait dit par une assez sötte
figure de rhetorique, que le Pape favorisait la h^risie. Die Stelle,
die er meint, kommt aber nicht in der Rede vor, sondern in der
vorgedruckten Dedication an Innocenz X. In dieser wird von den
fürstlichen Personen aus Deutschland, die wieder katholisch geworden,
und von der Unterdrückung der Ketzerei in den kaiserlichen Erb-
landen gesprochen und gesagt, in Bezug auf die Ausbreitung der katho-
lischen Religion werde die Geschichte von Innocenz X. mehr zu berich-
ten haben, als von den 20 vorhergehenden Päpsten. Das sei Gottes
Werk, aber auch der Papst habe Autheil daran: Tanta benignitas,
qua complexus es adventantes Romam haereticos principes, dum
arcte stringit, sinu suo compressit ac prope elisit Germaniae odium.
Ipsa haeresis erubuit eum odisse, qui et eam adeo amaret. Cum
timeret a Te fulmina, dona accepit. In dem Exemplar der Münchener
1) Pragm. Gesch. 9, 71, 456. Deutscher Merkur 1877, 67.
2) Eusebius Graf Truchsess wurde 1655 Jesuit, docirte 1658 — 66 in
Ingolstadt und war später Secretär des Generals für die deutsche Assistenz.
H. Cataneas. Jesuitissen. 297
Hofbibliothek ist za den gesperrt gedruckten Worten beigesebrieben :
Propter baec maxime verba libellus iste jussii Pontificis fuit sup-
pressus. Subinde recusns est omissa bac epistola dedicatoria et alia
Bubstitnta ad Alexandrum VII. £ine andere Hand bat noch beige-
fügt: Snmpsit autem anctor nomen baeresis pro baereticis. Backer
verzeichnet übrigens keine 2. Ausgabe; jedenfalls wird im Index
eine solche nicht als freigegeben erwähnt.
6. Die Jesnitissen. Im Anfange des 17. Jahrb. wollte eine
Engländerin, Mary Ward, einen weiblichen Orden nach Analogie
des Jesnitenordens gründen: die Nonnen sollten keine Clausur haben,
nur einfache Gelübde ablegen, ausserhalb des Klosters in weltlicher
Kleidang thätig sein und nicht nur Mädchen unterrichten, sondern
auch durch Vorträge und in anderer Weise für den katholischen
Glauben, namentlich in England für die Bekehrung der Protestanten
wirken; man sagte sogar, es solle auch ein viertes Gelübde einge-
führt werden, wodurch die Nonnen sich verpflichten sollten, sich
als Ifissionarinnen zu den Türken und Ungläubigen senden zu lassen.
Die Organisation war ganz der der Jesuiten nachgebildet: sie hatten
eine Generalin, Provincialinnen, Rectorinnen u. s. w.; ein Jesuit
Roger Lee war der Rathgeber der Mary Ward gewesen und viele
Jesuiten billigten und förderten ihre Absichten. Wenn die Nonnen
sich nicht selbst den Namen Jesuitissae beilegten, so wurden sie
doch allgemein so genannt. Eine päpstliche Bestätigung erhielt der
Orden nicht; es wurden aber in Belgien, Deutschland und Italien
Häuser gegründet. Aber schon 1622 berichteten der Stellvertreter
des englischen Erzpriesters und seine neun Assistenten sehr un-
g;ünstig über die Jesnitissen und auch von anderen Seiten liefen
Klagen über sie in Rom ein: die Generalin Mary Ward kleide sich
and lebe sehr üppig, fahre vierspännig, habe auf der Strasse vor
einem Altar gepredigt; die Nonnen ständen im allgemeinen nicht in
Achtung ; man nenne sie wegen ihres fortwährenden Hin- und Her-
reisens galloping girls (auch apostolicae viragines); sie führten ein
leichtfertiges Leben und manche würden als Curtisanen angesehen.
Eine besondere Commission von vier Cardinälen erklärte schon 1622
die Unterdrückung des Unfugs für nöthig und 1628 verordnete die
E^paganda die Auflösung ihrer Niederlassungen. Im J. 1631 wurde
ier Orden durch ein Breve Urbans VIII. vom 13. Jan. (Bull. 5,
215) gänzlich aufgehoben. Die Ward und eine ihrer Assistentinnen
wurden verhaftet und nach Rom gebracht; sie revocirten ihre wider-
setzlichen Briefe und wurden 1637 entlassen.
Durch das Breve vom J. 1631 wurde aber die Gründung der
Ward nicht vernichtet; sie gründete in England neue Häuser; in
München blieb ihre Niederlassung unter dem Schutze des Kurfürsten
Maximilian besteben, und auch an anderen Orten in Deutschland
entstanden wieder neue. Die Nonnen widmeten sich aber nun aus-
schliesslich dem Unterrichte der weiblichen Jugend und nannten
»ich englische Fräulein. Ihre Regel wurde von Innocenz XII. und
auf Ersuchen des Kurfürsten Max Emmanuel von Baiem von Cle-
mens XI. 1703 bestätigt. Die englischen Fräulein sahen ihre Con-
298 Gontroverse de auxiliis.
gregation als die Fortsetzung des Ordens der Jesnitinnen und Maria
Ward, die ihnen als Heilige galt, nls ihre Stifterin an. Sie kamen
mit dem Bischof von Augsburg in Conflict; dieser brachte die Sache
1747 nach Rom (Fleur. 79, 313), und eine Bulle Benedict« XIV.
vom 30. April 1749 (Bull. 3, 31) belehrte die Nonnen, durch Inno-
cenz XII. und Clemens XL, die ein Institutum virginum anglicaram
approbirt, sei die Bulle Urbans VIII. keineswegs aufgehoben oder
modiücirt; sie dürften nicht die Maria Ward als ihre Stifterin, noch
weniger als eine Heilige ansehen und nicht an ihrem Todestage die
Missa de Triuitate oder de omnibus Sanctis und eine Lobpredigt
auf sie halten lassen. Demnach wurden denn auch 1752 in den
Index gesetzt: Englische Tugendschul Maria unter denen von Ihro
päpstl. Heiligkeit Elemente XL gutgeheissenen und bestättigten Regeln
des von der hochgeborenen Frauen Maria Ward als Stifterin aufge-
richteten edlen Instituts Maria, insgemein unter dem Namen der
englischen Fräulein, von Marcus Fridl, Pfarrer u. s. w. 1. Theil,
d. i. wundervolle Lebensbeschreibung Maria Ward, Stiffterin der eng-
lischen Fräulein u. s. w. Augsb. 1732. 2 Theile 4., — und Knrtzer
Begriff des wunderbarlichen Lebens Maria Ward, Stiffterin der eng-
lischen Fräulein, von Joh. Unterberg, Augsb. 1735. — Auch der
Band von Corb. Khamms Hierarchia Augustana, in welchem p. 487
— 568 eine Relatio de Anglarum virginum origine ... et jnsta
defensione steht, ist verb., aber schon 1721 und aus einem andern
Gh-unde (S. 266) i).
40. Die €ontroYerse de anxiliis.
Zwanzig Jahre nach der VerdammuDg der Lehrsätze des
Michael Bajos, wenig später als der Streit zwischen den Jesuiten
und der Lüwener theologischen Facultät (I S. 544) entstand in
Spanien eine Gontroverse Über die Gnadeulehre zwischen den
Jesuiten und den Dominicanern. Der hervorragendste litera-
rische Vertreter der letzteren war Domingo Baüez zu Salamanca,
t 1604, der ersteren Luis Molina, Professor zu Evora, f zu
Madrid 1600. lieber diese Gontroverse, speciell Über Molina^s
zuerst 1588 erschiene Goncordia liberi arbitrii cum gratiae donis
etc., welche von den Dominicanern denuncirt worden, wurde in
1) Vgl. ausser der Bulle Benedicts XIV. Je. Coleri Schediasma hi-
storicum de Jesuitissis (Dissertation), Lpz. 1719.* 63 S. 4. Dodd-Tierney
4, 108. App. 227. A. J. P. 14, 899. Sainjore I, 289. Friedrich, Beitr. zur
Gesch. des Jesuiten-Ordens S. 48. — Die Jesuitinnen des 16. Jahrh. (R.-E.
6t 622) hangen mit den oben besprochenen nicht zusammen.
Controverse de auxiliis. 299
>m von 1597 an verhandelt, von 1602—1606 in einer Reihe
m Sitzungen, den sog. Congregationes de auxiliis, in Gegen-
art der Päpste Clemens VIII. (t 5. März 1605) und Paul V.
m Vertretern beider Parteien disputirt. Die Controverse wurde
cht entschieden, vielmehr in einer unter dem Vorsitze Pauls V.
n 1. Dec. 1611 gehaltenen Sitzung decretirt, es solle fortan
nn Buch Über die streitige Frage ohne Erlaubniss der Inqui-
tion gedruckt werden. Dieses Decret wurde unter Urban VIII.
(25 und 1641 und unter Alexander VII. 1657 eingeschärft, das
tzte Mal mit dem Zusätze, alle ohne Erlaubniss der Inquisition
^druckten oder in Zukunft zu druckenden Schriften, welche
e materia auxiliorum divinorum ex professo oder incidenter
ler unter dem Vorwande der Commentirung des h. Thomas
ler irgend eines andern Theologen behandelten, seien als ver-
)ten anzusehen. Dieses allgemeine Verbot steht in dem Index
lexanders VII. und den folgenden unter Libri, seit Ben. in
in Decr. gen. II, 1. — Diese Decrete konnten freilich nicht
renge durchgeführt werden; sonst hätten nach dem Decrete
)n 1611 alle Lehrbücher der Dogmatik, in denen die materia
ixiliorum divinorum nicht mit Stillschweigen übergangen wer-
?n konnte, der Inquisition zur Approbation vorgelegt werden
üssen, und wären nach dem Decrete von 1657 alle ohne eine
)lche Approbation bis heute erschienenen derartigen Werke,
- denn das Decr. gen. II, 1 steht noch im neuesten Index, —
8 verboten anzusehen. Im Index stehen nur drei, während
3r Verhandlungen in Rom erschienene unbedeutende Schriften
)n Ferd. de las Infantas und P. Beni, ein von Th. Raynaud
iter dem Namen A. Ri viere herausgegebenes Pasquill gegen
ie Dominicaner und tactlose Biographieen von zwei Hauptvor-
ämpfem der beiden streitenden Parteien, von dem Dominicaner
homas de Lemos und dem Jesuiten Leonard Lessius. — Später
sraulasste die Veröffentlichung der Acten und die Darstellung
er Geschichte der Congregationes, namentlich durch den Do-
linicaner Hyacinth Serry und den Jesuiten Livinus de Meyer,
ibhafte Controversen ; aber verboten wurden diese Werke nicht ^).
1) Ausser den unten zu erwähnenden Werken von Serry und de
ieyer sind im folgenden besonders benutzt die Schriften des Jesuiten G.
800 Gontroverse de aoxiliis.
1581 Hess der Jesuit Michael Marcos zu Salamanca Thesen
vertheidigen, welche gegen die Lehre von Bafiez gerichtet waren.
Dieser schrieh dagegen und erwirkte ein Edict der spanischen In-
quisition, welches 13 von ihm denuncirte Sätze bis auf weiteres zu
lehren verbot Das Buch von Molina, Liberi arbitrii cum gratiae
donis, divina praescientia, Providentia, praedostinatione et reproba-
tione concordia, wurde, nachdem es im Auftrage der portugiesischen
Inquisition von dem Dominicaner Barth. Fereira geprüft und appro-
birt worden, 1588 zu Lissabon gedruckt und nach einer von Bafiez
veranlassten neuen Prüfung die Veröffentlichung gestattet. Die in
Spanien darüber entstandenen Controversen veranlassten Clemens
VIII., 1594 den streitenden Parteien vorläufig Schweigen zu ge-
bieten, dem päpstlichen Stuhle die Entscheidung vorzubehalten und
die Oberen der beiden Orden zur Einsendung von Denkschriften
aufzufordern. Die span. Inquisition forderte auch von den spanischen
Universitäten und von mehreren Bischöfen und Gelehrten Gatachten
ein. Alle diese Actenstücke, eine grosse Eiste voll, wurden 1598
nach Rom gesandt. Schon im Nov. 1597 hatte Clemens VIII.,
veranlasst durch eine von Bafiez eingesandte Denunciation, eine be-
sondere Congregation, bestehend aus den Cardinälen Madruzzi und
Arigone und 9 Theologen, mit der Prüfung des Buches von Molina
beauftragt. Diese beantragte 13. März 1598, die Concordia und die
Lehre des Molina unbedingt, seine Commentarii in 1. partem D.
Thomae (1593) mit d. c. zu verbieten (Schneemann S. 46). Der
Papst verordnete aber eine nochmalige Prüfung mit Berücksich-
tigung der aus Spanien eingesandten Actenstüoke. Die Congrega-
tion sprach sich nochmals gegen Molina aus und bezeichnete eine
grosse Zahl von Sätzen desselben als irrig. Ihr Votum wurde,
nachdem die von dem Papst auf den Wunsch Philipps III. im J.
1599 veranstalteten Conferenzen von Theologen beider Orden erfolglos
geblieben, 1600 den Jesuiten mitgetheilt and mit ihren Erwide-
rungen der Congregation zur nochmaligen Revision überwiesen. Sie
beharrte im Oct. 1600 bei der Erklärung, 20 Sätze seien zu cen-
suriren. Im Jan. 1601 ordnete der Papst eine vierte Prüfung in
Gegenwart von je zwei Theologen beider Orden an; die Congrega-
tion gab aber 29. Nov. 1601 wieder dasselbe Votum ab. Nun ver-
ordnete der Papst 3. Febr. 1 602, es sollten Mitglieder beider Orden
in seiner Gegenwart und in Gegenwart der Cardinäle Pompeo Ari-
gone und Camillo Borghese (später Paul V.) und der Censoren der
20 Sätze disputiren. Dieser Disputationen, — gewöhnlich Congre-
gationes de auxiliis genannt, — fanden vom 29. März 1602 an bis
zum Tode Tode Clemens' VIII. 68 statt, dann noch 17 unter Paul V.
Nach der letzten Disputation 1. März 1606 befahl der Papst den
Schneemann: Die Entstehung der thomistisch-molinistischen Controverse,
1879; Weitere Entwicklung der th.-mol. Controv., 1880, und Controversiae
de divina gratia, 1881. Die zweite ist gemeint, wo einfach Schneemann
citirt wird.
CoDgregationes de auxiliis. 801
Censoren, ihre Vota schriftlich ahzngeben: alle mit Ausnahme des
Carm eliters J. A. Bovius, sprachen sich für die Censurirnng
von 42 (der Erzbischof Petrus Lombardus von Armagh von 30)
Sätzen Molina's aus. Diese Gutachten wurden 9 Cardinälen vor-
gelegt und diese gaben in einer 28. Aug. 1607 unter dem Vorsitze
des Papstes gehaltenen Sitzung ihre Vota ab; ihre Ansichten waren
getheilt (eine Aufzeichnung über diese Sitzung von der Hand Pauls V.
ist abgedruckt bei Schneemann S. 90). Der Papst traf keine Ent-
Scheidung. Er befahl zunächst den Generalen beider Orden, ihren
Untergebenen zu verbieten, bei der Erörterung der Frage die Gegner
zu ,»qualificiren und zu censuriren.*^
1610 erschien zu Rom von Didacus Alvarez, einem der Ver-
treter der Dominicaner in den Congregationen, De auxiliis div.
gratiae et humani arbitrii viribus et libertate ac legitima ejus cum
efficaci eorundem auxiliorum concordia 11. 12. Darauf wollten die
Jesuiten Werke von Suarez und Lessius drucken lassen. Der Papst
verordnete aber in der Sitzung der Inq. vom 1. Dec. 1611, die Nun-
cien zu beauftragen, den Ordensoberen, Universitäten und Bischöfen
ihrer Nunciatur zu eröffnen: sie dürften für kein Buch, welches
über die Materie de auxiliis handle, wenn auch unter dem Vorwande
des Ck)mmentirens des h. Thomas oder in anderer Weise, die Druck-
erlaubniss ertheilen; solche Bücher seien vielmehr der Eöm. Inq.
zur Prüfung und Approbation vorzulegen. Das General capitel der
Dominicaner bat den Papst 12. Juni 1612 vergebens, er möge eine
Entscheidung geben und ihnen die Discussion der Frage gestatten.
Der Erzbischof von Armagh hatte bereits eine Bulle gegen
Molina's Lehre entworfen (abgedr. bei Serry, App. 155); es ist aber
fraglich, ob dieses im Auftrage des Papstes geschehen war. Auf
einer in Rom befindlichen Abschrift derselben, die Laemmer, Zur
Kirchengesch. S. 106 bespricht, findet sich die Notiz, die Publica-
tion derselben sei unterblieben auf Betreiben (maneggio) des Card,
du Perron, nicht (wie vielfach angegeben wird) darum, weil Paul V.
die Jesuiten, die sich bei seinem Streite mit Venedig so correct
benommen, nicht habe verletzen wollen. — Neben du Perron be-
mühte sich namentlich Bellarmin dafür, dass keine Entscheidung
g;egeben werden möge (Schneemann S. 75. 78). In einem Briefe
an Clemens VIII. vom J. 1602^), den er diesen gleich nach dem
Durchlesen zu verbrennen bittet, räth er ihm, den bisher zur Ent-
scheidung der Frage eingeschlagenen Weg zu verlassen. „Ihre Vor-
gänger haben nicht darauf ihr besonderes Augenmerk gerichtet,
durch den Scharfsinn ihres Geistes und fleissiges Studium in die
dogmatischen Fragen einzudringen, sondern die gemeinsame Ansicht
der Kirche, namentlich der Bischöfe und der Gelehrten zu erforschen.
Darum haben die Päpste von dem h. Petrus an bis auf die Gegen-
wart gewöhnlich für die Definition von Glaubenslehren Concilien
1) Abgedr. u. a. bei Serry p. 271 und bei Döllinger, Beitr. 3, 83;
▼gl. Gott. Gel. Anz. 1884, 582.
302 Controverse de auxiliis.
verwendet ; ja sehr viele Päpste haben, ohne selbst zu studiren,
manche Irrthümer mit Hülfe der Concilien und der Universität-en
mit Erfolg unterdrückt, während auf der andern Seite manche durch
ihr vieles Studiren sich und die ganze Kirche in Gefahr gebracht
haben. So hat Leo X. nicht sonderlich viel studirt, um die luthe-
rische Ketzerei zu verdammen, sondern es für genügend gehalten,
die Censuren der katholischen Universitäten, namentlich der Kölner
und der Löwener, gut zu heissen. Auch Paul III., Julius III. und
Pius IV. haben sich nicht auf Studien verlegt, aber unt«r Mitwir-
kung des Tri enter Concils Wahrheiten von der grössten Bedeutung
klar gestellt. . . . Als dagegen Johannes XXII. auf den Gredanken
gekommen war, die Seelen der Heiligen genössen [vor der Aufer-
stehung] nicht die Anschauung Gottes, und meinte, das sei die An-
sicht des h. Augustinus, da versuchte er diese seine Meinung zur
Geltung zu bringen und veranstaltete nicht nur nicht eine öffent-
liche Berathung eines Concils oder der Universitäten, weil er wusste,
dasB die Pariser Universität gegen seine Meinung war, sondeni
sammelte eifrig Stellen des h. Augustinus zu Gunsten derselben und
belohnte diejenigen, welche ihm solche nachwiesen, mit Benefizien, so
dass nur wenige mit ihm darüber zu reden wagten. So verschloss er
sich selbst den Zugang zur Wahrheit. Indess hat er in den 18
Jahren seines Pontißcates sein Ziel nicht erreicht, weil der dem
apostolischen Stuhle zur Seite stehende göttliche Beistand nicht zu —
Hess, dass er etwas der Wahrheit Widersprechendes decretirte ^^ e
Gleich nach seinem Tode aber erliess sein Nachfolger ein der ge — ^^e
wohnlichen Ansicht der Theologen conformes Decret. Ew. Heilig — '
keit wissen auch, in welche Gefahr Sixtus Y. sich und die ganzem
Kirche gebracht, als er nach seinen Ansichten die Bibel [Vulgata] [
corrigiren wollte; ich weiss nicht, ob es je eine grössere Gefahi
gegeben. . . . Wenn es sich um Controversen über Glaubenssachen.
handelt, so geht die Sache, wie P. Nicolaus sagt, alle an und muss^-^ ^
sie Öffentlich und nicht insgeheim mit wenigen verhandelt werden— äiä ^i
Denn wenn man auch, falls E. H. die Sache ohne öffentliche Be — ^^^*
rathung entschieden, verpflichtet wäre zu glauben und zu gehorchen,^^^:*^ *'
so würde das doch nicht ohne Murren von Seiten der Kirche un(
der Universitäten geschehen, die sich beklagen würden, dass
nicht gehört worden. Jedenfalls ist das nicht der Weg unserer Vor — 'r^^^
fahren, die E. H. nachahmen wollen. ... Es steht nur ein doppelter-:«' ^^
Weg offen, um die Sache zu Ende zu führen: E. H. können erstens^
den Streit dadurch beschwichtigen, dass Sie beiden Theilen Schweigen
auflegen, . . . zweitens ein Concil von Bischöfen versammeln oder, ^**^^'
wenn das nicht gut scheint, von allen katholischen üniversititen ^^ ^'
einige auserlesene Theologen nach Rom berufen oder ihnen schrift-^ — =
lieh die Hauptpunkte der Controverse und die von beiden Seiten
ausgearbeiteten Denkschriften zusenden und dann nach einer solchen
Berathung die Frage mit Hülfe des h. Geistes entscheiden.'* Schliess-^ — ^'
lieh beklagt sich Bellarmin, dass Clemens durch scharfe Aeusse-
rungen über Molina^s Ansicht Anlass dazu gegeben, dass die-**"^*'®
Gegner sich rühmten, er sei von der Kichtigkeit ihrer Ansicht üb<
Bellarmin. Fr. Suarez. 803
zeugt. In seiner Selbstbiographie (I S. 505) rühmt sich Bellarmin,
er habe Clemens VIII. vorhergesa^t, er werde die Sache nicht ent-
scheiden, und diese Vorhersagung wiederholt, als der Papst erwiedert
habe, er werde doch entscheiden. Um Bellarmin los zu werden, er-
nannte ihn Clemens VIII. zum Erzbischof von Capua (Schneemann
8. 75). — Sehr scharf kritisirt wird Bellarmins Verhalten in dem
bei seinem Beatificationsprocesse abgegebenen Votum des Card. Pas-
sionei (I S. 505) p. 42. — Card. Baronius war (1603) ein ent-
schiedener Gegner Molina's (Epist. et opusc. ed. R. Alberici, 1759,
n, 121; III, 124. 142. Patuzzi 5, 298). — Als Maximilian von
Baiem auf Betreihen der Jesuiten über die Angelegenheit an Cle-
mens VIII. schrieb, erhielt er in einem Breve vom 4. Oct. 1601
eine ziemlich scharfe Zurechtweisung (Stieve, Briefe u. A. 5, 54).
Unter Urban VIII. wurde durch ein Inquisitionsdecret vom
22. Mai 1625 das Decret von 1611 noch verschärft: es sollen bis
auf weiteres ohne specielle Erlaubniss der Inquisition keine Schriften
veröffentlicht werden, welche ex professo vel incid enter aut prae-
textu commentandi D. Thomam vel quemlibet alium doctorem aut
alia quavis occasione, praetextu vel modo de materia auxiliorum divi-
norum handeln, bei Strafe der Amtsentsetzung, des Verlustes des Wahl-
rechts und der Erlaubniss zu predigen und zu dociren ipso facto
und anderen arbiträren Strafen. Die gegen dieses Verbot erscheinen-
den Bücher sind ohne weiteres als verboten anzusehen, die Drucker
mit Geld- und anderen körperlichen Strafen zu belegen. Beide
Decrete wurden in dem Decrete vom 1. August 1641 über das
Buch des Jansenius und die darüber erschienenen Streitschriften
(Alex. No. 46) nochmals wiederholt und durch Androhung der re-
servirten Excommunicatio latae sent. verschärft. Das Verbot wurde
unter Alexander VII. von der Inq. 6. Sept. 1657 noch einmal pu-
blicirt mit dem Zusätze: alle ohne ihre Erlaubniss erschienenen oder
in Zukunft herauszugebenden libri continentes et tractantes mate-
riam de auxiliis seien absque eo quod fiat de illis specialis mentio,
ipso facto et absque alia declaratione pro expresse prohibitis zu
halten. Das Decret ist aber von Anfang an nicht strenge beobachtet
worden. Major fuit in exponenda lege contentio quam in servanda
religio, sagt Serry p. 616 und zählt eine Reihe von Büchern auf,
in denen die fragliche Materie behandelt wird und die im 17. Jahrhun-
dert gedruckt worden sind, ohne von der Inq. approbirt zu sein, und
seitdem sind deren noch viel mehr erschienen. Nach dem angeführ-
ten Decrete wären diese hunderte von Büchern, obschon keines der-
selben im Index steht, als verboten anzusehen. Das ist aber schwer-
lich die Ansicht der Curie; hätte die Inquisition oder die Index-
Congr. das Verbot stricte durchführen wollen, so würde sie die
Bücher in den Index gesetzt haben, wie z. B. 1662 mit einem Buche
von Leonardi geschah (S. 85).
Der Jesuit Franz Suarez, der freilich eine specielle Weisung
erhalten, seine Bücher der Inquisition zur Approbation vorzulegen
(§ 41), schickte seinen Tractat de gratia nach Rom und bat, da er
längere Zeit keinen Bescheid erhielt, 1617 nochmals um die Er-
804 Controverse de auxilÜB.
laubniss zur Veröffentlichung. Darauf schrieb ihm der Card. Bor-
ghese 26. April 1617: der Papst sei zwar überzeugt, dass das Buch
ebenso gut sei wie seine anderen Werke; die Erlaubniss zum Druck
könne aber nicht ertheilt werden, da sie auch anderen, die über
diesen Gegenstand geschrieben, verweigert worden sei; wenn aber
das allgemeine Verbot einmal aufgehoben werde, wünsche der Papst,
dass das Buch von Suarez unter den ersten sei, die gedruckt würden
(Serry p. 636. Werner, Fr. Suarez I, 84). Der Tractat wurde
später, 1655 zu Lyon, angeblich ohne Zustimmung der Jesuiten ge-
druckt, dann auch in die Gesammtausgaben der Werke des Suarez,
Venedig 1740 ff., Paris 1856 ff., aufgenommen. Die A. J. P. 6,
2187 meinen, er stehe zwar nicht im Index, falle aber unter das
von Benedict XIV. erneuerte allgemeine Verbot von 1657. Der
Bischof Malou dagegen meint, Fr. Suaresii Opuscula sex inedita,
1859, p. 213, der Tractat sei 1655 edirt worden prohibitione Sedis
apost. jam vel abrogata vel obsoleta, als ob das Verbot nicht 1657
noch erneuert worden wäre. Dass man in Rom noch 1697 das
Decret von 1611 als nicht aufgehoben ansah, zeigt der in diesem
Jahre erschienene Nodus praedestinationis des Card. Sfondrato, dem
ein Decret der Inquisition, Fer. IV. 25. Juli 1696, vorgedruckt ist,
worin dem Cardinal die Druckerlaubniss ertheilt wird, die er nach-
gesucht, weil es verboten sei, ohne Erlaubniss der Inq. Bücher in
materia de praedestinatione et divinis auxiliis zu veröffentlichen.
Im Index stehen einige während der Verhandlungen erschienene
molinistische Schriften : Tractatus de praedestinatione secundum scri-
pturam sacram et veram evangelicam lucem, divina mediante gratia
ab idiota Ferd. de las Infantas, presbytero Cordubensi, composi-
tus et extra omnem praetensionem ipsi verae luci Christo Dei Filio,
a quo accepit omnia, dicatus, Paris 1601, verb. 1608. Nach der
Vorrede will er durch göttliche Offenbarung belehrt worden sein
(Serry p. 276. Arg. III b 168). 1605 wurde von ihm verb. Liber
divinae lucis secundum divinae et evangelicae scripturae lucem in
109. Psalmi expositionem [in quo de hum. redemptione, Ecclesiae
sacramentis etc., angeblich aus dem Italienischen übersetzt; Nie.
Antonio I, 378; Col. 1587. Par. 1601] Col. 1603. Beide Schriften
stehen auch im span. Index. — Qua tandem ratione dirimi possit
controversia, quae in praesens de efficaci Dei auxilio et libero ar-
bitrio inter nonnullos catholicos agitatur. Ad Sanctiss. et Beatiss.
dementem VIII. Auetore Paulo Benio Engubino, inter Patavini
collegii theologos minimo, Padua 1603, verb. durch ein specielles
Edict des Mag. S. Pal. vom 15. Mai 1604 de expresso mandato
Clementis VIII. (Serry p. 227), dann in dem Edicte vom 16. Dec.
1605 (Alex. No. 5). Nach Serry wurden der Verfasser und der
Approbator des Buches, in dem man 24 pelagianische Sätze gefunden,
nach Rom citirt. Paolo Beni, aus dem Jesuitenorden ausgetreten,
weil man ihm nicht erlauben wollte, einen Commentar zu Piatons
Symposion herauszugeben, war 1594—99 Professor der Philosophie
an der Sapienza, 1599 — 1625 Prof. der schönen Literatur zu Padua,
ein angesehener Philologe, der sich aber sonst so wenig mit Theo-
Infantas. Beni. Kiviere. Choquet. 305
logie befasste, dass man vielfach meinte, er habe nur seinen Namen
zu dem Buche hergegeben^).
Th. Eaynaud ßchrieb eine an Alexander VII. adressirte Ab-
handlung Theologia supplex instructa libello pro libera quaestionum
8cholasticarum inter doctores discussione cum charitate atque mo-
destia, worin er um Aufhebung des Verbotes bittet, welches, wenn
auch als ein temporäres Verbot niclit zu missbilligen, weniger dem
alten Gebrauche der Kirche als dem der Heiden, Saracenen und
Ketzer entspreche, nichts nütze, wohl aber schade und so parteiisch
gehandhabt werde, dass viele klagten, censuram columbas duntaxat
vexare; ein Buch von Guil. Camerarius z. B. sei dem Mag. S. P.
Kiccardi dedicirt, in der Historia vitae S. Pauli von Thomas Mas-
sutius sei eine Stelle gestrichen worden, an der er von der Beru-
fung des h. Paulus spreche und, g^gQn Calvin polemisirend, die
Frage habe erörtern wollen, ob Paulus der göttlichen Gnade hätte
widerstehen können. Später schrieb er ein Epimetrum dazu, worin
er u. a. sagt: kein Vernünftiger könne annehmen, dass die Päpste
das Verbot noch aufrecht erhalten wollten, welches jetzt unter den
veränderten Verhältnissen nur geeignet sei, die Katholiken zu ge-
niren und die jansenistischen Ketzer zu erfreuen; es dürfe als auf-
gehoben angesehen werden, es sei aber zu wünschen, dass dieses
ausdrücklich erklärt werde. Alexander VII. bestätigte aber 1G57
das Verbot. Raynauds Schrift wurde in dem 20. Bande seiner Werke
(Apopompaeus) 1669 gedruckt; dieser wurde 1672 verb. — Eine
Schrift, die Eaynaud unter dem Namen A. Ri viere, Dr. Paris.,
Ord. S. Aug., drucken Hess, Calvinismus bestiarum religio et appcl-
latio pro Dominico Banne Calvinismi damnato a Petro Paulo de Bel-
lis Italo, Ord. Praed. apostata, Lugd. 1630 (abgedruckt im Apop.
p. 77 mit dem Motto: Hinc illae lacrymae. Benedicite omnes bestiae
et pecora Domino. Dan. 3), wurde 1633 verb.; es ist eine bittere
Satire gegen die Dominicaner: die Gnadenlehre des Bafiez sei von
der Calvins nicht wesentlich verschieden.
1642 wurde mit d. c. verb. Mariae Deiparae in Ordinem Prae-
dicatorum viscera. Exhibet Hyacinthus Choquetius (Dominicaner,
t 1645. Quetif 2, 542), Antw. 1634 (593 S. 8., flämische Uebers.
von Ed. Bilius, Löwen 1638). Raynaud (Apop. p. 210. 298; vgl.
de Meyer I, 375) sagt, in diesem Buche werde u. a. berichtet:
Urban VIII. habe vivae vocis oraculo erklärt, so oft Thomas de
Lemos während der Congregationes de auxiliis disputirt, habe sein
Angesicht geglänzt wie das des Moses ; Lemos sei drei Jahre vor
seinem Tode erblindet, aber, während er Messe gelesen, wieder
sehend geworden; als er gestorben, sei mit vielen anderen auch sein
1) Piu8 VI. wird an diese Schrift nicht gedacht haben, als er 1776
bei der Weihe des Bischofs J. Beni von Carpentras von Paolo Beul sapftc:
Com tot sint ejus laudcs, quot sunt operum suorum voliimina publicis
tjTpis ad immortalitcm impressa. Pii VI. Allocutioncs ... ed. C. Branca-
doro, 1792, p. 30. N. E. 1777, 26.
Rensch. Index U. 20
306 Coutroverse de auxiliis.
Schüler Nie. Kiecardi, der Mag. 8. P., gekommen, um noeli einmal
seine Hand zu küssen; er habe aber (non quia statnra posillns
erat, sed cum praepinguis esset ac perobesus; Rensch, Galilei S. 164)
sich nicht durchdrängen können; da habe ihm die Leiche die Hand
entgegengestreckt. Diese und andere Wundergeschichten, fügt Ray-
naud bei, hätten einige muthwillige junge Dominicaner in der Mi-
nerva dem guten Choquet aufgebunden, der alles für haare Münze
genommen. — 1646 wurde eine Biographie eines Jesuiten verh.,
der in der Controverse über die Gnadenlehre eine Rolle gespielt
(I S. 446): De vita et moribus Leonardi Lessii e S. J. "Dieologi
liber. Ad utramque provinciani Soc. J. per Belginm jubilaeum anno
saeculari suo celebrantem. Una cum [Lessii] divinamm perfeotionnm
opusculo. Cura et sumptibus Thomae Courtois, J. U. Lic. et in
supremo Brabantiae Senatu Advocati. Brux. 1640,* 232 und 164 S.
8. (auch Par. 1644,* 183 S. 16.). Courtois sagt in der Vorrede, er
habe die Vita aus dem Nachlasse seines Verwandten, des Praemon-
stratensers Leonard Scoofs, eines Neffen des Lessius. In dem De-
crete von 1646 (Alex. No. 48) wird dieser auch als Verfasser ge-
nannt, und unter seinem Namen steht das Buch im Index. Das Ver-
bot desselben ist allem Anscheine nach dadurch veranlasst, dass
darin freilich nicht solche Geschichten, wie sie Choquet auftischt,
erzählt werden, aber u a. berichtet wird, durch die Berührung von
Lipsana des Lessius seien Kranke geheilt worden. Gleichzeitig mit
der Vita wurde verb. ein zu Löwen gedrucktes Blatt mit der Ueber-
schrift: Ea quae in Vita R. P. L. Lessii corrigenda yel omittenda
censuit S. Congr. Ind. haec sunt, mit der Erklärung, das Blatt sei
sub falso S. C. I. nomine gedruckt. Die Vita wurde unter einem
andern Titel von den Jesuiten nochmals herausgegeben: R. P. L.
Lessii e S. J. Theol. Vitae compendium. Ed. 2., Ingoist. 1668,*
220 S. 16. In der Vorbemerkung heisst es: man habe die von
Courtois herausgegebene Vita abdrucken lassen, quia hisce partibus
libri exemplaria aut nulla habentur aut rara; diese 2. Ausgabe wird
aber wohl expurgirt sein.
Das unter Innocenz X. Fer. V. 23. Apr. IG54 erlassene Decret
der Inq., worin eine lange Reihe von Schriften über die Janseni-
stische Controverse verboten wird, schliesst mit folgendem Satze:
„Da zu Rom und anderswo Abschriften und vielleicht Abdrücke
der angeblichen (asserta) Acten der unter Clemens VIII. und Paul V.
über die Frage de auxiliis divinae gratiae gehaltenen Congregationen
im Umlauf sind, — sowohl unter dem Namen des Fr. Pegna, wei-
land Decans der Köm. Kota, wie unter dem des Thomas de Lemos
0. P. und anderer Prälaten und Theologen, welche angeblich (ut
asseritur) an besagten Conferenzen theilgenommen, — auch quoddam
autographum [apographum ?] sive exemplar einer angeblichen Bulle
Pauls V. über die Entscheidung der besagten Frage de auxiliis und
die Verdammung der Ansicht oder Ansichten des L. Molina S. J.:
so erklärt und verordnet Se. Heiligkeit durch dieses Decret, dass
jenen angeblichen Acten sowohl zu Gunsten der Ansicht der Domi-
nicaner als der Jesniten und dem Autographum sive exemplar der
Scoofs. Acten der Congr. de auxiliis. 307
besagten angebliclien Bnlle dnrehans kein Glaube beizumessen ist
und dass sie von keiner der beiden Parteien und von keiner andern
allegirt werden können oder sollen, sondern dass bczüglicb der
besagten Frage die Decrete Pauls V. und Urbans VIII. zu beo-
bachten sind." Serry (p. XXXIX) sagt mit Recht, dass durch dieses
Decret nicht die Echtheit oder historische Glaubwürdigkeit der
Acten ^), sondern nur die Authenticität im juristischen Sinne ge-
leugnet werde, wie ja schon der Zusatz zeigt, dass sie nicht alle-
girt werden könnten. Schneemann S. 151 u. s. behauptet allerdings,
es seien damit die Acten von Lemos und Peüa und ähnliche [zu
Gunsten der Dominicaner lautende] Acten stücke vom h. Stuhle in
dem Sinne für durchaus unglaubwürdig erklärt worden, dass sie
nicht als geschichtliche Quelle benutzt werden könnten; er hat es
aber „wegen Mangels an Raum" unterlassen, dieses „gegen die Aus-
flüchte Serry's zu beweisen." Eine ganz ähnliche Erklärung aus
dem J. 1657 s. u. § 52.
Veranlasst ist das Decret ohne Zweifel dadurch, dass in dem
Jansenistischen Streite vielfach auf die Acten Bezug genommen
wurde. Gedruckt war 1654 nur erst weniges davon (Acta Greg.
Goronelli, queis Clementis VIII. ad disputatores oratio continetur,
Serry p. 845). — 1678 Hessen die Dominicaner ein Werk von
Lemos drucken, in welchem manches aus den Verhandlungen mit-
getheilt war: I?anoplia gratiae seu de rationalis creaturae in finem
supematuralem gratuita divina suavipotente ordinatione ductu, mediis
liberoque processu dissertationes theologicae, Leodii [Biterris] 1678,
4 Fol. Die Jesuiten beklagten sich über diese Verletzung der
päpstlichen Decrete und verlangten, das Buch solle verboten oder
ihnen gestattet werden, die Historia controversiarum, quae inter
quosdam e S. Praedicatorum Ordine et Soc. Jesu agitatae sunt 1548
— 1602, libris 6 explicata zu veröflPentlichen, welche P. Possinus
(Poussines) im Auftrage des Generals geschrieben, für die in Rom
die Druckerlaubniss verweigert worden war und von der darum
Abschriften an die bedeutenderen Collegien gesandt worden waren.
Das Generalcapitel der Dominicaner reichte darauf dem Papste eine
Supplik ein: da trotz der päpstlichen Decrete schon viele Bücher
de auxiliis, namentlich von Jesuiten, erschienen seien, ohne dass
dadurch in der Kirche eine Verwirrung entstanden sei, so möge der
Papst die Klage der Jesuiten abweisen oder zuvor die Angehörigen
ihres und anderer Orden, die de auxiliis geschrieben, bestrafen
lassen. Zugleich bat der General, der Papst möge den Druck der
1) Du Vaucel schrieb 1693 an Arnauld (3, 590): wenn die Tradition
de l'Eglise Rom. sur la grace (von Quesnel) denuncirt werde, werde sie
Verb, werden, weil darin einige von den Actenstücken enthalten seien, von
denen Innocenz X. erklärt habe, sie seien apokryph und verdienten keinen
Glauben. Arnauld antwortete: das würde gerade so lächerlich sein, als
wenn man befehlen wollte, zu glauben, es sei am Mittag nicht hell; denn
die Originale der in der Tradition abgedruckten Actenstückc lägen in der
Bibliothek der Augustiner zu Rom.
308 Controverfte de auxiliis.
in der Engelsburg und in der Barberini' sehen und Auguetiner-
Bibliothek aufbewahrten Acten anordnen; sein Orden wolle gern
die Kosten tragen. Die Sache wurde der Inquisition überwiesen ;
auf die Anträge beider Orden wurde nicht eingegangen, und
bald darauf wurde ein Edict des Mag. S. Pal. angeheftet, wo-
rin bekannt gemacht wurde, dass das Buch von Lemos in Rom
verkauft werden dürfe (Serry p. XXXV. Schneemann, Controv.
p. 299). 1680 wurde auch das Buch von Leonardi (S. 85) freige-
geben, ohne dasH eine Weglassung der auf die niateria aux. div. be-
züglichen Stellen verlangt wurde.
Später erschienen: Historia congregationum de auxiliis, auct.
AuguRtino Le Blanc, S. Th. Dr., Löwen 1099 (von denv Dominicaner
Hyacinth Serry zu Padua) ; Acta omniuui congregationum ac dis-
putationum ... de auxiliis div. gratiae, quas disputationes ego Fr.
Th. de Lemos eadem gratia adjutus sustinui contra plures ex So-
cietate, Löwen 1702 (von dem Benedictiner Theodor de Viaixnes
herausg.) ; Historiae controversiarum de div. gratiae auxiliis . . .
libri sex, auct. Theodoro Eleutherio (von dem Jesuiten Livinus de
Meyer), Antw. 1705; eine 2. Auflage des Werkes von Serry, mit
einer Vertheidigung gegen Meyer vermehrt, unter seinem wahren
Namen, Antw. 1709, und Historiae controversiarum ... ab objee-
tionibus R. P. H. Serry vindicatae libri tres, auct. Liv. de Meyer
Antw. 1715 (mit anderen polemischen Schriften; beide Werke von
Meyer zusammen in zwei Fol. Venedig 1742). Diese Werke ver-
anlassten lebhafte Controversen und viele Streitschriften (Uuetif 2,
803. Backer s. v. Meyer J; aber verboten wurden in Rom nur
(1725) Observationos in controversiam de gratia efficaci relatam in
libris Aug. Le Blanc et Theod. Eleutherii, Köln 1707, von Celso
Migliavacca. In den span. Index kam 1747 durch die Jesuiten
Serry 's Werk. — Ein von Uuesnel verfasstes Abrege de Phistoire
de la Congregation de auxiliis, c'est a dire des secours de la grace
de Dieu, tenue sous les Papes Clement VIII et Paul V, Francf.
1687, von Bayle, Oeuvres 1, 6G8 als eine Arbeit von Meisterhand
bezeichnet, wurde 1695 von Precipiano, aber nicht in Rom verb.
In den Streit de auxiliis spielt die wunderliche Controverse
hinein, ob man sagen dürfe: Non est de fide, hunc numero homine
(z. B. Clemens VIII.) esse suramum pontificem; Der Jesuit Lud.
Turrianus hatte diese These zu Alcalä bei einer Disputation ver-
theidigen lassen (Schneemann S. 74. Arg. III b 168); sie wurde
von der Rom. Inquisition verdammt (Serry p. 277. 838). Die Je-
suiten Hessen aber dieselbe These auch später vertheidigen, u. a. zu
Graz unter Innocenz X., der, als er durch die Dominicaner davon
Kunde erhielt, die Superioren des Collegs absetzte (Saint- Amour,
Journal p. 300. 334. 358). Ein spanischer Dominicaner beklagte
sich 1614 bei Paul V., die Jesuiten hätten die Inquisition bestimmt,
ihm die Vertheidigung der These : De fide est, illum numero hominem,
qui modo feliciter gubcrnat Ecclesiam, esse verum et summum Pon-
tificem (Serry p. 840), zu verbieten. Diese These hatte 1609 zu
Paris Fr. Harlay, Abl)6 de Saint Victor, vertheidigen wollen; sie
Casaisten 1600-1654. 309
vrar aber von E. Richer gestrichen worden. 1611 vertheidigte sie
dort ein Dominicaner (Perrens 2, 37). — Im Index hat diese Con-
troverse keine ersichtlichen Spuren hinterlassen.
4i. Casuisten 1600—1654.
Im J. 1G02 venlaoiinte die Inquisition unter dem Vorsitze
Clemens' VIII. die Ansicht, unter Umständen könne brieflich oder
durch einen Boten die Beichte abgelegt und die Lossprechung
ertheilt werden; — es wird das erste Beispiel sein, dass eine
solche Entscheidung der Inquisition mit dem Anspruch auf all-
gemeine Geltung publicirt wurde. In Folge dieses Decretes wur-
den zwei Bücher der Jesuiten IL Henriquez und Emmanuel Sa,
in denen man freilich auch andere Sätze anstössig fand, und
ein Buch von M. A. Vivaldus mit d. c. verboten und wäre bei-
nahe auch einer der berühmtesten Theologen des Ordens, Franz
Snarez, in den Index gekommen. In den folgenden Decennien
wurde eine Reihe von casuistischen Büchern wegen laxer Moral-
grundsätze theils unbedingt, theils mit d. c. verboten, mehrere
von Jesuiten, namentlich von St. Bauny und Fr. Amico, die
seit Pascal zu den Hauptvertretern der Jesuitenmoral gezählt zu
werden pflegen, aber auch mehrere von Theatinern, M. Vidal,
A. M. Verricelli und Z. Pasqualigo, und einige andere.
1. In der Anklageschrift des Dominicaners Baftez vom J. 1597
(S. 300) war neben den 9 Sätzen von Molina auch der Satz de-
»uncirt worden: es sei unter Umständen erlaubt, brieflich oder durch
«inen Boten einem abwesenden Beichtvater zu beichten und von
«lemselben die Lossprechung zu empfangen (Schneemann S. 40).
J)ie8e Ansicht war u. a. von Fr. Suarez und in einem Buche seines
Xehrers Henr. Henriquez, Summa moralis sacramentorum, Sala-
manca 1591 u. s., und in einem Buche eines andern portugiesischen
•Jesuiten, Emmanuel Sa (f 1596), Aphorismi confessariorum, Ven.
1595 u. 8., auch Rom 1601, vorgetragen worden. In einem Decrete
ATom 20. Juni 1602, — es ist ohne Zweifel ein Donnerstags-Decret,
— machte die Inquisition bekannt, Clemens VIII. habe jene Ansicht
als mindestens falsch, temerär und scandalös verdammt und ver-
"boten ; wer dieselbe lehre, vertheidige oder drucken lasse oder sie
in anderer Absicht als um sie zu bestreiten, erörtere (disputative
tractaverit), oder sie direct oder indirect in Praxis befolge (ad praxim
deduxerit), verfalle der reservirten Excommunicatio latae sent.
Demgemäss wurden die beiden Bücher von Henriquez und Sa durch
310 Casuisteii 1600— IG54.
ein Decret des Mag. S. P. vom 7. Aug. 1603 mit d. c. verb., uod die
Expurgation des Buches von Sa bei Bras. beginnt mit der Weisung,
B. V. Absolutio no. 8 den Satz: ^^Dass ein Abwesender loBgesprochen
werden könne, wird von einigen behauptet, von einigen bestritten;
ich glaube, dass es geschehen kann, wenn ein Grund vorhanden ist**
u. s. w., zu ändern in: ,,Die sacramentale Lossprechung kann in
keinem Falle einem Abwesenden ertheilt werden, was auch immer
einige im entgegengesetzten Sinne lehren mögen ; so hat Clemens VIH.
erklärt**, und s. v. Confessio n. 14 für den Satz: „Einige sagen,
es sei nicht erlaubt, einem Abwesenden durch einen Boten oder
schriftlich zu beichten ; ich stimme denjenigen bei, welche dieses
und auch die Lossprechung durch einen Boten oder Brief gestatten,"
zu substituiren : „Es ist einem Abwesenden nicht gestattet, durch
einen Boten oder schriftlich zu beichten.**
Suarez trug nun in dem 4. Bande seines Commentars zur
Pars 3. des h. Thomas die Meinung vor: wenn der Fapst die An-
sicht, es sei erlaubt, einem Abwesenden zu beichten und von ihm
die Lossprechung zu empfangen, verdamme, so sei das „und** nicht
divisive, sondern complexive zu fassen und also nicht verboten,
brieflicli zu beichten, um dann persönlich ohne mündliche Wieder-
holung der Beichte die Lossprechung zu empfangen, wie ja auch
ein Priester einem Sterbenden, der bewusstlos sei, die Lossprechung
ertheilen dürfe, wenn ihm von anderen bezeugt werde, dass derselbe
zu beichten verlangt habe. Die Inq. beschloss 31. Juli 1603 auf
Grund eines Gutachtens einer aus dem Commissar, dem Mag. S. P.
und dem Capuciner-General bestehenden Commission: das Buch des
Suarez sei zu suspendiren, bis es emendirt sei; die Emendation sei
der Inq. vorzulegen; die schon ausgegebenen Exemplare seien wieder
einzusammeln; zugleich sei dem P. Suarez zu verbieten, theologische
Bücher herauszugeben, ohne sie vorher der Inq. zur Approbation
vorgelegt zu haben; auch sei er zu ermahnen, ut consulat conscien-
tiae suae bezüglich der in dem Decrete vom 20. Juni 1602 an-
gedrohten Excommunication ; der Jesuiten-General solle dieses Decret
dem P. Suarez persönlich intimiren lassen; ein Beschluss darüber,
ob derselbe persönlich vor die Inq. zu citiren sei, bleibe vorbe-
halten. Suarez kam Ende 1604 nach Rom und überreichte dem
Papste eine Vertheidigungssehrift. Ueber diese wurde unter Paul V.
(Clemens VIII. starb 5. März 1605) im Juli 1605 in Sitzungen
der Inq. verliandelt und nochmals Suarez' Ansicht für unriohtig er-
klärt und ihm aufgegeben, sein Buch zu corrigiren und vor dem
Druck der neuen Auflage der Inq. vorzulegen. Suarez wollte nun
den Abschnitt, der den Titel hatte: utrum de necessitate confessionis
sit, ut poenitens sacerdoti praesenti immediate revelet peocata sua,
umarbeiten; die Inq. erklärte aber 18. Aug. 1605, derselbe sei ein-
fach zu streichen. — Die Inq. bestätigte ihre Entscheidung noch
einmal im J. 1622 in einer Antwort auf eine Anfrage des General-
Inquisitors von Portugal. — Das Buch des Suarez ist nicht, wie
die von Henriquez und Sa mit d. c. in den Index gesetzt worden,
ohne Zweifel aus Rücksicht gegen den um die Curie verdienten
Briefliche Beichte. Fr. Suarez. 311
^'erfasser. Der Weisung der Inq. entsprechend legte aber Suarez
leine späteren Schriften, die Tractate de gratia, de angelis, de opere
lex dieram zur Approbation vor; für den Tractat de gratia wurde
lieselbe verweigert (S. 303).
1658 wurde verboten: A. S. C. Dissertatio pro Francisco
)oarez de gratia aegro oppresso coUata per absolutionem a sacerdote
»raesente impensam praevia peccatorum expositione epistolari (1655
:n Lyon mit dem 3. Bande des Tractatus de gratia von Snarez ge-
Lruckt). Der Verfasser derselben ist der Jesuit Theophil Raynaud
im span. Index steht statt A. S. C. Athanasins Solerius Comitanus).
5r meint, nur das Decret vom J. 1602 sei eine päpstliche Entschei-
lung ex cathedra, die späteren Decrete seien einfache Inquisitions-
lecrete und solche seien nicht, wie der Dominicaner Gravina per
^alationem putentissimam effutivit, als infallibel anzusehen; bei der
Inslegang des Decretes von 1602 aber komme es nicht darauf an,
ras die Dominicaner, die es concipirt, oder was der Papst selbst
lätten erklären wollen, sondern darauf, was der Wortlaut besage,
— ähnlich wie bei dem Ausspruche des Kaiphas Job. 18, 14, —
ind mit diesem stehe die Deutung des Suarez nicht in Widerspruch ;
*aul V. habe als Cardinal auf Suarez' Seite gestanden, aber als
^apst der Ehre seines Vorgängers, der ihn zum Cardinal gemacht,
icht zu nahe treten wollen u. s. w. Die Jesuiten haben diese Ab-
andlung nicht nur in dem 20. Bande der Opera Raynauds (Apop.
•. 188) 1669 wieder abdrucken lassen; sie steht auch trotz des
ndex in der Gesammtausgabe der Werke des Suarez Venedig 1740
—51 , IX, 225 und in den von dem Bischof J. B. Malou von Brügge
erauBgegebenen Fr. Snaresii opuscula sex inedita, Brüssel 1859,
. 164 (hier ist auch p. 1 die oben erwähnte Vertheidigungsschrift
es Snarez abgedruckt und ein zweiter Tractatus de confessione
eccatorum ab ipso poenitente facienda cum annotationibus incerti
actoris S. J.). In der Ausgabe der Werke des Suarez Paris 1866 iF.
it im 22. Bande der Commentar zum 3. Theile des h. Thomas ohne
ie von der Inq. verordneten Streichungen abgedruckt, und stehen
ach andere Sätze, die später verdammt worden sind, ohne irgend-
reiche Bemerkung, z. B., dass man dem Gebote der jährlichen
lommunion auch durch eine sacrilegische Communion genüge, dass
in nicht approbirter Priester von lässlichen Sünden absolviren könne
. dgl.i).
1) Die betreffenden Decrete sind in einem Aufsätze in den A. J. P.
, 2181 abfifedr. Nach diesem Aufsatze sind die Darstellungen bei Maloii
. XIIL, Werner, Fr. Suarez 1, 77, und K.-L. 2, 242 zu berichtigen. —
«ine Schrift des Dominicaners Franc, de Avila Do coufcssionc per literas
Ive per internuncium wurde zu Rom 1599, Douay 1623 gedruckt. Die
lontroverse wird auch in dem uugedruckten Werke von Possinus (S. 307)
usfahrlich behandelt. Der aus dem Galilei'scheu Processe bekannte Do-
minicaner Lorini sagte den Jesuiten nach, sie ertheilten den Florentinischen
)amen auf ihren Villen brieflich die Absolution (Schneemann in den
»timmen aus Maria-Laach 1878, 119). In einem Mauuscript im Müncliener
312 Casuistcn 1606—1654.
2. Von dem Buche des Martinus AlphoDSUs Vivaldus, Caiio-
nicuB regularis Congr. D. Salv., geb. zu Toledo, gest. 1605, Cande-
labrum aureum Ecclesiae s. Dei, in quo de septem BacramentiB, cen-
ßuris et irregulär! tat ibus praecipue agitur, bis 15U0 zwölfmal ge-
druckt, war eben im J. 1602 (zu Venedig) eine expurgirte Ausgabe
erBchienen, obscbon von einem frühem Verbote des Buches nicht die
Rede ist. Bras. p. 259 — 263 gibt an, was in der Ausgabe Ven.
1590 und den anderen nach der exporgirten Ausgabe zu ändern sei.
Die meisten Aenderungen hangen damit zusammen, dass in der
neuen Ausgabe die Bulla Coenae nach der Fassung vom J. 1600
(von Clemens VIII.) für die ältere Fassung von Sixtus V. substi-
tuirt war. 1603 wurde das Buch mit d. c. verboten und es steht
noch jetzt mit donec prodeat emendatnm im Index, wie sich aus
Bras. p. 268 ergibt, lediglich darum, weil auch in der expurgirten
Ausgabe von 1602 bei der Erörterung der Frage, utrum lioeat con-
literi sacerdoti absenti per literas vel nuncium ac ab eo absolutio-
nem accipere, die verneinende Antwort als communis opinio, die be-
jahende als verior bezeichnet war. Wahrscheinlich war dieselbe
Ansicht auch in der gleichzeitig verbotenen andern Schrift des
Vivaldus, Scuola catholica niorale, in tre parti principali e dialoghi
trenta divisa, vorgetragen. — Liss. 1624 verordnet bei mehreren
Autoreu (Antoninus, Petrus Paludanus, Sylvester) an der betreffenden
Stelle beizuschreiben: Sententia de absolutione sacramentali correcta
est a demente VIII. Der span. Index befiehlt, eine ähnliche Notiz
auch dem 36. Cap. der Biographie des Heinrich Suso (in Lauren-
tius Surius' Ausgabe seiner Werke, 1616) beizufügen, wo von
jemand erzählt werde, er habe brieflich gebeichtet.
Das Buch von Sa, — ein Duodezband, eine Moral in lexicali-
scher Ordnung, — wurde nicht bloss wegen seiner Lehre über die
briefliche Beichte verboten. In dem Decrete von 1603 heisst es: E. Sa
Aphorismi conf. hactenus impressi, etiam in Urbe, nisi denuo pro-
deant impressi Romae de mandato Mag. S. P. emendati et casti-
gati, bei Alex.: impressi ante a. 1602, post autem tale tempus editi
de mandato Mag. S. P. permittuntur, seit Ben. : nisi fuerint ex cor-
rectis juxta editionem Ronianam a. 1602. Die erste expurgirte Aus-
gabe ist, wie der Wortlaut des Decretes von 1603 zeigt, nicht 1602
erschienen, sondern, von Brisighella als Mag. S. P. approbirt, 1608.
Bei Bras. steht p. 347—370 die Expurgation, die über 100 Stellen
betrifft. Raynaud (Erotem. p. 537) u. a. haben dem Expurgator mit
Recht vorgeworfen, dass er zu weit gegangen sei : er hat nicht nur
Reichsarchiv (Jesuit, in gen. fasc. 26, No. 379) wird unter Propositioncs
censura diguae, quas publice docucrunt quidam theologi S. J., auch der
Satz verzcic^hnet: Confessio sacramcntalis facta per literas sacerdoti ab-
senti et similitcr absolutio data per literas ab eodem sacerdote absentc
est vcre absolutio sacramcutalis et in aliquibus casibus licitum est con-
fiteri per literas sacerdoti absenti et ab co per literas absolvi, und beige-
fügt, in Toledo habe der Jesuit Joh. Hieronymus dieses gepredigt und es
werde von Suarcz und vielen Vertheidigern Molina's gelehrt.
M. A. Vivaldus. E. Sa. 313
geändert, was nach den Grundsätzen der Curie zu beanstanden war,
sondern das Buch nach seinen persönlichen Ansichten umgearbeitet,
bei casuistischen Controversen seine Ansicht der von Sa substituirt,
Verweisungen auf Autoren beigefügt u. s. w. (er corrigirt auch viele
Druckfehler). Sand, hat die Expurgation nicht aufgenommen; er ver-
ordnet nur, zwei Stellen (über die briefliche Beichte) zu streichen,
und sagt dann: , Alia autem omittuntur, quae neque ad Sancti Off.
Judicium spectare neque gravem offensionem habere videntur. Sot.
bat Sa gar nicht, und Liss. 1624 verordnet, die Sätze über die brief-
liche Beichte und den Satz, quod extrema unctio in articulo necessi-
ratis conferri possit cum oleo non benedicto per episcopum, zu
streichen, und fügt bei: Reliqua quae cura Mag. S. P. Aphorismis
iddita fuerant a. 1607, ad locupletandum opus spectant. Die späteren
Ausgaben haben aber alle die von 1608 zur Grundlage; es sind
hrer viele, — innerhalb 30 Jahre erschienen 30, — da die Jesuiten
5a zu ihren classischen Moraltheologen zählen (Hurter 1, 152). Nur
;ine zu Ronen gedruckte Ausgabe ist ein Abdruck der nicht expur-
prten. Das dortige Parlament wollte 1618 einschreiten; die Jesuiten
wandten sich aber an die französische Eegierung und erklärten,
3ie Ausgabe sei ohne ihre Mitwirkung veranstaltet, worauf allen
Druckern verboten wurde, Bücher von Jesuiten ohne Zustimmung
hrer Oberen zu drucken (Prat 3, 776). Das Parlament scheint
in dem Anstoss genommen zu haben, was Sa s. v. Tyrannus lehrt:
,Wer ein rechtmässig erworbenes Gebiet tyrannisch regiert, kann
licht ohne ein öffentliches Urtheil entsetzt werden (spoliari); nach
ler Fällung des Urtheils kann aber jeder dasselbe exequiren; er
tann aber von dem Volke, auch wenn dasselbe ihm ewigen Ge-
lorflam geschworen, abgesetzt werden (deponi), wenn er, obwohl
tnnahnt, sich nicht bessern will. Denjenigen aber, der in tyran-
lischer Weise die Gewalt usurpirt (occupantem tyrannice pote-
tatem), kann jeder aus dem Volke tödten, wenn es keine andere
Vbhülfe gibt; denn er ist ein öffentlicher Feind." Dieser Passus
var aber von Bras. nicht beanstandet und steht in den späteren
vie in den früheren Ausgaben; in jenen sind nur einige Autoren,
lie dasselbe lehren, und einige, welche sagen, nuUi ex populo Heere
tiam tyrannissimum, ut ita dicam. occidere, namhaft gemacht^).
1) Ich habe zwei Ausgaben verglichen: R. P. Emanuelis Sa, Doc-
oris TheologiS. J.jAphorisnii Confossariorum, ex variis doctorum sontentiis
ollecti. Opusculum theologis, omnibusque auimarum curam habentibus
tile ac necessarium. Colon iae, P. Aniorfort 1509 (auf der letzten Seite
ine Approbation von Silv. Pardo, Canon, libr. consor, Antw. 1697). Apho-
ismi . . . coUecti. Auctore Em. Sa, Lusitano, Doctore Theol. S. J. Nupcr
ecurate expiirgati a Rov. P. Mag. S. P. Ap. Indicatis doctorum locis anno-
atioiiibusque per Andr. Victurelliura Bass. Theol. illustrati et aucti. Per-
nissu Bup. Ed. ultima prioribus correctior. Col., Jo. Crith 1621 (hinter
.er Vorrede die Approbation von J. M. Brasichell. S. P. A. M. Die erste
'on Vittorelli besorgte Ausgabe erschien 1612). Die zahlreichen Zusätze
•"on Vittorelli sind mit * bezeichnet.
314 Casuisteii 1600—1654.
Von dem Buche des H. Henriquez, geb. zu Oporto 1536, f
zu Tivoli 1608, Summae theologiae moralis libri 15, in quibus non
Racramentorum solum . . . sed etiam indulgentiarum, censuramm
eccl. . . . doctrina omnis dilucide explicatur, erschien der 1. Band
Salam. 1591, der 2. 1593 (das ganze Werk Yen. 1596. 1600, Fol.,
u. 8.), obschon die Ordensoberen die Approbation verweigerten, mit
Genehmigung der Inquisition. Henriquez war auch an der Aufleh-
nung spanischer Jesuiten gegen den General Aquaviva betheiligt,
trat aus dem Jesuitenorden aus (er war auch ein Gegner Molina's)
und wurde 1594 Dominicaner, später wieder Jesuit (Hurter 1, 413.
Cr6t.-Joly 3, 7. Sainjore 4, 30). — Bei Sot. wird in seiner Summa
nur ein Wort gestrichen, virgo in dem Satze : Henoch virgo translatus
est in paradisum. In Rom wird man aber ausser der Ansicht von
der brieflichen Beichte auch die Stellen beanstandet haben, an welchen
Henriquez im Sinne der spanischen Regalisten spricht. Im Liss.
1624 wird eine Reihe von Stellen gestrichen und dann bemerkt,
die Summa sei an den Stellen, wo von der kirchlichen Jurisdiction
die Rede sei, caute et cum judicio zu lesen. Machado 2, 452 und
V. de la Fuente 5, 442 berichten, wie Clement 9, 405, Henriquez
habe zu Gunsten der recursos de fuerza einen Tractat de clavibus
Rom. Pontificis geschrieben, dieser sei in Rom denuncirt und auf
Betreiben des Nuncius die ganze Auflage verbrannt worden, so dass
nur noch 3 oder 4 Exemplare, eins im Escurial, existirten. Ale-
gambe und Sotwell erwähnen keine Separatausgabe dieses Tractats
und kennen ihn nur als Bestandtheil des 1. Bandes der Summa.
Vielleicht ist er zuerst allein, dann corrigirt in der Summa er-
schienen. — Auch bei Sa findet sich übrigens ein regalistischer
Satz: wo er von der Excommunication spricht, welche die Bulla Coenae
über diejenigen verhängt, qui cursum literarum apostolicarnm lai-
cali auctoritate impediunt (s. v. Excommunicatio n. 16), sagt er:
Non est autem impedire velle prius examinari et se de eo consuli,
ut flt a Rege Hispaniae. Denique facientes contra Papae literas aut
praecepta justa de causa aut necessitate, non incidunt. Beide Sätze
sind in den expurgirten Ausgaben weggelassen, obschon der erste
bei Bras. nicht gestrichen wird.
3. 1605 wurde verb. Joannis Maldonati Summula oasuum
conscientiae cuilibet sacerdoti confessiones poenitentinm andienti
sei tu perutilis, collecta per Fr. Martinum Codognat Minimum, 1604,
nach Prat, Maldonat p. 513 eine schlechte Compilation ans Maldo-
nats Werken. In dem Decrete No. 5 heisst es: Jo. Maldonato falso
adscripta, seit Ben. (unter Codognat): quae tamen falso Jo. Maldonato
tribuitur. Der Carmeliter Jacques Jaquet gab eine französische Ueber-
setzung davon heraus, Paris 1604. 1614. — Sot. verbietet nicht
die Summula, aber Disputationum et controversiarum decisarum . . .
circa Septem sacramenta . . tomi duo, Lugd. 1614, und fügt, wie
Liss. 1624, bei: Jo. Maldonato liber falso adscriptus, ementito im-
pressionis loco Lugdunum pro Francofurto, impressoris nomine sup-
presso. Auch Alegambe sagt: Nee illius nee uUius de Societate
sunt et suos etiam errores continent. Es ist ein allerdings fehler-
B. Hcnriquez. J Maldonatus. St. Bauny u. a. 816
ter Abdruck von Vorlesungen, die Maldonat zu Paris gehalten
l die besser in den Opera varia theologica tribus tomis comprehensa,
•. 1677, Fol., abgedruckt sind. Diese Opera sind nicht von den
niten herausgegeben worden, die vielmehr die Herausgabe zu
iertreiben suchten (Valery p. 299), sondern von den Pariser Theo-
en Dubois und Faure, welche das Werk dem Erzbischof Le
Her von Reims, einem Gegner der Jesuiten, widmeten. (Prat,
Idonat p. 506.)
In den nächsten Jahren wurden mit d. c. verb. casuistische
»rke von dem Observanten Nicodemo daFirenze und von Garolus
Baucio (del Balzo, Priester zu Capua; Mazzuch. s. v.), unbe-
gt eins von dem Priester Pellegrinus Polletta de Cisono Vallis
reni, am 26. Oct. 1640 drei Bücher des Jesuiten Stephan Bauny
1649) : Theologia moralis, — sie erschien in 4 Foliobänden Paris
tO — 47; das Verbot bezieht sich also zunächst auf den 1. Band,
[eher de sacramentis et personis sacris handelt, — Somme des
hes, qui se commettent en tous ^tats, de leurs conditions et
klit^s, en quelles occurrences ils sont mortels ou veniels, et en
die fa^on le confesseur doit interroger son p^nitent, Par. 1630,
üd. 1638 (1639 erschien auch Extrait d'un livre intitul6 Somme
, der nicht verb. ist), — Pratique du droit canonique au gou-
nement de TFglise, correction des moeurs et distribution des be-
loes, le tout au style et usage de France, avec la d^cision des
acipales questions sur les matiSres ben^ficiales, qui se traitent
18 les cours du royaume, Pans 1633, 5. £d. 1640 (wohl als gal-
misch verb.). Von dem zweiten Buche erschien 1643 eine Ed. 6.,
I dem dritten eine nouvelle ed. 1644. — lieber die Somme
rde seit dem 5. Nov. 1640, — also nach dem Römischen Ver-
e, aber ohne Berücksichtigung desselben, — auch in der Sor-
me verhandelt. Sechs Doctoren wurden mit der Prüfung des-
sen beauftragt; diese theilten ihre Ausstellungen Bauny mit; er
läxte darauf, was er über den Wucher geschrieben, würde er
it nicht mehr schreiben, die anderen Punkte könne er nicht als
TÜndet anerkennen. Die Commission legte darauf 1. Juli 1641
laxe Moralsätze zur Censurirung vor (Arg. III a 28). Die Pu-
$ation einer Censur der Sorbonne wurde durch den Cardinal
helieu als Kanzler verhindert (1644 erschien eine Schrift gegen
1 Bericht der Commission, worin angedeutet wurde, das Buch sei
I der Sorbonne approbirt, Arg. III a 35). Dagegen veröffentlichte
Assembl^e du Clergä in Nantes 12. April 1641 eine scharfe
isur. — Bauny ist einer der Autoren, welche Pascal, Amauld
L anderen das meiste Material für ihre Darstellung der Jesuiten-
ral geliefert haben ; Pascal wendet mit Franz Hallier auf ihn
Worte an Ecce qui tollit peccata mundi. Hurter 1, 901 feiert
als vir antiquae probitatis et singularis circa qnaestiones omnes
conscientia eruditionis.
Am 18. Juni 1651 wurde mit d. c. verb. Cursus theologici
:ta scholasticam hujus temporis Soc. Jesu methodum tomus 5. de
e et justitia, authore R. P. Francisco Amico Consentino. Fr.
316 CaBuisten 1600—1664.
Amicus (Amico aus Coflcnza) war Jesuit und war 31. Jan. 1651
zu Graz gestorben; Hurter 1, 709 nennt ihn einen Mann von gründ-
licher und ausgebreiteter Gelehrsamkeit und einer durch Klugheit
temperirten evangelischen £infalt, von dem man glaube, dass er die
Taufunschuld, die er in die Gesellschaft Jesu mitgebracht, auch in
den Himmel mitgenommen. Der 5. Band seines 9 Folianten um-
fassenden Cursus theologicus war 1640 zu Douay erschienen. Saint-
Amour, der 1651 in Rom war, erzählt in seinem Journal p. 98:
der Secretär des Index habe ein Verzeichniss verbotener Bücher
zwei Monate in Händen gehabt; die Publication desselben sei durch
die Bemühungen der Jesuiten, das Verbot des Buches von Amicus
rückgängig zu machen, verzögert worden ; sie hätten aber nur er-
reicht, dass er nicht als Jesuit bezeichnet und dass dem Verbote
d. c. beigefügt worden sei. In dem Bande sagt Amicus n. a. (Disp.
36, 8. 7, n. 118): ,.Es ist einem Geistlichen oder Ordensmann er-
laubt, einen Verleumder, welcher schwere Beschuldigungen gegen
ihn oder gegen seinen Orden auszustreuen droht, zu tödten, wenn
ihm kein anderes Mittel der Vertheidigung zu Gebote steht, wie
ihm denn ein anderes Mittel nicht zu Gebote zu stehen scheint,
wenn der Verleumder entschlossen ist, öffentlich und vor ange-
sehenen Leuten die besagten Beschuldigungen vorzubringen, falle er
nicht getödtet wird. . . . Weil ich aber dieses bei anderen Autoren
nicht finde, will ich es nicht im Gegensatze zu der gewöhnlichen
Ansicht behaupten, sondern nur disputandi gratia vortragen und dem
verständigen Leser das ürtheil überlassen.** Als das Buch 1549
zu Antwerpen neu gedruckt werden sollte, hatte Amicus im Re-
gister beigefügt, er habe seitdem diese Ansicht auch bei Petrus Na-
varrus und Sayrus gefunden. Der Conseil de Brabant verweigerte
aber, nachdem er durch den Erzbischof von Mecheln die Löwener
theologische Facult&t hatte befragen lassen, die DruckerlaubniAs,
wenn nicht der Passus gestrichen werde. Die Jesuiten, welche die
Herausgabe besorgten, legten eine andere Fassung der Stelle vor,
die aber dasselbe besagte, mussten sich indess dazu verstehen, die-
selbe wirklich wegzulassen, desgleichen die Sätze (1. c. n. 130):
„Es ist nicht nur erlaubt, das zu vertheidigen, was man wirklich
besitzt, sondern auch das, worauf man ein angefangenes Recht hat
und was man in Besitz zu bekommen hofft. Darum wird es einem
Erben oder Legaten gestattet sein, sich gegen denjenigen zu ver-
theidigen, der ungerechter Weise den Antritt der Erbschaft oder
die Auszahlung der Legate hindert. Dasselbe ist demjenigen, der
ein Recht auf einen Lehrstuhl oder auf eine Pfründe hat, gegen den-
jenigen gestattet, der die Erlangung derselben hindert." (Nach dem
Zusammenhange meint Amicus, es dürfe auch in diesen Fällen bei
der Vertheidigung eventuell ,.bis zur Tödtung des Gegners vorge-
gangen werden"). Amicus Hess nun andere Moralisten um ein Gut-
achten über seine Ansicht bitten und fand wenigstens bei einem,
der kein Jesuit war, dem noch zu erwähnenden Caramuel, Zustim-
mung. „Auch andere Theologen, schrieb derselbe, lehren wie Amicus,
und es gibt keinen Theologen, der ihm ausdrücklich widerspricht;
Fr. Amicus. Fr. Pellizarius u. a. 817
eJso ist seine Ausicht moralisch sicher, die entgegengesetzte un-
wahrscheinlich. Denn wenn über einen bestimmten Punkt nur ein
einziger gewichtiger Schriftsteller handelt, so ist dessen Entschei-
dung moralisch sicher; wird der Punkt dann auch von anderen ge-
wichtigen Schriftstellern behandelt und der erste direct bekämpft,
so hört dessen Ansicht auf, gewiss zu sein, und wird probabeler,
gleich probabel oder weniger probabel, je nachdem der Gegner
weniger oder mehr sind ; unwahrscheinlich wird sie erst, wenn sie
von allen verworfen wird. . . Du hast diese Lehre gelesen und
fragst : ob ein Ordensmann, der sich mit einem gemeinen Weibe
vergangen, welches, da es sich zur Ehre anrechnet, dass es sich
einem solchen Manne preisgegeben, die Sache erzählt und ihn in
Übeln Ruf bringt, dasselbe tödten könne? Was weiss ich? Aber ich
habe von dem P. N., Doctor der Theologie, einem geistvollen und
gelehrten Manne, gehört: ,Amicus hätte diese Entscheidung weg-
lassen können; da sie aber einmal gedruckt ist, muss er sie auf-
recht halten und wir sie vertheidigen" (Wendrock p. 379). Die
oben mitgetheilten Sätze von Amicus wurden 1654 nehst anderen
von Jesuiten vorgetragenen Sätzen nach Rom gesandt (s. u. § 54).
Am 6. Juli 1655 publicirte darauf der Secretär der Index-Congr.
ein Decret des Inhalts: die Cardinäle der Congregation hätten, um
die Correction des Buches von Amicus zu vollenden, nach Anhörung
der Referenten befohlen, der letzte Theil von Disp. 36 s. 7, wo de
damno injuste illato in bona corporis ejusque compensatione ge-
handelt werde (folgt genaue Angabe der oben angeführten ersten
Stelle) sei in neuen Ausgaben wegzulassen, in den gedruckten Exem-
plaren auszustreichen. Dieser erste Satz befindet sich auch unter
den von Alexander VII. 24. Sept. 1665 (No. 17), die beiden anderen
unter den von Innocenz XI. 2. März 1679 (No. 32. 33) ver-
dammten Sätzen^).
4. Gleichzeitig mit dem Buche von Amicus (1651) wurde
verb. Franc. Pellizarii Manuale regularium. Tom. I. et II. (Ven.
1647. 48). Dass der Verfasser Jesuit war (f 1651), wird auch hier
nicht gesagt. Das Buch wurde unbedingt verb.; es erschien aber
1653 zu Lyon eine Ed. 2. ah ipsomet authore recognita . . . ac
expurgata ab erroribus in priori ed. Veneta commissis. Sein Trac-
tatus de monialibus, in quo resolvuntur quaestiones morales ad
illarnm statum pertinentes, Bononiae 1644 u. s., wurde erst 1693
mit d. c. verb. und. 1725 : Excerpta omnia ex tract. de mon., etiam
italica lingua. Eine expurgirte Ausgabe, Tract. de mon. ... Ed.
novissima aucta et correcta juxta animadversiones S. Congr. Ind. a
Jo. Franc. Montano ejusd. Soc. Theol., Rom 1755 u. s., wurde frei-
gegeben (Storia lett. 13, 337); es ist darin corrigirt ce qu' avaient
de trop reläche certains maximes eparses dans ce livre (Backer). —
1) üebcr den Versuch des Jesuiten R. Bauer (K.-L. 1, 741; 2, G31),
Amicus und Bauny rein zu waschen, s. Deutscher Merkur 1882, 821. 329.
Den Amicus sucht auch Stubrockius p. 195 zu entschuldigen.
818 Casuisien 1600—1654.
1646 wurde mit d. c. verb.: Jo. Sanchez (spanischer Weltgeist-
liober) Selectae et practicae disputationes de rebus in administra-
tione sacramentorum, praesertim eucbaristiae et poenitentiae, passim
ocourrentibns, 1624 und 1636, Fol. Diana bezeichnet das Bach als
immortalitate dignissimnm ; Hurter 1, 414 sagt aber, der Yerfieisser
sei nimis benignus und von ihm sei der von Innocenz XI. 1679
(No. 4) verdammte Satz: Ab infidelitate excusabitur infidelis non
credens ductus opinione minus probabili.
1654 wurden drei probabilistische casuistische Bächer von
Theatinern verb.: Marci Vi dal Area vitalis, in qua pretiosiores
theologiae moralis margaritae ex vastissimo tum theologomm tum
canonistarum oceano diligenter collectae recluduntur, seu Inquisi-
tiones theologicae morales casuum conscientiae, Yen. 1650, Fol. Eine
neue Bearbeitung, die dem Card. Scipio Delci gewidmet ist, Area
salutaris consultus utriusque juris includens^ in qua humani generis
spes naufraga ad salutis portum perducitur s. Inq. mor. cas. consc,
Ven. 1660, Fol., wurde 16«1 mit d. c. verb. (Vezzosi 2, 477).
Albit. p. 464 erwähnt als einen Irrthum Vidals den Satz: emitten-
tes Vota biennii in Societate Jesu esse religiosos ex privilegio, da
doch Gregor XIII. in einer Bulle erklärt habe, sie seien vere et
proprie religiosi^). — Quaestiones morales et legales, auth. Angelo
Maria Verricelli, Ven. 1653, Fol.; bei ihm findet sich der Satz:
Puto posse me operari secundum opinionem cujusvis recentioris con-
tra communem et contra propriam opinionem, quamvis judicem illam
esse falsam ex principiis intrinsecis (Concina, Apparatus 2, 449). —
Sacra moralis doctrina de statu snpernaturali humanae naturae. . .
ad scholasticae lecturae methodum deducta a Zacharia Pasqual igo
Veronensi, Yen. 1650, Fol. Pasqualigo war 15 Jahre Professor in
Rom und fungirte in dem Gralilei'schen Process als Qualificator
(Keusch, Galilei S. 275); sein Bach ist einem der Cardinäle der
Inquisition, Marzio Ginetti, dedicirt. Das Verbot scheint von der
Inquisition ausgegangen zu sein; denn diese erklärte 29. März 1656
(Alex. No. 54): da Pasqualigo sein Buch in der von den Qaalifi-
catoren angegebenen Weise corrigirt habe, dürfe es neu gedruckt
werden. Die gleichzeitig erschienene Sacra speculativa doctrina de
Deo ceterisque divinitus revelatis ex theologicis principiis ad schol.
lect. meth. ded. ist nicht verboten, scheint aber auch bei der Inq.
in Untersuchung gewesen zu sein: in der Barberinischen Bibliothek
befinden sich Censuren über Propositiones ex theologia speculativa
P. Zach. Pasqualigi, von denen einige von dem Consultor und dem
Commissar der Inq. als haeresim sapientes qualificirt werden (Berti,
II processo originale di G. Galilei, p. CXXXIV). 1684 wurde aber
der schon 1641 zu Verona erschienene Folioband: Decisiones mo-
1) Ueber die Gelübde der Jesuiten wurde vielfach gestritten. Schnee-
mann, Entw. S. 136. 139. — Auszüge aus einem andern Buche von Verri-
celli, Tract. de apostolicis missionibus, Ven. 1656, Fol., bei Dorotheus
Ascianus p. 508.
Paul V. und Venedig. 819
rales juxta principia theologica et sacras atque civiles legee, mit
d. c. verb. ^).
Die von dem Dominicaner Vincentius Candidas herausgegebene
Casuistik, Xllustriorum disquisitionum torai quatuor, Kom 1637 und
1643, seinem Jugendfreunde, dem Card. Pamfili gewidmet, wurde
auch wegen laxer Moralgrundsätze angegriffen und von dem Ordens-
general missbilligt, kam aber nicht in den Index. Candidus wurde
sogar, als Cardinal Pamfili als Innocenz X. Papst geworden, 1645
Magister S. Pal. (Catalani, De Mag. S. P. p. 173).
Im spanischen Index steht keiner dieser 1605—55 in Kom
verbotenen Moralisten; nur in dem Tract. de mon. von Pellizarius
wird eine Stelle geändert.
42. Der Streit zwischen Paul Y. und der Repnblilc
Venedig, 1606. P. Sarpi.
Mehr als die Controverse de aaxiliis beschäftigte Paul V.
im Anfange seiner Regierung ein Streit mit der Republik Venedig.
Der dortige Senat hatte 1603 und 1605 durch Gesetze den
Bau neuer Kirchen, Klöster und Hospitäler von seiner Genehmi-
gung abhängig gemacht und den Verkauf und das Schenken
TOD Liegenschaften an geistliche Corporationen verboten und
zwei Geistliche wegen gemeiner Verbrechen vor das weltliche
<jericht stellen lassen. In zwei an den Dogen und an den
Senat gerichteten Breven vom 10. Dec. 1605 erklärte Paul V.
Jene Gesetze für ungültig und forderte die Auslieferung der
beiden geistlichen Verbrecher an den Nuncius. Da die Vene-
tianer nicht gehorchten, verhängte der Papst in einem an die
Tenetianische Geistlichkeit gerichteten Monitorium vom 17. Apr.
1606 über den Dogen und den Senat die Excommunication,
ttber das Gebiet der Republik das Interdict, falls nicht binnen
24 Tagen nach der Publication des Monitoriums seine Forde-
Yangen bewilligt würden. Der Doge Leonardo Donato verbot
4ie Publication des päpstlichen Erlasses. Die Jesuiten, .Capu-
einer und Theatiner, die einzigen Geistlichen, welche das Inter-
1) Laxe Moralsätze von Pasqualigo, Vidal und Jo. Sanchez s. bei
Concina, Storia del Probab. 1, 242; 2, 380. 389. 393.
320 Paul V. und Venedig.
dict beobachteten, wurden 14. Juni 1606 ausgewiesen. Der
Papst wollte nun die Venetianer mit Krieg überziehen; aber
nach einem Jahre kam durch den französischen Gesandten und
den Cardinal Joyeuse ein Ausgleich zu Stande: die beiden
Geistlichen wurden dem französischen Gesandten ausgeliefert
mit der Erklärung, die Republik wahre sich das Recht, Ter-
brecherische Geistliche zu strafen; die Gesetze wurden nicht
aufgehoben, aber die Venetianer versprachen, sich mit gewohnter
Frömmigkeit zu betragen; der Senat widerrief seine Manifeste
gegen die Censuren, der französische Gesandte suchte in Rom
deren Zurücknahme nach und Card. Joyeuse erklärte 21. April
1607 in Venedig im Namen des Papstes, dieser nehme alle
gegen die Republik ergriffenen Massregeln zurück. Die Rück-
berufung der Jesuiten lehnten die Venetianer ab; sie kehrten
erst 1057 zurück. — Im J. 1606 wurden einige zur Vertheidi-
gung der Republik veröffentlichte Schriften und gleichzeitig alle
ähnlichen bereits erschienenen oder noch zu veröffentlichenden
Schriften über das Interdict von der Inquisition verboten. Seit
Alexander VII. stand dann das allgemeine. Verbot der Libri
de censura et interdicto Pauli V. in Rempublicam Venetam im
Index (vorher schon in dem Elenchus, S. 24). Benedict XIV.
hat es gestrichen. — Nebenbei ist zu erwähnen, dass während
des Streites Franz Suarez, etwas später auch Thomas Sanchez,
also zwei der berühmtesten Jesuiten, in den Index gekommen
sind, freilich nur in der Weise, dass die Ausgaben von Werken
derselben , in welchen Venetianische Drucker curialistische
Stellen weggelassen hatten, verboten wurden.
Der bedeutendste literarische Vertheidiger Venedigs war
bekanntlich der Servit Paolo Sarpi (1552—1623). Er wnrde
1606 von der Inquisition nach Rom citirt, leistete aber natürlich
keine Folge und protestirte 25. Nov. fiJrmlich gegen die Vor-
ladung^). Seine Geschichte des Trienter Concils wurde gleich
nach dem Erscheinen, 1619, verboten, später auch noch einige
andere Schriften, auch sein Epitaphium und mehrere Biogra-
1) Nach dem Ausgleich machte sich Paul V. Hoffnung, man werde
Sarpi und die anderen Theologen an die Inquisition ausliefern. Ranke,
Päpste 3 (WW. 39), 102.*
Paul V. und Venedig. 821
een und Vertheidigangen Sarpi's. Aber merkwürdiger Weise
d von diesem der Curie so verhasstcn Schriftsteller nicht, wie
i vielen weniger bedeutenden, sämmtliche Schriften verboten,
ht einmal die Gesammtausgaben seiner Werke. 1656 er-
ien die officiöse Geschichte des Trienter Coucils von Palla-
ini. Mehrere gegen dieselbe gerichtete Schriften stehen im
lex, auch einige, verhältnissm'ässig wenige, ältere und spätere
icurialistische Schriften über das Concil.
1. Durch ein am 27. Juni 1606 publicirtes Edict wurden
ge auf das Interdict bezügliche libelli et scripturae, als viele
3. temeräre, . . . schismatische, irrige und ketzerische Dinge ent-
kend, ausdrücklich verb. und zugleich alle anderen ähnlichen ge-
ckten und handschriftlichen Schriften. Dieses Edict steht nicht bei
X., wird aber in einem Edicte der Inquisition vom 20. Sept. 1606
►. 7) erwähnt, worin nach Hinweisung auf das allgemeine Ver-
zur grössern Sicherheit vier Schriften mit derselben Qualifica-
i ausdrücklich und zugleich nochmals alle ähnlichen gedruckten
r zu druckenden, geschriebenen oder zu schreibenden Schriften
r das Interdict unter Androhung der reservirten Excommunica-
latae sent. verb. werden, nämlich zwei von Sarpi mit seinem
nen veröffentlichte: Considerationi sopra le censure della Santitä
*apa Paolo V. contra la Serenissima Republica di Venetia, del P.
Paolo da Venetia dell' Ordine de' Servi, und Apologia per le
ositioni fatte dall' III. & Rev. Sig. Card. Bellarmino alli trattati
esolutioni di Giov. Gersone sopra la validita delle scommuniche
e Vertheidigung des gleich zu erwähnenden Trattato), — ferner:
so delle ragioni della Ser. Republica di Venetia intorno alle
LCultA che le sono promosse dalla Santita di Paolo V., di Anto-
Quirino Senatore Veneto alla sua patria et a tutto lo stato
a medesima Republica (56 S. 4.), und der von Sarpi verfasste
kttato deir interdetto della Santita di Papa Paolo V., nel quäle
emostra, che egli non e legitimameute publicato e che per molte
oni non sono obligati gli eccleeiastici all' essecutione di esso ne
lono senza peccato osservarlo: composto dalli sottoscritti Theo-
, Pietro Antonio [Ribetti] Archidiacono e Vicario Generale di
lezia, Fr. Paolo [Sarpi] deir Ordine de' Servi, Theologo della
. Rcpubl. di Venotia, Fr. Bernardo Giordano Minore Osservante
ologo, Fr. Michel Angelo [Bonicellil Min. Oss. Theol., Fr. Marc'
onio Capello Min. Conventuale Theol., Fr. Camillo Agostiniano
oL, Fr. Fulgenzio [Micanzio] deir Ord. de' Servi Theol. —
serdem wurde speciell nur noch 1609 (Alex. No. 9) verb. The-
rus juris executivi etc. in quo continetur Rutgerii Rundlant de
)catione utriusque brachii causac prjiesenti Venetae accommodatus,
resBus Francf. 1606. Seit Ben. ist dafür gesetzt: Rulandt,
ger, TractatuR . . . accommodatus, qui habetur initio (jetzt ini-
u!) Thesauri executivi ecclcsiastici, criminalis et civilis. In diesem
ReuBcb. Iudex II. 21
322 Paul V. und Venedig.
Thesaurus stehen nämlich hinter dem Tractate von Rnlandt noch
drei andere.
Also nur ein minimaler Theil der damals erschienenen Streit-
schriften wurde speciell verb. UEstoile (Mim. 15, 427) berichtet
im J. 1607 : eine eben in Chur erschienene Sammlung enthalte 17
Tractate pro et contra; das sei etwa der 10. Theil der erschienenen;
er besitze 53^). Brosch, Gesch. des K.-St. 1, 351 bemerkt: „Auch
wer von dem Meritorischen der Frage absieht, ja für Paul V. Partei
ergreift, wird sich nicht verhehlen können, dass die von papalistischer
Seite ausgesandten Streitschriften tief unter den Yenetianischen
stehen. In welch trauriger Gestalt erscheinen da selbst ein Baro-
nius, ja sogar der federgewandte Bellarmin! Gegen die von Sarpi
verfassten oder inspirirten Meisterstücke der Polemik, die würdig
sind, Lessings Anti-Göze oder Pascals Provincialbriefen zur Seite
gestellt zu werden, gegen die kleine, aber schwerwiegende Schrift
des Senators Antonio Quirino verblassen die für das Interdict unter-
nommenen Eettungsversuche der Curialen zu farblosen Stil- und
Redeübungen, mit denen der besten Sache nicht zu helfen gewesen
wäre. Und der beiderseit« erzielte Erfolg richtete sich diesmal
nach dem Werthe. Selbst im Kirchenstaate gingen die Pnblica-
tionen der Venetianer von Hand zu Hand. Fragen, welche das
Papstthum der Vergessenheit geweiht hatte, wurden nun in schonungs-
loser Weise ans Licht hervorgeholt und der Menge ins Gedächtniss
gerufen. Nichts Schlimmeres konnte der Curie passiren, und wie
tief sie es empfand, erhellt daraus, dass Paul V. nach der Aus-
söhnung mit Venedig wiederholt in die Signorie drang, sie möge die
während des Interdictes zu ihren Gunsten erschienenen Schriften
verbieten.**
Als der französische Gesandte de Braves im Febmar 1609
dem Papste mittheilte, die Venetianer klagten darüber, dass der
Nuncius und der Patriarch den Beichtvätern befohlen hätten, die-
jenigen nicht loszusprechen, welche die auf das Interdict bezüglichen
Schriften läsen oder nicht aus ihren Bibliotheken entfernen wollten,
erklärte der Papst: das sei ganz in der Ordnung; diese Bücher
seien schlechter als die Calvins; in einem von Fra Paolo hätten,
gelehrte Theologen, die es in seinem Auftrage geprüft, acht for-
melle Ketzereien notirt. Der Senat bestrafte die Beichtväter, welcho»
wegen jenes Verhaltens angezeigt wurden. — Als 1623 Paolo Mo—
rosini die Venetianische Geschichte seines Bruders Andrea (f 1618]
mit einer Widmung an den Dogen Luigi Priuli herausgeben x^lltr^ -
verweigerte der Inquisitor die Approbation, weil das Buch am
über das Interdict handle; der Senat aber gestattete den Druck;
Andreae Mauroceni, Reip. Venetae Historiographi, Historia Venel
ab a. 1521 ad a. 1615, Ven. 1623, Fol. Das Buch wurde in Roi
12. Dec. 1624 mit d. c. verboten. Der Senat Hess durch den 6<
1) Vgl. Cocchetti, Rep. dl Ven. 2, 471. Baumg. 3, 354. 435.
Fr. Suarez. 828
sandten in Rom Vorstellungen machen und gestattete in Venedig
die Veröffentlichung des Verbotes nicht (Cecchetti 2, 266).
2. Während des Streites erschien ein merkwürdiges Decret-
der Index-Congr. vom 7, Sept. 1606 (Alex. No. 6). Die Venetia-
nische Censur hatte für den 5. Band des Commentars des Fr. Sua-
rez zum 3. Theile des h. Thomas, der von den Censuren handelt
(Disputatio de censuris, Coimbra 1603, Lyon 1604), nur unter der
Bedingung die Druckerlaubniss ertheilt, dass einige Stellen wegge-
lassen würden. In Rom war man darüber sehr erbost, wollte, wie
Sarpi (Opere G, 4) erzählt, sogar gegen den Censor mit Censuren
vorgehen, beschränkte sich dann aber auf jenes Decret, welches im
wesentlichen so lautet: Die Venetianischen Buchhändler Je. Bpt.
Giotto und Jo. Ant. und Jac. de Franciscis haben in der in diesem
Jahre bei ihnen erschienenen Ausgabe des 5. Bandes der Werke
des «Jesuiten Franz Suarez in der Disput, de censuris vieles weg-
gelassen und dadurch das Verbrechen der Fälschung begangen (falsi
crimen incurrendo). Zur Strafe für diese Verwegenheit verbietet
ihnen die Index-Congr., in Zukunft irgend welche Bücher zu drucken,
den besagten 5. Band zu verkaufen oder darüber irgend einen Ver-
trag abzuschliessen, bei Strafe der dem Papste reservirten Exeomm.
latae sent. Allen Buchhändlern, Kaufleuten und allen anderen Per-
sonen, wo sie auch wohnen mögen, wird geboten, den besagten
Band oder andere von den besagten Buchhändlern in Zukunft heraus-
zugebende Bücher nicht zu kaufen oder zu behalten, sondern an
die Ortsbischöfe oder Inquisitoren abzuliefern, bei Strafe der Ex-
eomm. 1. sent. und von 500 Kammer-Ducaten, über deren Verwen-
dung die Index-Congr. sich die Verfügung vorbehält. Ferner wird
allen, die den besagten Band behalten, befohlen, das Weggelassene
darin zu ergänzen. Die Ortsbischöfe und Inquisitoren sollen dieses
Edict publiciren, und zehn Tage nach dieser Publication soll es jeden
so verpflichten, als ob es ihm persönlich intimirt worden wäre. —
In einem von dem Mag. S. P. im J. 1609 publicirten Verzeichnisse
verbotener Bücher (Alex. No. 9) steht dann der Band von Suarez
mit der Bemerkung, er sei nur gestattet nach Beifügung der weg-
gelassenen Blätter und Stellen. So noch jetzt unter Suarez. Dieser
lehrt an den betreffenden Stellen u. a. : die Unterthanen seien erst
dann verpflichtet, dem Fürsten den Gehorsam zu verweigern, wenn
derselbe namentlich excommunicirt worden sei, unter Umständen
aber schon vorher dazu berechtigt, wenn derselbe ein Ketzer, Schis-
matiker und Rebell gegen die Kirche sei und seine Herrschaft den
Glauben und die Religion der Unterthanen gefährde ; der Papst könne
einzelne Personen von der Pflicht, die Steuern zu bezahlen, dispen-
siren u. dgl. Das von Suarez auf 8en Wunsch Pauls V. geschriebene
und durch ein Breve vom 2. Oct. 1607 belobte Werk De immuni-
tate eccl. a Venetis violata et a Paulo V. juste et prudentissime
defensa wurde damals, da mittlerweile der Streit beendigt war,
nicht gedruckt. Das 2. und 3. Buch des Werkes sind bei Malou
(S. 311) p. 254 gedruckt. Im 3. fp. 330) vertheidigt er die von
den Venetianern weggelassenen Stellen des Tractates de censuris.
324 Paul V. und Venedig.
In weniger scharfer Form verbot die Index-Congr. im J. 1627
(Alex. No. 33) alle Ausgaben des 3. Bandes der Disputationes de
'sacramento matrinionii des Thomas Sanchez, in welchen in der
Disp. 7. ein Passus, — er ist hinter dem Decrete vollständig abge-
druckt und füllt eine Folioseite, — weggelassen sei (Ben. erwähnt
speciell Yenetianische Ausgaben). Es ist die Stelle, an der Sanchez
die Ansicht vertheidigt, die durch den Papst vorgenommene Legiti-
mation unehelicher Kinder habe ohne weiteres auch bürgerliche Gel-
tung. — Der Versuch, ein Verbot des "Werkes von Sanchez wegen
seiner schmutzigen Casuistik zu erwirken, blieb erfolglos (Backer
I, 686).
3. Die Historia del Concilio Tridentino . . . di Pietro Soave
Polano (London 1610, Fol.) wurde 22. Nov. 1619 verb. mit dem
Zusätze: edita in lucem per Marcum Antonium de Dominis Archiep.
olim Spalat., cum ejusdem praefatione et dedicatoria (an Jacob L);
seit Ben. ist dieser Zusatz weggelassen. Die 2. Edizione riveduta
e corretta dall' autore erschien 1629, mit Weglassung der von Sarpi
missbilligten Zuthaten von Dominis^). Von den Tebersetzungen
wurde nur die von Le Courayer (wegen der Zuthaten) ausdrücklich
verb., und zwar durch ein Breve Clemens' XIL vom 26. Jan. 1740.
Nach dem Tode Sarpi 's kamen von ihm noch in den Index:
Petri Sarpi (Ben. hat beigefügt qni et Paulus Sarpi) De jure asy-
lorum liber singularis, Lugd. B. 1622, verb. 1623; — Hist. parti-
colare delle cose passate tra il S. P. Paolo V. e la Ser. Rep. di
Venetia gli anni 1605, 1606, 1607, divisa in sette libri, Lione 1624,
verb. 1625; — Hist. sopra li beneficii ecclesiastici, verb. 1676;
gemeint ist Trattato delle materie beneficiarie, der nach Simon, Let-
tres 3, 115, nicht von Sarpi, sondern von Fra Fulgenzio (Manfredi)
verfasst ist; du reste, fügt Simon bei, Fra Fulg. ^tait un autre Fra
Paolo; — Lettere italiane (al Sign, dcll' Isola Groslot, 1607—18)
Verona [Genf] 1673, 12.), verb. 1677; sie sind nach der Justification
(s. u.) grösstentheils unecht; — Scelte lettere inedite, verb. 1837.
Die Lettere ed. Polidori, Fir. 1863, 2 vol., sind nicht verb. Ge-
sammtausgaben von Sarpi's Werken erschienen Ven. 1677, 6 vol.
12.; Helmstatt (Verona) 1761—63, 8 vol. 4.; Neapel 1790, 24 vol.
(Baumg. 3, 343); keine derselben ist verb.
1623 wurde verboten Folium quoddam continens Epitaphium
factum sepulchro Fratris Pauli Servitae, incipiens Paulus Venetus
Servitarum Ordinis Theologus, ita prudens, integer, sapiens etc., tarn
Impressum quam manuscriptum. Ferner stehen im Index: Vita del
P. Paolo dell' Ordine de' Servi, Leida 1646, verb. 1659; sie ist
von Fulgenzio Micanzio ; — Memorie aneddote spettanti alla vita ed
agli studi del somnio filosofo e giureconsulto Fra Paolo Servita,
raccülte da Franc. Griselini Veneziano, Losanna 1760, verb. 1762;
1) lieber di(3 verschiodenon Ausgaben und Ueborsetzungen s. Baum^.
8, 205. R. Simon, Lottrcs 2, 216. Schulte S. ACS. Zur Kritik Sarpi's und
Pallavicini's s. Ranke, Päpste, WW. 39, 25.*
Th. Sauühez. P. Sarpi. Pallaviciui. 326
— A. Biancihi-Gioviiü, Biografia di Fra P. öarpi, 1836 u, 8., verb.
1837 (A. G. Campbell, La vita di Fra P. Sarpi da manoHcritti
originali, 1875, steht nicht im Index); — Apologia sopra l'aatore
della istoria del Conc. Trid., che va eotto il nome di Pietro »Soave
Polano, creduta communemente (ma a torto) produzione di Fra Paolo
Sarpi . . ., opera del S. Damiano Romano, Regio Avvocato Fis-
cale . . ., Lecce 1741, verb. 1742; — Fra Paolo Sarpi giustilicato.
Dissertazione epistolare di Giusto N a v e , Colonia (Lncoa oder Yen.)
1752, 152 S., verb. 1754, eine Vertheidigung Sarpi's gegen die in
dem ErlaßBC des Card. Tencin, Erzb. von Embrun, gegen Courayer
ausgesprochene Behauptung, er sei un vrai Protestant gewesen, von
einem Serviten, wahrscheinlich Gins. Giac. Bergantini (Mazzuch.
2, 950), nach anderen Buonfigliuolo Capra; — Justification do
Fra Paolo Sarpi, ou lettres d*un pretre italien k un magistrat fran-
^ais sur le caractere et les sentiments de cet homme celebre, Paris
1811,* 72 S. 8., verb. 1817, eine massvolle Vertheidigung Sarpi's
namentlich gegen die Behauptung, er sei innerlich Protestant ge-
wesen, wahrscheinlich von Eustachio Degola geschrieben, heraus-
gegeben von dem Gerichtspräsidenten P.-J. Agier, f 1823.
4. Als Pallavicini seine Geschichte des Trienter Concils ge-
schrieben hatte, Hess er durch den Venetianischen Gesandten in
-Rom den Senat bitten, den Verkauf derselben in Venedig zu ge-
statten. Der Senat aber lehnte dieses 21. Juni 1658 ab, da das
CBuch kein rein geschichtliches sei, sondern viele Ausführungen ent-
lialte, welche die Republik berührten und das Andenken eines treuen
J^ieners derselben verunehrten (Cecchetti 1, 78). — Gegen Palla-
"virini's ungünstige Aeusserungen über Paul IV. erschien Difesa del
^loriosissimo Pontetioe Paolo IV. dalle false calunnie di un moderno
«crittore data in luce da Franc. Velli Napoletano, Turin 1658, Fol.,
und gegen eine Vertheidigung, die Pallavicini in Form eines Briefes
du d^n Marchese Gianluca Durazzo schrieb und die in Abschriften
verbreitet wurde, Difesa del glor. P. Paolo IV. dalle nuove calunnie
del moderno scrittore, ovvero sommario d'una piü lunga risposta alT
Eiutore della lettera scritta a Gianluca Durazzo, data in luce etc.
Turin 1658. Beide Schriften wurden noch 1658 verboten. Der
Verfasser ist der Theatiner Franc. Maria Maggie^). Er schrieb
später De S. P. Pauli IV. inculpata vita disijuisitiones historicae
clarorum scriptorum e Soc. J. testimoniis explicatae, T. 1., Neap.
1672, Fol. — Scipio Henricus (Errino), ein Priester aus Messina,
üer lange in Venedig und Rom lebte und mit dem Card. Spada
befreundet war, gest. 1670 als Professor und Canonicus in Messina
Cer hat auch über La lettera della Madonna ai Messanesi, 1633,
eceschrieben) veröffentlichte eine Censura theologica adv. Petri Soavi
X^olani de Concilio Trid. pseudo-historiam, Dillingen 1654, 8., Köln
1664, 12., gegen welche Jo. Hnr. Heidegger in der Anatome Con-
oilii Trid. polemisirt. Einige Jahre später veröffentlichte er unter
1) Villani p. 52. Melzi 3, 200. Vezzosi 2, 19.
326 Paul V. und Venedig.
dem Namen Caesar Aquilinus ein Schrift cheu De tribus histori-
eis Concilii Trid., Amsterdam 1662, 96 S. 8, worin er Sarpi und
Pallavicini tadelt und Scipio Henricus, also sich selbst yertheidigt,
verb. 1668^). — Das Schlimmste, was gegen Pallavicini geschrieben
worden, ist eine 1677 verbotene anonyme Schrift des Abbe Jean
Le Noir, Theologal von Seez: Les nouvelles lumieres politiqaes
pour le gouvemement de T^glise, ou Tivangile nouveau du Card.
Pallavicin, r6v61^ par Ini dans son Eist, du Concile de Tränte, s. 1.
et a., Par. 1676, Col. 1687,* 264 S. 16., u. s., auch mit dem Titel
Politique et intrigues de la Cour de Rome, ecrit par le Card. P.,
Col. 1696 (Kiflessioni sopra la Storia del Concilio di Trento scritt«
dal Card. P., Ven. 1767, Uebersetzung von Giov. Bottari, mit
einem Anhang, Melzi 2, 258. 441). Es ist eine sehr geschickt grup-
pirte Zusammenstellung von wörtlichen Auszügen aus der 1. Aus-
gabe der Geschichte; darunter finden sich z. B. die Sätze: Aristotele
se non si fosse adoperato in distinguere accuratamente i generi
della ragione, noi mancaremmo di molti articoli di fede (p. 15, ans
8, 19); nel cielo mistico della chiesa non si pu6 imaginär conjun-
zione di piü periculosa iufluenza che un sinodo generale (p. 58, aus.
16, 10). — lieber Scotti s. S. 282.
5. Femer stehen im Index: Revision du Concile de Trente,.
contenant les nuUitez d'iceluy, les griefs des rois et princes ohre^
stiens, de Teglise gallicane et autres catholiques, s. 1. et a. (Gen
1600), 837 S. 8., verb. 1619, von Guillaume Ranchin, Prof. de
Rechte zu Montpellier (Marchand s. v.); — Revelatio consiliomm
quae initio Synodi Trid. iuter pontificem caeterosque principes e
Status pontificios contra veros et liberos orbis christ. reges, princip
et ordines sunt inita, in quibus conjurationis Romanae veritas, astus
continuatio a concilii illius publicatione in hunc usque diem eviden
tissime ostenduntur, s. 1. 1620, 4., verb. 1621, in Belgien gedruck
(Schelh., Am. bist. 2, 418); — Sommairc des decrets du Concil
de Trente touchant la reformation de la discipline ecol. avec de
observations tiri&es de Tusage de France, Mons 1679, verb. 1681;
— Lettres anecdotes et m^moires bist, du Nonce Visconti, Cardina
pr^conis6 et ministre secret de Pie IV. et de ses cr^atures au Con
eile de Trente, dont plusieurs intrigues inouies se trouvent dang ce
relations, mises au jour en italien et en franyais par M. Aymon,
ci-devant Prälat theologal et jurisconsulte gradue k la Cour de
Rome, Amst. 1719, 12., erst 1746 verb. (Schelh. p. 450), Aymon
war in Holland Protestant geworden ; von seinen anderen polemischen
Schriften (Schulte S. 261) ist keine verb. — Dagegen stehen nicht
im Index die Lettres et memoires de Fr. Vargas concemant le Conc.
de Trente, herausg. von Michel Le Vassor, 1699, gegen dessen Vo
rede sich Bossuet, Oeuvres 42, 251 ereifert, — Notes sur le Con
eile de Trente touchant les points les plus importants . . . avec un
dissert. sur la reception et Tautorit^ de ce Concile en France, Col
1) MoDgitore p. 210. Baillet 5, 816.
Der englische Treueid. 827
)6,* 400 S. 8-, in Verbindung mit anderen Jurißten publicirt von
enne Rassicüd, (Bauing. 4, 270. Schulte 8. 620), und andere bei
lelh. 1. 0. verzeichnete Schriften.
S. Der Streit fiber den englischen Treneid, 1606.
Noch charakteristischer für Paul V. als sein Auftreten gegen
aedig ist sein Verhalten bezüglich des von Jacob I. nach der
tdecknng der Pulververschwörong durch eine Verordnung
n 5. Juli 1600 ttir die englischen Katholiken vorgeschriebenen
sueides. Der Papst verbot die Ablegung dieses Eides, weil
rin die Lehre, dass der Papst das Recht habe, Fürsten ab-
letzen und ihre Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams
^n sie zu entbinden, als gottlos und ketzerisch bezeichnet
rde. Die von Jacob I. und in seinem Auftrage herausge-
)euen Vertheidigungen des Eides gegen die päpstliche Ver-
Dimung und deren Rechtfertigung durch Card. Bellarmin
rden 1609 von der Inquisition verboten. Auch die Streit-
iriften der katholischen Engländer William und John Barclay
1 Thomas Preston (Roger Widdrington) gegen Bellarmin und
16 Reihe von anderen mit diesem Streite zusammenhangenden
hriften kamen in den Index. — Der Treueid wurde auch von
ban VIII. 1626, und selbst in einer vorsichtigem Fassung von
locenz X. und Alexander VII. für unzulässig erklärt und
le Reihe von Schriften, namentlich von Peter Walsh (Valesius)
'boten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein solcher
1 von sechs theologischen Facultäten und von den englischen
dstolischen Vicaren für zulässig erklärt, und Rom schwieg
KU.
1. Nach der Entdeckung der Pulver Verschwörung wurde der Pro-
icial der Jesuiten, Henry Garnett, als angeblicher Mitschuldiger
gerichtet. Von der 1606 veröffentlichten amtlichen Relation über
uen Process, die eine Reihe von Streitschriften hervorrieft), er-
den eine lat. Uebersetzung : Actio in Henricum Gametum 8. J.
ceteroB, qui proditione longe immanissima . . . Regem et regni
1) Clement 8, lül. Schelhorü, Erg. 2, 229. Pattison, Casaubonus
351. 438.
828 Der englische Treueid.
Angliae ordines pulvere fulminali e medio tollere conjurarunt: una
cum orationibus delegatorum. Adjectum est supplicium de H. Gar-
neto Loiidini sumptum. Omnia ex anglico a Ct. Camdeiio latine versa,
Lond. 1607, 4. Diese wurde 1609 verb. (noch jetzt ohne Camdens
Namen im Index).
In dem Treueide (oath of allegiauce, nicht zu verwechseln mit
dem oath of supremacy, der von den Katholiken nicht verlangt
wurde) sollten die Katholiken anerkennen, dass Jacob rechtmässiger
König von England sei, dass der Papst keine Gewalt habe, ihn ab-
zusetzen oder einen auswärtigen Fürsten zu einem kriegerischen
Unternehmen gegen ihn zu ermächtigen oder seine Unterthanen von
dem Gehorsam gegen ihn zu entbinden, und schwören, dass sie un-
geachtet eines etwaigen Excommunications- oder Absctzungsdecretes
dem Könige gehorsam bleiben wollten und dass sie die verdamm-
lichc Lehre, die vom Papste excommunicirten oder abgesetzten Für-
sten könnten von ihren Unterthanen oder irgend jemand anders ver-
trieben oder getödtet werden, als gottlos und ketzerisch von Herzen
verabscheuten; schliesslich sollten sie erklären, dass sie glaubten,
weder der Papst noch sonst jemand könne sie von diesem Eide ent-
binden. (Der Eid wird lateinisch in dem Breve von 1606 mitge-
theilt, englisch bei Dodd-Tierney 4, App. 117). In dem ursprüng-
lichen Entwürfe war dem Papste überhaupt das Recht abgesprochen,
Könige zu excommuniciren; „so weit aber wollte Jacob in seinem
alles abwägendem Sinne nicht gehen** (Kanke, Engl. Gesch. \VW.
15, 53. Dodd-Tierney 1, 72). Die Vertheidiger der Curie erklärten
den Eid für unzulässig, weil darin die dem Papste in 'der von dem
5. Lateranconcil bestätigten Bulle Unam Sanctam vindicirte Gewalt
bestritten Werde. Bossuet (Defensio 4, 2.*^, Oeuvres 32, 100) er-
klärt es für zulässig, die Ansicht, dass der Papst die Gewalt habe.
Fürsten abzusetzen, zu bestreiten (uti nos Franci fecimus), aber für
temerär, dass ein Katholik privata auctoritate diese Ansicht für
gottlos und ketzerisch erkläre. 48 Doctoren der Sorbonne erklärten
den Eid einfach für zulässig. — Paul V. erklärte in dem Breve an
die englischen Katholiken vom 22. Sep. 1606: sie könnten nicht
ohne die evidenteste und schwerste Verletzung der göttlichen Ehre
und nicht ohne Gefährdung des katholischen Glaubens und ihres
Seelenheiles einen Eid ablegen, der vieles enthalte, was dem Glau-
ben und dem Seeleuheile augenscheinlich widerspreche. In einem
zweiten Breve vom 2^3. Sept. 1607 sagt er: da manche behaupteten,
das erste Breve sei nicht ein Ausdruck seines eigenen Willens,
sondern mit Rücksicht auf andere und auf Betreiben anderer erlassen,
so erkläre er, dass er dasselbe nicht nur motu proprio et ex certa
scientia, sondern auch nach reiflicher Ueberlegung erlassen (Arg. III b
172). Mehrere englische Katholiken, u. a. acht in Newgate gefangene
Priester baten vergebens Paul V., die Ausdrücke anzugeben, wegen
deren der Eid unzulässig sei. Dem Jesuiten Thomas Garnett, einem
Neffen Henry Garnetts, wurde die Freilassung angeboten, wenn er
den Eid ablege; er weigerte sich und wurde 23. Juni 1608 hinge-
Jacob I. 829
richtet. Der Erzpriester Georg Black well leistete 1G07 den Eid
und empfahl den Geistlichen, denselben nicht zu verweigern. Da er
trotz der Yürstellungcn Bellarmins und Parsons* und des zweiten
Breves bei seiner Ansicht verharrte, wurde er 1. Febr. 1608 abge-
setzt; er starb, ohne zu widerrufen, 25. Jan. 1612 (Dodd-T. 4, 75.
App. 148. 205).
Jacob I. schrieb 1607 eine Apologie des Eides, von der 1608
eine lateinische Uebersetzung (von Sir Henry Savile) erschien: Tri-
plici nodo triplex cuneus s. Apologia pro juramento iidelitatis ad-
versus brevia P. Pauli V. et recentes litteras Card. Bellarmini ad
G. Blackwelluni, Angliae archipresbyterum, Lond. 1608, 8. (die
zwei Breven und der Brief Bellarmins vom 28. Sept. 1607 sind der
„dreifache Knote**). Im A])ril 1609 erschien eine zweite Auflage
unter dem Namen des königlichen Verfassers mit einem Preamble
(Premonition) to all Christian Monarchs, Free Princes and States,
in demselben Jahre lateinit^ch: Apologia pro juramento fidelitatis,
prinium quidem «i'wiTjC/ffic, nnnc vero ab ipso auctore . . . Jacobo. .
Kege F[idei] l)[efenRure] denuo edita. Cui praemissa est Praefatio
moniloria Caesari Hodolpbo II. ceteris(]ue . . . monarchis, rebus-
publicis et ordinibus inscripta eodem auctore, Lond. 1609. Als ofli-
cieller Verlheidiger der Curie trat Card. Bellarmin auf, zunächst
unter dem Namen seines Kajdans: Kesponsio Matthaei Torti, Pres-
byteri et Theologi Pajnensis, ad librum inscriptum : Triplici etc.,
Köln 1608, Rom 1609, dann nach dem Erscheinen der 2. Auflage
der Schrift Jacobs auch mit seinem Namen in der Apologia Roberti
S. K. E. Card. Bellarmini pro responsione sua ad librum Jacobi,
Magnae Britanniae Regis, cujus titulus est: Tripl. nodo tripl. cuneus,
in qua apologia refellitur praefatio nionitoria Regis ejusdem. Acces-
sit seorsim eadem ipsa responsio, quae sub nomine Matthaei Torti
anno superiore prodierat, Köln 1610, 306 und 157 S. 8^).
Im Auftrafze Pauls V. verbot der Mag. S. P. 23. Juli 1609
(Alex. No. 8) die (zweite Ausgabe der) Apologia des Königs bei
Strafe der reservirten Excommunicatio latae sent. Im Auftrage der
Inquisition verbot der Mag. S. P. 9. Nov. 1609 (nochmals 30. Jan.
1610, Alex. No. 10. 11) Tortura Torti sive ad Matthaei Torti li-
1) Bcllarmin sagt Resp. p. 1, §3: Inter onmes convenit, posse Ponti-
ficeoi Max. haereticos priuci}>es jure deponere et subditos eorum ab obe-
dientia liberarc. Cum hac i'uini conditionc reges terrae adEcclesium ad-
mittuntiir, ut Pceptra sua Christo subjiciant et fidem ac religionem non
overtere, std protegere, dcfeiidcre, non üi)pugnare debcant. Quod si no-
lint, jus est illi, qui toti Ecclesine vice Christi praet-st, cos a communionc
fidelium st'gregaru subditisque intcrdicerc, ne Ulis pareaiit. § (J sagt er
mit Rücksicht darauf, dass Jacob ihm vorgeworfen, er verwechsele den
Treueid mit dem Supreniatseid: der Unterschied zwischen beiden sei nur
der, dass in diesem der Primat mit ausdrücklichen Worten, in jenem
verbis obscurioribus et per ambages circumlocutionum ad decipicndos in-
i^autos verworfen werde. In der Apologia sagt er u. a. c. 3: Haeresis et
äpofltasia privat haereticos et apostatas multis bonis, quae sunt communia
ridelibus, sed nun privat Puntificem auctoritate, quam in eos habet.
330 Der englische Treueid.
brum responsio, qui nuper editus contra Apologiam Serenissimi . . .
Jacobi . . . anotore E. Cicestriensi, Lond. 16(J9 (von Lancelot An-
drewes, Bischof von Chicbester; seit Ben. unter Andrewes im In-
dex). Es wurden nun auch einige andere Schriften Jacobs 1. ver-
boten: Jacobi I. . . . Eegis F. D. BaaUindv JtÜQov s. regia insti-
tutio ad Henricum principem primogenitum filium suum etc., Hanoviae
1604, verb. 1609, — Meditalio in orationem dominicam, verb.
1619, — Meditatio in cap. 27. evang. Matthaei v. 27. 28. 29., sive
hypotyposis inaugurationis regiae, verb. 1621. — In dem Decrete
von 1609 wurde auch eine schon 30 Jahre vorher erschienene Schrift
verb.; Vindiciae contra tyrannos sive de principis in populum po-
pulique in principem legitima potestate Stephano Junio Bruto Celta
auctore, Edimburgi (Basel?) 1579, eine Vertheidigung des Rechtes
des Volkes, einen tyrannischen Fürsten abzusetzen (§. 44), nach
der gewöhnlichen Ansicht von Hubert Languet, wahrscheinlich aber
von Du Plessis-Mornay verfasst und von Villiers herausgegeben.
Der in demselben Jahre verbotene Tractatus de jure magistratuum
in subditos et officio subditorum erga magistratus, e gallico in lat.
coDversus, Magdeb. 1604, ist ohne Zweifel die fast allen lat. Aus-
gaben des Buches von Junius Brutus beigefügte Schrift, welche zu-
erst von den Magdeburger Lutheranern 1550 deutsch herausgegeben
und 1570 — 80 in Frankreich wiederholt lateinisch und französisch
gedruckt wurde ^).
Gleich nach dem Verbote der Apologie Jacobs I. forderte der
Papst in Breven und durch die Nuncien die katholischen Fürsten
(auch die kath. Cantone der Schweiz) auf, die ihnen von dem Könige
übersandten Exemplare des Buches, weil es gegen den Glauben und
von dem h. Officium verboten sei, nicht anzunehmen und das Buch
auch ihrerseits zu verbieten. Der Madrider Nuncius wurde beauf-
tragt, den General-Inquisitor aufzufordern, das Nöthige zu veran-
lassen. Der Pariser Nuncius Ubaldini berichtete im Sept. 1609:
der Minister Villeroy habe ihm gesagt, der König sei ungehalten
darüber, dass der Papst dem Gesandten de Breves gegenüber die
Ansicht, der Papst habe nicht das Recht, Fürsten abzusetzen, eine
Ansicht, die auch die französischen Theologen hegten, als ketzerisch
bezeichnet habe; er habe geantwortet, jenes Recht werde von den
allgemeinen Concilien und den anderen Theologen anerkannt und
vor 1000 Jahren habe der apostolische Stuhl Chilperich die Krone
genommen und sie Pipin gegeben, der französische König habe also
vor allen die Pflicht, dieses Recht anzuerkennen; „so schlössen wir
lachend unser Gespräch." Ubaldini wurde in diesen Jahren wieder-
holt instruirt, den König zu strengeren Massregeln gegen schlechte
1) Hist. Taschenb. 1876, 304. Polcnz, Gesch. des Calv. 3, 87. 287.
420. Bayle 4, 569. De jure mag. . . . erga magistratus, contra lib. cujusd.
Calviniani . . . auth. J. B. Ficklero, Inp^olst. 1578, ist eine katholisirte
Ausgabe der Magdeburger Schrift, in welcher der Widerstand der ünter-
thanen auf den Fall beschränkt wird, wo die Obrigkeit gegen die Ord-
nung der Kirche Gesetze gibt.
W. und J. Barclay. 381
Bücher aufzufordern; im Sept. 1609 berichtet er, der englische Ge-
sandte habe eine französische Uebersetzung der Apologie drucken
lassen; er habe Sbirri zu den Druckern und Buchhändlern geschickt,
sie hätten aber nichts gefunden. Auch Ubaldini's Nachfolger Benti-
yoglio wurde 1616 instruirt, die wiederholten Aufforderungen des
Papstes zur Einschränkung der Pressfreiheit in Erinnerung zu bringen,
und angewiesen, sich mit einigen Buchhändlern in Verbindung zu
setzen, dass sie ihn auf neue Bücher gegen den Glauben und den
h. Stuhl aufmerksam machten, deren Confiscation er dann bei dem
Kanzler zu beantragen habe (Laemmer, Mel. Kom. Mant. p. 256).
Heinrich IV. versprach wirklich anfangs, die Apologie zu verbieten,
hob jedoch das Verbot bald wieder auf, beschloss dann aber auf
Andringen des Nuncius, auf das Buch antworten zu lassen. Die
Jesuiten Fronton le Duc und Coton entzogen sich dem Auftrage,
die Entgegnung zu schreiben; sie wurde von dem Dominicaner Nie.
Coeffeteau geschrieben, fiel aber ziemlich zahm aus^). — Der Eng-
länder John Mole, der mit Lord Eoss in Italien war, wurde, weil
er in Florenz die Apologie einem Bekannten gegeben, verhaftet und
starb nach dreissigjähriger Haft im Gefängniss der Inquisition zu
Rom -).
2. William Barclay, ein katholischer Schotte, ein Neffe des
Jesuiten Edmund Hay, hatte unter Cujas zu Bourges Jura studirt,
wurde durch Hay 's Protection Professor in Pont a Mousson, ging
aber nach dem Tode der Königin Elisabeth, da er von dem Sohne
der Maria Stuart eine Besserung der Lage der Katholiken erwar-
tete, nach England. Jacob I. bot ihm eine Stelle in seinem Eathe
an, wenn er Anglicaner werden wolle. Er. kehrte 1604 nach Frank-
reich zurück, wurde Professor in Angers, starb aber schon 1605.
1600 hatte er mit einer Widmung an Heinrich IV. veröffentlicht
De regno et regali potestate adv. Buchauanuni, Brutum, Bucherium
et reliquos monarchomachos. Aus seinem Nachlasse gab sein Sohn
John heraus: De potestate Papae, an et quatenus in reges et prin-
cipes saeculares jus et imperium habeat, Guil. Barclaii JC. über
posthumus, Mussiponte 1609 (abgedr. bei Goldast, Monarchia 3, 621).
Barclay hatte schon 1595 mit Eücksicht auf Bellarmins Controversen
(I S. 503) ein Buch über dieses Thema mit einer Widmung an
Clemens VIII. geschrieben, das Mannscript aber von dem Drucker
zurückgefordert und später umgearbeitet. Er bekämpft die potestas
directa und indirecta des Papstes in weltlichen Dingen. — Ubaldini
schrieb im Sept. 1609 an Card. Borghese: das Buch von Barclay,
der im Rufe eines guten Katholiken gestorben (Borghese bezeichnet
ihn gleichwohl in einem Briefe vom 25. Dec. 1610 als heretico in-
glese), werde auch von den angesehensten Sorbonnisten sehr gelobt
und von drei der gelehrtesten, frommsten und ältesten unter ihnen
als das nützlichste Buch über diesen Gegenstand bezeichnet; auch
1) Perrens 1, 334. Prat 3, 148. Bist. Zts. 1874, 99.
2) R. Gibbings, Were Heretics ever bumed alive at Rome? p. 44.
382 Der oDglisuhc Treueid.
Card, du Perron solle gesagt haben: es ist ein gutes nnd nützliches
Buch, in Rom wird man es freilich nicht als ein solches ansehen
(Laemmer, Melet. p. 294). Es wurde in dem schon erwähnten
Decrete vom 9. Nov. 1609 verb. und Rellarmin schrieb dagegen
TractatuH de potestate Snmmi Pont, in rebus temporalibus adv.
Guil. Barclaium, Rom 1610^). Ubaldini schrieb 11. Oct. 1610 an
Card. Borghese: er könne Bellarmins Buch in Paris nicht nach-
drucken lassen ; man möge es in Avignon oder in Flandern drucken
lassen und ihm 100 Exemplare zur gelegentlichen Vertheilung
schicken. Borghese schrieb ihm 7. Dec. 1610: er möge wenigstens
die Veröffentlichung eines Buches verhindern, welches man dem
Vernehmen nach in Paris gegen Bellarmin herausgeben wolle, und
dem Könige, Kanzler u. s. w. begreiflich machen, dass Bellarmins
Buch keine neue, sondern die von den kath. Theologen immer fest-
gehaltene Lehre enthalte (Laemmer S. 293). Die Entgegnung er-
schien aber doch in Paris: Joannis Barclaii pietas sive publicae pro
regibus ac ])rincipibu8, privatae pro Guil. Barclaio parente vindi-
ciae adv. Card. Bei lärm ini Tract. de pot. . . , Paris 1612, verb.
1613 (abgedr. bei Goldast, Monarchia 3, 847).
Als Entgegnung auf diese Schrift erschien, wahrscheinlich im
Auftrage Bellarmins Andreae Eudaemon-Joannis Cydonii S. J. Epi-
stola monitoria ad Jo. Barclaium de libro ab eo i)ro patre suo con-
tra Rob. Bellarminum scripto, Köln 1613. Darin wird Barclay
nicht nur der Ketzerei beschuldigt, sondern auch behauptet, er sei
in England, — er war eine Zeit lang Secretär Jacobs L, — Pro-
testant geworden. Barclay erklärte das für unwahr und reiste über
Paris nach Rom, wo er 1617 eine Paraenesis ad sectarios herausgab.
Er wurde von Paul V. und Gregor XV. protegirt; der Cardinal
Barberini (später Urban VIFI.) wurde Pathe seines Sohnes; er starb
1621 (Jani Erythraei Pinacoth. 3, 17). Er war als eleganter La-
teiner und Satiriker berühmt; seine 1621 erschienene Argenis wurde
in mehrere Sprachen übersetzt. Sein Euphormionis Lusinini Saty-
ricon (Paris 1608; der 1. Theil schon 1603 gedruckt mit einer
Widmung an Jacob I.) wurde in Paris auf Betreiben des Nuocius
wegen einiger Stellen über den Papst conflscirt (L'Estoile in der
CoUection de M^m. von Michaud 15, 448) und 1609 verb. (Er
schrieb 1610 eine Apologia Euphormionis, die später als 3. Buch
1) Bellarmiu sagt in dieser Schrift ii. a. : Wenn der Papst kraft
seiner ^geistlichen Gewalt Fürsten excommuniciren kann, so kann er krafU
derselben auch, falls es das Bedürfniss der Kirche erheischt, Völker von.
dem Eide der Treue entbinden und bei Strafe der Excommunication die-
selben auffordern, dem excommunicirten Könige nicht zu gehorchen und,
sich einen andern König zu wählen . . . Barclay fragt, warum denn die
Kirche den ketzerischen Kaiser Constantius und Julian den Abtrünnigen.
nicht abgesetzt habe. Diese Kaiser waren sehr mächtig und standen an.
der Spitze vieler Lei^^ionen, gegen welche die unbewaffnete Menge der'
Gläubigen nichts vermocht hätte, zumal es keinen christlichen Fürsten gab,
der sie hätte bewaffnen und gegen jene Kaiser führen können und wollen.
R. Widdringtoü. 883
des Satyricon gezählt wurde ; Bayle s. v.). Bei Sot. p. 698 wird das
Sat. expurgirt. — Eine andere Vertheidigung Barclay's, De pote-
state papae in rebus teniporalibus . . . adv. Bellarminum 11. 2, in
quibns respondetur authoribus . . . contra Guil. Barclaium allatis . . .
quibus morte praeventus non respondit Guil. Barclaius, auctore Jo.
[Buckridge] Episc. Koffensi, London 1614, 4., steht, wie manche
andere, auch lateinische Schriften über den Treueid von Engländern
(Backer 1, 71), nicht im Index.
3. unter dem Namen Roger Wid drington schrieb der
Benedictiner Thomas Preston (Dodd 3, 420) zunächst: Apologia
Card. Bellarmini pro jure principum adv. suas ipsius rationes pro
auctoritate papali principes saeculares in ordine ad bonum spirituale
deponendi, auct. Rugero Widdrington, catholico anglo, Cosmopoli
1611 (abgedr. bei Goldast 3, 721), dann: Disputatio theologica de
juramento fidelitatis S. P. Paulo P. V. dedicata, qua potissimum
omnia argumenta, quae a Card. Bellarmino, J. Gretsero, L. Lessio,
Martine Becano aliisque nonnullis contra recens fidelitatis juramen-
tum ex decreto Eegis et Parliamenti in Anglia stabilitum facta sunt,
examinantur, Albianopoli 1613 (erschien in demselben Jahre auch
englisch). Die erste Schrift wurde 10. Mai 1613 mit anderen
Büchern verboten; 16. März 1614 erschien aber ein specielles Decret
der Index-Congr. (Alex. No. 13), worin beide Bücher quovis idio-
mate mit dem Zusätze verboten werden: nisi auctor, qui catholicum
se profitetur, quamprimum se purgaverit, censuris ac aliis poenis
ecclesiasticis intelligat se omnino coercendum. Von den anderen
unter Widdringtons Namen erschienenen Schriften wurde nur noch
(1616) verboten: Bugeri Widdrington, catholici angli, ad S. 1>.
Paulum y. P. M. humillima supplicatio, cui adjungitur appendix
[gegen Schulkenius], Albianopoli 1616. In dieser Schrift hebt er
u. a. hervor, dass Bellarmin ein einflussreiches Mitglied der Index-
Congregation, also ihm gegenüber Ankläger, Zeuge und Richter in
Einer Person sei^). Vielleicht hängt mit dem Verbote seiner Schriften
1) Die Rom. Indexcougr., München 1863, S. 31. — Gegen Widdring-
tons erste Schrift erschienen: Adolphi Schulkenii Geldr., S. Th. apud
Ubios Dr. et Prof. (d. i. Bellarmin), Apologia pro Rob. Bellarmino Card.,
Köln 1613, und Juris pontificii sanctuarium defensum contra R. Widdr.
auctore Eduardo Weston, 1613. — Lateinisch schrieb er noch: R. Wid-
drington Responsio apologetica ad libellum cujusd. Doctoris Theol., qui
ejus pro jure principum Apologiam tanquam fidei cath. repugnanteni falso
criminatur, in cujus praefationc quaedam dicuntur de novo fldei articulo
invento a Leon. Lessio S. J. Theol. in suo Disputatione apolog. pro pot.
b. Pontificis, Paris 1613, — Exemplar decreti in quo duo libri R. W. dam-
nantur, et purgatio ejus, Albianop. 1614, — Appendix ad Disputaiionem
theol. de jur. nd., in qua omnia argumenta, quae a Fr. Suarez pro pot.
papali allata sunt, examinantur, 1616 (Werner, Fr. Suarez 1, 42), — eng-
lisch: A theological Disputation concerning the oath of allegiance. By R.
W., translatcd out of latin in english by the Author. who has added an
Appendix, 1613,* — A clear, sincere and modest confutation of the Reply
of T(homas) F(itzherbert, S. J.). By R. W., 161«* (beigeb. mit besonderer
334 Der englische Treueid.
zusammen: Thomae Prestoni et Thomae Greenaei Anglorum
Appellatio a Cardinalibus ad Indicem deputatis ad ipBummet Summum
Ponlificem, verb. 16. März 1621.
lieber die beiden ersten Bücher von Widdrington gab Sarpi
24. April 1614 ein Gutachten ab, als es sich darum handelte, ob
das Römische Verbot in Venedig anerkannt werden solle (I, S. 547 ;
abgedr. bei Cecchetti, Rep. di Ven. 2, 236). Er sagt darin: Das
erste Buch ist nur eine Streitschrift gegen Bellarmin, der neuerlich
zu beweisen versucht hat, es sei ein Glaubensartikel, dass die Fürsten
dem Papste in weltlichen Dingen unterworfen seien und dass er sie
absetzen könne. Wer das Buch, welches drei Jahre verbreitet
worden, ohne verboten zu werden, unbefangen liest, wird es nicht
nur für katholisch, sondern auch für zeitgemäss halten. Es ist
nützlich, ja noth wendig, dass solche Bücher von allen gelesen werden,
um die verderbliche Meinung von der weltlichen Anctorität des
Papstes über die anderen Fürsten auszurotten, welche die Ursache
eines unversöhnlichen Misstrauens zwischen der kirchlichen und der
weltlichen Ordnung ist und Unzufriedenen zum Verwände dient,
unter dem Vorgeben der Religion gegen die Fürsten zu machiniren
und zu rebelliren. Das zweite Buch enthält theils die Lehren des
h. Thomas, theils die Gersons. . . . Der Antrag des Nuncius, die
beiden Bücher zu verbieten, ist nach ! dem Concordate von 1596
nicht zu bewilligen. Sarpi räth schliesslich, den Nuncius hinzu-
halten. Das Verbot wurde in Venedig nicht publicirt. Auch im
span. Index steht Widdrington nicht, im Liss. 1624 aber: R. Wid-
drington cath. Angli, sive verum sive fictum sit nomen, omnia
opera prohibentur nominatim.
4. Ausser den genannten Büchern über diese Controverse
(vgl. S. 120) wurden noch folgende verboten: Dens et rex s. dia-
logus, quo demonstratur, Sereniss. Jacobum in regnis suis justissime
sibi vindicare, quidquid in juramento fidelitatis requiritur, Lond. 1615,
verb. 1617; — Xenium ad catholicos anglos s. brevis et dilucida
explicatio novi jur. fid., auth. E. J. [sie] theologo, ut anglocatholi-
corum conscicntiae plenius instruantur et tranquillentur circa jur.
fid., lateinische Uebersetzung (des Titels) von Widdringtons New
Yeares Gift for English Catholics by E. T. With the license of the
superiors, 1620, 8., verb. 1621; — Scutum regium adv. omnes re-
gicidas et regicidarum patronos ab initio mundi usque ad interitnm
Phocae ... 11. 3, auth. Georgio Hakewill Oxon., 1613 (anglican.
Theologe; Wood, Ath. Oxon. 3, 255), verb. 1622; — Gull. Barret
(Jurist) Jus regis s. de absoluto et independenti saecnlarium prin-
cipum dominio et obsequio, Bas. 1612, verb. 1624; — In Gc-
orgium Blacvellum Angliac archipresbyterum a Clemente P. VIII.
designatum Quaestio bipartita [cujus actio prior jusjurandum de
fidelitate, altera jurisjurandi assertionem contra Bellarminum con-
Paginirung: An adjoinder to the Land 2. Part), — Last rejoinder to Fitz
herbert's Reply, 1619.
Hakewill, Barret, Marbais u. a. dd5
net, Lond. 1609], erst 1624 verb., Bericht über Black wells Ver-
öre durch eine von dem König ernannte Commission (abgedr. bei
roldast 3, 565, englisch schon 1607 gedruckt; Butler 2, 204. Wood,
.th. Oxon. 2, 122); — Greorgii Dounami (Downham) Papa Anti-
tnistus 8. Diatriba duabus partibus, quarum prior sex libris vin-
icat Jacobi Kegis sententiam de Antichristo, posterior refutat L.
lessii 16 demonstrationes Kegis praefationi monitoriae oppositas (in
er Schrift De Antichristo ejusque praecursoribus, Antw. 1611),
lOnd. 1620, erst 1677 verb.; — A seasonable Discourse shewing
GW that the oaths of allegiance and supremacy contain nothing
'hieb any good Christian ought to boggle at. By W. B., von
er Inq. Fer. IV. 27. Spt. 1679 verb. — Wahrscheinlich hängt mit
ieser Controverse auch zusammen: Supplication et requete h, Tem-
ereur, aux roys, princes, estats, republiques et magistrats chritiens
ur les causes d^assembler un concile g^n^ral contre Paul V., dres-
6e par Nie. de Marbais, Leyden 1613, verb. 1617. Wenigstens
rschien 1613 zu London: Supplicatio ad imperatorem, reges et
»rincipes super causis generalis concilii convocandi contra PaulumV.
luibus adjicitur annotatio de iis, quae Becanus Jesuita in editione
jusd. Controversiae anglicanae recognovit et Eom. Pontifici dicata
xpunxit (Backer I, 60; im span. Index wird Homo novus als
Same des Verfassers angegeben). Paul V. wird des Nepotismus,
er ünsittlichkeit, Vernachläs8igung der Kirchenzucht, Nichtbe-
trafang unzüchtiger Cardinäle und Bischöfe beschuldigt. Ein Aus-
ug in der Hist. des Papes (von Fr. Bruys), Haag 1732, 5, 170
Brower-Rambach 10, 357. Nachr. v. der Stoll. Bibl. 1, 315).
5. Die Frage wegen des Treueides kam im J. 1647 wieder
ur Verhandlung. Auf den Antrag des Lord Fairfax beschloss das
Parlament, den englischen Katholiken Duldung zu gewähren, wenn
ie eine Erklärung unterschrieben des Inhalts: sie glaubten nicht,
. dass der Papst oder die Kirche die Gewalt habe, jemand von der
Pflicht des Gehorsams gegen die in England bestehende Kegierung
a entbinden, 2. dass es an sich oder auf Grund einer Dispensation
es Papstes erlaubt sei, ein einem Haeretiker gegebenes Versprechen
icht zu halten, 3. dass es durch eine Dispensation oder einen Be-
3hl des Papstes oder der Kirche erlaubt werden könne, irgend
smand darum zu tödten oder in irgend einer Weise anzugreifen,
reil er wegen Irrthums oder Haeresie angeklagt, verdammt, cen-
urirt oder excommunicirt sei. Diese Erklärung wurde von einigen
reistlichen und 59 Gentlemen unterschrieben, von Innocenz X. aber
ie Unterzeichnung unter Androhung der Excommunication ver-
oten ^).
Giambattista Rinuccini, der während des irischen Aufstandes
1) Ch. Butler, Historical Memoire of the Englifth, Irish and Scottish
^atholics, Lond. 1822, 2, 413. DöUinger, Lecturcs on the Reunion of the
])hurche8. transl. l)y H. Oxenham, 1872, p. 118. Zum folgenden vgl. G.
Uazzi, Nunziatura in Irlanda di M. G. B. Riimccini, Arciv. di Fermo
1645—49, Florenz 1844 (Edinb. Rev. 151, 487).
336 Der englische Treueid.
1645—49 als Nuncius in Irland war, protestirte 1648 gegen einen
damals abgeschlossenen Waffenstillstand, excommnnicirte alle, welche
dazu mitgewirkt oder ihm zugestimmt, und legte das Interdict auf
die Städte, wo er anerkannt werde. Vierzehn Bischöfe und viele
Ordeusgeistliche, auch die Jesuiten erklärten die Censuren für null
und nichtig und appellirten an den Papst. Einige seiner Haupt-
gegner, namentlich den Franciscaner Peter Walsh (Valesius), bean-
tragte Rinuccini 1 649 nach Rom vor die Inquisition oder ein anderes
Tribunal zu citiren^). Eine Schrift, die Richard Belling, der in
dem Aufstande eine Rolle spielte und als Abgesandter der Auf-
ständischen Innocenz X. um Hülfe gebeten hatte, unter dem Namen
Ireuaeus Philopator veröffentlichte, Vindiciarum Catholicoram Hi-
berniae ad Alitophilum 11. 2, Paris 1650, wurde 1654 verb.
1660 wurde Walsh von den irischen Bischöfen und Ordens-
oberen nach London geschickt, um Carl II. zu seiner Restauration
zu beglückwünschen und freie Religionsübung für die irischen Ka-
tholiken zu erwirken. Auf sein Betreiben wurde Ende 1661 eine
Humble Remonstrance of the Roman Catholic Clergy of Ireland von
dem Bischof von Dromore und 24 Geistlichen, die in London waren,
und von 121 Gentlemen unterzeichnet und dem Könige tiberreicht.
Die Unterzeichner erklären: sie würden ungeachtet irgendwelcher
Erklärung des Papstes dem Könige ihre Unterthanentreue bewahren
und räumten niemand, auch nicht dem Papste das Recht ein, sie
von dieser zu entbinden ; jeder Fürst, welcher Religion er auch an-
gehören möge, sei ein Statthalter Gottes auf Erden und könne gemäss
den Gesetzen des Staates Gehorsam in allen bürgerlichen Sachen
beanspruchen; die Behauptung, irgend ein Einzelner dürfe den
Fürsten wegen Religionsverschiedenheit tödten, sei gottlos und dem
Worte Gottes zuwider (Butler 3, 419. Auch englische Katholiken
unterzeichneten 1660 Erklärungen gegen die directe oder indirecte
Gewalt des Papstes in weltlichen Dingen; Butler 2, 23). Die Re-
monstranz wurde aber von einigen irischen Bischöfen missbilligt,
von der Löwener theol. Facultät censurirt und 21. Juli '1662 von
dem Nuncius Hieron. de A^'ecchiis zu Brüssel als den Erklärungen
Pauls V. und Innocenz' X. widersprechend verworfen, 8. Juli 1662
auch von dem Cardinal Barberini im Namen der Propaganda.
Walsh, Redmond Caron und andere Franciscaner, welche sie unter-
zeichnet, wurden von ihrem General nach Rom citirt ; jene beiden
leisteten aber keine Folge unter dem Vorgeben, der König habe
ihnen die Erlaubniss zur Reise verweigert. Auf einer Versammlung
von 53 Bischöfen und Geistlichen zu Dublin im J. 1666 wurde
nicht, wie Walsh beantragte, die Remonstranz gutgeheissen, aber
eine Erklärung, welche sich an die ersten drei der sechs Artikel
der Sorbonne vom J. 1GG3 (§ 58) anachloss: der Papst habe in
weltlichen Dingen keine Autorität über den König; dieser sei nur
von Gott abhängig; niemand könne von der Pflicht des Gehorsams
1) Butler 2, 396. 403. 446. Aiazzi p. 315. 324. 377. 424.
P. Walsh. R. Caroü. 8S7
gegen den König entbinden. Die Erklärung 'wurde aber von dem
Yicekönig Herzog von Ormond nicht als genügend anerkannt. Diese
Versammlung verdammte ancli auf Walshs Antrag eine Disputatio
apologetica de jure regni Hiberniae pro catholicis Hibernis adv.
haereticos Anglos, die 1H47 angeblich zu Frankfurt superiorum per-
missu, wahrscheinlich in Portugal gedruckt war und einen dort an-
sässigen irischen Jesuiten Const. O'Mahony zum Verfasser hatte:
sie behauptet, der König von England habe, weil er ein Ketzer
geworden und die von Hadrian IV. gesetzten Bedingungen nicht
gehalten, jedes Recht auf Irland verloren, und fordert die Iren auf,
einen einheimischen König zu wählen (Aiazzi p. 256). Auch eine
1658 erschienene ähnliche Schrift des Capuciners Richard Ferral
wurde verdammt (Butler 3, 427).
Walsh veröffentlichte 1674 The history and vindication of the
Loyal Formulary or Irish Remonstrance, so graciously received by
His Majesty anno 1661, against all calumnies and censures. In seve-
ral Treatises, with a true account and füll discussion of the delusory
Irish Remonstrance and other papers framed and insisted on by
the National Congregation at Dublin a. 166G and presented to His
Majesty^s then Lord Lieutenant of that Kingdom, the Duke of Or-
mond, but rejected by his Grace etc., The Author Peter Walsh of
khe Order of St Francis . . . printed a. 1674,* c. 1000 S. Fol.i);
sein Freund Caron hatte schon 1665 herausgegeben Remonstrantia
Hibernorum contra Lovanienses ultramontanasque censuras de in-
ßommutabili regum imperio subditorumque üdelitate et obedientia in-
iispensabili ex ss. scripturis, patribus, theologis etc. vindicata. Cum
inplici Appendice, una de libertatibus gallicanis, altera contra in-
rallibilitatem Pontificis Rom. Authore R. P. F. R. Caron, Theologo
3merito (abgedr. in Traitez des droits et lib. de TEgl. gall., 1731,
[I, 2). Beide Schriften stehen nicht im Index, obschon die latei-
lische eine der bemerkenswerthesten Bekämpfungen der Römischen
Anschauungen ist. Dagegen wurde 1690 verboten: Causa Vale-
liana, epistolis ternis praelibata: in antecessum fusioris Apolog^ae.
1) P. 524 ist ein Brief des bekannten Dr. Sorb. H. Holden vom 2.
Ipr. 1648 abgedruckt, worin es heisst: Die Decrete der Rom. Congregationen
Verden in Frankreich nicht anerkannt. Selbst diejenigen, welche vor
»einer Heiligkeit den pflichtschuldigsten Respect haben, Welt- und Ordens-
geistliche, sprechen es oAcn aus. die Cabaleu und Interessen der Römischen
/urie seien jetzt so allgemein bekannt, dass man von den Decreten ihrer
k>ngregationen ausserhalb des Kirchenstaates kaum Notiz nehme . . .
'oder, der in Rom Geschäfte besorgt hat, kann Ihnen sagen, dass diese
yongregations- Decrete in der Regel von einigen Cardin älen und Prälaten
gemacht werden, die, um bescheiden zu reden, nicht viel davon wissen,
lach welchen Gründen und Principien die abstrusen dogmatischen Fragen
:u entscheiden sind . . . Ich möchte gern mit meinem Blute die Ueber-
;eugung aller erfahrenen Männer auslöschen, dass bei der Römischen Curie
lichts als Interesse und Parteiwesen herrscht. Man kann jetzt von jedem,
1er den Lauf der Dinge der Welt versteht, hören, dass sie dort nur ihre
eigenen Zwecke, nicht das allgemeine Beste im .Auge haben.
Beuch, Index II. 22
838 Der englische Treueid.
Quibas accesserunt appendicefi duae, una instrumentorum, altera de
Gregorio VIT. et in fine additamentum de Carono. Aathore F. Petro
Valesio, Ord. S. Franc, strictae observ. S. Tb. Prof. Lond. 1684,
8. (A. E. 1685, 270). — Walsh wurde 1677 von seinen Ordens-
oberen, weil er Citationen nach Belgien, angeblich wegen der eng-
lischen Gesetze, nicht Folge leistete, excommunicirt. Er starb 1688,
nachdem er vor Zeugen die Erklärung unterschrieben, dass er alle
seine Schriften dem Urtheile des Papstes unterwerfe und alles, was
darin beanstandet werde, zurücknehme und, wenn er am Leben
bleibe, so weit es nöthig sei, in neueu Schriften retractiren wolle
(Butler 3, 444).
„Die irische Remonstranz wurde verdammt, die Theologen,
die sie entworfen, Walsh, Caron und Coppinger [redigirt ist sie
nach Butler 3, 419 von K. Belling], wurden verfolgt und censurirt.
So war das Loos Irlands für Jahrhunderte besiegelt. Dieses Er-
gebniss war den Cromweirschen Soldaten und den englischen und
schottischen Abenteurern, welche durch Krieg und Confiscation zu
Besitz gelangt waren, willkommen. König Carl bestätigte ihr Eigen-
thumsrecht und die Unterdrückung des katholischen Cultns. Der
katholische Adel in Irland fiel, der ganze Grundbesitz kam in pro-
testantische Hände und die Masse der katholischen Bevölkerung
wurde zu einem unwissenden und barbarischen Proletariat. Aber das
Recht des Papstes, Könige abzusetzen, Eide zu annulliren und zur
Rebellion aufzufordern, wurde intact erhalten" (DöUinger 1. c. p. 118).
Von Caron steht nur ein Buch im Index, welches mit dieser
Controverse nicht zusammenhängt: Apostolatns evangelicus Missio-
nariorum regularium per Universum mundum cum obligatione pasto-
rum quoad manutenentiam evangelii, regulis actionum humanamm
et methodo conferendi cum haereticis quibuscunque et infidelibus.
Expositus per R. P. Raymundnm Caron um Hibernum, 0. Min.
Theol. emeritum, Antw. 1C53, 8., mit d. c. verb. 1662. Es ist eine
Pastoraltheologie für die in vorwiegend protestantischen Ländern als
Missionare wirkenden Ordensgeistlichen. Wahrscheinlich ist in den
Erörterungen über die denselben zustehenden Rechte, Facultäten und
Privilegien einiges enthalten, was das Verbot veranlasst hat. Das
Buch wird von 0. Mejer, Die Propaganda I, 194 und oft citirt ^).
Im J. 1680 gaben 60 Doctoren der Sorbonne ein Gutachten
ab, dass die englischen Katholiken einen mit dem Treueide Jacobs
gleichlautenden Eid salva fide et tuta conscientia schwören könnten
(Arg. III a 139). Eine Schrift darüber: English I^yalty vindicated
by the French Divines, or a Declaration of threescore Doctors of
Sorbone for the Oath of Allegiance, done in English by W. H.
Lond. 1681, wurde 1682 von der Inq. verb., gleichzeitig: The Ga-
techist catechiz'd, or Loyalty asserted in vindication of the Oath oF*
Allegiance against a new Catechisme set forth by a Father of the -
1) Walshs und Carons andere Schriften sind bei Lowndes ver-
zeichnet.
Spätere Schriften. 3JJ9
Society of Jesus, by Adolphiis Brontius, a Roman Catholick, 1681,
nach Dodd 3, 481 von Edward Gary, einem frühem Offizier, der nnter
Jacob II. Chaplain general der Armee für die Katholiken war, f 1711.
— BoRsuet (Defensio 4, 23, Oeuvres 32, 95. 102) sagt. Römische
Bücherverbote wie das von 1682 hätten in Frankreich Ecclesiae gal-
licanae vetere atque inolito jure keine Geltung; er sehe aber nicht
ein, warum den Engländern nicht gestattet sei, das offen auszusprechen,
quod nos Franci publice summa omnium ordinum consensione profi-
temur. Caron (Remonstr. p. 8) erzählt, was, wenn nicht wahr, sehr
gut erfunden ist, Cardinal Barberini habe einem ihm befreundeten
Schotten auf die Frage, warum den Engländern und Iren nicht das-
selbe gestattet werde wie den Franzosen, geantwortet: die Franzosen
pflegten über solche Dinge bei den Römern nicht anzufragen.
Auffallend ist es, dass ein Schriftchen, welches zuerst 1680
erschien und seitdem 30 — 40 mal gedruckt wurde (vor 1684 6 mal,
dann wiederholt als Anhang zu Gothers A Papist misrepresented
and represented u. s.; Butler 3, 493), nicht verboten ist. Es heisst
Roman-Catholic Principles in reference to God and the King, und
enthält die Sätze: „Wenn ein allgemeines Concil und vollends wenn
ein päpstliches Consistoriuni sich anmassen sollte, einen König ab-
zusetzen oder seine Unterthanen von ihrer Treue zu entbinden, so
könnte kein Katholik verpflichtet sein, sich einem solchen Decrete
zu unterwerfen. Daher können die Unterthanen des Königs von
England ohne Verletzung irgend eines katholischen Grundsatzes eid-
lich die Lehre, dass die wegen Haeresie excommunicirten Könige ab-
l^e^etzt werden könnten, als gottlos und verdammlich verwerfen . . .
JDie Katholiken als Katholiken glauben nicht, dass der Papst irgend
eine directe oder indirecte Autorität über die weltliche Gewalt und
«Jurisdiction der Fürsten habe. Sollte aber der Papst die Unter-
t;hanen des Königs wegen Haeresie oder Schisma von ihrer Unter-
"thanenpflicht entbinden oder dispensiren, so würde eine solche Dis-
pensation null und nichtig sein** (auch den Satz: „Es ist kein
daubenssatz, dass der Papst für sich, getrennt von der Kirche,
fcei der Darlegung des Glaubens unfehlbar sei; darum verpflichten
J)äp8tliche Definitionen oder Decrete, in welcher Form sie auch er-
lassen sein mögen, ohne ein allgemeines Concil oder Annahme durch
c3ie ganze Kirche niemand bei Strafe der Haeresie zu innerer Zu-
•^timmung").
Im J. 1717 wurde im Namen von englischen Katholiken in
JKom angefragt, ob folgender Eid geleistet werden dürfe: Ich schwöre,
^ass ich dem König Georg gehorsam sein, in keiner Weise den
frieden und die Ruhe des Reiches stören und niemand direct oder
i ndirect gegen die jetzige Regierung beistehen will, und ich erkläre,
c^ass ich nie von einer päpstlichen Dispensation von diesem Eide
ebrauch machen werde. In dem von Laemmer, Mel. S. 258 mit-
etheilten Protocolle einer Sitzung der Inq. Fer. V. 11. Mai 1719
^neisst es: Sanctissimus auditis votis Eminentissimorum dixit, nihil
liud esse respondendum quam quod consulant theologos, und der
apst werde sich bei den katholischen Fürsten dafür verwenden.
340 Der englische Treueid.
dass sie durch ihre GeBandten die englischen Katholiken gegen Be-
drückungen des Parlaments unterstützten und die Kapellen in ihren
Gesandtschaftsgebäuden den Katholiken zugänglich machten.
6. Als es sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts um eine
Milderung der englischen Strafgesetze gegen die Katholiken handelte,
erklärten auf eine Anfrage Pitts im J. 1760 die theologischen Fa-
cultäten zu Paris, Löwen, Douay, Yalladolid, Salamanca und Alcala:
der Papst habe keine weltliche Gewalt in England und könne die
Unterthanen nicht von dem Treueide entbinden und es sei keinem
Katholiken gestattet, Personen andern Glaubens das Wort nicht zu
halten (Butler 1, 439), und die englischen Bischöfe erklärten einen
Eid für zulässig, worin es heisst: „Ich erkläre, dass es kein Artikel
meines Glaubens ist und dass ich verwerfe und abschwöre die Mei-
nung, excommunicirte Fürsten könnten abgesetzt und ermordet werden,
und dass ich nicht glaube, der Römische Papst . . . habe oder sollte
haben irgendwelche zeitliche oder bürgerliche Jurisdiction, Gewalt,.
Saperiorität oder Praeeminenz, direct oder indirect, innerhalb diese»
Reiches" (Butler, 3, 295). In Rom fragte man nicht an, wie Chal-
loner sagt, weil der Eid etwas enthalte, was Rom, wenn man vor-
her frage, wahrscheinlich missbilligen, nach dem fait accompli aber*
toleriren werde ^).
Bei der parlamentarischen Untersuchung über das Seminar za
Maynooth im J. 1853 erklärten die dortigen Professoren RusselU
Patrick Murray u. a.: Wir lehren, der Papst habe keine direct^
oder indirecte Gewalt in weltlichen Dingen. Die entgegengesetzte
Lehre darf als fast verschollen (almost obsolete) angesehen werden^
die einzigen neueren Schriftsteller, welche sie wieder in Aufnahme
zu bringen versucht haben, sind Dr. Brownson und La Mennais^)^
und Murray sagte : unter Pius VI. sei unter dem Titel The present^
State of the Church of Ireland eine Schrift eines anglicaniscben.
Bischofs erschienen, in welcher gehässige Bemerkungen über die
Formel Haereticos persequar et impugnabo in dem bischöflichen Eide
vorkämen; die vier irischen Erzbischöfe hätten sich nach Rom ge-
wendet und in einem Rescript des Präfecten der Propaganda sei
darauf geantwortet worden, diese Worte seien wegzulassen, und: der^
h. Stuhl habe nie gelehrt, dass man den Ketzern nicht Wort zu
halten brauche, dass der akatholischen Fürsten geleistete Eid ver-
letzt werden oder dass der Papst in deren weltliche Rechte und
Besitzungen eingreifen dürfe.
7. Mit dem Treueide hängt, so auffallend es klingt, zusammen,
dass 1621 mit d. c. verboten wurde Thomae Dempsteri de anti-
quitate Romanorum, d. i., wie erst seit Ben. im Index steht: Anti-
1) Home and P'or. Rev. 2, 534. Gladstone, Vaticanismus, NördL 1875
S. 87.
2) Maynooth Commission. Report of H. M.'s Commissioners appoin
ted to inquire into the management and government of the College o
Maynooth. Part II. Presented to both Houses of Parliament, Dublin 1866
Fol., p. 11. 16. 23. 31 u. s. w. Die Angabe von Murray p. 872.
Politische Doctrinen der Jesuiten. 341
[uitatum Komanarnm corpus absolutissimum, in quo praeter ea, quae
0. Rosinus delineaverat, infinita supplentur, mutantur, adduntur a
li. Dempstero aMurcesk JC. Scoto, Col. Allobrogum 1613, 4. (das
Juch von Jo. Kosinus war schon 1583 erschienen). Bei Sot. p. 647
werden wenigstens nur eine Stelle in der Dedication an Jacob I.,
Zeilen in dem Buche selbst, in denen von dem Treueide die Rede
8t, and im Register die Worte Juramentum fidelitatis praestitum
tc. gestrichen. Ausserdem verordnet Sot. Jo. Rosinus und Th.
)empster als Auetores damnati ^u bezeichnen. — Eine andere Schrift
'on Dempster ist aus einem ganz andern Grunde verb. worden. Er
latte 1619 zu Bologna, mit einer Widmung an Paul V. eine Sco-
orum scriptorum nomenclatura drucken lassen, worin er 274 Heilige,
S Päpste, 9 Cardinäle u. s. w. aus Schottland verzeichnet; in dem
622 gedruckten Apparatus in bist. Scoticam zählt er 679 Heilige,
!1 Selige u. s. w., 1603 Schriftsteller, darunter viele, die in Wirk-
ichkeit Irländer, Engländer oder anderer Nationalität gewesen oder
iberhaupt nicht existirt haben (Baillet 2, 161). Gegen die Annexion
on Irländern wurde protestirt in einem Anhange zu BrigidaThau-
natorga. Dissertatio . . . habita in Collegio Hibernorum, Paris 1620,
velcher überschrieben ist De scriptorum Scotorum nomencl. a Th.
D. edita praecidaneum. Dagegen schrieb Dempster Scotia illustrior
1. mendicabula repressa modesta parecbasi Th. Dempsteri . . . qua
ibelli famosi impudentia detegitur . . ., Lugd. (1620), 82 S. 8.,
vorauf der Irländer replicirte mit: Hiberniae sive antiquioris Scotiae
indiciae adv. immodestam parecbasim Th. Dempsteri, in quibus...
nnumerae ipsius imposturae et mendacia reteguntur atque ipse levi
»enicillo depingitur, ut intelligat, quod qui quae vult dielt, quae non
ult audit, auctore G. F. veridico Hiberno, Antw. 1621, 121 S. 8.
üs ist schwer zu sagen, in welcher der beiden Schriften der Gegner
chlechter behandelt wird; beide wurden 1623 verb. (Nie. 28, 316).
[4. Die Censarirnng der politischen Doctrinen der
Jesaiten in Frankreich, 1610 — 1625.
In Paris wurde 1610 das bekannte Buch von Mariana,
irorin auf Grund der Lehre von der Volkssouveränetät die Er-
lubtheit des Tyrannenraordes behauptet wird, auf Befehl des
Parlamentes verbrannt. In der nächstfolgenden Zeit verboten
as Parlament und die Sorbonne mehrere Schriften von Jesuiten,
(ellarniin, Suarez,Santarelli u. a.^ in welchen das Recht des Papstes,
'^tlrsten abzusetzen, vcrtheidigt wurde. Paul V. war über dieses
loTgehen sehr ungehalten, verstand sich aber dazu, im J. 1613
342 Politische Doctrinen der Jesuiten.
ein Buch von Becanus, um dessen Verdammung in Paris zu
verhindern, durch die Index-Congregation mit d. c. verbieten
zu lassen. Dieses Decret ist aber in keine der seit 1624 ver-
anstalteten Sammlungen und Becanus' Buch in keinen Index
aufgenommen, das Decret also, nachdem es in Paris seine Dienste
gethan, cassirt worden. So erinnert an die damaligen Verhand-
lungen im Index nur das Verbot des Anti-Coton, einer 1610
erschienenen Streitschrift gegen den Jesuiten Coton, der seine
Ordensgenossen nach der Verdammung des Buches von Mariana
zu vertheidigeu versucht hatte ^). — Noch unter Clemens VIII.
wurde 1603 ein Buch des Italieners Carerius verboten, weil
darin die Lehre Bellarmins von der bloss indirecten Gewalt
des Papstes in weltlichen Dingen bekämpft wurde, wie denn
ja auch von Clemens VIII. das von Sixtus V. wegen dieser Lehre
verbotene Buch Bellarmins freigegeben worden war (I S. 503).
1. Im J. 1599 erschien zu Toledo das Buch des Jesuiten Joh.
Mariana De rege et regia institutione, 1591 auf Ersuchen Garcia*
de LoayBa's, des Lehrers des Sohnes Philipps II., des spätem König»
Philipp III., für diesen geschrieben. Mariana spricht nicht von deuL
Eechte des Papstes, aber von dem Rechte des Volkes, Könige ab—
zusetzen, ein Recht, welches damals auch von Bodin, Buchanan»
dem Verfasser der Vindiciae u. a. vertheidigt wurde (Huber, Der^
Jesuiten-Orden S. 246). Der Jesuit Prat berichtet (3, 246), Pater^
Eicheome habe das Buch gleich 1599 dem General Aquaviva de-
nuncirt, und dieser habe befohlen, dasselbe zu corrigiren; sech^
Jahre später hätten die Vertreter der Pariser Ordensprovinz die
Censur Richeome's wiederholt und Aquaviva habe sie dafür belobt-
und sein Bedauern darüber ausgesprochen, dass das Buch der Wach-
samkeit der Oberen entgangen sei. Die liiOo zu Mainz cum privi-
legio S. C. M. et perraissii superiorum erschienene Ausgabe^), be-
hauptet Prat, sei von Protestanten veranstaltet worden. Erst durch
diese Ausgabe wurde das Buch in Frankreich bekannt, wo man
natürlich besonders daran Anstoss nahm, dass Jacques Clement, der
Mörder Heinrichs III., darin als aeternum Galliae decus gefeiert
wurde. Am 27. Mai 1610, dem Tage der Hinrichtung Ravaillacs,
des Mörders Heinrichs IV., beschloss das Pariser Parlament, die Sor-
bonne anzuweisen, baldigst ihr am 13. Dec. 1413 gefasstes, von dem
Constanzer Concil bestätigtes Decret über die Lehre vom Tyrannen-
1) F. J. Perrens, L'ejjlise et Tetat sous lo regne de Henri IV. e
la regcnco de Marie de Medicis, Paris 1872, 2 vol. — J. M. Prat, Re
cherches bist, et crit. sur la Corapagnie de Jesus eu France du temps d
P. Coton 1564—1626, Lyon 1676, 4 vol.
2) Stieve, Briefe und Acten 5, 916.
J. Mariana. S48
jrde zu erneuern. In der Sitzung der Sorbonne vom 4. Juni ver-
ebte der Bischof Antoine Rose von Clermont auf Betreiben des
incius Ubaldini, des Bischofs Henri de Gondi von Paris und der
suiten unter der Hand die Mitglieder zu bestimmen, sich an den
Stuhl zu wenden; die Facultät fasste indess den fraglichen Be-
blass, und am 8. Juni verordnete das Parlament, dieses Decret
r Sorbonne solle fortan alljährlich am 4. Juni in einer Sitzung
r Facultät verlesen und am ersten Sonntage in allen Kirchen von
iris publicirt werden, ferner: das Buch von Mariana solle, als
jhrere abscheuliche Blasphemieen gegen Heiniich III. und die
Irsten und andere dem Decrete der Sorbonne widersprechende Sätze
thaltend, vom Henker verbrannt werden und es solle bei Strafe
8 Hochverraths verboten sein, Bücher, die dem Decrete der Fa-
Ität widersprächen, zu veröffentlichen (Arg. IIb 9. Jourdain p. 54 ;
eces justif. No. 31). — Paul V. äusserte im Juli 1610 dem
inzösischen Gesandten de Breves gegenüber: er könne Bücher
e das von Mar. nur tadeln; sie verdienten verbrannt und die
Erfasser bestraft zu werden ; es wäre aber richtiger gewesen, wenn
8 Buch auf Befehl des Bischofs von Paris oder der französischen
.rdinäle verbrannt worden wäre, und es sei nicht in der Ordnung,
88 das Parlament die Pfarrer zwingen wolle, sein Decret zu
bliciren ^).
In den Index kam Mariana's Buch De rege nicht (auch nicht
den span. Index); aber schon 1609 wurden seine Tractatus Septem,
d. 1609, verb. (sie stehen seit Ben. nicht mehr im Index), wie
irpi (Opcre 6, 12) angibt, unter dem Vorwande, dass darin de
xiliis gehandelt werde, in Wirklichkeit aber, weil er die An-
isenheit des h. Jacobus in Spanien gegen Baronius vertheidige,
Q Kömische Curie dessen Annaleu aber als ein Evangelium an-
he, wie denn die Inquisition alle ihre Beamten in Italien ange-
lesen habe, darauf zu achten, dass nichts gegen Baronius geschrieben
5rde. In Spanien wurde Mar. wegen des Tractatus de monetae
itatione (Klage über A^eränderungen im Münzwesen in Spanien)
1 Jahr in Haft gehalten ; diesen Tractat verbietet Sand., donec ab
io auctore correctus denuo excudatur; Sot. verordnet: totus ex-
ngatur (Mariana, der 1624, 87 Jahre alt, gestorben, hatte also
n Tractat nicht corrigirt). Ausserdem werden im span. Index einige
eilen in den Tractaten de adventu S. Jacobi, pro editione Vul-
ta (I S 574) und de morte et immortalitate gestrichen. — XJeber
mana's Schrift über die Jesuiten s. S. 281.
2. In Folge der Angriffe, die das Buch Mariana*8 den Jesuiten
zog, erliess 6. Juli 1610 Aquaviva ein Decret, worin er unter
idrohung der Excommunication u. s. w. befiehlt, fortan solle kein
suit öffentlich oder privatim, noch weniger in einem Buche be-
upten, es sei irgend jemand erlaubt, unter dem Vorwande der Ty-
nnei Könige oder Fürsten zu tödten u. s. w., damit man sehe.
1) Nütices et extraits de la Bibl. du Roy 7 B, 331. Prat 3, 248.
344 Politische Doctrinen der Jesuit-en.
welches in dieser Beziehung die Ansicht der Gesellschaft sei, und
damit nicht der Irrthuni eines Einzelnen die ganze Gesellschaft ver-
dächtig mache (Prat 3, 560. Jourdain p. 57). P. Coton aher, früher
Beichtvater Heinrichs IV., veröffentlichte im Juli ItilO eine Lettre
declaratoire de la doctrine des Peres J^suites confonne aux d^crets
du Goncile de Constance, adress^e ä In Reyne niöre du Roy, Regente
en France, worin er mehrere Jesuiten citirt, die den Tyrannenmord
misshilligt, und behauptet, die Jesuiten entfernten sich in diesem
Punkte ebensowenig wie in anderen von der Lehre der Kirche. Eine
angebliche Requete de rUniversite k la Reine Regente mit scharfen
Angriffen gegen die Jesuiten und den Papst, die im Sept. 1610 in
Paris verbreitet wurde, wurde durch einen Anschlag des Rectors
desavouirt (Joui'dain, P. just. No. 34). Noch im J. 1610 erschien
L*Anticoton ou r^futation de la Lettre decl. du P. Coton, livre oh
il est prouv£ que les Jesuites sont coupables et autheurs du parri-
cide ex^crable commis en la personne du Roy Henry IV. dlienreuse
memoire, s. 1. 1610, 72 S., vielfach dem protestantischen Theologen
Pierre du Moulin zugeschrieben, wahrscheinlich von dem Advocaten
Cesar de Plaix zu Orleans (Perrens 1, 443. Clement 1, 366. Baillet
6, 37). Im Frühjahr verhandelte die Sorbonne über eine von Coton
oder einem andern Jesuiten herausgegebene Reponse apologetique
h l'Anticoton (Prat 3, 29t>), worin gesagt war, Ravaillac habe nicht
nach Mariana's Lehre gehandelt: dieser sage, kein Privatmann dürfe
einen rechtmässigen Fürsten tödten, und lehre in dieser Hinsicht
nichts, was nicht mit der Lehre der Facultät übereinstimme. Die
Facultät censurirte die Schrift nicht, missbilligte aber jene Behaup-
tung und erklärte, Mariana*s Lehre stimme nicht mit der ihrigen
überein; sie ertheilte auch den vier Doctoren, welche die Schrift
approbirt hatten, einen Verweis. Diese appellirten an den Staats-
rath und verlangten, dass die Sache dem Bischof von Paris und
anderen Bischöfen vorgelegt werde. Der Staatsrath war geneigt,
darauf einzugehen ; da überreichte eine Deputation. £. Richer an
der Spitze, der Königin zur Vertheidigung der Facultät 14 Sätze
aus Mariana's Buch. Darauf wurde die Sache fallen gelassen^). —
Obschon der Nuncius Ubaldini schon 1610 über den Anticoton als
ein höchst verderbliches Schriftchen berichtete (Laemmer, Melet.
p. 291 ), wurde erst 1621 eine zu Venedig erschienene Uebersetzung
verb.: L'Anticotone (seit Ben. ist beigefügt: ovvero confntazione
della lettera dedicatoria [so noch heute statt declaratoria] del P.
Cotone).
1) Jourdain p. 62. Arg. II b 37. Censura s. Fac. theol. Paris, contra
doctrinam de regum parricidiis, quae continetur in libro cui tit. : Responsio
ad Anticotonem. Item analysis s. tractatus super praecedentem censuram
a quibusd. ejusd. s. Fac. theol. Paris., 1612, 14 S. Baumg. 3, 526. Der
von Prosper Marchand besorgten Ausgrabe der Schrift von H. Rasiel de
Silva (s. u.) ist beigefügt: Anti-Cotton. Nouv. cd. augmentee de quelques
remarques et precedee dune dissert. bist, et crit. sur ce fameux ouvrage.
llaye 1738.* 150 S. 12.
Anticoton. Bellarmin. Lessius. 845
3. Am 26. Nov. 1610 verbot das Pariser Parlament auf Grund
Ines ausführlichen Vortrags des königlichen Advocaten Louis Servin
ei Strafe des Hochverraths, Bellarmins Tractat gegen Barclay
i. 332) zu besitzen oder zu verbreiten, zu drucken oder feilzubieten;
'er ein Exemplar besitze, habe es an den Generalprocurator abzu-
efern; kein Professor dürfe die Lehre des Buches vortragen^).
>er Nuncius Ubaldini beschwerte sich bei der Königin über dieses
.rret, welches voll temeritä e bugie sei, die Lehre der Kirche
I unwürdigen Ausdrücken angreife und einen verdienstvollen Car-
inal beleidige; er könne nicht in Paris bleiben, wenn sie nicht
rkläre, dass das Parlament gegen ihren Willen gehandelt habe.
>ie Königin suspendirte die Publication und stellte den Präsidenten
e Harlaj zur Rede. Dieser vertheidigte das Parlament sehr ener-
isch und sagte u. a.: wenn jemand zu Lebzeiten Heinrichs IV.
in solches Buch nach Frankreich gebracht hätte, so würde dieser
en Betreffenden gezüchtigt und den Autor selbst von Kom haben
den lassen, und Seine Heiligkeit nicht gewagt haben dieses zu
indem (Arg. II b 35). Paul V. belobte die Königin für das, was
ie gegen das verwegene Attentat des Parlaments gethan, erklärte
ber, das genüge nicht (Laemmer p. 294. 298). — Als Lessius
sine Defensio potestatis Summi Pontif. adv. libros Eegis M. Bri-
inniae, Guil. Barclaii et G. Blacuelli in Flandern veröffentlichen
rollte, erklärte der Parlamente-Präsident Verdun dem Nuncius und
en Pariser Jesuiten, die Veröffentlichung müsse wenigstens ver-
shoben werden, bis die Aufregung über Bellarmins Buch sich
elegt habe. Der Nuncius schrieb nach Rom, der Jesuiten- General
löge die Veröffentlichung verzögern. Das Buch erschien aber
leich (Saragossa 1611) und wurde darauf in Frankreich verboten,
.uch das Verbot des £xamen praefationis monitoriae Jacobi I. von
em Augustiner Leonard Coqueau, Strassb. 1610, wurde im Par-
iment beantragt, unterblieb aber auf Betreiben des Nuncius (Prat
, 387. Perrens 2, 24. 26).
Im Dec. 1612 nahm die Sorbonne das Buch des Jesuiten Martin
ecauus (van der Beeck) Controversia anglicana de potestate regia
; pontificis contra Lancelottum Andream sacellanum Regis Angliae
II se episcopum Eliensem voeat, pro defensione 111, Card. Bellar-
ini, Mainz 1612*, 195 8. 8., in Untersuchung und notirte daraus
a. folgende Stellen: „Die Frage, ob der Papst, welcher Kaiser
id Könige excommuniciren kann, sie auch absetzen könne, wird
>n katholischen Autoren mit Recht bejaht. Der Hohepriester Jojada
it kraft seiner hohenpriesterlichen Gewalt die Königin Athalia
lerst als Königin abgesetzt, dann als Privatperson tödten lassen,
ieselbe Gewalt und Jurisdiction, welche der Hohepriester im Alten
1) Abge«lr. Arg. IIb 19, auch besonders gedruckt (mit Beilagen):
eraonstrancc et conclusion des getis du Roy et arrest de la Cour du
arlaroent du 2H. Nov. 1610 sur le iivre Tractatus etc., 1620, 143 S., auch
iteinisch; Commonefactio etc., 1611 (abgedr. bei Goldast, Moa. 3, 762),
laumg. 3, 513. 530.
846 Politische Doctrinen der Jesuiten.
Bunde hatte, hat der Papst im Neuen; jener hatte die Gewalt,
Könige abzusetzen, wenn sie es verdienten ; also hat auch der Papst
diese Gewalt . . . Könige und Fürsten, welche die vom Papste
Klöstern bewilligten Privilegien verletzen, sind zu excommuniciren
und ihrer Ehre und Würde zu berauben . . . Wenn der Papst
unverbesserliche Könige absetzt, so thut er dieses von Amts wegen,
also auch von Eechts wegen; denn er ist der allgemeine Hirt der
Kirche, zu welchem Christus gesagt hat ; Weide meine Schafe u. s. w.
. . . Der Papst ist der von Christus gesetzte Hirt der ganzen
Kirche. Zu den Hunden dieses Hirten gehören auch die Kaiser and
Könige; lässige und faule Hunde aber sind alsbald von dem Hirten
zu beseitigen. . . . Die Absetzung der Könige kann auf verschiedene
Weise vorgenommen werden; gewöhnlich erfolgt sie in der Weise,
dass der Papst die Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams ent-
bindet oder von dem Bande der Unterwerfung löst, durch welches
sie mit ihrem Könige verbunden sind, wozu ihn Christus ermächtigt
hat durch die Worte: Was du auf Erden lösen wirst, soll auch im
Himmel gelöst sein" (Arg. IIb 64). Selbst P. Prat (3, 388), gibt
zu : „Wie es gewöhnlich geschieht, wenn man eine Sache mit Wärme
behandelt, übertrieb Becanus bezüglich der Autorität des Papstes
ein wenig [1] die Consequenzen der Grundsätze des h. Thomas, und
wiewohl andere Theologen vor ihm eine noch strengere Anwen-
dung von denselben gemacht und die Grenzen der päpstlichen Ge-
walt ebenso weit gesteckt hatten wie er, erschienen doch einige
seiner Behauptungen als übertrieben zu einer Zeit, in welcher man,
weit entfernt, dem Papste das Recht, Könige zu excommuniciren
[abzusetzen ?], zuzuerkennen, ihm kaum das Recht zuerkannte, seine
geistliche Jurisdiction über sie auszuüben." Der Nuncius Ubaldini
war klug genug, einzusehen, dass solche Bücher den von ihm eifrig
protegirten Jesuiten gefährlich werden könnten. Er schrieb daher
22. Nov. 1(512 an den Cardinal Borghese: „Da ich sehe, wie sehr
solche Bücher der Gesellschaft schaden, halte ich es für angezeigt,
dass der General allen Provinzialen seines Ordens befehle, die Ver-
öffentlichung keines Buches über den Tyrannenmord und die Rechte
des Volkes auch gegen rechtmässige Fürsten zu gestatten, falls
nicht der h. A^ater und Sie es für angemessener halten, dass, wenn
man Schriften über die indirecte Gewalt des Papstes [in weltlichen
Dingen] für nöthig hält, die Abfassung derselben Weltgeistlichen
an berühmten Universitäten oder Theologen aus anderen Orden auf-
getragen werde, um auf diese Weise den » Politikern »^ zu Paris
einen der gewöhnlichsten Vorwände zur Unterdrückung der Jesuiten
zu entziehen, die sie mit Unrecht anklagen, als hätten sie die wahre
und katholische Ansicht über diesen Punkt zuerst aufgebracht. Man
würde dann sehen, dass diese Lehre, wie sie so viele alte Schrift-
steller aus allen Nationen vorgetragen haben, so auch jetzt die von
allen Orden und Universitäten allgemein anerkannte ist" (Prat 3,
389 J. Gleichzeitig erwirkte der Nuncius von der Königin eine
Ordre, welche dem Parlamente und der Sorbonne verbot, sich mit
dem Buche von Becanus zu befassen. Das Parlament gehorchte,
M. Becanus. 847 *
in der Sorbonne aber las 1. Dec. 1612 und 2. Jan. 1613 Dr. Nie.
de Paris die oben mitgetbeilten und andere Sätze aus dem Bucbe
vor und beantragte die Verdammung desBelben, und als der Syndicus
Dr. Filesac, der ultramontan gesinnte Nachfolger E. Richers, die
Ordre der Königin mittheilte, beschloss die Facultät, durch eine
Deputation bei ihr dagegen Vorstellungen zu machen. Da sich
auch der Prinz von Conde sehr scharf gegen das Buch aussprach,
wäre es vielleicht gelungen, die Verdammung desselben durch die
Sorbonne durchzusetzen. Der Nuncius schrieb noch 29. Jan. 1613
an den Card. Borghese: „Ich weiss ganz sicher, dass die Eicheristen
und Politiker, von ihrer Gottlosigkeit getrieben, diese Gelegenheit
benutzen wollen, um die Sorbonne zu einer Verdammung der Lehre
des Card. Bellarmin von der indirecten Gewalt des Papstes über
die weltlichen Fürsten zu veranlassen." Da meldete eine Depesche
des Gesandten de Breves vom 6. Jan. 1613, das Buch des Becanus
sei auf Befehl des Papstes in den Index gesetzt worden. „In der
That hatte Paul V., so erzählt Prat (3, 392), der wie sein Vertreter
in Paris über die Verfolgungen, mit welchen die Richeristen und
Politiker aus Anlass des Buches drohten, und über das Capital,
welches sie daraus zu Ungunsten der päpstlichen Gewalt schlagen
wollten, erschrocken war, es für das beste Mittel, diese perfiden
Pläne zu durchkreuzen, gehalten, selbst das Buch der Index-Congr.
zu überweisen. Die bestreitbaren oder übertriebenen Behauptungen
von Becanus benutzend, verbot diese das Buch; aber um zu zeigen,
dass das Verbot nicht dem ganzen Complexe der Lehre des Buches
gelte und nicht gegen die Person des Verfassers gerichtet sei, fügte
sie die Formel d. c. bei, welche sie anzuwenden pflegt, wenn sie
im Interesse der Wahrheit einige Sätze eines sonst gut gesinnten,
rechtgläubigen und der Kirche ergebenen Schriftstellers tadeln
HiUBS. . . . Die Pariser Jesuiten waren anfangs etwas bestürzt über
diese Massregel, w^urden aber bald durch den Nuncius und durch
einen Brief des Generals Aquaviva beruhigt, die ihnen begreiflich
machten, dass sie darin ein Zeichen des Wohlwollens des h. Vaters
zu erblicken hätten." Aquaviva missbilligte übrigens Becanus' Buch
in Briefen an P. Coton und den Provinzial Balthasard (Perrens 2,
211).
In Paris wollten manche anfangs nicht glauben, dass man in
Rom wirklich das Buch verboten habe; aber am 1. Febr. 1G13
wurde der Sorbonne eine von dem Nuncius am 30 Jan. vidirairte
Abschrift eines Decretes der Index-Congr. vom 3. Jan. 1618 mit-
getheilt, — die Sitzung hatte ausnahmsweise während der vom
25. Dec. bis 6. Jan. dauernden Weihnachtsferien stattgefunden (Sarpi
bei Le Bret, Mag. 4, 588), — worin es heisst: da in dem Buche
des Becanus einige falsche, verwegene, ärgernissgebende und auf-
rührerische Sätze vorkämen, habe P. Paul V. befohlen, dasselbe,
bis es verbessert werde, durchaus zu verbieten; demgemäss werde
es von den Cardinälen der Index-Congr. verboten und verordnet, es
in die 2. Classe des Index zu setzen, bis eine neue, gemäss den
Regeln des Index corrigirte Ausgabe gedruckt sei. — Nach der be-
'348 Politische Doctrinen der Jesuiten.
etebenden Praxis hatte Becanus die Aenderaogen, die er vornehmen
wollte, der Index-Congr. vorzulegen und diese zu entscheiden, ob
dieselben genügten (Alex. No. 54). Ob dieses geschehen, erhellt
nicht. Jedenfalls erschien schon wenige Wochen nach dem Verbote
eine Editio recognita et aucta, Mainz 1613*, mit der Approbation
des Provinzials Heinrich Scheren^). Ueber diese Ausgabe, be-
richtete der Generalprocurator Servin 3. April 1613, als es sich
um den Antrag auf ein Verbot der Annales ecclesiastici ex XII
tomis Caesaris Baronii . . in epitomen redacti opera Henr. Spondani
handelte, und wies durch die Anführung vieler Stellen nach, dass
die Aenderungen nur ganz unbedeutend seien. „Nun ist aber, fügte
er bei, entweder die Correction der Römischen Censur entsprechend
vorgenommen, und dann ist die 2. Ausgabe approbirt, oder die-
jenigen, welche die 2. Ausgabe besorgt, haben die Censnr nicht be-
achtet und sie illusorisch machen wollen.'^ Er beantragte, das
Parlament möge das Buch von Sponde und die beiden Ausgaben
von Becanus prüfen lassen und vorläufig verbieten (Arg. II b 73).
Der Kuncius brachte es aber durch die Vorstellung, da der Papst
die 1. Ausgabe verboten, müsse man seine Entscheidung über die
2. abwarten, dahin, dass dem Parlamente und der Sorbonne weitere
Discussionen über das Buch verboten wurden.
Wenn von einem mit d. c. verbotenen Buche eine Ausgabe
erscheint, die von der Index-Congr. als genügend corrigirt anerkannt
wird, so wird das in den Index-Ausgaben ausdrücklich gesagt
Demgemäss sollte auch das Buch von Becanus im Index stehen,
entweder mit d. c. oder, falls die 2. Ausgabe als genügend corrigirt
anerkannt worden, mit der Bemerkung, diese sei erlaubt, ähnlich
wie die Bücher von Sa, Inchofer, Pasqualigo u. a. Es steht aber
in allen Index-Ausgaben, die ich gesehen, das Buch von Becanus
überhaupt nicht (auch nicht in der Raccolta von 1624 und dem
Elenchus) und, was noch bemerkenswerther ist, in den seit 1642
1) Gontroversia ... et Regia, recognita et aucta. Contra Lanoellot-
tum . . . vocat. Ubi etiam defenditur 111. Card. Bellarminus . ., 272 S. 8.
An der Spitze steht die vom 29. März 1613 datirte Dedication: Paulo V.
P. M. Ante aliquot menses scripsi hunc librum euaique Franc. Sfortiae
Cardinali dedicavi (diese Dedication ist vom 12. Aug 1(>12). Eundem nunc
rocognitum et auctum sicut et caetera opuscula, quae hactenns contra
perduclles Eccle.<iac a me edita sunt, Tuo sisto tribunali ac judicio, ut a
te si quid bene scriptum approbctiir, si quid male corrigatur etc. Von
dem Verbote der 1. Auflage wird nichts gesagt. Namentlich im 4. Capitel
ist manches beigefügt. Das iu Paris besonders beanstandete 3. Cap. ist so g^t
wie ganz unverändert geblieben; wesrgelassen ist von den in Paris monirten
Sätzen: „Auf die Zustimmung des Volkes kommt so viel an, dass. wenn
auch ein gesetzlicher Thronerbe da wäre, doch, wenn das Volk einen an-
dern wählte, dieser der wahre König sein würde. Ein Beispiel haben wir
bei Roboani und Jeroboam." — Backer 1, 60 sagt von der I.Ausgabe nur:
Quelques endroits de cette edition deplurent en France et ä Rome meme.
In dem Artikel Becanus im K.-L. wird das Huch gar nicht erwähnt. —
1G4.H erschien zu Oppenheim: Summa actorum Facnltatis theol. Paris,
contra 1. inscr. Controversia anglicana etc. Vgl. Deutscher Merkur 1881,10.
A. Schulkenius. Fr. Suarez. 349
erschienenen Sammlungen der Decrete, auch in der bei Alex.,
steht das auf Becanus bezügliche Beeret vom 3. Jan. 1613 nicht
(Sarpi a. a. 0. S. 595 schreibt 26. März 1613, er habe das Decret
trotz aller Mühe nicht bekommen können). Man hat also augen-
scheinlich dieses Decret nur gemacht, um es in Paris vorzuzeigen
und dadurch die Verdammung des Buches durch die Sorbonne zu
hintertreiben, und um es dann, nachdem dieser Zweck erreicht war,
zu cassiren^j.
4. Dieselbe Lehre wie Becanus trug auch Caspar Scioppius in
dem Ecclesiasticus auctoritati Eegis Britanniae oppositus, Hartbergae
1611, vor (Forschungen zur d. Gesch. 11, 429. 474); ergriff darin
auch Heinrich IV. an. Das Buch wurde 1612 in Paris verbrannt
(Prat 3, 391), 1613 auch das Buch von Adolphus Schulkenius
(S. 333; Perrens 2, 208). — 1614 brachten die Pariser Buchhändler
von der Frankfurter Messe mit die Defensio fidei catholicae et apo-
stolicae adv. anglicanae sectae errores, cum responsione ad Apolo-
giam pro juramento fidelitatis, welche Franz Suarez im Auftrage
Pauls V. geschrieben und wofür dieser ihn in einem Breve vom
9. Sept. 1613 belobt hatte. Das Buch war zuerst zu Coimbra
1613, dann zu Köln 1614 in Folio gedruckt mit Approbationen
der beiden Jesuiten-Provinziale Joh. Alvarus und Heinrich Scheren
und mehrerer Bischöfe 2). Jacob I. drang bei Philipp III. und der
JRegentin Maria von Medici auf Unterdrückung desselben. Servin
motivirte im Parlament 20. Juni 1614 den Antrag auf Unter-
drückung des Buches und führte u. a. folgende Stellen daraus an :
„Der Papst hat den ungerechten und unverbesserlichen, namentlich
<ien schismatischen und hartnäckig ketzerischen Fürsten gegenüber
«ine solche Gewalt, dass er sie aus guten Gründen auch absetzen
kann . . . Wenn ein König in rechtmässiger Weise abgesetzt ist,
xst er kein rechtmässiger Fürst mehr, und wenn er sich in seiner
Herrschaft mit Gewalt zu behaupten sucht, fängt er an ein Tyrann
%a sein . . . Wenn ein König ein Ketzer wird, so wird er in einem
jsrewissen Sinne ipso facto seiner Herrscherwürde beraubt; dieselbe
tDleibt entweder confiscirt oder sie geht von Rechts wegen auf
deinen rechtmässigen katholischen Nachfolger über. Aber er kann
^^icht sofort seiner Herrschergewalt beraubt werden, sondern behält
^ie und übt sie rechtmässig aus, bis er durch eine declaratorische
Sentenz wegen Ketzerei verurtheilt worden ist. Nach dieser Sentenz
^ann er die Herrschergewalt nicht mehr rechtmässig ausüben^ kann
"vielmehr als Tyrann bebandelt und von jedem Privatmann getödtet
"Werden . . . Ein christlicher Staat ist in der Weise vom Papste
bhängig, dass dieser die Absetzung eines für den Staat verderblichen
Önigs nicht nur anrathen und gutheissen, sondern auch befehlen
ann, wenn er dieses für nöthig hält für das geistliche Wohl des
1) Deutscher Merkur 1881, 3.
2) Prat 8, 564. Perrens 2, 226. Jourdain p. 78. Vd. K. Werner, Fr.
aarez 1 , 96. A. Frauck in den Seances et travaux de r Acad. des sciences
. 1860, Aug. Sept., bes. p. 328. Deutscher Merkur 1879, 808.
850 Politische Doctrinen der Jesuiten.
Staates, namentlich zur Beseitigung von Ketzereien und Schismen.
In einem solchen Falle findet die indirecte Gewalt üher weltliche
Dinge mit Rücksicht auf einen geistlichen Zweck Anwendung. Der
Papst kann in einem solchen Falle unmittelbar den König absetzen,
also kann er auch den Staat nöthigen, dieses zu thuen, wenn es
erforderlich ist . . . Ein abgesetzter König darf nicht ohne weiteres
von jedem beliebigen Einzelnen getödtet werden, wenn ihm nicht
dieses geboten oder wenn nicht in dem Urtheil ein allgemeiner
derartiger Auftrag enthalten ist . . . Wenn ein Papst einen König
für einen Ketzer und für abgesetzt erklärt und über die Ausführung
der Sentenz nichts bestimmt, so kann nicht jeder Fürst dem Abge-
setzten den Krieg erklären. Dazu ist nur sein rechtmässiger Nach-
folger, wenn er katholisch ist, berechtigt; wenn ein solcher nicht
da ist oder sein Recht nicht ausübt, tritt die staatliche Gemein-
schaft, wenn sie katholisch ist, in seine Rechte ein, und diese kann
natürlich andere Fürsten um Hülfe angehen. Wenn aber der Papst,
wie das wiederholt geschehen ist, anderen Königen die Gewalt gibt,
in das Reich des abgesetzten Königs einzudringen, so haben sie
das Recht dazu .... Der Satz: Der Papst hat die Gewalt, ketze-
rische und hartnäckige und für ihr Reich in Sachen, die das Seelen-
heil betreffen, verderbliche Fürsten abzusetzen, gehört zu den Dogmen
des Glaubens und muss geglaubt werden ; denn er ist enthalten in
den Worten, die Christus in besonderer Weise zu Petrus gesprochen :
Was du auf Erden binden wirst u. s. w. und Weide meine Schafe,
wie die katholische Kirche, die eine Säule und Grundfeste der Wahr-
heit ist, diese Worte immer verstanden und Bonifacius VIII. in der
Bulle Unam Sanctam ausdrücklich erklärt hat." Servin hob Rchliess-
lieh noch hervor: der Jesuiten-Pro vinzial Louis Richeome habe in
einer 1 6 1 3 zu Bordeaux erschienenen Schrift unter Berufung auf Gretser,
ClaruR und andere Jesuiten gesagt, Mariana lehre nichts anderes als
die katholischen Theologen insgemein und seine Ansicht sei mit
Ausnahme dessen, was er über die Ermordung Heinrichs III. gesagt,
durchaus orthodox und die Lehre des h. Thomas und aller Lehrer
der Kirche; nachdem der Jesuiten-General 6. Juli 1610, sieben
Wochen nach der Ermordung Heinrichs IV., den Jesuiten die Ver-
öffentlichung von Schriften über den Tyrannenmord, die Anstoss er-
regen könnten, verboten, habe der Jesuit Jacob Keller mit der vom
Febr. lull datirten Approbation seines Provinzials Busaeus zu Ingol-
stadt die Schrift Tyrannicidium s. scitum catholicorum de tyranni
internecione, München 1611, 152 S. 4., herausgegeben; auch die
Jesuiten Azorius [Arg. II b 242], Vasquez und Lcssius trügen die-
selbe Lehre vor. Das Parlament verordnete darauf: das Buch von
Suarez sei von Henkershand zu verbrennen und strenge zu verbieten;
die Erklärung der Sorbonne vom 4. Juni 1010 und dieses Arret
seien alljährlich in der Sorbonne und im Jesuiten-Colleg zu ver-
lesen; die Jesuiten Armand, Coton, Fronton und Sirmond seien
vor das Parlament zu citiren und ihnen Vorhaltungen darüber zu
machen, dass im Widerspruch mit ihrer eigenen Erklärung und
dem Decrete ihres Generals vom J. 1610 das Buch von Suarez
A. Sanctarellus. 351
gedruckt und nach Paria gebracht worden; auch sei ihnen aufzu-
^ben, bei dem General dahin zu wirken, class er jenes Beeret er-
aeuere, und in ihren Predigten das Gegentbeil der Lehre des Suarez
vorzutragen (Arg. II b 80).
Aquaviva erneuerte wirklich auf den Rath Cotons 1. Aug.
1614 sein Decret. Der Papst aber war natürlich wüthend über
diese Behandlung eines in seinem Auftrage geschriebenen und von
ihm in einem eigenen Breve belobten Buches. Er verlangte von
1er französischen Regierung Genugtbuung und drohte, er werde das
Arret in Rom verbrennen lassen oder das Parlament excommuniciren
>der den Nuncius abberufen, gab sich aber schliesslich mit der Er-
klärung zufrieden, das Arret solle nicht publicirt werden (Prat 3, 565).
5. Im J. 1625 erschien zu Rom ein Quartband: Antonii Sanc-
barelli S. J. Tractatus de haeresi, schismate, apostasia, sollicitatione
in sacramento poenitentiae et de potestate Summi Pontif. in his de-
lictis puniendis. Ad Ser. Principem Mauritium Cardinalem a Sabau-
dia, 644 S. 4.*, von dem General Muzio Vitelleschi und dem Mag.
S. P. Nie. Ridolfi approbirt. Das Buch enthält u. a. folgende Sätze:
„Wenn ein weltlicher Fürst Gesetze erlässt, die den guten Sitten
widersprechen, so kann der Papst entgegengesetzte Gesetze erlassen
und dem Fürsten befehlen, seine Gesetze wieder aufzuheben. Der
Papst kann ketzerische und ungerechte Fürsten mit kirchlichen Gen-
Buren, auch mit zeitlichen Strafen belegen, sie absetzen und ihre
Unterthanen von der Pflicht des Gehorsams entbinden. Seine Ge-
walt ist nicht darauf beschräukt, die Schuldigen mit kirchlichen Cen-
Buren zu belegen. . . Die Bulle Unam Sanclam ist in der Extravagante
Ueruit von Clemens Y. nicht zurückgenommen, sondern nur erklärt
worden, es werde in jener Bulle nichts neu definirt, sondern nur
die Verpflichtung ausgesprochen, welche die Gläubigen seit dem
Anfange der Kirche immer gehabt haben, dem Papste zu gehorchen."
Mit Rücksicht auf diese und andere Sätze ^) beschloss das Parla-
ment 13. März 1626: das Buch sei durch den Henker öfl'entlich zu
verbrennen und dürfe nicht verkauft werden; alle Exemplare seien
abzuliefern. Ausserdem citirte das Parlament für den folgenden
Tag den Provinzial P. Coton, die drei Rectoren und drei andere
Jesuiten, lieber das mit ihnen angestellte Verhör wurde folgendes
protocollirt: „Billigen Sie dieses schlechte Buch von Santarelli? P.
Coton: Im Gegentheil, wir sind bereit, dagegen zu schreiben und
alles, was er sagt, zu bestreiten; in unser Haus sind zehn Exem-
plare gekommen; wir haben sie alle vernichtet. — Wissen Sie nicht,
dass diese schlechte Lehre von Ihrem General zu Rom approbirt
worden ist? Ja, aber wir hier können nichts für diese Unklugheit
und tadeln sie auf das entschiedenste. — Glauben Sie, dass der
Papst den König excommuniciren und absetzen und seine Unter-
thanen vom Eide der Treue entbinden kann? Wie sollte er den
1) Arg. IIb 203. 214. Mercure Jesuite 1, 888. Polenz, Gesch. des
Calv. 8, 443. Deutscher Merkur 1879, 315.
862 Politische Doctrinen der Jesuiten.
König excommuniciren, welcher der älteRte Sohn der Kirche ist
und gewiss nichts thaen wird, was den Papst dazu nöthigen könnte ?
— Aber Ihr Greneral, der das Buch approbirt hat, hält das Ge-
sagte für unfehlbar; sind Sie denn anderer Meinung? Der General,
der zu Kom wohnt, kann nicht anders als approbiren, was die Rö-
mische Curie approbirt. -— Und Ihre Ueberzeugung? Ist eine ganz
andere. — Und wenn Sie zu Rom wären, was würden Sie thoen?
Wir würden es machen wie die, welche dort sind. — Nun geben Sie
ans eine bestimmte Antwort. — Erlauben Sie uns, uns zu besprechen."
Den Jesuiten wird gestattet, in ein Nebenzimmer zu treten ; nach
einer haben Stunde treten sie wieder ein und erklären: „Unsere
Ueherzeugung ist dieselbe wie die der Sorbonne, und wir werden
dasselbe unterschreiben, was der gallicanische Klerus unterschreibt.
— Geben Sie uns das schriftlich. — Gestatten Sie uns einige Tage
zur Ueberlegung. — Das Parlament gibt Ihnen eine Frist von drei
Tagen."
Dieses Protocoll (Arg. II b 205) klingt wie eine Satire ; aher
sicher ist, dass dem Parlamente folgende vom 16. März 1626 datirte
Erklärung mit den Unterschriften von P. Goton und 15 anderen
Jesuiten (darunter auch Dionysius Petavius) eingereicht wurde:
„Wir erklären, dass wir die schlechte Lehre desavouiren und ver-
abscheuen, welche bezüglich der Person, der Autorität und der
Staaten der Könige in dem Buche von Sanctarellus enthalten ist;
wir erkennen an, dass die Könige unmittelbar von Gott abhängig
sind, und wir sind bereit, für diese Wahrheit unser Blut zu ver^
giessen und unser Leben hinzugeben. Wir versprechen, die Censnr^
welche der Klerus oder die Sorbonne über jene verderbliche Lehr
aussprechen werden, zu unterschreiben und nie Meinungen ode
Lehren vorzutragen, welche mit den in dieser Hinsicht von de
Klerus, den Universitäten des Reiches und der Sorbonne vorgetragene;
in Widerspruch stehen." — Schon 22. Febr. 1612 hatten in Folg
eines auf den Antrag von L. Servin gefassten ParlaraentsbeschlusB
der Provinzial Balthasard, die Patres Fronton Le Duc, Sirmond un
zwei andere förmlich zu Protocoll erklärt, dass sie mit der Lehn
der Sorbonne übereinstimmten, auch bezüglich der Sicherung de
geheiligten Person der Könige, der Aufrechterhaltung ihrer könig —
liehen Autorität und der jederzeit und von Alters her in Frankreich-
bewährten und beobachteten Rechte und Freiheiten der gallicaniscbeik.
Kirche (Arg. IIb 58).
Die Sorbonne veröffentlichte ein vom 4. April 1626 datirtes^^
Verdammungsurtheil über Santarelli's Buch. In gleichem Sinne spracht
sich 20. April die Universität Paris aus. Auch die anderen Uni-
versitäten, Toulouse, Valence, Bordeaux, Poitiers, Bourges, Caen,.
traten dem Urtheil der Sorbonne bei. Der Rector der Pariser Uni-^
versität übersandte die Erklärung der letztern dem Parlamente mit:^
dem Antrage, die Verlesung derselben an bestimmten Tagen zu ver-^
ordnen, erhielt aber ein Schreiben des Königs vom 3. Mai, worim.
das Verhalten der Universität gebilligt, ihr aber verboten wurde^
anf der Einregistrirung ihrer Erklärung zu bestehen, da dieses daziB>
A. Carerius. B. Choyeronius. 853
dienen würde, den eben beigelegten Zwist zwischen der Univer-
sität und den Jesuiten wieder anzufachen, und diese das Buch als
schlecht und verderblich missbilligt hätten (Arg. II b 210). — Im
Febr. 1627 erklärte Card. Richelieu, es sei nicht genug, dass San-
tarelli's Buch öffentlich verbrannt worden, — in seinen Memoiren
nennt er es le plus mechant de tous ceux de cette sorte, — es
müsse auch durch eine „authentische Censnr der Kirche" verdammt
werden; bei den Misshelligkeiten, die jetzt zwischen dem Papste
und der französischen Regierung obwalteten, seien Censuren der Sor-
bonne und des Parlaments nicht opportun; der König hoffe aber die
Censurirung des Buches in Rom zu erwirken (Arg. II b 255. Jour-
dain P. just. p. 70). Urban VIII. sprach allerdings sein Bedauern
darüber aus, dass das Buch gedruckt worden, tadelte den Jesuiten-
General und den Mag. S. P. und verbot, über solche Dinge anders
als sehr nüchtern zu schreiben ; aber von einem Verbote des Buches
war keine Rede. Auch der Jesuiten-General sprach sein Bedauern
aus und beauftragte die Superioren, die Exemplare des Buches auf-
zukaufen. Er Hess dieses sogar in einer kleinen Auflage mit Weg-
lassung der Capitel 30 und 31 des 1. Tractets (De potestate quam
habet Summus Pont, in puniendis principibus haereticis, p. 290 —
30S), an denen man in Paris besonders Anstoss genommen, neu
drucken und schickte die Exemplare dem Pariser Nuncius, — wozu
Prat (4, 750) zu bemerken nicht unteriässt, die Beseitigung dieser
Capitel bedeute nicht ein Aufgeben der darin entwickelten Grund-
sätze, — und befahl den französischen Jesuiten, über die heikele Ma-
terie absolument rien zu schreiben (Prat 4, 799;. Man dachte so-
gar daran, eine Modification der Censur der Sorbonne zu erwirken.
Der päpstliche Steatssecretär erklärte aber 1626 dem Nuncius Spada,
wenn eine solche Modification in der Form einer neuen Censur er-
folgen solle, müsse diese ganz allgemein gehalten sein, nicht speciell
lie Capitel 30 und 31 erwähnen und, die Richtigkeit der Lehre des
Ruches voraussetzend, nur die Inopportunität desselben hervorheben
Prat 4, 760).
Weitere Censurirungen ultramontaner Bücher, welche die Sor-
>nne 1626 vorbereitete, — des erwähnten Buches von Spondanus,
e monarchia divina, ecclesiastica et saeculari christiana, auth. Mich.
luclero Dr. Sorb., auch der These des Dominicaners Testefort:
Scriptura partim Bibliis sacris, partim epistolis decretalibus Sum-
rum Pont., quatenus explicant S. Scripturam, partim sacris con-
18 continetur, — wurden von der französischen Regierung, die
lals mit Rom in Unterhandlung stand, unterdrückt (Arg. II b
256. Jourdain p. 112).
6. Ehe man in Rom genöthigt war, Bellarmins Lehre von der
ecten Gewalt des Papstes in weltlichen Dingen gegen die Eng-
T und Franzosen zu vertheidigen, wurde ein Gegner Bellarmins
rirt, der auf demselben Standpunkte stand, von welchem aus
s V. Bellarmins Buch in den Index gesetzt hatte. Im J. 1603
', mit d. c. verboten «la« mit Approbation der Inquisition von
gedruckte iiiul eineiii Cardinal gewidmete Buch De ])otestate
leuscli, liidoi 11. 23
354 Gallicftner vor 1682.
Romani Pontificis adv. impios politicos libri duo, Alex. Carerio
Patavino JC. anctore. Ad 111. et Rev. D. Franciscum ex Comitibns
Sancti Georgii et Blandratae S. R. E. Cardinali, Patavii 1599*, 86 Bl. 4.
Der Verfasser, AI. Cariero, Propst und Professor zu Padua (tl626),
vertheidigt die Ansicht: Papam habere plenissimam potestatem in
Universum orbem terrarum tum in rebus ecclesiasticis tum in poli-
ticis, bestreitet ausführlich Bellarmins Ansicht (f. 50 — 58) und leistet
u, a. folgende Sätze: Papa est fons et origo omnis principatus, e
quo caeterae potestates defluunt (f. 61). Papa in totum orbem
Christ, habet temporale dominium, seu mavis potestatem ac jurisdic-
tionem, licet illam duntaxat in Ecclesiae patrimonio ordinarie exer-
ceat (f. 64). Papa solus monarcha jure merito dici meretur (f. 71).
Papa si ex causa reges et imperatores destituit, fortius eos insti-
tuere potest. . . Imperator in omnibus subest Rom. Pontifici (f. 73)^).
— Gleichzeitig mit dem Buche von Cariero wurde ein Bnch eines
französischen Domherrn mit d. c. verb.: Commentarii D. Bermondi
Choveronii. JC. clariss. et Cathedralis Eccl. Vivarien. Canonici,
in (s. Lateranensis concilii) tit. de publicis concubinariis (Nunc pri-
mum in Germania excusi, Spirac 1598,* 885 8. 8.), wahrscheinlich
wegen der Stelle, an der die ])äp8tlichc Jurisdiction auch auf die
guten und bösen Engel ausgedehnt und gelehrt wird, wenn es mög-
lich wäre, dass ein Engel in Irrthum fiele, würde der Papst ihn
richten und excommuniciren können^).
45. Gallicaner vor 1682.
Während man in Paris die im Auftrage oder mit Gutheis
sung der Kömischen Curie veröffentlichten ultramoutanen Buche
censurirte, fing man in Rom an, die Bücher von französische
Juristen und Theologen zu verbieten, in welchen die Gewal
des Papstes in weltlichen Dingen bestritten und anderseits di
herkömmliche Gewalt der französischen Könige in kirchliche
1) Vgl. L'Estoile in der Nouv. Coli, de Mem. (Michaud) 15, 8
— Cariero hat auch den Beweis angetreten, dass Dante kein Dichter
wesen: Brcve et ingeniöse discorso contro l'opera di Dante. Di Mon
Aless. Cariero. AIP 111. & Rov. Principe il S. Dou Luigi Cardinale
Este. Padoa 1582. Vgl. Prciiss. Jahrb. (1883) 51, 259. — Die Petes
directa wurde um dieselbe Zeit von den Brüdern Thomas und Alex. Boz"
(beide Oratorianer) vertheidigt (Schulte 3, 1. 463. 468). Das Bach des Z.
Bozio, welches nach Perrons 1, 470 Clemens Vlll. dem französischen G
sandten gegenüber missbilligte und Bellarmin widerlegen wollte, wird AI
Bozio's De temporali Ecclesiae monarchia et jnrisdictione 11. V, Born 1
gewesen sein.
2) Gregoire, Ilist. des sectes 3, 159.
£. Richer. 355
Dingen vertheidigt, oder, was bei den Theologen mehr hervor-
tritt, die Römischen Anschauungen über die kirchliche Gewalt
des Papstes bekämpft und die Rechte der Bischöfe vertheidigt
werden. Die ersten Schriftsteller dieser Richtung, die in den
Index kamen, waren der Theologe Edmond Richer und der Jurist
Simon Vigor: von jenem wurden 1(513 das Schriftchen über die
kirchliche und staatliche Gewalt, 1622 sämmtliche Werke ver-
boten, von diesem 1613 eine anonyme Schrift, 1621 und 1622
zwei mit seinem Namen veröffentlichte, 1684 die Gesammtaus-
gabe seiner Werke. Einzelne Schriften wurden verboten von
den Juristen Louis Servin, P. Pithou, P. Dupuy u. a., von den
Theologen Fr. Vöron, P. de Marca, J. Gerbais, J. Boileau u. a.,
auch von einem Jesuiten, M. Rabardeau, eine im Auftrage
Richelieu's geschriebene Schrift. — In Frankreich wurden diese
Römischen Censuren nicht anerkannt, — nur die gegen Rabar-
deau wurde von der Assemblöe du Clergö ausdrücklich bestä-
tigt; — sie hatten aber wenigstens für zwei der davon Betrof-
fenen unangenehme Folgen. Richer wurde, schon ehe sein
Schriftchen förmlich verboten war, auf Betreiben der Curie seines
Amtes als Syndictis der Sorbonne von der französischen Regie-
rung entsetzt; er Hess sich bestimmen, 1622 eine Art von Unter-
werfungs-Erklärung zu veröflfentlichen, und wurde 1629 von
Richelieu gezwungen, eine noch weiter gehende zu unterzeichnen.
Pierre de Marca aber wurde, als er 1642 zum Bischof ernannt
war, unter Hinweisung auf das kurz zuvor erfolgte Verbot seines
Buches De concordia sacerdotii et imperii durch die Index-
Congregation in Rom die Bestätigung verweigert und er erhielt
diese erst, nachdem er nach langen Verhandlungen 1647 eine
Retractation unterschrieben hatte. — Im spanischen Index stehen
Ton den in Rom verbotenen Büchern dieser Art nur das Schrift-
chen von Richer, zwei Schriften von Pithou und einige weniger
bedeutende andere.
1. E. Richer schrieb für eine Ausgabe der Werke Gereons,
^ie 1606 zu Paris erschien, eine Vita Gereons; auf seinen Rath
wurden auch Schriften von P. crAilly, Jac. Almain und Job. Major bei-
gefügt. Der Nuncius Barberini, der von Riebers Hauptgegner in der
Sorbonne, Andre Duval, von dieser der Curie unbequemen Publi-
kation hörte, bestimmte den Kanzler ßrulart de Sillery, das ganze
«•Jahr IGOG hindurch die Erlaubniss zum Verkaufe derselben zu ver-
366 Gallicaner vor 1682.
weigern. Richer verfaeste auch eine Apologie Gersons gegen Bel-
larmin, die zunächst in Abschriften circulirte und nach einer sehr
ungenauen ohne Richers Zuthuen zuerst 1607 in Italien gedruckt
wurde. Eine genaue Ausgabe erschien erst lange nach Richers
Tode: Apologia pro Jo. Gersone, pro suprema Ecclesiae et Concilii
generalis autoritate et independentia regiae potestatis ab alio quam
a solo Deo. Adv. scholae Parisiensis et ejusdem Doctoris christia-
nissimi obtrectatores per E. R. D. F. P., Lugd. Bat. 1676, 4. Ein
Auszug aus dieser Apologie ist eine kleine Schrift, welche Richer,
seit 1608 Syndicus der Sorbonne, verfasste, als ihn der erste Prä-
sident des Pariser Parlaments, Nie. de Verdun, ersuchte, die Lehre
der Facultät über die kirchliche und staatliche Gewalt kurz dar-
zustellen: De potestate ecclesiastica et politica, mit dem Motto:
Ecclesia est politia monarchica ad fincm supernaturalem instituta
regimine aristocratico (quod omnium Optimum et naturae convenien-
tissimum est) temperata a summo animarum pastore Jesu Christo.
Die Schrift behandelt den Gegenstand in 18 Capiteln und füllt in
der ersten, 1611 ohne den Namen des Verfassers in 300 Exem-
plaren gedruckten und nicht in den Buchhandel gegebenen Ausgabe
nur 30 S. 4.^). Noch in demselben Jahre erschien ein im Auslande
veranstalteter Nachdruck, Paris 1611, 48 S. 8., und in den folgen-
den Jahren wurde die Schrift wiederholt gedruckt. Als Paul V.
von dem Inhalte derselben durch Bellarmin erfuhr, wurde er sehr
aufgebracht, und verlangte, die französische Regierung solle ein-
schreiten; der Nuncius Übaldini drohte Paris zu verlassen, wenn
man das Buch passiren lasse. Richers Gegner in der Sorbonne,
ausser Duval namentlich Jean Filesac und der junge Fr. de Harlay,
Abbe de St. Victor, beantragten die Censurirung der Schrift; aber
das Parlament verbot 1. Febr. 1612 der Sorbonne, darüber zu ver-
handeln (Arg. II b 60). Card, du Perron, Erzbischof von Sens, cen-
surirte das Buch gemeinschaftlich mit den Bischöfen seiner Kirchen-
provinz (ohne Richer zu nennen. Arg. 111 b 184; Perrens 2, 146),
und der Bischof von Paris und andere Bischöfe Hessen diese Cen-
sur von den Kanzeln verlesen. Paul V. war mit derselben nicht
ganz zufrieden, weil darin gesagt war, das Buch werde verdammt
„unbeschadet der Rechte des Königs und der französischen Krone
und der Rechte, Immunitäten und Freiheiten der gallicanischeii ^
Kirche," belobte aber gleichwohl die Bischöfe in einem Breve voui m
2. Mai 1612, dass sie librum perniciosa doctrina pravisque dogma —
tibus refertum verdammt hätten (Arg. III b 187). Richer reichti
gegen die Censur der Bischöfe einen Appel comme d'abus ein; der
selbe wurde aber nicht angenommen (Arg. III b 184). In der So
bonne agitirten seine Gegner für seine Entfernung vom Syndica
1) Daher der Titel der Schrift Notae stigmaticae in magistrum t-
ginta paginarum, auct. Jo. Cosmo Fabricio, Frcf. 1612, 4.. deren Aui<~'^ r-
sohaft Sirmond anfangs ableugnete, aber 20 Jahre später «ingesteb ^?ö
musate. Prat 3, 348.
J
E. Richer. 367
man suchte ihn vergeblich zum Kücktritt zu bewegen; am 1.
Sept. 1612 wurde von der Regierung die Wahl eines neuen Syn-
dicus angeordnet; sie fiel auf Filesac (Arg. IIb 58. 299). Der
Papst belobte in Breven vom 26. Sep. 1612 den Prinzen von Conde
und den Grafen von Soissons, dass sie dafür gesorgt, ut regia auc-
toritate deponeretur Richerius, qui adeo male sentiebat de ecclesia-
stica potestate (Arg. III b 188). Der Nuncius Ubaldini schlug so-
gar vor, Richer gefangen zu setzen oder nach Rom zu schicken.
Er wurde wirklich auf Betreiben des Herzogs von Epernon ver-
haftet, aber auf den Antrag der Universität vom Parlamente bald
wieder in Freiheit gesetzt.
In einem Decrete der Index-Congr. vom 10. Mai 1613 wurde
verhoten: De ecclesiastica et politica potestate, Par. 1611 absque
nomine auctoris, am 2. Dec. 1622 : Edmundi Richeri opera. Cujus
est ctiam liber quidam anonymus, jam alias prohibitus et qui denuo
modo prohibetur, inscriptus De eccl. etc. (folgt der Titel mit dem
Motto). Ein Buch mit dem Titel Edmundi Richeri opera war vor
1622 nicht erschienen; das Verbot bezieht sich also auf die einzeln
erschienenen kleinen Schriften, — die älteren können ausser der
Apologie für Gerson kaum Anstoss erregt haben, und seit 1613 war
nur Censura S. Fac. Theol. Par. in 4 libros priores de rep. eccl.
auct. M. A. de Dominis (mit Noten von Richer), 1618, 62 S. 4.,
erschienen, — und ist um so auffallender, als R. seit seiner Ent-
fernung vom Syndicate ganz zurückgezogen gelebt und sich 1620
durch den Card, de Retz hatte hestimmen lassen, eine Erklärung
abzugeben des Inhalts: er unterwerfe sich und seine Schrift und
seine ganze Lehre dem ürtheil des apostolischen Stuhles und der
Kirche und bedauere, dass einige Sätze seiner Schrift gegen seine
Absicht so verstanden worden seien, als ob er der rechtmässigen
Autorität des Papstes und der Bischöfe zu nahe trete; er sei gern
bereit, dieselben im guten und katholischen Sinne zu erklären (Arg.
JI b 301). Diese F^rklärung wiederholte er 30. Juni .1622 und ver-
öffentlichte sie (Arg. III b 187). Da aber seine Gegner damit nicht
asufrieden waren, so fügte er seinem schon 1613 geschriebenen Testa-
lueDte unter dem 30. Aug. 1625 einen Zusatz hei, worin es heisst:
,,Da zu fürchten ist, dass man Richer zu einer Retractation zwingen
vrill, die seine Feinde oft durch Gewalt und Drohung zu erpressen
gesucht haben, so erklärt er: wenn er sich vielleicht in eine solche
fiedrängniss (extremites) versetzt finden sollte, dass er sich genöthigt
8ähe, sein Buch abzuschwören oder etwas zu unterzeichnen, was
mit seiner Erklärung von 1622 in Widerspruch stände, so desa-
'Vouirt er eine solche Erklärung als erzwungen, erklärt in voraus
^lles für falsch, unterschoben und nichtig, was man in diesem Sinne
onter seinem Namen veröffentlichen mag, und wünscht, dass man
ihm keinen Glauben beimesse, falls ihm nicht zuvor, wie er wieder-
liolt verlangt hat, gestattet wird, die Sätze seines Buches schriftlich
XU erklären" (Arg. II b 302). Card. Richelieu, — dem ürban VIII.
<ien Cardinalshut für seinen Bruder versprochen haben soll, wenn er,
ciusser anderen Bedingungen, eine Retractation Richers beschaffe, —
358 Gallicaner vor 1682.
brachte ihn wirklich dazu, dasß er in seiner, des Pfarrers Talon
und des hekannten Capucinerpaters Joseph Gegenwart 7. Dec. 1629
eine Erklärung unterschrieb, worin er zu der vom J. 1622 folgen-
den Zusatz macht: „Ich unterwerfe mein Buch und alle Sätze des-
selben und ihre Deutung und meine ganze Lehre dem Urtheil der
römisch-kath. Kirche und der Sedes apostolica, die ich als Mutter
und Lehrerin aller Kirchen und als unfehlbare Richterin der Wahr-
heit anerkenne; quas quidem propositiones, quatenus Ecclesiae cath.,
apost. et Romanae judicio, ut sonant, contrarias vehementer improbo
et condemno (Arg. II b 302 ; was Baillet u. a. von einer Bedrohung
Richers hei P. Joseph durch zwei Männer mit Dolchen erzählen,
erklärt Perrens 2, 438 für eine Fabel). Am 24. Dec. 1629 schrieb
Richer als Codicill zu seinem Testamente eine ausführliche Ver-
theidigung seiner Schrift nieder (Arg. IIb 303).
Lange nach seinem Tode (28. Nov. 1631) wurde von ihm
veröffentlicht: Historia conciliorum generalium, Köln 1680 u. s.,
3 Bände, verb. durch ein Breve Innocenz' XI. vom 17. März 1681.
Im J. 1670 erschien zu Paris: E. Richeri libellus de eccl. et pol.
pot. necnon ejusdem libelli per eundem Richerum demonstratio, dann
zu Köln 1701 (von dem Benedictiner Thierry de Viaixnes heraus-
gegeben) De pot. eccl. et pol. E. Richeri libellus nee non ejusd.
lib. per eund. R. dem. Nova editio aucta ejusd. libelli defensione
nunc primum typis edita ex manuscripto ejusd. authoris, in duos
tomos divisa; cum aliis quibusd. opusculis, 2 vol. 4. (Dict. Jans.
3, 261). Diese Ausgabe ist ohne Zweifel gemeint mit E. Richeri
Dr. Theol. Paris, lib. de eccl. et pol. pot , Col. 1703, in dem Index-
Decrete vom 4. März 1709. Seit Ben. steht mit diesem Datum im
Index: Demonstratio libelli etc. — Dagegen stehen auffallender
Weise nicht im Index: Traite des appellations comme d'abus (1625
—26 verfasst), Par. 1763, 2 vol. 12. (Schulte 3, 1, 578; ein Aus-
zug daraus in Dupins Manuel), und Histoire du Sindicat d'Edmond
Richer par E. R. lui-meme, Avignon(!) 1753,* 419 S. 12. —
Im span. Index steht von Richer nur De eccl. et pol. pot. ^).
Gegen Richer schrieb Andre Duval (er hat den Namen Riebe-
ristes aufgebracht): Libelli de ecclesiastiea et politica potestate Elen-
chus pro suprema Romani Pontificis in Eccl. authoritate, Paris 1612,
160 S. 8. In Rom war man mit dieser Widerlegung nicht sehr zu-
frieden. Die Inquisition beschloss Per. Y. 12. April 1612, Duval
auffordern zu lassen, einige Stellen seines Buches zu corrigiren, und
im März 1613 übersandte der Nuncius übaldini ein Exemplar der
2. Auflage, welche genau nach den Weisungen der Inq. geändert
war. Namentlich waren einige die päpstliche Unfehlbarkeit betreffende
Stellen corrigirt, z. B. der Satz: „Es ist nicht de fide, dass der
Papst unfehlbar sei, aber es ist die sicherere und wahrschein-
lichere Ansicht, dass er unfehlbar sei, wenn er als Papst handelt"
1) Laur. Fr. X. Veith erhielt für sein etwas verspätetes E. Richeri
systcma confutatum, Augsb. 1783, von Pius VI. ein Belobungsbreve.
A. Duval. S. Vigor. L. Servin. 859
in: ,,Es ist noch nicht definirt, dass der Papst unfehlbar sei; gleichwohl
ist es sicher, dass er unfehlbar ist, wenn er als Papst handelt"^).
2. Mit der Verdammung der Schriften Richers hängt zusam-
men die der Schriften der Juristen Simon Vigor und Louis Servin.
Von ersterm, einem Neffen des Erzbischofs von Narbonne, Con-
seiller au grand conseil (1555 — 1624), ist die Schrift, die 1613 in
demselben Decret wie Richers Schriftchen verboten wurde: Ex re-
sponsione synodali data Basileae oratoribus D. Eugenii P. IV. in
congregatione generali 3. Non. Sept. 1432 [Hefele, Conc.-Gesch. 7,
487] pars praecipua et in eam commentarius, Coloniae sumptibus
Theophili Franci [Paris] 1613 absque nomine authoris. Duval
schrieb dagegen: De suprema Rom. Pontificum in Eccl. potestate
adv. Vigorium JC, 1613. Vigor antwortete sogleich in der Apolo-
gia de suprema Ecclesiae auctoritate adv. Mag. Andr. Duval, Paris
1613, verb. 1021. — Gegen die Apologia schrieb Theophraste
Bouju, Aumonier des Königs, früher Secretär des Grafen von Sois-
sons, unter dem Namen Beanlieu Defense pour la hierarchie de
TEglise et de N. S. P. le Pape, 1613 (auch latein.). Vigor ant-
wortete in De l'estat et gouvernement de l'Egl., divise en 4 livres :
1. de la monarchie eccl^siastique ; 2. de Vinfaillibilitä; 3. de la
discipline eccl.; 4. des conciles. Avec r6ponse au livre de Th.
Bouju dit Beaulieu de la Defense ... et 6pistre sur la justification
de Durand, 1621. 4., verb. 1622. Die drei genannten Schriften von
Vigor und seine Assertio fidei catholicae ex quatuor prioribus con-
ciliis oecumenicis erschienen als S. Vigorii opera omnia in 4 tomos
distributa, Par. 1683,* zusammen ein massiger Quartband, verb. 1684.
Louis Servin, unter Heinrich IV. und Maria von Medici Ge-
neral-Advocat, t 1626, war ein eifriger Gegner der Ultramontanen
und Jesuiten. Als 1613 eine Sammlung seiner Plaidoyez in 4
Bänden 8. erschien, schickte sie der Nuncius Ubaldini, wahrschein-
lich durch die gute Gesinnung, welche der Hof in der Sache Richers
bekundet, zum Vorgehen gegen einen andern hochgestellten Galli-
caner ermuthigt, gleich nach Rom, und schon im Dec. 1613 sandte
Card. Borghese ein Verzeichniss der Irrthümer, die man dort darin
gefunden, mit dem Verlangen, Servin solle retractiren. Servin dankte
dafür, dass das Sanctum Officium (die Index-Congr. wird gemeint
sein) die Censur verschoben, verlangte aber zunächst Zeit zum Corri-
giren; dann sagte er, man habe seine Sätze missverstanden, er
1) Michaud 4, 172. 1614 erschien eine neue Ausgabe von Duvals
Schrift, worin er das Baseler Concil als conciliabulum, den Papst als un-
fehlbar, die Appellation vom Papste an ein allgemeines Concil als unzu-
lässig ]»ezeichiict. Trotzdem war man in Rom mit der Schrift unzufrie-
den, weil doch einige gallicanische Sätze darin vorkamen (Perrens 2, 223).
Auch Georg Froger, Dr. Sorb., Hess eine Gegenschrift als Manuscript
drucken: er fand Widerspruch, weil er zu viel concedirte, und zog die
Schrift zurück. Ein Stück daraus wurde mit den Verhandlungen über
Becanus gedruckt; Mellini verlangte Bestrafung des Verfassers (Druckers?).
Perrens 2, 218.
8B0 GallicaiuT vor lf.82.
werde «ie in anderen Plaidoyers besser entwickeln, zurücknehmen
werde er nichts. So berichtete T'baldini an Card. Meilini, den
Präfecten der Index-Congr. 28. Aug. 1614 M. Erst 1622 verbot
diese mit d. c. Lud. Servini actiones forenses gallico sermone 4 tomis
comprehensae (erst seit Ben. steht der französische Titel im Index).
— 1622 wurde auch mit d. c. verb. Antonii Fabricii Bleyniani
(Prof. in Valence) In theoriam et praxin beneficiorum eccl. metho-
dica et familiaris introductio, 1660, 4. (Schulte S. 582).
3. Durch Decrete vom J. 1623 (Alex. No. 26. 27) kam eine
ganze Reihe von französischen Juristen in den Index, nämlich ausser
Fr. Juretus und P. Mathieu (s. o.) mit d. c: Barth, (seit Ben. rich-
tig Benigne) Milletot, Traite du delict commun et cas privilegie
ou de la puissance legitime des juges seculiers sur les personnes
ecclesiastiques, 1611 u. s.; der Verfasser, Parlamentsrath in Dijon,
war ein Freund des h. Franz von Sales, der das Verbot des Bnches
zu hintertreiben suchte (Morery, Suppl.); — Laurentii Bochelli
(Bouchel, Parlamentsadvocat, tl629) Decretorum Ecclesiae gallieanae
libri VIII, Paris 1609 (und 1621), Fol., ein Codex juris gallicani,
im 4. Buche ein Tractatus de juribus et libertatibus Eccl. gall. (in
dem Decrete No. 27 hcisst es : Dccreta Eccl. gall., multa alia etiam
ejus additamenta immixta continens ; bei Sot. unbedingt verb.). —
Unbedingt wurden verb. Opnscula duo incerti cujusdam auctoris
de libertate Ecclesiae gall. insertÄ operibus Petri Pithoei (ähnlich
Sot.). Erst seit Ben. steht dafür: Ecclesiae gall. in schismate Sta-
tus sive seorsim sive insertus operibus Petri Pithoei, und Les libertez
de TEgl. gall. sive seorsim sive cum op. P. P. Beide sollten unter
P. Pithoeus stehen; denn in dessen Opera, Paris 1609. findet sich
p. 511—534 die zweite Schrift, p. 535 — 697 die erste: Ecclesiae
. . . Status. Ex actis publicis. Estat de TEgl. gall. durant le
schisme. Letzteres sind nur Actenstücke von Carl VL bis Hein-
rich IL, crsteres ist Pithou's (1535 — 96) berühmtes Schriftchen,
Les libertez de TEglise gallioane, rcdigees cn 83 articles, welches
zuerst 1594 mit einer Dedication an Heinrich IV. (nur 27 S. 8.),
dann wiederholt gedruckt war, in Frankreich als ein Meisterstück
angesehen und le code des parlementa wurde (Prat 3, 338), nament-
lich unter Heinrich IV. und Ludwig XIII. „das Gesetz und die
Propheten" der französischen Juristen war (Perrens 1, 137), .von
d'Aguesseau als Palladium de la France bezeichnet wird und mit
einem kurzen Commentar den ersten Theil von Dupins Manuel (1824
u. s.) bildet. — 1636 und 1639 gab ein Freund Pithou's, Pierre
Dupuy (15^2 — 1651) unter Mitwirkung seines Bruders Jacques zwei
Sammelwerke in je 2 Fol. heraus: Traitez des droits et libertez de
TEglise gallicane und Preuves des libertez de TEgl. gall. (beide
1) Perrens 2, 216. Prat 3, 585. L'Estoile in den Nouv. Coli, dt-s
Mem. (Michaud) 15, 362 berichtet unter 16. Febr. 1604, die Sorbonne
habe die zu Paris gedruckten Plaidoyers et arreta de Servin (also eine altere
Sammlung) censurirt.
L. Bochellus. P. Pithou. P. Dupuy u. a. 861
auch 1651 und vermehrt 1731). Das erste dieser Werke wird in
dem Decrete vom 26. Oct. 1640 mit Traitez des droits et lib. de
PEgl. gall. Par M. Pierre Pithou gemeint sein. Es steht noch
heute unter Pithou, obschon es ausser dessen Traite noch 18 andere
Tractate, auch den von Milletot enthält. — Dupuy's Sammelwerke
wurden von den 1639 zu Paris versammelten Prälaten in einem
Schreiben an den französischen Episcopat verdammt, auf Betreiben
des Nuncius auch von Richelieu, weil sie ohne Privileg erschienen
seien, verboten, der Verkauf aber geduldet^). Der Commentaire de
M. du Puy sur le Trait^ de TEgl. gall. par M. P. Pithou avec trois
autres traites, Par. 1652 (Nouv. Ed., von Lenglet du Fresnoy, Par.
1715, 2 vol.; Baumg. 4, 271. 440), steht nicht im Index.
1625 wurden verb.: Trattato delle appellazioni nelle materie
ecclesiastiche per il capo di abuso, tradotto dal francese da Maso
degli Albizzi Fiorentino, Lyon 1624 (auch bei Sot.), und HistDria
pontiiiciae jurisdictionis [ex antiquo, medio et novo usu . . . adhi-
bita praxi forensi Galliae, Hispaniae . . .] Auct. Michaele Koussel,
Par. 1625 (auch bei Sot.). Von diesem Buche sagt Zacc. p. 318:
es wäre zu wünschen, dass die fremden Juristen nicht weiter ge-
gangen waren als Roussel; es komme aber auch bei ihm manches
Verwerfliche vor, bittere Bemerkungen über Leo X. und die Con-
cordate, unrichtige Sätze über Appellationen, über die Berufung der
Concilien (er lasse es z. B. unentschieden, ob das Apostelconcil von
Petrus oder von Jacobus berufen worden) n. s. w. — 1627 wurden
verb. Gerardi de Mavnard Illustres controversiae forenses . . in
Senatu Tholosano decisae, e gallico sermone in lat. translatae et
additionibus . . . auctae a Hieron. Brucknero, mit der Motivirung:
in qua collectione multa falsa dictus Gerardus sicut et in additioni-
bus quoque Brucknerus ex propria sententia addunt et asserunt.
Bei Sot. werden die Decisiones novae Tholosanae, quas collegit . . .
G. de Maynard . . . , transtulit H. Brückner, Frcf. 1610, 2 Fol.,
expurgirt, aber fast nur Bemerkungen von Brückner gestrichen.
Von den Decisiones des Parlaments von Toulouse wird nur eine
(4, 100) gestrichen, mit der Ueberschrift : Ecclesiastici Jurisdictionen!
Ruam in rebus saecularibus per varias molitiones auxerunt, und zu
einer, 2, 27, über üsura, ein Caute lege beigefügt. Brückners Be-
merkung p. 16: consuetudine in Galliis recepta illud appellationum
tanquam ab abusu remedium adv. ecclesiasticorum in jura regia usur-
pationes ibidem introductum wird nicht gestrichen, sondern nur die
weitere Bemerkung über das Recht der protestantischen Fürsten,
durch die Consistorien über geistliche Dinge zu entscheiden.
Nach einer längern Pause wurde 1642 verb. De la primaute
en TEglise ou de la hi^rarchie d'icelle [pour reponse abr6gie et par
1) Arg. III b 244. A. J. F. 22. 752. Perrens 2, 452. Das Schreiben
^er Prälaten und das Arret du Conseil prive sind mit einer Apologie von
I)upuy in der Ausgabe der Traitez von 1731 abgedr.
362 Gallicauer vor 1682.
avance au gros volume du Öieur Blondel de mßme titre]. Par Fran-
gois Veron, Lecteur et Predicateur du Roy pour les controveraes
(1575—1649; 1505 — 1620 war er Jesuit), Par. 1641, 8., —
gegen ein Buch von D. Blondel, das vor 1757 nicht verb. war:
De la primaute de TEglise. Traite oü sont confront^s avec la r6-
ponBe du Ser. Roy de la Gr. Bretagne les Annales du Card. Baro-
nius, les Controverses du Card. Bellarmin, la Reponse du Card, du
Perron etc., Genf 1641, 1268 S. Fol.
4. Um 1640 ging das Gerücht, Richelieu beabsichtige, ein
französisches Patriarchat zu gründen und so die französische Kirche
von Rom unabhängiger und natürlich noch mehr von sich .und der
französischen Krone abhängig zu machen^). Richelieu soll selbst
zu dem Gerüchte Anlass gegeben haben, nicht als ob er wirklich
einen solchen Plan gehabt, sondern um die Curie einzuschüchtern,
— «von einem Patriarchate war übrigens schon 1594 die Rede ge-
wesen (Thuanus 116, 18) und wurde auch nochmals 1681 ge-
sprochen; — in Rom soll man durch die Berichte des Nuncius
ernstlich beunruhigt worden sein. Da erschien zu Paris 1640 eine
bittere Satire auf dieses Project: Optati Galli de cavendo schis-
mate liber paraeneticus (an die französichen Bischöfe gerichtet), 39 S.
8. Der Verfasser war Claude Hersent (Hersan), Doctor der Sor-
bonne; allem Anscheine nach hatte er im Auftrage oder mit Vor-
wissen des Nuncius geschrieben. Auf Betreiben Richelieu's Hess
das Parlament die Broschüre alsbald verbrennen, und der Erzbischof
de Gondi und die Bischöfe seiner Kirchenprovinz verdammten sie.
Auf Ersuchen Richelieu's verfassten mehrere Gelehrte, u. a. Isaac
Habert, Nie. Rigault, Jean Sirmond, Entgegnungen (Backer 1, 597).
Am meisten Aufsehen erregte unter diesen Gegenschriften Michaelis
Rabardei e S. J. Aurelian. Optatus Gallus de cavendo schismate
benigna manu sectus tarde, sed aliquando. u^vtoc: €(jpa. Par. 1641,
4*. Es wird darin nicht nur bestritten, dass in Frankreich die
kirchliche Immunität durch die weltliche Gewalt beeinträchtigt werde,
und das von der Geistlichkeit für den König verlangte Subsidium
und das Edict über Ehesachen vertheidigt, sondern auch bei der
Widerlegung der Anklage, dass Card. Richelieu auf ein Schisma
hinarbeite, behauptet, die Errichtung eines Patriarchates würde un-
bedenklich und ohne Zustimmung Roms zulässig sein, wie ja auch
die Patriarchate von Jerusalem und Constantinopel ohne eine solche
entstanden seien. Und das trug ein Jesuit mit Nennung seines
Namens und mit Approbation seiner Oberen vor! denn in der Vor-
rede sagt Rabardeau, er sei ira Sommer 1640 von seinen Oberen
beauftragt worden, den Optatus Gallus zu widerlegen; diese hätten
dann freilich nach dem Erscheinen anderer Widerlegungen die Ver-
öffentlichung der seinigen für unnöthig gehalten ; ein gelehrter Theo-
loge aber, dem er sein Manuscript gezeigt, habe dasselbe bei einem
l) Perrens 2, 450. R. Simon, Lcttres 1, 255. Sainjorc, Biblioth. 2,
350. A. E. 1701, 124. Morery, Suppl. s. v. Hersent.
Fr. Veron. M. Rabardeau. S63
ocbgestellten Manne gelobt und dieser babe den Druck befohlen^).
)ann folgt die Approbation des Provinzials vom 9. Aug. 1641, er-
beilt auf Grund der im Juni gescbriebenen Gutbeissung durcb zwei
esuiten. — Erst nacb dem Tode Ricbelieu's (4. Dec. 1642) wurde
as Bucb durcb ein besonderes Decret der Inquisition, Fer. IV.
8. März 1643 (Alex. No. 50) verboten, worin es heisst: das Buch
ei der Inq. als ein solches denuncirt worden, welches viele Sätze
nthalte, die in der Kirche Gottes grosses Aergerniss hervorrufen
önnten und ein Schisma nicht so sehr zu beseitigen als zu be-
ünstigen geeignet seien; die Inq. habe bei der auf Befehl des
^apstes angestellten Prüfung erkannt, dass es viele Sätze enthalte,
ie respective temerär, är^ernissgebend, . . . gottlos, die päpstliche
fcwalt gänzlich zerstörend, der kirchlichen Immunität und Freiheit
uwider, den Ketzereien der Neuerer sich annähernd, dogmatisch
rrig und offenbar ketzerisch seien; demgemäss werde es bei den im
?rienter Concil und im Index angedrohten Strafen verboten. Dieses
)6cret wurde von der Assemblöe du Clerge 16. Sept. 1645 appro-
>irt (Arg. III b 248. Die Angabe p. 244, [Hersents] Optatus Gal-
U8 sei von der Inq. verboten worden, ist unrichtig und beruht auf
iner Verwechselung mit Rabardeau).
Hersent kam später als Vertheidiger des Jansenius in Rom in
Jngelegenheiten. Er vertheilte 1645 in Rom eine Denkschrift, wo-
in er behauptete, Jansenius trage nur die Lehre des h. Paulus und
les h. Augustinus vor (Super Bulla Urbani VIII. adv. Jansenium
it libro Arnaldi admonitiones quaedam S. D. N. Innocentio pro
nemoriali offerendae, unterschrieben: Cl. Hersent, Dr. Theol. et
ilegis Christ, concionator Ordinarius). Das Hess man hingehen; als
tr aber 1650 eine in Gegenwart mehrerer Cardinäle in der Kirche
lU Louis gehaltene Predigt mit einer Dedication an Innocenz X.,
n der ähnliche Dinge vorkamen, drucken Hess (L'empire de Dieu
lans les Saints ou bien T^loge de St. Louis, Rom 1650, Par. 1651),
itirte ihn die Inquisition und wollte ihn verhaften lassen; er ent-
lob aber und wurde nun, weil er der Citation keine Folge ge-
eistet, excommunicirt. Der Dominicaner du Faur, welcher im Auf-
rage des Mag. S. P. die Predigt censirt und approbirt hatte, wurde
n der Minerva in Haft gehalten, entschuldigte sich aber damit, es
;ei ihm nur die Predigt selbst, in der die Inq. nichts Anstössiges
1) Das yfiTof f(fa soll nach Arnauld 30, 160 andeuten, dass das
3uch auf Richelieu's Geheiss erschienen. Cret.-Joly 3, 847 sagt: Richelieu
iahe sehr schlau gehandelt, indem er, pour combattre Rome, il s'etait
>mpare de son bouclicr (der Jesuiten), und versichert, die französischen
fesuiteu hätten sich der Doctrin Rabardeau's nicht angeschlossen, die
ilömischen, englischen und spanischen Jesuiten hätten sie zurückgewiesen.
Raynaud (Eroteni. 203; die Stelle gehört mit zu denen, wegen deren das
Buch mit d. c. verboten wurde) sagt: das Buch sei wegen vieler augen-
jcheinlicher Ketzereien verdammt worden; die schlimmste Ketzerei, die
man ihm vorgeworfen, sei die gewesen, dass er bezweifelt, ob Salomo ein
canouischer Schriftsteller sei, was man aus den Worten geschlossen : Salomo,
ut opinor, scriptor canouicus.
364 Gallicaner vor 1682.
fand, nicht die Widmung an den Papst vorgelegt worden. Albizzi,
der in dieser Affaire die Hauptrolle Rpielte, verlangte, Hersent »olle
nach Rom kommen und die Predigt durch eine andere retractiren,
dann, Hersent solle vor dem Nuncius in Paris erklären, dass er
sich dem Papste unterwerfe und allen jansenistischen Meinungen
entsage; dann wolle er sehen, was sich für ihn thuen lasse ^).
Weiteres ist nicht bekannt. In den Index kam die Predigt nicht.
5. Mit der durch den Optatus Gallus hervorgerufenen Con-
troverse hängt auch das Buch von Pierre de Marca De coneordia
sacerdotii et imperii seu de libertatibus Ecclesiae gallicanae 11. VIII
zusammen^). Optatus Gallus hatte auch gegen das Werk von Dupuy
polemisirt und behauptet, die Errichtung eines französischen Patriarcha-
tes würde nur die letzte Consequenz der gallicanischen Freiheiten sein,
wie sie Dupuy darlege, und wenn er dabei andeutete, Richelieu habe
einen bedeutenden Mann gewonnen, um das Project des Patriarchates
zu vertheidigen, so bezog man das auf Marca, geb. 1594, seit 1621
Präsident des Parlaments zu Pau, seit 1 639 Mitglied des Staatsrathes.
Diesem ertheilte darauf der König den Auftrag, den Optatus Gal-
lus zu widerlegen und zu zeigen, dass die gallicanischen Freiheiten
und die schuldige Achtung vor dem h. Stuhle wohl vereinbar, ja
dass jene, richtig verstanden, das rechte Mittel seien, um die Ein-
tracht zwischen den beiden Gewalten zu sichern. 1641 erschienen
die vier ersten Bücher des Werkes, welche von der Anctorität des
Papstes und des weltlichen Fürsten, von den Freiheiten der galli-
canischen Kirche, der Ausführung der Disciplinargesetze nnd der
königlichen custodia canonum et legum ecclesiasticamm handeln.
(Die Beifügung der Worte seu de Hb. Eccl. gall. auf dem Titel-
blatte hatte der Verleger des Absatzes wegen verlangt.) Der Ora-
torianer Jean Morin schickte das Buch dem Card. Franc. Barberini
mit der naiven Bemerkung, es enthalte eine gute Vertheidigung des
h. Stuhles. Barberini gab es dem Assessor des h. Officinms Franc.
Albizzi. Dieser lobte die theologische Gelehrsamkeit und ciceronia-
nische Beredsamkeit des Verfassers, fand aber natürlich vieles in
seinem Buche sehr anstössig. Ebenso urtheilten der Secretär der
Congr. Concilii Paolucci, der Consistorialadvocat Franc, de Rabeis,
der Theatiner Antoninus Diana, Lucas Holstenius (er begutachtete den
historischen Theil, A. J. P. 14, 263) und der Präfect der Index-
1) Journal de Saint-Amour p. 47. 49. 61. 70. 121, 827. R. Simon,
Lüttres 1, 258. — Hurter 1, 852 erzählt ausführlich, Hersent sei als Jan-
senist von der h. Inquisition cxüommunicirt und hauptsächlich durch seinen
Optatus Gallus bekannt geworden, in welchem er dem Card. Richelieu den
ehrgeizigen Plan zuschreibe, sich zum Patriarchen von Frankreich zu
machen; es sei nicht zu verwundern, dass das Buch von allen Seiten in
Frankreich verdammt und verbrannt worden sei. Dabei safft aber Hurter
kein Wort von dem Buche seines Ordensgenossen Rabardeau und von
dessen Verdammung in Rom.
2) Vgl. ausser der Vita von Baluze (nach der Bamberger Ausgabe
der Werke Marca's citirt) A. J. P. 14, 261. 308.
P. de Maroa. 365
Congr. Card. Spada; nur der Consistorialadvocat Marinone sprach
sieb günstiger aus. In einer Gonferenz bei Barberini erklärten
diese alle, das Buch müsse verboten werden. Dieses geschah durch
das Beeret der Index-Congr. vom 11. Juni 1642 (Alex. No. 49),
also vor der Verdammung Rabardeau's, Als Marca dieses erfuhr,
liess er ein anonymes Memoire drucken, worin hervorgehoben wurde,
dass er eine Reihe von zu weit gehenden Sätzen von Gallicanern
bekämpfe und in Rom eher Anerkennung als eine Censur habe er-
warten dürfen (A. J. P. 14, 271).
Im Dec. 1642 wurde Marca, der seit 1632 Wittwer, seit 1608
Tonsurist war, zum Bischof von Conserans ernannt. Im April 1643
liess ihm Card. Barberini durch den Pariser Nuncius Grimaldi mit-
theilen, seiner Bestätigung stehe das Index-Decret im Wege. Er
sandte darauf einen Brief an Barberini, der im wesentlichen eine
Uebersetzung des Memoire ist und mit der Erklärung schliesst: in
den folgenden Bänden werde er einen Weg einschlagen, auf dem
alles Anstössige beseitigt werde; übrigens unterwerfe er alles dem
Urtheile des h. Stuhles. Barberini theilte nun Marca die Bemer-
kungen des Römischen Censors (es sind nicht die von Holstenius,
sondern die von Albizzi; Marca 1, CXIV ; A. J. P. 14, 309) mit,
die Marca darauf zu widerlegen suchte. Noch im J. 1643 ver-
öffentlichte er eine Dissertation De decreto P. Vigilii pro confirma-
tione 5. synodi, von der er annahm, sie müsse in Rom Beifall
finden, schickte sie an Barberini und bat nochmals um seine Be-
stätigung. Statt dieser erhielt er von Barberini die Aufforderung,
Blondeis Buch gegen den Primat (S. 362) zu widerlegen. Marca
antwortete: er übernehme diesen Auftrag und hoffe in zwei Jahren
die Widerlegung veröffentlichen zu können; als ejus operae velut
pignus quoddam Schicke er seine Dissertation De primatu Lugdu-
nensi et de caeteris priniatibus. Unter dem 11. März 1644 ant-
wortete Barberini, der Papst habe nach Berathung mit mehreren
Cardinälen erklärt: ein Mann, dessen Lehre erst kürzlich censurirt
worden, könne nur Bischof werden, wenn er durch spätere Verdienste
seinen Fehler wieder gut gemacht; Marca solle also über einige
Hauptfragen sich in einem dem h. Stuhle günstigen Sinne aus-
sprechen und von der Widerlegung Blondeis wenigstens einige Seiten
gleich veröffentlichen und darin erkennen lassen, primi illius laboris
hallucinationes non tam tuo commissos fuisse arbitrio quam impor-
tuno alienae ambitionis imperio expressas. Marca erhielt diesen
Brief zu Barcelona, wo er seit dem April 1614 als General- Visitator
von Catalonien fungirte. Er antwortete 15. Mai: die erste Forde-
rung wolle er in einem Briefe an Barberini erfüllen (dieser ist ab-
gedr. A. J. P. 14, 284); auf die zweite könne er nicht eingehen,
da er als ehrlicher Mann nicht sagen könne, mihi vim illatam, ut
veritati fumum faciam; sein Buch habe übrigens gerade dem angeb-
lichen Projecte eines neuen Patriarchates, für welches er angeblich
habe schreiben sollen, ein Ende gemacht; Blondel zu widerlogen,
habe er jetzt keine Zeit und keine Bücher zur Hand. Nar.li der
Thronbesteigung Innooenz' X. beantragte Card. Bichi 10. Dec. 1644
366 Gallicaner vor 1662.
die Präconisation Marca's; der Papst beauftragte vier Cardi-
näle, darüber zu berathen. An diese scbrieb nun Marca gleich-
lautende Briefe, worin er sagt: kein anderes Buch habe in Frank-
reich zur Hebung des Ansehens des h. Stuhles so viel beigetragen
wie das seinige ; er babe dasselbe dem Urtheile der Römischen
Kirche unterworfen und in dem Briefe an Barberini versprochen,
die Fehler, auf die man ihn hinweise, in der 2. Auflage zu ver-
bessern und in den beiden folgenden Bänden die Sache der Kirche zu
vertheidigen. Er Hess dann 164r>einim wesentlichen mit dem Briefe
an Barberini gleichlautendes Schriftchen drucken: Libellus quo edi-
tionis librorum de Concordia consilium exponit, opus Apost. Sedis
censurae submittit et reges canonura custodes, non vero auctores
esse docet Petrus de Marca, editus Barcinonae a. 1646, und über-
sandte dieses den vier Cardinälen mit einer kurzen Denkschrift und
dem Papste mit einem Briefe vom 26. Sept. 1646, worin er sagt:
er gestehe, dass er in dem im Auftrage des Königs herausgegebenen
Buche principis partes pro muneris mei ratione fovisse praesidem-
que potius egisse quam episcopum; . . in libello hallucinationes
meas deprecatus sum, opus censurae Beatitudinis Vestrae snbmisi,
quam prona mente amplexurum voveo et assertorem vindicemque
libertatis ecclesiasticae futurum.
Mittlerweile hatte aber Marca neuen Anlass zur Unzufrieden-
heit gegeben. Der französische Vicekönig von Catalonien, GrafHar-
court, hatte verordnet, es solle niemand, dem in Rom ein Beneficium
verliehen worden, zum Genüsse desselben zugelassen werden, wenn
nicht zuvor constatirt worden, dass die Verleihung auf Empfehlung
des französischen Gesandten und nicht etwa der Gegner der fran-
zösischen Herrschaft erfolgt sei. Gleichwohl war ein Geistlicher,
der in Rom auf Empfehlung des spanischen Gesandten ein Canoni-
cat in Barcelona erhalten, durch Beschluss der Mehrheit des Capi-
tels installirt worden. Darauf hatte der Vicekönig die drei Haupt-
schuldigen nicht gerade förmlich ausgewiesen, aber nach Rom ge-
schickt, um sich vor dem Papste zu verantworten. Ein vom 1. Jan.
1646 datirter Brief: D. Hyacintho Mesades, Archidiacono Empuri-
tano Ecclesiae Gerundensis, Petrus de Marca S. D., worin dieses
Verfahren vertheidigt wird, wurde (wohl ohne Marca's Vorwissen)
gedruckt und verbreitet und auch in Rom bekannt. In dem Decrete
der Index-Congr. vom 18. Dec. 1646 (Alex. No. 51) wurde (mit
vielen anderen Büchern) die Concordia nochmals und der Brief
verboten.
Im Juni 1647 verstand sich endlich Marca während einer
Krankheit zu einer förmlichen Retractation. Sie lautet: „Ich be-
kenne, dass ich mich durchaus an die Lehre von der kirchlichen
Jurisdiction und Immunität und von den übrigen kirchlichen Fragen
halte, welche die Römische Kirche lehrt, und dass ich diese als das
gemeine canonische Recht ansehe. Was in meinem Buche und in
dem Briefe an Mesades dieser Lehre widerspricht und durch ein
Decret des h. Officium [sie] verdammt worden ist, verdamme auch
ich und verspreche ich in einer zweiten Auflage des BucheR zu yer-
P. de Marca. S67
besRern. Ich bekenne auch, dasR die besonderen, dem gemeinen
Rechte widersprechenden Rechte, welche in kirchlichen Dingen der
allerchristlichste König ausübt, auf Privilegien beruhen, die der
apostolische Stuhl der französischen Krone verlielien, und sonst
nicht rechtmäsKig ausgeübt werden können" ^). Um dieselbe Zeit
schickte er eine Dissertatio de singulari primatu Petri ge^en Barcos
(s. u.) nach Rom, die dem Papste sehr gefiel. Am H, Oct. 1647
sollte er nun präconisirt werden; es geschah nicht, weil sich das
Gei-ücht verbreitet hatte, er sei gestorben. Am 16. Dec. 1647 wurde
er endlich präconisirt, 2. Febr. 1648 von dem Bischof von Babylon
zum Priester geweiht, 20. Dec. von dem Erzbischof von Narbonne
consecrirt2).
Im J. 1652 wurde Marca zum Erzbischof von Toulouse er-
nannt. Auch dies Mal stiess seine Bestätigung in Rom auf Schwierig-
keiten, nicht weil er in Rom als Jausenist denuncirt worden, —
sein Hauptgegner Albizzi sagt ausdrücklich, des Jansenismus sei er
in Rom nie verdächtig geworden (A. J. P. 14, 308), — sondern
wegen der von dem Erzbischof von Embrun in Rom denuncirten
Ansprache, die §r nach der Verhaftung des Card, de Retz im Namen
der in Paris versammelten Bischöfe 9. Jan. 1653 an den König ge-
halten, und worin er gebeten, der König möge den Cardinal frei
lassen und eventuell vor geistliche Richter stellen, und das Recht
des Königs, Bischöfe und Cardinäle zu verbannen, anerkannt haben
sollte, während er doch, wie man in Rom meinte, ausdrücklich hätte
sagen sollen, der König dürfe Cardinäle höchstens verhaften, um sie
gleich dem Papste zu überweisen. Der Bischof Bosquet von Lodeve,
der eben in Rom war, hatte Mühe, dem Papste eine für Marca
günstigere Version der Ansprache glaublich zu machen. Er
wurde erst im März 1654 bestätigt. Am 26. Febr. 1662 wurde er
oiach der Abdankung des Cardinais de Retz zum Erzbischof von
Paris ernannt, starb aber schon drei Tage nach dem Empfange der
^. Juni ausgefertigten Bullen, 29. Juni 1662.
Im J. 1663 wurde Marca's Concordia von Etienne Baluze voll-
ständig herausgegeben: dieser übersetzte das 6. und 7. Buch und
^inen Theil des 8., die sich in Marca's Papieren nur französisch
vorfanden, und vollendete das 5. Buch. Diese Ausgabe wurde
17. JCov. 1664 (Alex. No. 84) in folgender eigenthümlichen Weise
^verboten: De concordia sac. et imp. s. de lib. Eccl. gall. liber a
Stephano Balutio impressus Parisiis 1663, perperam adscriptus Petro
^e Marca, ex cujus retractatis scriptis aliorumque erroneis sententiis
^pera praefati Balutii editus. Es wäre ja ganz in der Ordnung
1) Marca I, XLV. Was A. J. P. 14, 295 von einer, übrigens mit
Ausnahme der Pirwähnung des Briefes gleichlautonden lletractation vom
^pril 1045 berichtet wird, scheint auf einem Missverständnisse zu beruhen.
2) Albizzi sagt, auch der spanische Canonist Didacus de Covarrubias
^ei als Bischof von Segovia (1565) erst bestätijrt vvonlen, nachdem er alles
szurückgenonimcn, was er der kirchli(;hen Freiheit und Imnuinität Wider-
sprechendes geschrit^bi'n (A. J. P. 14, 309).
368 Gallicaner vor 1682.
gewesen, wenn man bei dieser Gelegenheit constatirt hätte, dass
Marca sein Buch retractirt habe und voraussichtlich selbst nicht
nochmals unverändert und mit dieser Fortsetzung publicirt haben
würde. Aber so lantete die Bemerkung so, als ob Baluze Marca
etwas ihm Fremdes unterschoben hätte. Im Journ. des Sav. 1665,
22 wurde das Decret mit der Bemerkung abgedruckt: die Anklage
gegen Baluze, er habe das Buch fälschlich Marca zugeschrieben,
sei grundlos; man habe in Hom augenscheinlich diese Adresse ge-
wählt, weil man sich eingebildet, das Buch leichter discreditiren zn
können, wenn man für den Erzbischof Marca einen weniger hoch
gestellten Geistlichen substituire. In dem Index Alexanders VII.
vom J. 1667 und in den folgenden Indices wurde die Bemerkung
gleichwohl (unter Concordia) einfach abgedruckt; erst seit Ben. ist
sie weggelassen. Baluze^s Ausgabe wurde 1669 und 1670 noch-
mals gedruckt, mit den kleineren Schriften Marca's und einigen
Zuthaten von Carminus Firmianus herausgegeben zu Neapel 1771
— 80 (Bamberg 1788 — 89). Die Index-Congr. nahm davon keine
Notiz. — Im J. 1668 Hess ein Verwandter Marca's, Abb6 Paul de
Faget, Dissertation es postumae sacrae et ecclesias^Jcae von ihm mit
einer Biographie zu Paris drucken, erhielt aber die Approbation
der Sorbonne nur unter der Bedingung, dass eine französische Ab-
handlung über die Eucharistie wegbleibe und zu einer lateinischen
über denselben Gegenstand Cartons gedruckt würden, da in beiden
Abhandlungen Ausdrücke vorkamen, die man als die protestantische
Lehre begünstigend ansah (Baluze bezweifelt die Echtheit). DeT"
protestantische Drucker gab Claude ein nicht castrirtes Exemplar*
und so erschien 1669 in Holland ein Nachdruck. Das Buch steh.
nicht im Index (Dupin 17, 170. Bayle s. v. Marca, Note K).
Im span. Index steht nur seit 1707 : Rev. Episc. de la Marca Ga
lus apud Gotholan. der um et religiosorum coetum contra Rege
Hispaniarum declamabat.
6. Im J. 1671 gab Jean David eine ausführliche Widerlegu
des 7. Buches von Marca's Concordia heraus, unter dem Titel D
jugements canouiques des eveques (mit einer Dissertation über d
damals viel besprochene Stelle des h. Augustinus über Concilin
pleuarium). In der Assemblee du Clerge wurde ihm vorgeworfe:
dass er lehre: die Sachen der Bischöfe seien in erster Instanz vo
Papste zu entscheiden, ohne Zustimmung des Papstes könne a
einem Concil nichts entschieden werden und der Papst sei aach b
züglich der qnaestioues facti unfehlbar. Er bestritt in einer Hchri
liehen Erklärung diese Folgerungen aus seiner Schrift^). — Geg
ihn schrieb Jacques Boileau anonym: De episcoporum antiq
et majoribus causis über, in quo ss. patrum, pontificum et concil
rum Ecclesiae cath. sententiae proferuntur ad confutationem error
Davidii in libro galllce scripto de judiciis canonicis episcopom
Auct. Theologo Paris. Dr. Sorb., Leodii (Lyon) 1678, 4. Di
1) Rpciioil d«-s actos du Clerjro 1, 700. Avr. 3, 170.
i
J. David. J. Boileau. J. Gerbais. J. Launoy. 869
•
Buch warde alsbald 1. Febr. 1679 verb.^). Im folgenden Jahre
verdammte Innocenz XI. durch ein Breve vom 18. Dec. 1680
(ausser dem Arret du Parlement vom 14. Sept. 1680, s. u.), als
eine schismatische und für den apostolischen Stuhl injuriöse Lehre
enthaltend ein anderes Buch, welches gleichfalls die Ansicht ver-
theidigte, dass die causae majores in erster Instanz nicht vom Papste,
sondern von den Comprovincialbischöfen abzuurtheilen seien : Disser-
tatio de causis majori bus ad caput concordantiarum de causis, cum
appendice quatuor monumentorum, quibus Ecclesiae gall. libertas in
retinenda antiqua episcopalium judiciorum forma confirmatur, auct.
Jo. Grerbais, Dr. Paris. Socio Sorb., Paris 1679. Gerbais hatte
das Buch im Auftrage der AssembUe du Clerg6 vom J. 1665 ver-
fasst und dieser bereits 1670 das Manuscript überreicht; der Präsi-
dent der Versammlung hatte günstig darüber berichtet, diese aber
beschlossen, das Manuscript vorläufig zurückzulegen. Nach dem Er-
scheinen des Buches von David hatten mehrere Bischöfe die Ver-
öffentlichung gewünscht. Diese Umstände hatten wohl den Papst
veranlasst, es nicht einfach in den Index setzen zu lassen, sondern
durch ein Breve zu verbieten. Der Card. d'Estries rieth Ludwig
XIV., eine Protestation des französischen Episcopates gegen dieses
Bcandalöse Verbot zu veranlassen. Dazu kam es allerdings nicht.
Die AssembUe von 1681 beauftragte drei Bischöfe mit einer noch-
maligen Prüfung des Buches; diese belobten es, empfahlen aber für
die 2. Auflage einige Aenderungen^). Eine veränderte Ausgabe er-
schien zu Lyon 1685,* Paris 1691. — Von Gerbais kam später
noch in den Index: Traite du cel^bre Panorme touchant le concile
de Basle, mis en fran^ais, Par. 1697, verb. von der Inq. 1699, in
Spanien 1789! Dagegen wurde nicht verb. die gleichzeitig erschie-
nene Lettre de TEglise de Li^ge au sujet d'un bref de Pascal II. ;
vgl. I S. 226. 283.
Jacques Boileau ist auch der Verfasser der Schrift De antiquo
jure presbyterorum in regimine ecclesiastico, auth. Claudio Fontejo
Theologo, Taurini (Lyon) 1676, verb. 1690, worin gezeigt wird,
dass in der alten Kirche die Priester an der Leitung der Kirche
Antheil, auf den Concilien Sitz und Stimme hatten u. s. w. In der
Vorrede wird angegeben, Claudius Fontejus sei schon gestorben und
in St. Leu begraben. Der Erzbischof Harlay schöpfte Verdacht
gegen Boileau, beruhigte sich aber, als sich in den Sterberegistern
wirklich ein Cl. Fontejus fand (Nie. 12, 123).
Jo. Launoy vindicirte in der Schrift Eegia in matrimonium
potestas, 1674 (Opp. I, 2, 625), den Fürsten das Recht, impedi-
menta dirimentia zu statuiren. Dagegen erschien in Rom 1674
£cclesiastica in matr. potestas von Dom. Galesius, Rubensium Episc,
1) Mich, a S.Jos. 2,511 ist im Zweifel, ob das Buch von dem Pariser
Theologen oder von einem holländischen Calvinisten Jac. Boelius s. Boe-
^ous, der im span. Index in der 1. Cl. steht, oder von Jo. Gerbais sei.
2) Recueil des actes du clerge 1, 698. Miohand 2, 208. 222; 4, 229.
Rensoh, Indei U. 24
^70 ttegalisten.
-**
S. Congr. Ind. olim Coneultor et in Sapientia Canonnm Professor.
Lannoy antwortete in Contentorum in libro sie inscripto: Dom. Ga-
lesii . . . erratomm index locnpletissimus, 1677 (Opp. 1, 2, 883).
Beide Schriften wurden 1688 verb., dagegen nicht die Vertheidignng
Launoy's von J. Boileau, Traite des empechements du mariage,
1691, 163 S. 8. (Mich, a S. Jos. 2, 516. 532).
Vor dem J. 1682 kamen ausserdem noch in den Index: De
la puissance royale et sacerdotale, verb, 1662, ohne Zweifel die
freilich schon 1579 anonym erschienene Schrift von Fr. Grimaudet
(Schulte 3, 1, 500; trotz dieses Verbotes erschienen Oeuvres de
Fr. Grimaudet sur les matiferes du droit, Amiens 1669); — De l'au-
torite du Eoy touchant T&ge n^cessaire a la profession solennelle
des religieux, Paris 1669, verb. 1672 (von Fran^ois Rolland Le
Vayer de Boutigny, Ende des 18. Jahrh. in italienischer und deut-
scher üebersetzung neu gedruckt; Schulte 3, 1, 617. Haurdau, Hist.
litt, du Maine 4, 79); — De l'autorit6 des 6veques sur les b6ne-
fices, Col. 1677, verb^ 1679; — Maximes du droit canoniqne de
France par un des plus cel^bres avocats du !^j^lement de Paris,
enrichies de plusieurs authoritez et observations tir^es des anciens
dicrets des conciles . . . par le Sieur Simon, Paris 1678. 12.,- verb.
1680, eine Bearbeitung von Dubois' Introduction au droit ecol. von
D^nis Simon; Schulte 3, 1, 689.
46. Regalisten, 1600—1700.
Der König von Spanien übte in seinen Gebieten in kirch-
liehen Dingen eine mindestens ebenso grosse Gewalt aas wie
der König von Frankreich. Von den spanischen Schriftstellern,
welche diese Rechte des Königs vertheidigten nnd die daranf
gestützte spanische Praxis darstellten, — gewöhnlich Regalistas
genannt, mit den Josephinern der spätem Zeit zu vergleichen,
— wurden die hervorragendsten, Cevallos und Salgado, unter
Urban VIII. in den Index gesetzt; in Spanien wurde aber das
Verbot nicht nur nicht anerkannt, sondern auch von Philipp III.
und rV. energisch dagegen protestirt. Später kam noch eine
Reihe von Schriften von spanischen, neapolitanischen, sicilia-
nischen und portugiesischen Regalisten in den Römischen, nur
einige wenige derselben auch in den spanischen Index. — Der
Streit über die Monarchia Sicula, — den Inbegriff der weitgehen-
den Rechte in kirchlichen Dingen, welche die spanischen Könige
in Sicilien auf Grund der angeblich durch Urban II. 1098 den
Regalisten. 871
Beherrschern der Insel übertragenen Legatengewalt ausübten,
— hat im 17. Jahrhundert im Index noch keine Spuren hinter-
assen. Aber ein im Sinne der Curie geschriebener Tractat,
[en Cardinal Baronius dem 1G05 erschienenen 11. Bande
einer Annales ecclesiastici beifUgte, hatte zur Folge, dass dieser
}and zwar nicht in den spanischen Index kam, aber durch ein
anächst für Sicilien erlassenes Edict Philipps IIL im J. 1610
mter Androhung strenger Strafen verboten wurde.
1. Die spanischen Könige ernannten nicht nur zu fast allen
richtigen und eintrÄglichen geistlichen Stellen, sondern übten auch
ine Oberaufsicht über alle Acte der geistlichen Jurisdiction ver-
littelst der sog. Hecursos de fuerza und das Hecht der Hetencion
e bulas. Gegen die Urtheile jedes geistlichen Gerichtshofes, auch
es seit 1537 bestehenden Tribunals der Kunciatur, — nur nicht
ler Inquisition, — konnte an den Consejo real Hecurs ergriffen
werden; war dieser angenommen, so war damit das Urtheil suspen-
irt; wurde dasselbe annullirt, so fällte der Consejo zugleich ein
eues. Alle päpstlichen Bullen u. s. w. mussten dem Könige vor-
:elegt werden; fand dieser resp. der königliche Eath, dass ein päpst-
[eher Erlass die Gesetze oder Gewohnheiten des Keiches verletze,
o behielt ihn der König zurück, um dem Papste Vorstellungen zu
lachen und um Zurücknahme oder Abänderung des Erlasses zu
nppliciren. Diese Suppliken wurden aber nicht in jedem einzelnen
alle sofort dem Papste vorgelegt, sondern in der Regel in grösse-
2D Zwischenräumen durch den Botschafter über eine Eeihe von
Irlassen der Curie Vorstellungen gemacht. Meist überliess man es
emjenigen, der sich durch die lietention geschädigt glaubte, bei
er Curie Klage zu führen, was ein spanischer Unterthan nicht leicht
'agte. Traf eine zweite päpstliche Verfügung ein, so wurde auch
e retinirt; eine etwaige Excommunication gegen diejenigen, welche
ie Hetention veranlassten, wurde in Spanien als ungültig angesehen,
nd von der Excommunication, mit der in der Bulla Coenae die-
Digen bedroht werden, welche cursum literarum apostolicarum lai-
ili auctoritate impediunt, lehrten Sa und die späteren Eegalisten,
e finde auf die von dem Könige geübte Retention der Bullen keine
nwendung. So „supplicirte** Philipp II. gegen die Bulla Coenae
Las' V. von 1568 (I, S. 78); auch die Gregors XIII. von 1583
urde retinirt. Später war, wie Salgado sagt, die Retention päpst-
3ber Erlasse eine alltägliche Sache (Philippson in der Hist. Zts.
578, 39. 269). R. Simon, Lettres 1, 48, sagt ganz treffend, die
panier seien nur scheinbar respectvoller gegen den Papst als die
ranzosen: „sie nehmen die päpstlichen Bullen mit grosser Ehrfurcht
1 ; aber wenn sie finden, dass eine Bulle den Gesetzen und Ge-
olinheiten des Reiches widerspricht, so stellen sie dem Papst in
3r Form einer Supplik vor, dass dieselbe nicht ausgeführt werden
onne, und darauf verschliesst man die Bulle in einem Koffer, und
372 ßegalisten.
es ist nicht weiter mehr die Rede davon; das nennen sie plegar
la bnla (die Bulle zusammenfalten)/*
In Neapel galt als Grundsatz, dass keine päpstliche Verord-
nung ohne Zustimmung der königlichen Regierung, ohne Exequatur
veröffentlicht werden dürfe. Päpstliche Decrete rein geistlichen In-
haltes waren davon allerdings principiell ausgenommen ; aber um zu
entscheiden, ob ein Decret rein geistlichen Inhaltes sei oder sich
auch auf das Weltliche beziehe, hatte man einen Cappellanu mag-
giore angestellt, und dieser pflegte nach den Weisungen der Regie-
rung zu entscheiden (Ranke, Fürsten und Völker, WW. 35, 225).
Der Trinitarier Michael a S. Josephe, der wiederholt General-
procurator seines Ordens in Rom war, sagt in seiner Benedict XIV.
gewidmeten Bibliographia critica, Madrid 1740, 2, 304: die Lehre
des Salgado sei die allgemein in Spanien geltende und man dürfe
die dem h. Stuhle wohl bekannte Praxis eines katholischen Landes
nicht als verboten bezeichnen. Der ultramontane V. de la Fuente
sucht in seiner spanischen Kirchengeschichte 5, 440 die spanische
Praxis, wie sie sich im 16. und 17. Jahrh. gebildet, mit der Spanien
feindlichen politischen Haltung einiger Päpste, Clemens' VII.,
Pauls IV., Urbans VIII., zu entschuldigen.
Die Verbote spanischer Regalisten beginnen, abgesehen von
Henr. Henriquez (S. 314) unter Urban VIII., der 1626 auch eine
besondere Congregatio jurisdictionis et immunitatis errichtete. Der
erste, der in den Index kam, war Hieronymus de Cevallos (bei Ben.
Caevallos s. Zevallos), von dem 1624 verb. wurden: Specnlum
aureum communium opinionum seu practicae quaestiones commnnes
contra communes, Tomus IV., und Tractatus de cognitione per viam
violentiae in causis ecclesiasticis et inter personas ecclesiasticas.
In letzterm lehrt er, wie Giannone (Opp. 12, 155) angibt, der Re*
curso de fuerza könne von dem königlichen Tribunal angenommen
werden, ehe eine Sache in der geistlichen Appellationsinstanz, von
dem Metropoliten oder dem Kuncius entschieden sei, und constatirt,
dass das königliche Tribunal die Geistlichen, die sich seinen Ent-
scheidungen nicht fügten, oft mit Sperrung der Temporalien und
Verbannung bestrafe. Von der ersten Auflage, Toledo 1618, sagt
Giannone, seien fast alle Exemplare beseitigt, das Buch dann aber
angeblich zu Köln (1647) neu gedruckt worden. Die erste Auflage
ist schon früher erschienen; denn schon 1613 wurde der Nuncins
in Madrid von Rom aus beauftragt, das Verbot des Buches zu be-
treiben und ihm eine Censur desselben übersandt (Laemmer, Melet
p. 326), und Philipp III. schrieb schon 27. Juli 1617 an seinen
Gesandten in Rom, Card. Borja, er habe gehört, dass die Index-
Gongr. das Buch in Untersuchung genommen; der Cardinal solle das
Verbot, welches seinen königlichen Rechten widersprechen würde,
zu hintertreiben suchen^). — In demselben Decrete wurde verb.
1) Der Brief ist abgedr. iu (Llorente's) Coleccion diplomatica de
varios papeles, 2. Ed. 1822, No. 6.
H. de CeyalloB. Fr. Salgado. 878
Responsorum juris illnstrium et celeberr. jnrisconsultornm et di-
versarum academiarum hoc tempore florentium sive, ut reoentiores
vocant, consiliornm in Hispania, Tom. I. Frcf. (bei Sot. mit d. c).
Der bedeutendste unter den spanischen Eegalisten dieser Zeit
war Francisco Salgado de Somoza, früher General vicar von Toledo
unter dem Cardinal-Infanten, später Präsident des Rathes von Ca-
stilien, Abt von AlcaU la Real, f 1664 (zum Bischof wurde er nicht
ernannt, weil man nicht erwarten konnte, dass er in Rom bestätigt
werden würde). Fuente 5, 444 sagt von seinem Buche über den
Recurs, er entwickle die damals in Spanien geltenden Ansichten in
weniger scharfer und verletzender Form als Cevallos, und stütze
die spanische Theorie auf die Geschichte, die Milde der Kirche und
päpstliche Concessionen, nicht ausschliesslich auf die natürliche Pflicht
des Fürsten, alle Ungerechtigkeiten zu verhüten, und auf die Majestäts-
rechte, wie die Regalisten des 18. Jahrb., die darum nicht günstig
über ihn urtheilten. (Salgado lehrt auch, Ordensgeistliche könnten
gegen ihre Oberen keinen Recurs ergreifen, was die Ordensgeist-
lichen Araujo, Torrecilla und Villaroel behaupteten.) Sein Buch
De regia protection e vi oppressorum appellantium a causis et ju-
diciis ecclesiasticis, Lugd. 1626,* 2 Fol. (mit einem Druckprivileg
Philipps IV. und der ausdrücklichen Erlaubniss, das Buch im Aus-
lande drucken zu lassen), wurde von dem Nuncius in Rom denuncirt
und 1628 verb. (1669 erschien die 4. Auflage), 1640 sein zweites
Werk : Tractatus de supplicatione ad Sanctissimum a literis et bullis
apostolicis nequam et importune impetratis in perniciem reipublicae,
regni aut regis aut juris tertii praejudicium, et de earum retentione
Interim in senatu, Madrid 1639 (Lagd. 1664). Albit. p. 815 spricht
sehr scharf (Horret animus etc.) über diese Vertheidigung der
Appellationen an weltliche Richter und der Zurückhaltung der Bullen
und über die Behauptung, die Bulla Coenae sei bezüglich dieser
Punkte in Spanien nicht recipirt. — Als der Gesandte in Rom,
Graf de Oftate, Philipp IV. das Verbot des ersten Buches von Sal-
gado meldete, verbot dieser den Bischöfen, das Verbot zu publiciren :
nur die Inquisition dürfe in seinem Reiche nach alter Gewohnheit
irgend ein den Glauben betreffendes oder damit zusammenhangendes
Edict oder ein Verbot ketzerischer oder heterodoxer Bücher publi-
ciren. Dem General-Inquisitor aber liess er das ihm von dem
Nuncius eingehändigte Breve, worin das Verbot von Salgado^s Buch
niitgetheilt war, abfordern. Am 10. April 1634 schrieb er dann an
den Card. Borja: er höre, dass man in Rom die Veröfi'entlichung
Von Büchern zu Gunsten der Römischen Anschauungen über kirch-
liche Jurisdiction befördere, während man Bücher, welche die könig-
lichen Rechte vertheidigten, verbiete; der Cardinal solle dem Papste
Vorstellungen machen und verlangen, dass man in Sachen, die nicht
<len Glauben, sondern Jurisdiction sf ragen beträfen, jeden seine Mei-
nung sagen lasse; wenn der Papst die dem Könige günstigen Bücher
Verbiete, werde er seinerseits die gegen ihn geschriebenen Bücher
Verbieten^). — Fuente 5, 445 berichtet, 1633 seien der Domini-
1) Pelayo 3, 853. Der Brief an Card. Borja bei Llorente No. 7 und
374 Regalisten.
caner Pimentel. Bischof von Cordova, später firzbischof von Sevilla,
und Juan Ctaind''<^ro y Sotomayor nach Rom gesandt worden; sie
seien dort l<.» -Tahre geblieben und hätten Urban VIII. mehrere
Denksoh ritten überreicht, aber nichts ausgerichtet; eine etwas heftige
Denksohritt von Chumacero sei mit einer Erwiderung von Maraldi
und mit Chumacero's Replik gedruckt ; Pimentel sei unter InnocenzX.
CAniin*! geworden, Chumacero, ein frommer Mann, Präsident des
Rache» von Castilien.
1642 wurde von einem Buche von Jo. de Solorzano Pereira,
Disputationes de Indiarum jure in zwei Bänden, liber 3. tomi 2.,
in »juo de rebus ecclesiasticis et regio circa eas patronatu, unbe-
dingt« das übrige mit d. c. verb. Albit. p. 134 ereifert sich mit
Beaug auf dieses Werk gegen diejenigen Schriftsteller, welche, wo
»te sähen, dass die Fürsten der höchsten Autorität des Papstes be-
dürften« diese bis zu den Sternen erhöben, sie aber, wenn es sich
um ein Kinschreiten gegen sündigende Fürsten handle, so einschränk-
ten, dass sie behaupteten, der Papst könne in einem katholischen
Staate nur mit Krlaubniss des Königs eine geistliche Jurisdiction
ausüben, eine Behauptung, die Innocenz X. als ketzerisch und schis-
uiutiseh verdammt habe.
Auch zwei portugiesische Werke kamen unter Urban VIII.
In den Index, 1042: Jo. Lopez de Baylo, Justificationes motivornm,
, . (|uibus Kegia Audientia moveri debet ad procedendnm ad occn-
IMitloneni temporalitatum et bannimentum contra £pi6C. Algarvensem
» Ant. Nusco . . (nochmals verb. 1646), und 1640: De manu
i'ogia tnictatuH Gabrielis Pereira de Castro, Lissabon 1622 a. s.,
g hil. (Schulte S. 755). Albit. p. 41 tadelt das Buch, weil darin
illfi der kirchlichen Immunität und Freiheit widersprechenden Ge-
HnUn Überhaupt vertheidigt und speciell behauptet werde, die staat-
ll«ib«in (ii'Hctze gegen Ketzer seien gültig, wenn sie nur nicht dem
(iftiMifiiHclien Rechte widersprächen, und die weltlichen Richter könnten
dMiiifii die vom (ilauben Abgefallenen bestrafen, — quot verba, tot
Miiffidacin; --• der Vater des Verfassers, ein gelehrter und sonst der
kirfdilicben .lurisdiction feindlicher Mann, habe doch in diesem Punkte
dur Wahrheit die Khre gegeben.
I.'nler InnocenzX. wurde in einem Decrete vom 18. Dec, 1646
Ml*^«. No. 51) das Verbot einiger Schriften wiederholt und eine
UtAUti von anderen Büchern verb., mit d. c. Fr. de Amaya In tres
|///iit, lihroH cod. Justin, oomm., 1639 (Nie. Antonio 1, 400); Mau-
nUttu *U: Al/edo, De praecellentia episcopalis dignitatis deque epi-
^4:h\ii fundionibus . . ., 1030 (Schulte 3,1, 756), und J. B. Larrea,
AtU'tfiiiinui*.n ÜHcalcs, — unbedingt: De tertiis debitis . . Kegibus
H)*|/. t.K . . rebus oninibus, quae decimantur, auth. Jo. del Castillo
>/' / I^<:iii|icri', Ilctnichtuiigcn 2, 27. — Der Bischof von Gent, welcher das
Vi.i1;oi. dl« crHfi'ii Ihichüs von Salgado und anderer Bücher publicirt hatte,
K$itu\i HJ29 von der Bpan. Regierung einen Verweis. Snppl. ad Opp. v.
i\*^*t9hf App. p. 32 ; H. (). S. 22.
Solorzaoo. Lopez. Pereira u. a. 976
Sotomayor; Defensa de la antoridad real en las personas eclesiasticas
. . por Fr. Marti j Villadamor 1646; De la potestad secular en
loB eclesiasticoß . . por Narciso de Peralta, 1646 (Schulte S. 762);
De lege politica ejusque natural! executione et obligatione, tarn inter
laicos quam inter ecclesiasticos, ratione boni communis, auth. Petro
Gronzalez de Salcedo (Cler. reg.). Albit. p. 283 sagt, dieses
Bach sei zu Madrid mit Approbation des Erzbischofs von Toledo ge-
druckt; der Verfasser weiche bezüglich der Geltung der Bulla Coenae
in Spanien von Salgado ah, sei übrigens ejusdem farinae homo ; 1681
wurde eine vermehrte Ausgabe des Werkes, Madrid 1678, verb.
— In demselben Decrete von 1646 wurden auch zwei portugie-
sische Bücher mit d. c. verb.: Fracticae quaestiones canonicae et
civiles ... ex manuscr. Fetri Cenedo, und Decisiones . . . senatus
archiepisc. Olysipon. . . . coUectae ab Em. Themudo de Fonseca.
— Der Nuncius verlangte, die 1646 in Rom verbotenen Bücher
sollten auch in Spanien verboten werden; das Verbot wurde aber
von dem Rathe von Castilien retinirt (Fuente 5, 443). Marti und
Peralta stehen jedoch auch, zwar nicht bei Sot., aber in den späteren
Span. Indices.
Nachdem 1641 Portugal von Spanien wieder unabhängig ge-
worden, bemühte sich der neue König Johann IV. unter Urban VIII.
und Innocenz X. lange vergebens, die päpstliche Anerkennung zu
erlangen. Auch den von ihm ernannten Bischöfen wurde die Be-
stätigung verweigert. Ismael Bouillaud (Bullialdus, Convertit; Häss,
Convertiten 5, 238) schrieb 1649 einen Tractat, um nachzuweisen,
dasB der König, nachdem er acht Jahre vergebens gebeten, die
Bischöfe durch die Metropoliten könne consecriren lassen. 1651
schrieb er im Namen Johanns IV. einen zweiten Tractat, um den
französischen Clerus um Kath und Vermittlung bei dem Papste zu
bitten. Beide Tractate (Pro ecclesiis lusitanicis ad clerum gallicanum
11. 2) wurden 1656 zu Strassburg mit einer Dissertation De populi
Rom. fundis gedruckt (abgedr. bei Gerdes, Scrin. 8, 499). Nie. 1, 330
sagt, Bouillauds Ansichten seien von der Inquisition verdammt worden.
Sein Vorschlag wurde von der portugiesischen Inquisition für un-
zulässig erklärt^). In Rom scheint man davon keine Notiz genommen
zu haben; wenigstens steht die Schrift nicht im Index.
1651 wurde ein spanisches Buch über die Gesetzgebung in
dem damals unter spanischer Herrschaft stehenden Sardinien verb.:
De las leyes y pragmaticas reales del reyno de Sardefta, compuestas
y comentadas por Don Franc, de Vico, libro 1. y 2. — Nach
längerer Unterbrechung kamen unter Innocenz XI. und Alexander VIII.
noch in den Index: zwei auf einen Process des Capitels von Sara-
gossa im J. 1645 bezügliche Actenstücke, unter Luis de Exea y
Talayero und Memorial, verb. 1676, ein zuerst 1649 zu Coimbra,
1678 zu Genf gedruckter Tractatus de foro ecclesiastico von Feli-
cianus de Oliva e Souza, General vi car von Braga (Schulte S. 763),
1) Ganis, KirchcDgesch. v. Spanien 3, 2, 282,
876 RegaliBtexL
mit d. c. verb. 1682, — Statuta et privilegia vallis Antigorii (der
Republik Andorra) ed. Fr. de Villegas et Contardi, Genf 1685,
verb. 1688, und zwei auf transatlantische Yerhältnisse bezügliche
Bücher: Petrus Frassus, De regio patronatu ac aliis nonnullis re-
galiis regibus catholicis in Indiarum occident. imperio pertinentibus
qnaestiones, Madrid 1677, verb. 1688, und Discurso juridico poli-
tico en defensa de la jurisdiccion real, ilustracion de la proyision
de 20. Febr. 1684, por el Dr. Juan Luis Lopez del Consejo de
S. M., Lima 1785, von der Inq. verb. 1690. Ein von diesem Lopez
verfasster Foliant: Historia legal de la Bula llamada In Coena Do-
mini, wurde erst 1768 mit einer Vorrede von Campomanes gedruckt
(Pelayo 3, 156) und steht nicht im Index.
2. Gegen die neapolitanischen Hegalisten begann die Index-
Congr. schon 1605 einzuschreiten. Camillo de Curte, Reggente
(Präsident) des höchsten Gerichtshofs und Yicekanzler des Reichs,
veröffentlichte 1605 Diversorium juris feudalis. Im 2. Theile be-
spricht er die üblichen Mittel zur Yertheidigung der königlichen Juris-
diction gegen die Prälaten : erst Warnung, dann Citation nach Neapel,
eventuell Sperrung der Temporalien und Verbannung. Dieser 2. Theil
wurde sofort 15. Dec. 1605 verb., und zwar omnino et sub anathe-
mate (dieses ist in den Indices weggelassen). Der Viceköuig Graf
von Benaventa verweigerte natürlich für das Verbot das Exequatur
(Giannone, Op. 12, 462). — Petri de Urries Aestivum otium ad
repetitionem rjtus 235. Magnae Curiae Vicariae Neapel, (nach Gian-
none p. 264 über die requisiti del chiericato da riconoscersi da qnel
tribunale) wurde 1627 verb., das Verbot aber gleichfalls von dem
Vicekönig unterdrückt. — 1651 wurde verb. Caroli Gala, JC. in
supremis Regni tribunalibus advocati, de contrabannis clericorum in
rebus extrahi prohibitis a regno Keapolitano dissertatio juridico-
politica, worin, wie Albit. 314 klagt, behauptet wird, die Bulla
Goenae sei in Neapel nicht recipirt.
1623 wurde unbedingt verb. Petri Gambacurta (Jesuit, f zu
Palermo) Commentariorum de immunitate ecclesiarum in constitu-
tionem Gregorii XIV. libri VIII, Lugd. 1622, 690 S. 4., — mit
d. c. Martha de jurisdictione. Erst Ben. hat den Titel vervollstän-
digt: Tractatus de jurisdictione per et inter judicem eoclesiasticum
et saecularem exercenda (Mog. 1609 u. s.), nennt aber den Verfasser,
einen Neapolitaner, der als Professor in Padua 1623 starb, Horatius
statt Hyacinthus Antonius Marta^). Albizzi in seiner Risposta gegen
Sarpi p. 315 fühi-t Marta und Botero als Beweis dafür an, dassman
nicht bloss Schriftsteller, die für die Autorität der Fürsten einträten,
sondern auch solche, welche die päpstliche Autorität erhöhten, in
den Index setze.
Fer. V. 15. Jan. 1654 erliess die Inquisition ein Decret
(Alex. No. 58) folgenden Inhalts: In Rom und vielleicht auch an
1) Grazie Marta hat 1616 Rime drucken lassen. Nioodemo-Toppi
85. 192. Schulte S. 467.
C. de Curte. P. de ürriee. C. Cala u. a. 877
anderen Orten oirculire ein spanisches Manuscript, beginnend Por
maoo d'este Nuncio recivio Su Excelencia una carta, dem Vernehmen
nach verfasst von Benedictus de Treglies, Collateralis Consilii s.
Cancellariae Neapolitanae Regens; darin komme ausser anderen te-
merären und scandalösen Sätzen der Satz vor: der Papst könne
seine geistliche Jurisdiction über Personen und Sachen ausserhalb
des Kirchenstaates nur mit Genehmigung des Landesherrn ausüben
and dieser habe das Kecht, päpstliche Rescripte daraufhin zu prüfen ;
dieser Satz sei auf Befehl Innocenz' X. von Qnalificatoren der In-
quisition geprüft und einmüthig für schismatisch und häretisch er-
klärt worden; demgemäss verbiete die Inq. in speciellem Auftrage
Seiner Heiligkeit jenes Manuscript, spanisch und in Uebersetzungen,
bei den im Index angedrohten Strafen; der Verfasser aber möge
wissen, dass er, wenn er nicht baldigst sich expurgire, mit
Censuren und anderen kirchlichen Strafen werde belegt werden.
Das Manuscript kam dann unter Bened. de Treglies quoddam ma-
nnscriptnm in den Index Alex. Da aber Treglies in einer der Index-
Congr. übersandten Supplik erklärte, die Schrift sei nicht von ihm
(Zacc. p. 225), steht seit 1681 im Index: Benedicto de Treglies
falso adscriptum quodd. mscr., seit Ben. mit Weglassung des Namens
Liber ms., cujus initium etc., und so steht dieses Verbot, welches
ohne Zurückgehen auf das Decret von 1654 ganz unverständlich ist,
noch heute im Index ^).
In den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrh. kamen aus Neapel
noch in den Index Franc. Roccus, Franc. Broya und mit d. c. Ca-
rolus Ant. de Luca.
In dem oben erwähnten Decrete von 1646 wurden auch mit
i. c. verb. des toscanischen Juristen Franc. Ansaldus De juris-
iictione tractatus, Lugd. 1646 (Mazzuch. s. v.), unbedingt ein sici-
lianisches Buch : Codicis legum Sicularum libri 4 a totidem Siciliae
?t Aragoniae regibus latarum cum glossis s. notis juridico-politicis
Siarii Cutellii (Villae Rosatae Comitis), von demselben 1654: De
prisca et recenti immunitate Ecclesiae et ecclesiasticorum controversiae,
Fem. prior. Albit. p. 283 sagt, dieses letztere Buch und das des
Gonzalez de Salcedo seien schon vorher von einigen italienischen
Bischöfen verb. worden, obschon sie zu Madrid mit Approbation
les Erzbischofs von Toledo erschienen seien; er führt dieses als
Beispiel für den Satz an, dass Bischöfe solche Verbote erlassen
cönnten, wenn sie sähen, dass die Bücher weltlichen Richtern Anlass
^äben, die kirchliche Freiheit und Immunität zu verletzen. — 1687
vnrde noch verb. Responsio decisiva . . . Phil. Cammarata et
?oyo, Palermo 1663.
3. Der 1. Band der Annalen des Baronius erschien 1588,
ler 2. 1590 (beide Sixtus V. gewidmet), der 3. 1592 (Philipp II.
gewidmet), der 4. 1593 (Clemens VIII. gewidmet), der 5. 1594.
Ichon diese Bände erregten in Spanien Anstoss. In einem Briefe
1) Im span. Index stehen unier Copia und sonst viele Manuscripte.
378 Begalisian.
vom 29. Juni 1594 schreibt Bar. an Antonio Talpa: Er höre von
verschiedenen Seiten, dass in Spanien die Inquisitoren seine Anualen
censurirten. Ein Mädchen aus Temi, welches seit vielen Jahren
bei ihm beichte, <»in ganz einfältiges Geschöpf, welches aber von
Gott eine besondere Gabe habe, viele Dinge vorherzusehen, habe
ihm im Auftrage der Madonna gesagt, er solle sich auf eine schwere
Bedrängniss gefasst machen, die ihn wegen der Annalen treffen
werde; die Madonna aber werde ihn unterstützen, so dass er schliess-
lich den Sieg davon tragen werde. An demselben Tage habe ihm
ein Pater sub sigillo jene Nachrir.ht aus Spanien mitgetheilt. Er
habe mit dem Card. Borromeo, dem Präfecten der Index-Congr.,
und mit dem Card. Cusano gesprochen, und beide hätten ihm ihre
Unterstützung zugesagt. Auch der Papst habe sich wiederholte
über die Annalen lobend geäussert. Der Card. Toledo (der berühmte
Jesuit, f löOf)) sei sein Gegner und habe vielleicht jene Geschichte
angezettelt. „Ich höre, fährt er fort, daös die spanischen Inquisi —
toren ad libitum, ohne Gründe anzugeben, in ihren Index setzen
wen sie wollen, worüber in der ganzen Welt geklagt wird. Ic
bin darauf gefasst, dass sie mich auch hineinsetzen; aber ich hab
grosse Zuversicht, dass die Madonna ihre Sache vertheidigen wird
Sobald die Nachricht sich bestätigt, denke ich zum Papste zu gehe
und ihm klar zu machen, dass die span. Inquisition mich nur ver
dämmt, weil ich ein Vcrtheidiger der kirchlichen Immunität bin
Es trifft sich gut, dass ich als Beweis dafür anführen kann, das
im letzten Jahre Sixtus' V. in Spanien ein Buch von Giov. de Roi
gegen die kirchliche Freiheit mit einer Dedication an den Koni
und mit Approbation der Inquisition erschienen ist, welches in Ron:
gleich als ein blasphemisches Buch in den Index gesetzt wurd
(I S. 537). An diesem Beispiele kann man sehen, von welche
Geiste die span. Inquisitoren beseelt sind. Der Mag. S. Pal., de:
meine Bücher geprüft hat [Barth, de Miranda], ist ein gelehrte
und gewissenhafter Spanier." Am 28. Aug. 1594 schreibt er weiter
am spanischen Hofe spreche man nur lobend von den Annalen; di(
Inquisition scheine also die Sache heimlich zu betreiben und di
könne nur dadurch bekannt geworden sein, dass diejenigen, welche
dort die Bücher prüften, an ihre Patres in Rom darüber geschrieben r
er habe nochmals mit dem Card. Borromeo gesprochen und dieses
wolle dem Papste rathen, in der Weise, wie Talpa empfohlen^
die Inquisition zu schreiben (Baronii Epp. ed. Alberieius 3, 65. 67)4
Gegen die ersten 10 Bände geschah aber in Spanien nichts.
Der 11. Band erschien 1605. Am 7. Nov. 1604 schreibt'
Bar. an Talpa: er habe ihm den Tractat (über die Monarohia Sicula^
nach Neapel geschickt, nicht als ob er im Zweifel darüber gewesen*
ob er ihn verötfentlichen solle, denn er werde mit Zustimmung des*
Papstes gedruckt werden, sondern um von ihm zu hören, wie
in Neapel werde aufgenommen werden; er habe aber Talpa's Rath'
entsprechend einiges geändert, um gar nicht gegen die dem König
schuldige Ehrfurcht zu Verstössen; auch der Papst und einige Car--
dinäle hätten einige Milderungen für rathsam gehalten, und daran
Card. Baronius. 879
er gern eingegangen (Epp. 3, 133). — In einer im März 1605
}h dem Tode Clemens' VIII. gehaltenen Versammlung der Car-
äle wurden zwei Briefe des Vicekönigs von Sicilien, einer an
mena VIII., einer an die Cardinäle, vorgelegt, worin über den
ictat geklagt und verlangt wurde, derselbe solle als der Verbes-
ang bedürftig (also mit d. c.) verboten werden. Die Ansichten
• Cardinäle waren getheilt. Bar. vertheidigte sich: der Tractat
von Clemens VIII. und mehreren Cardinälen gutgeheissen und auf
fehl des Papstes gedruckt worden. Man beschloss auf den Vor-
lag des Card. Medici, die Sache dem neuen Papste zu überlassen.
*d. Medici wurde selbst Papst, Leo XL, starb aber schon nach
Tagen. Nun hatte Bar. Aussicht, gewählt zu werden, erhielt
ir von Spanien die Exclusive. Nach der Wahl Pauls V. schrieb
r. 13. Juni 1605 an Philipp IIL Er sagt selbst, er habe ab-
itlich bis dahin gewartet, um nicht den Schein zu erwecken, als
>e er vor dem Conclave den König umstimmen wollen. An die
:theilung, der Papst habe den Tractat selbst vor dem Druck ge-
en und durch drei Cardinäle prüfen lassen, knüpft er die Be-
rkung : Mögen also Laien einsehen, wie bedenklich es für sie ist,
iriften, die vom apostolischen Stuhle gutgeheissen sind, zu ver-
nmen und zu verbieten. Weiter sagt er: sein Tractat sei zwar
I den Dienern des Königs übel gedeutet worden ; von Sr. Majestät
ge er aber nicht anders denken, als von dem katholischen Könige
denken sei (Epp. 1, 97; 2, 203).
Jo. Moretus, der in Antwerpen die Annalen des Baronius nach-
ickte, bemühte sich vergebens, von der span. Eegierung die Er-
bniss zum unveränderten Abdruck des 11. Bandes zu erlangen,
[ schlag darum Bar. vor, er wolle den Tractat weglassen ; dieser
5r bestand in einem Briefe aus dem J. 1606 darauf, der Band
le ohne Weglassung einer Zeile oder gar nicht gedruckt werden :
as ist die grösste Verwegenheit, ein mit apostolischer Autorität
Irncktes Buch eines Cardinais der h. Kömischen Kirche wegen
end eines Vorwandes der regierenden Herren zu verstümmeln.
Lube mir, es ist besser, dass du die schon gedruckten Bogen Ver-
dens gedruckt, als dass du vor der ganzen christlichen Welt von
• als Verstümmeier von Büchern öffentlich angeklagt wirst und
lern Schaden leidest. Der Band ist nicht nur in Kom, sondern
;h in Venedig und Mainz gedruckt worden. Die Entschuldigung,
du in deinem Briefe vorbringst, gilt nichts in meinen Augen
T in den Augen irgend jemands, der erwägt, von welchem Ge-
}hte die Schriften der Cardinäle der h. Römischen Kirche sind"
irmann, Sylloge 1, 738; 2, 185). Der Band erschien jedoch
Antwerpen wirklich ohne den Tractat. — In dem 1607 erschie-
len 12. Bande (a. 1186 n. 26) sagt Bar. : es sei dictu nefas, hor-
dum factu, dass königliche Beamte den Buchhändlern verböten,
iriften, die vom Papste approbirt seien, ohne specielle Erlaubniss
verkaufen. Dieser 12. Band ist der letzte, den Bar. herausge-
)en. Er starb 30. Juni 1607.
1609 erschien zu Paris, gewissermassen als Supplement zu
880 Regalisten.
dem 11. Bande der Antwerpener Ausgabe C. Baronii Tractatns
de mon. Sic. Accedit Ascanii Card. Columnae de eodem tractatu
Judicium cum Baronii responftione apologetica et epist. ad Philip-
pum III. (Der Brief des Card. Colonna an Bar., worin er ihm vor-
hält, dass er nimis acri stilo geschrieben, und Baronius* Antwort
stehen auch in den Epp. 2, 165). Der Nuncius in Madrid erhielt
darauf 27. Apr. 1610 den Auftrag, wenn die Rede darauf komme,
zu versichern, der Papst sei über diese Publication sehr betrübt
und habe Befehl ertheilt, alle nach Italien kommenden Exemplare
einzuziehen; er sollte zugleich die Veröffentlichung einer Entgegnung
oder weiterer Schriften hintertreiben (Laemmer, Melet. p. 281).
Das Edict Philipps III. ist vom 3. Oct. 1610, wurde 17. Dec.
in Sicilien durch den Card. Doria, 19. Febr. 1611 in Portugal,
28. Febr. in Neapel publicirt (Arg. III b. 590. Groldast, Monarchia
3, 619. Seabra 2, 98. fiOl). Die Verbreitung von Ausgaben des
11. Bandes, welche den Tractat enthalten, wird darin bei Strafe von
500 Gulden, im Wiederholungsfälle bei fünfjähriger Verbannung
für Adeliche, bei Galeerenstrafe für andere verb. ; mit derselben
Strafe werden diejenigen bedroht, welche den Band nicht binnen
20 Tagen zur Expurgation abliefern. In der Motivirung des Ver-
botes heisst es: der Cardinal spreche in dem Tractate mehr als An-
kläger wie als Geschichtschreiber, in Ausdrücken, die sich für seinen
Stand nicht ziemten; er lasse sich von seinem persönlichen Affect
hinreissen und bekunde Unkenntniss der geschichtlichen Wahrheit
u. s. w. Die Angabe, Philipp III. habe den Band öffentlich ver-
brennen lassen, ist unrichtig (Clement 2, 452). 1611 — 12 bemühte
sich Paul V. vergebens, durch den Nuncius in Madrid und den
Beichtvater des Königs die Aufliebung des Verbotes zu erwirken
(Laemmer, Melet. p. 300 — 321).
In Rom erregte der 12. Band der Annalen Anstoss, weil Bar.
darin (a. 1191 p. 84) die Echtheit der Constantinischen Schenkung
preisgegeben hatte. Card, du Perron (Perroniana s. v. Constantin)
sagt: man habe diesen Abschnitt censuriren wollen; er habe es ver-
hindert. Ausführlicher berichtet darüber Bellarmin in einem Briefe
an Baronius vom 9. April 1607 (Laemmer, Melet. p. 364): ,,Da
Sie die Approbation des Papstes haben, meine ich, Sie sollten nichts
ändern ; das wird Ihnen ohne Zweifel auch Card, du Perron sagen.
Als der Papst im Consistorium mit mir darüber sprach, sagte er,
er habe gehört, dass Sie die Schenkung Constantins anzweifelten.
Ich antwortete: die Schenkung sei nicht zu begründen; aber wenn
Sie das Diplom Otto's I. bestritten, so sei das eher eine Vertheidi-
gung als eine Verwerfung der Schenkung; am Schlüsse tadelten
Sie freilich diejenigen, welche so viel Werth auf jenes Edict Con-
stantins legten, als ob ohne jene Schenkung die Kirche untergehen
müsse. Darauf sagte Se. Heiligkeit: alle Canonisten hielten sie für
sicher^) und darum wünsche er, dass sie nicht bestritten werde.
1) „Noch um 1570 zählte der berühmte Franz Hursatus 22 Cano-
Card. Baronius. A. Bzovius. 381
Du Perron erzählt, er habe einmal mit dem Papste darüber ge-
iprochen; derselbe habe ihm nur lachend geantwortet; Chevolete?
Canonici la tengono.] Später brachte mir der Benedictiner Don
jonstantino [Gaetano, S. 294] ein Schriftchen, welches er für die
Schenkung gesclirieben; nachdem ich es gelesen, sagte ich ihm, es
)e weise gar nichts . . . Card. Monreale meinte, Sie sollten die
Stelle: Habemus firmiorem propheticum sermonem weglassen; die
iVorte passten nicht auf die weltliche Herrschaft, die der Papst
loch nicht jure divino zu besitzen behaupte. Ich antwortete: Sie
sollten mit jenen Worten auf die geistliche Autorität des Papstes
iinweisen, die er nicht von Constantin habe, wie jenes Edict an-
leote, sondern von den Worten des Evangeliums. . . . Ich meinte
infangs, Sie sollten dem Papste und den Canonisten zu G-efallen
lie vier letzten Zeilen weglassen: Haec dixisse et aperuisse volui-
nus etc. Aber da der Papst die Stelle, die Card. Monreale mit
iinem Strich bezeichnet hatte, gelesen und nichts eingewendet hat,
i¥Ürde ich sie nicht weglassen, da ich für die Weglassung keinen
Indern Grrund hatte, als den Papst nicht zu betrüben."
Der Auszug aus Baronius' Annaleu von Henr. Spondanus er-
regte in Frankreich Anstoss (S. 348), der 1617 erschienene 2. Band
1er Fortsetzung des Dominicaners Abraham Bzovius (1567 — 1637,
ier 14. Band der Annalen) in Baiern, wegen der Darstellung der
beschichte Kaiser Ludwigs des Baiern. Der Kurfürst Maximilian I.
liess durch Jacob Keller, den Rector des Münchener Jesuiten-Col-
legs, eine scharfe Widerlegung schreiben, die freilich nicht unter
lem Namen Kellers, sondern unter dem des kurfürstlichen Kanzlers
jeorg Herwart von Hohenburg erschien, — Ludovicus IV. Imp.
lefensus, Bzovius injuriarum postulatus, 1618 — 19 (nochmals ge-
imckt als Annalium eccl. . . . tomi 14. ab A. Bz. conscripti Appen-
iix. Ed. 2. recognita ab auctore, 1621, 184 S. Fol.; Baumg. 2,
237), — und beklagte sich auch bei dem Papste und dem Domini-
janer-General. Bzovius musste sich dazu verstehen, dem Bande
;ine Erklärung beizufügen (sie wurde als Abr. Bzovii Retractatio
ie electione Ludovici IV. Imp. 1628 auch zu Ingolstadt gedruckt)
und in der neuen Auflage (1623) das Anstössige wegzulassen^).
[listen und 73 Juristen mit Namen auf, die alle in der Annahme der Echt-
iieit einig seien." Hergenröther, Kath. Kirche und christl. Staat S. 371.
1) Friedrich, Ueber die Geschichtschreibunpr unter dem Kurf. Maxi-
nilian I., 1872, S. 9. Sitzungsber. der baier. Ak. Phil.-hist. Cl. 1874, S. 48.
S^och vor Herwärts Buch erschien Denfensio Ludovici IV. Imp. ratione
^lectionis contra Bzovium. Auct. Chrph. Gewoldo . . . 1G18 (Clement 9,
173. 466). Bei Ciampi, Innocenzo X. p. 252 berichtet Niccolini 1624:
ier Agent des Kurfürsten habe unter Paul V. und Gregor XV. nicht er-
wirken können, dass Bzovius zu einer Berichtigung angehalten werde,
)b8chon der Kurfürst gedroht di farli dar delle pugnalate und die Domi-
licaner aus Baiern zu vertreiben ; erst Urban VIII. habe Bzovius zu einer
Berichtigung angehalten. Th. Spizel erwähnt in einem Briefe bei J. Bruckor,
Sdiscell., 1748, p. 262: der baierische Kauzler habe seinen Unwillen darüber
a^eäussert, dass» obschon Bzovius dafür gezüchtigt worden, auch in der
dd2 Streitigkeiten zwischen Welt- und Ordensgeistlichen
J. Nicius Eryth., Pin. 1, 198 sagt, Herwärts Buch sei verboten
worden; es steht nicht im Index, vielleicht ist aber der Verkauf
in Rom nicht gestattet worden. — Bzovius erregte auch sonst mehr-
fach Anstoss. Der Florentiner Gesandte Niccolini berichtet : er
habe durch den Mag. S. Pal. Ridolfi erfahren, das« Bzovius über
Lorenzo Medici, Clemens VII. und Cosimo I. ungünstig schreibe;
er sei durch Drohungen und Geschenke bestimmt worden, die Stellen
zu ändern. Auch die Franciscaner und die Jesuiten klagten über
ihn, und Raynaud (Apop. p. 293) erzählt ihm nach: er habe einem
Bande seiner Annalen Sarpi^s Geschichte des Trienter Concils ein-
verleiben wollen (doch wohl nur viel daraus abgeschrieben) ; der
Mag. S. Pal. habe bereits die Approbation ertheilt gehabt ; der
Cistercienser Hilarion Rancati aber noch zur rechten Zeit den Un-
rath gemerkt (pro suavi odore autoris exscripti foetorem odoratus
de morte in olla Pontificem admonuit).
47. Streitigkeiten zwischen Welt- und Ordensgeist
liehen, 1600—1700.
Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts entstanden wiederhol!
lebhafte Gontroversen über die Stellung der Ordensgeistlichen
zu den Bischöfen. Jene beanspruchten vielfach, als unmittelbai
unter dem Papste stehend, von der bischöflichen Jurisdiction
eximirt zu sein. Viele Bischöfe dagegen behaupteten, in ihren
Diöcesen dürfe kein Ordensgeistlicher ohne ihre ausdrückliche
Ermächtigung seelsorgerliche Functionen vornehmen. Der Gegen-
satz trat sehr scharf hervor zwischen den Jesuiten und dem
1623 mit dem Titel Bischof von Chalcedon zum apostolischen
Vicar für England ernannten Dr. Richard Smith , der in
Folge dieser Streitigkeiten 1628 England verlassen mnsste und
bis zu seinem Tode im J. 1655 in Frankreich lebte. Ausser
englischen Geistlichen betheiligten sich auch die Pariser Theologen
FranQois Hallier und Jean du Vergier de Hauranne, gewöhn-
lich Abbe de Saint- Cy ran genannt, — er schrieb anter dem
Namen Petrus Aurelius, — an diesem Streite. Im J. 1633 ver-
Bpitome der Annales Haynaldi Ludwig IV. nicht in der Reihe der Kaiser
stehe und gesagt werde, Carl IV. habe seine Gesetze, weil er ein Ketzer
und Schismatiker gewesen, für nichtig erklärt- Ueber die anderen Händel
8. Bayle 8. v. Bzovius.
in England. ddd
bot die Index-Congregation alle auf die Controverse zwischen
dem Bischof von Chaicedon und englischen Ordensgeistlichen
bezflglichen Schriften, mit der Erklärung, durch dieses Verbot
solle Aber die Sache selbst nichts entschieden und gegen keinen
der betreffenden Autoren eine Censur ausgesprochen werden;
weiteres über die Sache zu schreiben wurde bei Strafe der
reservirten Excommunicatio latae sententiae verboten. Es er-
schienen gleichwohl noch mehrere Streitschriften. Das allge-
meine Verbot ging in den Index über und steht seit Benedict XIV.
in den Decr. gen. II, 4. Speciell verboten wurde nur 1642 ein
Bach des Jesuiten L. Cellot mit d. c. — Im J. 1659 censurirte
die Inquisition" mehrere von französischen Ordensgeistlichen
bei einem Streite mit dem Bischof Henri Amauld von Angers
und mit den Pariser Pfarrern aufgestellte Thesen, verbot aber
zugleich mehrere bei dieser Gelegenheit gegen die Ordensgeist-
lichen erschienenen Schriften. Auch sonst wurden mit Rück-
sicht auf zu weit gehende Behauptungen Schriften beider Parteien
verboten; so eine im Interesse der Orden geschriebene von
Chassaing und eine im Interesse der Weltgeistlichen geschriebene
von Launoj. Als aber die Sorbonne 1664 eine unter dem Namen
Jacques Vernant veröffentlichte Schrift censurirte, in welcher
ausser den Privilegien der Orden auch die Gewalt des Papstes
in sehr weitgehender Weise dargestellt war, wurde diese Censur
durch ein Breve Alexanders VII. vom 25. Juni 1665 verdammt.
— 1693 wurde auch eine massvoll gehaltene, dem Fürstbischof
von Bamberg und Würzburg gewidmete, von dessen Rath J. F.
Karg verfasste Schrift über die Privilegien der Orden verboten.
1. Nachdem die ganze Hierarchie in England von Rom ge-
trennt war, — der letzte Rom treu gebliebene Bischof, Watson von
Lincoln, starb 1584, — wurden für die römischen Katholiken zu-
nächst nicht neue Bischöfe ernannt, sondern gemäss den Vorschlägen
von Parsons und anderen Jesuiten England als Missionsland be-
handelt und an die Spitze der Geistlichkeit ein Erzpriester gestellt^).
Der erste, Georg Blackwell, ernannt 1598, f 1613, fand bei den
Weltgeistlichen vielfach Opposition. Parsons beantragte 1602 das
Verbot von 14 theils lateinischen, theils englischen Schriften gegen
1) Vgl. zum Folj^enden ausser den bereits erwähnten Schriften von
Cerri, Dodd-Tieruey und Butler Racine 13, 624. Flanagan, Hist. of the
Cath. Church 2, 805. Mejer, Die Propaganda in England 1861.
384 Streitigkeiten zwischen Welt* und Ordensgeistlichen.
den Erzpriester und die Jesaiten, darunter einer von John Knsb^
Declaratio motuum ac turbarum, quae ex controversia inter Jesnitas
iisque faventein D. Gr. Blackwell ei sacerdotes seminariornm ab
obitu Card. Alani (William Allen, f 1594) usqne ad a. 1601 . . „
exhibita ab ipsiB sacerdotibus, qui BchismatiR sunt insimalati (Dodd*
Tierny 3, App. 158. 177). Es kam aber zu keinem Verbote. AaclL
ein Buch des gleich zu erwähnenden Richard Smith, Answer to
Bell's Downfall of Popery, wurde von Parsons und seinen Freanden
1609 und 1611 der Inquisition denuncirt, aber nicht verb.
1623 wurde in der Person des William Bishop, Dr. Sorb.,
nicht ein Bischof, aber ein apostolischer Vicar mit bischöflioben
Rechten mit dem Titel Bischof von Chalcedon in partibus infidelinm
bestellt. In dem Brevc vom 23. März 1623 (Dodd-T. 4, App. 273)
heisst es: ad nostram et S. Sedis beneplacitum omnibus facaltatibus
olim archipresbyteris deputatis necnon quibus ordinarii in suis dioe-
cesibus utuntur, . . similiter uti possis. In derselben Weise wurd
von Urban VIII. 4. Febr. 1625 Richard Smith ernannt (Arg. II
340). 1627 erklärte Urban VIII., Smith sei kein Ordinarius
sondern nur ein Delegirter des Papstes. Der Nuncios in Pari
wurde als zweite Instanz bestellt. In Rom wurden die englische
Angelegenheiten in der Propaganda verhandelt, später aber, dami
sie geheimer behandelt werden könnten, der Inquisition überwiesen
(Gern p. 17). — Bishop bildete 1623, vorbehaltlich der Genebmi
gung des Papstes, ein Üapitel, und Smith theilte seine Diöcese i
7 Vicariate, 23 Archidiaconate und eine Anzahl von Decanaten.^
Eine Bestätigung dieser Organisation ist nicht erfolgt, aber anc
kein Widerspruch. Nachdem Smith 1628 England verlassen hatte,K
fungirte ein Generalvicar desselben bis zu seinem Tode, 1655. 163
kam durch das Bemühen des Msgr. Panzani, der seit 1634 al
päpstlicher Agent in England war, eine Verständigung zwisobe
einem Theile der Welt- und Ordensgeistlichen zu Stande; sie wa;
aber nicht von Dauer und die Jesuiten protestirten dagegen (Fla —
nagan 2, 320). — Smith erhielt vorläufig keinen Nachfolger; d
Capitel wurde von den Weltgeistlichen mit stillschweigender Dul
düng Roms als geistliche Oberbehörde anerkannt. In dieser Zei
wurde wiederholt vergeblich die Ernennung eines Biscbofs bean —
tragt; namentlich war der Convertit Sir Kenelm Digby, der zwei —
mal als Gesandter der Wittwe Carls I., Henriette Marie, in Ro
war, dafür thätig. H. Holden und Th. White (Blackloe, s. § 49
sollen vorgeschlagen haben, man solle in Frankreich einen Bischof
England weihen lassen; der Papst werde das fait accompli ane
kennen, — ein Project, welches als Blackloe's Cabal wiederholt e
wähnt wird (Butler 2, 420. 425). 1685 wurde John Leybam snm
apostolischen Vicar ernannt (f 1703), 1688 wurden vier apostolische
Vicare bestellt. Erst 1850 ist durch Pius IX. die biscböflicbe Hie-
rarchie wieder hergestellt worden. — Benedict XIV. regelte 30.
Mai 1753 das Verhältnins der apostolischen Vicare zu den Ordens*
geistlichen (Mejer, S. 105); Leo XIII. erliess wegen der difficnl-
Der Bischof von Chalcedon. 885
tatea et dissenRns unter den Bischöfen und Ordensgeistlichen wie-
der eine Bulle vom 8. Mai 1881 (A. J. P. 20, 811).
Zur Vertheidigung des Bischofs von Chalcedon schrieb Dr.
Matthew Kellison, Eector des englischen Collegs zu Douay: A
Treatise of the Hierarchie and divers Orders of the Church against
the anarchie of Calvin, Douay 1629. Im J. 1630 erschienen eng-
lisch, 1631 in lat. Uebersetzung zwei Schriften von Jesuiten gegen
den Bischof: A modest and briefe discussion of some points tanght
by Dr. M. Kellison in bis Treatise of the Ecclesiastical Hierarchy,
Rouen 1630; Modesta et brevis diseussio aliquarum assertionum
D. Doctoris Eeliisoni, quas in suo de eccl. hier, tractatu probare
conatur, Aut. Nie. Smithaeo, Antw. 1631, 262. S. 12 (der Verfasssr
hiesB eigentlich Matthew Wilson, nannte sich aber gewöhnlich
Eduard Knott; die lateinische Uebersetzung ist von Georg Wright),
— und An Apology of the Holy See Apostolick's proceeding for
the govemment of the Catholicks of England during the time of
persecution, with a defence of a religious state, written by Daniel
of Jesus, Reader of Divinity, Rouen 1630; Danielis a Jesu Apologia
pro modo procedendi Sedis Apost. in regimine Angliae catholicorum
tempore persecutionis cum defensione religiosi status. Praefixa Ad-
monitione ad lectorem Hermanni Loemelii, S. Th. Lic. et Canonici
Kegul. Eccl. cath. Audomarensis , Audomaropoli (Saint Omer)
1631. Der Verfasser dieser Schrift einschliesslich der Admonitio
liiess John Floyd. Der Bischof selbst betheiligte sich an der Con-
"troverse nur mit Brevis et necessaria declaratio juris episcopalis,
aiQot. Richardo Smith, Calais 1631. Gleichzeitig erschien Bref narre
^e ce qui s'est passe en suite du differend meu en 1625 entre
l'Evesque de Chalcedoine, delegne du Pape aux royauraes d'Angleterre
et d*Ecosse, et les Jesuites Anglois, 1631. Die beiden Schriften
^on Knott und Floyd (die englische Ausgabe) wurden 1631 von dem
Krzbischof de Gondi von Paris, der Sorbonne und der Assemblee
du Clerge sehr scharf censurirt; die Censuren erschienen 1631 zu
Paris gedruckt: Censura Parisiensis Archiepiscopi die 30. m. Jan.
1631 in quasdam propositiones hibernicas (Sätze, welche Ordens-
^eistliche ip Irland vorgetragen haben sollten, Arg. IIb 328. 357)
et duos libellos anglicanos etc.; Censura propositionum quarundam
3am ex Hibernia delatarum, tum ex duobus libris anglico sermone
^onscriptis, in latinum bona fide conversis excerptarum per S. Fa-
zsaltatem Theol. Paris, facta (Arg. II b 329) ; Epistola Archiepisco-
pornm et Episc. Parisiis nunc agentium ad Archiepiscopos et Episc.
Regni Galliae super animadversione duorum libellorum quorum tituli
aunt etc. Gegen diese Censuren erschienen: Antonii Goffar S. Th.
Dr. Vindiciae pro Nie. Smithaeo contra censuram nomine Facultatis
Paris, editam in ejusdem librum cui nomen: Modesta etc., Leodii
1631 (von Knott?), und Hermanni Loemelii Antwerpiensis . . .
Spongia, qua diluuntur calumniae nomine Facultatis Paris, impositae
libro qui inscribitur Apologia etc., nee non Ecclesiae anglicanae
Qnerimonia apologetica de censura aliquot episcoporum Galliae in
duos fibrös anglicanos, Audomaropoli 1631, 242 S. 8. (von Floyd;
Reuscli, Index II. 25
386 Streitigkeiten zwischen Welt- und Ordensgeistlichen.
die Qnerimonia auch besonders gedruckt). Diese Schrift Hess das
Parlament von Ronen als libelle diifamatoire, plein dMmpoBtares et
de calomnies verbrennen (Arg. II b 359). — Die Cansiir der Sor-
bonne wurde von einem englischen Jesuiten parodirt in der Form
einer theologischen Censur des apostolischen Symbolum, dessen ein-
zelne Artikel als mehrdeutig, einer ketzerischen Deutung fähig n. s. w.
bezeichnet werden (Arg. IIb 351; Raynaud, Apop. p. 37), abge-
druckt als Anhang zu der Relatio von Vargas (Scioppins, S. 289)
und mit dieser verb. 1665.
Nun erschienen von Francjois Ballier, Dr. der Sorbonne, Defen-
sio ecclesiasticae hierarchiae seu vindiciae censurae Fac. Theol.
Paris, adv. H. Loemelii Spongiam, quo libro perspicue et copiose-
explicantur quaestiones praecipuae de statu Ecclesiae perfeetae, d&
sacramento confirmationis, de episcopis et curatis, de hierarchiae
eccl. membris omnibus, de regularium statu etc., de duplici honor
Delegatis apostolicis debito, Par. 1632, 4.,. und drei Schriften von
Jean du Vergier de Hauranne, Abb^ de Saint-Cyran, unter dem
Namen Petrus Aurelius Theologus: Assertio epistolae 111. ac Bev.
Galliae Antistitum, qua libros Nie. Smithaei et Danielis a Jes
damnarunt, adv. librum cui titulus: Querimonia Eccl. Angl., 1632
— Vindiciae censurae Fac. Theol. Paris, seu responsio dispunctori
ad libellum, cui titulus H. Loemelii Spongia, cujus mendacia, con
tumeliae, ignorantiae et haereses novissimae in censuram S. Fac*
Paris, adv. librum pseudonymum Danielis a Jesu de regimine Ekscle
siae Anglicanae eruuntur et refelluutur ad verbum inserto texta ip
sius auctoris, Par. 1632 ; — Confutatio collectionis looorum, qaoi
Jesuitae compilarunt tanquam sibi contumeliosos et injuriosoB ex
defensione epistolae Episcoporum Galliae et censurae S. Fac. Paris
a Petro Aurelio edita, 1633. — 1633 erschien noch von Nie l
Maistre, episc. Lombariensis, Instauratio antiqui episcoporum prin
cipatus et religiosae erga eosdem monachorum et clericorum omni
observantiae, cui praemissa est confutatio rationum, quas Sorbonica
censurae objecit Spongia.
In einem Breve an die englischen Katholiken vom 9. Ma:
1631 erklärte Urban YIII.: die Ordensgeistlichen seien kyft aposto
lischer Autorität berechtigt, ohne Autorisation des Ordinarius Beichi
zu hören; es solle nicht weiter über die Sache gestritten werden
weitere Erläuterungen seien vom apostolischen Stuhle zu erbitten.
Unter dem 19. Mai 1633 erliess die Index-Congr. folgendes Deore
(Alex. No. 41): Da zwischen dem Bischof von Chaloedon and de
Ordensgeistlichen von England in den letzten Jahren einige Streitig- —
keiten entstanden und aus Anlass derselben verschiedene Bücher*^
veröfifentlicht worden sind, von denen die Anhänger beider Parteien.
behaupten, es seien darin mehrere der katholischen Lehre wider-
sprechende Sätze enthalten, zum Schaden der öffentlichen Buhe und
der brüderlichen Liebe, so hat die Index-Congr., — um allen Zwistig-
keiten gründlich ein Ende zu machen und den christlichen Frieden
unter den Gläubigen zu befestigen, im Anschluss an die apostoliBohen
Schreiben, welche von Clemens VIII. unter dem 5. Oct. 1602 and
IPt, Hallier. Petrus Aurelius. dQl
von Urban VIII. unter dem 9. Mai 1631 zum Zwecke der Unter-
drückung jener Streitigkeiten in England und des Verbotes jener
Bücher erlassen worden, welche aber zu anderen Nationen noch
nicht gelangt sind, — beschlossen, dass alle und jegliche Bücher,
Tract-ate und andere Schriftstücke, welche in irgendwelcher Sprache
und an irgendeinem Orte gedruckt oder auch nur geschrieben sind
und sich auf die besagten Streitigkeiten beziehen oder in irgend
einer Weise direct oder indirect darauf bezogen werden können oder
welche die besagten Streitigkeiten ex professo und unmittelbar oder
gelegentlich und mittelbar irgendwie berühren, zu unterdrücken
seien, wie sie dieselben durch gegenwärtiges Beeret gänzlich unter-
drückt, indem sie allen Gläubigen in der ganzen Welt, welchen
Standes und Eanges sie auch sein mögen, bei Strafe der dem Papste
reservirten Excomm. 1. sent verbietet, in Zukunft über diese Dinge
etwas drucken zu lassen, zu schreiben oder irgendwie darüber zu
handeln oder zu disputiren oder Fragen anzuregen. Damit aber nie-
mand von diesem Decrete Anlass nehme, gegen andere Beschul-
digungen oder Vorwürfe auszusprechen, erklärt die Congregation
ausdrücklich, dass sie für jetzt nicht beabsichtigt, über die Sache
selbst (de meritis causae) etwas zu bestimmen oder gegen irgend einen
Autor oder gegen irgend ein Werk einen Tadel oder eine Censur
auszusprechen (ignominiam aliquam vel notam malae doctrinae in-
ferre). Das Urtheil über alles dieses dem apostolischen Stuhle für
eine gelegene Zeit vorbehaltend, gebietet sie vielmehr für jetzt,
dass vor der Entscheidung des apostolischen Stuhles niemand münd-
lich oder schriftlich die Bücher, Tractate u. s. w. der Gegenpartei
oder ihre Verfasser als ketzerisch oder dogmatisch irrig oder der-
gleichen bezeichnen soll (haeresis vel malae doctrine nota seu alia
qoacunque afficiat).
Mit diesem Decrete war der Streit aber keineswegs zu Ende.
Noch im J. 1633 erschien zu Paris eine Disquisitio decreti S. Con-
gregationis ad Indicem etc. (abgedr. im Journal de Saint- Amour,
Rec. 27—29). Die Schrift ist an die Cardinäle der Congregation
gerichtet und enthält u. a. folgende Sätze: Das Decret wird von
manchen für unecht gehalten; es ist in Rom nicht angeheftet, aber
freilich in der Gamerald ruckerei gedruckt versandt worden. Es be-
zieht sich nach seinem Wortlaute nicht nur auf die von einzelnen
herausgegebenen Streitschriften, sondern auch auf die Erklärungen
der französischen Bischöfe, des Erzbischofs von Paris und der Sor-
bonne über einige dieser Schriften. Ueber diese Erklärungen mag
der Papst ein Urtheil abgeben; aber der Index-Congr. steht es
nicht zu, sie zu unterdrücken und die ganz richtigen Erklärungen
unserer Bischöfe und Theologen, wie: die Privilegien der Ordens-
geistlichen könnten vom Papste zurückgenommen werden, die Oberen
der Ordensgeistlichen ständen nicht über den Bischöfen u. dgl., in
derselben Weise zu verbieten wie die schmählichen Sätze in den
Gegenschriften (unter den Beispielen daraus wird auch die execra-
bilis censura symboli apostolici aufgeführt). Floyd veröffentlichte
darauf Defensio decreti S. Congr. ad Indicem pro suppressione libro-
388 Streitigkeiten zwischen Welt- und OrdensgeistliclieiL
rum quomncunqne ntriusque partis in controversia Episcopi Chalced.,
dati Eomae 19. Martii 1633, qua contumax ejasdem sacri decreti
disquisitio refutatur per Hermannum Loemeliam, Köln 1634. Diese
Schrift wurde 29. Nov. 1643 von einer Versammlung von franzö-
sischen Bischöfen verdammt, welche zugleich die Verdammung der
Schriften von Ed. Knott und Floyd mit Angahe der richtigen
Namen der Verfasser, die man in der eben 1643 erschienenen Bi-
bliotheca Scriptorum Soc. Jesu von Alegambe fand (Arg. II b 324),
wiederholte. Das ProtocoU der Versammlung wurde 1644 als Pro-
ces verbal de Tassembl^e etc. gedruckt (abgedr. im Recueil des actes
du ClergÄ 1, 574 und bei Saint- Amour p. 29).
Der Abb^ de Saint-Cyran hatte den Namen Aurelius ange-
nommen mit Eücksicht auf den Augustinus, an dem sein Frennd
Cornelius Jansenius damals arbeitete. Wer sich hinter diesem Namen
verbarg, war aber noch 1635 unbekannt; denn als die AssembUe
du Clerg^ in diesem Jahre seine Schriften approbirte und dem Drucker
derselben eine Subvention bewilligte, beauftragte sie zwei Mitglieder,
sich bei Filesac, dem Decan der theologischen Facult&t, nach dem
Namen des Verfassers zu erkundigen. Die AssembUe von 1641
Hess eine (wahrscheinlich von M. Barcos unter des Verfassers Lei-
tung veranstaltete) Sammlung der unter dem Namen Petrus Aurelius
erschienenen Schriften, die Assembl^e von 1645 — 46 eine zweite
Auflage derselben auf ihre Kosten drucken: Petri Aurelii Theologi
Opera, jussu et impensis Cleri Gallicani denuo in lucem edita. In
tres tomos distributa, Par. 1646*, ein starker Folioband ; die beiden
ersten Theile enthalten die oben genannten Streitschriften, der erste
auch eine geschichtliche Darstellung des Streites, der 3. Adv. Jac.
Sirmondum De canone Arausicano et sacramento confirmationis etc.
— Nach der Angabe der Jesuiten wäre die AssemblÄe von 1641
überrascht worden und hätte der König, durch seinen Beichtvater
Sirmond von der Weise unterrichtet, wie Card, de Rochefoucauld
und andere Prälaten von Petrus Aurelius behandelt waren, den
Drucker verhaften und die Exemplare confisciren lassen. Das Werk
erschien aber jedenfalls 1646 nochmals auf Kosten der Assembl^e.
Die Assembl^e von 1656 freilich desavouirte es, und Sainte Marthe,
der im 4. Bande der Gallia christiana Saint-Cyran als Verfasser
gefeiert, musste das Lob streichen (S.-Beuve 1, 314. Clement 2, 295).
Gegen Hallier und Petrus Aurelius erschien 1641 : De hierar-
chia et hierarchis libri 9, in quibus pulcherrima dispositione omnes
hierarchici gradus et ordines, episcopalis, papalis etc. secundum pa-
trum doctrinam, decreta conciliorum sine justa cujusquam offensione ex-
plicantur, Auct. P. Ludovico Cellotio Parisino S. J. Theol., Bouen
1641. Als Cellots Obere hörten, dass die Sorbonne das Buch censuriren
wolle, wandten sie sich an Card. Richelieu und erklärten, Cellot sei be-
reit, zufriedenstellende Erläuterungen zu geben. Der Cardinal bestimmte
darauf einige Doctoren, welche mit Cellot, der mit drei anderen Je-
suiten (darunter D. Petau) erschien, mehrere Tage verhandelten.
Er nahm einige Sätze zurück, andere milderte oder erläuterte er.
Diese vom 22. Mai 1641 datirte Retractation wurde von dem Car-
L. Cellot. 889
dinal der Facultät mit der Bitte übersandt, sich damit zu begnügen.
Die Sorbonne begnügte sich auch damit, die Retractation zu publi-
ciren und den Augustiner Fr. Labb6, welcher Cellots Buch appro-
birt hatte mit der Formel, es könne sine formidine censurae ge-
druckt werden, die Erklärung unterschreiben zu lassen, dass er alle
von der Facultät verdammten Sätze auch verdamme und bedauere,
die Approbation ertheilt zu haben. Das Buch wurde in Eom 22. Jan.
1642 mit d. c. verboten. Im J. 1648 erschien dann Lud. Cellotii
S. J. Horarum subsecivarum liber singularis ad veram librorum
Francisci Hallier de hierarchia eccl. intelligentiam, Par. 1648, 8.
Dieses Buch wurde in Eom nicht verb., und die Sorbonne beschloss
nur, weil Cellot darin seine Retractation durch Spässe und Ver-
drehungen zu einer Bestätigung seiner revocirten Ansichten mache,
die Actenstücke über die Retractation nochmals zu veröffentlichen
(Arg. III a 40. 57). Der Mediciner Hamon, der zu dem Kreise«
von Port-Royal gehörte, schrieb damals unter dem Namen Alypius
a S. Cruce eine Apologia Lud. Cellotii tribus libris comprehensa ad
ipsummet Cellotium, Par. 1648. — Von Cellot erschien später noch
Historia Gotteschalci praedestinatiani et acurata controversiae per eum
revocatae dlsputatio in 11. 5 distincta, quibus accedit appendix miscel-
lanea ex opnsculis nondum editis aliisque tractatibus historiae lucem
allaturis collecta, Par. 1655, Fol. Das de libero arbitrio handelnde
opusculum quartum in dieserAppendix wurde 1732 (!) verb. — Cellot
musste 1641 ausser vielen Sätzen, in denen er die Orden erhob, die
Bischöfe und Weltgeistliohen herabsetzte, z. B. reguläres assero vita,
moribns, institutis ad Ecclesiam et sanctissimos canones ejus propius
accedere quam saeculares clericos, auch die Sätze revociren: concilio-
mm generalium convocatio periculosa, und doctrina morum a recentio-
ribus sumenda, wobei er die Aeusserung des Valerius Reginaldus an-
geführt hatte, in Glaubenssachen müsse man die alten Schriftsteller zu
Rathe ziehen, in Fragen der Moral aber die novitii scriptores, qui
temporum nostrorum naturam et studia penitus introspexerunt.
Cellots Buch ist das einzige aus dieser Gruppe von Schriften,
welches im Index steht. In den Horae p. 106 sagt Cellot: den Je-
suiten in Rom, welche sich über das Verbot seines Buches beklagt
hätten, sei geantwortet worden, auch Halliers Werke seien ver-
boten. Auch Valerien de Flavigny (Arg. III a 99) sagt 1663,
Halliers Buch sei verboten worden. Es steht aber in keinem Index
und es findet sich auch kein Decret, worin es stände. Wahrschein-
lich hat man nur sagen wollen, es falle unter das allgemeine Ver-
bot vom J. 1633.
2. In Frankreich handelte es sich bei dem Streite zwischen
den Bischöfen und Pfarrern einerseits und den Ordensgeistlichen
anderseits um folgende drei Punkte: 1. Ordensgeistliche behaupteten,
sie seien auf Grund der ihren Orden verliehenen Privilegien berech-
tigt, überall geistliche Functionen vorzunehmen, insbesondere zu
predigen und Beicht zu hören. Die Bischöfe behaupteten, kein Or-
densgeistlicher dürfe dieses in ihren Diöcesen ohne ihre Approbation
thuen, und manche Pfarrer, keiner dürfe es in ihren Pfarreien ohne
J
390 Streitigkeiten zwischen Welt- und OrdenBgeistliohen
ihre Ermächtigung thuen. — 2. Die Bestimmong des Canons Omnis
ntriusque sexus des 4. Lateranconcils, dass jeder einmal im Jahre | c
dem proprius sacerdos beichten nnd einmal im Jahre, und zwar in
der österlichen Zeit in der Pfarrkirche communiciren solle, wnrde
von den Ordensgeistlichen in Uebereinstimmnng mit mehreren
päpstlichen Declarationen und der in anderen Ländern herrschenden
Praxis dahin interpretirt, dass proprius sacerdos jeder zum Beichthören
autorisirte Priester sei und dass niemand, wenn er einmal in der öster-
lichen Zeit in der Pfarrkirche communicire, behindert sei, auch anders-
wo zu communiciren. Die Weltgeistlichen dagegen behaupteten, nach
dem in Frankreich geltenden Kochte dürfe in der österlichen Zeit
niemand ohne specielle Erlanbniss des Pfarrers bei einem andern
als bei ihm beichten und anderswo als in der Pfarrkirche communi-
ciren ; die Ordensgeistlichen dürften in dieser Zeit nicht Beicht hören
und in ihren Kirchen nicht die Communion austheilen; jedenfalls
könne der Bischof für diese Zeit ihre Facultäten suspendiren oder
ihnen bei der Ertheilung derselben das Versprechen abnehmen, dass
sie dieselben in jener Zeit nicht gebrauchen wollten. — 3. Die Be-
stimmung des Trienter Concils, an Sonn- und Festtagen der Messe und
Predigt in der Pfarrkirche beizuwohnen, wurde von den Ordensgeist-
lichen als blosse Ermahnung gedeutet, von den Weltgeistlichen aber
behauptet, nach französischem Kecht sei jeder verpflichtet, wenigstens
jeden dritten Sonntag Messe und Predigt in der Pfarrkirche zu
hören ^). — Bezüglich des ersten Punktes unterzeichneten 29. Febr.
1633 Vertreter der Orden, an der Spitze zwei Jesuiten, zugleich
im Namen der übrigen Angehörigen ihrer Orden in Gegenwart
Eichelieu's eine Erklärung, worin sie anerkannten, dass sie in keiner
Diöcese predigen und Beicht hören dürften ohne die Approbation
des Bischofs, die dieser aus gewichtigen Gründen jederzeit zurück-
nehmen könne (Arg. ITT a 44). Diese Erklärung wurde aber von
vielen Ordensgeistlichen nicht als bindend angesehen. Cellot mnsste
sie 1641 unterzeichnen.
Eine von dem Bischof Henri Arnauld von Angers im J. 1654
erlassene Ordonnanz veranlasste die dortigen Oberen der Bettel-
orden, der Carmeliter, Augustiner, Dominicaner und Franciscaner
(Cordeliers und Recollets), demselben eine Protestation zu überreichen:
Trös-humble remonstrance faicte par les religieux k un grand
prÄlat de France. Die Assembl^e du Clerg^ vom J. 1655 nnd
1656 verdammte darauf sechs in dieser Remonstranz nnd in anderen
Streitschriften der Ordensgeistlichen behauptete Sätze nnd beauf-
tragte den Bischof, diese Verdammung von den Ordensoberen unter-
zeichnen zu lassen. Diese verweigerten aber die Unterschrift, appel-
lirten an den Papst und publicirten eine Justification des privilijges
des reguliers prÄsent^e au Pape et au Roy. — Gleichzeitig war
ein Streit zwischen den Ordensgeistlichen und den Pariser Pfarrern
1) Avr. 1, 307. 341. Abrege du Recueil des actes du Clerg6 p. 57.
442. 1110.
in Frankreich. 891
ntstanden. Die Ansichten dieser wurden dargelegt in der Schrift:
/ Obligation des fidMes de se confesser a leur cur6 suivant le
bapitre 21. du Concile g^n^ral de Lateran, 1655, 32 S. 4. Da-
egen schrieb der Jesuit Jean Bagot Defense du droit episcopal et
e la libert^ des fideles touchant les messes et les confessions d'ob-
gation, 1655 (lateinisch 1659). Die Assemblee verdammte beide
Icbriften, die erste, weil darin behauptet war, ohne die Ermächti-
nng des Pfarrers könne auch der Papst oder Bischof in einer
'farrei nicht predigen oder die Sacramente spenden oder einen
'riester dazu autorisiren. Die Pfarrer reichten über diesen Punkt
ine Berichtigung ein: Sommaire des declarations des curez, unter-
eichnet von Jean Eousse, Pfarrer von St. Eoch, Syndicus der
'farrer; die Assemblee erklärte aber, auch diese enthalte missver-
tändliche Sätze ^). — Während der Verhandlungen der Assemblee
rschien ein anonymes Schriftchen, worin unter Berufung auf das
luch von P. de Marca gesagt war, der Papst habe kein Recht,
ölbst in anderen als der Römischen Diöcese ohne Erlaubniss des
Köcesanbischofs kirchliche Functionen vorzunehmen oder Ordens-
eistliche zu solchen zu ermächtigen: Regle s tr^s-importantes
iries de deux passages, l'un du Concile de Florence et Pautre de
rlaber, rapportis par M. de Marca, Archiv, de Toulouse, et des
nciens papes, pour servir d'iclaircissement a l'examen du livre du
^ Bagot . . 1656, 92 S. 4. (2. Ed. 1658). Der Verfasser war
hiy Drappier (59 Jahre lang Pfarrer in Beauvais, gest. 1716 im
Jter von 91 Jahren), der zu den Jansenisten gezählt wurde, welche
nf Marca nicht gut zu sprechen waren. Marca beklagte sich in
er Assemblee über diese Deutung seiner Worte: seine Ansicht sei,
aas der Papst allerdings nach den Canones zu regieren habe,
her unter Umständen diese moderiren oder von ihnen dispensiren
önne. Drappier veröffentlichte nach dem Schlüsse der Assemblee
«ettre de lauteur des regles tr^s-importantes k M. de Marca, Ar-
h6v. de Toulouse, 1657. Marca's Entgegnung Contre les satyres
mrde erst nach seinem Tode von Baluze herausgegeben^).
In der unter dem Vorsitze Alexanders VII. Fer. V. 30. Jan.
659 gehaltenen Sitzung der Inq. wurden von den sechs von der
LSserabUe verdammten, von den Mendicanten der Diöcese Angers
ach Rom gesandten Sätzen auf Grund der einstimmigen Censur der
lit der Prüfung beauftragten Theologen und Canonisten vier mit
erschiedenen Qualificationen verworfen : 1. Das Concil von Trient
erpflichtet die Ordensgeistlichen in Frankreich nicht, sich für die
leichten der Weltleute von den Bischöfen die Approbation zu ver-
chaffen; auch können nicht auf die Autorität dieses Concils hin die
1) Recueil des actes ... du Clerge 1, 656. Arg. III a 74.
2) Marca, Concordia etc., Bamberg 1788, V, p. IX und 62. Dupin,
lanuel No. 57 erwähnt von Drappier noch eine anonyme Schrift: Traite
u gonvemement de l'Eglise en commun par les eveques et les eures,
(asle (Ronen) 1707, 2 vol. 12.
392 Streitigkeiten zwischen Welt- und Ordensgeistliohen.
Privilegien der Ordensgeistlipben eingescliränkt werden, da dasselbe
mit Ausnahme der Glaubensentscheidungen in Frankreich nicht re-
cipirt und die Bestätigungsbulle Pius' IV. nicht promulgirt ist.
2. Wo das Concil reeipirt ist, können die Bischöfe die Facultäten
zum Beichthören, die sie den Ordensgeistlichen geben, nicht ein-
schränken ; ja die Ordensgeistlichen sind nicht verpflichtet, sich
diese Approbationen zu verschaffen, und wenn sie von den Biscliöfen
nicht approbirt werden, gilt diese Abweisung ebenso viel, als wenn
die Approbation gewährt worden wäre. 3. Die Angehörigen der
Bettelorden, welche einmal von einem Bischof für seine Diöcese
zum Beichthören apjmjbirt worden sind, sind als approbirt in an-
deren Diöcescn anzusehen und bedürfen keiner iieuen Approbation
der Bischöfe. Die Ordcnsgcistlichcn haben die Gewalt, aucli ohne
Ermächtigung des Bischofs von den dem Bischof reservirten Sünden
loszusprechen (dieser letzte Satz steht auch als No. 12 unter den
24. Sep. IGfif) von der Tnq. verdammten Sätzen; Alex. No. 87).
6. Die Mendicanten dürfen weltliche Obrigkeiten (judices) ersuchen,
den Bischöfen aufzugeben, sie mit den Advents- und Fastenpredigten
zu beauftragen ; wenn sich die Bischöfe dessen weigern, gilt das
Decret der weltlichen Obrigkeiten ebenso viel, als wenn die bischöf-
liche Erlaubnias ertheilt worden wäre. — Ueber die beiden anderen
Sätze: ~ 4. Niemand ist in foro conscientiae verpflichtet, in seiner
Pfarrkirche die jährliche Beichte abzulegen, den Pfarrmessen beizu-
wohnen oder das Wort Gottes, das göttliche Gesetz, die Anfangs-
gründe des Glaubens und der Sittenlehre zu hören, die dort in
Catechesen vorgetragen werden. 5. Ein derartiges Gesetz können
weder Bischöfe, noch Provincial- oder Nationalconcilien erlassen,
noch können sie Uebertreter desselben mit irgend welchen Strafen
oder kirchlichen Censuren belegen, — gab die Inq. folgende Ent-
scheidung: der 4. Satz ist bezüglich des ersten und zweiten Punktes,
so unbedingt ausgesprochen, irrig; werden aber apostolische Privi-
legien vorausgesetzt, so verdient er keine Censur; bezüglich des
dritten Punktes, des Anhörens des Wortes Gottes, möge die Bestim-
mung des Trienter (^ncils beobachtet werden. Der 5. Satz verdient,
wenn apostolische Privilegien vorausgesetzt werden, keine Censur;
aber er ist ebenso wenig wie der 4. öffentlich vorzutragen. — Diese
Erklärung, wird beigefügt, befiehlt Seine Heiligkeit allen anzu-
nehmen und in praxi zu beobachten, bei den Strafen, welche gegen
Schismatiker, resp. Temeräre . . und der Ketzerei Verdächtige fest-
gesetzt sind. Gleichzeitig verbot die Inq. auf Grund des einstim-
migen Votums der mit der Prüfung beauftragten Theologen vier
französische Schriften, weil sie Sätze enthielten, die in der Kirche
Gottes zu einem grossen Aergerniss und zu Zwistigkeiten Anlass
geben könnten und ihre Leetüre Irrthümer und schlechte Meinungen
unter den Gläubigen verbreiten könnte, nämlich die erwähnten zwei
Schriften von Drappier und L'obligation und das Sommaire von
Eousse^). Das Buch von Bagot wurde nicht verb., nach Stubrockius
1) Bei Alex. No. 69 ist nur der letzte, das Bücherverbot enthaltende
Theil des Deere tes abgedruckt, das Vorhergehende bei Migne II, 1268.
Chassaing. Guerry. Launoy. Karg. 893
p. 87. 252 vielmehr ausdrücklicli freigegeben und in Rom selbst
neu gedruckt, aber nachträglich 10. Juni 1659 von der Index-Congr.
mit d. c. die Remonstrance gegen den Bischof von Angers.
1661 wurde verb. Privilegia regularium, quibus aperte demon-
stratnr^ reguläres ab omni ordinariorum potestate exemptos esse . . .
aec non in utraque hierarchia jurisdictionis et ordinis locum habere,
iuct. Brunone Chassaing, Ord. Min. Recollectorum, Par. 1648
[auch 1652. 1654). Die Assemblee du Clerge von 1650 hatte das
Bach censurirt und die Bischöfe aufgefordert, den Verfasser ver-
baften zu lassen und allen Recollecten die Facultäten zu entziehen,
bis der Orden das Buch desavouirt habe. Das Parlament von Bor-
leaux verbot 1651, Chassaing zu verhaften und die Recollecten zu
selästigen. Nach einigen Jahren wurde er aber doch von dem Bi-
ichof von TuUe eingekerkert und 1654 widerrief er zu Paris ^). —
Btienue Guerry, Messe paroissiale, verb. 1668, ist mir nicht be-
cannt. Der Jesuit dieses Namens wird bei Backer nicht als Ver-
asser verzeichnet. — Die Schrift Explicata Ecclesiae traditio circa
;anonem Omnis utriusque sexus, 1672 (Jo. Launoii Opp. I, 244),
vorin Launoy nachweisen will, dass unter sacerdos proprius der
?farrer zu verstehen sei, wurde 1679 verb.
3. 1693 wurde (nicht mit d. c, wie Feller angibt, sondern
mbedingt) verb. Jo. Friderici Karg Bambergensis Franconis Pax
eligiosa sive de exemptionibus et subjectionibus Religiosorum. Opus-
ulnm curiosum, utile ac universam prope authoritatis episcopalis
lateriam facili et plana methodo theologice, nomo-canonice historice-
ne pertractans, hodiernis juribus ac usibus accommodatum. Cum
ermissu superiorum, Herbipoli 1680,* 704 S. 12. Das Buch ist
em Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, Peter Phil, von
>ernbach, gewidmet, dessen Rath Karg war (später wurde er Rath
es Kurfürsten Max Emmanuel von Baiern, 1683 auch Decan von
f. L. F. in München; er starb 1719 als Minister des Kurfürsten
oseph Clemens von Köln). Das Buch enthält auch eine (unbe-
eutende) Appendix de aulae Romanae genio und Actenstücke über
ie DiÖcesen Bamberg und Würzburg. Von einem Löwener Car-
leliter als Gallicaner angegriffen, schrieb er: Fecialis Pacis reli-
iosae sub sacratissimis auspiciis Eminentissimorum, Ser., Celsiss.,
ev. »S. R. J. Principum Archiepiscopali et Episc. dignitate ful-
ontium vindicatae contra consultationes canonicas P. Jacobi a S.
ntonio Carmelitae a. 1682 in lucem emissas, Bamb. 1682,* c.
30 S. 12. Feller berichtet, Karg habe nach dem Verbote seines
uches dasselbe corrigirt und erweitert; das Manuscript dieser be-
t)8ichtigten neuen Ausgabe befinde sich in Lüttich. Die Ausgabe
enedig (Bonn) 1778 ist ein Abdruck der von 1680.
4. Die in Frankreich herrschende Praxis, Weltgeistlichen, viel-
ich solchen, die nur tonsurirt waren, die Verwaltung und das Recht
uf die Einkünfte von Abteien und anderen Benefizien zu übertragen,
1) Kecueil des actes 1, 642. J. Launoii Opp. III, 1, 586; IV, 2, 461.
894 Inquisitionsprocesse unter Urban VlII.
wurde scharf kritisirt von dem Mauriner Fr. Delfau in der paen-
donymen Schrift: L'abbe comniendataire, oü l'injnstice des commen-
des est condamnee par la loi de Dieu, leg decrets des Papes, les
ordonnances pragmatiques et concordats des rois de France, par le
Sieur Desboisfranc, Cologne (Compiegne) 1673. Gerberon schrieb
unter dem Namen de Froimond einen zweiten Theil dazu. Es er-
schien noch eine Reihe von Broschüren darüber; in den Index
kam von dieser ganzen Grnippe von Schriften nur eine von Guy
Drappier anonym herausgegebene: Defense des abb^s commenda-
taires et des eures primitifs cont^e les plaintes des moines et des
cur68, pour servir de reponse k TAbbe commendataire, La Haye
1685, verb. 1690. Die Schrift ist übrigens nichts weniger als eine
Vertheidigung, vielmehr eine bittere Satire auf die Abb^s commen-
dataires und auf die Cures primitifs, wie man die Pfarrer nannte,
welche die Einkünfte einer Pfarrei bezogen, die Verwaltung der-
selben aber durch einen Vicarius perpetuus besorgen liessen*).
Aus Anlass des Streites über den Nachlass eines Canonicus
regularis, der Pfarrer in Paris gewesen, veröffentlichte Jean Ger-
bais Premiere lettre a un Benedictin de la Gongr. de S. Maur tou-
chant le p^cule des religieux faits eures ou 6v^ues, Par. 1695 un<^
1698, worin er zeigt, dass nach französischem Rechte der Nachlast
eines Pfarrers aus dem Ordensstande nicht den natürlichen Erbe
oder dem Kloster, sondern den Armen und der Fabrik der Pfarre
gehöre (der eines Bischofs den natürlichen Erben). Das Schriftcher
wurde 1704 von der Inq. verboten; zwei weitere Briefe, in dener
Gerbais seine Ansicht gegen Gegenschriften vertheidigte, steher
nicht im Index ^j.
48. Inquisition sprocesse anter Urban YIIL
Der bekannteste und merkwürdigste unter den Inquisition
Processen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist der Gal
lei'scbe. Veranlasst durch eine Dennnciation gegen Galilei, H
die Inquisition 1610 zwei Sätze, welche die Copernicanisc
Lehre enthalten, durch ihre Theologen qualificiren: der ei
wurde für ketzerisch, der andere fltr mindestens dogroati
irrig erklärt. Darauf wurden durch die Index-Congregation
1) Hist. litt, de la Congr. de S. Maur p. 88. Sainjore 8, 1. Haare
Hist. litt, du Maine 4,80. Schulte 3, 1, G27. Abrege du Reoueil des
. . du Clergo, 1764, p. 384. 499. lieber die Schrift von Delfau 8.
a S. Jos. 2, 285.
2) Schulte 3, l, 621. Abregt p. 727. 1169.
Inquisitionsprocesse unter Urban VIII. 895
März 1616 das Werk des Copernicus de revolutionibus orbium
coelestinm nnd die Commentaria in Job von Didacns a Stnnica
(Toledo 1584, Rom 1592) mit d. c, eine von dem Carmeliter
Paolo Antonio Fosearini veröflFcntlichte Lettera sopra Topiniono
de' Pittagorici e del Copernico, Neapel 1615, unbedingt ver-
boten, desgleichen „alle anderen Bücher, welche in gleicher
Weise dasselbe lehren". Diese Entscheidung über die Coperni-
canische Lehre wurde im Auftrage des Papstes durch den
Cardinal Bellarmin Galilei, der damals in Rom war, amtlich
mitgetheilt, und er versprach, ihr zu gehorchen. Da er 1632
in seinem Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo, Tole*
maico e Copernicano, die beiden Systeme so darstellte, dass
seine Ueberzeugung von der Richtigkeit des Coperaicanischen
unverkennbar hervortrat, leitete die Inquisition einen Process
gegen ihn ein, nöthigte ihn, 22. Juni 1633 die Copernicanische
Lehre als Irrthum und Ketzerei abzuschwören, und verordnete,
der Dialog solle durch einen öffentlichen Erlass verboten werden.
Auffallender Weise wurde er erst in einem Decrete der Index-
Congregation vom 24. Aug. 1634 (Alex. No. 38) mit allerlei
anderen Büchern zusammen verboten. — Im J. 1620 veröffent-
lichte im Auftrage der Index-Congregation der Secretär ein
Itfonitum, worin die in dem Werke des Copernicus vorzunehmen-
den Streichungen und Aenderungen angegeben werden; nur mit
diesen Aenderungen und mit Beiftigung dieser Correctio vor
^er Vorrede des Copernicus dürfe das Werk neu gedruckt
AVerden. Die Aenderungen betreffen zehn Stellen und bezwecken,
^as Werk so umzugestalten, dass Copernicus seine Ansicht
Glicht als begründet, sondern nur als Hypothese vorträgt. —
^619 wurde noch Jo. Keppleri Epitome astronomiae Copemicanae,
^618, verboten. Sonst ist kein Buch um der Copernicanischen
liebre willen in den Index gekommen. Aber die Raccolta von
^624, der Elenchus und alle Indices bis 1757 enthalten unter Libri
^as allgemeine Verbot: alle Bücher, welche die Beweglichkeit
^er Erde und die Unbeweglichkeit der Sonne lehren. In den
Index Benedicts XIV. wurde dieses Verbot auf Grund eines in
der Sitzung der Index-Congregation vom 10. Mai 1757 gefassten
Beschlusses nicht aufgenommen.
806 Inquisitionsprocesse unter Urban VIII.
Seitdem wurden in Rom selbst mehrere Bücher gedrackt,
in denen die Copernieanische Lehre offen vorgetragen wird.
Aber erst 11. Sept. 1822 erklärte die Inquisition förmlich, es
sei in Rom der Druck von Werken gestattet, in welchen von
der Beweglichkeit der Erde und der Unbeweglichkeit der Sonne
gemäss der allgemeinen Ansicht der modernen Astronomen ge-
handelt werde. Dieser ßeschluss wurde 25. Sept. von Pius VII.
bestätigt, und in der nächsten Ausgabe des Index, die 1835 er-
schien, wurden auch die Bücher von Copernicus, Foscarini,
Stunica, Kepler und Galilei weggelassen.
Bei dem Inquisitionsprocess gegen den Dominicaner Thomas
Campanella (1626 — 29) scheint es sich weniger um seine Schriften
als um politische Händel gehandelt zu haben. Wenn 1632 alle
seine Schriften, die nicht in Rom gedruckt oder approbirt seien,
verboten wurden, so ist dabei wohl die Verordnung gegen ihn
geltend gemacht worden, wonach in Rom lebende Schriftsteller
ohne Erlaubniss nichts auswärts drucken lassen durften (I S. 341),
und wenn beigefügt wird: „da er dieselben nicht als die seinigen
anerkennt '', so zeigt das, dass Campanella sich mit dieser Aneu —
rede geholfen.
Im Anfange der Regierung Urbans VIII., 21. Decembt
1624 wurde der frühere Erzbischof von Spalatro, MarcantonL
de Dominis, der 1616 Anglicaner geworden, 1622 nach Roi
zurückgekehrt war und abgeschworen hatte, 1623 aber einei
neuen Inquisitionsprocesse unterworfen worden and im Gefänj
nisse gestorben war, als rückfälliger Ketzer verurtheilt uncvJ
seine Leiche, sein Bild und seine Bücher verbrannt. Das hmmiM
dcutendste unter diesen, De republica ecclesiastica, wurde schoo^
1616, noch ehe es erschienen war, von der Index-Congregatioof
verboten, 1621 nochmals und zugleich alle von ihm heraasg»^^
gebenen und herauszugebenden Schriften.
Im J. 1626 wurde auf Urbans VIII. Verlangen der englisch:^ ^^
Henedictiuer John Barnes in Paris verhaftet und nach Rom
bracht und von der Inquisition zu lebenslänglicher Haft vec
urtheilt; er starb nach 30 Jahren irrsinnig. Unter den Schriftes^ ^^
die von ihm im Index stehen, ist eine erst nach seinem TodK^<^
von Anglicanern veröffentlichte ironische, Romano-Catholicic- ^
pacificus, die merkwürdigste. — Girolamo Vecchietti, von der27
Galilei. 897
1622 ein wnnderliches Bnch verboten wurde, wnrde Jahre lang
von der Inquisition in Haft gehalten, weil er sich weigerte, eine
Ansicht über den Tag des letzten Abendmahls zu widerrufen,
die später von vielen Theologen vorgetragen worden ist, ohne
dass sie darum behelligt worden wären. — Cesare Cremonini,
Professor in Padua, wurde wiederholt, auch noch unter ürban VIII.
von der Inquisition zur Rechenschaft gezogen; aber unter dem
Schutze der Republik Venedig war er persönlich sicher; man
mnsste sich darauf beschränken, ein Buch von ihm zu verbieten.
-— Ferrante Pallavicini musste seine Pasquille gegen ürban VIII.
mit dem Tode büssen; aber nicht die Inquisition, sondern der
päpstliche Legat in Avignon Hess ihn 1644 hinrichten.
Ueber Galilei und was damit zusammenhängt, s. Keusch, Der
ProcesB Galilei's und die Jesuiten, 1879^), und über die von H.
Grisar, ' Galileistudien, 1882, nochmals vertheidigte Ansicht, die
Lehre des Copernicus sei nicht als haeretisch, sondern nur als temerär
verdammt worden, Funk, Zur Galileifrage, in der Tüb. Quartalschr.
1883, 430«). — Das Monitum vom J. 1620 (Reusch S. 113) ist
genauer als bei Alex. No. 21 in der Raccolta von 1624 und in
den Sammlungen der Decrete von 1624—1640 (S. 23) abgedruckt.
Die Ueberschrift lautet hier: Monitum S. Congregationis ad Nie.
Copemici lectorem ejusque emendatio, permissio et correctio, und
der Schluss: In titulo capitis [1. 4, c. 10] dele verba „liorum trium
Riderum," quia terra non est sidus, ut facit eam Copernicus (die
1) Das viel besprochene E pur si muove (Reusch S. 334) findet sich
schon 1761 bei Irailh 3, 49. — Der Dominicaner Vinc. Macolauo (Firen-
zaola), der in dem Process Galilei's als Commissar der Inquisition fungirte,
wurde 1641 Cardinal von St. Clemens (Reusch S. 267). Kr spielte bei den
Verhandlungen über den Janseuismus eine Rolle. In der Relation des Abbe
Bourgeois (Arnauld 28, 695. 698) ist wiederholt von ihm die Rede und
wird u. a. berichtet, in dem Conclave von 1655 hätten ihm nur 2 oder 3
Stimmen gefehlt, um Papst zu werden ; Card. Albizzi sei sein Hauptgegner
gewesen und habe gesagt, er sei ein Jansenist und werde die Bulle gegen
Jansenius zurücknehmen; die Jesuiten hätten Gebete veranstaltet, um seine
Wahl abzuwenden.
2) Albizzi safft in, der 1678 zu Rom gedruckten Risposta gegen
Sarpi: Ürban YlII. hat die Meinung Galilei's als haeretisch verdammt, und
in dem von einem Consultor der Index-Congr., Anseimus Dandinus, zu
Rom 1703 herausgegebenen, Clemens XI. gewidmeten Folianten De su-
speotis de haeresi heisst es p. 494 : A Copemico renovata est hypotasis
(sie) Philolai, sc. solem esse in mundi centro telluremque gyrarc circa
solem, quam sententiam amplexatus Galileus adactus est Romam peterc
et palinodiam cantnre. Suspicio poterat esse, ipsum parvipendere scripturam
dicentem: Oritur sol et occidit, terra autem in aeternum stat. Praedicta
tarnen sententia potius diccuda haeretica, quia directe adversatur s. scrip-
turae, ut patet ex ipsius scripturae verbis mox allatis.
\
39d tnquisitionsprocesso unter Ürban VItl.
Worte quia etc. fehlen bei Alex.)* — Urban VIII. behielt die Er-
theilung der Erlaubniss, Galilei^s Dialog zu lesen, sich selbst vor
(Reusch S. 376). Später gehörte er aber nicht zu den Büchern,
die in den gewöhnlichen Licenzen ausgenommen wnrden. — Campa-
nella's Apologia pro Galilaeo, Frcf. 1622 (Reusch S. 61), wurde
nicht speciell verb., fällt aber unter das Verbot von 1632 (s. u.).
Dagegen gehört nicht, wie ich S. 114, durch Wolynski verleitet,
angegeben und wie auch Grisar S. 139 angibt, zu den Copemica-
nischen Schriften : Circulus horologii lunaris et solaris, h. e. brevis-
sima Synopsis historica, typica et mystica . . . repraesentans ex V.
et N. T. continuam seriem praecipuaram Ecclesiae et mundi muta-
tionum . . . auth. Wenceslao Budowez . . . Hanov. 1616, 274 S.
4., verb. 1619. Horologium lunare et solare bezieht sich anf das
Alte und Neue Testament. Vgl. über das Buch des eifrig pro-
testantischen Verfassers, der nach der Schlacht am weissen Berge
1621 zu Prag enthauptet wurde, und über die dadurch veranlasste
Controverse mit M. Hoe von Hoenegg Clement 5, 396. — Ueber
Origanus s. S. 182. — Die Ansicht, das Copernicanisohe System
sei auch durch eine päpstliche Bulle, — die Alexanders VIT, vo
J. 1664, mit weicher er seinen Index publicirte, — verdammt worden^
ist irrig (Reusch S. 443).
Das Decret der Index-Congr. von 1616 und das Urtheil geger:
Galilei von 1633 wurden den Inquisitoren in Italien and den Nu.
cien tibersandt, letzteres den Nuncien mit dem Auftrage, es cl
Bischöfen ihres Bezirkes zu notificiren, damit es zur Kenntnias aA.
Professoren der Philosophie und Mathematik gelange (Reusch S. 1
370). In Frankreich wurde es jedenfalls nicht publicirt; als 1&
in einer in dem College de Clermont vertheidigten These d
Bezug genommen wurde, protestirte ein Mitglied der Sorbonne,
lerien de Flavigny, gegen diesen Versuch, Decreten der Inqnisi
in Frankreicli Geltung zu verschaffen. Das ürtheil wurde anoh ^J^
Frankreich vielfach nicht beachtet. Descartes sagt schon 16
Die Censur ist nicht von dem Papste oder von einem Coucil au
sirt; sie rührt nur von einer Congregation her. Pascal, Lettrea p:
18, sagt: Ce fut en vain que vous obtintes contre Gralil6e ce
cret de Rome, qui condamnait son opinion touchant le mouvem
de la terre. Ce ne sera pas cela qui prouvera qu*elle demeare
repos, et si Ton avait des observations constantes qui prouv
que c'est eile qui tourne, tous les hommes ensemble ne Templc
raient pas de tourner et ne s'empecheraient pas de toumer au
avec eile. — Arnauld spricht sich 1692 bestimmter aus: II n'
presque plus d'astronome qui ne la croie certaine, ni de secte
Philosophie qui soit en quelque estime, qui ne Tembrasae (3, 5
9, 307). — Der Jesuit Andre wollte 1711 die These vertheidi
lassen: Systema Copernicanum defendimus tanquam hypothesim
geniosam, si non veram. Sein Censor corrigirte: elsi non
Aber so hatte es Andr6 nicht gemeint. In seinen CollegienhefÄ^^^
sagt er n. a.: Le Systeme de Copernicus a 6prouv6 le m6me s^^^"^
que Topinion de Texistence des antipodes avant la decouverte <*"
Galilei. dM
nonveau monde. On Ta combatta d^abord et aprSs bien de com-
bats il est demeur^ maitre du cbamp de bataille . . . Depuis pr^s
d^an siecle tous les astronomes de 1 Europe ont adopte le Systeme
de Cop., rectifie n^anmoiDS par le gönie de Kepler . . L^academie
des Sciences n^en admet pas d'autre^).
Im span. Iudex stehen Copernicus, Foscarini und Galilei nicht;
aber in dem Commentar von Stunica (er hat im Eöm. Index bis
Ben. Astunica geheissen) verordnet Sot. zwei Seiten zu streichen,
mit der Bemerkung: est enim jam illa de motu terrae quiescente
coelo Copemici sententia Sedis Apost. decreto reprobata, und auf
dieses Decret wird auch bei Origanus Bezug genommen (S. 182).
Kepler und Tycho de Brahe stehen in der 1. GL; aber mehrere
Schriften von ersterm werden expurgirt, andere, darunter auch die
in Rom verbotene Epitome cum nota auctoris et operis (also mit
Beifügung von auctoris damnati opus permissum auf dem Titelblatte)
freigegeben. In derselben Weise werden auch die Notae des Nie.
Mulerius zu dem Werke des Copernicus, Amst. 1617, freigegeben.
— In einer 1740 zu Madrid gedruckten Uebersetzung der Geschichte
Carls XII. (von Voltaire) von Leonardo de Uria y Urueta wird in
dem Index von 1747 u. a. an der Stelle, wo Gopernicus verdadero
fandador der Astronomie genannt wird, verdadero gestrichen.
Als es sich darum handelte, ob das Verbot von 1616 in Ve-
nedig publicirt werden solle, gab Sarpi sein Gutachten dahin ab:
es könnte nur Verwunderung erregen, wenn man das Buch des Go-
pernicus jetzt suspendire (mit d. c. verbiete), welches vor 100 Jahren
erschienen, von aller Welt gelesen und bewundert, und weder in
Trient, noch bisher in Rom verboten worden sei (Gecchetti 1, 408).
In dem Venetianischen Index von 1766 (I S. 547) steht keines der
auf Cop. bezüglichen Bücher.
1691 wurde der Löwener Professor van Velden wegen Ver-
theidigung einer Gopernicanischen These in einen Process verwickelt ^).
Unter den 166 ketzerischen Sätzen, wegen deren die spanische In-
quisition 1776 Pablo de Olavide den Process machte, befindet sich
auch die Copernicanische Lehre ^). — In der 1739 — 42 erschienenen
von zwei Mitgliedern des Ordens der Minimi, T. Le Seur und Fr.
.Tacquier, besorgten Ausgabe der Principia Newtons ist die Note bei-
gefügt: Newtonus in hoc tertio libro telluris motae hypothesim as-
sumit. Autoris propositiones aliter explicari non poterant, nisi eadem
quoque facta hypothesi. Hinc alienam coaeti sumus gerere perso-
nam. Caeterum latis a Summis Pontificibus contra telluris motum
decretis nos obsequi profitemur (Mendham, Index of Gregory XVL,
p. 23). — In der 1744 erschienenen Ausgabe der Werke Galilei's
wurde auch der Dialog abgedruckt. In dem Texte desselben ist
1) Charma et Mancel,,Le Pere Andre I, 236. 11, 292.
2) Proces de Martin Etienne van Velden, in der Collection de me-
moires relatifs ä Phist. de Belgiquc, 1871. Im neuen Reich 1879, II, 409.
3) Villanueva, Vida let. 1, 18.
400 Inqaisitionsprocesse unter Urban Vtll.
nichts geändert; aber 13 Randnoten Galilei^s sind weggelassen und
40 in eine hypothetische Form gebracht (wiederholt „die Bewegung
der Erde'' in „die vorausgesetzte Bewegung der Erde'^ geändert),
und eine Erklärung des Herausgebers, eine Abhandlang von Cal-
inet, das Inquisitionsurtheil und Galilei^s Abschwörung beigefügt
(Keusch S. 440). — Der Jesuit Feller führte noch 1778 als rich-
tiger Probabilist in seinen Observations philos. sur les systdmes de
Newton, de Copernic etc. den Beweis, die Bewegung der Erde sei
nicht so erwiesen, dass man nicht auch das entgegengesetzte System
festhalten könne. Der Dominicaner Pini schrieb noch im 19. Jahrh.
L^incredibilit4 del moto della terra. Ueber dieses Buch schreibt
Dom. Testa (es wird der Secretär Pius' VII. sein) 1802 an den
Abate Angelo Cesaris (Lettere ined., Mil. 1835, p. 396): das Buch
solle 8 Bände stark werden; cacasangue! tre tomi! man habe Pini
zugeredet, perch^ non dasse questo scandalo; ma i vecchi sono osti-
nati, e la frittata e fatta. La mangi chi vuole, io voglio pinttosto
morir di fame. — In den letzten .Fahren des 17. Jahrh. bemühte
sich I^ibniz, eine Aufhebung der Censuren gegen das Copernicanisehe
System, 1765 Lalande, die Entfernung des Dialogs aus dem Index
zu erwirken^).
Was ich, Der Process Gal. S. 441 über die Vorgänge unter
Pius VII. berichtet habe, ist nach den Mittheilungen von Fr. Thiersch
in den Münchener Gelehrten Anzeigen 1855, IT, 189 zu vervoll-
ständigen. Der Mag. S. Pal., Filippo Anfossi, verweigerte dem Ca-
nonicus Settele die Druckerlaubniss für seine „Elemente der Optik
und Astronomie,*' weil darin die Copernicanisehe Theorie nicht als
blosse Hypothese vorgetragen war. Hettele wandte sich an die
Index-Congregation, und diese erklärte, das Buch könne gedruckt
werden. Anfossi verweigerte nochmals das Imprimatur und Hess die
a. a. 0. erwähnte Abhandlung drucken, ohne sie durch seinen Socins
approbiren zu lassen. Settele wandte sich nun an die Inquisition,
welche gleichfalls den Druck seines Buches (mit der a. a. 0. mit-
getheilten, von dem Commissar M. Olivieri verfassten Anmerkung)
gestattete und Anfossi einen Verweis ertheilte. Nun appellirte An-
fossi an Pius VIT. Dieser bestätigte aber den Beschluss der beiden
Congregationen, soll aber dabei sorgenvoll ausgerufen haben:' Was
werden die Mönche dazu sagen ? Anfossi ertheilte auch jetzt das
Imrimatur nicht, Hess es aber durch seinen Socius ertheilen. — Nie.
Wiseman, damals Consultor der Index-Congregation, scheint sieh
besonders für Settele bemüht zu haben (K. Gibbings, Roman For-
geries p. 29).
2. Campanella (1568 — 1639), der schon als Vertheidiger der
Philosophie des Bernardino Telesio erwähnt wurde (I S. 536) und
der auch in dem Galilei Vchen Process eine Rolle spielte (Reusch
S. 61), war 1599 — 1626 wegen angeblicher politischer Vergehen in
1) M. Lamey, Leibniz und das Studium etc., 1879, S. 15. Gritar,
S. 167. — ni'her E. Amort s. Frit»(Irieh, Beitr. zur Kirchengesch. S. 66.
Th. Gampanella. M. A. de Üominis. 4Ö1
Neapel in Haft. Urban YIII. erwirkte 1626 seine Freilassung
nnter der Bedingung, dass die Inquisition ihm den Process mache.
Er wurde von dieser sehr milde behandelt und 1629 freigelassen,
verwickelte sich aber in allerlei Händel und floh im October 1634
nach Frankreich; er starb im Mai 1639 zu Paris. £r schrieb von
Paris aus noch eine Reihe von Briefen an den Papst, von dem er
anfangs auch noch eine Pension bezog, und denuncirte darin u. a.
seine Ordensgenossen Ridolfi und Eiccardi, die nach einander Magi*
stri S. Pal. waren ^). — Das oben erwähnte Verbot steht nicht in der
Sammlung der Decrete, aber seit Alex, im Index, seit Ben. mit dem
Datum 21. April 1632. Es wird sich hauptsächlich auf die aller-
dings von Camp, verfassten, aber von Tobias Adami zu Frankfurt
veröffentlichten Schriften, u. a. die Apologia pro Galilaeo, 1623,
De sensu rerum et magia, 1620, Realis philosophiae epilogisticae
IL 4, 1623 (Baumg. 8, HO), und Astrologicorum 11. 8, 1630, be-
ziehen (Clement 6, 151. Quetif 2, 513). Auch die Veröffentlichung
des 1631 zu Rom gedruckten Atheismus triumphatus (Baumg. 7,
530) und der 1633 zu Jesi gedruckten Monarchia wurde, wie er
in seinen Briefen klagt, durch die Zurückhaltung der Licentia super
publicatione (I S. 542) verzögert, und mehrere Schriften, die er in
Rom zur Censur vorlegte, u. a. ein Commentar zu den Gedichten
Urbans VIII., wurden nicht gedruckt. Von den Schriften, die er
nach 1632, meist zu Paris herausgab, wurde keine verboten, und
das Decret von 1632 kann auf sie doch nicht ausgedehnt werden.
Er hatte aber wegen der in Paris gedruckten Schriften auch Diffe-
renzen mit der Sorbonne: sie gestattete ihm 1635, sich selbst die
Censoren unter den Doctoren der Facnltät auszuwählen, missbilligte
aber 1636 die für seine Bücher ertheilten Approbationen und er-
klärte, sie werde fortan nicht dulden, dass die Censoren eines Buches
alle dem Orden des Verfassers angehörten (Quetif II, 519). — Im
span. Index steht von Camp, nur Realis philosophiae etc.
3. Marcantonio de Dom in is, geb. 1 640 zu Arbe auf einer Insel
an der dalmatischen Küste, — er stammte aus der Familie, zu der
Gregor X. gehörte, — 1579—96 Jesuit, 1600 auf Empfehlung des
Kaisers Rudolf zum Bischof von Segni ernannt, seit 1602 Erzbischof
von Spalatro, der Hauptstadt von Dalmatien, hatte als solcher aller-
lei Differenzen, wurde 1615 wegen ketzerischer Aeusserungen in
Rom denuncirt, ging darauf nach Venedig, resignirte mit Geneh-
migung Pauls V. zu Gunsten eines Verwandten auf sein Erzbisthum
und ging Ende 1616, nachdem er eine Venedig 20. Sept. 1616 da-
tirte Erklärung: Marcus Ant. de Dominis Archiep. Spalatensis suae
profectionis consilium exponens, zu Heidelberg hatte drucken lassen
(auch Ven. 1616 u. s.), nach England. Jacob I. ernannte ihn zu-
1) Berti, T. Campanella, in der N. AntQl. 1878. T. 10 und 11, und
Lettere inedite di T. C. e catalogo de' suoi scritti, in den Atti della R.
Aoc. dei Lincei S. 3, vol. 2 (1878), 439. Magazin f. d. Lit. des Ausl.
1882, No. 22.
Beuscb. Index II. 26
« -1
402 Inquisitionsprocesie unter Urban VIII.
nächst zum Dechant von Windsor und verlieh ihm dann auch andere
Beneficien. Im J. 1617 veröffentlichte er in London den ersten, 4
Bücher enthaltenden Band seines Werkes De republica ecclesiastica
libri X, Auotore M. A. de Dominis, Archiep. Spalatensi (anch Hei*
delb. 1618), 1619 Sarpi's GePchichte des Trienter Concils. — Die
Index-Congr. verbot schon 12. Nov. L616 (Alex. No. 15) die oben
erwähnte Erklärung mit der Motivirung: sie enthalte Sätze, die
respective formell ketzerisch, irrig, schismatisch, nach Ketzerei
schmeckend, blasphemisch, ärgernissgebend und die römisch-katho-
lische Kirche schmähend seien, und fügte bei: „Und da der Ver-
fasser in diesem Schriftchen sagt, er werde in kurzem ein Werk
de republica christiana [sie] in zehn Büchern herausgeben, and den
Inhalt der einzelnen Bücher angibt und weil mehrere Sätze, die er
darin lehren will, augenscheinlich ketzerisch sind, darum wird auch
dieses Werk, wo immer und in welcher Sprache es anch schon ge-
druckt sein oder gedruckt werden mag, durch dieses Decret ver-
boten.** In dem folgenden Decrete, vom 28. Nov. 1617, wurde die
von Dom. anonym veröffentlichte Schrift Papatus Bomanns, liber
de origine, progressu atque extinctione ipsius, London 1617, 4.,
verb., femer unter Bezugnahme auf das vorhergehende Decret der "*
mittlerweile erschienene 1. Band des Werkes De rep. eccl. als „voll ^'
von sehr vielen Ketzereien, Irrthümern und Verleumdungen" und ^
eine neue Ausgabe des Absagebriefes : Epistola M. A. de Dom. Ar- ^'
chiep. Spal. ad episcopos Ecclesiae christianae conscripta, in qna J*^
causas discessus a suo episcopatu exponit, Campidoni 1617. — In
dem nächsten Decrete, vom 18. Mai l<il8, folgte das Verbot der
anonymen Schrift Scogli del Christiane naufragio, quäle va tco-
prendo la santa Chiesa di Christo alli suoi diletti figliuoli, perch^
da quelli possano allontanarsi, s. 1. 1618, 166 S. 12. Dom. bespricht ^,f
darin zwölf „Klippen^^ : Papstthum, weltliche Gewalt, blinder Glanbe,
Kirchenbann, Gebote der Kirche, falsche Einheit, Messe, Beicht,
Fegfeuer und Ablass, Anrufung der Heiligen, Bilder and Reliquien,
verdienstliche Werke; das Schriftchen erschien 1618 auch englisoh
und franzöRisch (Baumg. 8, 208).
Der 1. Band des Werkes De rep. eccl. wurde 15. Dec. 1617
von der Sorbonne censurirt, — 47 Sätze werden speciell qnalificirt
(Arg. II b 103), — 7. Dec. 1618 mit specieller Qualification von
sehr vielen Sätzen von der Kölnischen theologischen Facnltät (Arg*
III b 191). Unter Mitwirkung £. Kichers erwirkte die Sorbonn
auch ein königliches Verbot des Buches (Jourdain, Eist. p. 9S^
die Kölnische Facultät beantragte ein Verbot bei dem Knrflirste
Der Kölnische Theologe Leonardos Marius gab eine Widerlegu
heraus: Hierarchiae ecclesiasticae eatholica assertio, in qua B.
et Komanae Sedis ])rimatus contra haeresim et schisma M. A.
Dominis defonditur, Col. 1618, 8. (abgedr. bei Roccaberti, Bibl. t. 1
Eine Antwort darauf ist: Sorex primus oras chartarum primi liWz^Ti
de rep. ecclesiastica Archiepiscopi Spal. corrodens, Leon. Mars ^o^
theologaster Coloniensis, a Daniele Loheto Burgundo Laudoner»^'/
ejusdem Domini Spal. amanuensi, in muscipula captus et ejusd^^
«/
^'
M. A. de Bominis. 408
gcalpello confossuB, Lond. 1618, 8. (von Dom. selbst verfasst,
Baumg. 8, 269). Diese Schrift wurde 22. Oct. 1619 verb. (22. Nov.
1619 das Werk von Sarpi, S. 324).
1620 erschien von dem Werke De rep. eccl. der 2. Theil, das
5. und 6. Buch enthaltend, mit einem Anhange gegen Du Perron und
Suarez (das 7. und 9. Buch erschienen Hanoviae 1622, das 8. und
10. sind nicht erschienen; Baumg. 8, 209). Er wurde 16. März
1621 (Alex. No. 23) verb., zugleich eine italienische üebersetzung
des Absagebriefes: Manifesto di Monsignor M. A. de Domiuis per
la sua partita d^Italia, und Predica fatta da Mons. M. A. de Do-
minis la 1. Domenica deir Avvento 1617 in Londra (schon 1617
in London gedruckt, auch lateinisch und englisch erschienen), mit
dem Zusätze: angeblich auch zu Rom gedruckt cum privilegio, apud
Jo. Paulum 1618. Zugleich wurden alle von Dom. herausgegebenen
und herauszugebenden Schriften, wo immer und in welcher Sprache
auch gedruckt, verb.
Pauls V. Nachfolger, Gregor XV. (1621—23), der als Car-
dinal mit Dom. befreundet gewesen, Hess ihn durch den spanischen
Gesandten in London unter Zusicherung persönlicher Sicherheit zur
Bückkehr auffordern. Er retractirte in London von der Kanzel
seine Angriffe gegen Rom, wurde im März 1622 aus England aus-
gewiesen, schwor zu Antwerpen, wo er erkrankte, vor dem Bischof
ab und wurde nach seiner Ankunft in Rom vorläufig in dem Kloster
Araceli untergebracht; die Inquisition verurtheilte ihn, abzuschwören
and in St. Peter (mit einem Stricke um den Hals) und in einem
öffentlichen Consistorium Abbitte zu thuen, und legte ihm Buss-
werke auf, unter anderm, er solle zur Vertheidigung der kath. Re-
ligion schreiben und seine Verleumdungen gegen die Römische Kirche
und Curie widerlegen. Darauf wurde er in Freiheit gesetzt. Eine vom
24. Nov. 1622 datirte lange Erklärung erschien 1623 in der Druckerei
der apostolischen Kammer uuter dem Titel: M. A. de Dominis, Ar-
chiep. Spal., sui reditus ex Anglia consilium exponit. Dom. ver-
theilte sie selbst, wie J. N. Erythraeus, Pinac. 3, 17 erzählt, an der
Thüre der päpstlichen Capelle an die Cardinäle, als sie aus der
Messe kamen. Sie wurde wiederholt nachgedruckt (auch bei Bzo-
vius a. 1479, 10, p. 160 — 170) und in mehrere Sprachen übersetzt.
Noch in demselben Jahre starb Gregor XV. Sein Nachfolger Ur-
ban VIII. war nicht so freundlich gegen Dom. gesinnt, — während
des Concia ve's soll Dom. gesagt haben : Wenn Barberini Papst wird,
bin* ich verloren. Er wurde wegen heterodoxer Aeusserungen denun-
cirt; man hegte auch den Verdacht, er wolle einen Fluchtversuch
machen. Er wurde in die Engelsburg gebracht und ein neuer In-
quisitionsprocess gegen ihn eingeleitet. Der Dominicaner-Cardinal
Desiderius Scaglia führte die Untersuchung. Dom. starb vor der
Beendigung des Processes, nachdem er vor Scaglia und einigen
Beamten abgeschworen und darauf die Sacramente empfangen, 8. Sept.
1624. (Da sich das Gerücht verbreitete, er sei vergiftet worden,
wurde die Leiche von Aerzten untersucht, welche erklärten, er sei
eines natürlichen Todes gestorben). Da es sich um die Anklage auf
404 inquisitionsproo^Me unter ürban VIII.
Rückfall in die Ketzerei handelte, wnrde die Leiche nicht begraben
und der Procees weiter geführt: am 21. Deo. 1624 wurde Dom.
in der Minerva öffentlich als haereticns relapsus verurtheilt und dann
die Leiche, sein Bild und seine Bücher auf dem Campo di Flora
verbrannt *).
In den älteren Indices werden nach dem allgemeinen Verbote
die einzelnen verbotenen Schriften von Dom. verzeichnet; seit Ben.
werden De rep. eccl. 11. 10 et cetera ejusdem opera omnia (also
strenge genommen auch die Retractation von 1623) verb., ScoglL
und Papatus aber noch immer als anonyme Schriften und dio
Schrift gegen Marias unter Lohetus aufgeführt. — 1634 wurde ein^
Streitschrift gegen die letzte Schrift von Dom. verb.: Defensic»
Ecclesiae anglicanae contra M. A. de Dominis injurias, . . . D.^
Kichardi Crakanthorp, S. T. D. et Regiae Maj. nuper sacellani.
(t 1624) opus posthumum a .)o. Barkham in lucem editum, Lond
1625, 646 S. 4. (Clement 7, 319). — Als die Retractotion 162J
auch in Venedig gedruckt werden sollte, gab Sarpi's Freund P.
Fulgenzio (Micanzio) ein Gutachten dagegen ab, worin er hervoi
hebt: wenn man Dominis darin sagen lasse, er habe alle seini
Ketzereien gegen besseres Wissen vorgetragen, so sei es doch besser,
dergleichen von einem Prälaten nicht zu veröffentlichen; aussei
kämen in der Schrift beleidigende Aeusserungen gegen den Köni^
von England und die Protestanten vor und namentlich unter dei
von ihm abgeschworenen Irrthümern auch der Satz: Papam noi
habere potestatem in temporalia in ordine ad spiritualia (Cecchett^^
2, 243). — Im span. Index steht Dom. in der 1. Cl. und wii
auch sein Bild mit einigen Verwen darunter in englischer oder ii
einer andern Sprache verb.
4. John Barnes gab zuerst Anstoss durch einen 1622
Rheims gedruckten Octavband: Examen tropaeorum congregationiv ^jmmzds
praetensae anglicanae Ordinis S. Benedicti, worin er gegen die Vei
einigung der drei Arten von Benedictiuern, die es in England galF* ^— ^ b
(spanische, italienische und englische), zu einer einzigen Congrega^^^^^-
tion protestirte (Dodd-T. 4, 91. App. 208. 222) und behauptete, vo m ■ t
der Reformation habe es in England keine andere Benedictineii^HcrK**
Congregation gegeben als die der Gluniacenser, und der Papst 8t=^^>«^i
1) Farlati, IlI}Ticum sacrum 3, 481. Bzovius. a. 1479, 10, p. 160— 17fr.
Theotimi Eupistini (Zaccaria) De doctis cath. viris etc., 1791, p. 79. ^
H. M. Ernesti, Ueber das Recht, bes. der Hierarchie, auf Ceusur und Büohei
verböte . . . nebst einer Lebens- und Characterschilderung des berühmt«
M. A. de Dominis, Lpz. 1829. Schulte 3, 1, 471. Den 21. Dec. Iö24
nicht nur Bzovius u. a. als Datum des Autodefe an, sondern auch G.
Doubletius in einem Briefe au G. 1. Vossius, d. d. Rom 21. Dec.
(Ep. 70): Interfui hodie actioni. qua cadaver . . . cremari jusaum et^
Auifallender Weise sagt Albit p. 121, die Leiche sei in seinem Beiser
anno jubilaei verbrannt worden, und Erythraeus, Pinac. 3, 17 gibtPfingstöL
1625 an. Es scheint, dass die Publication des Ürtheils 21. Dec. 1624 stat::^' W*
gefunden hat, die Verbrennung aber der grössern Feierlichkeit wegen b^^"^^*
zum Pfingstfest des Jubiläumsjahres verschoben wurde.
J. Barnes. 406
alsch berichtet worden, wenn er die Existenz einer andern eng-
ischen Benedictiner-Congregation voraussetze. Das Buch wurde 1624
Alex. No. 29) verb. mit der Bemerkung : cujus author post episto-
am inscribitur Jo. S. Andreae (unter diesem Namen steht es seit
Jen. im Index). Gegen das Buch schrieb Clement Reyner Aposto-
atns Benedictinorum in Anglia, Douay 1626, Fol. — Im J. 1624
"eichte Barnes der Sorbonne eine Dissertatio de aequivocatione, wie
!8 scheint, lateinisch und französisch, zur Approbation ein. Die
Approbation wurde 13. Juli 1624 ertheilt; Barnes wird darin als
)r. theol., Professor der englischen Mission (in Douay) und erster
Assistent der spanischen Congregation (er war in Salamanca Bene-
lictiner geworden) bezeichnet. Am 1. Aug. theilte der Syndicus der
i^acnltät mit, der Nuncius habe ihn ersucht, dafür zu sorgen, dass
as Buch nicht gedruckt werde. Die beiden Censoren erklärten
ber, das Buch enthalte nichts Anstössiges, und die Facultät be-
chloss, die Approbation nicht zurückzunehmen (Arg. II b 146. Boi-
saUy ^oyufiaaTrjg p. 65\ Das Buch erschien darauf mit einer vom
3. Jan. 1625 datirten Dedication an Urban YIII. In Kom wurde
leichzeitig mit dem oben erwähnten Examen, 12. Dec. 1624, verb.
)i8putatio aequivocatoria de licita aequivocatione terminornm
to., liber anonymus contra F. Lessium editus (so noch jetzt). Das
rann nicht wohl etwas anderes als eine frühere Ausgabe der Schrift
'on Barnes sein. Eaynaud (Apop. p. 22. 174) sagt: Barnes habe
e aequivocatione et restrictione mentali, speciell gegen Lessius,
^schrieben, und die lateinische Schrift sei auch ins Französische
hersetzt worden; er (Raynaud) sei beauftragt worden, sie zu wider-
5gen. Die Widerlegung, die er unter dem Namen Stephanus Emo-
erius herausgab: Splendor veritatis moralis collatus cum tenebris
lendacii et nubilo aequivocationis ac mentalis restrictionis. Addita
epulsione calumniarum, quibus Jo. Bamesius Leonardum Lessium
neravit, wurde 1682 auch verboten. — Barnes scheint in Rom
'egen seiner Ansichten oder wegen noch ungedruckter Bücher denun-
.rt worden zu sein; denn im J. 1626 forderte der Papst von dem
tinzösischen Könige und dem Cardinal Richelieu, ihn sammt seinen
üchem nach Rom zu schicken. Er wurde 5. Dec. 1626 zu Paris
srhaftet, wie Raynaud 1. c. sagt, ob periculosas novitates und als
3vae fidei faber (die bei ihm gefundenen Bücher, wie es scheint,
[anuscripte, sind Arg. II b 283 verzeichnet und scheinen nicht nach
om geschickt worden zu sein). Er wurde nach Cambray, von da
ioh Grivolde bei Brüssel gebracht, entfloh, wurde aber wieder ein-
dfangen, als er eben in Antwerpen ein holländisches Schiff besteigen
ollte. Nach Rom abgeliefert, wurde er von der Inquisition zu
ibenslänglicher Haft verurtheilt. Im Gefangniss wurde er irrsin-
ig und in das Irrenhaus in Trastevere gebracht, wo er 30 Jahre
ich seiner Verhaftung starb ^).
1) Vgl. ausser Raynaud 1. c. Morery, Suppl., Bayle, Wood, Ath.
zon. 2, 500, Dodd. 2, 134, Dodd-T. 4, 97. In manchen Einzelheiten
406 laquisitionsprocesse unter Urban VIII.
Das merkwürdigste Buch von Barnes wurde erst längere Zeit
nach seinem Tode gedruckt: Catholico-Eomanus pacificus. Anctore
Jo. Bamesio Benedictino Anglo. Oxoniae 1680,* 12. (abgedr. in
£. Browns Fasciculus, 1690, II, 826), verb. 1682. Das Buch soll
zeigen, quod salva communione catholicae rom. Ecclesiae et ho6
saeculo docetur et antea doctum fuit a catbolicis celebribus, ist also
ein Seitenstück zu Franz V^rons E^gle generale de la foi catboli-
que, Par. 1645, und Heinrich Holdens Divinae fidei analysis, Par.
1652, aber freisinniger als diese. Bezüglich des Papstes lehrt er,
derselbe stehe unter dem Concil, habe keine Gewalt in weltlichen
Dingen und sei hinsichtlich seiner kirchlichen Gewalt mit einem
primus praeses curiae parlamentariae zu vergleichen. Das Buch
scheint übrigens nicht von Barnes druckfertig hinterlassen, sondern
aus seinen Aufzeichnungen zusammengestellt worden zu sein (Dodd-
T. 4, 97). — Der 3. Abschnitt, De insulae Magnae Britanniae pri-
yilegiis wurde schon 1656 als Jo. Barnesii Benedictini Angli sen-
tentia de Ecclesiae Britannicae privilegiis ex Cath. Rom. Pacifioo
in der Diatriba de antiqua Ecclesiae Britannicae libertate (von
John Basire) abgedruckt; aber erst 1709 wurde die zu Amsterdam
1695 erschienene Ausgabe dieses Buches und des Anhangs verb.
Einem andern irenischen Buche eines katholischen Engländers
aus dieser Zeit ist es besser ergangen. Unter Carl I. war der Fran-
ciscaner Franciscus a Sancta Clara (sein Familienname war Christo-
pher Davenport) Kaplan der Königin Henriette Marie; er verkehrte
viel mit dem Erzbischof Land, Cosin und anderen englischen Theo-
logen und suchte eine corporative Reunion der englischen und der
römisch-katholischen Kirche anzubahnen. Er verfasste eine Erkl&mog
der 39 Artikel, worin er diesen eine katholische Deutung zu geben
suchte: Articuli Confessionis Anglicae paraphrastice exponuntur, et
in quantum cum veritate compossibiles reddi possunt, perlustrantnr,
zuerst separat gedruckt, dann mit dem Tractatus de praedestina-
tione, de meritis et peccatorum remissione, Lugd. Bat. 1634, der
1635 auch unter dem Titel Deus, natura, gratia sive Tractatus
etc. erschien. Man war in Rom entschlossen, die erste Ausgabe
des Tractats zu verbieten ; das Decret wurde aber aus Rücksicht
gegen die englische Regierung nicht publicirt und der Verfasser
zuvor nach Rom bescbieden; er entschuldigte sich mit Krankheit,
scheint aber brieflieb eine befriedigende Erklärung gegeben zu haben.
Nach dem Erscheinen der 2. Auflage, die keine derartige Erklärung
enthielt, war wieder von der Verdammung des Buches die Rede;
sie unterblieb aber auf Betreiben der englischen Agenten in Rom
und des päpstlichen Agenten in England, des Oratorianers Gregor
stimmen die Berichte über das Schicksal des unglücklichen Mannes nicht
überein. Jedenfalls ist die Angabe im K.-L. 1, 2033, er sei 1626 in Frank-
reich von der „Staatsinquisitiou" aufgegriffen, auf das Schloss Werden bei
Brüssel gebracht und dort 30 Jahre in anständiger Haft gehalten worden,
wegen der bestimmten Mittheilungen Raynauds als irrig anzusehen.
Deutscher Merkur 1882, 371.
H. Veochietti. 407
Panzani, um oicht Carl I. zu verletzen^ von dem man damals hoffte,
er werde die Wiedervereinigung Englands mit Rom durchsetzen.
Bei 'Sot. wird das Buch Dens, natura, gratia etc. ex quacunque
editione verboten. Davenport selbst sagt, der spanische Gesandte
in London, Alonso de Cardenas, ein Ex-Jesuit, habe das Buch, weil
es Carl I. gewidmet war, in den spanischen Index gebracht und
sich auch in Rom für die Verdammung desselben bemüht^).
Mich, a S. Jos. 1, 376, vermuthet, das Buch sei durch Zusätze von
irgend einer ketzerischen Hand corrumpirti
5. Vecchietti hatte sein Buch mit vielen Kosten in Augsburg
1621 in Folio drucken lassen: Hieronymi Vecchietti ab Aegypto
Florentini de anno primitivo ab exordio mundi ad annum Julianum
accommodato et de sacrorum tempomm ratione 11. 8 (der endlose
Titel steht vollständig bei Schelh., Am. lit. 8, 155 und bei Baumg.
1, 7; er nennt sich ab Aegypto, weil er zweimal dort Reisen ge-
macht). Der Minorit Marcus Antonius Capellus, der gegen Vecch.
De ßoena Christi suprema deque praecipuis ejus vitae capitibus,
Par. 1625, schrieb, sagt, die astronomischen und chronologischen
Ansichten desselben seien grossentheils falsch ; was er Theolo-
gisches vortrage, sei fast alles insigni aliqua labe aspersum. Er
gibt u. a. eine Deutung der Apokalypse, wonach im Jahre 1744
Rom von einem ketzerischen deutschen Fürsten erobert werden,
116 Jahre in den Händen der Ketzer bleiben und dann in die
Hände der Muhammedaner fallen sollte. (Der Herzog von Baiern
beklagte sich bei dem Cardinal-Nepoten Ludovisio auch über Aus-
fälle gegen Ludwig den Baiern, die in dem Buche stehen). Aber
das, woran man hauptsächlich Anstoss nahm, war die in dem 4.
Buche (Chronologie des Lebens Christi) Cap. 31 ff. vorgetragene
Aneicht, Christus habe das letzte Abendmahl am 13. Nisan gehalten,
dasselbe sei kein jüdisches Paschamahl gewesen und die Eucha-
ristie also auch nicht mit ungesäuertem Brode eingesetzt worden.
Gampanella (Atti p. 464. 489) sagt, 18 Theologen hätten die Mei-
nung Vecchietti' s als ketzerisch verdammt, er habe bewiesen, dass
sie nur temerär sei. Die Ansicht ist bekanntlich in der griechischen
Kirche die herrschende ; sie wurde auch von Suarez u. a. als
Ketzerei bezeichnet, später aber auch von manchen orthodoxen
Theologen vorgetragen und freilich vielfach bekämpft, aber nie
wieder von Rom aus censurirt'^). Vecch. wird von seinem Zeitge-
nossen J. N. Erythraeus als ein Sonderling, aber als ein sonst ganz
achtbarer Mann geschildert. Er starb nicht im Gefängnisse, wie
Dupin 17, 8 angibt, sondern wurde nach Jahre langer Haft frei-
1) Paraphrastica Expositio Articulorum Confessionis Anglicanae . . .
by Franc, a Sancta Clara . . . Reprinted from the Edition in Latin of
1646 . . . To which are prefixed an Introduction and a Sketch of the Life
of the Author. Edited by the Rev. Fr. G. Lee . . . Lond. 1865. 4. Vgl.
Fr. G. Lee, Essays on the Re-Ünion of Christendom, 1867, p. 118.
2) Bened. XIV. De festis 1, 6, 7—16. Nat. Alex. Suppl. Tomi 1.
p. 163.
406 InquisitionsprooesBO unter Urban VIII.
gelassen; er starb (nach 1632) 83 Jahre alt. In der Laarentiaiii-
sehen Bibliothek zn Florenz befinden sich mehrere AnfsätEe, die
er im Geföngnisse zur Vertheidigung seiner Meinungen geschrie-
ben^). Im span« Index steht er nicht.
6. Cesare Cremonini, seit 1591 Professorin Padua, f 1631,
der letzte dortige Vertreter des Averroismus, entwickelte in seinen
Büchern das, was er als die Lehre des Aristoteles ansah, und be-
gnügte sich, wie Pomponatius u. a., bezüglich des Widerspruchs
dieser Lehre mit den christlichen Glaubenswahrheiten mit Erklä-
rungen wie : Quae philosophi dicta non sunt retinenda, quia non
illud est sentiendum, quod sentit Aristoteles, sed quod sentit veri-
tas christiana. Die Angabe von Tiraboschi 7, 434, er sei bis zu
seinem Tode im friedlichen Besitze seines Lehrstuhles gewesen, ist
unrichtig. Ueber einen Process, den die Inquisition 1611 oder
früher gegen ihn einleitete (Reusch, Galilei S. 29), ist nichts weiter
bekannt. Zu einem neuen Process gab seine 1613 zu Venedig ge-
druckte Disputatio de coelo Anlass. Als die Römische Inquisition
1614 den Process einleitete, erhob der Senat von Venedig durch
den Gesandten dagegen Einsprache (Cecchetti 2, 258), und deshalb
wird Crem, nicht nach Rom citirt worden sein. Der Inquisitor von
Padua übersandte ihm ein Schriftstück, worin die Ausstellungen
verzeichnet waren, die man in Rom an dem Buche gemacht Crem.
antwortete darauf, erhielt aber dann von dem Inquisitor ein Ver-
zeichniss der vorzunehmenden Aenderungen. Man gab sich schliess-
lich zufrieden, als Crem, versprach, in einer neuen Schrift die ge-
wünschten Berichtigungen zu geben. Diese erschien 1616: Apolo-
gia dictorum Aristotelis de qninti coeli substantia. Aber 3. Juli
1619 schrieb der Inquisitor von Padua an ihn im Auftrage des
Papstes: die Apologia enthalte keine genügende Verbesserung der
Disputatio und bedenkliche Sätze; er möge also beide Schriften
nach den Weisungen der Inquisition corrigiren, widrigenfalls man
sie verbieten werde. Crem, antwortete: bezüglich der Disputatio
sei man früber übereingekommen, dass er sie in der Apologria be-
richtigen solle; das habe auch der Senat genehmigt; nachdem er
die Apologia veröffentlicht, halte er sich nicht für verpflichtet oder
berechtigt, an der Disputatio etwas zu ändern ; die ihm übersandten
Bemerkungen über die Apologia wolle er erwägen, mit dem Inqui-
sitor darüber sprechen und in seinem Buche De coeli efßoientia be-
rücksichtigen ; seine Darlegung der Lehre des Aristoteles halte er
übrigens für richtig und könne er nicht für unrichtig erklären;
man möge jemand beauftragen, in ähnlicher Weise gegen ihn sn
schreiben, wie Niphus gegen Pomponatius geschrieben (I S. 60);
diese Widerlegung solle dann unbeantwortet bleiben^). Endlich
1) Tirab. 8, 100. J. N. Erythraeus, Pinac. 1, 196. Mich, a S. Josephe I,
428—439 (hier ist die Stelle über das letzte Abendmahl abgedruckt).
2) Berti in den Atti della R. Acc. dei Lincei, 8. 8, vol. 2 (1878),
273. Renan, Averroes p. 867. Cantü, Eretici 8, 145. Clement 7, 838.
G. Cremonini. Ferrante Pallavicino. 409
wurde in dem Decrete der Index-Congr. vom 18. Jan. 1622 (Alex.
No. 25) die Disputatio de coelo „euBpendirt, bis der Verfasser sie
corrigirt habe/' und erklärt: wenn er das nicht binnen Jahresfrist
gethan, sei das Buch ohne weitere Erklärung als verboten anzu-
sehen. In dem Decrete vom 3. Juli 1623 wurde es aber doch aus-
drücklich als gänzlich und ohne irgendwelche Einschränkung und
Restriction verboten erklärt. Es steht auch im span. Index. Die
Apologia wurde nicht verb. — Im J. 1626 denuncirte P. An-
gelo Castellari Crem, in Rom, er habe gesagt, die Seele sei sterb-
lich, die Welt ewig u. dpfl. Der Secretär der Inquisition, Card.
Meilini, beauftragte den Nuncius und den Inquisitor zu Venedig,
Zeugen zu verhören ; der Process scheint aber nicht weiter verfolgt
worden zu sein.
7. Ferrante Pallavicino, geb. 1615, früher Lateranensischer Chor-
herr, ein liederlicher Literat, machte sich den Barberini namentlich
durch drei anonyme Schriften verhasst. Die erste, II Corriere svaligiato,
soll der Inquisitor zu Venedig approbirt haben; der Senat verbot den
Druck und als sie doch bei Ginifacio Spirantini, d. i. Franc. Picci-
nini 1641 erschien, Hess er auf den Antrag des Nuncius Vitellio
Pall. für einige Monate gefangen setzen. 1642 folgten: Bacci-
nata ovvero battarella per le Api Barberine in occasione della
mossa delle armi di N. S. Urbano VIII. contro Parma. Nella stam-
peria di Pasquino a spese di Marforio, mit einer Dedication an den
Nuncius Vitellio, und Dialogo molto curioso e degno fra due gen-
tilhuomini Acanzi, cioe soldati volontarii dell' Altezze Ser. di Mo-
dena e Parma, sopra la guerra che detti principi fanno contro il
Papa, con un breve discorso in fine fatto da Pasquino a P. Urbano
VIII. — Die Barberini gewannen für eine grosse Summe einen
jungen Franzosen, Ch. de Bresche, der sich mit Pall. befreun-
dete, ihn durch das Vorgeben , Card. Richelieu sei über seine
Schriften sehr erfreut, zu einer Reise nach Frankreich verleitete
und ihn dort, ohne dass er es merkte, in das päpstliche Gebiet
führte, wo er verhaftet wurde. Er wurde 14 Monate in Haft ge-
halten und 5. März 1644 zu Avignon enthauptet. Der Verräther
wurde auf Anstiften des Card. Mazarin ermordet. — Verboten wur-
den von Pall. bei seinen Lebzeiten, 1642, nur Lettere amorose, La
pudicitia schernita und La rete di Volcano, ein mythologischer Ro-
man, dann 1646: II Corriere, ferner II divortio Celeste cagionato
dalle dissolutezze della sposa rumana e consecrato alla simplicitä
dei scropolosi cristiani, Villafranca 1643, während der Haft in Avig-
non geschrieben (nur 1 Buch ; es sollten 3 werden ; vervollständigt
von Gr. Leti, Genf 1679); endlich L'anima di F. Pall., eine aus
Anlass seiner Hinrichtung verfasste bittere Schrift, angeblich von
Giov. Franc. Loredano, in zwei Vigilie. 1665 erschien ein zweites
Bändchen; eine vollständige Ausgabe, L'anima di F. Pall. divisa in
sei vigilie, Col. 1675, 2 vol. 12., wurde 1676 verboten. — Die bis
1655 nicht verbotenen Schriften von Pall. erschienen gesammelt
mit einer Vita von Girolamo Brusoni und einem ungenauen Ver-
zeichnisse sämmtlicher Schriften zu Venedig 1655, 4 vol. 12.; die
410 Katholisohe Theologen.
verboteDen als Opere scelte zu Yillafranca (Genf) I66O9 2 voL —
1661 wurden dann 9 von Brusoni als nicht verboten bezeichnete
Schriften verboten. Es sind lauter obsoöne Sachen, auch die von
Pall. selbst als opera spirituale bezeichnete Le bellezze dell' anima,
1640, und die opere scritturali: Susanna, Giuseppe, Sansone, Ber*
sabea. Auffallender Weise wurden erst 1669 verboten: Baecinata
und Dialogo und die gleichfalls schon 1642 erschienene Bettorica
delle puttane. — Im span. Index steht nur Divortio, und zwar eine
Ausgabe Ingolstadt (!) 1643 1).
49. Katholisehe Theologeo.
Um nicht die Darstellnng der grossen Controversen, welche
im 17. und 18. Jahrhundert die Römischen Censurbehörden be-
schäftigten, der Jansenistischen, gallicanischen und quietistischen,
unterbrechen zu müssen, schicke ich die Besprechung derjenigen
in dieser Zeit verbotenen Schriften von katholischen Theologen
voraus, welche mit jenen Controversen in keinem Zasammen-
hange stehen. Unter diesen ist zunächst der Engländer Thomas
White zu nennen, neben J. B. Poza (§ 50) der einzige Schrift-
steller dieser Kategorie, von dem (1661) sämmtliche Schriften
verboten wurden. Ausser ihm kamen nur ganz wenige englische
Schriftsteller in den Index, -— merkwürdiger Weise einige eng-
lische Catechismen aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, —
auch nur wenige deutsche Schriften, im 17. Jahrhundert n. a.
zwei von dem Abt Hirnhaim, ein 4 Seiten füllender Unions-
vorschlag von dem Jesuiten Joh. Dez und ein irenisches Buch
des Convertiten M. Praetorius, 1732 eine der derben polemischen
Schriften von Weislinger. Neben dieser einen deutsch ge-
schriebenen Schrift findet sich auch eine ganz unbedeutende
holländische. Spanien und Portugal sind, abgesehen von Poza,
in dieser Kategorie noch schwächer vertreten, sehr stark aber
Frankreich und Italien. Neben vielen weniger bedeutenden.
1) Poggiali, Mem. . . . di Piacenza 2. 170. Marchand» Dict. 8. ▼.
— 1663 erschien eine deutsche üebersetzung von „Auserlesenen Werken"
Pallavicino's: die himmlische Ehescheidung, der geplfinderte Postrenter
u. s. w. Ins Französische wurden viele derselben ttbersetEt, II IHvortiö
auch ins Englische.
Th. White. 411
theilweise ganz unbedeutenden Schriften wurden aus Frankreich
vor dem Erscheinen des Index Alexanders VII. Bücher von
P. Halloix und Fr. Combefis verboten, später viele Schriften
von Richard Simon, einzelne von J. B. Thiers, Jacques Boileau
u. a., aus Italien einige interessante Schriften von Capassi und
Serry und sehr viele unbedeutende. — Im spanischen Index
stehen Th. White, R Simon und manche andere dieser Schrift-
steller nicht
1. Thomas White, in Douay gebildet, 1617 zum Priester ge-
weiht, lebte theils in England, theils im Ausland (zu Paris, Douay,
Rom, Lissabon) und starb 1676, 94 Jahre alt. Dodd 3, 285 ver-
zeichnet 48 Schriften von ihm (35 lateinische), die er theils unter
seinem richtigen Namen (Cartesius nennt ihn Yitus), theils unter den
Namen Thomas Anglus ex Albiis East-Saxonum, William Richworth,
Blackloe u* a. veröffentlichte^). — Alle Schriften von ihm, die im
Iudex stehen, wurden von der Inquisition verboten, und zwar zum
Theil Fer. V., zuerst: Sonus buccinae sive tres tractatus de virtu-
tibus fidei et theologiae, de principiis earundem et de erroribus
oppositis, Authore Thoma Anglo ex Albiis East Saxonum, Par. 1654,
verb. Fer. IV. 12. Mai 1655; — Tabulae suffragiales de terminan-
dis fidei litibus ab Ecclesia cath. fixae, occasione Tesserae ipsvötavi-
fAüß^ Romanae inscriptae adv. folium unum Soni buccinae, Anth.
Thoma Anglo etc., Lond. 1655, und Tesserae il/sviwvv^tjg Romanae
evulgatio, eodem anthore (ein Anhang zu d^n Tabulae), verb. Fer.
V. 6. Sept. 1657 (mit Pascals Briefen). In dem Decrete der Index-
Congr. vom 10. Juni 1658 werden diese beiden Schriften nochmals
und Thomae Angli . . . Institutiones peripateticae ad mentem snmmi
viri clarissimique philosophi Eenelmi Equitis Digbei und ejusdem
Appendix theologica de origine mundi, London 1647, verb. Sir Ee-
nelm Digby, 1603 — 65, an dessen philosophische Ansichten sich
White anschloss und mit dem er auch sonst befreundet war (S. 384),
war ein Gegner Descartes' (seit 1631 Katholik; Räss, Convert.
5, 445). Sonus buccinae wurde wahrscheinlich wegen der Appendix
verboten, welche gegen die Schrift des Franciscaners Macedo : Mens
divinitus inspirata SS. Papae Innocentio X. super quiuque proposi-
tionibus Corn. Jansenii, London 1643, gerichtet ist. Macedo ant-
1) Vgl. ausser Dodd. 8, 286. 360, Butler 2, 425, Chalmers s. v.
White, Bayle s. v. Anglus, Clement 1, 348, K.-L. 1, 883. In der Schrift
De mundo dialogi tres, Par. 1642, 446 S. 8., nennt er sich: Thomas An^rlus
e generosa Alhiorum in Oriente Trinobantum pro8apia oriundus. Von
seinen englischen Schriften habe ich gesehen: The Dialogues of Wm.
Richworth, or the judgment of common sense in the joice of religion,
Par. 1640, 12. An Apology for Rushworths Dialogues, wherein the excep-
tions of the Lords Falkland and Digby are answered and the arts of
their oommended DaiUe discovered. By Th. White, Gent., Par. 1654, 12,
410 Katholische Theologen.
verbotenen als Opere ßcelte zu Yillafranca (Genf) 1660, 2 vol. —
1661 wurden dann 9 von Brusoni als nicht verboten bezeichnete
Schriften verboten. Es sind lauter obscöne Sachen, auch die von
Pall. selbst als opera spirituale bezeichnete Le bellezze dell' anima,
1640, und die opere scritturali: Susanna, Giuseppe, Sansone, Ber*
sabea. Auffallender Weise wurden erst 1669 verboten: Baccinata
und Dialogo und die gleichfalls schon 1642 erschienene Bettorica
delle puttane. — Im span. Index steht nur Divortio, und zwar eine
Ausgabe Ingolstadt (!) 1643 1).
49. Katholisehe Theologeo.
Um nicht die Darstellung der grossen Controversen, welche
im 17. und 18. Jahrhundert die Römischen Censurbehörden be-
schäftigten, der Jansenistischen, gallicanischen und quietistischen,
unterbrechen zu müssen, schicke ich die Besprechung derjenigen
in dieser Zeit verbotenen Schriften von katholischen Theologen
voraus, welche mit jenen Controversen in keinem Zasammen-
hange stehen. Unter diesen ist zunächst der Engländer Thomas
White zu nennen, neben J. B. Poza (§ 50) der einzige Schrift-
steller dieser Kategorie, von dem (1661) sämmtliche Schriften
verboten wurden. Ausser ihm kamen nur ganz wenige englische
Schriftsteller in den Index, — merkwtlrdiger Weise einige eng-
lische Gatechismen aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, —
auch nur wenige deutsche Schriften, im 17. Jahrhundert u. a.
zwei von dem Abt Hirnhaim, ein 4 Seiten füllender Unions-
Vorschlag von dem Jesuiten Job. Dez und ein irenisches Buch
des (Konvertiten M. Praetorius, 1732 eine der derben polemischen
Schriften von Weislinger. Neben dieser einen dentsch ge-
schriebenen Schrift findet sich auch eine ganz unbedeutende
holländische. Spanien und Portugal sind, abgesehen von Poza,
in dieser Kategorie noch schwächer vertreten, sehr stark aber
Frankreich und Italien. Neben vielen weniger bedeutenden.
1) Poggiali, Mem. . . . di Piacenza 2. 170. Marchand, Dict. 8. v.
— 1663 erschien eine deutsche üebersetzung von „Auserlesenen Werken"
Pallavicino^s: die himmlische Ehescheidung, der gepliinderte Postrenter
u. s. w. Ins Französische wurden viele derselben übersetzt, II Divortio
auch ins Englische.
Th. White. 411
theilweise ganz unbedeutenden Schriften wurden ans Frankreich
vor dem Erscheinen des Index Alexanders Vn. Bttcher von
P. Halloix und Fr. Combefis verboten, später viele Schriften
von Richard Simon, einzelne von J. B. Thiers, Jacques Boileau
u. a., aus Italien einige interessante Schriften von Gapassi und
Serry und sehr viele unbedeutende. — Im spanischen Index
stehen Th. White, R Simon und manche andere dieser Schrift-
steller nicht.
1. Thomas White, in Douay gebildet, 1617 zum Priester ge-
weiht, lebte theils in England, theils im Ausland (zu Paris, Douay,
Rom, Lissabon) und starb 1676, 94 Jahre alt. Dodd 3, 285 ver-
zeichnet 48 Schriften von ihm (35 lateinische), die er theils unter
seinem richtigen Namen (Cartesius nennt ihn Yitus), theils unter den
Namen Thomas Anglus ex Albiis East-Saxonum, William Richworth,
Blackloe u* a. veröffentlichte^). — Alle Schriften von ihm, die im
Index stehen, wurden von der Inquisition verboten, und zwar zum
Theil Fer. V., zuerst: Sonus buccinae sive tres tractatus de virtu-
tibus fidei et tbeologiae, de principiis earundem et de erroribus
oppositis, Authore Thema Anglo ex Albiis East Saxonnm, Par. 1654,
verb. Fer. IV. 12. Mai 1655; — Tabulae suffragiales de terminan-
dis fidei litibus ab Ecclesia cath. fixae, occasione Tesserae ipsvdwyi'
fiüß^ Romanae inscriptae adv. folium unum Soni buccinae, Anth.
Thoma Anglo etc., Lond. 1655, und Tesserae xfjBvivDvvfiwi; Romanae
evulgatio, eodem anthore (ein Anhang zu d^n Tabulae), verb. Fer.
V. 6. Sept. 1657 (mit Pascals Briefen). In dem Decrete der Index-
Congr. vom 10. Juni 1658 werden diese beiden Schriften nochmals
und Thomae Angli . . . Institutiones peripateticae ad mentem summi
viri clarissimique philosophi Eenelmi Equitis Digbei und ejusdem
Appendix theologica de origine mundi, London 1647, verb. Sir Ee-
nelm Digby, 1603 — 65, an dessen philosophische Ansichten sich
White anschloss und mit dem er auch sonst befreundet war (S. 384),
war ein Gegner Descartes' (seit 1631 Katholik; Räss, Convert.
5, 445). Sonus buccinae wurde wahrscheinlich wegen der Appendix
verboten, welche gegen die Schrift des Franciscaners Macedo : Mens
divinitus inspirata SS. Papae Innocentio X. super quiuque proposi-
tionibus Corn. Jansenii, London 1643, gerichtet ist. Macedo ant-
1) Vgl. ausser Dodd. 3, 286. 360, Butler 2, 425, Chalmers s. v.
White, Bayle s. v. Anglus, Clement 1, 348, K.-L. 1, 883. In der Schrift
De mundo dialogi tres, Par. 1642, 446 8. 8., nennt er sich : Thomas Anfflus
e generosa Albiorum in Oriente Trinobantum prosapia oriundus. Von
seinen englischen Schriften habe ich gesehen: The Dialogues of Wm.
Richworth, or the judgment of common sense in the joice of religion,
Par. 1640, 12. An Apology for Rushworths Dialogues, wherein the excep-
tions of the Lords Falkland and Digby are answered and the arts of
their commended Daille discovered. By Th. White, Gent., Par. 1654, 12«
412 Katholische Theologen.
wertete mit Sonus litai adv. sonum buccinae, 1654, und gegen diese
Schrift sind White's Tabulae gerichtet. In einem 1660 an die nie-
derländischen Bischöfe geschriebenen Briefe, der in den 1660 er-
schienenen Inst, ethicae abgedruckt ist, sagt White: das habe ihm
die Ungnade der Curie zugezogen, dass er den Satz: Summe Pen-
tifici a Christo datum, ut propositiones dubias in articules fidei trans-
ferat dono quodam prophetico spiritus sancti in mosaicis pentificibus
ab evangelista notato, entschieden bekämpft habe (haeresees et ar-
chihaeresees et sceleratissimae praxeos ebelo cenfixi).
Auf das Zureden seiner Freunde unterzeichnete White 18. Mai
1 657 eine Erklärung, dass er alle seine theologischen Schriften dem
Urtheile der Kirche und des apostolischen Stuhles unterwerfe. Der
Präsident des englischen Collegs zu Douay, Dr. Georg Leybum,
erklärte aber in einem Briefe an Holden, diese Erklärung genüge
nicht, da man die Ausdrücke von einer Unterwerfhng unter den
h. Stuhl in Verbindung mit der Kirche, also unter ein allgemeines
Cencil verstehen könne. Darauf unterzeichnete White 2. Juli eine
zweite Erklärung, dass er alle seine theologischen Schriften dem
Römischen Stuhle, dem Nachfolger des h. Petrus, dem Papst«, auch
ohne ein allgemeines Concil unterwerfe. — Auf Betreiben Leybums
censurirte im J. 1660 die theologische Facultät zu Douay 22 Sätze
aus White's Schriften. Auch einige Erklärungen von englischen
Geistlichen erschienen gegen ihn, unter anderen eine, deren Unter-
zeichner ihren herzlichen Abscheu über die von White 1655 währeud
Cromwells Pretectorat geschriebene Schrift The greunds ef ebedience
and govemment aussprechen.
Im J. 1661 Fer. V. 17. Nov. erliess dann die Inq. ein Ediot,
welches sich nur mit White beschäftigt: Auf Grund der vielfachen
und fortgesetzten Klagen über die Bücher und die Lehre des Themas
Albius Blachous [sie] oder Withus Anglus, die von verschiedenen
Seiten an den apostolischen Stuhl gelangt sind, hat Alexander YII.
die unten verzeichneten von ihm herausgegebenen und nach Bern
gesandten Schriften durch die Inq. genau prüfen lassen. Auf Grund
des darüber erstatteten Berichtes, dass dieselben mehrere augen-
scheinlich ketzerische und andere resp. dogmatisch irrige, temeräre,
ärgemissgebende, aufrührerische und falsche Sätze enthalten, und
ferner, dass aus Anlass dieser Bücher unter sonst rechtschaffenen
und katholischen Männern bedenkliche Zwistigkeiten und Aergemisse
entstanden sind, hat Seine Heiligkeit nach Anhörung der Vota der
Cardinäle der Inq., damit nicht dieses Gift weiter um sich greife,
diese Bücher und alle anderen Werke desselben Verfassers, gedruckte
und handschriftliche, verdammt und verboten. . . Der Verfasser möge
wissen, dass er, wenn er nicht baldigst sich reinigt (se expurgaverit),
den Censuren und anderen kirchlichen Strafen verfällt. — Die in
diesem Edicte speciell verbotenen Schriften sind, ausser Sonus buc-
cinae und Tabulae: Villicationis suae de medie animarum statu ratio
episcopo Chalcedonensi reddita, Par. 1653, 12.; Menumetham ex-
cantatus sive animadversiones in libellum famosum inscriptnm de
Anglicani Cleri retinenda in Apost. Sedem observantia (von Robert
Th. White. 418
Pngh), ßothom. 1660; Institationam ethicamm sive staterae momm
apÜs rationum momentis libratae tomi 3, Lond. 1660, zus. 818 S. 12.;
Statera appensa quoad salatis assequendae facilitatem, Lond. 1661 ;
Muscarinm ad immissos a Dr. Thamone calnmniaram crabrones et
sopbismatum scarabaeos censurae Duacenae vindices abigendos, Lond.
1661 ; Obedience and government, Lond. 1655.
Den Ansichten, die White über den Mittelzustand (dasPurga-
toriamj vorgetragen, wnrde vorgeworfen, das G«bet für die Ver-
storbenen werde dadurch zu einer nichts bedeutenden Geremonie ge-
macht. £r schrieb zur Vertheidigung derselben noch: Exceptiones
dnornm theologorum Paris, adv. doctrinam Albianam de medio ani-
marum statu et aliis cum Th. Albii responsis, Lond. 1662^). Die
Institutiones ethicae gab er nochmals heraus unter dem Titel: Dux
vitae . . ., Eleutheropoli 1672. Dagegen schrieb der kath. Erz-
bischof von Dublin, Peter Talbot; De efficaci reniedio contra atheis-
mum et haereses et speciatim contra gravem errorem Th. Albi seu
Blacloi in libro Statera morum damnato a S. Inq. Eom. a. 1661,
requirentis plus quam moralem evideutiam ad assensum fidei divinae
ideoque rejicientis necessitatem piae affectionis in voluntate ad illum,
Par. 1674.
Als White das Edict der Inquisition erhalten, schrieb er an
den Papst: wenn Seine Heiligkeit ohne weitere gesetzliche Formen
zur Yerhängung der angedrohten Strafen schreiten wolle, wolle er
nicht opponiren, sondern sich demüthig fügen. Er veröffentlichte
aber auch Exetasis scientiae requisitae in theologo ad censuras sen-
tentiis theologicis inferendas, oblata Em. et Rev. Dnis S. R. E.
Cardinalibus Congr. S. Inq. a Thoma Anglo, 1662, von der Inq. Fer.
V. 31. Mai 1663 verb. — Holden veröffentlichte 1662 über das Deoret
der Inquisition das Schriftchen A check, or enquiry into the late
act of the Roman Inquisition, busily and pressingly dispersed over
all England by the Jesuits. Er sagt darin, einige Schriften seien
gar nicht bedenklich; das Decret, welches voll fehlerhafter Angaben
sei, sei vielleicht unterschoben, jedenfalls keine Sentenz der Kirche
und dgl. Als eine fehlerhafte Angabe führt er speciell an, dass
die Statera appensa quoad salutis assequendae facilitatem verboten
werde, die gar nicht von White, sondern von John Sergeant ver-
fasst (auf dem Titelblatte steht: Authore J. S.) und eine Schrift gegen
1) Zwei Briefe von Henr. Holden über die 22 in Douay verdammten
Sätze und über De mcdio animarum statu sind abgedruckt in der Pariser
Ausgabe seiner Divinae fidei analysis von 1737 p. 405—448. Dieses be-
rühmte Werk von Holden (zuerst 1652 erschienen) wurde auch angegriffen.
In dem Cursus completus theol. von Migne 6, 790 ist das l. liuch des-
selben weggelassen mit der Motivirung: multis propositionibus nota cen-
floria inusta fuit (nicht in Rom) quasi male sonantibus minusque ortho-
dox iae germanis. — Chalmers s. v. White p. 424 berichtet, das Unterhaus
habe 1666 die Commission against atheism and profaneness ermächtigt,
eine Untersuchung über atheistische und irreligiöse Schriften einzuleiten,
namentlich über Hobbes' Leviathan und das Buch eines gewissen White
De medio animarum statu!
414 Katholische Theologen.
White's Statera morum sei. Wahrscheinlich hat man die Gegenschrift:
Staterae aeqailibrium quoadsalutis asseqaendae facilitatem, anth. Th.
Anglo, verbieten wollen. Seit Ben. steht das Bnch unter Statera
. . . authore J. S., während White's Schriften nicht mehr einzeln
verzeichnet werden.
,yAuch nach dem Tode Blackloe's (White's) blieb Blackloist
ein Parteiname. Man nannte so nur zu oft jeden Geistlichen , der
sich für die Anstellung eines Bischofs aussprach, an die Unfehlbar-
keit des Papstes nicht glaubte, seine Gewalt, Fürsten abzusetzen
(deposing power), bestritt, Loyalität gegen die bestehende Kegierung
empfahl, mit Recht oder Unrecht Ansprüchen der Ordensgeistlichen
entgegen trat oder gegen irgendwelche ultramontane Extravaganzen
protestirte. Später wurde dafür die Bezeichnung Jansenist Mode*'
(Butler 2, 432).
Der vorhin erwähnte John Sergeant, ein Convertit (nicht bei
Räss), ein geborener Irländer, der aber, nachdem er in Lissabon zum
Priester geweiht worden, 40 Jahre in England als Missionar wirkte,
gest. 1707, 86 Jahre alt, hatte erst später mit den Lidex*Behörden
zu thun. Seine Methodus compendiosa, qua recte investigatnr et
certo invenitur fides christiana, Paris 1674, 12., wurde von dem er-
wähnten Erzbischof Talbot in dem Buche Blacloanae haeresis olim
in Pelagio et Manichaeo damnatae, nunc denuo renascenti» historia
et confutatio. Auetore M. Lomino Theologo, angegriffen. Der En*
bischof bewirkte auch, dass die Sätze Sergeants 1675 von der Sor-
bonne censurirt wurden, und denuncirte ihn in Rom. Sergeant
schrieb darauf Querimonia Jo. Sergeant adv. M. Lominum exhibita
S. Congregationi Cardinalium. Von Rom erhielt er eine von Fr.
Laurea de Laurea unterzeichnete, vom 25. Juli 1676 datirte Monitio
ad Dom. Sergeantium dirigenda pro declaratione suae doctrinae circa
evidentiam fidei et regulae fidei, worin es heisst: in der Methodus
und in anderen Schriften kämen Sätze vor, die beanstandet worden
seien; er solle in der Schrift, die er in Aussicht gestellt, sich über
vier Puncte, die in seinen bisherigen Schriften unklar (obscure) vor-
getragen seien, klar und deutlich erklären (es bandelt sich dabei um
das Verhältniss von Glauben und Wissen). Sergeant veröffentlichte
nun Clypeus septemplex sive declaratio Jo. Sergeantii circa doctrinam
in libellis suis contentam, exhibita S. Congregationi Emin. . . . Car-
dinalium, Douay 1677, 8.; Vindiciae J. S. tribunalibas Romano et
Parisiensi, ubi ab Hl. Petro Talbot Archiep. Dublin, de doctrina
prava accusatus fuit, in librorum suorum defensionem exhibitae.
Yindiciae alterae s. explicatio complurium propositionum e libris J.
S. a Rev. P. Talbot . . . excerptarum et Em. Card. Spada, Nuncio
tunc temporis apud Christ. Regem Apostolico, exhibitarum 1678, 8.
(Dodd. 3, 472). Damit scheint man sich in Rom zufrieden gegeben
zu haben; wenigstens kam von Sergeants Schriften ausser der oben
erwähnten keine in den Index ^).
1) Bei Bouillier, Hist. de la philos. Cart^sienne 2, 495 wird Sergeant
als Gegner des Cartesius besprochen.
Fr. Porter. Bon. Baro. Th. Bonartes. 416
1682 wurde ein in Rom mit allen erforderlicHen Approbationen
der Druckerei der apoBtolischen Kammer gedrucktes Buch des in
Q Kloster Sant' Isidoro zu Rom lebenden irischen Franciscaners
inciscusPorter, gest. 1712, — es ist nicht zu ersehen, warum, —
b.: Syntagma variarum Ecclesiae definitionum in materia fidei et
mm a saeculo lY. ad praesens usque tempus editarum, 1681*,
l S. 8^). 1690 verbot die Inquisition: Opuscula prosa et metro,
omento etiam varia. Author Bonaventura Baro Hybernus Clon-
liensis, Seraphici Ordinis Franciscani Lector, Trinitarii Histori-
, Magni Ducis Theologus, Joannis Scoti vindex eto. Auch dieser
, Bon. Baron, ein Neffe Lucas Waddings, lebte in Sant' Isidoro,
696. Einzelne Schriften von ihm waren seit 1653 in Rom, Lyon,
In U.S.W, gedruckt. Die Opuscula sind zu Lyon 1669 (1671?)
3 (5?) Foliobänden erschienen*). Vielleicht sind sie den Domi-
amem in der Inquisition zu scotistisch gewesen (s. u.). — Von
Bm dritten irischen Franciscaner, Ant. Bruodinus wurde 1668
zu Prag 1664 gedrucktes Buch verb. (Hurter 2, 29). — Con-
dia scientiae cum fide e difficillimis philosophiae et theologiae
olasticae quaestionibus concinnata, libris 5 comprehensa. Auth.
>ma Bonartes Nordtano Anglo. Col. 1659, verb. 1662. Vinc.
*on, Libri apol. I, 405 spricht ausführlich über das Buch und
t, der Verfasser trage haereses crassissimas vor: fidei christ.
steria evertit et toUit, praecipue mysteria inoarnationis et trans-
stantiationis, Christum purum hominem facit, negat unionem hypo-
tioam, negat corpus Christi, quod est in coelo, esse idem in altari
Backer hatte in der 1. Aufl. das Buch unter Olivier Boonaerts
>nartius) gesetzt, hat es aber in der 2. gestrichen. — 1734 und
verbot dieinq. A catechism forthose that are more advanced
years and knowledge, 1724; Catechism or abridgment of
istian doctrine, 1725; Instructions and prayers for children,
h a catechism for young children, 1724; und 1739: The Lives
the Saints, 1724, 4 vol.
1) Porter gab das Buch unter einem andern Titel erweitert (und
rigirt) nochmals heraus: Systema decretorum dogmaticorum ab initio
centis ecclesiae per S. Pontifices, concilia generalia et partioolaria hu-
ijue editarum juxta 17 saeculorum ordinem distributum . . ., Avignon
3,* Fol. Bossuet (Exposition, 1686, Avert. p. 26) erwähnt von ihm, er
e seine Exposition ins Irische übersetzt, Rom 1675, und in seine
aris evangelica ad radicem haeresis posita, 1674, einen grossen Theil
lelben aufgenommen. Später trat er als Gegner Bossuets auf: er schrieb
en den Brief der französischen Bischöfe gegen den Card. Sfondrato und
en die Declaration von drei Bischöfen (Bossuet u. a.) gegen Fen^lon.
ztere Schrift wollten einige Examinatoren nicht annehmen; der Com-
lar der Inquisition, bei dem er sich beklagte, versprach ihm, er werde
Schrift den Examinatoren zuschicken und diese verpflichten, sie zu
n (Corr. de F^n. 8, 882). Auch in den Jansenistischen Händeln spielte
1682 in Rom eine Rolle. L de Meyer 1, 78. Serry p. 718.
2) Jo. a S. Antonio, Biblioth. universa Franciscana. Madrid 1732,
. Bon. Baronius. Hurter 2, 29.
416 Katholisohe Theologen«
2. Von dem Prämonstratenser-Abt Hieronymns Hirnbaim zn
Prag, t 1679, wurden 1680 mit d. c. verb. : Meditationes pro sId-
guli8 anni diebus ex s. scriptura excerptae*, qnibus accesserant ora-
tiones quaedam selectae ac privilegiatae cum indalgentiarum lacra-
bilium catalogo, 1682 unbedingt seine bekanntere Sobrift De typbo
generis humani sive scientiarum bumanarum inani ao ventoso tu-
more, difficultate, labilitate, falsitate, jactantia, praesumptione, in*
commodis et perioulis, 1676, „die Durcbfübrung eines ziemlich tri-
vialen SkepticismuB, welcher der Eeibe nach alle Wissenschaften,
die Theologie nicht ausgenommen, als unzuverlässig aufzuzeigen ver-
sucht und mit cyniscbem Wohlbehagen die Schattenseiten der ge-
lehrten Stände vorführt, um schliesslich in dem bloss unmittelbaren
G-lauben an die göttlicbe Offenbarung und in der praktischen Weis-
heit eines demüthigen und entsagenden Lebens die letzte Zuflucht
zu finden" (A. D. B. 12, 467). — Durch ein besonderes Decret Fer. V
30. April 1685 verdammte die Inquisition quocunque idiomate aut
versione einen libellulus quatuor paginarum: Articuli fidei prae-
cipui ad unionem utriusque ficclesiae, Komano-catholicae et Luthe-
ranae, Argentorati 1685 (bei dem Drucker des Fürstbischofs und
des Seminars gedruckt). Dieses Unionsprogramm, — auch deutsch
erschienen: „Die fürnehmsten Glaubens-Articul, beede Kirchen, nem-
lich die Eömisch-catholische und die Lutherische mit einander zu
vereinigen, Strassburg 1685", abgedr. ü. N. 1718, 969, — rührt von
dem Jesuiten Job. Dez (1643 — 1712) her, der 1687 die grössere
Schrift: La rduniou des protestants de Strasbourg k TFglise romaine^
igalement n^oessaire pour leur salut et facile selon leurs principes,
herausgab, welche der Convertit Ulrich Obrecht ins Deutsche über-
setzte. Es rief eine Reihe von Gegenschriften hervor (Backer 1,
262. Salig 1, 829. Hurter 2, 684). Das Inquisitionsdecret (abgedr.
U. N. 1718, 952) wurde zu Worms und Speyer an den Eirchen-
thüren angeheftet. — 1687 verdammte die Inq. eine zweite irenische
Schrift: Tuba pacis ad universas dissidentes in Occidente ecclesias,
sive discursus theol. de unione ecclesiarum romanae et protestan-
tium necnon amica compositione controversiarum fidei inter hosce
ooetus, in Dei 0. M. quam maximam gloriam, universae J. C. eccle-
siae bono exhibitus per Matthaeum Praetorium, Memela-Pros-
sum, Col. 1685, 88 S. 4. Praetorius war noch Prediger in Nie-
budzen bei Gumbinnen, als er das Manuscript dieser Sohrifk der
theologischen Facultät zu Eönigberg übersandte. Erst nach zwei
Jahren, nachdem er Secretär und Historiograph des Königs Johann IIL
von Polen geworden, erhielt er es mit tadelnden Bemerkungen von
Dr. M. Zeidler zurück. Er wurde 1684 katholisch und liess nun
die Schrift zu Amsterdam drucken, mit einer Widmung an Inno-
cenz XL, Kaiser Leopold I., die Könige von Frankreich, Polen
u. s. w. Sie ist „wegen einiger unzulässiger Zugeständnisse in den
Römischen Index geratheu", sagt Häss, Convert. 8, 345. Auch diese
Schrift rief eine Eeibe von Entgegnungen hervor. Sie wurde» nach-
H. Himhaim. J. Dez. M. Praetorius. N. Weislinger u. a. 417
dem Praetorius als kath. Pfarrer 1707 gestorben war, nochmals (ex-
purgirt?) zu Köln 1711 gedruckt i).
Das 1732 verbotene Buch von Job. Nie. Weislinger ist:
Hnttenus delarvatus, das ist, wahrhafte Nachricht von dem authore
der verschreyten epistolarum obscurorum virorum Ulrich von Hüt-
ten .... Constanz und Augsburg 1730, 520 S. 8 (in den älteren
Indices steht der ganze Titel in lat. Uebersetzung unter Huttenus).
Weislinger erwähnt das Verbot in seinen späteren Schriften nicht
(Schelh. Erg. 1, 172), ebenso wenig Alzog in seinem Aufsatze über
W. im Freib. Diöcesan - Archiv I (1865). — Unter Benedict XIV.
1755 wurde noch verb. Justificatio parvuli sine martyrio et sacra-
mento baptismi in re suscepto decedentis von dem baierischen Fran-
ciscaner Venustianus Hiebel.
Die 1703 verbotene holländische Schrift (erst seit Ben. im
Index) ist die zu Amsterdam erschienene Onderwys voor de eerste
h. Communie, dat is de geestelycke bruyloft (Hochzeit) van de
jonghe kinderen, gemaekt door eenen Priester der Societeyt Jesu.
Sommervogel verzeichnet eine 1661 erschienene 4. Ausgabe, 48 S.
12., und sagt, das Schriftchen sei oft gedruckt. — Historiae eccle-
Biastioae compendium a C. n. usque ad a. 1700, Antw. 1736, verb.
1737, kenne ich nicht.
3. In dem Buche des spanischen Jesuiten Alvarez Cienfuegos
(1657 — 1739), Aenigma theologicum seu potius aenigmatum et ob-
senrissimarum quaestionum compendium, Wien 1717, 2 Fol. (der
vollständige Titel füllt bei Hurter 2, 947 eine halbe Seite), sollen
die Bömischen Theologen einige Speculationen über die Trinität
und die göttliche Freiheit beanstandet haben. Es kam aber jeden-
falls nicht zu einem Verbote, Cienfuegos wurde sogar 1720 auf die
Empfehlung Carls VI. Cardinal. Auch die in seiner Vita abscon-
dita seu speciebus eucharisticis velata . . . Kom 1728, Fol., vorge-
tragene Abendmahlslehre wurde angegriffen (Hurter 1. c. K.-L. 1,
625). — Von dem portugiesischen Jesuiten Stephan Fagundez, f 1645,
wird berichtet, sein Tractatus in 5 Ecclesiae praecepta, Lugd. 1626,
2 Fol., sei von der Inquisition von Castilien verb., aber nach dem
Eracheinen seiner Vertheidigung, Informatio pro opinione esus ovorum
et lacticiniorum tempore quadragesimae, Lugd. 1630, Fol., wieder
freigegeben worden (Hurter 1,902. Giannone, Opp. 12,487). —
Der berühmte portugiesische Jesuit Antonio Vieira wurde 1667 von
der Inquisition zu Coimbra processirt und zur Abschwörung de
levi und zu einjähriger Internirung in dem Noviziat verurtheilt.
Die Anklagepunkte waren zum Theil aus seinen Predigten entnom-
men, hauptsächlich aber aus einer ungedruckten Schrift: Esperangas
1) Des M. Praetorius . . . Aufruf zur Vereinigung an alle in Glau-
benssachen im Occident von einander abweichenden Kirchen. Aus dem Lat.
übers, [von Pf. Spenrath in XantenJ, mit einer theologischen Vorerinne-
rong und mehreren [berichtigenden] Anmerkungen vermehrt durch A. .1.
Binterim, Aachen 1822; 2. A. 1826.
Beiuob, Index II. 27
418 Katholische Theologen.
de Portugal, Quinto Imperio do Mundo, worin die Weissagungen des
Schusters Gonsaliannes Bandarra commentirt waren: vor dem Ende
der Tage werde der König von Portugal, der wiederauferstandene
Sebastian, als Kaiser an die Spitze des fünften Weltreiches treten.
Auch von einem lateinischen Werke von Vieira, Clavis prophetAmm,
— es sollte eine Anleitung zur Deutung der biblischen Propheten
in 4 Büchern werden, ist aber nicht vollendet und nicht gedruckt, —
ist in dem Processe die Rede. In dem Urtheil wird gesagt, anoh
die Römische Inquisition habe Sätze von Vieira qualificiren lassen.
Darüber ist sonst nichts bekannt. 1669 reiste er nach Rom und
überreichte Clemens X. eine Denkschrift über das Verfahren der
portugiesischen Inquisition^). In den span. Indices von 1707, 1747
und 1790 wird die Uebersetzung von Vieira's Predigten exporgirt
(nur einige Ausdrücke werden gestrichen oder corrigirt). Im Rom.
Index steht nur Crisis paradoxa super tractatu insignis P. Antonü
Vieyrae Lusitani S. J. de regno Christi in terris consummato vel
de opere illo magno universalis spei scopo Clavis prophetamm nnn-
cupato, cum criticis reflexionibus atque illustrationibus super omni*
bus et singulis ipsius operis ac tractatus materiis et assertionibns,
verb. 1759, nach Machado 4, 168 s. 1. (London) 1748, 4., von dem
Augustiner Ignacio de S. Teresa, Erzbischof von Goa, f 1751.
4. Ein französischer Jurist Fran^ois de Monceaux de Fridevalle ^^
zu Arras, der seit 1587 einige Schriften über das Alte Testament ^it
veröffentlicht hatte, kam 1609 in den Index mit dem wunderlichen Mm
Buche: Aaron purgatus s. de vitulo aureo libri duo, simnl chera- ^M'
binorum Mosis, vitulorum Jeroboam, teraphorum Michae formam et .J-^t
historiam explicantes, auth. Franc. Moncaeo Fridevalliano Atre-
batio, Atrebati 1606. Er meint, Aaron habe nicht in götzendiene-
rischer Absicht das goldene Kalb angefertigt, es sei ein geflügeltes
Kalb gewesen, wie deren ja auch zwei (die Cherubim) auf der Bundes-
lade gewesen u. s. w., und er hat sein Buch Paul V. dedicirt, der
ja, wie er meinte, sich für seinen Vorgänger Aaron interessiren
müsse. Das Buch ist übrigens im 7. Bande der Critici sacri abge-
druckt und ein Doctor der Sorbonne, Robert Visorius hat es, ob-
schon es von zwei Theologen approbirt war, widerlegt: Aaronifl
purgati 8. pscudocherubim ex aureo vitulo conflati destructio, Par.
1609, 8.2). — Auch P. Fr. Claudii Rango lii Crespeiensis-Valesii, Or
dinis Minimorum S. Fr. de Paula, Commentariorum in libros
Tomus I. Lut. 1621,* Fol., noch 1621 verb., ist Paul V. gewidmel
in der Vorrede sagt der Verfasser (Cl. Rangueil), er habe auch äA
— «-
>r
1) Das ürtheil der Inquisition vom 23. Dec. 1667 bei Seabrm» %
327—360; vgl. 1, 153 (die Verlesung desselben dauerte 2V4 Stunden). Ä^>ie
Denkschrift: Noticias reconditas do modo de proceder k inquisicion ^e
Portugal com os seus pregos: informacao que ao P. demente X. de^c:^^ 0
P. A. Vieyra, ist Liss. 1821 gedruckt. Vgl. A. du Boys, Documenta nc^"*^^»
et inedits sur Tlnq. Port, im Corresp. 1859, 47, 483. Eine Stelle ^
Vieira's Clavis wird iu Agiers Buch über Lacunza p. 119 mitgetheilt
2) Hurter 1, 356. Gibbings, Au exact repriut p. 41.
«u
A. Vieira. P. Picherellus. F. Halloix. Fr. Coinbefis u. a. 419
^ermilias damnatae memoriae benutzt, weil er das meiste vor seinem
Lbfall geschrieben; de potestate et jurisdictione ecclesiastica, de
ure regis et fisci, de gratia efficaci u. s. w. habe er [in den vielen
nd langen Digressionen seines Commentars] das vorgetragen, quae
•robabiliora visa sunt, ut si quis melius sentiret, liceret a me dis-
entire. Dabei wird er manches vorgetragen haben, was ausser der
ienntzung Vermigli's der Index-Congr. nicht gefiel. Den 2. Band,
er 1624 erschienen ist, scheint man in Rom übersehen oder, da in
em Decrete von 1621 nicht ausdrücklich der I. Band genannt ist,
Is in voraus mit verboten angesehen zu haben. — Von Pierre
*icherel, der von de Thou und Casaubonus als gelehrter Mann ge-
ahmt wird, 1561 an dem Religionsgespräche zu Poissy theil-
lahm und 1590 als Katholik starb, war In Cosmopoeiam ex Gen.
ap. 1 — 5 paraphrasis cum annotationibus, Par. 1579, 4., und nach
einem Tode : P. Picherellus in Matth. cap. 26, Coenantibus etc.,
•ar., 1596, 8. gedruckt. 1629 erschienen zu Leyden, von Andr.
livet herausgegeben, Petri Picherelli Opuscula theol. quae repe-
iri potuerunt, partim antea, partim nunc primum edita. Die Sor-
onne verdammte das Buch 1. Sept. 1629 in den schärfsten Aus-
rücken: sie bezeichnet den Autor als perduellis und Ecclesiae
atholicae deletor und sagt, die von nescio qui besorgte Ausgabe
einer opuscula contra missae sacrificium et cultum imaginum, a
inltis annis consarcinata, carie obsita et exesa, sei ein libellus
efarius, putente haereseos Calvin, lepra ubique interpunctus et
lens ut antrum tartari (Arg. II b 286). In Rom wurde das Buch
rst 1658 verb. In dem Decrete (Alex. No. 67) werden die Opus-
ula verzeichnet: Expositio verborum institutionis Coenae Domini ex
ap. 26. Matth.; Diss. de missa et annexis; Diss. de imaginibus
abita ad Fanum Germani coram Regina Matre 1562; Appendix
d diss. de missa et Maldonati duobus praelectionibus in Ps. 110.
rh. Pope Blount, Censura p. 725).
Das Buch des belgischen Jesuiten Petrus Halloix, f 1656,
^rigenes defensus s. Origenis . . . amatoris Jesu vita, virtutes, do-
amenta, item veritatis super ejus vita, doctrina, statu exacta dis-
nisitio, Leodii 1648, Fol., wurde 1655 mit d. c. verb. Albit. p. 9
Igt, das Buch sei zu der Zeit, als er Assessor S. Off. gewesen,
erboten worden, weil darin parum modeste von der 5. Synode ge-
)rochen werde, die Origenes verdammte: Halloix bezeichnet sie
8 Justiniani conciliabulum iustigante diabolo concitatum, behauptet
)er, sie habe den Origenes nicht verdammt. Card. Noris polemi-
rt gegen ihn in der Diss. de 5. synodo (1673^). — Ein gleich-
iitig mit dem Buche von Halloix erschienenes Werk des franzö-
Bchen Dominicaners Franc. Combefis, Historia haeresis Mono-
1) Die Sorbonne verweigerte 1526 die Approbation für eine Apologie
»s Origenes von Jac. Merlin. Arg. II a X. — Ueber die 1864 in Rom
•scbiencne Vertbeidigung des Origenes von A. Vincenzi s. Th Lit.-Bl. 186C,
16.
420 Katholische Theologen.
thelitarum sanctaeque in eam 6. Synodi actorum viodiciae, Par.
1648, wurde erst 1662, aber unbedingt verboten. Quetif, der 2,
678 ausführlich über Combefis handelt, sagt nichts über den Grund
des Verbotes; ohne Zweifel ist es hauptsächlich seine Darstellung
der Verdammung des V. Honorius (Arnauld 9, 302); Raynaud stellt
ausserdem (Apop. p. 302) eine Reihe von unehrerbietigen pole-
mischen AeuRserungen gegen Baronius zusammen und macht ihm
auch (p. 272) zum Vorwurf, dass er p. 244 die Ansicht des Bar-
cos über Petrus und Paulus (s. n.) vortrage und am Ende seines
Buches nur halb berichtige.
Vera idea theologiae cum historia ecclesiastica sociatae
s. quaestioues juris et facti theologicae steht im Index ohne Angabe
des Datums des Verbotes (Ben. citirt: App. Ind. Clem. XL; es steht
zuerst in der App. von 1704). Der Verfasser ist der Jesuit Jo.
Gisbert, der in Tours und Toulouse docirte, 1 1710. Das Buch ist
zuerst Toulouse 1676, dann Paris 1689 und noch wiederholt im
18. .Jahrb. in Deutschland (Wien 1750) gedruckt. Wenigstens die
Ausgabe Paris 1689* hat den vollständigen Titel: Vera . . . theo-
logicae, olim ad disputandum propositae et propugnatae a R. P. Jo.
Gisbert, S. J. Sac. et Regio Theol. Prof. in Academia Tolos. (c. 400 S.
8.). Das Buch enthält eine Rt^ihe von ganz kurzen Abhandlungen
über allerlei Themata, viele über die Gnadenlehre, und in diesen
mag die Index-Congr. Anstössiges gefunden haben. Dass es ohne den
Namen des Verfassers im Index steht, mag Anlass dazu gegeben
haben, dass man das Verbot übersehen (auch Backer, Ed. 2., I,
2145 erwähnt dieses nicht) und das Buch wiederholt neu gedruckt
hat. Gisbert hat übrigens noch ein anderes ähnliches Bach ge-
schrieben: Scientia religionis aniversa s. christiana theologia histo-
riae eccl. nova methodo sociata, Par. 1689, 2 vol. 8. — Metho-
dicus ad positivam theologiam apparatus, auth. Petro Annato,
Congregationis doctrinae christianae P. Generali, Ed. 2., Paris 1705,
2 vol., von der Inq. verb. 1714. Der Verfasser war ein Neffe des
Jesuiten Franz Annat, f 1715. Das Buch ist zuerst 1700 erschienen
und die 2. Auflage wurde in den Mem. de Trevoux 1706, art. 50
unbedingt gelobt. In der zu Würzburg 1726 gedruckten Editio
prima in Germania correctior et auctior steht in der Vorrede: Tu-
tiorem Apparatum invenies in hac 4. editione (die 3. war zu Ven.
1725 erschienen), quippe qui sub S. Pontificis auspiciis benevola
manu recusus (Magna Bibl. eccl. s. v. Annatus). Wenn also, wie
es scheint, trotz des unbedingten Verbotes von 1714 eine Expur-
gation in Rom genehmigt worden ist, hätte Ben. nicht d. c. bei-
fügen, sondern die corrigirte Ausgabe freigeben sollen. Im span.
Index wird die Ausgabe Ven. 1725 freigegeben.
Jean Baptiste Thiers, Baccalaureus der Theologie, war einige
Jahre Regens des College Du Plessis, dann Pfarrer, zuletzt zu Vi-
bray, f 1703, 60 Jahre alt. »^ein Buch De festorum dierum immi-
nutione, 1668, welches er herausgegeben, nachdem die französischen
Bischöfe auf den Wunsch des Königs einige Feste aufgehoben, wurde
1672 mit d. c. verb. Thiers schrieb, als ihm das Verbot bekannt
J. Gisbert. P. Aunatus. J. B. Thiers. 421
wurde, an den Card. Bona und bat ihn um Mittheilang dessen, was
die Index-Congr. beanstande, damit er dieses als gehorsamer Sohn
der Römischen Kirche in der 2. Auflage verbessere und in dem
grösBem Werke, an dem er arbeite, De festorum dierum institu-
tione, incremento et imminutione (es ist nicht erschienen) nicht
wieder Fehlgriffe mache. Bona antwortete 14. Juni 1696: die In-
dex-Congr. verlange, dass alle Stellen geändert würden, in denen
den Bischöfen das Recht zugesprochen werde, Feiertage aufzuheben ;
sie habe auch daran Anstoss genommen, dass er in der Vorrede Ca-
ramuel einen theologus perversae doctrinae und im 40. Cap. dessen
Ansichten pestilentiores nenne, was doch einem noch lebenden
Bischof gegenüber zu bitter sei; er persönlich rathe ihm noch, auf
dem Titel pro defensione wegzulassen, das, was er von der Ein-
führung von Festen durch Fürsten sage, besser zu explicireu und
noch einiges andere zu ändern, namentlich auch den £rasmus
(nosti, quis ille fuerit) nicht so hoch zu stellen. Thiers antwortete,
er werde die von der Index-Congr. verlangten und, wenn Bona
darauf bestehe, auch die von ihm vorgeschlagenen Aenderungen
(über die er Bemerkungen macht) vornehmen ; dass Caramuel Bischof
sei und noch lebe, habe er nicht gewusst; was den Hauptpunkt be-
treffe, so müsse er doch bemerken, dass früher thatsächlich Bischöfe
Feste aufgehoben hätten. Auf letzteres antwortete Bona, in Fragen
der Disciplin dürfe man nicht omissa quaestione juris veterum facta
geltend machen. Später schickte Thiers Bona seinen Traitc de
Texposition du s. sacrement de Tautel, 1672 (^egen die häufigen
Expositionen). Das Buch wurde von Bona gelobt und nicht
verb. ^). Die einzige andere seiner zahlreichen Schriften, welche
im Index steht, ist Traite des superstitions qui regardent les sacre-
mentSy selon TEcriture sainte, les Decrets des Conciles et les Senti-
ments des S. Peres et des Th^ologiens, Paris 1679, 2 vol. 12., verb.
1703. Nach Thiers' Tode erschienen 1704 noch 2 Bändchen und
mehrere Auflagen (4. Ed. revüe, corr. et augm. Avignon [?] 1777,*
4 vol. 12.); alle 4 Bändchen wurden 1757 verb. Das Werk ist mit
grosser Belesenheit, ernst und in kirchlichem Geiste und massvoll
geschrieben, enthält sehr viel schätzbares Material, aber freilich
manche Bemerkungen, die man in Rom übelnehmen musste, so na-
mentlich im 4. Bande über Ablässe, privilegirte Altäre, Portiuncula,
Bulla sabbatina, im 2. Bande über fabuloae Reliquien, die Bemer-
kung, es sei nicht in der Ordnung, einem Kinde viele Vornamen zu
geben, obschon Alexander VII. einem Neffen, den er taufte, 13 ge-
geben; der h. Birgitta sei geoffenbart worden, Maria sei unbefleckt
empfangen, der h. Catharina von Siena das (xegentheil, Card. Ca-
jetan gebe der letzern den Vorzug, weil sie regelrecht canonisirt
1) Epistolae sei. Jo. Bona ed. Sala, No. 205. 209. 265. 2r>9. 821.
Hurter 2, 848. Von dem Traite de l'exposition erschien die 4. Ausgabe
A-vignon 1777,* 2 vol. üeber die Dissert. sur la sainte lärme de Vandome,
Par. 1699, s. Sainjore 3, 337.
422 Katholische Theologen.
worden sei, Birgitta aber von Bonifaz IX. während des Schisma^s,
als kein unzweifelhafter Papst da war (2, 277).
Jacques ßoileau, geb. 1635, Dr. thcol. 1662, 20 Jahre General-
vicar von Sens, seit 1694 Canonicus in Paris, f 1716, steht nicht
mit seinem Namen im Index, aber mit einer Pseudonymen Schrift
und mit zwei anonymen. Er wird von Sainte-Beuve 5, 516 als
Docteur de plus d'humeur que de goüt bezeichnet, und sein eigener
Bruder, der Dichter, soll von ihm gesagt haben: S'il n'avait M
Docteur en Sorbonne, il se serait fait Docteur de la comWie ita-
lienne^). Sainte-Beuve's Charakteristik passt besonders auf seine
Historia flagellantium, de recto et perverso flagrorum usu apud
christianos, ex antiquis Scripturae, Patrum, Pontificum, Conciliorum
et scriptorum profanorum monumentis . . expressa, Par. 1700,* 12.,
verb. 1709. In dem Index-Decrete steht unmittelbar dahinter: Liber
apologeticus J. B. Thiers, in quo exacte omnia argumenta convellit.
Das kann nur Thiers' Critique de Thist. des flagellants et justifi-
cation de l'usage des disciplines volontaires, Par. 1703, 12., sein.
Wörtlich so wie im Decrete stand auch in den Indices bis auf
Ben., der das Buch gestrichen hat. Es gab Anlass zu einer Sa-
tire, Lob der h. Disciplin, die in den Ordres monastiques 4, 262
(Pragm. Gesch. 3, 163; s. o. S. 278) abgedruckt ist. — Andere
Schriften von Boileau sind anderswo erwähnt, eine schon I S, 16.
Im span. Index stehen unter Boileau eine französische Uebersetzung
der Hist. flag., Amst. 1723, und Hist. confessionis auricalaris
(gegen Dallaeus), 1683, dagegen nicht die beiden anderen Schriften.
Richard Simon, geb. 1638 zu Dieppe, 1662 — 78 Oratorianer,
1 1712, wurde am schärfsten in seinem eigenen Vaterlande ange-
griffen, namentlich von Bossuet und Arnauld, die, so grosse Theo-
logen sie auch waren, für die historisch-kritische Behandlung der
Bibel, für welche Simon bahnbrechend wurde, gar kein Verständ-
niss hatten^). Die Histoire critique du Vieux Testament wurde,
nachdem sich S. die Druckerlaubniss verschafft, 1678 zu Paris ge-
druckt. Arnauld schickte Bossuet die Vorrede und das Inhaltsver-
zeichniss ; dieser glaubte daraus zu ersehen, dass das Buch un. amas
1) (Irailh), QucrelleB litt, l, 297. Nie. 12, 128. Ucber Boileau 'b Hist.
disquisitio de re vestiaria hominis sacri, 1704, h. Sainjorc S, 322. Er ist
auch der Verfasser des Schriftchens; Joxtf.taartjg s. de librorum circa res
theol. approbatione disquisitio hist., Antw. 1708,* 16. — Seinen Bruder,
den Dichter, reizte Boileau, auf eine ungünstige Kritik seiner Satiren von
dem Jesuiten Buffier in den Mem. de Trevoux von 1703, welche auch die
Hist. flagcllantium verhöhnt hatten (turlupine), zu antworten (Boileau aux
prises avec les jesuites, 1706). Er wollte eine Satire De l'equivoque gegen
die Jesuiten von Trevoux in die Ausgaben der Satiren von 1710 und 1718
aufnehmen; die Jesuiten erwirkten aber ein Verbot des Königs. S.-Beuve
5, 616.
2) A. Bernus, Kichard Simon, 1869. A. M. P. Ingold, Essai de Biblio-
graphie Oratorienne, 1880—82, p. 121. K.-L. 10, 157. Bossuet, Oeuvres
88, 302. Sainjore 4. 1. 9: La suppression de l'Hist. . . en 1678.
J. Boileau. R. Simon. Th. Smith. 423
d'impiet^B et an rempart de libertinage sei, nnd erwirkte durch den
Kanzler Le Tellier ein Arr^t des Staatsrathes vom 19. Juni 1678,
das Buch zu conßsciren. Die ganze Auflage von 1300 Exemplaren
wurde bis auf 6 oder 7 verbrannt. S. wurde aus der Congregation
des Oratoriums ausgeschlossen und eine G-eneral Versammlung der
Congregation im J. 1681 beauftragte den F. Thomassin, dem Card.
Casanate zu schreiben, sie desavouire das Buch und den Verfasser.
1683 wurde das Buch von der Index- Congr. verboten, mit dem Zu-
sätze cujuscunque impressionis (es war in Amsterdam 1680 ein
Nachdruck erschienen, von dem ein Theil der Exemplare, um die
Einführung in Frankreich zu erleichtem, den Titel Hist. de la reli-
gion des juifs etc. hat). Im J. 1685 erschien eine neue Auflage
zu Roterdam, augeblich von einem Frotestanten, in Wirklichkeit
von S. selbst besorgt. Gleichzeitig erschienen von ihm zwei Yer-
theidigungen : Hieronymi Le Camus Theologi Faris. Judicium de nu-
pera Isaaci Vossii ad iteratas F. Simonii objectiones responsione,
Edinburgi (Roterdam) 1685, 64 S. 8., und R. Simonis Gallicanae
Ecclesiae Theologi Opuscula critica adv. Isaacum Yossium Angli-
canae Eccl. Canonicum. Defenditur sacer codex ebraicus et B. Hie-
ronymi tralatio, ib. 86 S. 8., und im folgenden Jahre: R6ponse au
livre intitul6 Sentiments de quelques th^ologiens de Hollande sur
l'Hist. crit. du V. T. [von Jo. Clerious, 1685] par le Frieur de
Bolleville, Roterdam 1686, 256 S. 4. Diese drei Schriften wurden
1687 verb.; es sind die einzigen von den zahlreichen auf die Hist.
crit. du y. T. bezüglichen Streitschriften, die im Index 'stehen; auch
die Schrift De Tinspiration des livres sacr^s . . . par le Frieur de
Bolleville, 1687 (gegen Dupin), wurde nicht verb.
Schon 1686 wurde verb. das ganz harmlose anonyme Schrift-
chen No verum Bibliorum polyglottorum Synopsis, Ultrajecti 1684,
31 S. 8., worin S. in Form eines Briefes von Origenes Adamantius
an Anibrosius, datirt Fatmos 20. Aug. 1684, den schon in der Hist.
crit. angedeuteten Flau einer neuen Folyglottenbibel entwickelt. Die
Fortsetzung, welche unter dem Titel Ambrosii ad Origenem Epi-
stola de novis bibliis polyglottis, ib. 1685, 14 S. 8., erschien, ist
nicht verb. — Gleichzeitig wurde aber ein Buch von S. über einen
andern Gegenstand verb.: Histoire critique de la creance et des
coutnmes des nations du Levant, publice par le Sr. de Moni, Francf.
(Roterdam?) 1684, 230 S. 12. (später nochmals herausgegeben als
Hist. crit des dogmes, des controverses, des coutumes et des oM-
monies des chretiens orientaux, par R. Simon, ci-devant Fretre de
rOratoire, Trevoux 1711; Dupin 19, 75; U. N. 1709, 258). In
den beiden ersten Capiteln polemisirt S. gegen De graecae Ecclesiae
Iiodiemo statu epistola, auth. Thoma Smith, Oxf. 1676; Ed. 2.
«t emendatior, Lond. 1678. Smith (Frof. in Oxford) antwortet« in
Ifiscellanea, in quibus continentur: Fraemonitio ad lectorem de in-
fantium communione apud Graecos. Defensio libri de graecae Eccl.
statu contra objectiones authoris Historiae crit. super fide et ritibus
Orientalium. Brevis et succincta narratio de vita, studiis, gestis et
martyrio D. Cyrilli Lucarii Fatriarchae Ctp. Commentatio de hym-
424 Katholische Theologen.
nie matntino et vespertino graeconim. Exercitatio theol. de causis
remediisque diBsidiorum, qnae orbem cbristianum hodie affligunt,
Lond. 1686, 198 S. 8. Dieses Buch von Smith wurde 1690 verb.,
die (2. Ausg. der) Epistola erst 1718! — S. schrieb noch La cre-
ance de VEgl. Orientale sur la transsubstantiation aveo une r^ponse
aux nouvelles objections de M. Smith, oü Ton fait voir que Cyrille
Lucare . . . qu'il honore du titre de saint martyr, a 6te un impo*
steur, Par. 1687, 303 S. 12., und Smith antwortete in einem 2.
Bande Miscellanea, 1690. Aber diese und andere Streitschriften
kamen nicht in den Index (von Smith nur noch Vitae quorundam
eruditissimorum et illustrium virorum, 1707, verb. 1709). — Die
Schrift über die orientalische Kirche verwickelte S. auch in einen
Federkrieg mit Amauld und seinen Freunden (Ingold p. 147). Im
J. 1692 schreibt Amauld (3, 527) wiederholt sehr bitter über ihn
an du Yaucel nach Bom: er sei un tres-m^chant homme nnd ein
Socinianer, und seine Bücher müssten verb. werden, schon wegen
dessen, was er über die Inspiration und über den Muhammedanis-
mus sage (S. sagt in seiner Vertheidigung, Lettres 3, 243, Amauld
finde es anstössig, dass er eine ganz objective Darstellung der mn-
hammedanischen Theologie ohne Polemik gegeben, und meine auch,
er beurtheile den Islam zu milde), namentlich aber, weil er die
Beweise für den Glauben der griechischen Kirche bezüglich der
Eucharistie abschwäche (S. antwortet, Sainjore 1, 302: er habe nur
gesagt, durch Arnauld sei die Frage, ob die Griechen an die Trans-
substantiation glaubten, nicht erledigt), und weil er sage, die Kirche
der drei ersten Jahrhunderte habe Aenderungen des Textes der
biblischen Bücher geduldet.
Dieser letzte Vorwurf bezieht sich auf die mittlerweile er-
schienenen Bücher: Histoire oritique du texte du Nouveau Testa-
ment, Roterdam 1689, und Hist. crit. des versions du N. T., ib.
1690, denen 1693 die Hist. crit. des principaux commentateurs du
N. T. folgte. Auch Bossuet urtheilte über diese Bücher ebenso
hart (und ungerecht) wie Arnauld : On apprend dans cet ouvrage k
estimer Grotius et les ünitaires plus que les p^res, et il n^a eher-
ch6 dans ceux-ci que des fautes et des ignorances . . . C'est la
plus mince th^ologie qui soit au monde . . . II ne fait que donner
des vues pour trouver qu'il n'y a rien de certain . . . L'erudition
y est m^diocre et la malignite dans le supreme d^gr^ (Oeuvres 37,
485). Besondern Anstoss nahm Bossuet wie Arnauld an den Be-
merkungen (namentlich im 3. Theile) über die Gnadenlehre des h.
Augustinus. Er schrieb gegen ihn eine Defense de la tradition et
des saints peres (erst 1763 gedruckt; Oeuvres 4, 440; 5, 1). Im
Febr. 1694 schreibt Amauld (3, 737) ganz unwillig an du Yaucel:
wamm denn der letzte Band über das N. T. noch nicht verboten
sei, was er doch schon wegen der Aeusserungen über Augnstinus
verdiene. Aber dieser 3. Theil wurde überhaupt nicht verb., iind
die beiden ersten erst 1700, dagegen schon 1693 ein pseudonyme^
Buch über einen ganz andern, die Curie mehr interessirendeim
Gegenstand: Histoire de Torigine et du progr^ des revenus eccl6^
R. Simon. 426
siafitiqnes, ou il est traite selon TaDcien et le nouveau droit de
tout ce qui regarde les matieres b^n^ficiales, de la regale, des in-
vestitures, des nominations aux bencfices . . . ., par Jerome
a Costa, Docteur en Droit et Protonotaire apostolique, Francf. (Ro-
terdam?) 1684, 346 S. 12. (Basel 1706, 2 vol.), ein Supple-
ment zu Sarpi's Historia sopra li beneficii eccl. (einen Nachtrag
dazu, über Revenuen aus Reliquien, Ablässen und dgl. gibt Sainjore
3, 331).
Die schärfste Verurtheilung erfuhr in Frankreich : Le Nouveau
Testament de notre Seigneur J^sus-Christ, traduit sur l'ancienne
edition latine, avec des remarques literales et critiques sur les prin-
cipftles difficult^s, Trevoux 1702, 4 vol. 8. Bossuet meinte anfangs,
das Buch könne durch Cartons corrigirt werden, und es wurden wirk-
lich solche gedruckt (Oeuvres 38, 803). Aber schon 15. Sep. 1702
erliess Card. Noailles auf Bossuets Betreiben eine Ordonnanz gegen
das Buch, welche in allen Pariser Kirchen verlesen wurde. Er rügt
darin, der üebersetzer, der sich schon durch mehrere Werke ver-
dächtig gemacht, habe die Uebersetzung anonym und ohne Appro-
bation veröflFentlicht (sie war durch zwei von Noailies und Bossuet
vorgeschlagene Theologen geprüft worden); die Vorrede, die Ueber-
setzung und die Noten enthielten Fehler; viele Stellen seien zu frei
übersetzt und abgeschwächt; es werde in ungehöriger Weise über
die Vulgata und die alttestam entlichen Citate gesprochen u. s. w. (die
Ordonnanz mit Simons Yertheidigung in seinen Lettres 2, 333).
29. Sept. schrieb auch Bossuet eine Ordonnanz, worin das Buch
verb. wurde, weil die Uebersetzung untreu, temerär und ärgerniss-
gebend, der Commentar voll temerärer, der Tradition widersprechen-
der, gefährlicher und zu Irrthum und Ketzerei führender Erklärungen
sei. Die Ordonnanz wurde erst 3. Dec. 1702 in den Kirchen der
Diöcese Meaux verlesen, weil der Kanzler Pontchartrain die Ab-
änderung von zwei Stellen in dem ersten Drucke verlangte. Bald
darauf erschienen von Bossuet: Instructions sur la version etc. Auch
über diese hatte Bossuet Verhandlungen mit dem Kanzler, der an-
fangs verlangte, sie müssten von Doctoren approbirt werden ; auch in
diesen wurden zwei Stellen geändert. Simon erhielt für eine Er-
widerung nicht die Druck erlaubniss (sie ist in den Lettres 3, 291
und bei Sainjore 1, 378 gedruckt). Nicht ohne Mühe bewirkte
Bossuet, dass durch ein Arret des Staatsrathes vom 22. Jan. 1703
das für die Uebersetzung ertheilte königliche Privileg zurückge-
nommen wurde. 11. März 1704 wurde sie in Rom verb.
Erst nach dem Tode Simons, 1714, wurde verb. Biblioth^que
critique, ou Recueil de diverses pieces critiques, dont la plüpart ne
Bont point imprim^es ou ne se trouvent que tr^s-difficilement, pu-
blikes par Mr. de Sainjore qui y a ajoute quelques notes, Amster-
dam (Nancy) 1708 — 10, 4 vol. 12. Aufsätze und Noten sind alle
von S. In Folge einer Denunciation Renaudots bei dem Kanzler
Pontchartrain war in Paris schon durch ein Arret des Staatsrathes
vom 5. Aug. 1710 die Confiscation und Verbrennung des Werkes
angeordnet worden. — Die Lettres choisies de M. Simon, oü Ton
426 Katholische Theologen.
trouve un grand nombre de faitBanecdotesde literatnre, 1700 — 1705,
3 vol. 12 (Nouv. id, . . augm. dun vol. et de la vie de l'au-
teur par M. Bmzen la Martini^re, Amet. 1730'*', 4 vol. 12.), stehen
nicht im Index, obschon aucK sie viel Anstössiges enthalten.
Die Explication litterale, historique et dogmatique des pri-
ores et des c^r^monies de la messe von dem Oratorianer Pierre
Le Brun (1661—1729), Par. 1716—26, 4 vol. 8. (Ingold p. 74),
wurde von dem Jesuiten Bougeant u. a. angegriffen, weil darin
eine ähnliche Ansicht von der Consecration vertheidigt wurde
wie früher von Ambrosius Catharinus und Cheffontainea (I S.
567; E.-L. 1, 604). Das Werk scheint auch in Rom dennncirt
worden zu sein; wenigstens berichtet Fabroni, Vitae It. 13, 248,
von Ginsto Fontanini, er habe Le Bruns Schriften in Schutz ge-
nommen, nachdem derselbe sich bereit erklärt, einiges zu verbessern.
— Pierre Faydit (1644—1709), bis 1671 Oratorianer, gab durch
allerlei Schriften Anstoss, am meisten durch Alteration du dogme
theologique par la pbilosophie d^Aristote, ou fausses idees des scho-
lastiques sur toutes les matiöres de la religion. Tome I. Traite de
la trinit6, s. 1. 1696, 498 S. 12. Bossuet (38, 33) sagt davon: Le
malheureux Faydit, apr^s avoir si longtemps souill^ sa plume impie
et licencieuse dans toutes sortes d'emportements et d'erreurs, s^est
fait prendre enfin pour oser publier un livre abominable sur la
trinit^, oü il pousse le blasph^me jusqu'ä. dire qu'il y a trois dieux
. . . M. de Paris a remis . . . un ordre du roi pour le mettre k
S. Lazare^). Das Buch steht nicht im Index.
5. Im J. 1610 (Alex. No. 11) wurden verboten: Apparatns
in Bevelationem J. C. auct. (ruil. Alabastro Anglo, Antw. 1607,
et Antithesis Bened. a Benedictis Veneti contra Guil. Whitakerom,
nisi fuerint ex correctis ab auctoribus et Eomae approbante Magistro
S. Pal. Der zweite Autor war ein Italiener, Bened. de' Benedetti,
und sein Buch heisst: Antithesis, qua [tam] falsum esse, quod vica-
riuB Dei sit Antichristus, quam falsum est, quod Christus sit An-
tichr., demonstratur contra impii G. Whitakeri haeretici Angli (er
steht in der 1. Gl.] thesim, qua Eom. Pontificem esse illum Anti-
christum, quem venturum Scriptura praedixit, demonstrare conator,
Coloniae 1608, 4. (Mazzuch. 2, 813). Der erste war ein Engländer,
ein angesehener Dichter, der als Kaplan des Grafen Essex nach
Cadiz kam, dort um 1597 katholisch, später aber wieder Anglioaner
wurde und nach 1630 starb (Bayle s. v., Clement 1, HO). Sein
Apparatus in Revelationem J. C., sive nova et admirabilis ratio in-
vestigandi prophetiarum mysteria ex s. scriptura seipaam interpre-
tante, zuerst 1602, dann Antw. 1607, stammt aus seiner katholi-
schen Periode, hat aber wohl wegen der cabbalistisohen Tendenz
1) Bouillier, Hist. de la phil. Cartes. 2, 385. Ingold p. 47. Clement
8, 273. — Faydit schrieb auch gegen Tillemont; die Fortsetzung der
Polemik wurde ihm aber untersagt. S.-Beuve 4, 5: Tillemont trouva son
Zolle dans l'abbe Faydit, critique petulant qui n*a menag6 ni Fen^lon
ni Bossuet ni personne.
6. Alabaster. B. a Benedictis. H. Florentinius u. a. 427
\.ii8toB8 erregt. Expurgirte Ausgaben, wie sie in dem Decrete in
^.nssicbt genommen werden, scheinen von beiden BücÜern nicht er-
ichienen zn sein. Dass noch jetzt im Index die Formel nisi fuerit
)tc. steht, ist also sinnlos.
1658 wurde verb. Apologia in difesa d'una dottrina dell' Eccell.
3ig. Pietro Conti Romano, raccolta e data in luce da Ferd. Cla-
irestain Salisburgese , und 1663: Yeritä e religione. Christiani
nanifesti contro le due false ed irreligiöse apologie, manuscritta e
itampata di P. Conti Sezzese, detto volgarmento V Alius Dens, per
Msersi ostinato a difendere: Alius Dens est possibilis. Opera deir
ibate Aless. Guarino, Nizza 1658. — Vinc. Baron berichtet Apol.
L,407: der Satz: Aliquis (offenbar verdruckt für alius) Deus est
3088ibilis, sei zu Venedig von einem ausgestossenen Jesuiten, aber
luch von mehreren Theologen des Ordens vertheidigt worden. Von
)inem anderen Pietro Conti, dem Augustiner Petrus de Comiti-
bus, wurde Summae philosophicae Pars I. tribus tomis distincta,
totam physicam complectens, 1673 mit d. c. verb. Hurter 2, 19
3rwähnt von ihm Theologia scholastica, Ven. 1680 — 84, 11 vol. 12.
Hieronymus Florentinius aus Lucca, Clericus regularis Con-
jregationis Matris Dei, t 1678, veröffentlichte 1658 zu Lyon eine
Dispntatio de ministrando baptismo humanis foetibus abortivorum,
nit einer aus Kom datirten Epistola pro censura von Jo. Caramuel
lud einer Censura (Approbation) von P. Michael de Alcantara, der
lieh als Generalprocurator des Ordens S. Mariae de Mercede, Qua-
ificator der spanischen Inquisition und Consultor der Index-Congr.
)ezeichnet. Er schickte sein Schriftchen an mehrere theologische
ind medicinische Facultäten und viele Gelehrte und konnte in einem
left von 40 Seiten günstige Urtheile von 6 Universitäten und 30
xelehrten (darunter viele Jesuiten) drucken lassen. Gegen eine zu
?l8toja 1662 erschienene nicht günstige Beurtheilung schrieb unter
lern Namen Martinus ab Holuberveso entweder sein Ordensgenosse
3art. Beverini (.Placcius p. 365 und Mazzuch.) oder er selbst (Melzi
1, 8) Responsio apologetioa pro sententia P. Hier. Florentini de
laptismo abortivorum adv. objecta D. Vigilantii ab Arce. Die In-
!ex-Congr. aber verbot 1. April 1666 diese Eesponsio und erklärte,
ie Disputatio sei nach der 1666 erschienenen neuen Ausgabe zu
orrigiren. Diese hat den Titel: Disputatio ... in hac 2. impres-
ioBe ab eodem auctore S. Ind. Congregationis jussu recognita et
eclarata, Lucca 1666, 60 S. 4. Flor, erklärt darin: er empfehle
icht mehr, jeden foetus zu taufen, auch quando est adeo exiguus,
t grani hordeacii magnitudinem non excedat, et vix apparent signa
itae, sondern nur illos, in quibus apparent lineamenta foetus hu-
lani propria, trage seine Ansicht auch nicht als sicher, sondern als
robabel vor und wolle niemand unter einer Todsünde verpflichten,
ir in praxi zu folgen, und nicht einen neuen Ritus einführen, was
ar der Congregation der Riten und dem Papste zustehe. 1672
688 er dann in Rom mit Approbation des Mag. S. Pal. eine Dis-
atatio secunda de baptismo humanis foetibus abortivis sub eonditione
onferendo drucken und 1674 zu Lyon: De hominibus dubiis bap-
428 Katholische Theologen.
tizandis pia prothesis olim siib Lugdnnensi prelo a 1658 edita, a
nullo prius asserta, unica tunc disputatione, nnnc tribns saperadditis
consißtens. Und in unseren Tagen haben die Herausgeber der A.
J. P. den Gegenstand für wichtig und interessant genug gehalten,
um die Disputatio von 1666 mit einem ausführlichen Bericht über
die Sache (5,1112—38) abdrucken zu lassen (6,1280 — 1339).
Der Minorit-Conventual Angelus Vulpes a Montepiloso in
Neapel, t 1647 (Hurter 1, 717), veröffentlichte dort Sacrae Theolo-
giae summa Joannis Duns Scoti, Doctoris subtillssimi, et Commen-
taria, quibus ejus doctrina elucidatur, comprobatur, defenditur; opus
ex ejusdem doctoris contextu industriose non minus quam fideliter
excerptum et a nemine usque modo typis traditum, 1622 — 45, 12
Fol. (4 Partes k 3 Tomi). Dagegen schrieb der Dominicaner Hya-
cinthus de Hugeriis Defensorium doctrinae S. Thomae contra objecta
Ang. Vulpis, Neapel 1655, Fol. Verboten wurde 1659 Tom. 3.
Partis 4. Dann scheint man erst im 18. Jahrh. das Buch wieder
vorgenommen zu haben; von 1714 an wurden die einzelnen Bände in
bunter Ordnung, jeder unter einem andern Datum verb., Tom. 1. und
2. Partis 1. und Tom. 1. Partis 2. mit d. c, die anderen unbedingt,
zuletzt 1725 Tom. 1. Partis 1. ^). — Um irgendwelche scotistische
Subtilitäten wird es sich handeln in Matth. Ferchii Defensio vesti-
gationum peripateticarum ab offensionibus Belluti et Mastrii, 1646,
mit d. c. verb. 1655. Die Vestigationes perip. hatte er Patavii
1639 drucken lassen. Bonav. Belluti (Mazzuch. s. v.) und Bartol.
Mastrio haben zusammen mehrere scholastische Werke herausgegeben.
Es erschien unter dem Namen von Mastrio 1647 eine Entgegnung
von Ottavio Camerani (Melzi 2, 169). Alle vier Streitenden waren
Minoriten-Conventualen. — Decisiones theologicae ex 4 sententianim
libris omnium theologorum principis Jo. Duns Scoti selectae a F.
Bonav. Mini a S. Cruce Regularis Observantiae in forma thesium,
Lucae 1694, wurde verb. 1695, vielleicht wegen des dem Duns
Scotus gegebenen Epithetons. Andere scotistische Thesen stehen im
Index unter Duffy und Ign. Oudin (Thomisticum Quare solutnm per
scotisticum Q,uia).
Co pia d'una lettera scritta da un Padre Chierico regolare
Teatino ad una signora sua penitente, divota del ss. sacramento deir
altare, mit d. c. verb. 1622, ist nach Mazzuch. und Vezzosi von
Paolo Barisoni aus Padua, seit 1591 Theatiner, f 1648. Das
Schriftchen Dell' uso frequente dell' eucaristia, welches er 1625 zu
Padua anonym,2l643 mit seinem Namen veröffentlichte, wird eine
verbesserte Ausgabe des Briefes sein. — Von einem Capuciner Mario
de* Big non i da Venezia, f l^^O (Mazzuch. 2, 1221), wurden
1672—74 einige 15 — 20 Jahre vorher erschienene Bände Predigten
verb. Der deutsche Franciscaner Bruno Neusser hatte davon «u
1) In den neuesten Indices steht unter Vulpes bei T. 8. P. 4. irrig
1759 statt '1659 und der Titel des Buches von dem Namen des Verfassers
getrennt.
Italiener. 429
Köln 1663 eine latein. üebersetzang herausgegeben, die aach nach
dem Verbote des Orginals 1676 nochmals gedruckt wurde. — Von
dem Prof. Hieronymus Columbns (Columbinus) zu Perugia wurde
1661 De angelica et humana hierarchia 11. 8 verb. und erst 1691 :
In sanctam Jesu C. temporalem nativitatem quonam pacto planetae
ac sydera Christo Domino famulentur, theol. disquisitio, Bologna
1619. — 1646 wurde von Ant. Koccus verb. Animae rationalis
immortalitas simul cum ipsius vera propagatione ex semine, also
generatianistisch, — 1674 ein schon 1647 erschienener Tractatus de
Bcrupulis von Jo. Ang. Bossius, der nach Mazzuch. eine Zeit lang
General der Barnabiten und 1665 als Assistent des Grenerals zu
£om gestorben war.
Ant. Heraudo, Eiflessioni, quae additae sunt libro qui inscri-
bitur: Casi et avvenimenti della confessione, scritti dal P. Christoforo
Vega, wurde 1668 verb. mit dem Zusätze: nisi fuerint ex correctis
juxta editionem Komannm a. 1668. Das Verbot wurde also erst
publicirt, nachdem die expurgirte Ausgabe erschienen war: Casi . . .
scritti in lingua spagnuola dal P. Chr. de Vega S. J. e transpor-
tati ... da un sacerdote della stessa compagnia. Aggiuntevi in
quest' ultima impressione con un' aviso al lettore alcune utili rifles-
sioni da Ant. Heraudo di Levenzo, sacerdote secolare, nuovamente
corrette, Rom 1668. Die verbotene Ausgabe war zu Cuneo 1661,
12., das spanische Original, Casos raros de la confesion, zu Valencia
1656 u. 8. erschienen. Ausser Christ, de Vega (f 1672) werden
aber auch Geronimo Lopez u. a. als Verfasser genannt. Der italie-
nische Uebersetzer ist nach einigen der Jesuit Gius. Fozio, nach
anderen der Jesuit Gius. Alione; Ant. Heraudo scheint nur der an-
genommene Name des letztern zu sein (Melzi 1, 180). Das Schrift-
chen enthält Erzählungen von der Bestrafung solcher, die ungültige
Beichten abgelegt, und ist von den Jesuiten viel verbreitet worden ^).
— Biflessi morali e christiani cavati per lo piü dall' epistole di S.
Paolo ... da Maddalena Hommetz Patina, Padua 1680, mit d. c.
verb. 1682. M. Hommetz war die Gattin des Charles Patin, der
Professor der Medicin zu Paris und, aus Frankreich verbannt, 1676
— 81 zu Padua war, 1681 nach Paris zurückkehrte und 1683 starb. —
Assertum responsivum P. Mag. Fr. Hieronymi Michelini Aesinatis
Augustiniani pro defensione castitatis conjugalis . . ., Ancona 1647,
und S. Congr. Supr. ac Univ. Inq. de ürbe. Aesina facti et juris
1) In München ist eine italienische Ausgabe : Casi . . . opera del P. Chr.
Vega . . . Aggiuntovi in questa impressione da un altro Padre ... II modo
di far bene la confessione con illustri e^empii d'essa, Bassano s. a. 132 S.
16., und ,, Traurige Geschieht von der Beicht . . . erstlich durch R. P.
Chr. de Vega aus der Ges. J. Priestern in span. Sprach zusammengezogen
Und beschrieben, danach durch andere gleiches Ordens Priestern in die
Welsche und teutsche Sprach treulich übersetzet, München 1719, c. 230 S.
16., zusammengebunden mit: Freuden-Geschicht von der Beicht, d. i. Seeliger
Ausgang der recht Beicht- und Büssenden . . . beschriben durch einen
Priester der Ges. J., München 1707, 320 S. Ui.
430
Katholische Theologen.
pro jnstitia edicti moderni episcopi Aesini prohibentis qoendam li-
bellum in ci vitale et tota dioecesi a. 1698, beide, ersteres mitd. c,
von der Inq. verb. 1703. Michelini scheint sich über das Verbot
seines Buches durch den Bischof von Jesi bei der Inquisition be-
schwert zu haben, und die zweite Schrift ein für den Inqaisitions-
process gedrucktes Schriftstück des Bischofs zu sein.
Schon 1. April 1688 verdammte die Inquisition Conclusiones
ex philos. ac theol. selectae, pro solemniis I). Dominici propugnan-
dae a Fr. Henr. Ant. Verzelli Servita in conventu 8. Annnntiatae
de Florentia, praeside P. M. Gerardo Capassi Florentino, in eo-
dem coenobio studii regente, Flor. 1687. Wie Fabroni, Vitae 7,
232 berichtet, hatte der Dominicaner- General Cloche vier dieser
Thesen denuncirt: was die Theologen lumen gloriae nannten, sei
Gott selbst; das sog. Athanasianische Symbolum sei wahrscheinlich
nicht von Athanasius; Christus habe nicht die Materie und Form
aller Sacramente genau bestimmt und die Kirche könne darum Be-
stimmungen darüber treifen; es sei besser, bei der Darstellung der
Abendmahlslehre statt des den V'ätern bis zum 12. Jahrb. fremden
und erst in den peripatetischen Schulen aufgekommenen Ausdruckes
accidentia die Bezeichnung species anzuwenden. Fabroni berichtet
weiter, Cap. habe eine Vertheidigung geschrieben, die man in Kom
als genügend angesehen und die selbst Cloche befriedigt habe, und
Prosper Lambertini habe gesagt, Cap. sei nur unvorsichtig gewesen
in der Vertheidigung von Ansichten, die damals in Italien unerhört
gewesen seien, 30 Jahre später aber nicht nur ohne Gefahr, son-
dern auch cum aliqua laude hätten vertheidigt werden können ^).
Die Conclusiones blieben aber im Index. Cap. wurde 1690 Secre-
tar des Serviten-Generals, gelangte später zu anderen Ordensämtem
und wurde sogar Consultor Indicis. Es kamen aber noch einige
andere Sachen von ihm in den Index, wo sie freilich nicht unter
seinem Namen stehen. Der Grossherzog Cosimo III. war ein be-
sonderer Verehrer des h. Crescius und seiner Genossen, hatte eine
Kirche derselben restauriren lassen und veranlasste die Veröffent-
lichung von Acta passionis SS. Crescii et Soc. Martyrum ex mss.
codd. biblioth. Mediceo - Laurent., Metrop. ficcl. Flor, et Sapientiae
Rom. nunc primum edita et a Jac. Laderchio Congr. Oratorii Urbis
Presbytero asserta et illustrata, Flor. 1707, Fol. Capassi hatte La-
derchi schon 1706 gesagt, er halte diese Acten für sehr unzuver-
lässig, und schrieb nach dem Erscheinen des Buches in demselben
Sinne an Foutanini. Dieser Brief kam in Laderchi's Hände und er
Hess ihn mit einer Entgegnung drucken: Lettera ad un Cavaliere
tm
1) M. Germain schrieb 20. Juni 1688 an Magliabeohi: Je
compassion au P. Capassi, II faut etre sage et ne s'exposer pas ä une dis
?race par une deniangeaison d'ecrirc ce qu'on doit prevoir quMl deplair<*
1 no tiendrait qu'ä nous de bicn publier des affaires que nous avor»
tirees do differcnts endroits, niais Tinteret commun de PEglise et le not
en particulier uous fera toujours taire, quand il sera dangereux de pari
et do se produire.
G. Capassi. J. Laderchi. H. Serry. 431
Fiorentino devoto de^ santi martiri Cresci e compagni in risposta di
quella scritta dal P. Fr. Gherardo Capassi deir Ordine dei Servi di
Maria a Giusto Fontanini contro gli atti de' medesimi santi, dati alla luce
da Giac. Laderchi . . . Cap. antwortete sehr scharf in Nugae Laderchia-
nae in epistola ad equitem Florentinum snb nomine et sine nomine
Petri Donati Polydori (so hatte Laderchi den Cavaliere genannt)
vulgata, Centuria prima, accurante M. Antonio Gatto J. C, Genua
1709 (eine Centuria 2. ist nicht erschienen). Beide Schriften wur-
den 1712 von der Inq. verb. In Florenz wurden die Nugae im
Sept. 1709 auf Befehl des Grossherzogs verbrannt und Cap. verlor
sein Amt als Theologe des Grossherzogs und des Cardinais Medici ^).
In £om nahm man das Verbrennen des Buches, worüber der h.
Stuhl noch kein Urtheil gefällt, übel. Cap. ging Ende 1709 nach
Rom und wurde dort Theologe der Cardinäle Imperiali und Conti.
Es wurden abfällige mündliche und briefliche Bemerkungen über
die Bulle Unigenitus von ihm bekannt; um sich zu rehabilitiren,
schrieb er auf Veranlassung des Card. Imperiali eine Widerlegung
eines französischen Briefes, worin Clemens XI. gerathen wurde,
Erklärungen zu der Bulle zu geben. Als Card. Conti als Innocenz
XIII. Papst geworden, hiess es, er werde Cap. za seinem Theologen
machen, und die Gegner der Bulle knüpften daran Hoffnungen ;
aber seine Feinde, namentlich die Cardinäle Corsini und de Giudice,
hintertrieben nicht nur seine Ernennung, sondern hätten ihn auch
in einen Inquisitionsprocess verwickelt, — auch die Thesen von
1688 wurden damals wieder hervorgesucht, — wenn nicht der Papst
und Msgr. Lambertini ihn geschützt hätten. Innocenz XIII. fragte
ihn mehrfach um Rath und veranlasste ihn, die (nicht gedruckten)
Riflessioni d*un religioso divotissimo della S. Sede sopra un modo
di levare li occorrenti dissidii per la constit. Unigenitus zu schrei-
ben. Auch bei Benedict XIII. stand er in Gunst, f 1737.
Von dem gelehrten Dominicaner Jac. Hyacinthus Serry, geb.
1659 zu Toulon, seit 1697 Professor in Padua, f 1738, wurde die
Geschichte der Congregationes de auxiliis nur in Spanien (1701),
nicht in Rom verb. (S. 308). Das erste Buch, welches in den Rom.
Index kam, sind die Exercitationes historicae, criticae, polemicae de
Christo ejusque virgine matre, quibus judaeorum errores de pro-
misso sibi liberatore nova methodo refelluntur, christianae religionis
mysteria omnia ad certam historiae fidem exiguntur, explicantur,
defenduntur, habitae in academia Patavina . . . Ven. 1719, 4. (^schlech-
ter Nachdruck Mailand 1719), von der Inq. verb. 1722. Da er
wegen dieses Buches und des Verbotes auch bei den Venetianischen
Behörden verdächtigt und ihm in Folge davon eine Gehaltserhöhung
1) Weiteres über den Streit bei Fabroni 7, 236. 210. Villarosa,
Scritt. Filipp. p. 151. Muratori, Lettere ined., p. 236. Clar. Ven. ad Magliab.
Epp. p. 263. 292. Von der Lettera erschien eine expurgirte Ausgabe:
Lettera ... in risposta ad alcuue difficoltä e dubbiezze motivate contro
gli atti . . . Vgl. J. M. Thomasii opera 7, 406.
432 Katholische Theologen.
vorenthalten wurde ^), schrieb er 1726 eine Yertheidignng: Difesa
del libro intit. Exercitationes . . . per la condanna segnita di detto
libro, scritta dal medesimo autore e presentata alle S. £. i Befor-
matori dello studio di Padova, erst 1755 gedruckt, Padna (Lugano?),
20 S. 4. (Storia lett. 13, 356), abgedr. in den Opera omnia, Lugd.
1770. III, 283; von den Exercitationes ist in den Opera III, 1
eine Umarbeitung abgedruckt, die Serry im Manuscript hinterlassen.
Er sagt darin, er habe die Verdammung dem Card. Fabroni zu ver-
danken, der ihm wegen eines andern Buches, für dessen Verfasser
er ihn mit Unrecht gehalten, feind gewesen sei; der Cardinal habe
aber, obschon er in der Inquisition dominirt habe, nicht durchsetzen
können, dass man irgendwelche Sätze seines Buches für ketzerisch
oder irrig erklärt habe. „Nun weiss aber jeder, fährt er fort, der
die Praxis der Köm. Curie kennt, dass Verbote von Büchern, bei
denen nicht die Qualification ketzerisch oder irrig angewendet wird,
namentlich von Büchern über Geschichte und Kritik, in Rom so ge-
wöhnlich sind und aus so unbedeutenden Gründen erfolgen, dass ein
Schriftsteller, dem dergleichen passirt, dadurch wenig oder nichts
von seinem Ansehen bei den Gelehrten und Einsichtigen verliert,
weil man weiss, dass Rom in solchen Fällen nichts censurirt als
die unerbittliche Strenge, mit welcher kritische Geschichtschreiber
von gutem Geschmack die herrschenden Meinungen und Vorartheile
des unwissenden Volkes bekämpfen müssen." Weiter berichtet er:
er habe einen bei Benedict XIII. sehr angesehenen Mann gebeten,
ihm das Gutachten des Serviten Pieri zu verschaffen, anf welches
hin die Inquisition sein Buch verboten habe, damit er dieses danach
corrigiren könne; derselbe habe ihm geantwortet, das gehe nicht
an, habe ihm aber einige Hauptpunkte angegeben: er habe bestrit*
ten, dass die Eltern Mariae Joachim und Anna geheissen und dass
der Heiland nach der Auferstehung zuerst seiner Mutter und dann
erst der Maria Magdalena erschienen sei. Er habe diese Ansichten
vertheidigt und darauf einen zweiten Brief vom 3. Juni 1726 er-
halten, worin ihm gesagt worden sei, der stilo mordace, in dem er
Baronius u. a. angegriffen, habe am meisten Anstoss erregt. Sehr
scharf hatte er auch die Maria von Agreda angegriffen. Die legen-
darischen Elemente in den gewöhnlichen Darstellungen des Lebens
Jesu und Mariae vertheidigte gegen Serry Ant. Sandini, Prof. im
Seminar zu Padua, in der Historia sacrae familiae ex antiquis monn-
mentis collectii, Padua 1734. Serry antwortete in den Animadyersio*
nes anticriticae in Eist, ab Ant. Sandini novissime scriptam, Paris
1735,8., die* nicht verb. sind^).
1) Cecchetti, Repubbl. di Ven. 2, 258 berichtet: der Venetianische
Senat habe 1722 ohne Mitwirkung der Inquisition und ohne dass ein
Römisches Verbot vorgelegen, das Buch verboten, weil es zwar keine
Ketzereien, aber punti controversi d'istoria sacra enthalten habe!
2) Storia lett. 13, 856 wird noch erwähnt Matthaei Basile Archiep.
Panormit adv. Exercitationes H. Serry, accurante Jac. Basile S. J., firatris
filio, Neapel 17ö5, worin ausser den Namen Joachim und Anna auch die
M. Amatus a. a. Italiener. 433
MicliaeliB Amati, Presbyteri Neapolitani, de piscium atque
aviam esus consuetadine apud quosdam cbristifideles in antepaschali
jejunio, quem niemorat Soor. l. 5. suae historiae, dissertatio histo-
rico-philologica, Neapel 1723, verb. 1737. In den M6m. de Trev.
1724, 1107 wird darüber berichtet : in einem Kloster zu Neapel
seien in der Fastenzeit selectißsiniae alitum species aufgetragen wor-
den und Streit darüber entstanden, ob dieses erlaubt sei. M. d'A-
mato (1682 — 1729; er hat noch einige andere Dissertationen ge-
schrieben, war königlicher Kaplan und Rathgeber des Yicekönigs
bei den Streitigkeiten mit Clemens XL; Mazzuch.) sei beauftragt
worden, die Sache zu untersuchen; er berufe sich darauf, dass nach
Soor. 5, 22; Niceph. 12, 34 im Alterthum Vögel als Fastenspeise
angesehen worden seien, dass der h. Benedict seinen Mönchen den
Genuss des Fleisches von Vierfüsslern, aber nicht von Vögeln ver-
boten, und dass auch in anderen Orden wenigstens Wasservögel
als Fastenspeise angesehen würden; natürlich fehlt auch nicht die
Berufung auf Gen. 1, 20 1).
Andere, mir nicht bekannte und jedenfalls nicht bedeutende
italienische Schriften stehen im Index unter Fr. Benvenuti, Fil. M.
Bonini, Bern, a Bononia (Capuciner), P. Bozi, Salv. Cadana (Mino-
rit), P. Ciofiius, St. Consalvi, Ant. Cam. Leoni, Philibertus Mar-
chinus (Barnabit, Hurter 1, 507), Carolus Mazzius (Priester in Flo-
renz, mit Mabillon befreundet, f 1689 ; Marc magnum sacramenti
matrimonii in exiguo, Ven. 1686, Fol., verb. 1700; Bayle, Oeuvres
1, 720), Carlo Ant. Muratore, J. B. Pasquali, P. Eossetto, G. Sa-
limbeni, J. D. Sanctorius, Castorius Soranus, Placidus de Titis (Oli-
vetaner), M. da Veglia, J. M. Velmatins, Jac. Viviani, Ant. Zerola
(Bischof von Minori, Praxis episcopalis, mit d. c. verb.. Schulte 3,
1, 464), — femer unter Catechesi, Compendio, Instruttione, Bifles-
sioni intomo ecc, Bitratto di Cristo.
M. Germain berichtet im J. 1685 (ValÄry 1, 135) aus Rom
über ein Buch, welches unterdrückt wurde, aber nicht im Index
steht: „Ich habe ein Buch gesehen, welches den lateinischen Titel:
„von dem doppelten Martyrium der italienischen Bischöfe" hat (De
duplioi agone martyrii?). Die Herabsetzung derselben, die Demüthi-
gungen, denen man sie unterwirft, die Pensionen, die man ihnen
aufladet, die Entziehung der canonischen Gerichtsbarkeit u. s. w.
werden darin lebhaft geschildert. Das Buch enthält auch einiges
über das eigentliche Martyrium, und das hat die Censoren verleitet,
die Druckerlaubniss zu geben. Aber Leute, die scharfsichtiger
sind als sie, haben gemerkt, dass der Verfasser, ein Neapolitanischer
Legenden von deren langer Unfruchtbarkeit, von der Opferung Mariae,
ihrer Verlobung im 14. oder 15. Jahre u. s. w. und die Vorstellungen,
dass Ochs und Esel an der Krippe standen, dass die Magier drei Könige
waren, u. dgl. gegen Serry vertheidigt werden.
1) Reusch, Bibel und Natur S. 100. Eine ausführliche casuistische
Erörterung über diese wichtige Materie, die Abbe Craisson 1877 veröffont-
licht, 8. Deutscher Merkur 1877, 111.
Beiiaob, Index II. 28
484 J. B. Poza und Th. Raynaud.
Bischof au8 dem Ordensstande, unter der Hand Dinge sagt, welche
die Curie graviren. Darum ist das Buch unterdrückt worden. Die
französischen Bischöfe dürfen sich wohl, wie einer von ihnen früher
gethan hahen soll, Päpste ihrer Diöcesen nennen, wenn sie sich mit
den italienischen vergleichen, die ein einfacher Prälat der Cnrie pro-
cessiren und ahsetzen kann." — In J. M. Thomasii Opera, Rom
1754, VII, 198 sind Osservazioni (von einem von der Inq. oder der
Index-Congr. hestellten Censorj üher die Dottrina cristiana (eine Art
von Catechismus) von Ottavio Imherti della Congr. della dottr.
crist. d'Avignon, Viterbo 1710, und Riflessioni von Tomasi über
diese Censur abgedruckt. Tomasi rechtfertigt oder entschuldigt die
beanstandeten Stellen und ihm wird es also Imberti zu verdanken
haben, dass er nicht in den Index gekommen. — Von Msgr.
G. B. de Luca berichtet der französische Gesandte Duc d'Estrdes
1678, der Druck eines kirchenrechtlichen Buches, welches er unter
dem Titel Miscellanea herausgeben wollte, sei verboten worden,
weil er und die Cardinäle der Inquisition Klage geführt. 1681
war die Rede davon, die Inq. wolle zwei Bücher von ihm ver-
bieten. De Luca wurde aber noch in demselben Jahre Cardinal,
t 1683 (Michaud 1, 451; 4, 158).
50. J. B. Poza und Th. Raynaud.
Diese beiden Jesuiten verdienen in der Geschichte des Index
in einem besondern Paragraphen besprochen zu werden, nicht
nur wegen des Charakters der von ihnen verbotenen Schriften,
sondern namentlich wegen der Verhandlungep, die das Verbot
derselben veranlasste. Von Juan Batista Poza aus Bilboa,
t 1660, wurde 1628 das 1626 zu Alcala gedruckte Elncidarium
Deiparae verboten, vielleicht das schlechteste unter den vielen
schlechten Büchern über die h. Maria (§ 35). Poza remonstrirte
gegen das Verbot in einer solchen Weise, dass 1632 alle seine
Schriften verboten wurden. In seiner Opposition gegen die
Index- Congregation fand er einen Rückhalt bei der spanischen
Inquisition, welche nicht nur das Römische Verbot nicht pnb-
licirte, sondern Poza's Buch expurgirt freigab. — Theophile
Raynaud, geb. 1583 zu Sospello bei Nizza, seit 1602 Jesuit, f 1663,
war ein talentvoller, gelehrter und fruchtbarer Schriftsteller.
Mit der Index-Congregatiou kam er zuerst wegen einer bittern
»Satire gegen die Gnadenlehre der Dominicaner in Conflict (S. 305),
dann 1646 wegen der Vertheidigung der Ansicht, die in Folge
.1. B. Poza. 485
der Verpflegung von Pestkranken Gestorbenen seien als Märtyrer
anzasehen, und wegen anderer barocker Thesen, die er aufzu-
stellen liebte. 1659 wurde eine Schrift Raynauds über die
kirchlichen Bücherverbote verboten. Er veröffentlichte darauf
Pseudonym eine scharfe Satire auf die die Inquisition und Index-
Congregation beherrschenden Dominicaner. Dieselbe wurde so-
fort verboten, bald darauf aber auch zwei ebenso scharfe Ent-
gegnungen der Dominicaner. Ausserdem kamen noch zwei
Pseudonyme Vertheidigungen des Fr. Suarez von Raynaud in
den Index (8.311. 405). Vom J. 1665 an erschien zu Lyon, von Ray-
naud selbst noch begonnen, von seinem Ordensgenossen Bertet
vollendet, eine Gesammtausgabe seiner Werke in 19 Foliobänden.
In diese wurden natürlich die verbotenen Schriften nicht auf-
genommen; aber 1669 veröffentlichten die Jesuiten mit einem
falschen Druckorte einen 20. Band unter dem Titel Apopom-
paeus (der Stindenbock, Lev. 16, 10), in welchem die verbotenen
Bttcher mit einigen nicht verbotenen sauber zusammengedruckt
sind. Der Band wurde 1672 verboten M.
1. Das Buch von Poza heisst: Elucidarlum Deiparae auctore
Jo. Poza S. J. Cantabro in Coli. Coraplut. S. Th. Prof. Praevius
Explorator, majori ex parte pagnax et conteutiosus. De chronogra-
phia et geographia myRteriorum Virgiuis 1. 1. De re paterna 1. 2.
De corpore Virginia 1. 3. Supplementura pro definiendo immaculato
conceptu 1. 4. Compluti 1626, Fol. (Lugd. 1627», 1250 S. 4.). Das
Bach ist von dem Provincial Lud. de Palma approbirt. In der Vor-
rede wird ein 2. Band in Aussicht gestellt, der Possessor pacatus,
iloridns et mysticus heissen und in 4 Büchern de multiplici mater-
nitate, de virtutibus, gestis et eventibus, de sanetitate, morte, fune-
ralibus et gloria und de singularibus et universalibus praerogativis
handeln sollte. Zur Begründung des oben ausgesprochenen ürtheils
roUssen einige Scandalosa aus dem Buche mitgetbeilt werden (man
braucht zu diesem Zwecke nicht das Buch selbst, sondern nur die
Expurgation bei Sot. zu lesen). L. 2, tr. 4 wird behauptet: Mira-
culosior est conceptio Mariae quam Jesu, si non consideretur hypo-
1) Cret.-J. sagt 3, 338: Card. Richelieu habe Raynaud gewinnen
wollen, um ihn gegen die spanischen und deutscheu Anfeindungen wegen
Reiner politischen Vorbindung mit Protestanten (S. 203) zu vertheidigon,
und er habe ihn. da er darauf nicht einging, verfolgt; einige Jahre später
liabe er das Bisthum Genf abgelehnt. 4, 209 sagt er von Raynaud: 11 lui
fallait du brnit. et de l'eclat, du mouvement et de la dispute. Doue dos
vertos du religieux, il n^appuraissait dans le monde (|ue poiir onvenimer
les querelles. Vgl. (.Foly), RemarqiK'S crit. sur lo Dict. »b» Bavie, 1752,
p. 650.
436 J. B. Poza und Th. Raynaud.
statica anio et quod miraculum accidit in parta Salvatoris; tr. 5
wird die Frage behandelt: An Maria faerit pater et mater sive ma-
tripater Jesu, und u. a. behauptet: Maria paternum simul et matemum
concursum praestitit ut matripater ad formationem Jesu. Femer
notirt 8ot. noch n. a. folgende Sätze : Anna et Joachimus nnllam
levissimam culpam commiserunt, ... in utero materno ab injuria
originali mundantnr, . . . quoad internam sanctitatem apoetolis prae-
ponendi ; Maria in ventre matris nutriebatur ore et non more aliorum
puerorum; corpora Deiparae et Jesu ab instanti conceptionis fuisse
praedita ossibus, nervis et partibus carneis ; Maria ex miraculo fnit
femina; nunquam muliebria passa est aut fluxiones menstmas ex-
perta. Die üeberschriften von L. 3, tr. 18 — 20 lauten: Maria de
suo corpore nutrit humanuni genus in eucharistia. De üb quae ha-
bent ex Deiparae lacte et sanguine capilli Christi in euch. De ma-
teria lactis et sanguinis Deiparae permanente sub membris Jesu in
euch.
Der Nuncius in Madrid bemühte sich vergebens, die Pnbllcation
des Römischen Verbotes des Elucidarium von 1628 in Spanien zu
erwirken. Die Inquisition behielt sich eine selbständige Prüfung
des Buches vor. Sie wollte 1631 Poza sogar zum Qualificator er-
nennen, was der Nuncius denn doch* durch die Hinweisung auf das
Römische Verbot hintertrieb. In Belgien forderte der Nuncius den
Erzbischof von Mecheln auf, das Römische Verbot zu publiciren ; die
Infantin Isabella Clara Eugenia aber befahl diesem 7. Jan. 1633,
die Publication zu verschieben, bis sie von Madrid Weisungen ein-
geholt haben werde ^j. Die Gutachten, welche im Auftrage der In-
quisition 1629 — 1633 von spanischen Theologen abgegeben wurden,
fielen grossen theils ungünstig für Poza aus. Von mehreren der-
selben wusste er sich Abschriften zu verschaffen; er schrieb Ent-
gegnungen darauf und Hess diese drucken^). Auch zwei an Urban
VIII. gerichtete Vertheidigungen gegen das Römische Verbot wurden
1631 gedruckt: Sanctissimo Domino Nostro Urbano Papae VIII.
Natio et cognatio Cantabrica Jo. Baptistae Poza e Soc. J. in causa
judiciali tomi primi Elucidarii (anfangend mit den Worten : Beatissime
Pater, Cantabricum dominium et cognatio Jo. B. Poza e Soc. J. ad
pedes V. S. abjecti partes judicialis defensionis tomi 1. Eluc. ultro
suscipiunt), und S. D. N. Urbano P. VIII. Cognatio Cantabrica J.
B. Poza e Soc. J. in causa judiciali tomi 1. Eluc. (anfangend: Bea-
tissime pater, Dr. D. Jo. de Uribe y Yarza nomine cognationis Can-
tabricae Jo. B. Poza e Soc. .1. ad pedes V. S. abjectus partes jud.
def. tomi 1. Eluc. ultro suscipit). In der ersten dieser Schriften
wird u. a. gesagt: Poza habe allen Respect (omnem urbanitatem et
reverentiam impendit) vor den Magistri S. Pal. und allen Dienern
1) Appendix zu dem Suppl. ad Opp. v. Espen, 1768, p. 32.
2) Bei Seabra 2, 513 ist ein von einem Jesuiten, wahrscheinlich
von Poza seUjst verfasster Boricht Dt* lo sucedido con la Inquisicion de
EspaHa sr)l)ro el tomo 1. del Elucidario y Apologia abgedruckt.
J. B. Poza. 437
des apostolischen Stuhles, aher wenn es sich um die Entscheidung
über Lehren handle, dürfe er seine Einreden und Vertheidigungen
gegen alle Personen und Gerichte dem obersten Statthalter Christi
vortragen, da nur der h. Stuhl die unfehlbare Regel der Wahrheit
sei; man habe ihm Geringschätzung der h. Yäter vorgeworfen; die
Kirchenväter und Scholastiker habe er mit der Intention durchge-
lesen, sie alle dem h. Stuhle unterzuordnen und zu zeigen, dass ihre
Autorität ohne die Approbation dieses h. Stuhles gering sei, so dass
der apostolische Thron auch eine Lehre [die von der Immaculata
Conceptio], die das Gegentheil der Ansicht nicht weniger von den
Lehrern der alten Kirche sei, unbedenklich deüniren könne; auch
Card. Bellarmin sei durch die Intriguen der Angeber und Censoren
in den Index gekommen, aber durch Gottes Vorsehung befreit wor-
den; die Censuren der Römischen Theologen über Poza^s Buch, —
sie werden einmal scelestae genannt, — verdienten scharfen Tadel
und müssten, wenn sie gedruckt würden, expurgirt werden ; der
Papst möge sich doch an Apg. 25, 16 erinnern: Non est Romanis
consuetudo damnare aiiquem hominem, priusquam is, qui accusatur,
praesentes habeat accusatores locumque defendendi accipiat. Uebri-
gens wird dem Papste ganz ruhig ins Gesicht gesagt: Die Index -
Congr. habe in Spanien und in den spanischen Gebieten, Indien und
Sicilien, keine Jurisdiction, und die Spanier beanspruchten für ihre
Inquisition das Recht, auch diejenigen Bücher, die von den Trienter
Vätern und anderen Tribunalen oder Congregationen verboten wor-
den, unter Umständen freizugeben oder nochmals zu prüfen und zu
expurgiren ^).
Das konnte man sich in Rom doch nicht bieten lassen. In
einem Decrete der Index-Congr. vom 9. Sept. 1 632 (Alex. No. 36),
welches sich nur mit Poza beschäftigt, werden seine sämmtlichen
Werke verboten, speciell die beiden an tJrban VIII. gerichteten
Schriften, ein Memorial a los juezes de la verdad y doctrina [nach
Sot. Barcelona 1626], dasselbe lateinisch, ein libellus sine titulo,
cujus initium: El Doctor Don Juan de Uribe j Yarza [bei Sot. y
Arcja] en su nombre y en el de los parientes y deudos del P. J.
B. Poza de la Comp, de Jesus [bei Sot. werden zwei mit diesen
Worten beginnende an den König von Spanien gerichtete Denk-
schriften verzeichnet], und alle anderen Tractate, Apologieen, Infor-
mationen, Bittschriften und sonstigen Schriften zur Vertheidigung
des Elucidarium oder der Lehre des besagten Poza, gedruckte und
handschriftliche. — Seit Ben. wird im Index nur das Elucidarium
einzeln genannt, dann nicht, wie in dem Decrete opera omnia, son-
1) Diese Auszüge gibt Gibbings, An exact reprint etc. p. 63. Gegen
^en Vorwurf, er trage ganz neue Lehren vor, beruft sich Poza auf die
^on der Synode von Constantinopel von 536 citirte Bibelstelle (Sir. 25, J)) :
^eatus qui praedicat verbum inauditum. So steht allerdings in älteren
Coiiciliensammlungen. Natürlich ist aber zu lesen: praedicat in audituni
C<> ^trjyovfifi'og dg (pm nxov6iT0)Vf Vulg. V. 12: qui enarrat justitiam auri
sndienti).
438 J. B. ViyAA und Th. Raynaud.
dern nur j^Mv Tractate" u. 8. w. — In den Bpauischen Indices von
1632 (vun Zapata) und von 1640 (von Sot.) steht Poza nicht; ewt
in eii^em Supplement zu letzterm, welches auch 1640 oder bald
darauf gedruckt zu sein scheint (in dem Nachdruck von 1667 p. 989),
wird das Elucidarium expurgirt und werden die in dem Kömischen
Decrete von 1632 verzeichneten Apologieen verboten donec prodeat
expurgatio, ausserdem noch ein Quartheft: Primeras lecciones que
por la catedra de placitis philosoph. etc. (nach ßacker schon 1612
zu Madrid gedruckt). — Poza wurde nun auch seiner Aemter ent-
setzt ; er verlebte seine letzten Jahre im Golleg zu Cuenca
(Backer 5, 588). Es scheint ihm auch das Schriftstellern verboten
worden zu sein; wenigstens werden keine nach 1640 erschienene
Schriften von ihm genannt. — Es ist bemerkenswerth, dass Sot. bei
Poza auch vieles streicht, was auf die Immac. Conc. Bezug hat; so
die Bezeichnung der Lehre der Dominicaner als sententia non pia
statt minus pia, die Behauptung, opinionem piam de Conc. plena,
propria et absoluta canonizatione decretam esse quoad veritatem et
sanctitateni illius ex vi decreti Gregorii XV., die Deduction, Mariam
non potuisse contrahere culpam originalem nee debitum illius, und
die Abschnitte, in denen er beweisen will, die die Imm. Conc. bestrei-
tenden Stellen bei Thomas von Aquin seien unterschoben.
Im J. 1633 erschien in Mailand: Actio haeresis in Societatem
Jesu. Epiphaneia et plerophoria Magistri Francisci Roales (mit Ap-
probation der Inquisition, des Erzbischofs und des Senates von Mai-
land). Der Verfasser, ein spanischer Priester, der früher Professor
in Salamanca und Lehrer des Infanten Ferdinand gewesen, in Mai-
land, wie es scheint, mit Scioppius bekannt geworden war, sagt: er
habe Poza von Anfang an offen bekämpft, ihn auch bei der Inqui-
sition f()rmlich denuncirt; da dessen Schriften jetzt in Rom, gleich-
wohl aber noch immer nicht in Spanien verboten worden, und Poza
und seine Parteigenosssen fortführen, durch Apologieen und Libelle
die Komischen und die spanischen Censoren zu verhöhnen, so trete
er als der am heftigsten Angegriffene mit dieser öffentlichen
Anklage auf, — er wendet sich damit an den Papst, den Kaiser,
die Könige, Fürsten u. s. w., — und zwar nicht bloss gegen Poza,
sondern auch gegen die Jesuiten, die ihn noch immer dooiren Hessen
und durch viele Schriften, die sie überall unentgeltlich vertheilten,
vcrtheidigten. Diese Schrift wurde von der span. Inquisition am
30. Juni 1634 (zugleich mit den Monita secreta) verboten, also
mindestens 6 Jahre früher als Poza's Buch, 1665 auch in Kom als
Anhang zu der Relatio von Vargas (S. 289)^). Bei Vargas findet
1) Die Actio haeresis ist auch in des Henr. a S- Ignatio Tuba I,
331 — 344 und im 4. Bande von MariaJes' Bibliotheca (1660) abfiredruckt
Das Decrct der span. Inquisition befindet sich im Münchener Reichsarchiv;
vgl. Friedrich, Beitr. zur Gesch. des Jesuiten-O. S. 5. Roales wurde in
Folge der Klagen der Jesuiten von dem Cardinal-Infanten entlassen und
später von Philipp II. aus Spanien verbannt. Huylenbroucq, Yindicationes
alterac p. 30. — Quetif 2, 558 erwähnt eine Schrift des Dominicaners Jo.
J. H. Puza. A. de Vargas. 439
i'ich auch (p. 106 und p. 35) eine kurze, nicht sonderlich witzige
i^atire auf Poza in der Form einer Parodie des apostolischen Syni-
bolums: Societatis Jesu novum fidei symbolum in Hispania proniul-
^tum: Credo in duos Deos, quorum unus ülii pater et mater cKt
netaphorice in generatione aeterna, alter metaphorice mater et pater
est in generatione temporali, cui consequens est, ut tarn Deo Patri
]nam B. Virgini nomen matripater conveniat etc. (Die dahinter
itehende Censura in symbolum apostolorum hängt nicht mit Poza
Eusammen, S. 386).
In dem Decrete Alex. Xo. 85 steht hinter der Relatio von
^argas: item tres libelli huic annexi, und als diese werden genannt
lie Actio von Roales, Soc. Jesu novum üdei symbolum und Sedis
ipoRtolioae censura prima adv. novam, falsam, impiam et haereti-
sam Soc. Jesu doctrinam nuper in Hispania publicatam. Unter
lieser Ueberschrift steht p. 90 und 91 nichts anderes als das Index-
Decret von 1632 gegen Poza, welches man doch nur aus reiner
Gedankenlosigkeit verbieten und bis jetzt im Index belassen konnte,
wenn man nicht bloss die Ueberschrift hat verbieten wollen. Die
tres libelli werden übrigens auf dem Titelblatte nicht genannt und
und nicht mit besonderer Paginirung beigedruckt. Seit Ben. werden
de irrthümlich als besondere Schriften von Yargas aufgeführt.
Im span. Index wird von einem Dr. Juan del Espino auKser
mderen papeles eine Acusacion publica contra la doctrina del Kluci-
lario verb. Es ist ohne Zweifel der Ex-Carroeliter Spinus, dem die
Fesuiten auch die span. Uebersetzung der Monita secreta zuschrieben
8. 281). Weder im Römischen noch im spanischen Index stehen
sie fallen aber unter das allgemeine Verbot der Index-Congr. vom
r. 1632): Votum Piatonis de examine librorum, Caesaraugustae
.639, — nach Backer unter dem Namen Antonius de Saura von
^oza herausgegeben, auch von Raynaud, Apop. p. 70 als von
'oza verfasst citirt, — und Opusculum de gestis circa doctrinas et
ibros a temporibus Ezechiae regis usque ad annum 1632^). In
etzerm werden in chronologischer Ordnung wirkliche oder erdich-
ete Thatsachen, die mit der Censur von Büchern zusammenhangen,
usammengestellt und daran kurze Reflexionen angeknüpft. So im
anfange: Einige dem Salomo zugeschriebene Bücher, wie ein Buch
Iber die Genien und eine Hygromantie wurden von dem König
ilzechias verbrannt, wie Glycas nach Eusebius berichtet. Denn bei
ler Vernichtung schädlicher Bücher hat keine Rücksicht der Person
:a gelten. — Manche dieser Notizen sind nicht ohne Interesse, z. B. :
3a8 Constanzer Concil, obschon ein allgemeines, wird bezüglich
leiner Behauptungen über die Auctorität eines allgemeinen Concils
Vlph. Baptista gegen Poza : Apologia por la autoridad de lo8 doctorus de
a iglesia y sanctos iiadres contra un Memorial intit. A los jucze» de la
/erdad y doctrina, Saragossa 1628, von Jo. Paulus Nazarius 0. P. ins
Lateinische übersetzt.
1) Abgedruckt bei Seabra 2, 618—668. Giannone, Opere 12 (post. 1),
&91 gibt einige Auszüge daraus.
440 J. B. Poza und Th. Raynaad.
über den Papst von dem Florenzer und den Lateran-Concilien ver-
worfen. Keine Synode oder Congregation kann es hindern, dass
ungerechte Decrete oder falsche Censuren über Lehren von dem
apostolischen Stuhle cassirt werden; denn die Päpste verdammen
auch die Irrthümer der allgemeinen Concilien (S. 552). Was in den
Schriften von Katholiken zu expurgiren ist, muss einzeln angegeben
werden, namentlich wenn die Verdammung einer Schrift in katholi-
schen Ländern keinen Beifall findet (S. 526). Der Bischof Virgi-
lius behauptete die Existenz von Antipoden und wurde von P. Za-
charias dafür excommunicirt. Dieses und andere Beispiele lehren,
dass man in Eom keine Anklagen wegen naturwissenschaftlicher,
philosophischer und medicinischer Controversen annehmen sollte, und
dass man Römischen Entscheidungen mitunter mit gebührendem Ge-
horsam widersprechen darf, zumal wenn sie sich nicht auf solche
Wahrheiten beziehen, für welche Christus gestorben ist (S. 539).
In dem Trienter Index stehen keine spanischen Schriftsteller, in dem
von Clemens VIII. nur solche, die vorher von der spanischen Inq.
verdammt worden oder wie Jo. de Roa später von ihr verdammt
wurden ; bis zum Ende des Pontificates Pauls V. hat die Index-Congr.
kein spanisches Buch verboten (S. 566).
1634 wurde ein Schriftchen verb., welches 1631* in Rom mit
Approbation des Mag. S. Pal. gedruckt war: Prattica per ajutare a
ben morire anco per quelli, che solo sanno leggere, e per imparare
a ben vivere da quello, che occorre e si deve fare nel t«mpo della
morte. Composta dal P. Gio. Batt. de Vilela della Comp, di G.,
282 S. 16. In der Vorrede sagt der Verfasser, er habe diese
Sammlung von Belehrungen und Gebeten für Kranke ursprünglich
spanisch herausgegeben auf den Wunsch des Grosscomthurs von
Aragonien Don Juan de Vilela (wohl eines Verwandten), der sie
dann in Biscaya habe verbreiten lassen. Im span. Index steht das
Büchlein nicht. Nach Backer ist es auch ins Lateinische übersetzt
(Praxis juvandi etc.), Wien 1634 und 1714. Nach den Angaben
von Th. Raynaud und Casalas (p. 592) ist das Schriftchen verboten
worden, weil darin einiges aus Poza abgeschrieben war. Er wird
eine neue Ausgabe von dessen Practica de ayudar a morir, Madrid
1619, sein.
Es gereicht den Jesuiten nicht zur Ehre, dass sie ein enfant
terrible wie Poza nicht sofort entschieden desavouirt haben. Th.
Raynaud hält in seiner Schrift gegen die Dominicaner (bei Casalas
p. 459. 592) diesen vor: sie hätten Poza, einen Mann von ausge-
zeichneter Begabung und Gelehrsamkeit, schlimmer als Luther und
Calvin infamirt und sprächen noch immer von ihm in den härtesten
Ausdrücken, während er doch in drei kräftigen Apologieen seine
Lehre begründet und nachgewiesen, dass er nichts gesagt habe,
was nicht vor ihm ein Dominicaner gelehrt; sein Hauptverbrechen
sei in den Augen der Dominicaner der von ihm geführte Beweis,
dass sie die Schriften des h. Thomas und andere gefälscht hätten.
Und Hon. Fabri, Apolog. 2, 600 erkennt zwar die Gerechtigkeit
des Verbotes der Schriften von Poza an, sagt aber: er lehre nichts,
G. B. de Vilela. Th. Raynaud. 441
was dem Glauben zuwider sei, und führt als seine Verbrecben in
den Augen der Dominicaner noch die Vertheidigung der Immaculata
Conceptio an und die Behauptung, dass die Kirche nicht alle An-
sichten des h. Thomas billige. Die neueren Jesuiten scheinen eich
doch Poza's einigermassen zu schämen. Cret.-Joly 3, 276 erwähnt
ihn ganz beiläufig, und aus Hurters Nomcnclator, in welchem so
viele ganz unbedeutende Schriftsteller einen Platz gefunden, würde
man nicht ersehen können, dass es einen Mann Namens Poza ge-
geben, wenn nicht 1, 714 erwähnt würde, die Prolegomena von des
Dominicaners Xantes Mariales Bibliotheca interpretum ad universam
summam S. Thomae, Ven. 1660, seien 1662 verb. worden wegen
der zu scharfen Angriffe auf die Lehre des J. B. Poza und seiner
Genossen aus der Gesellschaft Jesu.
2. Die 1646 verbotenen Schriften von Th. Raynaud waren
schon 1620 erschienen: De martyrio per pestem ad martyrium im-
proprium et proprium vulgare comparato Disquisitio theologica,
und Error popularis de communione pro mortuis. Gustus operis,
cui titulus: Heteroclita spiritualia et anomala pietatis^). Beide
Bücher wurden unbedingt verb.; aber nachdem 1659 seine Erote-
mata mit d. c. verb. worden, bat er die Index-Congr. um die Er-
laubnisse von diesen drei Büchern eine expurgirte Ausgabe zu ver-
anstalten, und um die Mittheilung der nöthigen Aenderungen. Auf
den Antrag des Card. Brancacci und nach Anhörung der Consultoren
wurde dieses 16. Sept. 1659 bewilligt; aber erst 1664 wurde von
der Index-Congr. eine Zusammenstellung der zu ändernden Stellen
ausgefertigt mit der Erklärung, so corrigirt dürften die drei Bücher
neu gedruckt werden. Die Correction ist bei Catalani, Secr. Ind.
p. 35 und in dem A])Op. p. 256 gedruckt, so dass wir wissen, was
das Verbot der Bücher veranlasst hat.
Die Schrift über das Martyrium war dadurch veranlasst, dass
1) Gustus etc. ist seit Ben. in den Indices so gedruckt, als ob es
der Titel eines dritten Buches wäre. Es gehört aber zu dem Titel des
zweiten und soll dieses als eine Probe aus einem grössern Werke be-
zeichnen, welches R. unter dem Titel Heteroclita . . . pietatis [coelestium,
terrestrium et infemorum] herausgeben wollte und wirklich herausge-
geben hat. Er behandelt darin die Auswüchse der Frömmigkeit in Bezug
auf Gott und die Heiligen (coelestia), die Sacramente und das Wort Gottes
(terrestria) und die Verstorbenen (inferna); einen Anhang dazu bilden
die Diptycha Mariana. Dieses Buch ist nicht verb. worden und in den
Opp. 15, 64 abgedruckt. In dem Apop. p. 252 sind ein Gutachten über
das Buch, welches einige Jesuiten 1644 vor dem Drucke desselben im
Auftrage der Ordensoberen darüber abgaben, und eine Antwort Raynauds
auf eine zweite derartige Censur abgedruckt. Die Censoren tadeln u. a.,
dass R. sage, Pfingsten sei nicht bloss ein Fest des h. («eistos, sondern
direct und in erster Linie das Fest der Gründung der Kirche, und es sei
unpassend, Gott dafür zu dauken, dass er uns nicht als Thiere, sondern
als Menschen geschafTen. Ausserdem tadeln sie den stacheligen Stil und for-
dern die Ausmerzung der vielen derben Ausfälle gegen andere (nicht ge-
nannte) Schriftsteller, ne modestia religiosa Societatis violata videatur.
442 J. B. Poza und Th. Raynaud.
1^28 zu Lyon acht Jesuilen bei der Pflege von Pestkranken ange-
stec^kt worden und gestorben waren. Der Jesuit Grillot hatte von
einem derselben, P. Bouton, gesagt: er sei confessor (er war in
türkischer Gefangenschaft gewesen), doctor, virgo nnd nun auch
niartyr (l'rat, P. Coton 3, 706). Raynaud schrieb also seine „theo-
logische Untersuchung," um zu beweisen, dass diejenigen, welche
eines solchen Todes gestorben, Märtyrer im eigentlichen Sinne ge-
nannt werden dürften. (In einer andern Schrift hat er auch be-
wiesen, dass der gute Schacher als Märtyrer gestorben sei; Apop.
]>. 34). R. behauptet (Apop. p. 162. 170), die Dominicaner hätten
das Buch schon 1633 verbieten wollen, um sich für das Buch von
Riviere zu rächen; das Decret der Index-Congr. sei aber damals
von Urban VIII. nicht bestätigt worden ; nach dessen Tode habe
es der Secretär der Index-Congr., J. B. de Marinis, wieder hervor-
gesucht. In der Censur der Index-Congr. (Apop. p. 256) wird R.
nur aufgegeben, den Titel des Buches etwas zu modificiren, einen
Passus beizufügen des Inhalts : der fragliche Tod sei nicht in dem-
selben Sinne ein Martyrium wie das eigentliche Martyrium, und den
Satz zu streichen: wenn jemand getödtet werde, weil er die pia
sententia de Immaculata Conceptione nicht missbilligen wolle, so sei
er ein Märtyrer. Gleichzeitig mit diesem Buche von R. wurde
auch eines von dem Theatiner Franc. Ant. Sarro, Glorioso trionfo
d'invitta morte di (^ariUi emulatrice di vero martirio, Neapel 1630,
Verl). — R.'s Buch wurde angegriffen von dem Spanier Thomas
Hurtado aus dem Orden der Clerici reguläres minores in den Re-
solutionen orthodoxo-morales, scholasticae, historicae de vero, unico
et proprio martyrio lidei sanguine sanctorum violenter eifuso rubri-
cato, adv. ((uorundam xuivoXoyiui' de proprio martyrio charitatis et
misericordiae, quibus junguntur digressiones ... de martyrio per
pestem ... de restrictione mentali, Col. 1655, Fol. (Hurter, 1, 910).
R. antwortete darauf pseudonym: Theologia antiqua de veri mar-
tyrii adaetjuate sumpti notione, ad spumosam xuivokoyluv et frago-
suni taratantara Thomae Hurtado Buccaferrei de Seir, iterato vulsi
ac depilati a Leodegario Quintino Heduo, S. T. D., Lugd. 1656.
Dieses Buch wurde 1658 gleichzeitig mit der Schrift für Suarez
(S. 311) verb.^), das von Hurtado erst 1659 und nur mit d. c.
In der zweiten im J. 1646 verbotenen Schrift, Error popula-
1) Ks steht im Apop. p. 150. liier steht p. 219 auch eine ohne
Zwfifel von R. verfasste Apologia pro vero et proprio martyrio per pestem
. . . Huthorc Fr. Jo de Andrada Septousi, Ord. SS. Trin. Redemptionis
Capt, Provinciae Portugalliae alunino et in S. Theol. Prof. emerito ac
cjusdem provinciac moderiio Provinciali, mit vielen Approbationen von
Theologen von Coimbra und Evora aus den Jahren 1650 — 51. — Im Apop.
p. 186 steht auch noch eine etwas frühere (nicht verbotene) Streitschrift
gejyen Hurtado über die andere im Texte erwähnte Frage: Thomas Hur-
tado, der. reg. minor, vulg. Peloso [so nannte man die Mitglieder dieses
Ordens in Spanien] in resolutione controversiae de communione valsas ac
depilatus a Leod. Q^intino Heduo, Lugd. 1656.
Th. Raynaud. A. Sarru. Th. Ilurtudu. L. Quiiitiims. 443
[» etc., will K. beweisen: die für Verstorbene empfangene (für
eeleu im Reinigungsorte aufgeopferte) Cummunion nütze den Ver-
torbeneu nicht viel: ex opero operato könne sie nicht wirksam
)in; das Gebet als solches nütze den Verstorbenen überhaupt niclit
iel, das mit der Communion verbundene nicht mehr als das mit
em Empfange eines andern Sacraments verbundene ; was den Ver-
M>rbenen viel nütze, seien Werke der Genugthuung, die für sie
ifgeopfert würden, und diese seien nm so wirksamer, je mehr sie
lit Anstrengung und Selbstüberwindung verbunden seien; das sei
ber die manducatio et susceptio cibi eucharistici nur in sehr ge-
ngem Grade. Gegen dieses Buch, sagt H. (Apop. p. 137), habe
er Dominicaner Aug. de Bellis geschrieben, weil er gefürchtet
äbe, die Theilnahme an der in S. Andrea della Valle an jedem
[ontag gehaltenen Communionfeier für Verstorbene möge abnehmen,
od der Secretär der Index-Congr., J. B. de Marinis, habe das
erbot des Buches bewirkt unter dem Vorgeben, es werde dem
änfigen Empfange der Communion entgegenwirken; von dem gleich-
jitig erschienenen, viel umfangreichern und so oft wegen anderer
letzereien verdammten Buche von Arnauld habe er dergleichen
icht gefürchtet. — Die Index-Congr. gab R. auf, den Titel des
nches in De communione ])ro mortuis zu ändern, eine ziemliche An-
ibl Seiten zu streichen und eine Erörterung beizufügen, dass das
ei dem Empfange der Communion verrichtete Gebet für Verstorbene
irksamer sei als ein Gebet zu anderen Zeiten^). So umgestaltet
it die Schrift als De communione pro mortuis . . . correctus juxta
lonita S. Congr. Ind. et recudi ]>ermi6sus in den Opp. 6, 11 abge-
ruckt, die gestrichenen Stellen im A]K)p. p. 256.
1659 wurde mit d. c. verb. R. P. Th. Ravnaudi ex Soc. Jesu
rotemata de malis ac bonis libris, deque justa aut injusta eorum
»nfixione, Lugd. 1653,* 6 Bl. und 378 S. i., mit Approbation der
rdensoberen und zweier Pariser Doctoren gedruckt und dem In-
iieitor in Toledo gewidmet. Die Stellen, welche auf Verlangen
IT Index-Congr. in der expurgirten Ausgabe weggelassen oder ge-
idert wurden, sind im Apop. p. 280 abgedruckt. Es sind ausser
1) Der Oratorianer Provost schreibt (bei Thuillier, Oeuvres posth.
i Mabillon 1, 518) 1698 aus Douay an Mabillon: es sei dort Sitte, dass
I jedem zweiten Sonntag im Monat das Sacrament in einer schwarz aus-
ischlagenen Kapelle ausfifestcllt werde und viele für die Verstorbenen
»mmunicirten ; er habe in der Bibliothek ein Büchlein gefunden, welches
.686 Sitte empfehle: Ran^on des ämes du pnrgatoire; in Dieppe würden,
enu jemand gestorben sei, die Leute von Haus zu Haus eingeladen, am
tkge der Beerdigung zu communicireu; die Vorstellung, dass man für
erstorbene comrauniciren könne, scheine ihm mit Thom. 3 q. 79 a. 7
i Widerspruch zu stehen. Mabillon antwortet: für andere, Lebende oder
erstorbene, zu coromuniciren, sei nicht nur in den ersten Jahrhunderten,
»ndem auch zur Zeit des h. Thomas, ja selbst bis zum IG. oder 17. Jahrh.
De unerhörte Sache gewesen, jetzt aber eine so allgemeine Sitte, dass
ichts dagegen zu machen sei ; Prevost müsse den Leuten erklären, iu
elohem Sinne es zulässig sei.
444 J. B. Poza und Th. Raynaud.
der I 8. 560 angeführten Bemerkung eine lange Stelle über das
Verdammen von Büchern ohne Anhörung der Verfasser, die Cen-
sur des apostolischen Symbolums (S. 386) und einige Bemerkungen
über das Verbot einiger Jesuiten-Autoren, Bellarmins durch Sixtus V.,
seines eigenen Buches über das Martyrium und der Bücher von
Kabardaeus, Sa und Henriquez. In dem Register werden u. a. die
Sätze gestrichen: auch alle Doctoren zusammengenommen seien
fallibel (also die sog. sententia communis nicht massgebend), und
eine Ansicht, die wahr oder probabel sei, bleibe dieses auch nach-
dem sie censurirt worden. — R. behauptet (Apop. p. 38), als sein
Buch der Index. Congr. als ein für sie injuriöses denuncirt worden,
habe der mit der Prüfung desselben beauftragte Consultor erklärt,
es sei vielmehr ein ganz nützliches Buch, von welchem alle Con-
sultoren der Inquisition und der Index-Congr. ein Exemplar haben
sollten. Sic obstructum est os cavillatorium et mendax. Postea
tamen liber labis purus spadonatui ultorio subjaeuit. Selah! Das
Votum des Cisterciensers Ferd. Ughellus^) lautet freilich anders:
er kritisirt die Stellen, die später ßestrichen wurden, und sagt: das
Buch sei offenbar geschrieben aus Hass gegen die Index-Congr., die
einige Bücher des Verfassers verboten habe; es müsse wenigstens
mit d. c. verboten werden, cum author os suum in coelum mittat,
h. e. de hac S. Congregatione pluribus in locis per summam male-
dicentiam imprudenter loquatur. — Dieses Buch steht auch im span.
Index, und zwar ohne d. c.
Ein schlimmeres Buch gegen die Römischen Censurbehörden
veröffentlichte R. später pseudonyni: De immunitate autorum Cyria-
corum a censura diatribae Petri k Valle Clausa S. T. D. (abge-
druckt im Apop. p. 267 — 319). Er will darin nachweisen, dass
die Cyriaci, d. i. die Dominicaner, welche die Inquisition und Index-
Congr. beherrschten, Bücher von anderen katholischen Schriftstellern,
namentlich von Minoriten und Jesuiten, in grosser Zahl, oft unge-
rechter Weise in den Index brächten, während die Bücher ihrer
Ordensgenossen in der Regel nicht censurirt würden. Dabei kommen
starke Dinge vor, auch manche persönliche Ausfälle; von den Se-
oretären der Index-Congr. wird der eine, J. B. de Marinis, als om-
niuni literarum rudis, vere opilio arcadicus, bezeichnet, der andere,
Raymund Ca^nsucco, gewöhnlich caput Cucurbitae genannt^). Das
1) Döllinger hat einen handschriftlicheu Auszug daraus.
2) Im Apop. p. 26 j steht eine italienisch geschriebene Zusainmen-
sU'lluiig von Beispielen, welche beweisen sollen, wie parteiisch dieMagistri
S. Pal. bei der Ertheiluug der Druckerlaubniss verführen. Es finden sich
darunter allerdings starke Stücke, bezüglich deren man freilich auch den
andern Theil hören müsste: Sie haben einem Jesuiten drei Thesen ge-
strichen, die wörtlich aus Büchern entnommen waren, die von ihnen selbst
iipprobirt waren. Als man ihnen einmal vorhielt, sie hätten eine These
gestrichen, die im Tridentinum stehe, erhielt man zur Antwort: wenn
jetzt das Tridentinum zuerst gedruckt werden sollte, würde das auf
Schwierigkeiten stossen. Bücher von Jesuiten, die in Rom gedruckt werden
Th. Raynaud. P. a Valle. Jo. Casalas. Apopompaeus. 44'>
Buch wurde von dem Ordensgeneral Oliva in einem Briefe an den
Provincial von Lyon vom 22. Mai 1662 desavouirt, von der Index-
Congr. 20. Juni 1662 verb. und zu Toulouse 1. Sept. 1662 sogar
verbrannt (Quetif 2, 605). Die Dominicaner veröffentlicbten zwei
Entgegnungen: Apologia pro Sacra Congregatione Indicis ejusque
Secretario ac Dominicanis contra Petri a Valle Clausa libellum fa-
moBum, Romae 1662, 4., und Jo. Casalas 0. P. Candor lilii s.
Ordo Praedicatorum a calumniis Petri a Valle Clausa vindicatus,
Par. 1664* (in diesem ist Raynauds ganzes Buch stückweise vor
den betreffenden Entgegnungen abgedruckt). Beide wurden 1664
verb., und der Mag. S. Pal., Raymund Capisucco, der für die Apo-
logia die Druckerlaubniss ertheilt, wurde sogar 1663 von Alexan-
der VII., der den Jesuiten gewogen war, genöthigt abzudanken^).
Verfasst hatte die Apologia, allem Anscheine nach auf den Wunsch
Capisucco's, Vincenz Baron, wie Casalas (f 1665) ein französischer
Dominicaner. Er erklärte aber später, sein Buch sei nicht nur
^arch zahllose, zum Theil sinnstürende Druckfehler, sondern auch
clurch Zusätze von fremder (Capisucco's?) Hand, namentlich durch
'viele Schmähungen entstellt (Quetif 2, 656). In den Libri quinque
apologetici, die er 1660 mit seinem Namen herausgab, — sie wurden
1.672 verb. — sind die zwei letzten eine neue Bearbeitung der
apologia. — Vielleicht ist von Raynaud auch Vocabularium trilin-
^ae et elingue pro scriptoribus Dominicanis, auth. F. Pio Mariano a
CJonceptione, Gandavi 1664, verb. 1664 gleichzeitig mit Casalas
Cin dem Decrete Alex. No. 84 fehlt es). W'enigstens droht R. am
Schlüsse des Buches De immunitate: Gustum nunc parce exhibeo;
csras in indice universali ad singulos quosque Cyriacorum libros
plenas cuppas hujus vappae propinabo. Im Apop. steht freilich das
Vocabularium nicht.
Der Titel des 20. Bandes der Opera R.'s lautet: Theophili
^Raynaudi S. J. Apopompaeus admodum rara continens (folgen die
Titel der 14 Stücke). Tomus vigesimus et posthumus. Per Anoni-
XTium novissime digestus . . . Cracoviae, sumptibus Annibalis Zan-
^oyski, Bibliopolae. 1669.* 400 S. Fol. (ohne die Register). In der
Sollen, werden Monate, ja Jahre lang zurückgehalten. P., Azorius erhielt
die Druckerlaubniss für ein Buch, musste aber, als es gedruckt war. etwas
clarin ändern. In einer Dedieation wurde der Ausdruck gentilitfa signa
(AVappen) gestrichen, weil der Censor meinte, es sei von heidnischen Zeichen
ciie Rede; dem P. Rutilio wurde nuroen als ein heidnisches Wort gc-
Btricheu.
1) Catalani, De Secr. Ind. p. 103. De Mag. S. Pal. p. 174. Capisucco
\vurde 1650 von Innocenz X. zum Secretär der Index-Congr., 1(554 zum
Mag. S. Pal. ernannt. Seine Abdankung im J. 1668 kann nicht mit dem
Buche von Casalas zusammenhangen, welches erst 1664 erschien. Manche
meinten übrigens, er habe non propter librum (wegen der Apologia), sed
propter Libellum abdanken müssen, nämlich um für Hyacinthus Libelli
Platz zu machen, den Alexander VII. zu seinem Nachfolger ernanute. Cle-
mens X. ernannte IG73 Libelli zum Krzbischof von Avignou und setzte
Capisucco in sein Amt wieder ein. 1681 wurde or Cardinal, f 169 L
446 Arnaulds lUwh ülnir die rommunion.
Vorrede des Krakauer Druckers wird der Band bezeichnet als no-
vemdeeim praecedentibus praelucens, velnt inter ignes luna minores,
sine quo astra illa tanquam sole suo orhata pamm vel nihil splen-
descerent. Der Band ist natürlich nicht in Krakau, sondern zu Lyon
in derselben Druckerei wie die 19 anderen gedruckt und von den
Ordensgenossen K.'s in Druck gegeben worden. 1672 wurde er
verb. mit der Bemerkung, das Verbot treffe nicht zwei in demselben
enthaltene Tractate , welche vielmehr separati , also ans dem
Bande herausgeschnitten oder besonders abgedruckt, freigegeben
würden, nämlich : Hipparchus de religioso negotiatore, disceptatio
[quae negotiatio a religioso statu ahhorreat. Lucubratio Renati a
Valle, Mag. in Theol., mit einer Dedication an Urban VIII., p. 320
— 374] und Avihq Sff4i. Os Domini locutum est. Lingnarium vali-
dum damnatis a Sede Apost. injectum et depulsio frivolae declina-
tionis, qua pauci murmurantes damnationi Jansenii per Innocentium X.
obtendnnt defectum Concilii generalis, p. 375 — 400 (allein Lyon
1657 gedruckt), eine sehr weit gehende Vertheidignng der päpst-
lichen Unfehlbarkeit. Ausser diesen beiden Tractaten enthält der
Band die vorhin besprochenen verbotenen Schriften und ihre Vcr-
theidigungen, die bis dahin nicht verbotene Theologia supplex (S. 305)
und als erstes Stück ein mit vielen bissigen Bemerkungen gespicktes
Syntagma de libris propriis. — Apop. p. 171 sagt R.: nächst Poza
sei kaum jemand von den Dominicanern heftiger angefeindet worden
als er. Durch diese Zusammenstellung mit Poza thut er sich doch
selbst unrecht.
51. Arnaulds Buch über die Gommiiiiioii. H. de Bareos.
Das Rituel d'Aleth.
Einige BUcherverbole, welche erst nach der ersten Verdam-
inuDg des Buches des Jansenius erfolgten, bangen mit der Janse-
nistischen Controverse nicht so enge zusammen, dass sie nicht
der grössern Uebersichtlichkeit wegen vor dieser behandelt
werden dürften. Das Buch Über die häufige Commnnion, welches
Antoine Arnauld 1643 veröffentlichte and welches den damals
noch jungen Theologen sofort zu einem berühmten Manne machte,
wurde alsbald bei der Inquisition dennncirt, von den franzö-
sischen Bischöfen, die es approbirt hatten, durch einen eigens
nach Rom gesandten Bevollmächtigten, Abb^ Bonrgeois, ver-
theidigt und im Herbst 1645 von der Inquisition freigegeben.
Es ist auch später zwar vielfach angefeindet, aber in Rom nicht
verboten worden, wäbrend ein ein Jahrhundert später erschie-
M. de ßarcoB. Kituel d'Aleth. 447
nenes jesaitisches Gegenstück dazu, von P. Jean Pichon, 1750
in den Index kana. Aber ein von Arnaulds Freund Martin de
Barcos in die Vorrede des Buches von Arnauld eingeschobener
Satz, worin die Apostel Petrus und Paulus als „die zwei Ober-
häupter der Kirche, die nur eines sind", bezeichnet werden,
wurde von der Inquisition 1647, in dem Sinne verstanden,
dass dabei die Unterordnung des Paulus unter Petrus bezüglich
der höchsten kirchlichen Gewalt nicht anerkannt werde, itir
ketzerisch erklärt und nicht nur die BUcher, die Barcos zur
Vertheidigung desselben geschrieben, sondern überhaupt alle
Schriften verboten, in denen der Satz in dem angegebenen Sinne
behauptet werde, ein allgemeines Verbot, welches in den älteren
Indices unter Libri, seit Benedict XIV. in den Decreta generalia
II, 11 steht. — Mit den Verhandlungen über Arnaulds Buch
längt zusammen das Verbot einiger Schriften über die in ein-
zelnen französischen Diöcesen damals noch bestehende oder
^^ieder eingeführte öffentliche Kirchenbusse und das Verbot
^ines 1667 von dem Bischof Pavillon von Aleth für seine Diöcese
'Veröffentlichten, unter Mitwirkung von Arnauld, Barcos und
anderen Theologen von Port-Royal bearbeiteten Rituale durch
^in sehr scharfes Breve Clemens' IX, vom J. 1668, welches von
29 französischen Bischöfen dadurch beantwortet wurde, dass
sie eine 1677 erschienene, nur wenig geänderte Ausgabe des
Hituale approbirten.
1. Antoine Arnauld, ein Sohn des gleichnamigen Advocaten
(^S. 284), zum Unterschiede von ihm gewöhnlich Dr. Arnauld, von
t^einen Anhängern später auch le grand Arnauld genannt, war 1612
geboren und wurde 1641 Priester und Doctor. Die Veranlassung
^ur Abfassung des fraglichen Buches war folgende: Der Abbe de
^^aint Cyran hatte für die Prinzessin Anne de Rohan eine Instruc-
't.ioii über Beichte und Communion geschrieben. Diese fiel dem Je-
fsniten de Sesmaisons in die Hände, der sie natürlich zu rigoristisch
f^Änd^) und mit Hülfe seiner Ordensgenossen Bauny und Rabardeau
^ine Widerlegung verfasste. Die Prinzessin gab diese Arnauld und
5\uf St. Cyrans und anderer Aufforderung schrieb er sein Buch.
1) Le F. de Sesmaisons ctait de ceux qui meltent des coussins sous
l«s coudes des pecheurs, pour parier avoc Bossuet et avoc rEcriturt* . . .
C''e8t contre ce „chomin de vcinurs** (Lafontaine), si hien iudi(|Ui^ par le
I*. de Sesmaisons a s»*s no]»lt»s p«^nitpnt4*s, qn^Arnauld hinf;a \e \\\rv. S.-
Benve 2. 167.
448 Arnaulds Buch über die Communion.
St. Cyran hat dabei seinem jungen Freunde ohne Zweifel geholfen,
ist aber mit Unrecht von den Jesuiten vielfach als der eigentliobe
Verfasser bezeichnet worden. Das Buch war wohl schon im Sept.
1641 vollendet, erschien aber erst im August 1643: De la fr^nente
communion, ou les sentimens des ss. peres, des papes et des con-
ciles touchant Tusage des sacremens de penitence et d'encharistie
sont fidelement exposes, pour servir d'adresse aux personnes qui pen-
sent serieusement k se convertir a Dien, aux pasteurs et confesseurs zi\^
pour le bien des ämes. Sancta sanctis, 800 S. (und 150 8. Vor-
rede) 4., mit der Approbation von 15 Bischöfen und 21 Doctoren
(Arn. 27, 71). Die erste Auflage war in 14 Tagen vergriffen, in
einem halben Jahre drei weitere. Der 2. Auflage ist ein Avertisse-
ment sur quelques sermons pröches a Paris beigefügt, — der Je-
suit Nouet hatte gegen das Buch gepredigt; er wurde von den Bi-
schöfen zu einer Erklärung genöthigt, — der 5. Auflage, die im
April 1644 erschien, eine Table de matiäres, in welcher sich recht-
fertigende und berichtigende Bemerkungen über die Angriffe findeui
die gegen das Buch gerichtet worden. 1647 gab A. eine lateinische
Uebersetzung heraus, die auch zu Löwen 1674 und 1688 gedmckt
wurde. — Die Veranlassung des Buches wird in der Einleitung an-
gegeben und Sesmaisons' Schrift stückweise mitgetheilt, aber ohne
dass dieser oder die Prinzessin genannt werden. Es erschienen von
1643 an viele Streitschriften, namentlich von Jesuiten; von den
französischen Bischöfen trat nur einer der unbedeutendsten, Charles
Fr. d^Abra de Raconis, Bischof von Lavaur^), als offener Gegner
A.*s auf. Die Jesuiten denuncirten das Buch auch in Rom und P.
Brisacier reiste dorthin, um seine Verdammung zu betreiben. Sie
redeten auch der Königin ein, A. müsse nach Rom reisen, um sich
zu verantworten^), und Mazarin befahl dieses im März 1644 A. und
1) Im K.-L. 1, 113 ist ihm ein besonderer Artikel gewidmet S.*
Beuve 2, 18 i Charakter isirt ihn als porsounage un peu follet, mystifi^
autrefois et mitre par Richelieu. Zur Erklärung dieses Ausdrucks dient..»
was II. Simon, Lettres l, 11 erzählt: U ctait aupres de Son Eminen«
plutot en qualite de bouffou que de docteur. M. de Richelieu donnait di
temps en temps a de Raconis uq texte bizarre pour precher devant b
sur le champ dans une chambrc oii il s'cnfermait expres. Cc docteur qj
etait paye pour faire rire le Cardinal, disait cent impertinences . . .
comme le Cardinal donnait ordre qu^on ne Tappelat pour quelque ch«
que ce füt dans ce temps lä, il lui disait en riant: on croit que
traitons ici des affaires les plus importantes de la religion.
2) Memoires d'Omer Talon, (Michaud. Nouv. Coli, de Mem. HO), H
Quesnel (Remoutr. k M. de Precipiano p. 14) berichtet, Raconis habe aia- ^e-^"
einen Brief mit Angriffen gegen Arnauld und die Bischöfe an den pRjtr*' ^'
gesandt, die Bischöfe hätten eine Abschrift davon erhalten und ihn
nöthigt, denselben par dos reponses equivoqucs zu desavouiren, weil
Aassemblee du Clerge gedroht habe, auf (rrund des Briefes einen Proc?«
g(*^^en ihn einzuleiten. Enfin ce lache prelat, couvert de honte, m6pr"
de ses confreres, abandonne dos Jesuitos niemes ä sa mauvaise forti». *"■ **»
niourut (164G), onsovcli sous h>s ruines de acs ocrits. de sa reputation ^*
de son honneur.
A. Amauld. J. Bourgeois. 449
seinem Freunde de Barcos; der Befehl wurde aber stillschweigend
zurückgenommen. Unter dem 5. April 1644 schrieben die Bischöfe,
welche das Buch approbirt hatten, — ihre Zahl war mittlerweile
auf 20 gestiegen, — an Urban VIII.; auch wurde dem Card. Bar-
berini eine Erklärung A.'s vom 14. März 1644 übergeben, worin
er sich dem ürtheil der Kirche unterwarf (Arn. 28, 36). — Mit
Rücksicht auf eine Streitschrift von D. Petau veröffentliche A. 1644 :
La tradition de l'^glise sur la penitence et sur la communion (Oeu-
vres 28, 39), — 1644 wurden drei, 1645 zwei Auflagen gedruckt.
Im Auftrage der 20 Bischöfe ging der Pariser Doctor Jean
Bourgeois nach Rom, — er kam 30. April 1645 dort an, — um
gemeinschaftlich mit du Chesne, der schon dort war, gegen die
Verdammung des Buches zu wirken. Wir besitzen von ihm einen 1674
geschriebenen sehr interessanten Bericht (une modeste et judicieuserela-
tion, S.-Beuve 2, 188) über seinen Aufenthalt in Rom (abgedr. Am. 28,
665). Charakteristisch ist seine Mittheilung (p. 706): Card, de Lugohabe
ihn gefragt, ob die Approbatoren der Freq. Comm. Jansenisten seien;
er habe geantwortet: die Fragen Über die Gnade und die Busse
hingen nicht so enge zusammen, dass nicht manche die Ansichten
des Jansenius billigten und das Buch A.'s missbilligten, und umge-
kehrt; er könne mehrere unter den Approbatoren des Buches nen-
nen, die sehr entschiedene Gegner des Jansenius seien ^).
Abgesehen von einer Stelle, von der noch die Rede sein wird,
fand schliesslich die Inquisition in dem Buche nichts zu beanstan-
den, und zwar waren, wie der Papst selbst Bourgeois sagte (p. 712),
alle Cardinäle und Consultoren einstimmig für die Freigebung des-
selben; das h. Officium, fügte der Papst bei, sei lange nicht so
einig gewesen; er möge A. und den Bischöfen seine Freude über
den glücklichen Ausgang der Sache aussprechen. Bourgeois wünschte
ein schriftliches Document darüber, aber der Commissar des S. Offi-
1) Arnauld konnte sogar einen Jesuiten, freilich aus ältererer Zeit,
für seine Ansicht citiren, Emerico de Bonis, f 1595 zu Neapel, der Trat-
tato del s. sagr. deir altare, Rom 1590, und Tratt. della confessione e
della s. mcssa, Ven. 1597, geschrieben (Backer 1, 106). A. schrieb über
ihn: Abus des nouveaux casuistes et directeurs Jesuites predits et con-
damnes par le P. Emery de Bonis, regu dans la Compagnie dös le vivant
de St. Ignace (1550). — Ein Judicium des Card, de Lugo über das Buch
Von A. hat Laemmer, Melet. Rom. Maut. p. 391 veröfifentlicht. Lugo
meint, der Papst solle in einem „apostolischen Schreiben** die richtigen
^irundsätze über Busse und Communion darlegen; — er fasst diese in sechs
Puncto zusammen; — da A. diese an einigen Stellen anerkenne, an an-
aleren sich zweideutig und wieder an anderen zu scharf ausspreche, möge
er in einer an die Spitze seines Buches zu stellenden Erklärung kurz und
l>ündig sagen, dass er nichts gegen jene Grundsätze einzuwenden habe;
ferner möge er dpn Satz über Petrus und Paulus, den die Inquisition
Iciirzlich bei einem andern Autor verdammt habe, in katholischem Sinne
erklären und sich bei der Erwähnung des Jansenius auf ein Lob seiner
^^römmigkeit beschränken, aber seine Lehre nicht im allgemeinen loben,
Sondern etwa sagen, er habe in vielem gelehrt und fromm geredet.
Beneoh, Index II. 29
450 Amaulds Buch über die Communion.
ciam sagte ihm: wenn die Inq. nach der Prüfung eines Baches er-
kenne, dasB kein Gmnd zur Verdammung desselben vorliege, so be-
lasse man dasselbe einfach in dem Zustande, in welchem es sich
vorher in Folge der vor der Denunciation ertheilten Approbation
befunden (p. 711), und ähnlich äusserte sich der Papst: nach dem
Herkommen könne er nicht einmal in seiner Antwort auf das Schrei-
ben der Bischöfe etwas über das Urtheil der Inq. sagen. In dem
Breve an den Erzbischof von Sens vom 22. Oct. 1645 (Am. 28, 649)
sagt er in der That nur, er habe das Buch prüfen lassen; dass es
die Prüfung bestanden, muss man daraus schliessen, dass nicht das
Gegen theil gesagt wird. (Später kam für solche Fälle die Formel
Dimittatur opus auf.)
Das Buch von A. ist auch später in Eom nie verboten wor-
den. Eine Art von Censur über einige Satze desselben ist in dem
Decrete vom 7. Dec. 1690 unter Alexander VIII. allerdings inso-
fern ausgesprochen worden, als unter den darin ohne Nennung der
Urheber verdammten Propositiones die 16., 18. und 23., wie die
Jesuiten sagen und, soweit die Intention Alexanders VIII. oder der
Inquisition in Betracht kommt, mit Recht sagen, aus der Friq.
Comm. entnommen sind. A. hat freilich in seinen Difficult^s pro-
posees k M. Steyaert No. 96 nachgewiesen, dass die Sätze 18 und
23 so in seinem Buche nicht stehen und dass aus dem 16. Conse-
quenzen gezogen sind, die in dem Buche selbst abgelehnt werden^).
Der Erzbischof Precipiano von Mecheln verbot 1695 die 1674
zu Löwen gedruckte Ausgabe der lateinischen Uebersetzung und
die gleichfalls 1674 erschienene Methodus von 6. Huyghens, die
auch in Rom denuncirt, aber freigegeben worden war (s. u.). Ques-
nel berichtete darauf in seiner Remontrance (S. 60) über die Ver-
handlungen in Rom und gab 1695 die Relation von Bourgeois heraus,
lieber den span. Index s. u. — Auch von den Streitschriften über
die Freq. Comm. ist keine in den Index gekommen.
2. Cret. -Joly 4, 23 sagt, Amaulds Buch sei der Curie zur
Prüfung vorgelegt worden und durch ein Decret vom 25. Jan. 1647
habe „Rom die Vorrede desselben verdammt" (ebenso K. Werner,
Suarez 1,260). Das wäre doch ein kleiner Trost gewesen; aber
1) Ein Echo der Aeusseruugen der Jesuiten über die Fr^q. Comm. ist
es, wenn Laemmer, Zur Kirchengesch. S. 52. davon sagt: der hochfahrende
starrsinnige Arnauld habe darin Saint Cyrans gleissnerisches Pastorationt-
princip, nach dem Sacramente hungern zu lassen, theoretisch auf die Spitie
getrieben. Wenn das K.-L. 1, 1404 dasselbe Urtheil ein wenig massvoller
ausspricht, so unterlässt es, — was schärf ern Tadel verdient, — die Ver-
handlung darüber in Rom auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Auch
Hurter 2, 405 sagt von der Freigebung des Buches unter Urban VIII.
nichts, berichtet aber, der Erzbischof Gl. d'Achly von Besannen und andere
hätten das Buch und Alexander VIII. mehrere Sätze . daraus verdammt;
widerlegt habe esPetavius; der „wüthende Mensch** habe aber nicht daran
gedacht, diesem gründlich und bescheiden zu antworten, sondern sich an
der ganzen Gesellschaft Jesu durch die Morale pratique des Jesuites zu
rächen gesucht.
M. de Bar 008. 451
es ist nicht wahr. In der Vorrede n. 6 wird erwähnt, Petrus und
Paulus hätten Busse gethan, und dann beigefügt: de sorte que Ton
voit dans les deux chefs de TEglise qui n^en sont qu^un, le nio-
döle de la p^nitence. Dieser Satz rührte nicht von A. her, sondern
von Martin de Barcos, dem Neffen Saint Cyrans, der den Druck des
Buches geleitet und den Satz eingeschoben hatte (Arn. 26, 1). A.
Hess aber denselben auch in den neuen Auflagen stehen und ver-
theidigte ihn in der Table de matieres; er macht hier u. a. darauf
aufmerksam, dass Petau Paulus le collateral de St. Pierre nenne
und Bellarmin von den Päpsten sage: tam Petrum quam Paulum
praedecessorem et parentem aguoscunt. Barcos selbst schrieb zu
seiner Vertheidigung eine kleine Schrift: De Tautoritö de St.
Pierre et St. Paul qui reside dans le Pape, successeur de ces deux
apdtres, 1645, und gegen die Schrift De la chaire et de la pri-
maut^ unique de St. Pierre, die Isaac Uabert dagegen herausgab,
— er warf Barcos vor, er sei in die Irrlehre des de Dominis ver-
fallen, — Lagrandeur de l'Egl. Romaine etablie sur Tautorit^
de St. Pierre et de St. Paul, 1646*, 729 S. 4., ein Buch, von dem
S.-Beuve 4, 415 sagt: ,,Es hatte die Wirkung, die Barcos' Schriften
gewöhnlich hatten: statt die Schwierigkeiten zu beseitigen, vergrös-
serte es sie. Nicole fand es voll Paralogismen oder falscher Rai-
sonneraents.^^ Endlich schrieb er auch noch eine Epistola ad Inno-
centium X. de suprema Ecclesiae Rom. amplitudine, und Eclair-
cissements de quelques objections contre la Grandeur etc. — Als
Bourgeois in Rom ankam, hatte die Inquisition bereits 6. April 1645
die Verdammung der ersten Schrift von Barcos beschlossen (Racine
12, 55). Bourgeois bemühte sich die Verdammung rückgängig zu
machen (Arn. 28, 707). Card, de Lugo gab zu, der fragliche Satz
verdiene keine theologische Gensur; aber Card. Spada und Albizzi
machten geltend, er öffne dem Schisma die Thüre, da man an die
Wahl von zwei Päpsten als Nachfolgern von Petrus und Paulus
denken könnte. Das Decret von 1645 wurde nicht publicirt; aber
nach dem Erscheinen der zweiten Schrift von Barcos wurde die
Sache nochmals in der Inq. verhandelt, und nach Bourgeois' Ab-
reise wurde 25. Jan. 1647, am Tage der Bekehrung Pauli, ein De-
cret von Fer. V. 24. Jan. 1647 (Alex. No. 52) publicirt, worin es
heisst: Die beiden französischen Schriften und der lateinische Brief,
in welchem viele Stellen von Vätern, Päpsten, Concilien und Doc-
toren gesammelt seien, seien auf Befehl des Papstes geprüft und
die angeführten Stellen sorgfältig eingesehen und erwogen worden;
darauf habe der Papst den Satz: S. Petrus et S. Paulus sunt duo
Ecclesiae principes, qui unicum efficiunt, vel sunt duo Eccl. cath.
coryphaei ac supremi duces summa inter se unitate conjuncti, vel
sunt geminus universalis Eccl. vertex, qui in unum divinissime coa-
luerunt, vel sunt duo Ecclesiae summi pastores ac praesides, qui
unicum caput constituunt, — wenn er so gedeutet werde, dass da-
mit eine völlige Gleichheit (omnimoda aequalitas) zwischen Petrus
und Paulus ohne Subordination des letztern unter den erstem
bezüglich der höchsten Gewalt und Leitung der Gesammtkirche
452 Amiaulds Buch über die Communion.
statoirt werde, — für ketzerisch erklärt und den Brief und die beiden
Schriften und alle anderen Schriften durchaus verboten, in denen
der Satz in dem oben angegebenen und verdammten Sinne behauptet
und vertheidigt werde, mögen sie in was immer für einer Sprache
gedruckt sein oder in Zukunft gedruckt oder auch nur handschrift-
lich verbreitet werden. Die Epistola ad Innocentium X. ist, weil
ihr Titel in dem Decrete nicht angegeben wird, nicht in den Index
gekommen.
Hon. Fabri (Stubrockius p. 250) sagt 1659: „Die Jesuiten be-
haupten in der That, Arnaulds Buch sei vom h. Stuhle verdammt
worden; denn da Innocenz X. 1647 alle Bücher, welche die Meinung
von dem doppelten Haupte der Kirche enthalten, verdammt hat, A.'s
Buch aber diese Behauptung enthält, so ist es unzweifelhaft als
verdammt anzusehen.'^ Nach dem Gesagten ist weder das ganze
Buch noch die Vorrede der Fr6q. Comra. vom h. Stuhle verdammt,
nicht einmal die Streichung des betreffenden Satzes und auch von
A. keine Retractation desselben verlangt worden, wie er selbst 1675
hervorhob, als in einer Denunciation gegen ihn bei dem Statthalter
der Niederlande behauptet wurde, er sei wegen dieses Satzes für
einen Ketzer erklärt und genöthigt worden, diese Ketzerei zu re-
tractiren (Am. 11, 845).
Dass man in Eom die in dem Decrete von 1647 verdammte
Ketzerei als eine sehr gefährliche ansah, sieht man daraus, dass
viele Widerlegungen derselben erschienen, — Th. Raynaud schrieb,
vom Papste durch Card. Sforza aufgefordert, De bicipiti Ecclesia,
in Amaudi capite nata, Fontificis gladio minuta (Apop. p. 69), —
dass sich de Marca durch eine Streitschrift dagegen in Rom zu re-
habilitiren suchte (S. 367), und dass 1663 eine von dem protestan-
tischen Theologen Jo. Henr. Ott veröffentlichte Epitome tractatus
.gallicani, cui titulus: La grandeur etc., Bas. 1657, verb. wurde.
Der Fariser Nuncius Hess das Decret vom 24. Jan. 1647 mit
Erlaubniss des Kanzlers mit einer Art von Mandement als Decretum
S. D. N. Innocentii X. drucken und übersandte es den franzö-
sischen Bischöfen. Ein dagegen erschienenes Schriftchen wurde auf
Betreiben der Jesuiten von dem Kanzler verboten. Das Parlament
genehmigte 6. Mai dieses Verbot; zwei Tage später brachte aber
der Generalprocurator Omer Talon auch die Fublication des Nun-
cius zur Sprache: in Frankreich werde die Autorität des Papstes,
aber nicht die der Römischen Congregationen anerkannt; hier handle
es sich aber nicht um eine päpstliche Bulle, sondern um ein Decret
der Inquisition, und wenn man ein solches anerkenne, erkenne man
auch die Inq. an; der Nuncius bezeichne sich ganz unbefugter
Weise als Nuncius nicht nur bei dem Könige, sondern auch im
Königreich Frankreich und sage in seinem Mandement, er habe das
Decret den Bischöfen seines Nunciaturbezirkes übersandt, als ob
er Jurisdiction über ein bestimmtes Gebiet habe. Talon beantragte
demgemäss die Confiscation und das Verbot des Deoretes, und ob-
schon der Nuncius sich entschuldigte, beschloss das Parlament
15. Mai 1647 diesem Antrage gemäss (M^m. d'O. Talon p. 190).
J. H. OUius. J. Pichon. 458
3. Ueber die oftmalige Communion wurde aus Anlass von
Missbräuchen in Spanien 1677 von der Congregatio Concilii Trid.
verhandelt (A. J. P. 7, 781) und von dieser schliesslich ein Decret
vom 12. Febr. 1679 veröffentlicht, worin u. a. die Behauptung,
die tägliche Communion sei de jure divino, verworfen wird (Const.
p. 144).
Das jesuitische Gegenstück zu Arnaulds Buch, L^esprit de
Jesus-Christ et de l'Eglise sur la fr^quente communion, par le P.
Jean Pichon de la Comp, de Jdsus, Paris 1745/ 528 S. 12., ist
von dem Provincial approbirt und der zu Nancy wohnenden Königin
von Polen, Maria Leszczynska, bei welcher Pichon in Ansehen
stand, gewidmet. Selbst Hurter 2, 1475 gibt zu, er sei bei dem
Eifer in der Bekämpfung der Jansenisten in das entgegengesetzte
Extrem gefallen. Er stellt die oftmalige, ja tägliche Communion
als eine Verpflichtung dar, die nur für diejenigen nicht bestehe,
welche nicht im Stande der Gnade seien. „Alle Sünder, die ein ver-
ständiger Beichtvater losgesprochen hat, sind disponirt zu commu-
niciren. Wenn nicht eine Todsünde im Wege steht, bewirkt dieses
Sacrament durch seine eigene Kraft eine Gnade, welche die un-
ordentlichen Neigungen besiegt, ähnlich wie die Taufe bei den
Kindern wirkt ohne eine weitere Disposition auf ihrer Seite. Die
oftmalige Communion ist das leichteste Heilsmittel, ja für die meisten
Menschen das einzige, dessen sie sich bedienen können. Denn
inniges und anhaltendes Gebet, Almosen, Fasten, eifrige Arbeit,
das Fliehen der Weltfreuden sind für viele nicht möglich. Die
oftmalige Communion ist auch die heilsamste und für Weltleute
leichteste Busse'' (die öffentliche Kirchenbusse dagegen nennt er une
pänitence de cer^monie) u. s. w. Zur Begründung dieser Sätze
citirt Pichon nicht nur die im Index stehenden Schriften von Molinos
und Falconi, sondern auch unechte Briefe des Ignatius, pseudo-
isidorische Decretalen und verstümmelte Stellen von Kirchenvätern ^).
— 1747 wurde das Buch von mehreren französischen Bischöfen in
scharfen Hirtenbriefen verboten. Pichon unterzeichnete dann 24. Jan.
1748 zu Strassburg folgende Erklärung: Bald nach dem Erscheinen
seines Buches hätten seine Oberen dasselbe missbilligt und den Verkauf
desselben verboten ; mehrere Bischöfe und Theologen hätten Bemer-
kungen darüber gemacht ; er habe alles Anstössige in einer 2. Auf-
lage beseitigt; diese sei seit August 1747 fertig, der Druck der-
1) Eine gute Zusammenstellung der bedenklichen Stellen von dem
Erzbischof Languet von Sens ist dem Hirtenbriefe des Erzbischofs von
Lyon» Card, de Tencin angehängt. Unter den anderen Hirtenbriefen, die
zusammengebunden einen stattlichen Quartband ausmachen, sind die von
dem Oratorianer de la Borde verfassten der Bischöfe Fitz-James von
Soissons und Bazin de Becons von Carcassone und die des Erzbischofs
de Rastignac von Tours und der Bischöfe de Caylus von Auxerre und
Montgaillard von St. Pons die eingehendsten. Vgl. N. E. 1747, 29. Der
Bischof von Auxerre vertheidigt auch ausführlich Arnaulds Buch. Pichons
Retractation ist mehreren Hirtenbriefen beigedruckt.
454 Arnaulds Buch über die Communion.
selben aber durch Uiiißtände verzögert worden; die 1745 erschienene
Ausgabe retractire und verdamme er. Noch 1747 war, doch schwer-
lich gegen Pichons und seiner Oberen Willen, in Lüttich die 1.
Ausgabe nachgedruckt worden; eine corrigirte Ausgabe ist nicht er-
schienen, — mit der Aenderung einzelner Stellen war ja hier auch
nicht zu helfen. Die Zahl der Bischöfe die das Buch verboten
oder die früher ertheilte Approbation ausdrücklich zurücknahmen,
stieg im J. 1748 auf mehr als 20, und 13. Aug. 1748 und noch-
mals 11. Sept. 1750 wurde es auch in Rom verb. Auch die Mi-
moires de Trevoux, die das Buch im Oct. 1745 gelobt, zogen sich
im März 1748 zurück. — Die Bischöfe, welche gegen Pichon auf-
traten, waren nicht alle Gegner der Jesuiten; der erste, der das
Buch öffentlich tadelte, war der Erzb. Languet von Sens^). Mehr
noch als das Buch selbst und die sehr erklärlichen Angriffe der
„Jansenisten^ auf Pichon und le Pichonisme haben der Reputation
der Jesuiten die anonymen Broschüren geschadet, in denen sie Pichon
zu entschuldigen und dessen Gegner zu discreditiren suchten (N. £.
1748, 57. 89. 113. 115j. In Spanien wurde Pichons Buch erst
1777 verb.
4. In der Vorrede der Fr6q. Comm. spricht Arnauld von einer
Pfarrei in der Diöcese Sens, wo die alte Praxis der öffentlichen
Eirchenbusse noch bestehe (es war St. Maurice, wo du Hamel, ein
Schüler Saint Cyrans Pfarrer war). Anderswo (9, 292) hebt er
hervor, dass die öffentliche Busse für öffentliche und Aergemiss
gebende Sünden von dem Trienter Concil, dem h. Carl Borromäus,
dessen Mailänder und anderen Synoden empfohlen worden, und er-
wähnt, dass sie in mehreren französischen Diöcesen wieder einge-
führt werde. Dieses geschah in mehr oder minder grosser Aus-
dehnung von dem Erzbischof de Gondrin von Sens und den Bischöfen
Buzenval von Beauvais, Pavillon von Aleth (in dem Rituel d'Aleth),
später (1699) von B. Colbert von Montpellier. Von den Jesuiten
und ihren Freunden wurde dieses als Jansenismus und Rigorismus
bekämpft (Arn. 25, 274). Als der Jesuit Menestrier 1672 in einer
Predigt gesagt hatte, die Kirche habe die öffentliche Busse abge-
schafft und sehe sie jetzt als Pharisäismus an, veröffentlichte der
General vicar des Erzbischofs von Sens, Alex. Varet (nach dem
Tode des Erzbischofs zog er sich nach Port-Royal zurück, f 1675)
Defense de la discipline qui s^observe dans le dioc^se de Sens
touchant Timposition de la p^nitence publique pour les p&chez
publics, imprimie par Tordre de TArcheveque [und mit Approbation
von 9 anderen Bischöfen], Sens 1673*, 8. Die Schrift wurde, —
doch mit Weglassung des imprim^e etc., — 1679 von der Index-
Congr. verb. Arnauld (9, 292) sagt, man habe sich bei Innocenz XI.
über dieses Verbot beklagt und der Papst habe eingestanden, das-
selbe sei eine Uebereilung gewesen, und Abhülfe versprochen; die
1) Pichon wurde übrigens von dem Bischof von Sitten zum Gene-
ralvicar ernannt, f 1751.
Rituel d'Aleth. 455
Sache sei aber in Vergessenheit gerathen. An eine Zurücknahme
des Verbots hat man in Rom schwerlich gedacht; 1684 wurde viel-
mehr eine ähnliche Schrift verb.: Defense de la discipline qui
s'observe dans plusienrs dioc^ses de France, touchant Timposition
. . ., Sens 1677 (wohl eine neue Ausgabe der Schrift von Varet).
5. Von dem Rituel Romain du Pape Paul V. a Tusage du
dioc^se d^Alet, avec les instructions et les rubriques en frangais,
heisst es in dem Breve Clemens IX. vom 9. Apr. 1668 (Arg. III b
835): es enthalte nicht nur einiges, was dem von Paul V. heraus-
gegebenen Rituale fremd sei, — was ja nicht verboten war (S. 218),
— sondern auch (in den Instructions) Lehren und Sätze, die falsch,
Singular, in der Praxis gefährlich, irrig, der in der Kirche recipirten
Gewohnheit und den kirchlichen Verordnungen zuwider seien, durch
deren Leetüre und Anwendung die Christgläubigen allmählich zu
schon verdammten Irrthümern verleitet und mit schlechten Mei-
nungen angesteckt werden könnten ; demgemäss werde es motu
proprio . . . kraft apostolischer Autorität verdammt und das Lesen,
Behalten und Gebrauchen desselben bei Strafe der reservirten Excomm.
1. sent verboten; die Exemplare seien den Ortsbischöfen oder Inqui-
sitoren, von den Angehörigen der Diöcese Aleth dem Erzbischof
oder einem benachbarten Bischof abzuliefern und von diesen unver-
züglich zu verbrennen.
Gueranger, Inst. lit. 2, 60 (Coli. Lacensis 1, 816) sagt zur
Erklärung dieses Breves : „Der Bischof hatte gewagt, in das Ri-
tuale mehrere der Maximen von Saint Cyran und Arnauld über den
Empfang der Sacramente ... an hundert Stellen einfliessen zu
lasssn, obschon man sich mit der grössten Sorgfalt bemüht hatte,
nicht zu starke Ausdrücke anzuwenden, um nicht bei dem h. Stuhle
anzustossen, der schon das Buch Arnaulds über die häufige Commu-
nion verdammt (foudroy^) hatte" (s. o.). — Der Hauptgrund des
Vorgehens des Papstes war ohne Zweifel nicht die, wie Gueranger
selbst zugibt, sehr massvolle Anlehnung an die „Jansenistischen"
Pastoralgrundsätze, sondern die oppositionelle Stellung des Bischofs
gegen die Bulle Alexanders VII., wovon § 52 die Rede sein wird.
Nach der einige Monate später erfolgten Aussöhnung des Bischofs
mit Rom und vollends nachdem er 1677 für seine Haltung in dem
Regalienstreite (§ 59) von Innocenz XI. belobt worden, würde das
Breve wohl nicht mehr erlassen worden sein. Scandalös ist es
aber, dass, während, wie Arnauld (4, 130) hervorhebt, die unsitt-
lichen casuistischen Bücher von Amadaeus Guimenius u. a. einfach
in den Index gesetzt wurden, hier in feierlicher Weise durch ein
besonderes Breve ein von einem frommen Bischof herausgegebenes
Buch, dem man höchstens eine zu strenge Moral vorwerfen konnte,
zum Feuer verdammt wurde. — Der Bischof schaflFte das Rituale
nicht nur nicht ab, sondern veröffentlichte im Juli 1668 eine Lettre
pastorale contre leBref qui condamne le RitueP), worin er sagt: das
1) abgedr. in Vie de M. Pavillon, eveque d'Alet, Saint Miel 1738*,
456 Rituel d^Aleth.
päpstliche Decret habe in Frankreich keine Geltung und sei unge-
recht ; er hätte doch wohl erwarten dürfen, dasß der Papst ihn vor
der Verdammung erinnert und gehört hätte; es sei nur zu wahr,
dass man in Rom Bücher aus politischen Rücksichten verdamme
u. 8. w. Pavillon schrieb unmittelbar vor seinem Tode (t 8. öec.
1677) an Innocenz XL einen Brief, der in sehr devoten Ausdrücken
ahgefasst ist, aber keine Unterwerfung enthält (Avr. 3, 66).
Das Breve wurde in Frankreich nicht publicirt. 1669 traten
einige Bischöfe und Theologen mit Vorwissen des Königs bei dem
Bischof von Chalons zusammen, machten einige unbedeutende Aen-
derungen an dem Rituale, welche Bischof Pavillon hilligte, und 1677*
erschien eine neue (dritte) Ausgabe desselben mit der Approbation
von 29 Bischöfen. Abb6 Pontch&teau, der in Sachen des Regalien-
streites als Abgesandter Pavillons in Rom war, überreichte Inno-
cenz XI. die neue Ausgabe und hoffte, eine Zurücknahme des Ver-
botes erwirken zu können, — der Papst sagte 1686 dem Card.
Rospigliosi, das Rituale sei troppo aspramente verdammt worden.
Diese Hoffnung war allerdings eitel; aber man hestand nicht auf
der Publication des Breves und weder die neue Ausgabe noch die
Lettre pastorale wurde verboten ^). — In einem Berichte über die „Un-
ordnungen in Flandern," der 1675 nach Rom gesandt wurde (Laem-
mer, Mel. p. 397), heisst es: das Rituale sei auch in Löwen ge-
druckt worden, mit einer Approbation des erzbischöflichen Censors,
worin die Verdammung als ungerecht bezeichnet werde; diese Aus-
gabe sei allerdings nachträglich confiscirt worden, aber eine angeh-
lich zu Paris gedruckte werde viel gekauft.
Das Rituel d'Aleth wurde nach dem Tode Pavillons noch ein-
mal Gegenstand einer lebhaften Controverse zwischen zwei franzö-
sischen Bischöfen. Der Bischof de Vintimille von Toulon (später
Erzbischof von Paris) verbot durch eine Ordonnanz vom 18. Febr.
1678 das Rituel, das N. T. von Mons, L'office von I. Le Maitre
de Sacy, Le miroir von Gerheron und — Le moine secularise. Der
Bischof Persin de Montgaillard von St. Pons veröffentlichte darauf
eine Lettre k M. Teveque de Toulon sur le rituel d'Alet, und es
folgten von beiden Seiten noch mehrere Streitschriften. In Rom
hat man davon aber keine Notiz genommen^).
vol. 3, p. 381—419. (Das Buch ist zu Chartres gedruckt und von dem
Pariser Dr. Ant. de la Chassaigne de Chateaudun verfasst. Der ganze
8. Band handelt von der Affairc du Rituel). Beigefügt ist p. 420 die Appro-
bation der Bischöfe. Vgl. ü. N. 1705, 755.
1) Arn. 4, 157 ; 9, 289 ; 35, XXV. Michaud 4, 286.
2) Recueil de ce qui s'est passe entre Mess. les eveques de Saint
Pons et de Toulon au sujet du rituel d'Alet; Suite de ce qui etc. Lettre
d'un theologien ... au sujet du Rituel (gegen St. Pons); Eztrait fait par
M. l'ev. de St. Pons de plus de 26 faussetes ... et heresies . . . dans
la Seconde Lettre d'un theologien ... S. 1. et a.* (zusammen ein starker
Band in 12.). Vgl. A. J. P. 2, 2649. Michaud 4, 284.
Diu JanscniHtisüho Coutrovcrse. 457
52. Die Jansenistische Controverse, 1641 — 1669.
Der Augustinus des Cornelius Jansenius, Bischofs von
Ypern, welcher erst nach seinem Tode (0. Mai 1638) im J.
1641 erschien, wurde zuuächst sammt mehreren durch die Ver-
öffentlichung hervorgerufenen Streitschriften durch ein Decret
der Inquisition Fer. V. 1. Aug. 1641 wegen Verletzung der Ver-
ordnungen bezüglich der de auxiliis handelnden Schriften (8. 299)
verboten. Durch eine Bulle vom 6. März 1642 bestätigte Ur-
ban VIII. dieses Decret, verbot einige weitere Streitschriften
und motivirte das Verbot des Buches von Jansenius nun auch
damit, dass darin einige in den gegen M. Bajus erlassenen
Bullen (I S. 445) bereits verdammte Sätze enthalten seien. Die
Bemühungen der Löwener Theologen, eine Modificatiou oder
Erläuterung dieser Bulle zu erwirken, blieben erfolglos. In
Belgien wurde dieselbe erst 1651 publicirt, von einigen
Bischöfen mit Erläuterungen, die ihnen eine Vorladung vor die
Inquisition zuzogen.
In eine zweite Phase trat der Streit, als im J. 1651 85
französische Bischöfe in Rom die ausdrückliche Verdammung
von fünf aus dem Buche des Jansenius entnommenen Sätzen
(Propositiones) beantragten. Auf den von anderen Bischöfen
geäusserten Wunsch, es möge über diese Sätze, wenn man sie
überhaupt speciell prüfen wolle, in ähnlicher Weise wie über
die Frage de auxiliis contradictorisch verhandelt werden, wurde
nicht eingegangen. Die Sache wurde vielmehr einer besondern
aus vier Gardinälen bestehenden Gongregation überwiesen, welche
die Begutachtung der Sätze den 13 Theologen der Inquisition
auftrug und den von beiden Parteien nach Rom gesandten
französischen Theologen nur gestattete, sich mündlich oder
schriftlich über die Sache zu äussern. Durch eine Bulle vom
31. Mai 1653 verdammte danninnocenz X. die fünf Sätze. Durch
ein Decret der Inquisition von Fer. V. 23. April 1654, welches
Innocenz X. selbst in einem Breve vom 29. Sept. 1654 als eine
nothwendige Consequenz seiner Bulle bezeichnet, wurden dann
viele Schriften speciell und schliesslich überhaupt alle Schriften
verboten, in denen die in den fünf Sätzen verdammte Lehre
458 Die Jausenistische Controverse.
des Augustinus des C. Jansenius gebilligt oder vertheidigt werde.
Dieses allgemeine Verbot wurde 1657 von der Inquisition wieder-
holt und steht in den älteren Indices unter Libri, seit Benedict XIV.
in den Decr. gen. EI, 5.
In eine dritte Phase trat der Streit unter Alexander VIT.
(1655 — 67), sofern jetzt die Frage in den Vordergrund trat, ob
man auf Grund der Bulle von 1653 auch anerkennen müsse, dass
Jansenius wirklich die fünf Sätze in dem Sinne, in welchem
sie verdammt worden, gelehrt habe. Namentlich Arnauld
entwickelte 1655 die Ansicht: bezüglich der Quaestio juris, ob
die fünf Sätze irrig seien, sei der Bulle rückhaltlos zuzustimmen;
was aber die Quaestio facti angehe, ob die Sätze in diesem
irrigen Sinne in dem Buche des Jansenius vorgetragen würden,
könne eine innere Zustimmung erheischende kirchliche Ent-
scheidung nicht gegeben werden und genüge es, in dieser Be-
ziehung ein ehrfurchtsvolles Schweigen (silence respectueux) zu
beobachten. Diese Erklärung hatte zunächst Amaulds Aus-
stossung aus der Sorbonne zur Folge (und diese das Erscheinen
der Briefe von Pascal, § 53). Alexander VII. aber erklärte
in einer Bulle vom 10. Oct. 1656: die fünf Sätze seien aus
dem Buche des Jansenius entnommen und in dem von diesem
intendirten Sinne verdammt worden, womit indirect für den
Papst auch das Recht beansprucht wurde, bezüglich „dogmatischer
Thatsachen^ innere Zustimmung erheischende Erklärungen abzu-
geben, so dass nunmehr die Frage über den Umfang der kirch-
lichen bezw. päpstlichen Unfehlbarkeit die Hauptfrage wurde.
Um die Bulle von 1656 zur allgemeinen Geltung zu bringen,
verordnete Alexander VII. im Einverständniss mit Ludwig XTV.
in einer neuen Bulle vom 15. Febr. 1665, es solle von allen
Bischöfen, Geistlichen und Nonnen folgendes Formular unter-
schrieben werden:
Ich unterwerfe mich den Bullen Innocenz' X. vom 31. Mai
1653 und Alexanders VIT. vom 15. Oct. 1656 und verwerfe und
verdamme mit aufrichtigem Herzen die fünf aus dem Augustinus
des C. Jansenius entnommenen Sätze in dem von dem Verfasser
intendirten Sinne, wie sie der apostolische Stuhl durch die be-
sagten Bullen verdammt hat. So schwöre ich, so wahr mir Gt)tt
helfe und diese h. Evangelien Gottes.
Vier französische Bischöfe erliessen im Juni 1665 Mande-
C. Jansenius. 459
ments, worin sie erklärten, das Formular sei zu unterzeichnen
avec sonmission de foi vers le droit et de respect et de discipline
vers les faits contenus dans les constitutions ou buUes des papes.
Diese Hirtenbriefe wurden 18. Jan. 1667 von der Index-Congre-
gation verboten. Die Verhandlungen des Papstes mit der
französischen Regierung über ein weiteres Vorgehen gegen die
vier Bischöfe wurden durch den Tod Alexanders VII. (22. Mai
1667) unterbrochen. Unter seinem Nachfolger Clemens IX. (1667
— 69) kam es zu einem Ausgleich, der sog. Paix de C16ment IX. :
die vier Bischöfe unterzeichneten das Formular, nachdem sie
in einem ProtocoU ihrer Ueberzeugung in vorsichtiger Weise
Ausdruck gegeben, und richteten ein Schreiben an den Papst,
der sie darauf in einem Breve vom 19. Jan. 1669 dafür belobte,
dass sie das Formular aufrichtig unterschrieben und die fünf
Sätze ohne Vorbehalt in jedem Sinne, in welchem sie von dem
apostolischen Stuhle verdammt worden, verdammt hätten. —
In den nächsten Decennien wurde in Frankreich ziemlich allge-
mein die Unterzeichnung des Formulars mit dem von den vier
Bischöfen gemachten Vorbehalte als zulässig angesehen. So
trat der Jansenistische Streit in den Hintergrund, zumal nach-
dem unter Clemens X. (1670—76) der Regalienstreit und unter
Innocenz XI. (1676 — 89) die gallicanische und die quietistische
Controverse aufgetaucht waren.
Es kamen etwa 100 mit der in diesem Paragraphen darge-
stellten Controverse zusammenhangende Schriften und Schriftchen
in den Index, darunter etwa 20 vonArnauld. Im spanischen
Index von 1707 stehen die Verdammung des Buches des Jan-
senius und der fünf Sätze und das allgemeine Verbot der Schrif-
ten zu Gunsten derselben, aber nur wenige specielle Verbote.
Ton dem Index von 1747 wird später die Rede sein.
1. JaDsenius beauftragte mit der Veröffentlichung seines Au-
^stinus vor seinem Tode (6. Mai 1638) den Professor Liberias
Tromondns (Froidmond ) zu Löwen und den Canonicus Henr. Calenus
zu Hecheln. Das Buch wurde bei Jacob Zegers in Löwen gedruckt
tmd 1640 der Druck vollendet^). Die Jesuiten hatten sich durch
l) Ueber die hier in Betracht kommenden Schriften und Schrift-
stücke gibt am besten Auskunft die Histoire generale du Jansenisme,
460 Die Janscuistische Controverse.
einen Arbeiter des Druckers die Ansbängebogen verBcbalft (Cr^t.
Joly 4, 15) und maebten dem Interuuncius Stravius Mittbeilung.
Dieser scbrieb an den Card, ßarberini und erbielt die Weisung, sieb
für die Suspension der Veröffentlicbung zu bemüben, da Bücber de
auxiliis niebt obne Genebmigung der Inquisition gedruckt werden
dürften. Das Bucb wurde aber veröffentlicbt und Anfang 1641 aucb
in Paris mit Approbation von 5 Doctoren gedruckt (1643 auch in
Rouen). Der Jesuit Petrus Biverus (Vivero) scbrieb nun ein M e-
morial al Serenissimo Cardenal Infante de Espafia und einen Brief
AI Emin. y Rev. Seftor Cardenal de la Cueva de la Congregacion
de la S. Inquisicion (26. Jan. 1641), und die Jesuiten Ign. Der kenn is
und Jü. de Jongbe Hessen Tbeses tbeol. de gratia, libero arbitrio,
praedestinatione etc., in quibus doctrina tbeologorum Soc. J. contra
Com. Jansenii Augustinum defenditur, in sex capita divisae, drucken
(Antw. 1641*, 124 S. Fol.) und 22. März im Jesuiten-CoHegium
vertbeidigen. Der Drucker Jo. Zegers überreicbte nun dem Car-
dinal-Infanten eine (natürlicb von den Freunden des Jansenius ver-
fasste) Humilis et supplex querimonia adv. libellum R. P. [Biveri]
8. J., regiae capellae Bruxellensis concionatoris, et tbeses Patrum
S. J. Lovanii a. 1641, 12. Martii disputatas, von der bald nach
einander 3 Auflagen gedruckt wurden. Biverus scbrieb darauf ein
Memoriale ad Em. Card, de la Cueva circa querimoniam frivolam
Jansenianam . . ., 24 S. Fol.*. Die Löwener Theologen schrieben
dagegen Clypeus adv. tela R. P. Viveri und Spongia mendorftm R. P.
V. Die Löwener Jesuiten veröfl^entlicbten darauf Tbeses tbeol.
apologeticae et miscellaneae adv. doctrinam Corn. Jansenii propu-
gnatam ab ejus patronis sub praetextu typographi Lovaniensis (Antw.
1641*, 16 S. Fol.) und Biverus eine Epistola an die Doctores
Janseniani, beginnend: Ad rem, ad rem; quod nulla res est, pmnino
nihil est (1 Folioblatt*). Am 16. Juni veröffentlichten dann Fro-
mondus und Calenus eine Epistola, beginnend Tbeses vestras, worin
sie die Jesuiten auffordern, die Polemik einzustellen und dem h.
Stuhle die Entscheidung zu überlassen, worauf die Jesuiten mit einer
Epistola eximio ac admddum rev. D. Liberto Fromondo etc. ant-
worteten.
Durch ein Decret der Inq. von Fer. V. 1. Aug. 1641 (Alex.
No. 46) wurden die Löwener und die Pariser Ausgabe des Augu-
stinus und alle vorbin genannten Schriften (mit Ausnahme des Cly-
peus und der Spongia) und noch einige andere (s. u.) wegen Ver-
letzung der Verordnungen von 1611 und 1625 bezüglich der de
auxiliis handelnden Schriften bei Strafe der Excomm. 1. sent. verboten.
Zugleich wurden in diesem Decrete unter Androhung der reservirten
Excomm. 1. sent. und anderer, aucb körperlicher Strafen jene Verord-
nungen eingeschärft, mit dem Zusätze: es dürfe auch nicht unter
dem Vorwande einer philosophischen Erörterung de concursu causae
Amst. 1700, 3 vol. 12. (von Gerberon; im Texte mit Gerb, citirt). Vgl.
Racine vol. 11 und S.-Beuve 2, 92 (1, 521).
Loewener Streitschriften, 1641. 461
primae cum secunda, and namentlich nicht unter dem Verwände der
Yertheidigung oder Bekämpfung des Buches des Jansenins oder der
Thesen der Jesuiten^) oder anderer in diesem Decrete verbotener
Schriften irgend etwas über die materia auxiliorum divinorum oder
über Gnade und Willensfreiheit veröffentlicht werden; auch dürfe
dagegen nicht geltend gemacht werden, dass die Decrete von 1611
und 1625 in einer Provinz nicht publicirt oder recipirt seien. —
Die Schriften, welche ausser den genannten in diesem Decrete ver-
boten wurden, sind : Cornelii Jansenii Iprensis episcopi laudatio fane-
ralis dicta a K. Fr. Jo. a Lapide, die bei dem Anniversarium für
Jansenins 4. Mai 1640 gehaltene und zu Löwen gedruckte Rede eines
Praemonstratensers, — Augustini Hipponensis et Augustini Ipren-
sis de Deo omnes salvari volente et Christo redimente homologia
per thcses antiapologeticas expressa et Lovanii loco per Jac. Zegers
designando propugnanda, quando adversariis videbitnr, Lov. 1641
(nach Gerb. 1,26 von Jo. Sinnich); Somnium Hipponense sive Ju-
dicium Augustini de contro versus theologicis hodiernis, relatore
Philetymo 8. T. Baccalaureo formato, Par. 1641 (nach Gerb. 1, 27
•von Stockmans, nach Paquot 1, 15 u. a. von Fromond).
Das Conseil de Brabant verbot die Publication des Inquisitions-
decretes und das Conseil du Roi erklärte es für unverbindlich, so
lange es nicht das Placet erhalten. Die Löwener Professoren Hessen
eine Attestatio notarialis (des Notars der Universität, Peter
Hintaert) quod neque decretum S. D. Urbani VIII. neque Pauli V.
Lovanii sit publicatum, drucken und ein NeiFe des Com. Jansenius,
Jean Jansenius, Canonicus zu Furnes, ein Memorial au Roy, worin
er sich über das Decret der Inq. beschwert und dem er eine von
dem Universitätsnotar beglaubigte Sammlung von Testimonia
eruditorum virorum celebrantia librum cui tit. Com. Jansenii . . .
Augustinus beigefügt hatte. Das Somnium Hipponense erschien
nochmals unter dem Titel: Conveutus africanus s. disceptatio judi-
cialis apud tribunal praesnlis Augustini inter veteris et novitiae
theologiae patronos, enarratore Artemidoro Oneirocritico, Ronen
1641, und Fromondus veröffentlichte unter seinem Namen Brevis
anatomia hominis, naturam ejus talem repraesentans, qualem S. Aug.
olim nobis descripsit, Lov. 1641, 4.
Nunmehr erliess Urban VIII. die Bulle In eminenti vom 6.
März 1642, worin das Inquisitionsdecret ausdrücklich bestätigt wird
und auch die eben genannten Schriften verboten werden. Ferner
heisst es darin: bei einer sorgfältigen und reiflichen Prüfung des
Buches von Jansenins habe sich postmodum (nach der Publication
des Inquisitionsdecretes) herausgestellt, dass darin viele von Pius V.
und Gregor XIII. (in den Bullen gegen M. Bajus) bereits verdammte
1) Cantü, Storia degli Italiani 6, 67 sagt: im Index von 1744 würden
verb. libri omnes . . . tarn contra quam pro Com. Jansenio et Patribus
Jesuitis, und scheint zu meinen, das sei ein damals erlassenes Verbot. Ks
steht wörtlich so schon bei Alex.
462 Die Jansen isiische Controverse.
Sätze enthalten seien und zum grossen Aergerniss für die Katho-
liken und mit Missachtung der Autorität des h. Stahles gegen diese
Verdammungen vertheidigt würden; darum würden die Ballen der
genannten Päpste bestätigt und das Buch des Jansenius, welches die
darin verdammten Meinungen erneuere, sammt den anderen Schriften
verboten. Diese Bulle wurde auffallender Weise erst 19. Juni 1643
in Rom angeheftet (Gerb. 1,49. 67). Einige Verwirrung erregte
es, dass sie, wie das bei Bullen üblich war, anno incamationis
millesimo sexcentesimo quadragesimo primo, pridie nonas Martii
(das Jahr mit dem 25. März beginnend) datirt war (die Balle steht
sogar noch bei Alex. No. 45 vor dem Decrete vom 1. Aug. 1641).
Die Bulle wurde mit einem königlichen Schreiben vom 27.
Nov. 1643 der Sorbonne übersandt. Diese erklärte, sie nehme die
Doctrin der Bulle an, wahre sich aber ihr altes Recht, über alle
Theile der Lehre des Magister Sententiarum , auch de aaxiliis zu
disputiren und zu schreiben. Der Nuncins Grimaldi sagte einer
Deputation der Facultät, es sei nur verboten, die verdammten Sätse
zu lehren (Arg. III a 49. 52). Die Sorbonne untersagte aber 1. Oct.
den Doctoren die Approbation von Büchern für and gegen Jansenius
(Boileau, Joxi/namfig p. 91). Erzbischof Gondi von Paris publicirte
die Bulle 11. Dec. 1643, — sie wurde auch von anderen, nicht von
allen französischen Bischöfen publicirt, — und wiederholte dabei
das schon 4. März erlassene Verbot, die betreffende Controverse auf
die Kanzel zu bringen (Arg. III b 246). Gondi hatte auf Betreiben
der Jesuiten in einem Mandement vom 27. Jan. 1643 auch verboten:
Theologie familiäre ou Instruction de ce que le chr6tien doit croire
et faire en cette vie pour etre sauve, par M.Jean du Vergier de
Hauranne, abb6 de Saint Cyran. St. Cyran hatte diesen kleinen
Catechismus auf die Bitte des Generaladvocaten Bignon für dessen
Kinder geschrieben; er wurde von seinen Freunden mit einer vom
1. Oct. 1642 datirten Approbation von 5 Doctoren herausgegeben
und erschien im Jan. 1643 kurz vor St. Cyrans Entlassung aas der
Haft. Arnauld und seine Freunde bestimmten den Erzbischof, sein
Mandement kurz vor der Publication durch ein anderes zu ersetzen
(Arn. 29, 588. S.-Beuve 2, 200). In Rom wurden 1654 alle Aas-
gaben des Schriftchens verboten (1693 erschien die 13. Ed.).
Von den 1643 ff. in Paris erschienenen Streitschriften sind
(weil sie später in den Index kamen) folgende zu erwähnen:
Apologie de M. Jansenius ev. d'Ypre et de la doctrine de St. Au-
gustin expliqu^e dans son livre intitule Augustinus contre trois ser-
mons de M. Habert, theologal de Paris, P. 1644, — gegen drei
Predigten, die Isaac Habert am 1. und 4. Adventssonntag 1642 und
im Sept. 1643 gehalten, auf Veranlassung Saint Cyrans (f 11. Oct.
1643) von Arnauld geschrieben. Gegen Haberts Entgegnung, La
defense de la foy de TEgl. et de Tancienne doctrine de Sorbonne
touchant les principaux points de la grace etc., 1644, schrieb Ar-
nauld Apologie seconde pour M. Jansenius . . . contre la reponse
que M. Habert . . . a faite a la premi^re Apologie, 1645 (Am. 16,
Balle TJrbans VIII. von 1642. 463
M); 17, 1)^). Im J. 1646 wurden dann, wahrscheinlicli von Habert,
) Sätze aus dem Augustinus zusammengestellt und nach Rom ge-
landt (abgedr. Gerb. 1, 186). Dagegen erschien zu Löwen 1646
Sxamen libelli, cui titulus est: Propositiones excerptae ex Au-
l^stino Rev. D. Cornelii Jansenii episc. Ipr. quae in speciem ex-
libentur Suae Sanctitati.
Die Löwener Universität opponirte mit Zustimmung mehrerer
lelgischer Bischöfe längere Zeit gegen die Bulle von 1642. Im J.
1643 schickte sie im Einverständniss mit dem Erzbischof Jacob
)aonen von Mecheln und dem Bischof Anton Triest von Gent den
Pheologen Jo. Sinnich und den Canonisten Cornelius Papius (de
?aep, Oratorianer) nach Rom, um, wenn nicht eine Zurücknahme,
loch eine Erläuterung resp. Modification der Bulle zu erwirken.
^iese erreichten natürlich nichts; nur wurde ihnen, da sie auch
larauf aufmerksam gemacht, dass die Abschriften und Abdrücke der
3alle nicht genau mit einander übereinstimmten, 29. Juli 1644 eine
»eglaubigte Abschrift derselben sammt einem Decrete der Inq. von
?*er. V. 16. Juni 1644 eingehändigt, welches bezüglich aller die
Jnlle betreffenden Zweifel, Schwierigkeiten und Klagen für immer
idiweigen gebot (abgedr. Const. p. 54). Die Denkschriften, welche
ie in Rom überreicht hatten, Hess Sinnich 1644 nach seiner Rück-
kehr (Papius starb in Rom 1644) drucken: Memoralia per depn-
atos academiae Lovan. exhibita Romae Summis Pontif. Urbano YIII.
>t Innocentio X. pro doctrina B. Augustini manutenenda . . .(16S.
L*), verb 1654^). — Von den in den nächstfolgenden Jahren in Belgien
irsohienenen Streitschriften kamen mehrere später, meist 1654, in
Leu Index. Der Prämonstratenser Macarius Semeomo schrieb gegen
Konferenzen, die der Jesuit W. Landsheer 1646 in Antwerpen ge-
lalten und in denen er Jansenius scharf angegriffen, anonym Col-
atio Antwerpiensis ad Petrum Aurelium und Novus Prosper ad
lovnm collatoreni, beide Lov. 1647. Fromond schrieb 1644 anonym
]!hrysippus s. de libero arbitrio epistola circularis ad philosophos
1) Es ist auffallend, dass Floren tii Conrii Peregrinus Hiericuntinus,
Paris 1641, weder jetzt noch später verboten wurde. Conry, Franciscaner,
ritnlarbischof von Tuara, f 1631 (Hurter 1, 497), hatte für das Schriftchen,
nreil es de auxiliis handelte, in Rom die Drudcerlaubniss nicht erhalten.
Die Ausgabe von 1641 ist von Arnauld besorgt, wahrscheinlich auch die
französische üebersetzung von 1645 (Arn. 10, LXXXVIII).
2) Bei St. Amour, Reo. p. 270 ist eine Erklärung abgedruckt, die
Sinnich 1647 eidlich vor einem Notar abgab: Urban VlII. habe ihm 26.
!^ov. 1643 gesagt: er habe durch seine Bulle nur die Bulle Pius' V. be-
stätigen, niemand mit Nennung seines Namens censuriren und der Lehre
des Augustinus nicht zu nahe treten wollen; auf die Einwendung: wie
denn der Name des Jansenius in die Bulle hineingekommen sei, habe er
gesagt, Sinnich solle mit Albizzi sprechen, der die Bulle entworfen habe.
Uass dieser gegen den Willen und ohne Vorwissen des Papstes den
Passus über Jansenius in die Bulle eingeschoben, ist viel weniger wahr-
scheinlich, als dass Sinnich Urban YIII. missverstanden oder dieser nicht
ganz die Wahrheit gesagt.
454 Arnaulds Buch über die Communion.
«elben aber durch Umstände verzögert worden; die 1745 erschienene
Ausgabe retractire und verdamme er. Noch 1747 war, doch schwer-
lich gegen Pichons und seiner Oberen Willen, in Lüttich die 1.
Ausgabe nachgedruckt worden; eine corrigirte Ausgabe ist nicht er-
schienen, — mit der Aenderung einzelner Stellen war ja hier auch
nicht zu helfen. Die Zahl der Bischöfe die das Buch verboten
oder die früher ertheilte Approbation ausdrücklich zurücknahmen,
stieg im J. 1748 auf mehr als 20, und 13. Aug. 1748 und noch-
mals 11. Sept. 1750 wurde es auch in Rom verb. Auch die Me-
moires de Trevoux, die das Buch im Oct. 1745 gelobt, zogen sich
im März 1748 zurück. — Die Bischöfe, welche gegen Pichon auf-
traten, waren nicht alle Gegner der Jesuiten; der erste, der das
Buch öffentlich tadelte, war der Erzb. Languet von Sens^). Mehr
noch als das Buch selbst und die sehr erklärlichen Angriffe der
„Jansenisten^ auf Pichon und le Pichonisme haben der Reputation
der Jesuiten die anonymen Broschüren geschadet, in denen sie Pichon
zu entschuldigen und dessen Gegner zu discreditiren suchten (N. £.
1748, 57. 89. 113. 115j. In Spanien wurde Pichons Buch erst
1777 verb.
4. In der Vorrede der Fr6q. Comm. spricht Arnauld von einer
Pfarrei in der Diöcese Sens, wo die alte Praxis der öffentlichen
Kirchenbusse noch bestehe (es war St. Maurice, wo du Hamel, ein
Schüler Saint Cyrans Pfarrer war). Anderswo (9, 292) hebt er
hervor, dass die öffentliche Busse für öffentliche und Aergemiss
gebende Sünden von dem Trienter Concil, dem h. Carl Borromäus,
dessen Mailänder und anderen Synoden empfohlen worden, und er-
wähnt, dass sie in mehreren französischen Diöcesen wieder einge-
führt werde. Dieses geschah in mehr oder minder grosser Aus-
dehnung von dem Erzbischof de Gondrin von Sens und den Bischöfen
Buzenval von Beauvais, Pavillon von Aleth (in dem Rituel d'Aleth),
später (1699) von B. Colbert von Montpellier. Von den Jesuiten
und ihren Freunden wurde dieses als Jansenismus und Rigorismus
bekämpft (Am. 25, 274). Als der Jesuit Menestrier 1672 in einer
Predigt gesagt hatte, die Kirche habe die öffentliche Busse abge-
schafft und sehe sie jetzt als Pharisäismus an, veröffentlichte der
Generalvicar des Erzbischofs von Sens, Alex. Varet (nach dem
Tode des Erzbischofs zog er sich nach Port-Royal zurück, f 1675)
Defense de la discipline qui s^observe dans le dioc^se de Sens
touchant Timposition de la penitence publique pour les p&chez
publics, imprimee par Tordre de TArchiveque [und mit Approbation
von 9 anderen Bischöfen], Sens 1673*, 8. Die Schrift wurde, —
doch mit Weglassung des imprimee etc., — 1679 von der Index-
Congr. verb. Arnauld (9, 292) sagt, man habe sich bei Innocenz XI.
über dieses Verbot beklagt und der Papst habe eingestanden, das-
selbe sei eine Uebereilung gewesen, und Abhülfe versprochen; die
1) Pichon wurde übrigens von dem Bischof von Sitten zum Gene-
ralvicar ernannt, f 1751.
Riiuel d'Aleth. 455
Sache sei aber in Vergessenheit gerathen. An eine Zurücknahme
des Verbots hat man in Rom schwerlich gedacht; 1684 wurde viel-
mehr eine ähnliche Schrift verb.: Defense de la discipline qui
s^observe dans plusienrs dioceses de France, touchant Timposition
. . ., Sens 1677 (wohl eine neue Ausgabe der Schrift von Varet).
5. Von dem Rituel Romain du Pape Paul V. ä l'usage du
dioc^se d'Alet, avec les Instructions et les rubriques en frangais,
heisst es in dem Breve Clemens IX. vom 9. Apr. 1668 (Arg. III b
835): es enthalte nicht nur einiges, was dem von Paul V. heraus-
gegebeneu Rituale fremd sei, — was ja nicht verboten war (S. 218),
— sondern auch (in den Instructions) Lehren und Sätze, die falsch,
Singular, in der Praxis gefährlich, irrig, der in der Kirche recipirten
Gewohnheit und den kirchlichen Verordnungen zuwider seien, durch
deren Leetüre und Anwendung die Christgläubigen allmählich zu
schon verdammten Irrthümern verleitet und mit schlechten Mei-
nungen angesteckt werden könnten; demgemäss werde es motu
proprio . . . kraft apostolischer Autorität verdammt und das Lesen,
Behalten und Gebrauchen desselben bei Strafe der reservirten Excomm.
1. sent. verboten; die Exemplare seien den Ortsbischöfen oder Inqui-
sitoren, von den Angehörigen der Diöcese Aleth dem Erzbischof
oder einem benachbarten Bischof abzuliefern und von diesen unver-
züglich zu verbrennen.
Gueranger, Inst. lit. 2, 60 (Coli. Lacensis 1, 816) sagt zur
Erklärung dieses Breves : „Der Bischof hatte gewagt, in das Ri-
tuale mehrere der Maximen von Saint Cyran und Arnauld über den
Empfang der Sacramente ... an hundert Stellen einfliessen zu
iasssn, obschon man sich mit der grössten Sorgfalt bemüht hatte,
nicht zu starke Ausdrücke anzuwenden, um nicht bei dem h. Stuhle
anzustossen, der schon das Buch Arnaulds über die häufige Commu-
nion verdammt (foudroy^) hatte" (s. o.). — Der Hauptgrund des
Vorgehens des Papstes war ohne Zweifel nicht die, wie Gueranger
selbst zugibt, sehr massvolle Anlehnung an die „Jansenistischen"
Pastoralgrundsätze, sondern die oppositionelle Stellung des Bischofs
gegen die Bulle Alexanders VII., wovon § 52 die Rede sein wird.
Nach der einige Monate später erfolgten Aussöhnung des Bischofs
mit Rom und vollends nachdem er 1677 für seine Haltung in dem
Regalienstreite (§ 59) von Innocenz XI. belobt worden, würde das
Breve wohl nicht mehr erlassen worden sein. Scandalös ist es
aber, dass, während, wie Arnauld (4, 130) hervorhebt, die unsitt-
lichen casuistischen Bücher von Amadaeus Guimenius u. a. einfach
in den Index gesetzt wurden, hier in feierlicher Weise durch ein
besonderes Breve ein von einem frommen Bischof herausgegebenes
Buch, dem man höchstens eine zu strenge Moral vorwerfen konnte,
zum Feuer verdammt wurde. — Der Bischof schaffte das Rituale
nicht nur nicht ab, sondern veröffentlichte im Juli 1668 eine Lettre
pastorale contre leBref qui condamne le RitueP), worin er sagt: das
1) abgedr. in Vie de M. Pavillon, eveque d'Alet, Saint Miel 1738",
456 Rituel d'Aluth.
päpstliche Decret habe in Frankreich keine Geltung und sei unge-
recht ; er hätte doch wohl erwarten dürfen, dass der Papst ihn vor
der Verdammung erinnert und gehört hätte; es sei nur zu wahr,
dass man in Rom Bücher aus politischen Rücksichten verdamme
u. 8. w. Pavillon schrieb unmittelbar vor seinem Tode (t 8. Dec.
1677) an Innocenz XI. einen Brief, der in sehr devoten Ausdrücken
ahgefasßt ist, aber keine Unterwerfung enthält (Avr. 3, 66).
Das Breve wurde in Frankreich nicht publicirt. 1669 traten
einige Bischöfe und Theologen mit Vorwissen des Königs bei dem
Bischof von Chalons zusammen, machten einige unbedeutende Aen-
derungen an dem Rituale, welche Bischof Pavillon billigte, und 1677*
erschien eine neue (dritte) Ausgabe desselben mit der Approbation
von 29 Bischöfen. Abb6 Pontch&teau, der in Sachen des Regalien-
streites als Ahgesandter Pavillons in Rom war, überreichte Inno-
cenz XI. die neue Ausgabe und hoffte, eine Zurücknahme des Ver-
botes erwirken zu können, — der Papst sagte 1686 dem Card.
Rospigliosi, das Rituale sei troppo aspramente verdammt worden.
Diese Hoffnung war allerdings eitel; aber man bestand nicht auf
der Publication des Breves und weder die neue Ausgabe noch die
Lettre pastorale wurde verhoten^). — In einem Berichte über die „Un-
ordnungen in Flandern," der 1675 nach Rom gesandt wurde (Laem-
mer, Mel. p. 397), heisst es: das Rituale sei auch in Löwen ge-
druckt worden, mit einer Approbation des erzbischöflichen Censors,
worin die Verdammung als ungerecht bezeichnet werde; diese Aus-
gabe sei allerdings nachträglich confiscirt worden, aber eine angeh-
lich zu Paris gedruckte werde viel gekauft.
Das Rituel d'Aleth wurde nach dem Tode Pavillons noch ein-
mal Gegenstand einer lebhaften Controverse zwischen zwei franzö-
sischen Bischöfen. Der Bischof de Vintimille von Toulon (später
Erzbischof von Paris) verbot durch eine Ordonnanz vom 18. Febr.
1678 das Rituel, das N. T. von Mens, L'office von I. Le Maitre
de Sacy, Le miroir von Gerberon und — Le moine secularise. Der
Bischof Persin de Montgaillard von St. Pons veröffentlichte darauf
eine Lettre k M. r^veque de Toulon sur le rituel d'Alet, und es
folgten von beiden Seiten noch mehrere Streitschriften. In Rom
hat man davon aber keine Notiz genommen^).
vol. 3, p. 381—419. (Das Buch ist zu Chartres gedruckt und von dem
Pariser Dr. Ant. de la Chassaigne de Chateaudun verfasst. Der ganze
8. Band handelt von der Affaire du Rituel). Beigefügt ist p. 420 die Appro-
bation der Bischöfe. Vgl. ü. N. 1706, 765.
1) Arn. 4, 167; 9, 289; 35, XXV. Michaud 4, 286.
2) Recueil de ce qui s'est passe entre Mess. les eveques de Saint
Pons et de Toulon au sujet du rituel d'Alet; Suite de ce qui etc. Lettre
d'un theologien ... au sujet du Rituel (gegen St. Pons); Eztrait fait par
M. l'ev. de St. Pons de plus de 26 faussetes ... et heresies . . . dans
la Seconde Lettre d'un theologien ... S. 1. et a.* (zusammen ein starker
Band in 12.). Vgl. A. J. P. 2, 2649. Michaud 4, 284.
Die Jaiiscuibüsche Coutrovcrsc. 457
52. Die Jansenistische Controverse, 1641 — 1669.
Der Augustinas des Cornelius Jansenius, Bischofs von
Ypern, welcher erst nach seinem Tode (0. Mai 1638) im J.
1641 erschien, wurde zunächst sammt mehreren durch die Ver-
öffentlichung hervorgerufenen Streitschriften durch ein Decret
der Inquisition Fer. V. 1. Aug. 1641 wegen Verletzung der Ver-
ordnungen bezüglich der de auxiliis handelnden Schriften (8. 299)
verboten. Durch eine Bulle vom 6. März 1642 bestätigte Ur-
ban VIII. dieses Decret, verbot einige weitere Streitschriften
und motivirte das Verbot des Buches von Jansenius nun auch
damit, dass darin einige in den gegen M. Bajus erlassenen
Bullen (I S. 445) bereits verdammte Sätze enthalten seien. Die
Bemühungen der Löwener Theologen, eine Modification oder
Erläuterung dieser Bulle zu erwirken, blieben erfolglos. In
Belgien wurde dieselbe erst 1651 publicirt, von einigen
Bischöfen mit Erläuterungen, die ihnen eine Vorladung vor die
Inquisition zuzogen.
In eine zweite Phase trat der Streit, als im J. 1651 85
französische Bischöfe in Rom die ausdrückliche Verdammung
von fünf aus dem Buche des Jansenius entnommenen Sätzen
(Propositiones) beantragten. Auf den von anderen Bischöfen
geäusserten Wunsch, es möge über diese Sätze, wenn man sie
überhaupt speciell prüfen wolle, in ähnlicher Weise wie über
die Frage de auxiliis contradictorisch verhandelt werden, wurde
nicht eingegangen. Die Sache wurde vielmehr einer besondern
aus vier Gardinälen bestehenden Congregation überwiesen, welche
die Begutachtung der Sätze den 13 Theologen der Inquisition
auftrug und den von beiden Parteien nach Rom gesandten
französischen Theologen nur gestattete, sich mündlich oder
schriftlich über die Sache zu äussern. Durch eine Bulle vom
31. Mai 1653 verdammte danninnocenz X. die fünf Sätze. Durch
ein Decret der Inquisition von Fer. V. 23. April 1654, welches
Innocenz X. selbst in einem Breve vom 29. Sept. 1654 als eine
nothwendige Consequenz seiner Bulle bezeichnet, wurden dann
viele Schriften speciell und schliesslich überhaupt alle Schriften
verboten, in denen die in den fünf Sätzen verdammte Lehre
458 Die Jansen istische Controverse.
des AagU8tinu8 des C. Janseuius gebilligt oder vertheidigt werde.
Dieses aligemeine Verbot wurde 1657 von der Inquisition wieder-
holt und steht in den älteren Indices unter Libri, seit Benedict XIV.
in den Decr. gen. 11, 5.
In eine dritte Phase trat der Streit unter Alexander VII.
(1655 — 67), sofern jetzt die Frage in den Vordergrund trat, ob
man auf Grund der Bulle von 1653 auch anerkennen mttsse, dass
Jansenius wirklich die fünf Sätze in dem Sinne, in welchem
sie verdammt worden, gelehrt habe. Namentlich Amauld
entwickelte 1655 die Ansicht: bezüglich der Quaestio juris, ob
die fünf Sätze irrig seien, sei der Bulle rückhaltlos zuzustimmen;
was aber die Quaestio facti angehe, ob die Sätze in diesem
irrigen Sinne in dem Buche des Jansenius vorgetragen würden,
könne eine innere Zustimmung erheischende kirchliche Ent-
scheidung nicht gegeben werden und genüge es, in dieser Be-
ziehung ein ehrfurchtsvolles Schweigen (silence respectueux) zu
beobachten. Diese Erklärung hatte zunächst Arnaulds Aus-
stossung aus der Sorbonne zur Folge (und diese das Erscheinen
der Briefe von Pascal, § 53). Alexander VII. aber erklärte
in einer Bulle vom 10. Oct. 1656: die fünf Sätze seien aus
dem Buche des Jansenius entnommen und in dem von diesem
intendirten Sinne verdammt worden, womit indirect für den
Papst auch das Recht beansprucht wurde, bezüglich „dogmatischer
Thatsachen^ innere Zustimmung erheischende Erklärungen abzu-
geben, so dass nunmehr die Frage über den Umfang der kirch-
lichen bezw. päpstlichen Unfehlbarkeit die Hauptfrage wurde.
Um die Bulle von 1656 zur allgemeinen Geltung zu bringen,
verordnete Alexander VII. im Einverständniss mit Ludwig XTV.
in einer neuen Bulle vom 15. Febr. 1665, es solle von allen
Bischöfen, Geistlichen und Nonnen folgendes Formular unter-
schrieben werden:
Ich unterwerfe mich den Bullen Innocenz' X. vom 31. Mai
1653 und Alexandere VII. vom 15. Oct. 1656 und verwerfe und
verdamme mit aufrichtigem Herzen die fünf aus dem Augustinus
des C. Jansenius entnommenen Sätze in dem von dem Verfasser
intendirten Sinne, wie sie der apostolische Stuhl durch die be-
sagten Bullen verdammt bat. So schwöre ich, so wahr mir Grott
helfe und diese h. Evangelien Gottes.
Vier französische Bischöfe erliessen im Juni 1665 Mande-
C. Jansenius. 459
menis, worin sie erklärten, das Formular sei zu unterzeichnen
avec soumission de foi vers le droit et de respect et de discipline
vers les faits contenus dans les constitutions ou buUcs des papes.
Diese Hirtenbriefe wurden 18. Jan. 1667 von der Index-Congre-
gation verboten. Die Verhandlungen des Papstes mit der
französischen Regierung über ein weiteres Vorgehen gegen die
vier Bischöfe wurden durch den Tod Alexanders VU. (22. Mai
1667) unterbrochen. Unter seinem Nachfolger Clemens IX. (1667
— 69) kam es zu einem Ausgleich, der sog. Paix de Clement IX. :
die vier Bischöfe unterzeichneten das Formular, nachdem sie
in einem ProtocoU ihrer Ueberzeugung in vorsichtiger Weise
Ausdruck gegeben, und richteten ein Schreiben an den Papst,
der sie darauf in einem Breve vom 19. Jan. 1669 dafür belobte,
dass sie das Formular aufrichtig nnterschrieben und die fünf
Sätze ohne Vorbehalt in jedem Sinne, in welchem sie von dem
apostolischen Stuhle verdammt worden, verdammt hätten. —
In den nächsten Decennien wurde in Frankreich ziemlich allge-
mein die Unterzeichnung des Formulars mit dem von den vier
Bischöfen gemachten Vorbehalte als zulässig angesehen. So
trat der Jansenistische Streit in den Hintergrund, zumal nach-
dem unter Clemens X. (1670—76) der Regalienstreit und unter
Innocenz XI. (1676 — 89) die gallicanische und die quietistische
Controverse aufgetaucht waren.
Es kamen etwa 100 mit der in diesem Paragraphen darge-
stellten Controverse zusammenhangende Schriften und Schriftchen
in den Index, darunter etwa 20 vonArnauld. Im spanischen
Index von 1707 stehen die Verdammung des Buches des Jan-
senius und der tllnf Sätze und das allgemeine Verbot der Schrif-
ten zu Gunsten derselben, aber nur wenige specielle Verbote.
Von dem Index von 1747 wird später die Rede sein.
1. Jansenius beauftragte mit der VeröffeDtliobnng seines Au-
gustinus vor seinem Tode (6. Mai 1638) den Professor Libertns
Fromondus (Froidmond ) zu Löwen und den Canonicus Henr. Calenus
zu Mechebi. Das Buch wurde bei Jacob Zegers in Löwen gedruckt
und 1640 der Druck vollendet^). Die Jesuiten hatten sich durch
l) Ueber die hier in Betracht kommenden Schriften und Schrift-
stücke gibt am besten Auskunft die Histoire generale du Jansenisme,
460 Die Janscnistischc Controvcrse.
einen Arbeiter des Druckers die Aushängebogen versohaffl (Grit
Joly 4, 15) und machten dem Internuncius Stravius Mittheilttng.
Dieser schrieb an den Card. Barberini und erhielt die Weisung, sich
für die Suspension der Veröffentlichung zu bemühen, da Bücher de
anxiliis nicht ohne Genehmigung der Inquisition gedruckt werden
dürften. Das Buch wurde aber veröffentlicht und Anfang 1641 auch
in Paris mit Approbation von 5 Doctoren gedruckt (1643 auch in
Ronen). Der Jesuit Petrus Biverus (Vivero) schrieb nun ein Me-
morial al Serenissimo Cardenal Infante de Espafia und einen Brief
AI Emin. y ßev. Seftor Cardenal de la Cueva de la Gongregacion
de la S. Inquisicion (26. Jan. 1641), und die Jesuiten Ign. Derkennis
und Jo. de Jonghe Hessen Theses theol. de gratia, libero arbitrio,
praedestinatione etc., in quibus doctrina theologorum Soc. J. contra
Com. Jansenii Augustinum defenditur, in sex capita divisae, drucken
(Antw. 1641 ♦, 124 S. Fol.) und 22. iMärz im Jesuiten-Collegiura
vertheidigen. Der Drucker Jo. Zegers überreichte nun dem Car-
dinaMnfanten eine (natürlich von den Freunden des Jansenius ver-
fasste) Humilis et supplex querimonia adv. libellum R. P. [Biveri]
S. J., regiae capellae Bruxellensis concionatoris, et theeee Patrum
S. J. Lovanii a. 1641, 12. Martii disputatas, von der bald nach
einander 3 Auflagen gedruckt wurden. Biverus schrieb darauf ein
Memoriale ad Em. Card, de la Cueva circa querimoniam frivolam
Jansenianam . . ., 24 S. Fol.*. Die Löwener Theologen schrieben
dagegen Glypeus adv. tela R. P. Viveri und Spongia mendorftm R. P.
V. Die Löwener Jesuiten veröffentlichten darauf Theses theol.
apologeticae et miecellaneae adv. doctrinam Com. Jansenii propu-
gnatam ab ejus patronis sub praetextu typographi Lovanieneie (Antw.
1641*, 16 S. Fol.) und Biverus eine Epistola an die Doctore»
Janseniani, beginnend: Ad rem, ad rem; quod nulla res est, pmninc^
nihil est (l Folioblatt*). Am 16. Juni veröffentlichten dann Fro^
mondus und Calenus eine Epistola, beginnend Theses vestras, worin^
sie die Jesuiten auffordern, die Polemik einzustellen und dem h..^
Stuhle die Entscheidung zu überlassen, worauf die Jesuiten mit einer
Epistola eximio ac adniödum rev. D. Liberto Fromondo etc. ant
werteten.
Durch ein Decret der Inq. von Fer. V. 1. Aug. 1641 (Alex.
No. 46) wurden die Löwener und die Pariser Ausgabe des Augu-
stinus und alle vorhin genannten Schriften (mit Ausnahme des Cly-
peus und der Spongia) und noch einige andere (s. u.) wegen Ver-
letzung der Verordnungen von 1611 und 1625 bezüglich der de
auxiliis handelnden Schriften bei Strafe der Excomm. 1. sent. verboten.
Zugleich wurden in diesem Decrete unter Androhung der reservirten
Excomm. 1. sent. und anderer, auch körperlicher Strafen jene Verord-
nungen eingeschärft, mit dem Zusätze: es dürfe auch nicht unter
dem Verwände einer philosophischen Erörterung de conoursu cansae
Amst. 1700, 3 vol. 12. (von Gerberon; im Texte mit Gerb, citirt). Vgl.
Racine vol. 11 und S.-Beuve 2, 92 (1, 521).
Loewener Streitschriften, 1641. 461
rimae cum secunda, und nara entlieh nicht unter dem Verwände der
''ertheidignng oder Bekämpfung des Buches des Jansenius oder der
'hesen der Jesuiten^) oder anderer in diesem Decrete verhotener
chriften irgend etwas üher die materia auxiliorum divinorum oder
her Gnade und Willensfreiheit veröifentlicht werden; auch dürfe
agegen nicht geltend gemacht werden, dass die Decrete von 1611
nd 1625 in einer Provinz nicht pnblicirt oder recipirt seien. —
He Schriften, welche ausser den genannten in diesem Decrete ver-
oten wurden, sind : Cornelii Jansenii Iprensis episcopi laudatio fune-
etlis dicta a R. Fr. Jo. a Lapide, die bei dem Anniversarium für
ansenius 4. Mai 1640 gehaltene und zu Löwen gedruckte Rede eines
'raemonstratensers, — Augustini Hipponensis et Augustini Ipren-
18 de Deo omnes salvari volente et Christo redimente homologia
er thcses antiapologeticas expressa et Lovanii loco per Jac. Zegers
esignando propugnanda, quando adversariis videbitur, Lov. 1641
Qach Gerb. 1 , 26 von Jo. Sinnich ) ; Somnium Hipponense sive ju-
icium Augustini de contro versus theologicis hodiernis, relatore
^hiletymo S. T. Baccalaureo formato, Par. 1641 (nach Gerb. 1, 27
on Stockmans, nach Paquot 1, 15 u. a. von Fromond).
Das Conseil de Brabant verbot die Publication des Inquisitions-
ecretes und das Conseil du Roi erklärte es für unverbindlich, so
Mige es nicht das Placet erhalten. Die Löwener Professoren Hessen
ine Attestatio notarialis (des Notars der Universität, Peter
lintaert) quod neque decretum S. D. Urbani VI 11. neque Pauli V.
iOvanii sit publicatnm, drucken und ein Neffe des Com. Jansenius,
ean Jansenius, Canonicus zu Furnes, ein Memorial au Roy, worin
r sich über das Decret der Inq. beschwert und dem er eine von
em Universitätsnotar beglaubigte Sammlung von Testimonia
mditorum virorum celebrantia librum cui tit. Com. Jansenii . . .
LUgustinus beigefügt hatte. Das Somnium Hipponense erschien
ochmals unter dem Titel: Conventus africanus s. disceptatio judi-
ialis apud tribunal praesulis Augustini inter veteris et novitiae
beologiae patronos, enarratore Artemidoro Oneirocritico, Ronen
641, und Fromondus veröffentlichte unter seinem Namen Brevis
natomia hominis, naturam ejus talem repraesentans, qualem S. Aug.
lim nobis descripsit, Lov. 1641, 4.
Nunmehr erliess Urban VIII. die Bulle In emineuti vom 6.
iärz 1642, worin das luqnisitionsdecret ausdrücklich bestätigt wird
md auch die eben genannten Schriften verboten werden. Ferner
leisst es darin: bei einer sorgfältigen und reiflichen Prüfung des
Ruches von Jansenius habe sich postmodum (nach der Publication
les Inquisitionsdecretes) herausgestellt, dass darin viele von Pius V.
ind Gregor XIII. (in den Bullen gegen M. Bajus) bereits verdammte
l) Cantü, Storia degli Italiani 6, 67 sagt: im Index von 1744 würden
rerb, libri omnes . . . tam contra quam pro Corn. Jansenio et Patribus
lesuitis, und scheint zu meinen, das sei ein damals erlassenes Verbot. Ks
iteht wörtlich so schon bei Alex.
462 Die Jansen istische Controverse.
Sätze enthalten seien und zum grossen Aergerniss für die Katho-
liken und mit Missachtung der Autorität des h. Stuhles gegen diese
Verdammungen vertheidigt würden; darum würden die Bullen der
genannten Päpste bestätigt und das Buch des Jansenius, welches die
darin verdammten Meinungen erneuere , sammt den anderen Schriften
verboten. Diese Bulle wurde auifallender Weise erst 19. Juni 1643
in Kom angeheftet (Gerb. 1 , 49. 67). Einige Verwirrung erregte
es, dass sie, wie das bei Bullen üblich war, anno incamationis
millesimo sexcentesimo quadragesimo primo, pridie nonas Martii
(das Jahr mit dem 25. März beginnend) datirt war (die Bulle stellt
sogar noch bei Alex. No. 45 vor dem Decrete vom 1. Aug. 1641).
Die Bulle wurde mit einem königlichen Schreiben vom 27.
Nov. 1643 der Sorbonne übersandt. Diese erklärte, sie nehme die
Doctrin der Bulle an, wahre sich aber ihr altes Recht, über alle
Theile der Lehre des Magister Sententiarum , auch de auxiliis zu
dispntiren und zu schreiben. Der Nuncius Grimaldi sagte einer
Deputation der Facultät, es sei nur verboten, die verdammten Sätze
zu lehren (Arg. III a 49. 52). Die Sorbonne untersagte aber 1. Oct
den Doctoren die Approbation von Büchern für und gegen Jansenius
(Boileau, ^oxif.ia<jnjg p. 91). Erzbischof Gondi von Paris publicirte
die Bulle 11. Dec. 1643, — sie wurde auch von anderen, nicht von
allen französischen Bischöfen publicirt, — und wiederholte dabei
das schon 4. März erlassene Verbot, die betreffende Controverse auf
die Kanzel zu bringen (Arg. III b 246). Gondi hatte auf Betreiben
der Jesuiten in einem Mandement vom 27. Jan. 1643 auch verboten:
Theologie familiere ou instruction de ce que le chr^tien doit croire
et faire en cette vie pour etre sauve, par M.Jean du Vergier de
Hauraune, abb£ de Saint Cyran. St. Cyran hatte diesen kleinen
Catechismus auf die Bitte des Generaladvocaten Bignon für dessen
Kinder geschrieben; er wurde von seinen Freunden mit einer vom
1. Oct. 1642 datirten Approbation von 5 Doctoren herausgegeben
und erschien im Jan. 1643 kurz vor St. Cyrans Entlassung aus der
Haft. Amauld und seine Freunde bestimmten den Erzbischof, sein
Mandement kurz vor der Publication durch ein anderes zu ersetzen
(Arn. 29, 588. S.-Beuve 2, 200). In Rom wurden 1654 alle Aus-
gaben des Schriftchens verboten (1693 erschien die 13. Ekl.).
Von den 1643 if. in Paris erschienenen Streitschriften sind
(weil sie später in den Index kamen) folgende zu erwähnen:
Apologie de M. Jansenius ev. d'Ypre et de la doctrine de St. Au-
gustin expliquöe dans son livre intitule Augustinus contre trois ser-
mons de M. Habert, theologal de Paris, P. 1644, — gegen drei
Predigten, die Isaac Habert am 1. und 4. Adventssonntag 1642 und
im Sept. 1643 gehalten, auf Veranlassung Saint Cyrans (f 11. Oct
1643) von Arnauld geschrieben. Gegen Haberts Entgegnung, La
defense de la foy de TEgl. et de Tancienne doctrine de Sorbonne
touchant les principanx points de la grace etc., 1644, schrieb Ar-
nauld Apologie seconde pour M. Jansenius . . . contre la reponse
que M. Habert . . . a faite k la premiere Apologie, 1645 (Am. 16,
Bulle TJrbans VIII. von 1642. 463
30; 17,1)^). Im J. 1646 wurden dann, wahrscheinlich von Habert,
8 Sätze aus dem Augustinus zusammengestellt und nach Rom ge-
sandt (abgedr. Gerb. 1, 186). Dagegen erschien zu Löwen 1646
Examen libelli, cui titulus est: Propositiones excerptae ex Au-
^stino Rev. D. Cornelii Jansenii episc. Ipr. quae in speciem ex-
hibentur Snae Sanctitati.
Die Löwener Universität opponirte mit Zustimmung mehrerer
belgischer Bischöfe längere Zeit gegen die Bulle von 1642. Im J.
1643 schickte sie im Einverständniss mit dem Erzbischof Jacob
Boonen von Mecheln und dem Bischof Anton Triest von Gent den
Theologen Jo. Sinnich und den Canonisten Cornelius Papius (de
Paep, Oratorianer) nach Rom, um, wenn nicht eine Zurücknahme,
doch eine Erläuterung resp. Modification der Bulle zu erwirken.
Diese erreichten natürlich nichts; nur wurde ihnen, da sie auch
darauf aufmerksam gemacht, dass die Abschriften und Abdrücke der
Bulle nicht genau mit einander übereinstimmten, 29. Juli 1644 eine
beglaubigte Abschrift derselben sammt einem Decrete der Inq. von
Fer. y. 16. Juni 1644 eingehändigt, welches bezüglich aller die
Bulle betreffenden Zweifel, Schwierigkeiten und Klagen für immer
Schweigen gebot (abgedr. Const. p. 54). Die Denkschriften, welche
sie in Rom tiberreicht hatten, Hess Sinnich 1644 nach seiner Rück-
kehr (Papius starb in Rom 1644) drucken: Memoralia per depu-
tatos academiae Lovan. exhibita Romae Summis Pontif. Urbano YIII.
et Innocentio X. pro doctrina B. Augustini manutenenda . . .(16S.
4.*), verb 1654^). — Von den in den nächstfolgenden Jahren in Belgien
erschienenen Streitschriften kamen mehrere später, meist 1654, in
den Index. Der Prämonstratenser Macarius Semeomo schrieb gegen
Conferenzen, die der Jesuit W. Landsheer 1646 in Antwerpen ge-
halten und in denen er Jansenius scharf angegriffen, anonym Col-
latio Antwerpiensis ad Petrum Aurelium und Novus Prosper ad
novnm collatorem, beide Lov. 1647. Fromond schrieb 1644 anonym
Chrysippus s. de libero arbitrio epistola circularis ad philosophos
1) Es ist auffallend, dass Florentii Conrii Peregrinus üiericuntinus,
Paris 1641, weder jetzt noch später verboten wurde. Conry, Franciscaner,
Titnlarbischof von Tuam, f 1631 (Hurter l, 497), hatte für das Schriftchen,
weil es de auxiliis handelte, in Rom die Drudcerlaubniss nicht erhalten.
Die Ausgabe von 1641 ist von Arnauld besorgt, wahrscheinlich auch die
französische üebersetzung von 1645 (Arn. 10, LXXXVIII).
2) Bei St. Amour, Reo. p. 270 ist eine Erklärung abgedruckt, die
Sinnich 1647 eidlich vor einem Notar abgab: Urban VIII. habe ihm 26.
Xov. 1643 gesagt: er habe durch seine Bulle nur die Bulle Pius' V. be-
tätigen, niemand mit Nennung seines Namens censuriren und der Lehre
des Augustinus nicht zu nahe treten wollen; auf die Einwendung: wie
denn der Name des Jansenius in die Bulle hineingekommen sei, habe er
gesagt, Sinnich solle mit Albizzi sprechen, der die Bulle entworfen habe.
Oass dieser gegen den Willen und ohne Vorwissen des Papstes den
t^assus über Jansenius in die Bulle eingeschoben, ist viel weniger wahr-
aoheinlich, als dass Sinnich Urban VIII. missverstanden oder dieser nicht
g^anz die Wahrheit gesagt.
464 Die Jansenistische Controverse.
peripateticoB, dann gegen die Jesuiten D. Petau und Ant. Ricardas
(d. i. Etienne Dcchamps) Vincentii Lenis Theriaca adv. D. Petavii
et A. Ricardi de libero arbitrio libellos, Par. 1648, und gegen deren
Erwiederung unter demselben Namen Epistola prodroma gemella ad
D. Petavium et Ant. Ricardum, Lov. 1649 (zwei weitere Streit-
schriften gegen sie, Gerb. 1,247. 293, Backer 1,254, stehen nicht
im Index), und gegen die Theologen von Douay, welche unter dem
Einfluss des Jesuiten L^Hermite 1649 die Bulle angenommen und
gegen Jansenius Partei ergriffen hatten (Liv. Meyer 2, 41 ; Serry
p. 806), Lucerna Augustiniana, qua breviter et dilucide declarator
coucordia et discordia, qua duo nuper ex DD, Doctoribas S. Theol.
Duacen. conveniunt aut recedunt a ceteris hodie S. Augustini dis-
cipulis, 1649, und Emunctorium lucernae Aug., qno fuligines a
quibusdam aspersae emunguntur, 1650 (die dritte hieher gehörige
Streitschrift Epistolica responsio ad Val. Randour, 1650, Gerb. 1, 353,
steht nicht im Index). — Sinnich veröffentlichte 1648: Sanctorum
Patrum de gratia Christi et libero arbitrio dimicantium trias. Au-
gustinus Hipponensis, Prosper Aquitanicus, Fulgentius Ruspensis
adv. Pelagium, Cassianum et Faustum. CoUectore Paulo Erynacho
Gratianopolitano Theologo. Diese Schrift kam erst 1661 in den In-
dex, und zwar, da man doch die Auszüge aus den Kirchen vät^rn
nicht verbieten konnte, mit donec corrigantur tituli capitum et arti-
culorum atque index. Gegen den Jesuiten Ripalda, der im 3. Bande
seines Werkes De ente supernaturali gegen Bajus und die Bajanisten
polemisirt hatte, schrieb Sinnich anonym: P. Jo. Martinez de Ri-
palda e Soc. nominis Jesu vulpes capta per theologos S. Fac.
Academiae Lovan., 1649, und gegen ein 1650 erschienenes Paralle-
lum inter Bajanas propositiones et prop. Jansenii, worin behauptet
wurde, 28 Sätze in dem Buche des Jansenius seien identisch mit
Sätzen von Bajus, die Pius V. verdammt habe, Aurelii Aviti Ve-
ronensis Theologi Molinomachia h. e. Molinistarum in Angustinam
Jansenii antistitis Ipr. insultus novissimus, 28 consonantiamm doc-
trinae inde excerptae cum articulis a Pio V. Pont, proscriptis com-
pilatione subnixus, totidem vero dissunantiarum contrapositione elisus,
Par. 1650 (erst 1663 verb.). — Ferner erschienen in Belgien noch
(von Löwener Theologen): Corn. Jansenii Parallelum erroris Mas-
siliensium et opinionis quorundam recentiorum, 1647, ein Separatab-
druck der auch im Augustinus stehenden Abhandlung, — Planctns
Augustinianae veritatis in Belgio patientis, Lov. 1649 (Gerb. 1, 219),
— Reponse k un escrit qui a pour titre: Ad vis donnä en amy k
un certain ecclesiastique de Louvain au sujet de la Bulle du P. ür-
bain VIII. qui condamne le livre portant le titre: Aug. Com. Jan-
senii, 8. 1. et a. 1649*, 32 S. 4., — Utrum sit damnandus Jan-
senii Augustinus, ein Schriftchen, welches mit dem Satze scbliesst:
Non potest damnari Jansenius nisi ridente Pelagio et plorante
Augustino. Humilis Romanus.
Auf Verlangen des Conseil de Brabant entwickelten der Erz-
bischof Jacob Boonen von Mecheln und der Bischof Ant. Triest von
Gent; dieser als der älteste belgische Bischof, die Bedenken, welche
Erzb. Boonen von Mecheln und B. Trieei von Gent. 465
r Publication der Bulle von 1642 entgegenständen (Gerb. 1, 175).
re Denkschriften wurden 1649 gedruckt: Rationes ob quas 111. ac
SV. D. Arcbiepiscopus Mecbliniensis Belgii Primas . . . a
omulgatione Bullae, qua proscribitur über cui titulus: C. Jansenii
. Aug., abstinuit, ex mandato Regio Suae Majestati exbibitae
gallico in lat. translatae (33 S. 4.*, vorher französisch gedruckt);
lisons pour lesquelles on n'a trouvi convenir de publier an diocese
Ghind avec les solemnitez accoustumees certaine Bulle contre le
TC du defunct Evesque d'Ipre, Jansenius, representees par Mgr. le
)v. Evesque de 6and au Conseil de Sa Maj. Cath. k Brusselles le
». de Mars 1647 (s. 1. 1649*, 43 S. 4., steht jetzt im Index unter
riest). Nach langen Verhandlungen, — der Löwener Professor
»cht war in dieser Angelegenheit längere Zeit in Madrid (Grerb.
269), — wurde endlich von Philipp IV. die Publication der Bulle
fohlen. Mit der Fassung des von dem Statthalter Erzherzog Leo-
Id erlassenen Edictes vom 28. Febr. 1651 (Arg. III b 259) war
er der lutemuncius Anton Biohi so unzufrieden, dass er dagegen
otestirte. Der Protest wurde von dem Erzherzog im Juni für
ßhtig erklärt.« Am 11. Nov. 1651 beklagte sich der Papst in
'eyen an den König und an den Erherzog (Katholik 1883, 2, 293).
Boonen, Triest und die Generalvicare des erledigten Bisthums
^em publicirten nun im März 1651 die Bulle mit Edicten, welche
Rom grosses Missfallen erregten, weil darin gesagt war: die
ille sei bisher nicht publicirt worden, weil das Bedenken erhoben
3rden sei, man könne in der Verdammung des Buches von Janse-
OB eine Verdammung der Lehre des h. Augustinus finden; sie
srde jetzt auf Befehl des Papstes und des Königs publicirt; dieser
•be aber versprochen, er werde bei dem Papste eine neue Prüfung
m Buches des Jansenius und eine Freigebung desselben nach Aus-
erzung der darin etwa enthaltenen Irrthümer beantragen. Der
rzbischof erwähnte schliesslich ausdrücklich, der Erzherzog habe
e Publication vorbehaltlich der Privilegien der niederländischen
rovinzen angeordnet (die drei Edicte bei Arg. III b 251). Durch
D Beeret der Inq. Fer. V. 11. Mai 1651 (Alex. No. 54) wurden
ese drei FJdicte und die zwei erwähnten Denkschriften als „vieles
r die Autorität des h. Stuhles Präjudicielle enthaltend'* verboten
ie Edicte stehen im Index unter Mecbliniensis, Triest und Edic-
m); zugleich wurden den Verfassern, falls sie nicht baldigst ge-
igende Erklärungen abgäben (se expurgaverint sc. vom Verdachte
r Häresie), kirchliche Censuren angedroht. Die Generalvicare von
pem scheinen sich gefügt zu haben; wenigstens ist von ihnen
cht weiter mehr die Rede. Den beiden Prälaten wurde das In-
lisitionsdecret im Juni insinuirt; da sie darauf nicht reagirten,
nrden sif unter dem 18. Nov. 1651 von der Inquisition nach
)m citirt und ihnen diese Citatiou im December durch den Inter-
incius insinuirt. Da sie nicht erschienen, wurden sie 21. Dec. 1652
r suspendirt erklärt. Das Conseil de Brabant erklärte dieses De-
et für unwirksam, weil nach notorischen Privilegien und alten,
it Genehmigung des h. Stuhles bestehenden Gewohnheiten der
nensob, Index II. 30
466 Die Jansenistisolie Controverde.
Niederlande Bewohner derselben nicht ansserhalb des Landes citirt
und Römische Censuren nicht ohne Genehmigung des Käthes publi-
cirt und ausgeführt werden könnten. Die beiden Prälaten unter-
warfen sich schliesslich auf die Aufforderung des Erzherzogs Leo-
pold und wurden im Sept. 1653 von den Censuren absolvirt (die
Actenstücke bei Arg. III b 255 und bei de Ram, Synodicon belg.
4, 307). — Die Anschauungen des Käthes von Brabant wurden bei
dieser Gelegenheit von dem angesehenen belgischen Juristen Peter
Stockmans (1633 Prof. in Löwen, 1643 Mitglied des Käthes, flßll;
Paquot 1, 13), in zwei kleinen anonymen Schriften begründet: Jus
Belgarum circa Bullarum pontificiarum receptionem und Defensio
Belgarum circa evocationes et peregrina judicia, beide 1654 mit
dem Zusatz 1., 2. vel alterius editionis verb.^). Der Rath von Bra-
bant protestirte 1657 gegen die Publication des Verbotes (App. ad
Suppl. V. Espen p. 17).
Am 18. März 1650 censurirte die spanische Inquisition 22
Sätze, die angeblich von Jesuiten und dem Löwener Professor
Schinkelius aufgestellt und von dem Dominicaner Franc. Gonzalez
nach Salamanca geschickt waren, als temerär, übelkjingend und für
den h. Augustinus injuriös. Der König bat den Papst, die Censnr
zu bestätigen; dieser überwies sie der unten zu erwähnenden Con-
gregation, die sich natürlich gegen die Bestätigung aussprach (Avr.
2, 203). Sie stehen seit 1707 im span. Index als 22 propositiones
contra doctrinam Augustini insertae in supplicatione oblata Papae.
Laemmer, Zur Eirchengesch. S. 51 erwähnt eine Rom 19. Mai 1653
datirte an Innocenz X. gerichtete Denkschrift, worin ausser diesen
22 Sätzen noch 116 aus Molina, Yasquez, Mariana und anderen Je-
suiten denuncirt werden.
2. Als die beiden belgischen Bischöfe gemassregelt wurden,
war die Angelegenheit bereits in eine neue Phase getreten, inso-
fern eine Verdammung bestimmter Sätze aus dem Buche des Jan-
1) Sie sind wiederholt gedruckt worden: Innocentii X. Bulla . ..
una cum Defensione Belgarum contra peregrina judicia et buUae istios
receptionem, junctim ed. Numa Sedulius Colon. In Civitate libera 1653,*
4. (Der Herausgeber ist Samuel Hundius). — Jus Belgarum . . . Ed.
altera. Leodii 1665*, 12. (beigebunden Defensio . . Leodii 1665). Sie stehen
auch in Petri Stockmans Opera omnia, Brux. s. a. (1698*), 4., p. 189
— 295. In der Biblioth. Belg. von Foppens, 1739, p. 1013 wird angedeutet,
die beiden Schriften seien wahrscheinlich von den Jansenisten Stockmans
unterschoben worden (das wird zu den Stellen gehören, die Foppens auf
Befehl des Erzbischofs d'AIsacc de Bossu von Mecheln in sein Buch ein-
fügte; Reiffenberg, Annuaire de la Bibl. Roy. 1848, p. 71), und den Acta
Z. B. van Espen auct. T. W. Backhusio, Mechl. 1827, ist p. 141 eine eigene
Disquisitio hist.-critica de gemino opusculo circa jura BelgiSum, qood
Petro Stockmans adscribitur, beigefügt, worin Foppens' Verdacht ausführ-
lich begründet wird. Der Verfasser beruft sich auf Haeresis Jansenianae
praeclusa effugia, auct. Antonino de Luca (A. Huylenbroucq S. J.), 1709,
der also der Urheber des Verdachtes sein wird, zu dessen Würdigung die
Thatsache genügt, dass nach Paquot 1, 14 das OriginalmanuBcript von
Stockmans in Brüssel aufbewahrt wird.
P. Stockmans. Saint- Amour. Die fünf Propositiones. 467
tniuB in Aussicht genommen war. Am 1. Juli 1649 wurden der
)rbonne von dem Syndicus, dem Ex-Jesuiten Nie. Comet, 7 Sätze
ir Censur vorgelegt, welche er und seine Gesinnungsgenossen als
6 Hauptpunkte des Jans, ansahen, obschon dieser nicht genannt
urde. Ein von Habert, der mittlerweile Bischof von Vabres ge-
orden, verfasstes Schreiben an den Papst, worin derselbe um eine
ntscheidung über 5 Sätze gebeten wurde (Arg. III b 260), wurde
)r und nach von 85 französischen Bischöfen unterzeichnet und im
ug. 1651 nach Eom abgesandt. 15 andere Bischöfe baten den
ipst, keine Entscheidung zu geben, eventuell vor derselben in
inlicher Weise, wie bei der Controverse de auxiliis, Doctoren beider
sirteien zu hören (Saint- Amour, Rec. p. 5). Von der Majorität und
)n der Minorität wurden mehrere Theologen zur Vertretung ihrer
nschauung nach Rom gesandt. Von einem der Theologen der Mi-
»rität erschien später ein ausführlicher Bericht: Journal de Mr.
i Saint Amour, Dr. de Sorb., de ce qui s'est fait ä Rome dans
iffaire des cinq propositions, avec un recueil de diverses pi^ces
mt il est parl6 dans ce Journal ou qui en regardent la mati^re,
1. 1662,* verb. 1664 1).
Die in dem Schreiben der französischen Majoritätsbischöfe ent-
dtenen 5 Propositiones sind folgende: 1. Einige Gebote Gottes zu
füllen, ist auch den Gerechten, die es wollen und versuchen, mit
m Kräften, die sie jetzt haben, nicht möglich; es mangelt ihnen
ich die Gnade, wodurch es ihnen möglich würde. 2. Der innem
nade wird im Stande der gefallenen Natur niemals widerstanden.
Zum sittlichen Handeln (ad merendum et demerendum) ist im
ande der gefallenen Natur nicht Freiheit von der Nothwendigkeit
necessitate), sondern nur vom Zwange (a coactione) erforderlich.
Die Semipelagianer gaben die Nothwendigkeit der zuvorkommen-
m iijnern Gnade zu den einzelnen Acten zu, auch zum Anfange
)8 Glaubens; ihre Ketzerei bestand darin, dass sie behaupteten,
686 Gnade sei eine solche, welcher der menschliche Wille wider-
ehen oder gehorchen könne. 5. Es ist semipelagianisch, zu be-
lupten, Christus habe für alle Menschen ohne Ausnahme den Tod
'litten oder sein Blut vergossen.
In Rom war man natürlich sehr erfreut darüber, dass die
ehrheit der französischen Bischöfe dem Papste Gelegenheit bot,
ch auch ihnen gegenüber als denjenigen zu zeigen, der in Glaubens-
.chen zu entscheiden habe^). Eine Discussion, wie sie in der Con-
1) Das Journal ist zu Amsterdam gedruckt. Es füllt 578, das Re-
leil 286 S. Fol. Auf dem Titelblatte steht das Motto: Non enim possu-
us, quae vidimus et audivimus, non loqui. Act. 4, 20. Ausser diesem
iche sind benutzt die in dem Mainzer Katholik 1883, II, 282 abgedruckte
slation von Franc. Albizzi über die Sitzungen der im April 1G51 ge-
Ideten Congregatio particularis, und die Einleitung zum 19. Bande von
rnaulds Werken.
2) In einem Schriftstücke, welches Saint-Amour (p. 159) sah, hiess
: es sei rathsam, Gelegenheiten, das päpstliche Recht, Glaubensfragen
466 bie JanseniBtische Controverdd.
troyerse de auxiliis stattgefanden, war man aber von vomherein ent-
Hchlossen, nicht zuzulassen. Da die Discussion der Angelegenheit,
wie es in dem Berichte Albizzi's heisst, in den Plenarsitzungen der
Inquisition „wegen vielfacher Ursachen und der Verschiedenheit der
Ansichten" sich zu sehr in die Länge zog, wurde sie 12. April 1651
von Innocenz X. einer ans vier, später fünf Cardinalen bestehenden be-
sondern Congregation überwiesen, um sie brevi manu zu discatiren.
Dieser Congregation, welche also für diese Angelegenheit an die
Stelle der Inquisition trat, und deren Vorsitzender anfangs Card.
Roma, dann Spada war, war Franc. Albizzi, Assessor S. Off., als
Secretär beigegeben; er war thatsächlich die Hauptperson. Brevi
manu konnte aber freilich die Sache auch von dieser Congregation
nicht erledigt werden. Sie begann damit, sich über den Verlauf
der Angelegenheit des M. Bajus zu informiren, verhandelte aber
1651 auch über einige mit ihrer Hauptaufgabe zusammenhangende
Angelegenheiten, wie über die Opposition der belgischen Prälaten
und über einige später zu erwähnende Buch er verböte. Im Juli 1651
beauftragte sie 4 von ihr ausgewählte Qualificatoren, die 7 von der
Sorbonne vorgelegten Sätze zu qualißciren (Kath. S. 291). Die
von den Bischöfen vorgelegten 5 Sätze überwies sie aber — erst
4. Juli 1652 — allen 13 ordentlichen Qualificatoren der Inq., „da-
mit man nicht sagen könne, sie habe die Gegner des Jans, ausge-
sucht.^' Den Qualificatoren wurde aufgegeben, jeder einzeln die 5
Sätze in abstracto, ut jacent, zu qualificiren, aber freigestellt, sie
auch ad meutern Jansenii zu qualificiren. Sie gaben zweimal in
mündlichem Vortrag vor der Congregation ihre Vota ab und wurden
dann angewiesen, dieselben schriftlich einzureichen (diese schrift-
lichen Vota füllen einen Folioband von 700 Seiten; Kath. 8. 286).
Bei der ersten Verhandlung sprachen sich 9 für, 4 gegen die Ver-
dammung der 5 Sätze aus; hinsichtlich der Frage, ob die Sätze
so, wie sie vorgelegt waren, von Jans, gelehrt würden, gingen auch
die 9 aus einander. Die Qualificatoren, welche sich gegen eine Ver-
dammung der 5 Sätze aussprachen, waren die Dominicaner Vincen-
tius Candidus (f 1654, 81 Jahre alt), der als Mag. S. Pal., und
Vinc. Depretis, der als Commissarius S. 0. ex officio Qualificator
war, der Augustiner-General Phil. Visconti und der Franciscaner
Lucas Wadding. Die Dominicaner traten auch sonst für die Theo-
logen der Minorität ein; ihr General bat 17mal vergebens um
eine Audienz bei dem Papste, um Schriftstücke von Theologen
seines Ordens zu überreichen (S.-Amour p. 400). — Den franzö-
sischen Theologen wurde im Juli 1652 anheimgegeben, mündlich
oder schriftlich ihre Sache bei der Congregation zu vertreten. Die
der Majorität machten von dieser Erlaubniss Gebrauch ; die der Mi-
zu entscheiden, zur Anerkennung zu bringen, nicht unbenutzt zu lassen;
die jetzige Gelegenheit sei günstig, da der französische König und her-
vorragende Mitglieder des Parlaments versprochen hätten, die Entschei-
dung des Papstes anzuerkennen. Eine andere derartige Aeusserung p. 423.
Verhandlungen in Rom 1661—68. 4d9
norität weigerten sich anders als contradictorisch zu verhandeln;
sie erklärten anch, sie hielten einige Qnalificatoren und namentlich
Alhizzi nicht für unparteiisch (Kath. S. 473). Saint- Am our klagt
auch in seinem Tagebuche über vielfache Beweise von Parteilichkeit,
namentlich von Seiten Albizzi's, der z. B. einen Abdruck von Schriften
des Augustinus, den die Theologen der Minorität in Rom veran-
stalteten, zu hindern suchte, dagegen die VeröflTentlichung einer
Streitschrift des Jesuiten Annat gegen den Willen des Mag. S. Pal.
durchsetzte.
Vom 10. März 1653 an fand eine Reihe von Sitzungen der
Congregation in Anwesenheit des Papstes statt. In einer derselben,
19. Mai, wurde den Theologen der Minorität gestattet, ihre Sache
zu vertreten. Sie erläuterten bei dieser Gelegenheit u. a. und über-
gaben dann dem Papste ein Schriftstück, worin in drei Spalten die
ketzerische Deutung, die man den 5 Sätzen mit Unrecht gebe, die
richtige Deutung derselben und die dieser entgegenstehende Ansicht
der Gegner zusammengestellt waren. — In diesen Sitzungen coram
Sanctissimo gaben auch die Qnalificatoren nochmals mündlich ihr
Votum ab: die beiden Dominicaner und der Augustiner Visconti
votirten auch jetzt gegen die Verdammung der 5 Sätze. Wadding
erklärte: der erste könne in einem gewissen Sinne vertheidigt werden,
den 2. habe Jansenius nicht haeretisch gemeint, der '^. stehe nicht
in seinem Buche, wer den 4. excerpirt habe, verstehe entweder
Jans, nicht richtig oder wisse nicht, worum es sich handle. Der
Dominicaner Depretis bat kniefällig, man möge nicht sub larva dam-
nare doctrinam Augustini; auch Visconti rief aus: Prob dolor, Au-
gustinus sub nomine Jansenii condemnatur, und bat kniefällig, man
solle sich hüten, ne incidamus in ea infelicia tempora, in quibus
fraudibus ürsacii et Valentis totus orbis vidit se Arianum, et hodie
non videat se Semipelagianum (Kath. S. 484). — „Die Würfel waren
aber schon gefallen (Eath. S. 287). Nach der Sitzung vom 19. Mai
tiberreichte Albizzi dem Papste einen Bericht über die ganze Sache.
Er erhielt den Auftrag, die Bulle zu entwerfen. Sein erster Ent-
wurf wurde nicht genehmigt. Er machte mit dem Card. Chigi
einen zweiten Entwurf, den der Papst genehmigte*) und den Albizzi
1) Inuocenz X. hatte anfangs wenig Lust, sich mit der Angelegen-
heit zu befassen. S.-Amour p. 150 erzählt, er habe zu ihm gesagt: E poi
non ^ la mia professione, oltrache sono vecchio, non ho mai studiato teo-
logia, und P. Ubaldino habe gesagt: II Papa non e teologo, non e la
sua professione, 6 legista (p. 154). Der Bischof von Lodöve (später von
Montpellier) berichtete in der Assemblee du Clerge von 1655: der Papst
habe ihm 2. Januar 1654 u. a. gesagt: er habe die Mitglieder der Con-
gregation oft und aufmerksam angehört; er habe sich zwar früher nur
mit Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten beschäftigt, aber Gott habe
ihn erleuchtet, dass er auch die subtilsten Erörterungen vollkommen ver-
standen und den Sitzungen mit dem grössten Vergnügen beigewohnt habe;
die Cardinäle [und seine Verwandten, p. 424] hätten ihm oft vorgestellt,
er schade durch seine fleissige Theilnabme an den Berathungen seiner
Gesundheit u. s. w.; endlich habe er, nachdem er alles geprüft und Gott
470 Die Jansenistischc Controverse.
in einer 27. Mai unter dem Vorsitze des Papstes gehaltenen Sitzung
der Cardinäle der Congregation (Spada, Ginetti, Pamfili, Chigi) vor-
las. Auf den Vorschlag Spada's wurde der Entwurf, wie Alhizzi
herichtet, auch Domino W. (Hallier), injuncto secreto suh poena
excommunicationis, vorgelegt; aliqua putavit addenda, quae addita
fuerunt, non sine impulsu Spiritus sancti (Kath. S. 491).
Am 9. Juni wurde die vom 31. Mai 1653 datirte Bulle Cum
occasione publicirt. Die 5 Sätze werden darin als ketzerisch ver-
dammt, der 5. jedoch nur in dem Sinne, dass Christus nur für das
Heil der Fraedestinirten gestorben sei, als ketzerisch, sonst als
falsch u. 8. w. In der Einleitung heisst es: „unter anderen Mei-
nungen des Jansenius" hätten diese 5 Anlass zu Controversen ge-
geben; am Schlüsse: die Verdammung dieser 5 Sätze bedeute nicht
eine Gutheissung anderer in dem Buche des Jans, vorgetragener
Meinungen. Die Bischöfe und Inquisitoren werden aufgefordert,
gegen diejenigen, welche sich der Entscheidung nicht fügen, mit
Censuren und anderen Strafen vorzugehen und nöthigenfalls die
Hülfe des weltlichen Armes anzurufen. Die Bulle wurde dem
König und den französischen Bischöfen mit Breven vom 31. Mai
Übersand t (Arg. III b 261). Ludwig XIV. verordnete 4. Juli die
Publication; die in Paris versammelten Prälaten richteten ein zu-
stimmendes Schreiben an den Papst (Arg. III b 271. 273).
Das erste Verbot von Schriften, die mit der Jans.^schen Sache
zusammenhangen, welches nach der Bulle von 1642 und unter Inno-
cenz X. erschien war ein Decret der Inq. Fer. V. 6. Oct. 1650
(Alex. No. 53). Es betrifft den anonym und ohne Angabe des
Druckortes erschienenen Catechisme de la gr^e und den dagegen
gerichteten Catechisme ou abrege de doctrine touchant la grace
divine selon la Bulle de Pie V., Gr^goire XIII., ürbain VIII. An-
tidote contre les erreurs du temps par un Docteur de la S. Theol.
de Douay, Douay 1650. Beide Schriften werden in allen Sprachen
verboten, weil sie ohne Erlaubniss des apostolischen Stuhles ex pro-
fesso de auxiliis handeln, noch dazu in der Form von Catechismen
in der Volksprache, da doch der in ihnen behandelte Gegenstand
Über die Fassungskraft des gewöhnlichen Volkes hinausgehe, dem
man Milch zu trinken geben müsse, nicht solche Speise, die es
nicht verschlucken könne; der erste aber auch darum, weil darin
wiederholt die Sache empfohlen, den Card. Chigi rufen lassen und ihm die
Bulle dictirt; die Sache sei ihm so klar gewesen, dass ihm das Dictiren
gar keine Mühe gemacht (p. 577; mit dem oben mitgetheilten Berichte
Albizzi's stimmt das freilich nicht). Dem französischen Theologen Ma-
nessier, der ihm die Nothwendigkeit einer contradictorischen Verhandlang
vorstellte, antwortete Inuoccnz X. : Tutto questo dipende delP inspirazione
dello Spirito santo, und da Manessier erwiderte : der der Kirche verheissene
Beistand des h. Geistes dispensire nicht einmal die allgemeinen Condlien
davon, die geeigneten Mittel zur Erforschung der Wahrheit anzuwenden ;
eben bei der Anwendung dieser Mittel werde ihr der Beistand des h. Geistes
zu Theil, sagte der Papst: non dite questo, questa opinione non d buona
(p. 443).
Bulle Inuocenz' X. von 1653. Catcchismc de la grace. 471
manche schon von Pius V., Gregor XIII. und Urban VIII. ver-
dammte Ansichten vorgetragen würden. Der Verfasser des zweiten
Catechismus ist der Jesuit Martin L'Hermite (t 1652); den ersten,
ein Schriftchen von 40 S. 12. (abgedr. bei Arn. 17, 839), hatte
Matthieu Feydeau, Dr. Sorb., auf den Wunsch des Bischofs Fran-
c;oi8 le Fevre de Caumartin von Amiens verfasst, und dieser hatte
ihn drucken lassen ; es erschien auch eine Ausgabe unter dem Titel
Eclaircissements sur quelques difficultes touchant la grace. Es er-
schienen mehrere Gegenschriften (Arn. 16, XX. S.-Beuve 6, 250),
u. a. von dem Jesuiten Jean Dorisy (Backer 1, 268). In der von
L'Hermite fanden die Löwener Theologen 15 Irrthümer (Arn. 17,
815). — Arnauld schrieb über dieses Decret 1651 Reflexions sur
un decret de l'Inquisition 92 S. 4. (Arn. 17, 689). Der Erzbischof
Boonen publicirte dasselbe nicht und schrieb darüber 28. Jan. 1651
an den Papst (Gerb. 1, 361. 540). Es wurde auch von der Assem-
bl6e du Clerge nicht angenommen und von dem Pariser Parlament
31. Dec. 1650 unterdrückt (Arn. 16, XXI). Saint-Amour machte
in Rom Vorstellungen und rieth, wenigstens derartige Decrete nicht
mehr zu machen ; Card. Barberini sprach sich ihm gegenüber lobend
über Amaulds Schrift aus. — Feydeau's Schriftchen wurde trotz
des Verbotes noch .oft gedruckt. Eine auf Veranlassung der Lö-
wener Theologen veranstaltete flämische Uebersetzung : Catechis-
mus ofte leeringhe van de gratie, zu Gent gedruckt (Arn. 16, XXI),
\nirde 1688 von der Inq. verb.
Der reformirte Theologe Samuel desMarets (Maresius) über-
setzte das Schriftchen ins Lateinische, meinte, dasselbe sei den
Dordrechter Beschlüssen conform, und folgerte daraus, dass die Jan-
senisten nicht fern vom Himmelreich seien (Reuchlin, Port-Royal
1, 875; 2, 676): Synopsis verae catholicaeque doctrinae de gratia
et annexis quaestionibus proposita partim in libello, qui anno supe-
riore a Jansenistis prodiit, . . . partim brevibus ad illum scholiis,
Gron. 1651, 4. Der Jesuit Brisacier schrieb nun sofort eine Bro-
schüre: Les Jansenistes reconnus Calvinistes par S. Desmarets,
1652; Godefroy Hermant antwortete darauf mit Fraus calvinistarum
retecta, sive Cat. de gratia ab haereticis Samuelis Marezii corrupte-
lis vindicatus per Hieronymura ab Angelo Forti, Dr. Theologum,
Par. 1652, 4. — Die Schrift von Maresius und seine Apologia no-
vissima pro S. Augustino, Jansenio et Jansenistis contra Pontificem
et Jesuitas, Gron. 1654, wurden übrigens 1654 verb.; seit Ben.
stehen sie nicht mehr im Index, weil seine opera omnia verb. sind.
In demselben J. 1651 erschien von Jean de Labadie (S. 94) eine
Declaration über die Gründe seines Uebertritts zur reformirten
Kirche und dann Lettre k ses amis de la communion romaine
touchant sa declaration, worin er u. a. sagt, er habe seine üeber-
zeugung nicht geändert, wenn er früher Jansenist gewesen und jetzt
Calvinist sei. Auch dieses wurde von den Jesuiten in mehreren
Schriften ausgebeutet, u. a. in Le grand chemin du Jansenisme au
Calvinisme enseigne par le Sieur J. de Labadie, worauf Arnauld
mit einer Lettre d'un Dr. en Th^ol. k une personne de condition et
472 Die Jansenistisclie Controverse.
de pi^t6 8ur le sujet de Tapostasie du S. J. de L. (Arn. 29, 391)
und Hermant mit einem Quartbande: Defense de la pi^ti etc. ant-
wortete. Auch Labadie's Lettre wurde 1654 verb., seine Declara-
tion nicht, aber 1666: Premiere apologie pour Jean de Labadie, et
pour la justice de sa declaration, par E. Dufeu dit de Blanc-Mont.
Das umfangreiche Decret der Inq. vom 23. Apr. 1654 (Alex.
No. 59) wiederholt zunächst das Verbot der in der Bulle von IC'42
verbotenen Bücher, verbietet dann die oben erwähnten französischen
und belgischen Streitschriften und eine Reihe von anderen, die bis-
her noch nicht erwähnt worden sind: Considerations sur la let-
tre composee par T^veque de Vabres [Habert] pour ötre envoy^e
au Pape en son nom et de quelques autres prelats, 1651 (von Ar-
nauld; abgedr. 19, 43); — De la grftce victorieuse de J. C, ou
Molina et ses disciples convaincus de Terreur des Pelagiens et des
Semipelagiens, . . . pour Texplication des 5 propositions par le
Sieur de Bonlieu, Paris 1651; der Verfasser ist Noel de Lalane,
einer der Theologen, die von den Minoritätsbischöfen nach Rom ge-
sandt wurden; schon während seiner Anwesenheit daselbst hatte
die Congregation 1. Febr. 1652 das Verbot des Buches beschlossen;
— Distinction abregee des cinq propositions qui regardent la
matiere de la grace, laquelle a 6te presentee en latin k Sa Saintete
par les Theologiens qui sont a Rome pour la defense de la doctrine
de St. Aug., oü l'on voit clairement en trois colomnes les divers
sens que ces propositions peuvent recevoir, et les sentimens des Cal-
vinistes et des Lutheriens, des Pelagiens et des Molinistes, de St.
Augustin et de ses disciples, und Brevissinia 5 propositionum in
varios sensus distinctio etc., die am 15. Mai 1653 vorgelegte
Schrift, noch 1653 zu Paris französisch und lateinisch gedruckt
(lateinisch bei Arg. III b 263); sie wird verb., sive typis sive scripto
extet; Lalane hat sie zuerst unterzeichnet und wird darum wohl
als Verfasser angegeben. Der Jesuit Annat veröffentlichte dagegen
im Febr. IT 54 Ca villi Jansenianorum contra latam in ipsos a S. Sede
sententiam seu confutatio libelli trium columnarum et aliarum con-
jecturarum, queis Janseniani obtinere conantur, ut non videantur
esse condemnati; dagegen erschienen noch 1654 Reponse au P.
Annat, Provincial des Jes., touchant les 5 prop. attribu^es k M.
TEveque d'Ipre, divisee en deux parties, und Memoire sur le
dessein qu'ont les Jesuites de faire retomber la censure des 5 prop.
sur la v^ritable doctrine de St. Aug. sous le nom de Jansenius,
beide von Arnauld (19, 147. 196). Friere pour deraander k Dieu
la gräce d'une veritable et parfaite conversion, 1652, 72 S. 16.,
ist nicht von Arnauld (Dict. Jans. 3, 299), sondern von Guill. Le
Roy, Abb6 de Hautefontaine (Am. 33, 611; trotz des Verbotes
noch 20 mal gedruckt ; s. § 53). — Lettre pastorale de Mgr. TAr-
cheveque de Sens [de Gondrin] pour la publication de la Con-
stitution de N. S. P. le Pape donnee a Rome le 31. Mai dernier,
und Ordonnance de Mgr. TEveque de Cominges [Gilbert Choyseul
*du Plessis-Praslain, später Bischof von Tournay] sur la publication
qu'il a faite dans le synode diocesain de Cominges le 9. Oct. 1653
Bücherverbote von 1654. 473
de la Constitution de N. S. P. le Pape Innocent X. portant cen-
Bore de 5 prop. touchant la grace et le franc arbitre; beide Bi-
schöfe hatten mit der Pnblication der Bulle eine £mpfehlnng der
Lehre des h. Augustinus verbunden (Gerb. II, 189), — ferner Phi-
losophia moralis christ., continens tres dissertationes : 1. de rectitu-
iine et pravitate actuum hum., 2. de libero arbitrio, 3. de con-
cnrsa divino, anct. Phil. Camerario Presb., Andegavi 1652; —
Jasta damnatio 5 propositionum, studio Marci Ferri, Yen. 1653;
Ferro war Dominicaner (Qu6tif 2, 659); — endlich noch zwei pole-
mische Schriften: R^ponse ä un sermon prononc6 par le P. Brisa-
3ier J^suite dans Tiglise de St. Solene k Blois le 29. Mars 1651
^von du Trouillas), und Les enluminures du fameux almanach
leg P^res J^suites intitule La deroute et la confusion des Jans6-
nistes, 1654, 91 S. 12. Der Kalender für 1654, den die Jesuiten,
— dont le goüt fut longtemps detestable, wie S.-Beuve 2, 833 sagt,
— unter diesem Titel im Dec. 1653 herausgaben und von dem sie
16,000 Exemplare verbreitet haben sollen, war mit einem Titel-
kapfer verziert, welches übrigens nicht ein Jesuit gezeichnet hatte,
sondern, wie die Revue des sciences eccl. 1875, I, 324 sagt, „ein
achter Schüler des h. Franz von Sales und des h. Vincenz," Adrien
Sambert, Beichtvater der Salesianerinnen : auf der einen Seite der
Papst umgeben von Cardinälen und Prälaten, den Blitz schleudernd
luf eine Hydra mit 5 Köpfen (den 5 Propositionen), auf der andern
Ludwig XIV. auf dem Throne, dem die Justitia das Schwert reicht,
unten Jansenius mit Fledermausflügeln, sich in die Arme Calvins
md anderer Haeresiarchen flüchtend, umgeben von Irrthum, ünwissen-
tieit und Betrug in der Gestalt von Ungeheuern, alle von dem Blitz-
strahl des Papstes getroflTen. Man beklagte sich bei den Behörden;
ier Kalender wurde in Paris verboten, aber wieder freigegeben,
lachdem man einiges geändert, namentlich die Fledermausflügel ent-
fernt hatte; die Exemplare k ailes de diable wurden dann in der
Provinz abgesetzt. Zu diesem Bilde also gehören die Enluminures
Colorirungen), Spottverse von Isaac Louis le Maistre de Saci, von
lenen S.-Beuve mit Recht sagt: un ecrit des plus contraires a
'esprit de Saint-Cyran ; je rougis pour nos amis de l'erreur de
Jette r^ponse et de tant d 'au tres sur le meme ton qui en furent la
mite. Dass cette lourde et crasse mani^re de plaisanterie avait
iboque quelques amis eclaires de Port-Royal, zeigt die Thatsache,
läse Amauld zur Vertheidigung Saci's 1654 ein anonymes Schrift-
ihen herausgab: R^ponse a la lettre d'une personne de condition
«üchant les regles de la conduite des saints p^res dans la compo-
ition de leurs ouvrages pour la defense des v^rites combattues ou
le Tinnocence calomni^e (Arn. 21, 1), welches 1 öSB'^nochmals ge-
Irnckt und komischer Weise^JeinJ halbes ^Jahrhundert nach seinem
reten Erscheinen, 1700, verb. wurde (S.-Beuve 2, 327. Reuch-
in 1, 615. 791). Der Almanach kam nicht in den Index, [ebenso-
wenig die Predigtjdes P. Brisacier und die Vertheidigung derselben,
^ Jansenisme confondu, und andere Schriften von ihm, die nach
len Auszügen zu urtheilen, welche Arn. 29, 597; 30, 6; 35, 100
474 Die Jauscuistischc Controverse.
und Cret.-Joly 4, 29 daraus mittheilen, einen ebenso abscheulichen
Geschmack verrathen wie der Almanach. Auch Bolche Schriften,
welche unter das Verbot der Schriften de auxiliis fielen, wurden,
wenn sie gegen Jans, gerichtet waren, nun nicht mehr ausdrücklich
verboten. Dagegen fügte die Index-Congr. dem Decrete von 1654,
wohl wissend, dass das lange Bücherverzeichniss desselben auf Voll-
ständigkeit nicht entfernt Anspruch machen könne, das allgemeine
Verbot bei: „alle und jegliche Bücher, Büchlein, Briefe u. b. w.,
gedruckte und geschriebene oder in Zukunft zu druckende und heraus-
zugebende, in denen die in den 5 Sätzen verdammte Lehre des
Augustinus des C. Janscnius gebilligt oder yertheidigt wird, in
welcher Sprache sie auch geschrieben sein mögen."
Zu den auf die Römischen Verhandlungen 1651 — 53 bezüg-
lichen verbotenen Schriften kamen noch hinzu: Tredecim Theolo-
gorum ad examinandas quinque propositiones ab Innocentio X.
selectorum suffragia seu, ut appellant, vota Summo Pontifici scripto
tradita, verb. von der Inq. Fer. V. 6. Sept. 1657 (Alex. No. 66)
und das 1662 erschienene Journal von Saint-Amour, verb. 1664.
Die Vota der 13 Qualificatoren wurden 1657 von Nicole mit Noten
herausgegeben und sind auch bei Saint-Amour (Reo. p. 173 und bei
Wendrock p. 601) abgedruckt. Dem Verbote derselben ist in dem
Decrete der Inq. beigefügt: der Papst (Alexander VII.) habe decre-
tirt, iis tanquam apocryphis nullam fidem esse adhibendam neo a
qnocunque allegari posse vel debere. Saint-Amour bemerkt p. 172:
dass die dem Drucke zu Grunde gelegte Abschrift genau sei, habe
der Bischof von Montpellier ausdrücklich anerkannt; wenn die Vota
für apokryph erklärt würden, so heisse das nur, dass man in Roi
ihre Veröffentlichung nicht gern gesehen, und Nicole selbst 99Lgt-^^
man habe sich wohl gehütet, die Vota falsa et conficta zu nennen \
apocrypha heisse nur injussu Inquisitionis edita. Auch Serry p. XLI ^
stellt diese Erklärung mit der von 1654 (S. 306) auf eine linii
Stubrockius p. 295 behauptet freilich die Vota seien spuria et Ro«
manis theologis afficta!
3. Schon 1654 erklärten sich die in Paris versammelten _
laten in einem Schreiben an die übrigen Bischöfe scharf gegen die^^*-*
jenigen, welche behaupteten, die 5 Sätze seien nicht von Jans, uno
seien in einem Sinne verdammt worden, der mit der Lehre dei=
Jans, nichts zu thuen habe. Dieses Schreiben sandten sie mit einei
Begleitschreiben desselben Inhalts an Innocenz X. Dieser antwortet^^^^'
aber 29. Sept. 1654 nur mit der vagen Ermahnung, die Bischöf^T "*"
möchten fortfahren, sich die Durchführung der Bulle von 1653 uno
des dazu gehörenden Inquisitionsdecretes vom 23. Apr. 1654 an|
legen sein zu lassen (Arg. III b 277). Von Alexander VII. wa
ein schärferes Vorgehen zu erwarten: er hatte als Card. Chigi b<
den Verhandlungen, die der Bulle von 1653 vorhergingen, eine hei
vorragende Rolle gespielt und war, wie Faure, Comm. p. 264 si
den Dominicanern wegen ihres Widerstrebens gegen die Verdanar^KTÄH-
mung der 5 Sätze abgeneigt, dagegen als Gönner der Jesuiten be^^ ^'
kannt.
i
A. Amauld. 476
Arnauld veröffentlichte Anfangß 1655 anonym eine Lettre
d'un Docteur de Sorbonne a nne personne de condition sur ce qui
est arrive depuis pea dans une paroisse de Paris ä nn seigneur de
la cour, worin er berichtet, dass ein Pariser Geistlicher [Picote in
St. Sulpice mit Billigung des Pfarrers Olier, 31. Jan. 1655] einem
Hofmanne [dem Herzog von Liancourt] die Absolution verweigert
habe, weil er nicht versprechen wollte, mit den Jansenisten keinen
Verkehr mehr zu haben, seine Enkelin von Port-Royal zurückzu-
holen and seinen Jansenistischen Hausgeistlichen [Bourzeys] zu ent-
lassen ^). £8 erschienen rasch nicht weniger als 9 Broschüren über
diesen Brief, von den Jesuiten Annat und Ferner u. a. Arnauld
antwortete einige Monate später in einer umfangreichern Schrift mit
seinem Namen: Lettre seconde ... ä un Duc et Pair de France
[den Duc de Luynes], pour servir de r^ponse h, plusieurs Berits qui
ont M publies contre sa premiere lettre etc., 250 S. 4. In diesen
Briefen sagt Arn. : die 5 Sätze seien allerdings irrig, aber sie seien
dem Jans, mit Unrecht imputirt worden; man sei berechtigt, wenn
man diese Sätze in dem Augustinus nicht finde, die Ueberzeugung
festzuhalten, dass Jans, sie nicht gelehrt habe, und nur verpflichtet,
sioh jedes Streites bezüglich dieser rein thatsächlichen Frage (point
de fait) zu enthalten und darüber ein respectvolles Schweigen (si-
lence respectueux) zu beobachten ; mehr als eine solche Unterwer-
fang sei man selbst allgemeinen Concilien bezüglich solcher spe-
ciellen Thatsachen (faits particuliers) nicht schuldigt). Den zweiten
Brief schickte Arn. selbst an Alexander VII., von dem er, wie er
in dem Begleitschreiben vom 27. Aug. sagt, gehört, dass ^ er den
ersten Brief gelesen und nicht missbilligt habe.
Ueber diesen zweiten Brief wurde in der Sorbonne vom No-
vember 1655 an lebhaft verhandelt. Sie censurirte schliesslich zwei
darin ausgesprochene Ansichten, nämlich als propositio facti die eben
erwähnte Ansicht über die Bedeutung der Verdammung der 5 Sätze
Und als propositio juris den Satz: Petrus sei das Beispiel eines
Oerechten, dem die Gnade, ohne welche man nichts vermöge, bei
einer Gelegenheit, wo er sicher gesündigt, gefehlt habe (Arg. III a
67). Da Arn. einen Widerruf verweigerte, vrurde er 31. Jan. 1656
der Facultät ausgestossen. Während der Verhandlungen schrieb
I. mehrere Vertheidigungen : Epistola et scriptum ad S. Faculta-
t;«iD Paris, in Sorbona congregatam die 7. Dec. 1655, — Scripti
^ars altera ad S. Fac. . . . congreg. die 10. Dec. 1655, — Fpistola
1) Gerb. 2, 256. S.-Beuve 3, 29. Vie de M. Amauld p. 54. Arnauld,
Oeavres 19 und 20.
2) Der Jesuit Yves Andre, t 1764, sagt in einem Briefe (N. E. 1782,
'^'4): Ich glaube fest, dass die 5 Sätze sioh bei Jansenius finden; darum
'O.nterzeichne ich das Formular ohne Bedenken. Aber ich glaube zugleich,
i^aan muss den Verstand verloren haben, um daraus einen Glaubensartikel
^n machen . . . Wir haben kein einziges Beispiel in der ganzen alten
^Circbe, dass man für solche Thatsachen den nämlichen Glauben verlangt
^ütte wie für die geofifenbarten Thatsachen.
476 Die Jansenistische Gontroverse.
et alter apologeticus ad S. Fac. . . . congreg. die 17. Jan. 1656, —
Propositiones tbeologicae duae, de qiiihiiR hodie maxime disptitatnr,
clarißsime demonstratae, — nach der AusRtossung u. a. eine Epietola
ad Henr. Holdennm (Holden hatte ihn vertheidigt, aher die Censur
mit unterfichrieben, während Lannoy, obschon nichts weniger als ein
Jansenist, sich mit aiisstossen liess und die Censur scharf kritisirte)
und Vera S. Thomae de gratia sufficienti et efficaci doctrina dilncide
explanata, beide im März 1656 geschrieben. Unter den zahlreichen
anderen Schriften über diese Angelegenheit machten drei Briefe an
einen Provincialen besonderes Aufsehen, die drei ersten der Pascal-
schen Briefe (s. § 53).
Am 3. Aug. 1056 wurden die genannten Schriften von Amauld
von der Index-Congr. verb. Am 10. Oct. 1666 erschien dann die
Bulle Ad sacrum (Arg. TU b 281), worin Alexander VII. die Bulle
seines Vorgängers bestätigt und die oben (S. 485) angeführte Er-
klärung abgibt und zugleich das Buch des Jans, und alle zur Ver-
theidigung seiner Lehre geschriebenen oder zu schreibendem Bücher
nochmals verbietet. Fer. V. 6. Sept. 1657 verdammte dann auch
die Inq. ausser Pascal s Briefen nochmals die genannten Schriften
von Amauld. — Die auf Arnaulds Ausstossnng aus der Sorbonne
bezüglichen Schriften, — ausser den genannten noch mehrere andere,
— erschienen später gesammelt und mit einer langen Praefatio (von
Quesnel) unter dem Titel: Causa Arnaldina seu Ant. Amaldus . .
a censura a. 1656 sub nomine Facultatis Theologiae Paris, vulgaia.
vindicatus suis ipsius aliorumque scriptis, nunc primum in unam
Volumen collectis . . . Leodici Eburonum 1699*, 112 und 670 S. ö>»
Das Buch wurde sogleich 18. Apr. 1699 von der Inq. verb. nr^^^
der Motivirung: ex quo continet nonnulla opnscula alias damnatf:^^*
Dieser sind nur sechs. Es ist auffallend, dass diese Motiviru^^"^?»
beigefügt wurde; selbst du Vaucel meinte: die von Am. 1640 v«^^ *^'
theidigten Theses theol. de gratia (p. 657) hätte man weglass • *^^
sollen; es ständen harte Dinge darin (C. Qu. p. 433). Die gleich -Ä®^^
falls von Quesnel herausgegebene Justification de M. A. Arnait:^'-*^^
contre la censure d'une partie de la Fac. de Th6ol. de Paris, ^
recueil des Berits fran<;ai8 sur ce sujet, 1702, 3 vol. 12., wur MT-^f^
nicht verb.
Das Decret der Inq. vom 6. Sept. 1657 wurde von dem KT ^"'
temuncius den belgischen Bischöfen mitgetheilt und von dem Ey^g^^'
bischof von Mecheln publicirt. Das Conseil de Brabant cassirte S^^ *^*
Nov. 1657 die Publication, weil das Decret nicht das Placet erhallen ^^,!5"'
Darauf decretirte die Inq. Fer. V. 14. Mai 1658 (A. J. P. 6, 176'
es widerspreche der Vernunft und der Frömmigkeit katholiscl
Fürsten, namentlich des Königs Philipp von Spanien, dass päpstlic
Decrete, namentlich dogmatische, nicht ohne Placet sollten public
werden können, da es ganz gewiss sei, dass die von Christus d(
Papste tibergebene Gewalt nicht durch Edicte von weltlichen Fürst'
behindert oder beschränkt werde und dass die päpstliche oder pr
sterliche Würde und Autorität nicht von der königlichen Ge^
abhängig sei (cadere sub manu regia). Demgemäss habe der
Bulle Alexanders VII. von 1656. Formulai*. 477
kraft apostolischer Autorität jenes Edict sammt allen seinen Folgen
cassirt und verbiete — bei den gegen die Verletzer der kirchlichen
Immunität und Freiheit und die Bekämpfer der päpstlichen Autorität
festgesetzten Censuren, von denen ausser in Todesgefahr niemand als
der Papst solle lossprechen können, — jenes Edict vor Gericht oder
sonst zu allegiren oder Anwendung davon zu machen. Dem Rathe
von Brabant gebiete er, das Edict aus seinen Büchern und Regesten
zu entfernen, damit er nicht genöthigt sei, gegen die Mitglieder des
Rathes schärfere Massregeln zu ergreifen (ad alia majora remedia
procedere). Das Edict ist trotz dieser scharfen Verdammung nicht
gleich andern ähnlichen Documenten in den Index gekommen.
4. Ein Formular wurde zuerst von der Assemblee du Clerge
von 1656 — 57 entworfen (Arg. III b 288) und allen Bischöfen über-
sandte mit dem Ersuchen, von den Geistlichen die Unterzeichnung
desselben zu verlangen^). Gegen diesen Beschluss ist gerichtet
Lettre d'un advocat au parlement a un de ses amis touohant Fin-
quisition qu'on veut etablir en France ä Toccasion de la nouvelle
Bulle du Pape Alexandre VII., a Paris 1. Juin 1657, worin zugleich
auf die Nullitäten, an denen die Bulle laborire, hingewiesen und
hervorgehoben wird, dass solche motu ])roprio erlassene Bullen in
Prankreich nicht anerkannt würden. Der Brief wurde später gewöhn-
lich den Lettres a un provinciel als 19. beigedruckt, ist aber nicht
von Pascal, auch nicht von Barbier d'Aucourt, sondern von dem
frühem Parlamentsadvocaten Antoine Le Maitre verfasst, der seit
1637 in Port-Royal lebte (S.-Beuve 1, 368).
Es kam vorerst noch nicht zur Durchführung der 1657 be-
schlossenen Massregel. Im J. 1662 machte der Bischof Choyseul von
Comminges noch einen Versuch, zwischen den beiden Parteien einen
Ausgleich zu Stande zu bringen. Die eine war bei diesen Verhand-
langen durch den Jesuiten Ferner, die andere durch Dr. de Lalane
und Lic. Girard vertreten. Man einigte sich über 5 Artikel, in
denen die Lehre der Schüler des h. Augustinus über die Materie
fler 5 (in den Bullen verdammten) Sätze enthalten und von denen
man überzeugt sei, dass dieselben orthodox seien und von den
|>äpetlichen Decreten über die 5 Sätze nicht betroffen würden. Zehn
liervorragende „Schüler des h. Augustinus^ ^ unterzeichneten ein
Schreiben an den Bischof Choyseul vom 7. Juni 1663, worin sie
zugleich im Namen ihrer Gesinnungsgenossen ihn baten, die 5 Ar-
tikel dem Papste zu übersenden, und versicherten, sie seien bereit,
clen päpstlichen Bullen die gebührende Ehrfurcht und Observantia
asu zollen und alles weitere zu thun, was der h. Stuhl verlangen
x^erde, damit sie bezeugten, wie aufrichtig sie an der durch die
Italien sanctionirten Lehre festhielten und diesen Bullen gehorchen
"VroUten. Choyseul schickte die Erklärung 19. Juni nach Rom. Die
1) Ueber die Verbandlungen der Assemblee s. Arnauld 21, Preface,
tiber die verschiedenen Formulare ib. 25, 160. In der Assembler spielte
X*. de Marca eine hervorragende Rolle; s. S. 391. Recueil touchant les all*.
tlu Jans., tire des meraoircs de P. de Marca, A. J. P. 12, 1645.
478 Die Jansenistische Controverfte.
Inquisition beschloss 21. Juli, keine Entscheidang über die 5 Artikel
za geben; der Papst möge ausweichend antworten (L. de Meyer
2, 685). In einem Breve vom 29. Juli 1663 belobte dann Alexan-
der VII. die französischen Bischöfe für ihren Gehorsam und forderte
sie auf, auch ferner in geeigneter Weise dahin zu wirken, dass alle
den Bullen gehorchten und die 5 ans dem Buche des Jans, entnom-
menen Sätze in dem von dem Verfasser intendirten Sinne aufrichtig
verdammten. Ludwig XIV. Hess mit diesem Breve die 5 Artikel
den in Paris anwesenden Bischöfen vorlegen, die sich in einem
Briefe an den Papst vom 2. Oct. 1663 gegen dieselben aussprachen.
Er Hess auch durch seinen Gesandten dem Papst die Nothwendigkeit
der Einführung eines Formulares vorstellen. Darauf erliess Alexan-
der VII. die oben erwähnte Bulle Hegiminis apostolici vom 15.
Febr. 1665, welche Ludwig XIV. im April publiciren liess^).
5. Die vier Bischöfe, welche im Juni 1665 die S. 458 erwähnten
Mandements erliessen, waren Nie. Pavillon von Aleth (f 1677),
Etienne Fran^ois de Caulet von Pamiers (f 1680), Nie. Choart de
Buzenval von Beauvais (f 1679) und Henri Amauld von Angers
(f 1692). Durch ein Arret du Conseil vom 20. Juli wurden diese
Mandements cassirt und den Geistlichen der Diöcesen verboten,
ihnen zu gehorchen. Von der Index-Congr. wurden sie 18- Jan.
1667 zusammen mit anderen, zum Theil gar nicht mit dieser Con-
troverse zusammenhangenden Schriften verb. (Alex. No. 91 ; sie
stehen im Index unter Alet, Angers, Beauvais und Pamiers). Lud-
wig XIV. hatte in Rom beantragt, der Papst solle durch ein Brev€
die Bischöfe zum Widerruf und zur einfachen Unterzeichnung de
Formulars auffordern und durch ein zweites französische Bi8ch$f>
zu Commissaren ernennen, um gegen ihre vier Collegen vorzagehe
Die Breven fielen nicht so aus, wie der König gewünscht ha'
avec leurs clauses abusives et leur sans-gene uUramontain : nac
dem Breve vom 20. Mai 1667 sollten 9 französische Bischöfe a!
judices delegati kraft päpstlicher Autorität die Bischöfe abartheile
Es kam zu nichts, da Alexander VII. 22. Mai starb.
Unter Clemens IX. verwendeten sich 19 französische Biscbö
für ihre vier Collegen bei dem Papste und dem Könige; der Nanci
verhandelte im Auftrage des Papstes mit drei dieser Vermittle
Der Brief der vier Bischöfe an den Papst ist von Arnauld verfi
(Arn. 1, 619). Der Papst richtete sein Breve vom 19. Jan. 166
an die vier Bischöfe (und gleichzeitig eines an die drei Unterhän«
1er, Arg. III b 337), nachdem die Angelegenheit von einer CoHj
gation von Cardinälen in 30 Sitzungen berathen worden war.
Faure, Comm. p. 116 sagt, der Papst sei von den Jesuiten fb
illusus, und auch andere haben behauptet, Clemens IX. habe kei
Ahnung davon gehabt, dass die vier Bischöfe nicht ohne allen Vo;
behalt das Formular unterschrieben. Man konnte den wahren Saci
1) Die Actenstücko bei Arg. III b 306. Vgl. Gerb. 3, 31. Paix d^
Clement IX. (vou Quesnel) B. 16. 87. S.-Beuve 4, 162.
Bulle Alexanders Vit. von 1665. Paix de Clement IX. 479
verhalt in Rom wissen und hat ihn ohne Zweifel gekannt, aber
ignorirt oder dissimulirt, wie das ja bei derartigen diplomatischen
Ausgleichen auch sonst mehrfach geschehen ist (Arn. 3, 486. 670).
Der Jesuit Daubenton schreibt darüber an Pension (Corr. de F6n.
3,336): „Nichts war leichter als sich von der Aufrichtigkeit oder
Unehrlichkeit der vier Bischöfe zu tiberzeugen: man brauchte von
ihnen nur die Vorlegung ihrer Protocolle zu verlangen; es wäre
ganz natürlich gewesen, diese Vorsicht anzuwenden. Grleichwohl
sprach davon weder der Papst noch der Nuncius. Das erweckt den
Verdacht, dass man, um die Sache zu Ende zu bringen, die Augen
zudrückte."
In den nächsten Decennien wurde von den meisten französi-
schen Bischöfen die Unterzeichnung des Formulars nicht mehr ver-
langt^ und wo es noch unterzeichnet wurde, wie in der Sorbonne,
liess man die von den vier Bischöfen gemachte Distinction zu (Arn.
25, 142). Der Bischof Arnauld von Angers verbot 1676 sogar der
dortigen Universität, die Unterzeichnung des Formulars ohne Unter-
scheidung zwischen der Lehre der 5 Sätze und der thatsächlichen
Frage, ob Jansenius dieselben gelehrt, — bezüglich deren nur eine
soumission de discipline und nur ein silence respectueux verlangt
werde, — zu fordern. Durch ein Arret du Conseil vom 30. Mai
1676 (das Edit du camp de Ninove) wurde diese Ordonnanz cassirt
mit der Erklärung: der h. Stuhl habe mit grosser Klugheit die
Nachsicht geübt, einige Unterzeichnungen des Formulars mit einigen
Erläuterungen zuzulassen ; diese Interpretation dürfe aber nicht obli-
gatorisch gemacht und niemand verwehrt werden, sich purement et
simplement zu unterwerfen (Arg. III b 354). Arnauld erklärte in
einem zweiten Mandement, welches nicht beanstandet wurde, er
^wolle nur hindern, dass man in seiner Diöcese im Widerspruch mit
<len Bedingungen des Friedens die unbedingte Unterzeichnung obli-
gatorisch mache (S.-Beuve 5, 150). Auch diese Vorgänge hat man
in Rom ohne Zweifel erfahren und ignorirt. — Eine weitere Störung
^68 Friedens wurde dadurch veranlasst, dass Gerberon indiscreter
IVeise, wie S.-Beuve 6, 58 sagt, die von M. Barcos (f 1678),
Terfasste Exposition de la doctrine chretienne touchant la gräce
«t la predestination, avec un recueil des passages les plus pricis et
les plus forts de Tecriture sainte, sur lesquels est fond^e cette
doctrine,- Mons 1696, 12. herausgab. Das Buch wurde noch 1696
^on dem Erzbischof Noailles als Jansenistisch verb. (s. u.), 8. Mai
1697 auch in Rom. Es wurde 1700 noch einmal gedruckt mit einer
Schrift von Arnauld (s. u.).
Unter Innocenz XL (1H76 — 89) standen Arnauld und seine
JTreunde in Rom in Gunst, nicht nur wegen ihrer gelehrten apolo-
getischen und polemischen Werke, — den 1. Band der Perpetuiti de
la foi widmete Arnauld 1 669 Clemens IX., den 2. und 3. übersandte
«r Innocenz XI., der durch Card. Cybo danken liess, — sondern
«tuch weil sie, obschon in theologischer Hinsicht Gallicaner, in dem
Regalienstreite auf die Seite des Papstes traten. Faure, Comm. p. 205
f^onstatirt mit grosser Entrüstung, dass Innocenz XI. in einem Schrei-
480 t)ie Jansenistische Controversd.
ben an Arnaald denselben, den Alexander VII. als filins iniquitaüs
charakterisirt, ter venerabilis dominus genannt habe. Ludwig XIY.
drang mitunter auf energische Massregelu gegen die Jansenisten and
seit 1679 gegen Port-Royal; aber Innocenz XI. äusserte wieder-
holt: in Frankreich gebe es viele Gegner des h. Stuhles, aber keine
Jansenisten ; denn als solche könne man doch nur diejenigen be-
zeichnen, welche gegen die Bullen gegen Jansenius Opposition mach-
ten. Sein Secretär Favoriti definirte sogar Jansenist als vir exi-
miae pietatis et virtutis inimicus Jesuitarum. Als Gönner der Jan-
senisten unter den Cardinälen galten Casanate, Azzolini, Carpegna
und Colonna. Der Beichtvater Ludwigs XIV., P. La Chaise, klagte
bitter über die Jansenistischen Inclinationen des Papstes^). Wäh-
rend des Zerwürfnisses über die Franchises äusserte der Qeaeral-
advocat 0. Talon im Parlamente: der Papst, dessen Hauptsorge
sein sollte, die Reinheit des Glaubens zu bewahren und den neuen
Meinungen zu steuern, habe seit seiner Thronbesteigung fortwährend
mit den offenkundigen Anhängern des Jansenius, dessen Lehre seine
Vorgänger verdammt hätten, Verkehr unterhalten, sie mit Gnaden-
erweisen und Lobsprüchen überhäuft und sich als ihren Protector
gezeigt, — und in Paris erzählte man sich, der königliche Beicht-
vater habe Talon veranlasst, diesen Passus in sein Plaidoyer aufzu-
nehmen (Arn. 3, 73. 88). — Als unter Benedict XIV. über die Se-
ligsprechung Innocenz' XI. verhandelt wurde (A. J. P. 11,271)9
machte der Promotor fidei (Advocatus diaboli) geltend: er werd^
von einigen Schriftstellern als Gönner der Jansenisten bezeichnet.^
habe mit den vier Bischöfen in freundlichem Briefwechsel gestan-
den, den Bischof von Aleth, der sein verdammtes Ritual nie aufge-
geben, für einen Brief belobt, in dem u. a. der Jansenismus als eicr
Phantom bezeichnet werde ; er habe den Bischof von Pamiers nact=i
seinem Tode belobt, dem Dr. Arnauld mehrfach sein Wohlwolle
bezeugt, so dass das Gerücht habe entstehen können, er wolle ih
zum Cardinal machen'^); Talon habe 1688 im Parlament gesagt a. s.
Der Postulator causae suchte die zwei Briefe an den Bischof yoi^c - "^
Pamiers zu entschuldigen und die anderen Anklagen zu widerleget
wusste aber gegen die Anklage, Innocenz XI. habe gegen die Janst
nisten in seinem 1 3jährigen Pontificate nichts gethan, nichts anderes voi
zubringen, als: er habe 1679 das Neue Testament von Mons, 168^ ^^^^^
drei jansenistische Schriften gegen die Jesuiten und den runlHliij^iiM mniff
diaphoricns, ferner mehrere dem Erzbischof von Mecheln überreicht:9"^Ate
1) Michaud 4, 414. 432. 436. 441. Der Briefwechsel Amaulds mi
Innocenz XI. und mehreren Cardinälen steht bei Arn. 1, 693; 3, 9. Aa<
Card. Bona (f 1674) stand mit Arnauld in Correspondenz und sagt yo<
ihm z. B. in einem Briefe an L. Dachery von 1672 (Epp., Lncoa 175^<
II, 17): quem ob insignem sapientiam et solidam pietatem summopei
semper veneratus sum.
2) Das Gerücht tauchte 1682 auf. Card. Casoni soll gesagt habeir^*^"»
Arnauld würde Cardinal geworden sein, wenn er nicht die gallicanische' « — ^^^
Artikel vertheidigt hätte.
i
Innooenz XI. P. Nicole. J. Courtois u. a. 481
Jansenistische Thesen und die Uebersetzung des Chrysostomns, sowie
Jansenistische Sätze verdammt. Bezüglich der Aeusserung von Ta-
lon wird nur auf Sfondrato's Refutatio Talonii, Rom 1688, und eine
Censur der Cardinäle (§ 60) verwiesen.
Es sind noch einige Bücherverbote aus den letzten Jahrzehnten
des 17. Jahrh. zu verzeichnen (von einigen wird anderswo zu han-
deln sein). Gleichzeitig mit den Mandements der vier Bischöfe wur-
den 1667 von der Index-Congr. verb.: Memoire sur la cause des
eveques, qui ont distingue le fait du droit und noch 4, einige Wochen
später noch 3 Memoires über denselben Gegenstand ; das 8. handelt
sur les nullitez, abus et injustices d'un Bref contre les quatre Eve-
ques, obtenu par surprise du P. Alexandre VII. dans Textremite de
sa maladie. Diese Memoires wurden 1666 — 67 von Arnauld, La-
lane und Nicole, die damals im Hotel Longueville zusammen wohn-
ten, gemeinschaftlich ausgearbeitet. Das 9. und 10., die Arnauld
1668 schrieb, sind nicht in den Index gekommen (Arn. 24, 170). —
Ferner wird in dem Decrete von 1667 verb.: L'heresie ima-
ginaire, das sind 10 im Laufe der Jahre 1664 und 65 von P.Nicole
unter dem Titel Les imaginaires ou lettres sur Th^resie imaginaire
(den Jansenismus) veröffentlichte Briefe, — nach S.-Beuve 4, 433 assez
dans le goüt des Provinciales, assez dignes de les suivre k distance.
Die Fortsetzung derselben bilden 8 Briefe unter dem Titel Les
visionnaires, die nicht im Index stehen.
Schon 1663 wurde von der Inq. Fer. V. 31. Mai verb.: Ma-
nuale catholicorum hodiernis controversiis amice componendis ma-
xime necessarium, auth. Alethophilo Charitopolitauo, Charitopoli
1663, von dem Oratorianer Jean Courtot. Das Buch wurde mit
<lem Journal de Saint-Amour von dem Conseil du Roy zu Paris 4.
J'an. 1664 zum Verbrennen verdammt (Arg. lllb 314). Eine ältere
Ausgabe: Manuale catholicorum ad evitandas ex mente apostoli pro-
üanas vocum doctrinarumque novitates ex conciliis atque antiquis
patribus fideliter contextum, 1651, wurde erst 1727 verb. — 1669
wurde verb. Abrege de l'ancienne et Celeste doctrine de St. Aug.
«t de toute Tegl. touchant la gräce, par M. F. Mathieu (vielleicht
«ine Ausgabe des Catechisme de la grace von Matthieu Feydeau,
S. 470). — 1674 wurden zwei Reihen von Theses über die Gna-
denlehre verb., welche die Oratorianer zu Saumur hatten vertheidi-
^en lassen. Von den Oratorianern galten damals viele als Janse-
nisten; als die Assemblee generale des Oratoriums zu Paris 1678
«ich scharf gegen die Lehre des Jansenius und Cartesius aussprach,
traten Quesnel und andere aus (Avr. 3, 114. 131). — Weitaus die
^meisten von den zahlreichen in diesen Decennien erschienenen Streit-
«chriften sind überhaupt nicht in den Index gekommen, einige erst
später. Schon Anfangs 1664 erschien ein satirisches Gedicht (von
3.800 Versen, von Barbier d'Aucourt) über die Unterdrückung der
^uten (Jansenistischen) Bücher: Onguent a la brulure, ou le secret
;^our empecher les J^suites de bruler les livres (Gerb. 3, 86), und im
^April zur Vertheidigung desselben (von demselben Autor) Lettre
€i'un avocat ä un de ses amis sur TOnguent pour la brulure, beide
BeuBcb, Index IT. 3]
4^2 Üie Jansenistische Controverse.
22. Dec. 1700 verb. In demselben Decrete stehen: Onguent k
la brulure, 1670, und Seconde maniere d'onguent k la brulnre.
5. Von den geschichtlichen Darstellungen der in diesem Para-
graphen besprochenen Angelegenheit stehen im Index: Histoire
g^n^rale du Jansenisme, contenant ce qui s'est pass^ en France, en
Espagne, en Italic, dans les Pays-Bas* etc. au sujet du libre intit.
Augustinus Corn. Jansenii, par M. TAbbe ***, Amst. 1700*, 3
vol. 12., von der Inq. verb. 1700, von Grerberon, geht bis 1669; —
Hist. du formulaire qu'on a fait signer en France, et de la paix
que le P. Clement IX. a rendue k cette eglise en 1668, verb. 1734,
von Arnauld (Oeuvres 25,150); — Hist. abregne de la paix de
r^glise, Mons 1683, verb. 1732, von Quesnel; — La paix de Cle-
ment IX., ou demonstration des deux fausset^s capitales avancies
dans mist. des 5 propositions contre la foi des disciples de St.
Aug. et la sincerit^ des quatre ^veques, avec Thist. de leur accom-
modement et plus, pieces justificatives et hist , Chamberi 1 700 *,
verb. 1707, von Quesnel, XL und 308 S. 12., dann Deux recueils
de plus, actes etc. 300 S., in dieser Abtheilung p. 113 auch Hist.
abregne . . ., imprim^e en 1698 et corrig^e depuis. Die Hist des
5 prop. de Jans, depuis 1640 jusqu' k 1669, Liege 1699 u. s., gegen
welche Quesnel schreibt, ist von Hilaire du Mas, Dr. Sorb., nicht
von dem Jesuiten Le Tellier (Picot 4, 192). — 1700 wurden auch.
Vers sur la paix de Teglise verb.^).
Mit der Jansenistischen Controverse hängt es zusammen, das
seit 1662 Fast! academici studii generalis Lovaniensis mit d.
im Index steht. Der Name des Verfassers wird weder in dem D
crete (Alex. No. 77), noch in den älteren, noch in den seit Be""
erschienenen Indices genannt, obschon auf dem Titelblatte steh''
edente Valerio Andrea Desselio, J. U. Dr. et Prof. Regio. Gemeia
ist die Editio iterata accuratior et altera parte anctior, Lov. 1650
nicht die 1. Ausgabe von 1636*; denn nur in jener stehen die
len, die offenbar mit d. c. gemeint sind. P. 112 heisst es: in d#
Bulle Pius' V. von 1567 würden mehrere Sätze verdammt, welcV
in Bajus' Schriften nicht ständen, und p. 367: Bajus behaupte, vi
der verdammten Sätze non esse suas nee a se, prout jacent, ass
tas, ut patet tum ex apologia ejus manu scripta, tum ex literi^"^
quas Romam ad N. Cardinalem scripsit (der Brief wird theilweiti:^
mitgetheilt). P. 128 wird berichtet: Jac. Joannis s. Janssonias a^
1625 neben Bajus begraben worden, ut quos par pietatis et doctK^
nae, praesertim Augustinianae zelus rapuerat, tumulus non sep
raret. P. 139 wird die Grabschrift des Jansenius mitgetheilt uä
berichtet, er habe an seinem Augustinus 20 Jahre gearbeitet uv
1) Recueil des pieces qui justifient la verite de ce qui s'est paa^-^^**^
dans la paix qui a ete donnee k TEgl. de France par le P. Clement U ^
en Pan 1668, 1680 von Abbe de Pontchäteau herausg. (S.-Beuve 6, 82^ Ä^ '^fj
wurde 1695 von Precipiano verb. In La paix de Clement IX. ist auch
Medaille mit der Inschrift „Ob restit. Ecclesiae concordiam 1669"
gebildet.
i
Gesohiohtliolie und protestantische Schriften. 483
die Werke des h. Augustinus lOmal, die über die Gnade handeln-
den 30 mal gelesen. Dann wird angegeben, das Buch sei verboten
worden, weil angeblich früher verbotene Sätze darin gelehrt würden,
quamvis hoc aliqui negent et provocent ad examen ipsius libri.
P. 142 wird Lib. Fromondus als in theologia eminens et vere exi-
mius bezeichnet, ut manifestum faciunt libri ab eo conscripti. Eine
corrigirte Ausgabe der Fasti ist nicht erschienen. — Es mag hier
auch ein eigenthümliches Analogen zu dem Römischen Verbote der
Elogia haereticorum erwähnt werden. Der Academiker Charles
Perrault gab 1697 in einem Foliobande 100 Portraits von berühm-
ten Franzosen mit kurzen Eloges heraus: Hommes illustres du 17.
siöcle. Bossuet schreibt darüber 23. Febr. 1697 (Oeuvres 40, 265):
Die Cabale und Eifersucht gewisser Leute hat eine Verstümmelung
d^ Werkes zu Wege gebracht: es sind Männer weggelassen wor-
den, welche wohl einen Platz darin verdient hätten. Bossuets Se-
cretär Ledieu gibt den Commentar dazu : Die Jesuiten haben bewirkt,
dass Pascal und Arnauld, deren Portraits schon gestochen und deren
JSloges schon gedruckt waren, weggelassen worden sind. Das hat
namentlich die Gelehrten revoltirt, und es ist ein Brief darüber er-
ecbienen. S.-Beuve 5, 479 berichtet, die Jesuiten hätten durch Bou-
lioars Perrault Vorstellungen machen lassen, und dieser habe aus
3Fnrcht, durch ihren Einfluss seine Pension zu verlieren, nachgege-
ben; man habe in Paris mehr von der Weglassung der beiden als
^on der Aufnahme anderer gesprochen und darauf angewendet, was
Tacitus Ann. 3, 76 bei Gelegenheit der Beerdigung der Junia, der
^iVaa des Cassius und Schwester des Brutus, sage: Praefnlgebant
OassiuB et Brutus eo ipso quod eorum effigies non visebantur.
Nach 1669 wurden einige Streitschriften von J. Claude und
J*. Jnrieu gegen Arnauld und Nicole verb., von jenem: R^ponse
^a livre de M. Arnauld: La perpetuite de la foi, 1640, verb. 1671,
^nd La defense de la riformation contre le livre : Prejug^s legiti-
^nes contre les Calvinistes (von Nicole), 1673, verb. 1685. Gegen
^ie von Jurieu anonym herausgegebene Schrift La politique du
olerg^ de France hatte Arn., ohne den Verfasser zu kennen, L'apo-
Xo^ie pour les catholiques contre les fausset^s et les calomnies d un
livre intitulÄ: La pol. . . ., geschrieben, in zwei Theilen: über die
^fiehanptung, die Reformirten seien die einzigen XJnterthanen, auf
4eren Treue der König bauen könne ^), und über verschiedene dog-
^^atische Punkte. Jurieu antwortete anonym mit L'esprit de M.
^^rnauld, tir6 de sa conduite et des Berits de luy et de ses disci-
!^le8, particuli^rement de l'Apologie pour les catholiques, Deventer
X684*, 2 vol. 12., verb. 1690 (vgl. R. Simon, Lettres 1, 190. Am.
^2y LXV). Mit seinem Namen schrieb Jurieu Justification QB la
^^orale des r^form^s contre les accusations de M. Arnauld, 1685,
1) In Rom nahm man Anstoss daran, dass Arnauld dem Papste das
bestritt, die Unterthanen ketzerischer Fürsten vom Treueid zu ent*
1k>inden (Arn. 12, LX).
4 64 Pascal und Arnauld über Jesuiten-Moral.
2 vol., verb. 1693. Eine ältere anonyme Schrift Le Janseniste
convaineu de vaine sophisterie, ou examen des Reflexions de M.
Arnauld sur le Pr^servatif contre le changement de religion, 1683,
wurde erst 1707, aber von der Inq. verb. (Die Reflexions, Oeuvres
12, 515, erschienen anonym 1682, Jurieus Preservatif gegen Bossuet,
S. 131, 1681.)
£nde 1686 erschien von Arnauld Le fantöme du Jans^nisme
ou justification des pretendus Jansen istes par le livre meme d'un
Savoyard, leur nouvel accusateur, intitul^; Prejuges legitimes contre
le Jansenisme [avec une bist, abregee de cette erreur . . . par nn
Docteur de Sorbonne, 1686, von dem jungen Abb6 de Ville aus
Savoyen], worin der Satz ausgeführt wird: Wenn man unter der
Haeresie des Jansenismus das Festhalten der Lehre der 5 Sätze ver-
steht, so ist das allerdings eine Haeresie, aber ohne Haeretiker; ver-
steht man darunter die Weigerung, eidlich anzuerkennen, dass diese
Irrthümer in dem Buche des Jansenius stehen, so gibt es allerdings
Haeretiker, aber das ist keine Haeresie. Das Buch (Arn. 25, 1)
wurde wiederholt gedruckt, aber trotz aller Bemühungen der Jesui-
ten nicht verboten 1). Dagegen verbot die Inq. 1694 mit anderen
antijansenistischen Schriften 1694 (§ 65) Disquisitio historico-theo-
logica, an Jansenismus sit merum phantasma, P. 1, 2, 3. Col. In
den älteren Indices steht diese Disquisitio gleichfalls als anonyme
Schrift mit der Angabe, sie sei von der Inq. 7. Dec, ac primum
19. Mai 1694 verb. worden (19. Mai wurde P. 1 verb.). Seit Ben.
ist sie im Index nicht weggelassen, wie Hurter 2, 982 meint, son-
dern unter Jac. de Monbron aufgeführt, unter welchem Namen
sie erschienen ist. Der Verfasser ist der Jesuit Jacques Fontaine«
53. Pascal and ArDauld fiber Jesaiten-Horal.
Die bekannten Briefe von Pascal, welche im J. 1656
zeln und anonym erschienen, wurden 1657 von der Inquisition^
verboten; sie stehen noch heute im Index als anonyme Schfift
Die Jesuiten haben mit ihren Vertheidigungen gegen Pa»^5al
bekanntlich wenig Erfolg gehabt; sie haben damit auch ^^
Rom so wenig Beifall gefunden, dass die bedeutendsten, die ^^ron
Pirot und Daniel, verboten wurden. Die lateinische Ausg^*''*
der PascaVschen Briefe, welche P. Nicole unter dem NaM^'®"
1) Bibl. Jans. p. 90 und Dict. Jans. 3, 235 wird angegeben, r^
fantome, Nicolais Heresie imaginaire und La chimdre du Jansenisme »^^'^."
von einer Assemblee du Clerge verdammt worden. Es ist die Assda"*^^^
von 1700 gemeint, die aber keines jener Bücher, sondern nur einen ^^J?
verdammt hat, in welchem der Jansenismus als Phantasma bezeidinetfi^'^''^
Bl. Pascal. 485
Wendrockius veröffentlichte, wurde nicht verboten, wohl aber
die Entgegnung darauf von Stubrockius, d. i. Honoratus Fabri
S. J. — Als ein Vorläufer von Pascals Briefen kann ein ano-
nymes Schriftchen bezeichnet werden, welches Arnauld 1643
unter dem Titel Theologie morale des Jesuites veröffentlichte.
Viel grösseres Aufsehen erregte La morale pratique des Jesuites,
wovon die beiden ersten Bände, 1669 und 1683, von demAbb^
de Pontchfiteau, die fünf folgenden, 1689 — 95 von Arnauld ver-
fasst sind. Nur die beiden ersten wurden 1d71 und 1687 ver-
boten, 1687 auch eine Hauptquelle Pontchäteaus, das schon
1654 erschienene Teatro Jesnitico, 1700 eine Gegenschrift des
Jesuiten M. Le Tellier: — Ein Gegenstand, den Arnauld in der
Morale pratique ausführlich behandelt, der Streit der Jesuiten
mit dem Bischof Palafox, hat im 17. und 18. Jahrhundert sehr
viele Streitschriften hervorgerufen und spielt im spanischen
Index eine grosse Rolle. Im Römischen Index bezieht sich
darauf nur ein Decret vom J. 1656 bezw. 1658, in welchem
verordnet wird, aus einem Bande der Lyoner Ausgabe des Bul-
larinm sechs Seiten zu entfernen, auf welchen hinter den auf
den Streit bezüglichen Breven Innocenz' X. eine jesuitische Um-
dentnng der päpstlichen Entscheidung abgedruckt ist.
1. Die Lettres Äcrites k un provincial par un de ses amis er-
schienen einzeln im J. 1656, — der 1. ist vom 23. Jan. datirt, —
anonym. Die 3 ersten behandeln die Verhandlungen in der Sorbonne,
die mit der Ausschliessung Arnaulds endigten ; in dem 4. geht der
Verfasser davon zu einer Polemik gegen die Jesuiten über; der
5. — 10. sind der Jesniten-Moral gewidmet; der 11. — 16., die an
die Jesuiten adressirt sind, beantworten die von ihnen veröffent-
lichten Entgegnungen; der 17. und 18. sind an P. Annat gerichtet
und zeigen mit Rücksicht auf dessen Cavilli (8. 472), dass es sich bei
dem sog. Jansenistischen Streite gar nicht um eine Ketzerei handle,
sondern um die Frage, ob Jansenins die 5 von den Päpsten ver-
dammten Sätze gelehrt habe. Als 19. Brief wird der S. 477 be-
sprochene von A. Le Maitre gezählt^). Zwei Gesammtausgaben der
(19) Briefe erschienen 1657 bei Elzevier in Amsterdam mit dem
Druckort Cologne, die zweite mit dem Titel: Les Provinciales ou
les lettres escrites par Louis de Montalte. In dem Decrete der Inq.
Fer. V. 6. Sept. 1657 und in den älteren Indices (unter Epistolae)
werden die Briefe einzeln aufgezählt ; sie stehen, wie gesagt, noch
1) S.-Beuve 3, 44. 98. 201. Reuchlin, Pascals Leben S. 72, und
über die Gegenschriften S. 284.
486 Pascal und Aruaald über Jesuiten-Moral.
heute nicht unter Pascal oder Louis de Montalte, sondern nnter
Lettre.
Schon während des Erscheinens der Briefe erschienen Ent-
gegnungen von Jesuiten, von denen aber Amanld (2, 844) mit Recht
sagt, Pascal habe sie in den letzten Briefen minirt. 1657 erschien
dann zu Paris Apologie pour les casuistes contre les calomnies
des Jans^nistes, oü le lecteur trouvera les y^ritis de la morale
chr6t. si nettement expliquies et pronvies avec tant de solidit^, qu'il
lui sera ais6 de voir que les maximes des Jans, n'ont qae Tappa-
rence de la verite et qa'effectivement elles portent k tontes tortes
de p^chez et aux gfttnds relachements qu^elles blament avec tant de
siveriti, par un Theologien et Professeur en Droit Canon, 191 S. 4.
(Col. 1658, 338 S. 12.), von den Jesuiten Georges Pirot (1599—
1659). Sie wurde von den Pfarrern von Paris und Ronen ihren
Erzbischöfen denuncirt, von mehreren Bischöfen und sehr scharf mit
Anführung der schlimmsten Stellen 16. Juli von der Sorbonne cen-
surirt (Arg. III a 75) und, namentlich auf Betreiben des Oratoria-
ners Ch. Desmarets, auch durch ein speoielles Deoret der Inq.
Fer. V. 21. Aug. 1659 (Alex. No. 71) verb. — Hon. Fabri, Apol.
1, 665, sagt, diese Apologie sei nicht im Auftrage der Gesellschaft
verfasst und nicht vom General approbirt worden; aber er lobt den
Verfasser und behauptet, von seinen 54 Moralsätzen seien 3 oder
4 sicher, 45 probabeler als das Gegentheil und nur 4 oder 5 weniger
oder nicht probabel; jedes Buch könne verboten werden, entweder
weil es eine schlechte Lehre enthalte, wie die Btlcher der Jesniten-
feinde, oder weil es in zu scharfem Tone geschrieben sei (nnd einige
sagten, das habe an der Apologie Alexander YII. besonders
fallen) oder weil es gegen die Index-Hegeln ohne Approbation, ano
nym und ohne Angabe des Druckers und Druckortes erschienen 8^
An einer andern Stelle p. 686 sagt er: die Inquisition habe
Genehmigung Alexanders VII. beschlossen, das Buch eingehend
prüfen (er selbst sei mit dem Referate beauftragt worden!); al
der Papst habe in Folge der Vorstellungen zweier Ordensleute seil
Sinn geändert und an einer Fer. V. befohlen, das Buch ohne weit»^ _:.ere
Untersuchung zu verbieten. — Spätere Jesuiten geben Pirot pr^^'"^^'
Cr^t.-Joly 4, 43 bezeichnet sein Buch als eine apologie maladro^:^ *o^^®
qui donnait gain de cause a Pasital, und schon Avr. 2, 375 sa^-tf^^*
„Es ist als ob Pirot eine Apologie der Briefe Pascals hätte schreibt '^}^^\
wollen ; so viel Mühe gibt er sich, mehrere (von Pascal critisir:«: m: i^te)
Entscheidungen (von Casuisten) zu rechtfertigen, welche ihre L^ ^^'
heber wahrscheinlich selbst verdammt hätten, wenn sie die Fol^^ ^ *^S^^
vorausgesehen hätten. Man sagt, der Provincial und die meisten » ^ *'^
Suiten, die das Manuscript gesehen, seien gegen die VeröffentlichoK^ Änuog
gewesen, Pirot und seine Freunde hätten diese aber durchgi. m'f^S^
setzt."
In den Jahren 1656 — 58 erschien eine ganze Beihe von H ^^
klärungen der Pfarrer von Ronen und Paris für Pascal und ge^ö^**^^
Pirot, zum Theil von Amauld und Nicole (eine von Pascal) v «>^^^^
G. Pirot. W. Wendrockius. 487
fas8t^). Die zu PariH versaininelten Bischöfe missbilligten ein
solches Vorgehen der Sacerdotes secundi ordinis ohne Genehmigung
der Bischöfe; eine dieser Schriften (Septieme ^crit des cur6s de
Paris) wurde 7. Juni 1659 vom Conseil d'itat unterdrückt; die
Angabe aber, auch die Inquisition habe 1659 eine verdammt (Avr.
2, 377), ist unrichtig; das Sommaire von Ronsse bezieht sich auf
etwas anderes (S. 391).
1658 erschien, angeblich zu Köln (zu Amsterdam ?), eine XJeber-
setzung der Provincialbriefe: Ludovici Montaltii litterae provinciales
a Wilhelmo Wendrockio Salisburgensi Theologo in latinam linguam
translatae et theologicis notis illustratae. Die Uebersetzung und
die Noten und die beigedruckten Pauli Irenaei Disquisitiones ad
praesentes Ecclesiae tumultus sedandos opportunae sind von Pierre
Nicole^). Diese lateinische Ausgabe fand eine noch grössere Ver-
breitung als die Originalausgabe und machte Pascals Angriff gegen
die Jesuiten auch ausserhalb Frankreichs bekannt.
Das Parlament von Aix hatte schon im März 1657 die ersten
16 Provincialbriefe zum Feuer verdammt. Wie S.-Beuve 3, 212
erzählt, mochten aber die Richter kein Fxemplar missen, und es
wurde darum thatsächlich nur ein Kalender verbrannt (on ne sacri-
fia qu^une hiebe k la place d'Iphigenie). 1659 drangen die Jesuiten
bei dem Parlament von Bordeaux auf eine Verdammung der Aus-
gabe von Wendrock; die dortigen Theologen fanden aber nichts
Ketzerisches in dem Buche. Dagegen verfügte ein Arret du con-
seil d'etat vom 23. Sept. 1660: da nach dem Urtheil von 4 Bi-
schöfen und 9 Doctoren der Sorbonne, die der König mit der Prü-
fung beauftragt, in den Briefen selbst, in den Noten und in den
Abhandlungen von Paulus Irenaeus nicht nur die Ketzereien des
Jansenius vertheidigt, sondern auch der Papst, die Bischöfe, der
König, die Minister, die Sorbonne und die Orden geschmäht würden
(Arg. III a 80), so sei das Buch von Henkershand zu verbrennen,
und dieses Urtheil wurde 14. Oct. vollstreckt (Arg. III b 294).
In Rom wurde die Ausgabe von Wendrock nicht verb., auch
nicht die Ausgabe: Les Provinciales . . . avec les notes de Guill.
Wendrock traduites en frangais, 1712, 3 vol.^). Dagegen wurde
1762 von der Inq. verb.: Le provinciali di Luigi da Montalto . . . .
colle annotazioni di Guglielmo Wendrock, tradotte neir italiana fa-
1) Sie sind zum Theil abgedruckt in den späteren Ausgaben der
Lettres Prov. (Cologne 1738, p. 439) und im 3. Bande der Oeuvres de
Pascal, 1779. Vgl. Avr. 2, 361. 877. S.-Beuve 3, 204.
2) Die Abhandlung über die Pflicht, Gott zu lieben, Note 3 zu Epist.
10 (gegen Sirmond) ist eine Uebersetzung eines Aufsatzes von Arnauld;
der Abhandlung über den Probabilismus hinter Epist. 5 liegt ein Aufsatz
von Arnauld zu Grunde, den aber Nicole bedeutend erweitert hat (Arn.
29, IV).
3) Die Uebersetzung der Noten von Wendrock ist von Mademoiselle
Marguerite de Joncoux, die mit J. B. Louail auch eine Hist. abregee du
Jansenisme, Col. 1698, herausgegeben, die gleichfalls nicht im Index steht
(Haureau, Hist. litt, du Maine 4, 268. 271).
488 Pascal und Arnauld über Jesuiten-Moral.
vella, con nuove annotazioni, Yen. 1761,* 6 vol. 8. Die 100 Seiten
lange Vorrede enthält heftige Angriffe auf die Jesuiten und böse
Anspielungen auf die Curie; S. 32 wird z. B. behauptet, es siebe
immer ein Cardinal im Solde der Jesuiten, unter Benedict XIII. sei
dies Coscia, unter Benedict XIV. Valenti gewesen; S. 51 wird von
der esecrabile bulla ünigenitus gesprochen u. dgl. Der italienische
üebersetzer war Cosimo Brunetti, nach den N. E. angeblich ein in
Bern lebender apostasirter Franciscaner. In dem Decrete heisst es:
das Buch sei mit falschem Druckorte erschienen, enthalte injuriöse
Vorreden, Verse, Noten und andere Ketzerei und G-ottlosigkeit ath-
mende Zusätze; es solle verbrannt werden (das geschah 17. Oct.
1762 vor der Minerva) und diese Ausgabe von 1761 und jede andere
bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent. verb. sein (N. E.
1762, 69).
Wendrocks Buch wurde, wie gesagt, in Rom nicht verb., wobl
aber das Buch des Jesuiten Honoratus Fabri, Notae in notas Wilh.
Wendrockii ad Ludovici Montaltii literas et in disquisitiones Pauli
Irenaei inustae a Bern. Stubrockio Viennensi Theologo, Col. 1659,*
302 S. 8., freilich erst 1678, während der Apologeticus von Fabri,
in dessen 2. Auflage, Col. 1672, die Notae und Lud. Montaltii
Epistolares libelli ad Provinoialem refutati a Bern. Stubrockio, Col.
1660, abgedruckt sind, schon 1672 und 1673 verb. wurde.
Endlich 40 Jahre nach dem Erscheinen der Briefe Pascals
unternahm einer der angesehensten französischen Jesuiten, Gabriel
Daniel (1667 — 1728), die Widerlegung derselben in der anonymen
Schrift Entretiens de Cl^andre et d*Eudoxe sur les lettres au pro-
vincial, Cologne (Ronen) 1694 (die 2. Ausg., Col. 1696, hat den
Titel : Reponse aux lettres prov. de Louis de Montalte ou entre-
tiens etc.). Das Buch wurde noch in demselben Jahre von Jouvency
ins Lateinische übersetzt: Cleander et Eudoxus seu de provincia-
libuR quas vocant literis dialogi, Col. 1694 u. s., in den folgenden
Jahren von anderen Jesuiten ins Italienische, Spanische und Eng-
lische (Backer 1, 242). — Cr^t.-Joly 4, 51 gesteht: „Die Jesuiten
vernachlässigten ihre Vertheidigung [sie haben wenigstens thatsäch-
lich nichts Durchschlagendes zu ihrer Vertheidigung producirt], und
als mehrere [31] Jahre nach dem Tode Pascals P. Daniel eine solche
unternahm, hatte er den kalten Verstand, aber nicht die Lacher
auf seiner Seite. Er unterlag in diesem ungleichen Kampfe. Der
Eindruck, den Pascal gemacht hatte, war unauslöschlich.'' S.-Beuve
3, 222 sagt: „Sein Buch wurde wenig gelesen, und die Gescheiteren
in der Partei fürchteten, es möchte noch zu viel gelesen werden.
P. de La Chaise und der Erzbisohof de Harlay von Paris, die
Männer von Geist waren, thaten alles um das Buch [die I.Ausgabe]
gleich nach der Geburt zu unterdrücken." Die Exemplare der 1.
Ausgabe wurden zu einem hohen Preise zurückgekauft^). — Die
1) S.-Beuve 2, 223 sagt weiter: „Man erzählt, man habe das Buch
auch an dem langweiligen Hofe des Königs Jacob zu St. Germain gelesen.
B. Stnbrockius. G. Daniel. G. Gerberon. -M. Petit-Didier. 489
lateinische Uebersetznng wurde 1703 von der Inquisition verb.
Nach der S. 82 erwähnten Regel gilt das Verbot auch für die Ori-
ginalausgabe und andere Uebersetzungen. Daniel hat es nicht so
verstanden, vielmehr die Entretiens in dem Recueil de divers ou-
vrages . . . par le P. Daniel, Par. 1724,* 3 vol. 4., wieder ab-
drucken lassen. In einem Briefe an Serry (Recueil 2, 365) sagt
er ausdrücklich, nicht die Originalausgabe, sondern nur die latein.
üebersetzung stehe im Index; — dieser antwortet ihm (Opera VI,
8): in dem Decrete der Inq. werde sein Buch quocunque idiomate
impressus vel imprimendus in quocunque loco verb.; — behauptet
auch, der Papst habe sich einem Ordensgeistlichen (nicht Jesuiten)
gegenüber ungehalten über das Verbot ausgesprochen, — aufgehoben
wurde es aber bis zur Stunde nicht, — und bemerkt ferner: „Wie
Sie wissen, folgt aus der Thatsache, dass ein Buch im Index steht,
nicht immer, dass dasselbe eine schlechte Lehre enthält. Dazu be-
darf es nur der Nichtbeachtung gewisser Vorschriften (rubriques),
die der h. Stuhl vormals in seiner Weisheit erlassen, die aber in
Frankreich gar nicht in Gebrauch sind,*' — wozu S.-Beuve 3, 225
sich die Bemerkung erlaubt: „Sollte uns jemals die Ehre wider-
fahren, auf den Index gesetzt zu werden [natürlich ist diese Ehre
seinem Port-Royal widerfahren], so brauchten wir zu unserer Ver-
theidigung nichts anderes zu sagen.'*
Im folgenden Jahre 1704, wurden zwei (unbedeutende) Ent-
gegnungen auf Daniels Buch verb. : Conference de Diodore et de
Th^otime sur les Entretiens de Cl^andre et d'Eudoxe qui servent
de nouvelle reponse aux Lettres Provinciales, Par. 1697, 8., und
Apologie des Lettres Prov. de Louis de Montalte contre la der-
niere reponse des J^s., intitulee Entretiens . . . , Ronen (Delft)
1697. 98, 2 vol. 12. Die Conference ist von Gerberon, die Apo-
logie ist eine Sammlung von Briefen an Daniel, die 1697 — 98 ein-
zeln erschienen (Daniel antwortete darauf; Backer 1, 242). Der
Verfasser derselben ist Matthieu Petit-Didier (1659 — 1728), der
bei den Jesuiten studirt hatte, seit 1675 aber Benedictin er von der
Congregation de St. Vannes et de S. Hidulphe war; er hat sich
selbst Freunden gegenüber als Verfasser bezeichnet, freilich aber
später in einem Briefe an Card. Corradini vom 30. Sept. 1726, um
seine Orthodoxie in Rom zu bekunden, das Buch desavouirt^).
und die Leetüre habe einigen Herrt^n am Hofe wegen der Stellen aus
Pascal, die Daniel in extenso mittheilt, so viel Vergnügen gemacht, dass
sie sofort sich die Provinrialbriefe selbst verschafften.** P. Daniel kritisirte
auch den Stil Pascals (S.-Beuve 3, 51). In dieser Hinsicht ist doch wohl
beachtenswerther als sein Urtheil das von Voltaire (Siecle le Louis XIV.):
Le prcmier livre de genie qu^on vit en prose, fut le recueil des Lettres
prov. Toutes les sortes d'eloquence y sont renfermees. II faut rapporter ä
cct ouvrage l'epoque de la fixation du langage. S.-Beuve 3, 150 sagt:
Les meilleures comedies de Moli^re n'ont pas plus de sei que les pre-
mieres Prov., dit Voltaire; Bossuet n^a rien de plus sublime que les der-
ni^res.
1) Petit-Didier wurde 1716 Abt von Senones. Er appellirte gegen
490 PascaLund Amaald über Jesuiten-Moral.
Die Jesuiten haben in dem Kampfe mit Pascal offenbar den
kurzem gezogen und die Wunden, die er ihnen geschlagen, nie ver-
schmerzt^). Die Behauptung, Pascal habe die Veröffentlichung der
Briefe bereut und eingestanden, dass er den Jesuiten unrecht ge-
than, ist eine Fabel. Er erklärte: „Auf die Frage, ob ich die
Bücher, die ich citirt, alle gelesen, antworte ich: nein; aber den
Fscobar habe ich zweimal ganz durchgelesen ; die anderen habe ich
durch einige meiner Freunde durchlesen lassen, aber ich habe keine
der von diesen gesammelten Stellen benutzt, ohne sie selbst im Zu-
sammenhange gelesen zu haben. ^' „Seine Gegner, sagt S.-Beuve
8, 123, haben hie und da ein ungenaues Citat oder eine etwas
arrangirte und zugespitzte Uebersetzung hervorheben können; er
stellt mitunter die Meinung des Gegners klarer hin, als sie her-
vortreten würde, wenn er den ganzen Text anführte ; er nimmt,
wie Annat sagt, vier Worte aus einer langen Stelle heraus, wenn
ihm das passt; er hilft gern dem Wortlaute etwas nach; endlich ist
ihm auch bei dem Gewirre von Autoritäten und Meinungen hie und
da ein Missgriff begegnet: das ist alles, was man sagen kann, ohne
darum ein Recht zu haben, seine Ehrlichkeit in Zweifel zu ziehen."
Und Eeuchlin sagt: „Die Jesuiten hatten Pascal in seinen ersten 7
Briefen 20 Fälschungen nachzuweisen gesucht. Ist es aber einer-
seits nicht in Abrede zu stellen, dass er einige Citate nicht in dem
Sinne vorgebracht hatte, welchen sie im Zusammenhange haben,
ja dass in der ersten Ausgabe eine Stelle mit Cursivschrift gedruckt
war, wovon nur ganz weniges sich in dem jesuitischen Autor fand,
so fallen anderseits die 20 Falschheiten zum Theil als identisch zu-
sammen; einen Theil der Anklagen hat Pascal eingestandener Massen
siegreich zurückgewiesen und für die übrigen kommen wenigstens
seiner Wahrhaftigkeit sehr beachtenswerthe rechtfertigende oder
entschuldigende Gründe zu gute^^^).
die Bulle Unigenitus, nahm aber die Appellation bald zurück. 1724 schrieb
er einen Traite sur Tautorite et infaillibilite du Pape (1724 vom Parla-
ment verb.; Rocquain, L'esprit revol. p. 37). Darauf wurde er 1726 zum
Titularbischof von Macra ernannt und von Benedict XIII. conseorirt, der
ihm eine Mitra gab mit den Worten: Quia intinxisti calamum pro
hac S. Sede, ipsa Sedes S. te remunerat. Dann erschienen in Rom 1726
Documenta sanae et orthodoxae doctrinae P. Matth. Petit-Didier, 4 S.
Fol., darin ein Brief an Card. Corradini, worin er sagt, die Apologie sei nicht
von ihm. Zur Entschuldigung dieser Behauptung kann höchstens gesagt
werden, dass sein Manuscript mit einigen Aenderungen und Zusätzen
gedruckt worden war. Morery, Suppl. s. v.
1) Bussi-Rabutin erzählte seinen Freunden, als er fär seine scanda-
löse Histoire amoureuse des Gaules 1665 in der Bastille gesessen, hatten
ihm die Jesuiten durch seinen Beichtvater P. Nouet die Fürsprache des
Beichtvaters des Königs P. Annat versprochen, wenn er gegen Pascal
schreiben wolle; er habe sich von ihnen Material liefern lassen, aber bald
erkannt, dass die Aufgabe unmöglich zu lösen sei. S.-Beuve 3, 221.
2) Pascals Leben S. 137. 170. Ueber Cret-Joly's Kritik s. Gioberti,
Gesuita mod. 7, 49.
Theologie morale des Jesuites. 491
Auch Pascals Pens^es (zuerst 1670 gedruckt) stehen im In-
dex, aber nur die Ausgabe Pens^es de Pascal avec les notes de
M. de Voltaire, Gen^ve 1778, 2 vol., verb. 1789, natürlich nur der
Voltaire'schen Noten wegen. Freilich Hardouin zählte Pascal zu
den Atheisten und auch der Erzbischof de Tencin von Embrun
brachte 1733 einige „Chicanen" gegen die Pens^es vor (S.-Beuve
3, 395).
2. In Arnaulds Theologie morale des Jesuites extraite fidelle-
ment de leurs livres, Par. 1643 (und 1644), 61 S. 12. (Am. 29,
74), sind in kurzen Paragraphen Sätze aus Schriften von Jesuiten
zusammengestellt unter den Rubriken: 1. gegen die christliche Moral
im allgemeinen, 2. gegen die Liebe Gottes und des Nächsten, 3. gegen
die zehn Gebote, 4. bezüglich der Sacramente, 5. gegen die Kirche
und die Hierarchie, z. B. unter No. 3: „Bezüglich des 2. Gebotes
behauptet Bauny, wenn man Gott als Zeugen anrufe bei einer kleinen
Lüge, so sei das keine ünehrerbietigkeit (irreverence), wofür Gott
einen Menschen verdammen wolle und könne.'^ Am Rande stehen
die Yerweiiiungen auf Sanchez, Sa, Reginald, Cellot, ßauny, Garasse,
P. de Barry. Die Universität hatte Hallier beauftragt, eine solche
Zusammenstellung zu machen, und dieser hatte Ärnauld die Arbeit
übertragen und ihm Material dafür geliefert. — Es erschienen Gegen-
schriften von mehreren Jesuiten, Caussin, Pintherau (unter dem
Namen Abb6 de Boisic, Am. 35, 11) und Annat, von diesem: Lettre
d'Eus^be k Polemarque, dagegen Lettre de Polemarque 4 Eusebe
und Lettres d*un th6ologien ä Polemarque, 1644 (Am. 29, 95. 101).
— Das Parlament von Bordeaux verbot 1644 La th^ol. mor. des
Jes. contre la morale en gen^ral (Arg. III b 248). Das wird Ar-
naulds Schriftchen sein. Wahrscheinlich ist es auch mit Anonymi
cujusdam liber inscr. Theologia moralis Jesuitarum in dem Index-
Decrete vom 10. April 1666 und in den älteren Indices gemeint.
Ben. hat dafür substituirt La Theologie morale des Jesuites et
nouveaux casuistes. Ein Werk mit diesem Titel gibt es: La th6ol.
mor. des Jes. et nouv. casuistes, repr^sent^e par leur pratique et
par leurs livres, condamn^e il y a d6jä long-temps par plusieurs
censures, decrets d^universitez et arrests de cours souveraines, nou-
vellement combattue par les curez de France et censur^e par un
grand nombre de prelats et par des Facultez de Th6ol. catholique . . ;
aber diese Sammlung ist erst Cologne 1668 erschienen (Mendham
p. 182), kann also in dem Index-Decrete von 1666 nicht gemeint
sein. — Ein drittes Werk mit einem ähnlichen Titel ist : La morale
des Jesuites extraite fidelement de leurs livres imprimez avec la
permission et Tapprobation des superieurs de leur Compagnie, par
un Docteur de Sorbonne (Perrault), Mons 1667, 4. (Mons 1702,*
3 vol. 12.). Dieses wurde 1670 von einigen Doctoren der Sorbonne
auf Befehl des Erzbischofs von Paris geprüft und auf ihr Gutachten
hin als ein Buch voll Lügen und Verleumdungen und voll scanda-
löser und ketzerischer Sätze auf Befehl des Parlaments 13. Mai
verbrannt (Arg. III a 138; III b 337). Im Index steht es nicht.
3. Ein Buch anderer Art, welches sich nicht mit den Lehren,
492 Pascal und Arnauld über Jesuiten-Moral.
sondern mit den Thaten der Jesuiten beschäftigt, ist La m orale
pratique des J^suites, represent^e en plusieurs bistoires arriv^es
dans toutes les parties du monde, wovon vol. 1 Cologne (bei Elze-
vier in Amsterdam) 1669 erschien, ein second volume divis^ en 7
parties, oh. l'on repr^sente leur conduite dans la Chine, dans le Ja*
pon, dans TAm^rique et dans TEthiopie, le tout tir6 de livres au-
toris^s ou de pi^ces tres-authentiques, s. 1. 1683'*', 424 S. 12. (beide
Bände abgedruckt bei Arn. 32, 1 ). Der 1 . Band enthält n. a. die
Weissagung der h. Hildegard mit einem Commentar von J. B. de
Lanuza 0. P., einen Auszug aus der Imago primi saeculi mit Com-
mentar, Berichte über den Streit der Jesuiten mit den alten Orden
in Deutschland (S. 291), Berichte über einen Bankerott der Jesuiten
in Sevilla, über verschiedene Betrügereien, über die Thätigkeit der
Jesuiten in Japan , der 2. u. a. Actenstücke über ihre Con-
flicte mit dem Bischof Palafox. — Der Herausgeber dieser beiden
Bände ist der Abb6 Sebastien Joseph du Cambout de Pontoh&tean,
ein Verwandter Richelieu*s ^), nicht Amanld, der bei dem 1. Bande
gar nicht betheiligt ist, zu dem 2. nur ein Stück beigetragen hat,
das 6., Remarques sur diverses choses importantes que les Jisuites
racontent d'eux m^mes en rapportant les bistoires de lenrs missions
(Arn. 3, 42. 44). Der erste Band wurde 1671, der 2. 1687 von der
Index-Congr. verb.
Eine Hauptquelle Pontchäteau's war ein spanisches Buch:
Teatro Jesuitico, apologetico discurso con las saludables y seguras
doctrinas, necesarias a los principes y sefiores de la tierra. Escri-
bialo el D. Francisco de la Piedad, Coimbra 1654. PontchAteau
soll eigens nach Spanien gereist sein, nm sich ein Exemplar des
Buches zu verschaffen. Als Verfasser desselben halte er auf
Grund der in Spanien allgemein verbreiteten Angabe den Domini-
caner Alonso Henriquez, einen natürlichen Sohn Philipps IV., seit
1663 Bischof von Malaga, f 1692, bezeichnet. Im J. 1686 erklärte
dieser aber auf Veranlassung der Jesuiten, er sei nicht der Verfasser ;
die Erklärung ist gedruckt unter dem Titel Querimonia oatholica,
Madrid 1686^). Wahrscheinlich hat der Dominicaner Juan de Ribas,
f 1687 zu Cordova, das Buch geschrieben, vielleicht unter Mitwir-
kung des Bischofs von Malaga. Er wird in einer Broschüre: Re-
spuesta monopantica^) dirigida a don Fris Fräs de la Borra nneva-
mente confirmado con el nombre de Fiera Bras Judain, 1685 (von
dem Jesuiten Juan Cortes Osorio) als Verfasser bezeichnet nnd ihm
1) S.-Beuve 5. 248. 6, 300. Nach Morery, Suppl. s. v. Varet haben
Claude de Sainte Martha und Baudri de St. Gilles d'Asson an den beiden
Bänden mit gearbeitet und hat Alex. Varet, f 1676, die erste Vorrede
geschrieben.
2) Arnauld S, 42; 4, 4. Eine zu Madrid 1686 gedruckte Ausgabe
Hess der Bischof von Malaga verbrennen, weil die mit der Herausgabe
beauftragten Jesuiten sie geändert hatten. Patuzzi 2, 168; 6, 807, 828.
3) Monopantici — die allein alles sind, — ist wie Solipsi ein Spitz-
name der Jesuiten. Papebroch, Elucid. p. 139.
t"
Morale pratique des Jes. Teatro Jes. M. Le Tellier. 493
vorgeworfen, er habe darin den Ketzern Waffen gegen die Jesuiten
geliefert (Arn. 32, II. 473. Placcius 507). Diese Respuesta kam
1686, das Teatro gleichzeitig mit dem 2. Bande der Morale prat.
1687 in den Index (in Spanien war es schon 12. Febr. 1655 verb.
worden).
Vier Jahre nach dem 2. Bande der Morale prat. erschien
Defense des nouveaux chrestiens et des missionaires de la Chine,
du Japon et des Indes contre deux livres intitulez: La morale prat.
des J^s. et L'Esprit de Mr. Arnauld (von Jurieu), 1687, 568 S. 12.
(2. £d. avec une reponse ä quelques plaintes contre cette defense,
1688, 570 S.), von dem Jesuiten Michel Le Tellier (1643—1719),
der später Beichtvater Ludwigs XIV. war. Arnauld veröffentlichte
darüber zunächst 1688 zwei Briefe an den Landgrafen Ernst von
Hessen-Rheinfels (Arn. 32, 458; dagegen schrieb Le Tellier Entre-
tiens sur la plainte cath. de Teveque de Malaga, 1' Esprit de M.
Arnauld, la Defense des nouv. ehrest, et deux lettres de M. Arnauld,
1689), dann Morale pratique des Jesuites. 3. Volume, contenant la
justification des deux premiers volumes de cette Morale contre le
livre faussement intitule Defense etc., 1689. Diesem 3. Bande Hess
Arnauld noch drei weitere folgen: 4. vol., contenant Thist. de Dom
Jean de Palafox . . ., 1690, — 5. vol. contenant Thist. de la per-
secution de deux saints eveques par les Jesuites, Dom Bernard de
Cardenas (Franciscaner, Bischof in Paraguay) et Dom Phil. Pardo
(Dominicaner, Bischof von Manila), 1691, — 6. vol. contenant la
«uite de Thist. . . ., 1693. Nach seinem Tode erschien noch: 7. vol.
De la calomnie ou Instruction du proces entre les J^s. et leurs ad-
versaires sur la mati^re de la calomnie, 1695 (Arn. 33 — 35). Bei
dem 3., 4. und 5. Bande arbeitete Pontchäteau mit. Material lie-
ferten von Rom aus du Vaucel und Casoni, auch die Cardinäle Ca-
sanate, Aguirre und Carpegna, die Dominicaner Serry und Massouli^
und Peter Quessade, Procurator in Quito (Arn. 3, 35 ff.).
Das Buch von Le Tellier wurde 1690 von den Dominicanern
in Rom denuncirt und 1691 in der Index-Congr. darüber verhandelt.
Die drei Consultoren, denen es zur Prüfung übergeben wurde,
Abate Fabretti, Canonicus Palaggio und der Bernardiner Borgia,
beantragten im Jan. 1692 das Verbot desselben. Die Jesuiten er-
boten sich nun, eine expurgirte Ausgabe zu veranstalten; einfluss-
reiche Personen, auch P. Segneri, verwendeten sich für Le Tellier,
und in der Sitzung am 3. März 1692, in welcher nur 8 Cardinäle
zugegen waren, wurde auf den Antrag des den Jesuiten günstigen
Card. Colloredo mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Verfasser
eine Frist von 5 Monaten zu gewähren, innerhalb deren er nach
Rom kommen und dort eine expurgirte Ausgabe besorgen solle (zwei
Cardinäle stimmten für das Verbot mit d. c, Aguirre für ein unbe-
dingtes Verbot). Du Vaucel meint in einem Briefe an Arnauld, Le
Tellier werde sich verbieten lassen, der Citation nach Rom Folge
zu leisten. Er kam wirklich nicht, sondern schickte den P. Doucin
als Bevollmächtigten. Der Dominicaner-General wurde beauftragt,
die vorzunehmenden Emendationen anzugeben, aber auf Betreiben
494 Pascal und Arnauld über Jesuiten-Moral.
der Jesuiten durch drei andere, nicht dem Dominicanerorden ange-
hörende Correctoren ersetzt. Die Correctur zog sich ein Jahr hin.
Man scheint sich aber nicht über eine expurgirte Ausgabe verstän-
digt zu haben, denn die Index-Congr. beschloss 23. März 1694 ein-
stimmig, das Buch einfach mit d. c. zu verbieten. Es gelang den
Jesuiten, die Publication dieses Decretes zu verzögern ; das Verbot
wurde erst 1700 publicirt. Le Tellier hatte 1693 eine neue Aus-
gabe mit seinem Namen und mit der Erklärung, dass er das Buch
der Correction des h. Stuhles unterwerfe, publicirt (die Ausgabe ist
aber kein neuer Druck ; es sind nur einige Cartons und der 4. Bogen
neu gedruckt; Backer 2, ö2ö); eine in Rom approbirte neue Ausgabe
ist nicht erschienen. Es handelte sich übrigens bei der Correctur
nicht bloss um die Darstellung der Thätigkeit in China u. 8. w.,
sondern auch um Angriffe auf die Löwener, von deren Censnr gegen
Lessius (IS. 446) Le Tellier gesagt hatte, sie sei als bajanistisch
und jansenistisch verdammt worden, und dgl.^).
Während der Verhandlungen über die Defense, im Sommer
1692, versuchten die Jesuiten durch eine Denunciation des 3. Ban-
des der Morale pratique eine Diversion zu machen; aber alle An-
strengungen, denselben in den Index zu bringen, blieben ohne Er-
folg (Am. 3, 518. 711). Auch die folgenden Bände sind in Rom
nicht verb. worden. Wenn seit Ben. im Index steht La morale
prat. etc. ohne vol. 1. et 2., also das ganze Werk verb. wird, so
ist das ein Fehler. Die dabei angeführten Decrete von 1671 und
1687 verbieten nur die beiden ersten Bände (der 3. erschien ja auch
erst 1689), und hätte Ben. auch die anderen verboten, so würde
das Datum des Verbotes dabei stehen, wie bei Dupin, Nouv. Bi-
blioth^que 10. Mai 1757 beigefügt ist. — Der Jesuit Lazzeri, der
dem Secretär der Index-Cong., P. Kicchini, bei der Kedaction des
Index von 1757 half, soll die Weglassung des vol. 1. et 2. besorgt
haben ^).
4. Juan de Palafox y Mendoza, geb. 1600, war 1639 — 53
Bischof von Puebla de los Angelos (Angelopolis) in Mexico, —
1653 wurde er Bischof von Osma in Spanien, f 1609, — hatte
Differenzen mit den dortigen Jesuiten und führte namentlich in einem
1) Serry, Bist, de aux. p. 54. Je. Bona Epistolae, 1789, p. 279.
Arn. 3, 459 ff. Du Vaucel schreibt 1693 an Arnauld (3, 641), die
Jesuiten hätten einem Cardinal 2000 Scudi geliehen oder gesahenkt, da-
für werde wohl Le Tellier mit einigen Correcturen frei kommen. — Serry
sägt Praef. p. II : man habe in Rom auch geltend gemacht, Le Tellier sei
aus einer vornehmen Familie (Arnauld sagt, er habe gar nicht Le Tellier,
sondern Tellier geheissen). Cret.-Joly. 4, 347 erzählt, er habe auf die Frage
Ludwigs XIV., ob er mit dem Kanzler Michel Le Tellier verwandt sei,
geantwortet, er sei ein Bauer aus der Normandie. Von dem Verhältnisse
des Königs zu seinem Beichtvater sagt übrigens Cr^t-Joly S. 4, 354: Le
Tellier dominait Louis XIV. ; on a meme pretendu que le roi portait son
joug par crainte ; . . . il tenait dans ses mains le coeur de Louis XIV. —
Hnrter 2, 728 erwähnt die Defense gar nicht unter seinen Schriften.
2) (Degola) Cat. de' Gesuiti p. 461.
J. de Palafox. 495
spanischen Briefe vom 25. Mai 1647 und in einem sehr umfang-
reichen lateinischen vom 8. Jan. 1649 über sie Klage bei Innocenz X.
Der Streit wurde durch ein Breve vom 14. Mai 1648 im wesent-
lichen zu seinen Gunsten entschieden. Die Jesuiten bemühten sich,
den König von Spanien zur Eetention des Breves (8. 371) zu be-
stimmen, und erwirkten in Rom eine nochmalige Untersuchung; das
Breve von 1648 wurde aber durch Breven vom 19. Nov. 1652 und
vom 27. Mai 1653 bestätigt und die Jesuiten definitiv zur Ruhe
verwiesen. Es gelang ihnen aber, eine in ihrem Sinne gehaltene
Schrift, Processus et finis causae Angelopolitanae, — einen Haupt-
theil derselben bilden Resolutiones ad favorem Patrum Societatis ex
brevi supradicto deductae, — zuerst 1653, angeblich in der Druckerei
der apostolischen Kammer, drucken zu lassen und dann die Drucker
der Lyoner Ausgabe des Bullarium zu bestimmen, in dem 1655*
erschienenen 4. Bande p. 289 — 300 diese Schrift unmittelbar hinter
dem Breve abzudrucken. Wäre dieses durchgegangen, so hätten sie
sich fortan kurzweg auf das Bullarium berufen können. Aber die
Index-Congr. verbot schon 3. Aug. 1656 diesen Band des Bulla-
rium, donec expurgetur ab adjectis, und erklärte in dem Decrete
vom 10. Juni 1658 (Alex. No. 67), nach einem Decrete vom 27.
Juli 1657 sei der Band so zu expurgiren: es seien zu beseitigen
die unter No. 25 p. 279 stehende Bulla confirmationis Religionis
Clericorum (der Doctrinaires, von Mascombrun gefälscht, Arn. 3, 180)
und das p. 289 — 300 stehende Stück ^). — Die Behauptungen der
Jesuiten, der Brief vom J. 1649 sei gar nicht von Palafox und er
habe später bereut, ihn geschrieben zu haben, werden von Arnauld
(33,341) ausführlich widerlegt 2).
1) Arn. 33, 447. 562. Vie du Ven. Dom Jean de Palafox, Col.
1772* (von Abbe Dinouart?), p. 72. Die Actenstücke und die Geschichte
des Processus ausführlich im 12. Bande der Obras de . . . Palafox, Madrid
1762* (13 Tom. in 15 vol. Fol.). P. 649 werden mehrere Jesuiten genannt,
die den Processus auch nach dem Verbote von 1656 als im Bullarium
stehend citiren.
2) Vgl. Vie p. XIX. Die Briefe stehen im 6. Bande der Obras und
sind auch sonst oft gedruckt, französisch bei Arn. 38, 675, deutsch Frankf.
und Lpz. 1773* (ein Auszug Deutscher Merkur 1877, 845). Bei dem Beati-
ficationsprocesse wurden 1760 die Originale vorgelegt (Obras 1, Fol. d 8).
Es ist stark, dass im K.-L. 8, 44 gesagt wird: „Mehrere nicht unbedeu-
tende Kritiker behaupten, der Brief von 1649 sei unterschoben. Und in
der That, wenn es wabr bleiben soll, dass Palafox ein würdiger und heilig-
massiger Bischof gewesen, so muss man an eine Unterschiebung denken;
denn dieser Brief gibt von dem Orden der Jesuiten eine Idee, die einem
Voltaire und Consorten Ehre gemacht hätte . . . Wenigstens muss man
wünschen, dass, wenn P. wirklich der Verfasser sein sollte, er sich nie
von blinder Leidenschaft zu einer so ungerechten Schmähschrift gegen
einen Orden hätte hinreissen lassen, der in der alten und neuen Welt
mehr gethau hat als hunderte von Bischöfen . . . Uebrigens soll P. selbst
in späteren Jahren sein früheres Benehmen gegen die Jesuiten bereut
haben.^' Bei Hurter wird Palafox, obschon seine Werke eine Reihe Folian-
ten füllen, nicht erwähnt.
496 Pascal und Arnauld über Jesuiten -Moral.
Im J. 1696 war zuerst die Rede davon, Palafox selig sprechen
zu lassen. Der damalige Jesuiten-General Thyrsus Gonzalez über-
sandte dem König von Spanien eine Denkschrift dagegen, in welcher
ausser von dem Briefe von 1649 auch von P/s Beziehungen zu den
Jansenisten die Rede ist. In dieser Beziehung wurde vielfach als
besonders gravirend hervorgehoben, dass eine 1653 von P. mit einer
Carta pastoral veröffentlichte Schrift, Conocimientos de la divina
gracia, bondad y misericordia y de nuestra ilaqueza y miseria (Obras
3, 1, 339), eine Bearbeitung der 1652 erschienenen Priere pour de-
mander k Dieu la grace d'une veritable et parfaite conversiou sei,
die 1654 von der Index-Cong. verb. wurde i^S. 472; Vie p. 327).
— Der Beatificationsprocess wurde erst später eingeleitet; anfangs
war Card. Porzia, seit 1741 Passionei (kein Freund der Jesuiten),
später Galli Ponens, d. h. mit der Leitung des Processes beauftragt.
1760 erklärte die Congregation, die Theologen hätten in den ihr
vorgelegten Schriften von Palafox (in den 8 Bänden der Madrider
Ausgabe von 1659 — 71, den Briefen an Innocenz X. u. a.) nichts
gefunden, was der Fortführung des Processes im Wege stehe. 1766
und 67 wurde dasselbe von den mittlerweile noch aufgefundenen
Schriften (meist Briefen) erklärt, und 10. Sept. 1771 erklärte die
Congr. : es seien in der letzten Zeit einige anonyme und pseudonyme
Schriften erschienen, in denen in verwegener und verleumderischer
Weise die in so feierlicher Weise für tadellos erklärten Werke von
P. kritisirt würden; der Papst habe die Decrete über diese Werke
nochmals bestätigt, dem Promotor (Advocatus diaboli) ewiges
Schweigen auferlegt und den Consultoren befohlen, nichts mehr gegen
die Orthodoxie der in den Werken vorgetragenen Lehre vorzu-
tragen^). Das nächste Stadium des Beatificationsprocesses war die
Untersuchung über die heroischen Tugenden; er wurde aber unter
Pius VL 1777 eingestellt 2).
In einem Briefe Carls III. an Clemens XIII. vom 12.
Aug. 1760 heisst es: eins seiner Tribunale habe 1755 (oder 1759,
jedenfalls nach Einleitung des Beatificationsprocesses) einige Schriften
von Pal. verbrennen lassen, bloss darum weil sie ohne die gewöhn-
liche Approbation erschienen seien; er habe dieses missbilligt. Der
General-Inquisitor Quintano Bonifaz publicirte dann 5. Febr. 1761
ein Edict, worin es heisst: 1700 seien die Briefe von Pal. an den
Papst und den König von Spanien verb. worden, nicht als ob sie
Schlechtes enthielten, sondern um nicht alte Streitigkeiten wieder
aufleben zu lassen; 1759 seien die von Tomas Basconcellos angeb-
1) Vie p. 388. 403. 433. Gioberti, Gesuita c. 8 (3, 159). Villanueva,
Vida 1, 119. 1771 erschien in der päpstlichen Druckerei eine Raccolta
degli atti per la canonisazione del Ven. Palafox von Blaai und Mariotti.
Mamacbi schrieb Alethini Philarethae de Epistolarum Ven. J. P. orthodoxia,
3 vol., 1772 — 7^, und über das Verhältniss der Conocimientos zu der Friere
erschien Janseniaui crroris calumnia a Ven. Episc. Jo. de P. sublata,
Mantuae Carpetanorum 1773*, 8.
2) Le Bret, Magazin 7, 353.
Streitschriften über Moraltheologie. 497
lieh zu Rom 1700 in zwei Bänden herausgegebenen Briefe von Pal.
und andere Documente (strenge) verboten worden, weil sie ohne
Erlaubniss erschienen seien; diese Verbote würden jetzt, nach dem
TJrtheil der Congregation der Riten aufgehoben (Vie p. 385. Obras I,
fol. e 2). Demgemäss werden diese Sachen in dem Index von 1790
freigegeben; in dem von 1805 heisst es: Alle Werke von Pal. sind
freigegeben (corrientes) und orthodox, wie aus der einstimmigen
Erklärung der Congregation der Riten vom J. 1760 hervorgeht, auf
welche das Edict vom 18. März 1801 Bezug nimmt. Nur die 1747
verbotenen Pal. unterschobenen Exercicios devotos blieben verboten.
In dem Index von 1790 stehen als 1764 und 66 verboten einige
handschriftliche Pasquille auf Palafox (p. 119. 205. 207).
54. Streitschriften über Horaltheologie, 1657—1730.
Unter Alexander VII. wurde zum ersten Male von der
Inquisition durch Donnerstags-Edicte vom 24. Sept. 1665 und
18. Mai 1666 eine ganze Reihe von Sätzen (Propositiones) von
Casuisten, im ganzen 45, ohne Angabe der Schriften, aus denen
sie entnommen sind, verdammt. Aehnliche Decrete erschienen
unter Innocenz XI. und Alexander VIII. (§ 65). — Gegen An-
griffe spanischer Theologen wurden die Casuisten aus dem
Jesuitenorden von Matthaeus de Moya zuerst unter dem ange-
nommenen Namen Amadaeus Guimenius, dann unter seinem
wahren Namen vertheidigt. Seine Vertheidigung wurde 1665
sehr scharf von der Sorbonne censurirt und 1666 von der Index-
Congregation, 1675 von der Inquisition und 1680 durch ein
Breve Innocenz' XL verboten. In Spanien wurde sie nicht
verboten. -— Unter Clemens X. wurden fast gleichzeitig, 1670
und 1672, Schriften von Hon. Fabri und Vincenz Baron verboten.
Dieser war damals der bedeutendste Gegner der Jesuiten-Moral
unter den Dominicanern, jener einer der gelehrtesten Jesuiten
und der eifrigste Vertheidiger seines Ordens. (Auch diese stehen
nicht im spanischen Index.) Auch sonst finden sich unter den
Büchern über Moraltheologie, Casuistik, Probabilismus u. dgl.,
die in den letzten Decennien des 17. Jahrhunderts und in den
ersten des 18. verboten wurden, Schriften von Jesuiten und
ihren Vertheidigern und von Gegnern derselben; von manchen
ist in einem andern Zusammenhange (§ 55 und 65) zu handeln.
Beusch, Index IL 82
498 Streitschriften über Moraltheologie.
— Das merkwürdigste moraltheologische Buch von einem Jesuiten
ist das 1694 erschienene Buch des Generals Thyrsus Gonzalez
gegen den Probabilismus, merkwürdig nicht wegen seines In-
halts an sich, sondern einerseits als ein von einem Jesuiten
und vollends von dem General veröffentlichtes Buch gegen die
in dem Orden herrschende Richtung, anderseits wegen der
grossen Schwierigkeiten, die der Verfasser zu überwinden hatte,
um die Veröffentlichung des Buches durchzusetzen. Zu dem
Schutze, den Innocenz XL und XII. Gonzalez bei seinem Ver-
suche, die in seinem Orden herrschenden Moralprincipien zu be-
kämpfen, angedeihen Hessen, bildet einen schroffen Gegensatz,
dass ein gegen den „Rigorismus" gerichtetes Buch des Jesuiten
Balthasar Francolinus 1705 unter Clemens XI. in Rom gedruckt
wurde und mehrere Gegenschriften verboten wurden.
1. In dem Edicte der Inquisition von Fer. V. 24. Sept. 1665
heisst es: Alexander VII. habe zu seinem grossen Schmerze gehört,
dass manche zur Lockerung der christlichen Zucht führende und
das Verderben der Seelen herbeiführende Meinungen theils neu auf-
gestellt, theils wieder hervorgesucht würden, und dass eine der
evangelischen Einfalt und der Lehre der heiligen Väter widerspre-
chende und für die Sittlichkeit gefährliche Weise, in Gewissenssachen
Meinungen zu formuliren (modus opinandi), immer mehr um sich
greife; er habe darum die Cardinäle der Inq. mit der Prüfung sol-
cher Meinungen beauftragt. Diese hätten bis jetzt über folgende
ihr Votum abgegeben (folgen 28 Sätze). Die Prüfung weiterer Sätze
bleibe vorbehalten; die vorstehenden aber verdamme und verbiete
der Papst als mindestens ärgernissgebend (scandalosae), so dass jeder,
der einen derselben lehre, vertheidige, veröffentliche oder öffentlich
oder privatim, es sei denn, um ihn zu bekämpfen, darüber dispu-
tire, der reservirten Excomm. l. sent. verfalle; ausserdem werde
kraft des h. Gehorsams und unter Hinweisung auf das göttliche Ge-
richt allen Christgläubigen verboten, nach diesen Meinungen zu han-
deln. Durch ein Edict von Fer. V. 18. Mai 1666 wurden 17
weitere Sätze (No. 29 — 45) in gleicher Weise verdammt (Alex. No.
88. 89. — Prop. 45 ist: Bücher, welche mit d. c. verboten sind,
können behalten werden, bis sie sorgfältig corrigirt werden). — Nach
dem Voto des Card. Passionei (I, 505) haben hauptsächlich Card.
Bona und der spätere Card. Casanate, damals Assessor S. Off., die
Verdammung der Sätze erwirkt. Die meisten sind von mehreren
Casuisten aufgestellt worden (Viva, Theses damnatae P. I.), einige
sicher von Guimenius, Bauny, Caramuel, Amicus. — Die AssembUe
du Clerg^ von 1700 sprach ihr Bedauern darüber ans, dass Alexan-
der VII. und Innocenz XI. die schlechten Moralsätze nicht decre-
torum formulis antiquo ac nostro usu receptis quaeqne ad universas
M. de Moya (Amadaeus GoimeniuB). 499
ecclesias pertinerent, verdammt hätten, und censnrirte selbständig
127 Sätze, darunter die von den beiden Päpsten verdammten, ferner
aus Censuren der Löwener Facultät von 1653 und 1657 und aus
der Censur der Sorbonne gegen Guimenius entnommene und einige
neue (Recueil des actes 1, 713).
2. Zehn Jahre vor Pascals Briefen erschien in Spanien unter
dem angenommenen Namen Gregorio de Esclapes ein Manifesto a
los fieles de Christo de las doctrinas perversas que enseüan, de-
fienden y practican universalmente los Jesuitas (auch zu Löwen 1646
anonym). Dagegen schrieb ein Juan del Aguila (nach Nie. Antonio
der gleich zu erwähnende Jesuit Moya, nach anderen ein Francis-
caner Aguila) Ladre me el perro y no me muerda (der Hund belle
mich an, beisse mich aber nicht), worin die den Jesuiten vorge-
haltenen laxen Moralsätze älteren Autoren, namentlich Dominicanern
aufgebürdet werden (beide Schriften stehen im span., aber nicht im
Rom. Index). Dagegen erschien das Teatro Jesuitico (S. 492). Nun
trat der spanische Jesuit Matthaeus de Moya (1611 — 84), Beichtvater
der Königin von Spanien, als Advocat seines Ordens auf mit der
Schrift Adversus quorundam expostulationes contra nonnullas Je-
suitarum opiniones morales, auth. Amadaeo Guimenio Lomariensi,
Palermo 1657 (auch Valencia 1664), von der 7 Jahre später eine
vermehrte Ausgabe erschien unter dem Titel Amadaei Guimenii Lo-'
mar., olim primarii S. Theol. Prof., opusculum singularia universae
fere theologiae mor. complectens adv. quorundam expostulationes
morales ad tractatus de peccatis, de opinione probabili etc. £d. no-
vies., Lugd. 1664*, 288 S. 4. Dieses Buch wurde 1. Sept. 1664
der Sorbonne vorgelegt uml, nachdem es durch 13 Doctoren geprüft
worden, 3. Febr. 1665 sehr scharf censurirt. Es wird u. a. als ein
antevangelium bezeichnet, in rebus spurcissimis obscoena curiositate
ac sagacitate indagandis horrendum. Bossuet, einer der 13 Doc-
toren, bezeichnet es Defens. Declar. 6, 27 als eine Kloake, worin
das Schmutzigste, was bei den modernen Casuisten zu finden gewe-
sen, gesammelt sei. In der Censur wird eine lange Reihe von
sehr schlimmen Sätzen mitgetheilt, — die schlimmsten, de impuri-
tate, werden nur nach den Anfangsworten citirt, — die der Verfas-
ser entweder vertheidige oder, ohne sie zu den seinigen zu machen,
aus anderen Schriftstellern excerpire und also nach seinen Grund-
sätzen als externe probabiles hinstelle. Durch diese Zusammenstel-
lung, sagt die Facultät, wolle sie nicht bloss über Guimenius, son-
dern auch über die von ihm excerpirten laxen Moralisten ihr Ur-
theil aussprechen. Zum Schlüsse wird constatirt, dass in dem Buche
^ine Approbation von einem spanischen Capuciner Luisius a Valen-
tia stehe, dass aber der Pariser Provincial im Namen des Generals
erklärt habe, es existire gar kein Capuciner dieses Namens (Arg.
Illa 106; auch besonders gedruckt: Censura S. Fac. Th. Paris, in
1. cui titulus etc., Par. 1665, 4., auch Col. 1665).
Diese Censur der Sorbonne wurde allerdings von Alexander
VII. in der Bulle vom 25. Juni 1665 cassirt; aber nicht um Moya's
Moral in Schutz zu nehmen (§ 58). Der Papst sagte dem Card.
50Ö Streitschriften über Moraltheologie.
de Retz, niemand in der Welt sei weiter davon entfernt als er, die-
sen Ignoranten und Verbrecher (scelerat) zu vertheidigen (Chante-
lauze, Card, de Retz p. 311), und von den 24. Sept. 1665 von der
Inq. verdammten Moralsätzen stimmen mehrere (No. 2. 9. 19. 25. 26)
wörtlich mit den von der Sorbonne aus Guimenius ausgehobenen
überein. Der Papst wollte auch das Buch speciell verbieten; aber
die Cardinäle Albizzi und Pallavicini drangen in der Inq. gegen
Ottoboni (später Alexander VIII.) mit der Ansicht durch, es sei
unbillig, Guimenius, der nur die Ansichten von Diana, Caramuel
u. a. zusammengestellt, namentlich zu censuriren, während die von
ihm excerpirten Autoren nicht namentlich censurirt würden. Card,
de Retz stellte dem Papste vor, dass nach der in seinem eigenen
Index von 1664 abgedruckten Instruction Clemens' VIII. (de im-
press. § 1) der Herausgeber von Compilationen als Verfasser anzu-
sehen sei, und der Papst meinte, die Index-Congr. solle das ihnen,
was die Inq. unterlassen (Chantelauze p. 310). Die Index-Congr.
verbot denn auch trotz der Bemühungen des Jesuiten- Generals Oliva
(Chantel. p. 362) 10. April 1666 das Buch des Guim. — Als Moya
erfuhr, dass sein Opusculum auch in Rom denuncirt sei, schickte
er einen Li bellus supplex an die Index-Congr., der bei Hon. Fabri,
Apol. II, 117 — 148 abgedruckt ist. Er sagt darin: er höre, man
mache seinem Buche zum Vorwurfe, dass er so viele zu laxe Mei-
nungen aus vielen Büchern in eins zusammengetragen, dass er meh-
rere scandalöse Meinungen, die er anführe, nicht verwerfe und dass
er Stellen aus Thomas von Aquin und anderen unrichtig citire.
Wenn er nun nachweisen könne, dass diese Vorwürfe unbegründet
seien, werde ihm die Congregation wohl gestatten, von seinem Buche
mit Beifügung der von ihr für nöthig gehaltenen Bemerkungen
eine neue Ausgabe zu veranstalten, da er nicht die Sache einzelner
Jesuiten, sondern der ganzen Gesellschaft vertrete (utpote qui non
unius vel alterius Jesuitae, sed universae Societatis causam agit).
Er vertheidigt sich dann ausführlich gegen jene Vorwürfe und gegen
V. Barons Buch von 1665, erwähnt, dass die span. Inquisition 1658
das Buch freigegeben, und schliesst mit dem Vorschlage, er wolle
in der neuen Ausgabe die von Alexander VII. verdammten S&tze
notiren und von anderen nachweisen, dass sie nicht probabel seien.
Da er die Erlaubniss zu einer neuen Ausgabe nicht erhielt, sein
Opusculum vielmehr 1666 unbedingt verboten wurde, gab er 1670
zu Madrid unter seinem wahren Namen Q,uaestiones selectae heraus,
in denen er ganz unumwunden sagt, er habe einiges aus dem Buche
und dem Libellus supplex des Amadaeus Guimenius herüber ge-
nommen. Diese Quaestiones nahm Hon. Fabri gleichfalls in seinem
Apologeticus auf. Sie kamen erst 1704 in den Index (s. u.). Aber das
Opusculum wurde unter Clemens X. 12. Sept. 1675 nochmals von
der Inq. verb., und 16. Sept. 1676 erschien ein eigenes Breve Inno-
cenz' XL (Arg. III b 353), worin es heisst : da das Buch, — es
werden die Titel beider Ausgaben angeführt, — trotz des zweima-
ligen Verbotes von einigen behalten und gelesen werde, so wolle
der Papst, da durch die Anwendung der verderblichen Lehre des-
J. Caramuel. Fr. Verde. 501
selben das ewige Heil gefährdet werden könnte, bieniit motu pro-
prio etc. das Buch unter den beiden angeführten und allen anderen
Titeln und in jeder Sprache und Ausgabe, auch abgeschrieben, bei
Strafe der reservirten Excomm. 1. sent. verbieten; alle Exemplare
seien den Bischöfen oder Inquisitoren abzuliefern und von diesen
sofort zu verbrennen^).
Der Jesuit Faure (Comm. p. 204) sagt zur Eechtfertigung
seines Ordensgenossen : er habe nur beweisen wollen, dass laxe
Meinungen nicht zuerst von den Jesuiten aufgestellt worden seien;
die spanische Inquisition, bei der die Dominicaner nicht dominirten,
habe ihn nicht censurirt, in Rom dagegen sei das Buch dreimal ver-
boten und einmal verbrannt worden, unter Innocenz XL, demselben,
von dem die Dominicaner Belobungen Amaulds und anderer Janse-
nisten erschlichen hätten. Aehnlich Backer: Guimenius will be-
weisen, dass die Meinungen einiger Jesuiten, die man tadelte, von
älteren Theologen vorgetragen worden seien; aus Respect vor die-
sen alten Doctoren hatte er in den beiden ersten Ausgaben kein
Urtheil über ihre Meinungen gefällt; in der 3. verdammte und wi-
derlegte er sie; auch schrieb er an Innocenz XI. einen Brief, worin
er die Censurirung der älteren Ausgaben billigt. — Innocenz XI.
hat aber alle Ausgaben verboten, und Moya fand nicht bloss mit
seinen Excerpten aus den älteren Theologen, sondern auch mit sei-
ner eigenen Moral in Rom keinen Beifall. 1704 wurden von der
Inq. verb. : Quaestiones selectae ex praecipuis theologiae mor. tra-
ctatibns, auct. Matth. de Moya, 8. J., Rcginae Mariae Annae a
oonfessionibus. T. I. T. II. Appendix ad quaestiones . . . prioris
tomi, beide Madrid 1696 (der 1. Band zuerst 1670).
2. Unter Alexander VII. kam auch eine Schrift von Jo. Carani uel
von Lobkowitz (1606 — 82), Cistercienser, seit 1645 Titularbischof, 1655
Consultor der Inquisition, in den Index. Caramuel wird von Alphons
Liguori als princeps laxistarum bezeichnet. Er machte namentlich von
dem Probabilismus die schlimmste Anwendung (S. 316; andere Bei-
spiele bei Concina, Theol. ehr. contr. 1, 203). Seine Theologia moralis
fundamentalis, zuerst Frankf. 1651, erschien 1656 auch zu Rom,
aber nach V. Baron, Theol. 2, 66 corrigirt; man wird also aus per-
sönlichen Rücksichten von einem Verbote der 1. Ausgabe abgesehen
und diese expurgirte Ausgabe veranstaltet haben. Gegen ihn schrieb
Luis Crespi y Borja, Bischof von Placentia, Quaestiones selectae
morales, ... in quo novae aliquae doctrinae R. P. Caramuelis confutan-
tur. . . Lugd. 1658, 4.; Caramuel wurde vertheidigt von seinem
Freunde Franc. Verde, damals Canonicus in Neapel (1688 Bischof):
Theologiae fund. Caramuelis positiones selectae novitatis, singulari-
tatis et improbabilitatis frustra appellatae a Lud. Crespino . . .
Lugd. 1662, Fol. Dieses ist das Buch, welches in einem Index-l)e-
crete vom J. 1664 (Alex. No. 84) als Fr. Verde opus impressum
Lugd. 1662 verb. wurde und so im Index gestanden hat, bis Ben.
1) Marchand s. v. Moya. Backer 4, 439.
502 Streitschrifteu über Moraltheologie.
den Titel vervollständigte. — G-egen den Probabilismas und viel-
leicht auch direct gegen Caramuel sprach sich auch Frosper Fagnani
in einem Tractat de opinione probabili in seinem 1661 zu Rom
erschienenen Jus canonicum aus. Darauf schrieb Caramuel Apolo-
gema pro antiquissima et universalissima doctrina de probabilitate
contra singularem Fr. Fagnani opinationem, Lugd. 1663, 4. Der
Dominicaner Julius Mercorus schrieb dagegen Apocrisis pro doctr.
de probab. Fr. Fagnani adv. Apol. Jo. Caramuelis, Ticini 1664, 4.
In demselben Jahre wurde Caramuels Apologema durch ein beson-
deres Decret (Alex. No. 80) verb., angeblich hauptsächlich darum,
weil er Fagnani, - wahrscheinlich darum, weil dieser die Erklä-
rungen der Ffarrer von Ronen und Faris (S. 486) citirt, — des
Jansen ismus beschuldigt hatte (Concina, Appar. 2, 740). Es soll
ihm jetzt auch verboten worden sein, femer noch über Moral zu
schreiben, ausser etwa einen Liber retractationum (Y. Baron, Theol.
1, 5), eine Angabe, zu der freilich die Thatsache nicht stimmt, dass
er noch 1672Haplote8 de restrictionibus mentalibus dispntans schrieb
und 1675 eine neue vermehrte Ausgabe der Theol. mor. fund. er-
scheinen Hess (Faquot 2, 175).
Eine Schrift gegen den Frobabilismus von Jo. Ant. Me-
renda, Disputationis de consilio minime dando extra casus regulae ex
duobus malis juxta opinionem spccificantem probabiliter actum pro
licito in concursu opinionis specificantis ipsum probabiliter pro illi-
cito Pars prima, wurde 13. Nov. 1662 mit d. c. verboten, 20. Nov.
1663 aber, nach einem Decrete vom 20. Nov. 1662 corrigirt, frei-
gegeben. Wie viel corrigirt worden, wird nicht angegeben, wohl
jedenfalls der Ausdruck, der Fobabilismus sei commentum diaboli
(Hexaples 6, 343). Ausserdem wurde unter Alexander VII. noch
verb. (1658) Dello 8cru])uloso convinto . . ., opera recitata in una
religiosa academia ... da M. Faolo Rassinesi, Causidico Fio-
rentino.
3. Den 1656 zu einem Generalcapitel versammelten Domini-
canern wurde mitgetheilt: Alexander VII. sei unwillig (taedere) über
so viele neue Meinungen in der Moraltheologie; die Dominicaner
möchten ihnen entgegenwirken. Der Dominicaner, welcher dieses
berichtet ^) und welcher sich redlich bemüht hat, dem Wunsche des
Fapstes zu entsprechen, hat wenig Dank davon gehabt. Es istVin-
cenz Baron, geb. 1G04 zu Martres in der Gascogne, 1622 zu Tou-
louse in den Orden eingetreten, f 1674. Seine Theologiae moralis
adv. laxiores probabilistas pars prior und Manuductionis ad moralem
theol. pars altera, beide Par. 1685, 8. (Qu^tif 2, 655. Hurter 2, 236),
wurden alsbald von den Jesuiten, die über das Verbot des Buches
von Guimenius ärgerlich waren, denuncirt, aber namentlich in Folge
der Bemühungen Fagnani*» beschränkte man sich darauf, Baron die
Veranstaltung einer neuen Ausgabe aufzugeben (Chantelauze p. 367).
Diese erschien als Theologiae moralis summa bipartita. Fars prior.
1) Baron, Theol. mor. Summa, P. 2, Praef.; vgl. Patuzzi 2, 90.
Vino. Barouius. Hon. Fabri u. a. 503
Vera mens D. Thomae et ejus soholae de opinionum ex lege de-
lectu in qualibet re morali explicata et defensa adv. D. CaramneÜB
apologema in D. Fagnanum, anonymi nodos in Mercornm, Tbeopb.
Raynandi exceptionem et Amadaei Guimenii tractatns quindeeim. Ed. 2.
ad mentem sex tbeologoruni, qui primam jussu S. Pontificis recog-
noverunt. Par. 1667,* 8. — Tbeol. . . . Pars altera contra ficti
Amadaei . . ., ad mentem Alexandri VII. aucta ejusdem S. Ponti-
ficis 45 propositionum censuris . . . 1668*. — Als 3. Tbeil war
erscbienen Sanctorum Augustini et Tbomae vera et una mens de
libertate bumana et gratia divina explicatur et scbolae tbomisticae
asseritur adv. duos Tb. Haynaudi libros aliosque bujus aetatis melioris
notae tbeologos, Par. 1666, — als 4. Tbeil: Libri quinque apo-
logetici pro religione, utraque tbeologia, moribus ac juribus Or-
dinis Praedicatorum adv. Tb. Raynaudi libros tres, totidem Petri
de Alva libros, aliquot epistolas Jo. Launoii, Expostulationes Car-
terii aliosque, Par. 1666* (Duo postremi Apologiae libri, Par. 1667*).
Alle 5 Bände wurden 27. Sept. 1672 verb., der 3. mit d. c, die
anderen unbedingt, auch der erste, von welcbem Baron im Praelo-
quium sagt: nach einer secbsmonatlicben Prüfung bätten die secbs
Römischen Censoren nichts beanstandet als uonnulla verba a lenitate
8. Thomae remota ; er habe alles gestrichen, was auch nur einer der-
selben monirt habe. (Er sagt: von den sechs seien fünf ihm wohl-
wollend gewesen, der sechste Nie. Dubois, — ein Dominicaner? —
habe eine atrox censura abgegeben ; die Censuren des Somaskers
Aug. de Angelis und eines zweiten seien ihm übersandt worden, —
wohl diese vollständig, die anderen im Auszuge.) Freilich scheint
Baron diese Censuren nur privatim mitgetheilt erhalten und die
neue Ausgabe des Bandes nicht zur Approbation nach Rom gesandt
zu haben; wenigstens sagt Hon. Fabri, Apol. 1,682, Baron habe
in der neuen Ausgabe so gut wie nichts geändert und werde dafür,
dass die Index-Congr. mit seiner Expurgation zufrieden gewesen,
kein Decret derselben beibringen können.
Einige Monate früher, 23. März 1672, wurde ein Buch des
Hauptgegners Barons verb.: R. P. Honorati Fabri S. J. Theologi
Apologeticus doctrinae moralis ejusdem Societatis, Lugd. 1670, und
2. Oct. 1673 Apologetici pars altera, also die Ausgabe: R. P. Hon.
Fabri . . . Societatis. In quo variis tractatibus diversorum aucto-
rum opuscula confutantur, quorum nomina sequens elenchus dabit,
et selectae quaedam morales quaestiones discutiuntur. In duas par-
tes commode sectus, cum indicibus ... Ed. altera, prima in Grer-
mania, duplo auctior, Col. Agr. 1672*, c. 700-^650 S. Fol., dem
Card. Albizzi gewidmet, die erste Ausgabe von 9 Jesuiten, die Köl-
nische von dem Decan der tbeol. Facultät zu Mainz approbirt. —
Hon. Fabri, 1607 — 88, ein geborener Franzose (er hiess eigentlich
LefÄvre), 18 Jahre Professor der Philosophie und Mathematik in
Lyon, über 30 Jahre päpstlicher Poenitentiar in der St. Peters-Kirche,
war 1671 einige Zeit im Gefängniss der Inquisition. In einem Briefe
an den Cardinal Leopold von Medici vom 19. März 1671 (Lettere
inedite, Firenze 1773, I, 241) bedankt er sich für dessen Verwen-
504 Streitschriften über Moral theologie.
düng, in Folge deren er in pristinum statum restitutus sei post 45
dies liberal ioris carcerie et 5 paulo strictiorie et inhonesti. lieber
sein Buch, fügt er bei, sei noch nicht entschieden; was aber die
Heterodoxen, die er seit Jahren bekämpft und gegen die er auf Be-
fehl der Päpste selbst einige Schriften herausgegeben, dazu sagen
würden, wenn sein Buch verdammt werde? Allem Anscheine nach
handelte es sich nicht um die schon 1665 veröffentlichten und nicht
im Copernicanischen Sinne geschriebenen Dialogi physici, in quibus
de motu teiTae disputatur (Keusch, Galilei S. 438), sondern um den
1670 erschienenen und 1672 verbotenen Apologeticus ^). In der
Vorrede zu diesem sagt Fabri : er habe das Buch zu Lyon geschrie-
ben, wohin er von Rom zur Wiederherstellung seiner Gresundheit
gesandt worden^); er wolle die Angriffe gegen die Jesuiten von
Fagnani, Ant. Marinarius, Aug. de Angelis, V. Baron, Valerianus
Magni widerlegen und einige apologetische Schriften von anderen
beifügen; da der König von Frankreich verboten habe, Streitachrif-
ten gegen die Jansenisten zu veröffentlichen und solche, die das
Formular unterschrieben, Jansenisten zu nennen, habe er die Janse-
nistische Controverse ganz bei Seite gelassen; die Schriften von
Martin de Esparza gegen Sinnich und von Stubrock gegen Wend-
rock habe er aber aufgenommen, weil Sinnich und Wendrock keine
Franzosen seien, sich auf sie das königliche Verbot also nicht be-
ziehe; er gebe sein Buch nicht im Auftrage der Gesellschaft, son-
dern lediglich in seinem eigenen Namen heraus. Viele Stücke wer-
den ausdrücklich als von Fabri selbst verfasst bezeichnet; die
Schriften die er unter dem Namen Carterius und Stubrock herausge-
geben, sind wieder abgedruckt. Von anderen Autoren sind, theils in
der 1., theils in der 2. Auflage u. a. aufgenommmen die Schrift
von Sanmarco, eine Abhandlung von Max. Le Dent über Attritio
gegen Chr. Lupus und Farvacques und der 1. Band der Select«e
quaestiones von Moya.
Gleichzeitig mit dem 2. Theile des Apologeticus wurde eine
darin wieder abgedruckte pseudonyme Schrift Fabri's speciell verb.:
Justa expostulatio de P. M. Xantes Mariales 0. P., auctore Biblio-
thecae interpretum ad universam summam theologiae D. Thomae
Aquinatis, Venetiis editae 1660 et per anachronismum 1638. Auctore
Ludovico Carterio Vocontio. S. Th. et J. U. D., Gergoviae Vo-
contiorum s. a. (1662?). Von der Bibliotheca des Mariales
1) Fabri galt übrigens auch als Cartcsianer und sogar als GalHcaner
(Michaud 3, 218). Leihniz schreibt über ihn an den Landgrafen Ernst
(Rommel 1, 278): er habe mit ihm über naturwissenschaftliche Fragen
correspondirt, schätze ihn und zähle ihn zu seinen Freunden, und fugt
bei: Je m'etonne qu'un aussi liabile homrae entreprend de defendre cette
morale ridicule de la probabilite et ces subtilites frivoles, inconnues a
Pancienne eglise et meme rejetees par les payens.
2) Der Ordensgeneral Oliva sagt in einem in dem Apol. abgedruckten
Briefe vom 3. Febr. 1669: er habe gehört, dass Fabri übor Moral schreiben
wolle; er solle vorsichtig sein.
X. Mariales. L. Carierius. 505
(t 1660), die vier Folianten umfasst, hatte die Index-Congr. 8cbon
J662 (Alex. No. 76) erklärt: Tom. 1. non permittitur nisi expuncta
Controversia prolegomena adversus novatores. Auf diese bezieht
sich auch die Kla^e von Carterius, Mariales habe die Gesellschaft
Jesu und ihre Haupt-Schriftsteller geschmäht ^), den Frieden zwischen
Jesuiten und Dominicanern gestört u. s. w. Auf dem Titel des
Buches steht: Opus vetus, quia editum fuit a. 1638, novum vero,
quia ob varios tum auctoris, tum typographi accidentarios casus
evulgari non potuit nisi anno currente 1660 (Quetif 2, 600). Fabri,
Apol. 2, 604, spottet über diese Angabe und sagt, die 1643 er-
folgte Verdammung des Rabardaeus werde in dem Buche erwähnt;
1638 wird dasselbe druckfertig gewesen, aber später noch einiges
beigefügt worden sein. — Von der Expostulatio des Carterius sagt
Fabri 2, 610: Baron halte ihn für den Verfasser derselben; aber
alius est a me Carterius, quamvis antiquae necessitudinis vinculo
conjunctus. Die Schrift ist sicher von ihm, aber da er sie Pseudo-
nym herausgab, lässt er sich darin noch mehr gehen als in den
unter seinem Namen herausgegebenen Tneilen des Apologeticus. Er
sagt u. a. : die Jesuiten hätten erklärt, sie schrieben nicht gegen
Mariales, weil dessen Buch denuncirt und seine Verdammung zu
erwarten sei; da er aber von Rom gehört habe, die Dominicaner
hätten es durch ihre Ränke und ihren Einfluss dahin gebracht, dass
die Promulgation des Verbotes nicht mehr zu erwarten sei, so
wolle er, ein Freund der Jesuiten, die Widerlegung übernehmen.
Anderswo (p. 604) behauptet er: die vier insanae molis volumina
des Mariales seien von den Cardinälen verdammt worden; die Do-
minicaner hätten aber die Promulgation des Verbotes verzögert, dann
beantragt, d. c. beizufügen, und so bewirkt, dass die Sache noch-
mals an die Index-Congr. gebracht worden sei, wo sie kein Ende
finden werde. (Das oben erwähnte Verbot erfolgte 20. Juni 1662,
also für ein 1660 erschienenes Buch von 4 Foliobänden nicht auf-
fallend spät. Das Buch des Carterius muss also vor jenem Termin
geschrieben sein.) Ueber den Einfluss der Dominicaner spricht
Fabri überhaupt ganz ähnlich, wie seine Ordensgenossen Raynaud
(S. 444) und Faure (IS. 178): Euere Leute haben die Index-Congr.
in Händen (praesunt); darum werden wenige Bücher von den Eue-
rigen denuncirt. Aber andere Bücher, namentlich von Jesuiten,
werden mitunter ohne Denunciation verboten , und wenn die ersten
Censoren sie günstig beurtheilen, gibt sie der Secretär anderen, bis
er endlich einen findet, der parteiisch oder unbillig genug ist, das
Buch um blosser Lappalien (apices) oder Verdachtsgründe willen
für verdamm enswerth zu erklären.
Baron bekämpft ausser den auf den Titeln seiner Bücher ge-
nannten Autoren und Hon. Fabri (auch sein unter dem Namen
1) Ilurter 1, 714 sagt sehr naiv, die Controversia sei verb. worden
ob J. B. Pozae sociorumque (e Soc. Jesu) doctrinam acrius perstrictani.
Poza hat man gewiss nicht in Schutz nehmen wollen; S. 434.
506 Streitschriften über Moraltheologie.
Stubrock erschienenes Buch) auch die Jesuiten Pirot, Thomas Tam-
burini, Chiavetta, Bonartes, Sidereus, Poza u. a. Gegen ihn er-
schien: Germana doctrina E. P. Th. Tamburini S. J. perspicue re-
fellens impugnationes Yinc. Baronii adv. illam allatas. Opusculum
R. D. Don Lucii Sanmarco sacerdotis, Palermo 1666, 4. In der
Praef. zu Pars altera sagt Baron: Tamburini habe dieses Buch in
Venedig neu drucken lassen wollen, Card. Barberini habe dieses
aber in einem Schreiben an den dortigen Inquisitor verboten. Das
Buch ist nicht in den Index gesetzt und wiederholt mit Tamburini's
Schriften gedruckt worden (Hurter 2, 236). — Zwei spätere Scliriften
von Baron stehen nicht im Index : Responsio ad librum Jo. de Car-
denas S. J. IHurter 2,231], 1672, und Ethicae christianae 17 loci,
1673, gegen Estrix, Esparza, Terillus, Sanmarco u. a. — Unter
Clemens X. (1670 — 76) wurde nur noch 1674 mit d. c. verb. Ant.
Volpi Resolutiones morales quotidianae utroque jure exornatae;
der Verfasser war nach Toppi erst Jurist, dann Somasker, dann
Weltgeistlicher, und sein Buch Clemens X. gewidmet.
3. Im J. 1670 gab der spanische Jesuit Michael de Elizalde
(f 1678) unter dem Titel De recta doctrina morum (Lugd. 1670, 4.,
vermehrt Col. 1684, Fol.) ein Werk gegen den Probabilismus her-
aus, aber ohne Vorwissen seiner Oberen und unter dem angenom-
menen Namen Antonius Celladei. Dagegen ist gerichtet die Regula
morum von dem englischen Jesuiten zu Douay, Antonius Terillus
(Bonvill), die nach seinem Tode (1676) von dem Provincial und
vier anderen Jesuiten zu Lüttich 1677 in Folio veröffentlicht wurde
(Hurter 2, 239. Mich. a. S. Jos. 4, 322). ' Elizalde schrieb 15. Dec.
1669 an Card. Bona (Epist., Lucca 1759, III, No. 27): der Ge-
neral habe ihn wegen seiner Lehre über den Probabilismus mit den
schwersten Strafen bedroht; sein demnächst ohne seinen Namen er-
scheinendes Buch werde ohne Zweifel angeklagt werden. Das Buch
wurde aber erst 1693 von den Gregnern des Gonzalez bei der spa-
nischen und der römischen Inquisition denuncirt (Arn. 3, 715. 729).
Arnauld meint, die Inquisition solle vielmehr das Buch von Terillus
verbieten, in welchem schreckliche Grundsätze vorgetragen würden.
Es wurde weder das eine noch das andere Buch verboten.
Im J. 1673 schickte Thyrsus Gonzalez de Santalla, damals
Professor zu Salamanca, sein antiprobabilistisches Fundamentum theo-
logiae moralis zur Approbation an den Ordensgeneral Oliva. Dieser
beauftragte fünf Patres, einen Spanier (Esparza), einen Portugiesen,
einen Italiener, einen Franzosen und einen Belgier, mit der Prüfung
des Manuscriptes ; sie erklärten, dasselbe dürfe nicht gedruckt wer-
den. Sie sagen in ihrem am 18. Juni 1674 unterschriebenen Ju-
dicium u. a. : Endlich, wer kann es ertragen, dass in einem Buche
eines Jesuiten Leuten, die sich um die Gesellschaft schlecht verdient
gemacht und Anhänger der neuen Lehre (Jansenisten) sind, wie
FagnanuR, Sinnich, Mercorus, Merenda u. a., das grösste Lob ge-
spendet wird? . . . Aus diesen und anderen Gründen ist es nicht
rathsam, dass dieses Buch veröffentlicht werde, damit nicht unsere
Gegner sagen , den Jesuiten seien endlich die Augen aufgegangen
Ant. Celladoi. Thyrsus Gonzalez. 507
und sie kämen durch Gründe überzeugt allmählich aus ihrem Irr-
thum zurück^). Später wurde auch Gonzalez' Bitte um die Er-
laubnisse seine Ansicht in den 4. Band seiner Theologia scholastica
aufnehmen zu dürfen, abgeschlagen. Nachdem Innocenz XI. 1679
das Decret gegen die laxen Moralsätze erlassen, erfuhr er durch
den Nuncius Mellini von Gonzalez und Hess sich eine Abschrift
seines Tractates kommen. Da zwei Theologen, denen er denselben
vorlegte, ihn günstig beurtheilten, liess er Gonzalez durch den Nun-
cius auffordern, ihn zu veröffentlichen. In dem ProtocoUe einer
Sitzung der Inquisition Fer. IV. 20. Juni 1680 (Patuzzi 2, 256)
heisst es: „Es wurde über einen Brief des P. Gonzalez berichtet
und beschlossen, der Nuncius solle ihm sagen, der Papst wünsche,
dass er unerschrocken mündlich und schriftlich opinionem magis
probabilem vertheidige und die Meinung bekämpfe, man dürfe auch
der opinio minus probabilis folgen. Dem General der Jesuiten ist
im Namen Seiner Heiligkeit aufzugeben, nicht nur den Patres der
Gesellschaft zu gestatten, für die opinio magis probabilis zu schreiben
und die Ansicht zu bekämpfen, man dürfe bei dem Zusammentreffen
einer weniger probabeln Meinung mit einer probabelern der erstem
folgen, sondern auch an alle Universitäten der Gesellschaft zu
schreiben, es sei der Wille Seiner Heiligkeit, dass jeder in diesem
Sinne schreiben dürfe." Es wird beigefügt: am 8. Juli sei dieses
dem General mitgetheilt worden; er habe versprochen, zu gehor-
chen, aber erklärt, er und seine Vorgänger hätten das nie verboten
(Pat. 2, 293).
Gonz. gab aber seine Schrift jetzt noch nicht heraus, schrieb
vielmehr 25. Dec. 1681 dem Papste, er müsse sie umarbeiten und
auch das mittlerweile erschienene Werk De regula morum (von
Terillufi) berücksichtigen. 1687 kam Gonz. nach Rom zu der Ge-
neralcongregation , welche nach dem Tode des Generals Oliva ge-
halten wurde. Innocenz XI. gab den Wunsch zu erkennen, Gonz.
möge zu seinem Nachfolger gewählt werden, und dieses geschah 6.
Juli 1687. Dem durch Card. Cybo ausgesprochenen Wunsche des
Papstes entsprechend nahm die Generalcongregation auch eine Er-
klärung, wie sie 1680 dem General vorgeschrieben war, unter ihre
Decrete auf (Decr. 18). Den neuen General aber ermahnte der
1) Das Judicium und die von P. Alfaro 1693 verfasste Ceusura cen-
surae latae a. 1674 a Patribua revisoribus generalibus abgedr. bei Concina,
Appar. 2, 712. Alfaro sagt, das Judicium sei von Esparza verfasst, die
vier anderen hätten es nur mit unterschrieben.. — Bei Concina 2, 300
steht auch eine von einem Freunde des Gonzalez verfasste Brevis narratio
eorum, quae P. Thyrsus Gonzalez, Gen. Soc. J., peregit jam inde usque
ab a. 1670, ut opinio probabilistica non reputaretur sentcntia propria suae
religionis. Ausserdem sind im Folgenden, wo nicht eine andere Quelle
citirt wird, die hinter dem 6. Bande der Lettere di Eusebio Eraniste (Pa-
tuzzi) abgedruckten Actenstücke (vgl. 2, 184; 6,22. 213) benutzt worden.
Interessante Notizen enthalten auch die Lettere inedite di Paolo Sejrneri
al Granduca Cosimo III., tratte dagli autografi, Fir. 1857.
5ü8 Streitschriften über Moral theologie.
Papst, die doctrina majoris probabilitatis, in quam Sedes Apost. pro-
pendet, in den Schulen der Jesuiten zu fördern und einen Theologen
dieser Kichtung im Römischen Colleg anzustellen. Gonz. berief den
Spanier Joseph Alfaro.
Erst unter Innocenz XII. (1691 — 1700) entschloss sich Gonz.,
eine Schrift gegen den Probabilismus zu veröffentlichen, wie er selbst
sagt, auch darum, um zu zeigen, dass das 18. Decret der General-
congregation ernst gemeint und dass der Probabilismus nicht die
Lehre aller Jesuiten sei. Die Schrift wurde in Dillingen 1691 ge-
druckt. Als die fünf Assistenten davon hörten, forderten sie den
General auf, die Schrift nicht zu veröffentlichen. Er gab nach
einigem Widerstreben nach, da er fürchten musste, auch von anderer
Seite angegriffen zu werden, weil er die Schrift ohne Erlaubniss
auswärts hatte drucken lassen, — selbst Backer kennt kein Exem-
plar dieser Schrift, — behielt sich aber vor, eine neue Ausarbeitung
zu veröffentlichen ^). Die Assistenten baten den Papst, die Ver-
öffentlichung des Buches zu verbieten; dieser liess aber Gonz. nur
auffordern, die Sache bis zu der im Nov. 1693 zu haltenden Con-
gregation der Procuratoren zu verschieben, die darüber zu entschei-
den haben werde, ob eine Generalcongregation zu berufen sei. Für
diese wurde von der Römischen Provinz u. a. Paolo Segneri^), der
entschiedenste Gegner des Generals, — der auch seinen grossen
Einfluss bei dem Papste gegen ihn benutzte, — gewählt; auch die
anderen Provinzen sandten meist Procuratoren, die für die Berufung
einer Generalcongregation und Gegner des Generals waren. Die
Congregation der Procuratoren beschloss mit Stimmenmehrheit die
Berufung einer Generalcongregation, die dann über die Frage, ob
das Buch zu veröffentlichen sei, entscheiden sollte. Die Minorität
protestirte, und so kam die Sache an den Papst, der sie im Juni
1694 den Cardinälen Marescotti, Carpegna, Spada, Panciatici und
Albani (später Clemens XI.) überwies. — Am 7. Aug. 1694 schreibt
Noris an Magliabechi (p. 166): „Der grosse Streit zwischen dem
General Thyrsus und der Partei der Gegner des Monarchen, deren
1) Segneri p. 259 erwähnt, dass Gonz, von Oliva die Druckerlaubniss
nicht erhalten, und fährt dann fort: Ora essende fegli generale ha presa
la palla al balzo (hat er diese günstige Situation benutzt) e Tha fatto
Rtampare furtivamente, — ohne Befragung der Assistenten und ohne das
Buch von Jesuiten approbircn zu lassen. Nach p. 298 hatten es uno Scalzo
della Vittoria ed uno di San Bernardo approbirt, von denen Segneri an-
gibt, sie hätten sich darüber gewundert, dass der General mit so wenig
Respect von seinem eigenen Orden rede, und vieles gestrichen (hanno
fatto squarci grandissirai al libro). P. 299 sagt er: die wenigen Bogen dieses
Buches würden mehr Unheil angerichtet haben als die Jansenisten mit der
ganzen Morale pratique und anderen derartigen Büchern. Die neue Schrift,
die der General statt der furtivaniente gedruckten veröffentlichen wolle»
schreibt er p. 2b7 (im August 1693), sei nicht so schlimm, aber auch an
ihr sei viel zu verbessern.
2) Es ist Paolo Segneri der ältere, f 1694, wie er gewöhnlich zur
Unterscheidung von seinem gleichnamigen Neffen, f 1713, genannt wird.
Thyrsus Gonzalez. 509
Anführer (capo truppa) der gute Pater Segner i war, ist zu Ende.
Am 3. haben die fünf deputirten Cardinäle beschlossen: non eon-
stare de validitate decreti Patrum Procuratorum provincialiura, et
ideo non esse cogendam congregationem. Card. Panciatici legte den
Beschluss an demselben Tage dem Papste vor; er bestätigte ihn
und fügte bei: et non amplius audiantur. So ist also P. Thyrsus
Sieger geblieben und die Meinung des P. Segneri für weniger pro-
babel erklärt worden" (Segneri p. 316 sagt: Albani und Panciatici
hätten dagegen gestimmt, die drei Cardinäle der Majorität seien Cre-
aturen des Card. Altieri, der mit dem spanischen und österreichi-
schen Gesandten den General protegire). Gleichzeitig wies der
Papst Gonz. an, sein Buch dem Mag. S. Palatii Ferrari zur Appro-
bation vorzulegen. Bei diesem machten die Assistenten noch einmal
ihre Bedenken geltend; sie verlangten schliesslicb, das Buch solle
unter dem Namen eines andern Jesuiten erscheinen, der sagen
möge, er habe das Material aus den von Gonz. zu Salamanca ge-
haltenen Vorlesungen entnommen. — Das Buch erschien zu Rom
mit Approbation des Mag. S. Pal. 1694 und bald darauf an ver-
schiedenen Orten, unter dem Titel : Fundamentum theologiae moralis,
i. e. tractatus theol. de recto usu opinionum probabilium . . . .
authore P. Thyrso Gonzalez, Theol. Prof. Salmanticensi, nunc Prae-
posito gen. S. J.
In der Vorrede sagt Gonz., er gebe das Buch nicht als Ge-
neral, sondern als ein einfacher Theologe des Ordens heraus. Card.
Aguirre schrieb kurz vor dem Erscheinen desselben an Mabillon
(Thuillier 1, 428): das Buch werde von allen sehnsüchtig erwartet
mit Ausnahme derjenigen, quibus monstrum illud probabilismi placet
et jam diu alte insedit potius cordi quam menti. Au den König von
Spanien schrieb er 26. Apr. 1693: man beabsichtige auf der Gene-
ralcongregation Gonz. abzusetzen, der der würdigste General sei,
welchen die Gesellschaft seit dem h. Franz Borja gehabt, der aber
von seinen Gegnern als Jansenist bezeichnet werde, wie ja viele
Jesuiten auch Innocenz XI., der so viele ihrer laxen Moralsätze
verdammt habe, als Jansenisten bezeichnet hätten (Patuzzi p. LXXXII).
— Wie gespannt das Verhältniss des Generals zu seinen Assistenten
war, — der für Deutschland war Eusebius Truchsess (S. 296), —
zeigt eine Eingabe derselben an den Papst (Patuzzi p. XCIII), worin
es u. a. heisst: „Der General P. Thyrsus Gonz. quält (lacessit) seit
mehr als zwei Jahren die ganze Gesellschaft aus Anlass (praetextu)
eines Buches, welches er über den Probabilismus geschrieben und
welches vormals P. Oliva verworfen hat. ... Er verbreitet un-
glaublich boshafte Pasquille (libellos famosos et incredibiliter ma-
ledicos) gegen unsere Gesellschaft, in welchen er die falsitates et
contumelias des Dillingenschen Werkes nicht nur wiederholt, sondern
vermehrt und steigert und seine Assistenten schwer kränkt. . . .
Wir bitten Ew. Heiligkeit, 1. die Bitterkeit und die conatus des P.
Generals zu zügeln, 2. ihm die fernere Verbreitung solcher scrip-
turae et libelli, die voll Bitterkeit gegen die Jesuiten sind, zu ver-
610 Streitschriften über Moral theologie.
bieten, 3. ihm zu befehlen, das zn revociren, was er gegen die Wahr-
heit und gegen den guten Ruf der Gesellschaft geschrieben hat"^).
In seinen letzten Lebensjahren liess Gonz. — t 27. Apr. 1705
— Clemens XI. eine Bittschrift überreichen, worin er sagt: in dem
1697 unter dem Namen des Franc. Perrea zu Salamanca erschiene-
nen, aber von einem bereits verstorbenen Jesuiten verfassten Lapis
lydius recentioris antiprobabilismi werde gesagt, er habe sein Buch
dissentiente societate universa herausgegeben. Nach seinem Tode
werde man den Probabilismus wieder zur Geltung zu bringen suchen.
Man könne nicht beiden Theilen Schweigen gebieten; da aber das
Inquisitionsdecret von 1680 und viele im Auftrage des Papstes ge-
schriebene Briefe der Cardinäle Cybo und Mellini zeigten, dass die
Jesuiten nach der Ansicht des h. Stuhles den Probabilismus be-
kämpfen dürften und dass sich der h. Stuhl immer mehr zu der
entgegengesetzten Ansicht hingeneigt, so möge der Papst den Oberen
der Jesuiten befehlen, dafür zu sorgen, dass in ihren Schulen nichts
gelehrt werde contra eos sensus, in quos Sedes Apost. inclinare visa
est. Clemens XL erklärte: es werde ihm sehr angenehm sein,
wenn die Oberen den Jesuiten verbieten würden, die Lehre, es sei
gestattet nach der opinio minus probabilis et minus tuta zu handeln,
vorzutragen und zu vertheidigen , cum Suae Sanctitati compertnm
sit, ita expedire ad incolumitatem et honorem Societatis^). — Seit
Ben. (nicht in den früheren Indices) steht als am 8. Mai 1697 verb.
Crisis de probabilitate ex academia monachorum Cassinensium in
monasterio S. Catharinae Genuae. Nach Hurter 2, 882 ist dieses
eine zu Genua 1694, 12., erschienene Schrift gegen Gonz., die von
dem Benedictiner Bernardino Bissi verfasst, aber ohne sein Yorwissen
unter dem Namen Nie. Maria Monsa veröffentlicht ist.
4. Von dem Carmeliter Cassianus a S. Elia zu Mailand (er
hiess in saeculo Giambatt. Pallavicini, t 1714, und wird von Arge-
lati p. 1022 als ein sehr frommer Mann bezeichnet) wurde 1683
mit d. c. verb. Centura historiarum examen cum sententia definitiva
in utroque foro, seu decisiones theologico-legales, Bologna 1682,
1) Segneri schreibt im April 1693; „Wir sind sehr nnj^lücklich über
die Schriften (scritture), welche der Pater General über sein Buch hat aus-
gehen lassen** (p. 265); im Herbst 1693: „Der General fahrt fort, täglich
Schriften zu Gunsten seiner Person ausgehen zu lassen oder zu gestatten,
dass sie gesandt werden (p. 293; es werden Briefe an den König von
Spanien und dgl. gemeint sein); die Controverse über das Buch ist jetzt
nicht mehr die Hauptsache (p. 287). Mir missfallt weniger, dass das Buch
erscheinen soll, als dass der General bei dieser Gelegenheit sich in seiner
wahren Gestalt zu erkennen gegeben hat. Von seiner Absetzung ist übrigens
nicht die Rede. Es liegt uns wenig daran, wer uns regiert, wenn er uns
nur in der rechten Weise regiert. Das Beklagenswerthe ist, dass unsere
Oberen Frä Diaz, Card. Aguirre, die Gesandten [die für Gonzales ein-
traten] und weniger bedeutende von den Unseren sind" (p. 299).
2) Eine interessante Denkschrift über das Umsichgreifen des Proba-
bilismus in Spanien, die der Jesuit Ign. de Camargo 170tt dem Papste
übersandte, ist abgedr. bei Patuzzi 5, 416.
Cassianns a S. Elia. R. Arsdekin. B. CiafPoni u. a. 6ll
Fol., — worin ganz unglaubliche Dinge vorkommen^), — dann 1686:
Theologia moralis expurgata et ordine alphabetico digesta, Yen.
1684, Fol. (über die Prop. damnatae ab Alex. VII. et Innoc. XI.).
— Ferner wurden im 17. Jahrb. noch verb.: Jo. ab Ulmo Reso-
lutio theol. moralis, in qua asseritur, licite permitti posse meretrices,
nbicunque majora mala aliter vitari non possunt, Catania 1673,
verb. 1681; — Andreae Mendo (S. J., Censor der span. Inquisi-
tion) Statera opinionum benignarum in controversiis moralibus, Lugd.
1666, Fol., 1678 mit d. c, 1682 unbedingt verb. i); — Jos. Rössel
(Carthänser in Barcelona) Tractatus s. praxis deponendi conscien-
tiam . . ., Lugd. 1679, verb. 1687; gleichzeitig wurde verb. Laur.
de Aponte in Matth. evangelinm comm. tomi 2, Lugd. 1641 (der
Verfasser, ein Clericus reg. minor, war schon 1639 zu Alcala ge-
storben, Magna Bibl. eccl. s. v.; im span. Index wird verordnet,
bei Rössel c. 15, n. 13 — 16, und bei anderen Autoren die aus
Aponte entnommene Ansicht zu streichen. — Respuesta del Sere-
nissimo Sefior Preste Juan de las Indias a una carta del Ilustr.
Don Fray Gines Barrientos, Domin ico, Obispo auxiliar del titulo de
Troya, en islas Philipinas, verb. 1693, wird gegen Barrientos' Ex-
pugnacion de el probabilismo, 1685, gerichtet sein (Qu^tif 2, 740).
Unter Clemens XI. (1700 — 21) kam zunächst in den Index: Ri-
chard! Arsdekin S. J. Theologia tripartita universa. Editio posthuma,
verb. 1700. In dem Decrete (Nam. p. 184) und in den älteren In-
dices wird der 1. Band mit d. c, der 2. unbedingt verb., seit Ben.
alle drei Bände mit d. c. Der Verfasser, R. Archdeacon ans Kil-
kenny, war Professor in Löwen und Antwerpen, 1 1693. Sein Buch
war seit 1671 wiederholt gedruckt und ist auch nach 1700 wieder-
holt gedruckt worden. In der ersten nach dem Verbote erschienenen
(13.) Ausgabe, Antw. 1718, ist manches geändert, namentlich im
2. Bande die Erörterung über das Peccatum philosophicum wegge-
lassen. Wenn die Behauptung im K.-L. 1, 1252 richtig ist: die
späteren Ausgaben hätten „die verlangten Correcturen," so müssen
freilich alle Index-Ausgaben einen Irrthum enthalten: die älteren
verbieten den 2. Band unbedingt, verlangen und gestatten also keine
Correcturen in demselben, und die neueren bezeichnen alle Ausgaben
als zu corrigiren, ohne, wie z. B. bei Heraudo, die späteren auszu-
nehmen. — Apologia in favore de' ss. padri contra quei, che nelle
materie morali fanno dei medesimi poca stima. Opera postuma del
P. M. Bemardino Ciaffoni da S. Lupidio Min. Conv. [f 1684],
1) z. B. 18. An liceat mulieri, sub veste virili mentiri sexum, ut
degere possit intra septa conventus regularium. donec edat partum con-
ceptum in sacrilego adulterio cum superiore ejusdem conventus. 54. An
amasius jurans quinque olim suis concubinis ob affectivani erga illas re-
cordationem quotidic recitare pro singula unam angelicam salutationem,
peccet recitando vel omittendo. 99. An monialis fornicaria acquirat sibi
vel monastcrio pretium sacrilcgarum fornicationum. A. E. 1683, 269.
2) Ueber seine Bullae S. Cruciatae Elucidatio, Madrid 1651, Lyon
1668, 8. Woker, Finanzwesen S. 218.
512 Streitschriften über Moraltheologie.
molto necessaria per un^ infallibile regolamento delle coscienze con-
fuse fra le ambiguitä de' moderni probabilisti, BassaDO 1696 (To-
rino 8. a.*, 150 S. 16. ; gegen Caramnel, Diana, Escobar, Tambarini,
Busembaum u. a.), — und La scimia del Montalto, cioe un libric-
ciuolo intit. : Apologia . . . convinta di falsit^ da Fr. de Bonis,
Gratz(?) 1698, 171 S. 12., beide von der Inq. verb. 1701. Der
Verfasser des zweiten Schriftchens, welcher den des ersten als
„Affen Pascals" verhöhnt, ist der Jesuit J. B. Benedictis. Zaccaria
hat dasselbe 1760 trotz des Verbotes im 4. Bande seiner Raccolta
d'apologie dei Gesuiti wieder abdrucken lassen; Backer 7, 99. 430.
Die Risposta all' autore dell' Apologia ... da Guido Bellagra (d. i.
Gabriel Gualdo), Salzb. 1701, 2 vol. 12. (Vezzosi 1, 425), ist
nicht verb.
Einen eigenthümlichen Gegensatz zu dem gleichzeitigen Ver-
bote der Schrift von Ciaffoni und der Gegenschrift bildet es, dass
ein Buch des Römischen Jesuiten Balthasar Francolini, f 1709« nicht
verb. wurde, wohl aber zwei Gegenschriften. Jenes erschien zuerst
anonym: Clericus Romanus contra nimium rigorem munitus dnplici
libro, quorum uno veteris ecclesiae severitatem, altero praesentis
eccl. benignitatem a rigidiorum quorundam scriptorum calumniis vin-
dicat, Rom 1705, wiederholt unter seinem Namen gedruckt (noch
Augsb. 1796*). Opstraets anonyme Gegenschrift: Clericug Belga
clericum Romanum muniens . . . ipsamque Francolini doctrinam ürbi
et orbi denuncians, Lüttich 1706, 434 S. 8., wurde allerdings
nicht verb., wohl aber Francolinus cleri Romani paedagogus, laxio-
ris in administraudo poenitentiae sacramento disciplinae magiater,
commentitiae rigoristarum sectae iictitiarumque in Ecclesias veterem
et recentem calumniarum impugnator, observationibus historico-critico-
moralibus exagitatus, Delft (?) 1706, 225 S. 12., von dem Dominicaner
Anton Bordon aus Marseille, der seit 1704 Professor in Rom war
((iuetif 2, 80 1), von der Inq. verb. 1707, — und Letter eapologetiche
teologico-morali scritte da un dottore Napoletano ad un letterato
Veneziano, Avignon (Neapel) 1709, 388 S. 8., von dem Advocaten
Biagio Maioli de Avetabile zu Neapel, einem Freunde Moratori's,
verb. 1714; der 1. Brief ist ein Auszug aus den Schriften von
Opstraet und Bordon und aus einer Schrift des Neapolitanischen
Jesuiten Blasius Visconti, Synthesis apologetica theologico-moralis,
Neapel 1708, worin gegen B'rancolinus poleniisirt wird. Der 2. Brief
ist eine Vertheidigung Ciaffoni's (Magna Bibl. eccl. 1, 785). — Bei
Francolini kommen u. a. folgende Dinge vor: Der Rigorismus ist
die Moral der Jansenisten; hujus tria principia sunt: patres jactare
plurimum, pontifices aestimare parvi, recentiores theologos nihil!
(p. XIX). Von den Schriften der letzten Jahrhunderte weiss man,
von wem sie sind ; von den Schriften der Kirchenväter sind manche
unecht oder zweifelhaft oder von den Ketzern und Abschreibern
corrumpirt; jene sind klarer und bedürfen keiner Noten und Com-
mentare wie diese. Die neueren Schriften sind cum timore cen-
surae und nach einer vorherigen Censur und nach Verdammung
zahlloser Ketzereien geschrieben; darum sollten namentlich Anfänger
Fr. de Bonis. B. Francolinus. 618
ber eiDen berühmten neuem Autor lesen als die alten, deren Schriften
n aus Respect nicht zu corrigiren pflegt, obschon sie vieles Zwei-
itige und Gefährliche, ja auch Falsches (nämlich Unterschobe-
j) enthalten. Die Bücher der Neueren enthalten eruditionem longe
jorem, uberiorem doctrinam nostrisque usibus magis aocommoda-
a : continent eam totara, quam veteres continent, et eam, quam
liderunt innumeri doctores, qui post antiquos doctores per decem
amplius saecula scripserunt; innumeris quaestionibus respondent,
as ne tetigere quidem doctores antiqui (p. 252). Sich immer auf
j Kirchenväter, namentlich auf den Augustinus berufen, sapit
ereticam gloriationem (p. 285). Wenn die Kirchenväter von
»ralf ragen handeln, so fragen sie entweder nicht, ob etwas erlaubt
er nicht erlaubt sei, oder wenigstens nicht, ob etwas an sich
d immer oder nur unter gewissen Verhältnissen unerlaubt sei;
züglich dieser Verhältnisse machen sie auch keine Unterschiede.
3 verdammen vielmehr einfach etwas und ziehen gegen diejenigen
I, die es thuen, woraus man nicht erkennen kann, ob dieses an
h und immer böse, ob es eine Todsünde oder nur eine lässliche
nde ist (p. 295). Bei der milden Busspraxis werden allerdings
)le im Fegfeuer zu büssen haben. Aber wir hoffen, dass sie bald
raus befreit werden ; denn es gibt jetzt mehr Priester, die für sie
s Messopfer darbringen; und wir gewinnen jetzt so viele Ablässe
• die Verstorbenen, welche die Päpste zu dem Zwecke effusius
rleihen, damit, weil jetzt, um die Gläubigen zum Sacramente der
sse heranzulocken, nicht mehr so schwere Bussen auferlegt werden,
r göttlichen Gerechtigkeit aus dem Schatze der Kirche Genug-
lung geleistet werde*' (p. 356)^).
Ferner kamen unter Clemens XI. noch in den Index: Risposte
te da un teologo .... Milano 1698, seit Ben. unter Franc. Maria
3rano; — Manuductio ad theologiam moralem . . . auth. Jo.
iliano [Giuliani] S. J., Padua 1707, 616 S. 4., beide von der
l, verb., letzteres mit d. c. ; — Prattica del confessionario e
iegazione delle proposizioni condamnate da Inn. XI. e Aless. VII.
. tradotta dallo spagnuolo neir ital. dal P. Fr. Pietro Franc.
Como, 1707, 2parti, von der Inq. verb. 1710 und 1712. Erst
t Ben. ist der Name des Verfassers beigefügt: Giac. di Coreglia
iime da Cerella, Capuciner, f 1699); sein Buch ist in Spanien
mal gedruckt (Hurter 2, 546). Nach dem Verbote ist eine latein.
5bersetzung von Franc. Maria Gradiscanus erschienen : Praxis con-
isionalis, Verona 1723 (U. N. 1729, 1263). — Tractatus proba-
itatis ex principiis antiquorum compositus, auct. Nie. Peguleto,
•vanii 1708, 4., verb. 1714, von dem Theatiner Gabriel Gualdo,
1743, der auch unter den Namen Guido Bellagra (S. 512) und An-
lus Cupetiolus schrieb. Concina, Appar. 2, 327, sagt : das Ver-
t dieses und anderer ähnlicher Bücher werde von den Probabi-
1) Ausfülirlich über Francolini Concina, Appar. 2, 389, und Bischof
Ibert von Montpellier, Oeuvres 1, 48.
Beiweb. Index II. 33
614 Streitigkeiten über Moraltheologie.
listen nicht beachtet, and führt aus den Miscellanea dl varie Operette
8, 437 die Aenssemng an, das Buch von Gualdo, — er wird 11
dottore della probabilitä genannt, — sei nicht verboten worden, weil
seine Lehre falsch sei, sondern weil die Zusammenstellnng so vieler
probabeler Meinungen die Sittlichkeit gefährden könne ^).
Dazu kamen noch unter Benedict XIII. (1724—30): Moderamen
oonsoientiae dubiae, theologico-morali ratiocinio stabilitum, in Soc.
J. gymnasio Tridenti praes. Lud. Simon zin [S. J.] publicae dis-
putationi propositum . . . 1718, verb. 1727. — Jo. Marin Oco-
nensis (8. J. tl725) Theologia speculativa et moralis, Ven. 1720,
3 Fol., verb. 1728 — 29. Das Buch wurde 1726 von einem Laien
wegen der horribles relächements denuncirt (Hist. des Reflexions
4, 637). Mich, a S. Jos. 3, 113 sagt: die Römischen Censoren hätten
darin mehr als 140 Sätze beanstandet; in Hispania di versa sant
doctoram jndicia; das Buch wurde wenigstens, wie fast alle in
diesem Paragraphen erwähnten, in Spanien nicht verb. £s wnrde
aber auch in Venedig 1748 und 1760 wieder gedruckt.
Eine Controverse zwischen italienischen Jesuiten und einem
berühmten Dominicaner, Aug. Franc. Orsi, der 1749 Mag. S. Pal.,
1759 Cardinal wurde, tl761, hat keine Spuren im Index hinter-
lassen. Der Jesuit Carl Ambr. Cattaneo, f 1705, hatte in seinen
Lezioni saore gesagt, die Restrictio mentalis sei unter Umstanden
erlaubt. Dagegen schrieb Orsi Dissertazione dogmatica e morale
contra l'uso materiale delle parole, Korn 1727 (Benedict XIIL ge-
widmet), und gegen die AUegazione in difesa del P. C* A. Cattaneo,.
1728, La causa della veritä sostenuta contro Tanonimo apologista^
del P. Cattaneo, Florenz 1729, 86 S. 4. Auch die Jesuiten Diani,.
Saccheri, Riohelmi, Rota betheiligten sich mit anonymen Schriften
an dem Streite^).
Der Bischof Guy SÄves de Rochechouart von Arras verbot-
1703 die Synopsis theologiae practicae des Jesuiten J. B. Tabem&^
(Taverne), Douay 1698 u. o., und eine neue zu Douay (Köln) ge-
druckte Ausgabe der Moral werke des Jesuiten Georg Gobat (f 1679)^
und ccnsurirte speciell von ersterm 13, von letzterm 32 Sätze^
Selbst Avr. 4, 226. 237 findet wenigstens das letztere Verbot durch—
aus gerechtfertigt, da man in der neuen Ausgabe nicht einmal die-
von Innocenz XL verdammten Sätze gestrichen hatte. Ein Jesuit^
schrieb aber gegen den Bischof Yindiciae Gobatianae, 1706 (Hurter*
2, 226). Im Index stehen Taberna und Gobat nicht. — Eine Lettre-
en forme de dissertation sur la com^die von dem Theatiner Caffaro^
welche der Verfasser auf Verlangen des Erzbischofs von Paris 1694-
1) Der vollständige (lange) Titel des Buches bei Melzi 2, 326; vgL
1, 270. Vezzosi 1, 425. Gualdo schrieb auf Baptisma puerorom in ut^i»
ezistentium. Dissert. inedico-theol., zuerst anonym Padua 1710, 80 S. 8.,
dann unter seinem Namen 1712 und 8. Ed., Yen. 1723, 304 S. 8.
2) Backer 2, 109. Hurter 2, 1376. Fabroni, Vitae IUI. 9, 10. 38,
und ausführlich Bibliothdque italienne, vol. 8 — 12.
Streitigkeiten in den Niederlanden 1654—90. 616
retraotiren musste, mag hier erwähnt werden, weil sie Bossuet ver-
anlasste, die Maximes et rdflexions snr la comddie zu schreihen^).
Nenn spanische Bischöfe Hessen in Born eine Schrift drucken,
worin 333 laxe Moralsätze in den Consnltas morales varias des
Capuciners Martin de Torrecilla, Madrid 1694 — 1705, 6 Fol., dennn-
oirt wurden ; die Schrift wurde durch den Card. Belluga Clemens XI.,
Innocenz XIII. und Benedict XIII. überreicht (Concina, Apparatus
I, p. I). Der Capuciner kam aber nicht in den Römischen Index.
In dem spanischen von 1747 wird er expurgirt.
55. Streitigkeiten in den Niederlanden 1654—1690.
Bei dem Gegensatze, der in der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts in den Niederlanden zwischen den Jesuiten und
Recollecten (Franciscanern) einerseits und den Theologen der
Löwener Universität und den meisten übrigen Ordens- und
Weltgeistlichen anderseits hervortrat, handelte es sich weniger
um die Gnadenlehre als um Fragen der Moral- und Pastoral-
theologie (Verwaltung des Buss- und Altarsacrameuts u. a.), nach
1682 auch um die gallicanischen Ansichten. Dass in dieser
Zeit und in den folgenden Decennien so viele • in den Nieder-
landen erschienene Schriften, — neben einigen umfangreicheren
^on Estrix, Carolus ab Assumtione und Aegidius Gabrielis auch
ganz unbedeutende, u. a. viele Thesen, auch eine Anzahl von
holländischen Heftchen für den Gatechismusunterricht, — in
den Index kamen, erklärt sich daraus, dass beide Parteien es
sich angelegen sein Hessen, Lehren und Schriften der Gegen-
partei in Rom zu denunciren.
Im J. 1677 schickte die Löwener Universität mit Geneh-
migung des Königs vier Professoren nach Rom, um die Ver-
dammung einer Anzahl von laxen Moralsätzen zu betreiben und
sich bezüglich der Gnadenlebre gegen die Anfeindungen der
Jesuiten zu vertbeidigen. Innocenz XI. Hess denn auch durch
ein Decret der Inquisition Fer. V. 2. März 1679 65 Sätze in
ähnlicher Weise verdammen, wie dieses 1665 mit 45 Sätzen
1) Bossuet, Oeuvres 37, 508. Irailh 2, 894.
616 Streitigkeiten in den Niederlanden 1664—90.
geBchehen war (S. 497). Bezüglich der Gnadenlehre wurde die
Erklärung, die Löwener hielten an der Lehre der Censnren der
Facnltäten von Löwen und Douay vom J. 1588 (I S. 446) fest,
für genügend erklärt. — Wie in den Decreten von 1665 und
1666 werden anch in dem von 1679 diejenigen, aus deren Schriften
die verdammten Sätze entnommen waren, nicht genannt. Die
Frage, von welchen Autoren die Sätze herrührten, speciell, ob
von Jesuiten oder nicht, wurde in einer Reihe von kleinen
Schritten erörtert, von denen dann mehrere verboten wurden.
— Nach der Publication des Deere tes von 1679 beschäftigte
sich die Inquisition mit der Prüfung von Sätzen, welche von
den Gegnern der Löwener als in ihren und anderer Jansenisten
Schriften enthalten denuncirt worden waren. Ein Decret, worin
81 dieser Sätze verdammt wurden, wurde noch unter Innocenz XI.
fertig gestellt, aber erst unter seinem Nachfolger Alexander VIII.
mit dem Datum Fer. V. 7. Dec. 1690 publicirt. Die darin ver-
dammten Sätze sind nicht alle Moralsätze; einige beziehen sich
auf die Gnadenlehre; der 29. bezeichnet die Behauptung vom
der Superiorität des Papstes über das allgemeine Concil unA
von seiner Unfehlbarkeit in der Entscheidung von Glaubens-
fragen als futilis et toties convulsa assertio. Auch einige auf
dieses Decret bezügliche Schriften wurden verboten.
1. Der Erzbischof Boonen (S. 464) hatte 1GÖ4 noch einmal
eine unangenehme Correspondenz mit Rom. £r hatte zunächst Streit:*
mit den Ordensgeistlichen seiner Diöcese, die zum grössten Theilc^
behaupteten, eine Autorisation zur Absolution von den bischöflicheim
Reservatfällen nicht zu bedürfen (S. 392). Dann führte er löSST
die Praxis ein, von allen Welt- und Ordensgeistlichen, ehe er ihnei».
die Ermächtigung zum ßeichthören ertheilte, das eidliche Gelöbnis»
zu verlangen, dass sie 17 laxe Moralsätze, die er von mehreren
Welt- und Ordensgeistlichen hatte begutachten lassen, — sie wurdeiv
auf seine Veranlassung 1653 auch von der Löwener theologischeip
Facultät censurirt (Arg. III b 267), -— nicht anwenden wollten^
Sieben Jesuiten verweigerte er die Approbation, bis sie das Gelob—
niss ablegen würden. Die Jesuiten beschwerten sich in Rom, und dei^
Erzbischof wurde 18. Apr. 1654 von der Congregatio Concilii ange-^
wiesen, den sonst geprüften und approbirten Jesuiten die Ermächtigung
zum Beichthören nicht vorzuenthalten, wenn er nicht binnen 3 Monateim
Gründe dafür angebe ; sonst werde man einen andern Bischof ermäch-
tigen, sie zu prüfen und zu autorisiren. Der Erzbisohof schickte
nun 17. Juli 1654 einen ausführlichen Bericht nach Rom (Arg-*
III b 267), dem er die 17 Sätze beilegte, mit dem Bemerken, einige
Streitigkeiten in den Niederlanden 1654—90. 617
derselben seien früher von Jesuiten bei einem Examen vertheidigt
worden, namentlich der 4., dass man bei starkem Concurse nur die
halbe Beichte anznhören brauche. Der Erzbischof wurde unter dem
14. Nov. 1654 für seinen Eifer belobt und ihm mitgetheilt, die
Sätze seien der Inquisition zur Prüfung übergeben worden. Eine
weitere Antwort erfolgte nicht. Nach dem Tode des Erzbischofs
(t 1655) schickte der Bischof Triest von Gent 1657 der Löwener
Facultät 26 weitere Sätze, über welche diese 5. Mai 1657 eine mo-
tivirte Censur gab. (Die Actenstücke bei Arg. III b 267. 283.)
Einige dieser 17 und 26 Sätze finden sich unter den von Alexan-
der Vn. 1665 verdammten.
Die Bulle Alexanders VII. vom J. 1656 fand in den Nieder-
landen keinen offenen Widerspruch. Die Löwener Theologen schrieben
20. März 1660 an den Papst, sie hielten an der in der Censur von
1588 entwickelten Lehre fest und seien bereit, diese ihm, wie früher
Sixtus V., zur Entscheidung vorzulegen. Der Papst antwortete
7. Aug. in nichts sagenden Ausdrücken. Gleichzeitig (1660) wurde
in Löwen ein Formular eingeführt, welches auch diejenigen be-
schwören konnten, welche zwischen Jus und Factum unterschieden :
„Ich schwöre, dass ich die 5 durch die Bullen Innocenz' X. und
Alexanders VII. verdammten Satze verdamme und diese Bullen ge-
wissenhaft beobachten will (religiosam observantiam praestare)."
Man behielt dieses Formular auch nach der Publication der Bulle
von 1665 bei, indem man annahm, dass das in dieser enthaltene
Formular nur für Frankreich vorgeschrieben sei (Am. 1, 344. Ra-
cine 13, 294).
Die Facultät in Douay war ganz jesuitisch geworden ; aber in
Löwen gab es angesehene Theologen, welche zwar die 5 Sätze ver-
warfen, aber die Augustinische Lehre, wie sie Jansenius entwickelt
hatte, festhielten, mit Arnauld und seinen Freunden in Verbindung
standen und auch deren Ansichten über Moral, die Autorität des
Papstes und die gallicanischen Artikel, Bibellesen u. s. w. theilten ;
so Gummarus Huygens, Jo. Libertus Hennebel, Macarius Haver-
mans (Prämonetratenser, f 1680). Seit 1683 war der Internuncius
mit Erfolg bemüht, die Theologen dieser Richtung von der (aus 8
Mitgliedern bestebenden) engem Facultät auszuschliessen. In dieser
iominirte nach 1685 Martin Steyaert, nach dem Dict. Jans. 1, 61
,,früher erklärter Jansenist, nach der Verdammung der 5 Sätze ein
vollkommener Katholik," aber auch später mitunter von den Je-
suiten als verkappter Jansenist bezeichnet, weil er in Fragen der
Moral nicht mit ihnen übereinstimmte (Arn. 3, 242. 575). Seit er
1677 — 79 in Rom gewesen, war er ein entschiedener Gegner der
g^allicanischen Ansichten.
2. Abgesehen von den 1667 verbotenen, mir nicht bekannten
Folia quaedam partim gallice, partim lat. edita, quorum tituli sunt:
De elogio primo et praecipuo doctrinae angelici doctoris S. Thomae
Aq. . . . (Alex. No. 91), gab den ersten Anlass zum Einschreiten
der Index- Congr. ein verhältnissmässig unbedeutender Federstreit in
618 Streitigkeiten in den Niederlanden 16&4 — 90.
Gent. Von dem dortigen Pfarrer nnd Canonicns Peter van Bus-
cum erschien 1672 Instrnctio ad tironem theologum de metbodo
theologica octo reguHs perstricta, 36 S. 12. (für den jungen de
Witte, der später eine grössere Rolle spielte, geschrieben), mit Ap-
probation des Erzpriesters Gillemans. Der Bischof AUamont von
Gent verbot das Schriftchen, weil es scandalöse und verderbliche
Sätze enthalte, und der Jesuit Aegidius Est rix (Esscberix) schrieb
dagegen Diatriba theologica de sapientia Dei benefica . . . sive ma-
nuductio ad fidem divinam pervestigandara, confirmandam, expolien-
dam, asserta potissimum auctoritate Rom. Pontifiois eaqne nulli ob-
noziaerrori, etiam in quaestione facti vulgo dicta, Antw. 1672, 313 S.
4. Es folgten noch mehrere Streitschriften (auch zwei von Ger-
beron), von Buscum: Instructio ad tironem . . . per^tricta ab insul-
sis Jesuitae Estrix cavillis vindicata und Defensio adv. ea, quae
Aeg. Estrix in Diatriba theologica opponit Instruction! ad tir.
theol., Gent 1672, 61 S. 12., von Estrix: Apologia pro summis
pontificibus, generalibus conciliis et ecclesia cath. contra Petri van
Buscum Instructionem ad tir. tbeol. et ejusdem Instructionis defeii—
sionem et vindicias, Antw. 1672, 94 8. 4., und Dilucidatio communie
doctrinae theologorum de fide imperfecta quorundam rudium homi-
num nuper asserta Diatriba theologica, Antw. 1673, 38 S. 4. Di^
Schriften wurden auch nach Rom geschickt. Card. Bona, der mi't:
Gillemans in Correspondenz stand, schrieb 1672 an van Buscunx
(Epp. sei. ed. Sala, No. 250): seine acht Regeln seien, richtig ver-*
standen, orthodox; aber in der Erläuterung derselben kämen, wi
er selbst anerkenne, einige Dinge vor, an denen man Anetoss nehme
könne; es sei doch zu scharf, wenn er sage, die Scholastiker ver
theidigten viele ketzerische Sätze, und wenn er die Trienter Väte
darüber tadle, dass sie dem Beschlüsse über die Autorität der Tra.
dition in der 4. Sitzung nicht eine Aufzählung der Traditionen bei
gefügt hätten; auch lege er dem Baseler Concil zu viel Autoritä
bei. Bona verspricht aber schliesslich, er wolle sich bemühe
Buscum zu vertheidigen. — Schliesslich kamen 1674 zuerst die Dia-
triba und die Dilucidatio von Estrix, dann seine Apologia und die dr
Schriften von Buscum in den Index. Dass auch die gut infallibi
lietischen Schriften von Estrix verboten wurden, hat nach Arg. III
338 seinen Grund hauptsächlich darin, dass er wie Ripalda de
Satz vertheidigt: die übernatürliche und zum Heile genügende Gla
benszustimmung könne mit einer nur probabelen Erkenntniss de
Offenbarung, ja auch mit der Befürchtung, dass Gott sich nicht ge
offenbart habe, bestehen, — ein Satz der als No. 21 unter de
2. März 1679 unter Innocenz XI. verdammten Sätzen steht.
Estrix hat noch eine Reihe von Schriften veröffentlicht, mehrer
anonym oder pseudonym, wie einer seiner Gegner sagt, horror
Romani fulminis, quo jam saepius tactus fuit. Namentlich schrie
er mehrere Broschüren und Denunciationen gegen die Löwener Theo»
logen unter dem Namen Franc. Simonis (Am. 35, 42). Im Inde
steht von ihm noch eine unter dem Namen Wilh. Sandaeus erschi^ —
P. Y. Basoum. Aeg. Estrix. G. Huygens. 619
nene Schrift. Er war 1684 Provincial in Belgien, ging 1687 nach
Rom nnd starb dort 1694^).
3. 1674 erschien zu Löwen Methodus remittendi et retinendi
peccata auctore Gummaro Huygens Lyrano S. T. D. in Academia
Lovan. (Huygens, geb. 1631, war Präses des Collegium Hadriani VI.;
er wurde 1683 aus der engern Facultät ausgeschlossen, 1687 wieder
gewählt, aber von dem Internuncius sein Wiedereintritt verhindert;
1689 wurde er von dem Mechelner Capitel zum Erzbischof gewählt,
aber nicht bestätigt; eine Zeit lang war ihm Dociren, Predigen und
Beichthören verboten, f 1702). Das Buch vertritt die in Amaulds
Friquente Communion entwickelten Grundsätze über Aufschieben
der Absolution, ein Thema, welches in den damaligen Controversen
überhaupt eine grosse EoUe spielt. Huygens schickte es an Bona,
der ihm freundlich dankte (Epp. sei. 341. 342). Die Jesuiten de-
nuncirten das Buch in Eom (Laemmer, Melet. p. 401); es wurde
von der Inq. geprüft, aber freigegeben, wie der Nnncius Tanari
1680 bezeugte: liber cum nuper cum apologia illi adjuncta per S.
Congr. S. 0. examinatus fuisset, nuUam propositionem continere in-
ventus est, quae censuram mereretur^). Dagegen gelang es 1681,
eine Verdammung desselben durch die Inq. von Toledo zu erwirken.
1695 verdammte es auch der Erzbischof Precipiano (S. 59). — Com-
pendium theologiae, i. e. theses ex 1. parte, 1. 2. et 2. 2. D. Tho-
mae hebdomadatim defensae 1672 — 79 in Collegio Adriani VI. prae-
side Gummaro Huygens . . . Lov. 1679, wurde von der Inq.
verb., aber erst 1691. Die Publication dieses Verbotes wurde Pre-
cipiano verwiesen (S. 22). Die 1683 verfassten Thesen über die
Hauptpunkte der Gnadenlehre wurden von den Jesuiten angegriffen,
abor nicht verb. (Arn. 2. 244), auch nicht seine späteren Schriften
(J. des Sav. 1688, 17. Mai). — Gegen Huygens, Havermans, Neesen
und Gabrielis ist gerichtet die Schrift von Fr. Simonis (Aeg. Estrix):
Status, origo et scopus reformationis hoc tempore attentatae in Bel-
gio circa admin. sacr. poenit., juncta piorum supplicatione ad de-
mentem X., Mainz 1675,'*' 8., dagegen Epistola apolog. ad Inn. XI.
contra Fr. Simonis, auth. Mac. Havermans, 1676*. Erstere Schrift
wurde von dem Erzbischof de Berghes verb.; darauf erschien Pro-
testatio et exceptio ... ad decretum Archiep. Mechlin. 15. Febr.
1676, Mainz 1676.
Ein Jurist aus Antwerpen, der 1640 in Löwen studiert hatte
und durch das Lesen des Augustinus von Jansenius zur Frömmig-
keit angeregt worden war, schrieb ein frommes Buch, von welchem
1) Üeber den Buscum'schen Streit s. Biogr. nat. 3, 200. Idee . . de
M. Witte p. 4. Backer 2, 178; 7,232. Der Bischof von Gent erklärte auch,
Buscum uad Gillemans seien durch die Veröffentlichung der Instructio der
Suspension verfallen ; sie appellirten. Auch über diesen Process erschienen
mehrere Streitschriften. Der Bischof starb 1673 und die Sache wurde
beigelegt.
2) (Quesnel), Tres-humble Remonstr. p. 23. Opstraet, Opp. theol.,
Yen. 1783, 6, 285. Vgl. Am. 3, 222. 249; 4, 158.
520 Streitigkeiten in den Niederlanden 1664—90.
er selbst sagt, es sei fast nur ein Anszng ans dem des Janeenias:
Centnria colloquiorum Dei et animae, quibns Jansenianam de gratia
doctrinam e campo dispntandi Martio in placidum meditandi Ely-
sium transdncere conatus est Jo. Wierts, s. 1. 1676, 663 S. 4.
(Paqnot 1, 6); es wurde gleich 1677 verb.
4. Der Carmeliter Carolus ab Assnmtione, — er hiess in der
Welt Charles de Brias, war ein Bruder des Erzbischofs von Cam-
bray und früher Soldat gewesen, — schrieb unter dem Namen Ger-
manus Philalethes Eupistinus zuerst eine Yertheidigung der Scientia
media, dann, nachdem diese Schrift durch den Dominicaner Hiero-
nymns Henneguier unter dem Namen Philalethes Consentanus 1670
bekämpft worden (Qu^tif 2, 781), im thomistischen Sinne: Thomi-
starum triumphns, i. e. SS. Aug. et Thomae summa concordia de
scieqtia media, de natura pura . . . . , Douay 1672, 2 vol. 4., dann
gegen eine Erwiederung des Jesuiten Fr. Fournestraux einen 3. Band
des Thom. triumphns, 1674, und Funiculus triplex, quo necessitas
D. Thomae ad veram S. Augustini intelligentiam insolubiliter strin-
gitur adv. Bajum, Molinam et Jansenium, Cambray 1675.
Die beiden ersten Bände des Thom. triumphns wurden in Rom
denuncirt, aber nicht verb. Card. Bona, der sich des Verfassers
angenommen, theilte ihm dieses 19. Mai 1G73 mit. P. Carolus
dankte dem Cardinal für seinen Schutz (Epp., Lucca 1759, I No. 80),
beging aber die Tactlosigkeit, jenen Brief mit Bemerkungen drucken
zu lassen. Bei Papebroch, Elucidatio p. 89 ist ein Brief Bona^s an
P. Carolus vom 15. Aug. 1674 abgedruckt, worin er es diesem
verweist, dass er den Brief vom .1. 1673 habe drucken lassen, und
ihn auffordert, alle Exemplare einzusammeln und zu verbrennen. Da-
bei beklagt er sich nicht über eine Alterirung, sondern nur i\ber
falsche Deutungen des Briefes: manche beklagten sich, er habe sie
zu scharf angegriffen, während er nur die zwei oder drei gemeint,
die P. Carolus' Buch denuncirt hätten, und dieser selbst deute den
Brief nicht richtig: er habe in diesem weder selbst seine Lehre ge-
billigt noch gesagt, die Inquisition habe sie gebilligt, sondern nur,
er habe dazu beigetragen, dass sein Buch nicht verdammt worden
sei ; es seien übrigens auch noch andere Schriften von ihm zu prüfen,
und er wisse nicht, ob nicht diese verboten werden würden. — Die
Ausgabe des Briefes wurde 1676 verb. Sie steht in den älteren
Indices als Liber cui titulus: Epistola sub nomine Eminentissimi
Dom. Joannis S. R. E. Card. Bona, approbans doctrinam Germani
Philalethis Eupistini, seit Ben. als Epistola . . . Eupistini mit
dem Zusätze: Libellus contra Card. Bona sie inscriptus. Dieser Zu-
satz ist irreführend. Die Schrift ist allerdings nur wegen der dem
Briefe beigefügten Bemerkungen, die man allenfalls als Libellu» con-
tra Card. Bona bezeichnen kann, verb. (Concina, Appar. 1,56), aber
der Brief selbst ist echt und richtig abgedruckt. Quesnel bei Avr.
3 , 124 behauptet, Card. Altieri habe den Brief aus persönlicher
Malice gegen Bona in den Index gebracht. — Dieser nämliche P.
Carolus, der ein so eifriger Vertheidiger der thomistischen Gnaden-
lehre war, veröffentlichte 1678 anonym und ohne Approbation: Pen-
J. Wierts. Card. Bona. Pentalogus diaphorioas. 621
talogus diapboricus s. quinqne differentiarum rationes, ex qnibuB
yerum judicatur de dilatione abBolutionis ad meutern gemini Eccle-
siae solis SS. Ang. et Tboroae, oblatus ad examen Innocentio XI.,
8. 1. et a., 8. ein Bueb, von dem Arnaald (42, 515) sagt, es sei
ein monströser Haufen von Wabrbeiten nnd Irrtbümem über die
Basse (er fübrt daraus u. a. den Satz an: aucb wer alle Sonntage
dieselben Sünden beicbte, sei zu absolviren). Es erscbienen mebrere
Scbriften dagegen, u. a. Examen Pentalugi diapb. . . Innocentio XI.
oblatum a Tbeologo Moguntino, Col. 1688,* 8., und Eclaircissements
von dem Biscbof von Tournay. Innocenz XI. soll das Bucb vor
dem Druck geseben und die Erlaubniss zur Veröffentlicbung ge-
geben baben; der Carmeliter-General, der das nicbt wusste, befabl
dem P. Carolus, der damals Provincial war, unter Androbung der
Excomm., das Bucb zu verbrennen, was dieser aucb tbat. Der neue
General erlaubte ibm, eine französiscbe Bearbeitung seines Bucbes
zu veröffentlichen: Eclaircissement toucbant Tusage de Tabsolution
des consu6tudinaires et recidives selon S. Tbomas avec trois r^gles
pour la frequente communion, Lille 1682 (mit einer 36 Seiten
langen Approbation von dem Dominicaner Hieron. Henneguier).
Dann scbrieb er nocb Yindiciarum postulatio a Jesu Cbr., peccato-
mm omnium poenitentium et impoenitentium redemptore, adv. rigori-
stas bomines a sacro tribunali retrabentes, Leodii 1683. — Der
Pentalogus (aber keine von den dadurcb veranlassten Scbriften)
wurde 1685 verb.^).
5. Die Deputirten der Löwener Universität, welcbe 1677 — 79
in Rom waren, waren die Professoren Franc, van Vianen, Cbristian
Lupus (Wolf, Augustiner), Lambert Le Drou (Augustiner) und Mar-
tin Steyaert. Die von ibnen denuncirten Sätze, über 100, sind ab-
gedruckt in den Opuscula eximii viri Dr. J. L. Hennebel, Lov.
1703,* p. 19. In dem Decrete der Inq. Fer. V. 2. März 1679
(Const. p. 150) werden die 65 Propositiones als „mindestens ärger-
nissgebend und in praxi verderblicb** verdammt unter Androhung der
reservirten Excomm. 1. sent. für jeden, der einen derselben vertbei-
digen werde, und mit der Erklärung, die Verdammung dieser 65
Sätze dürfe nicht als Gutheissung anderer, dem Papste von irgend-
welcher Seite vorgelegter oder vorzulegender Sätze angesehen werden.
Am Schlüsse des Decretes macht es der Papst den Theologen zur
1) Kurier 2. 311. Paquot 1, 133. Mart. a S. Jo. Bapt., Biblioth.
Carmel. 1, 312. 536. A. E. 1689, 261. — Auch Havermans schrieb ein
Elxamen libelli P. Caroli ab Ass. . . cui tit. Pentalogus . . . Col. 1679,
8. (er lobt einiges darin, Arn. 42, 516). Gegen die Eclaircissements des
Bischofs von Tournay schrieb P. Carolus anonym (vier) Lettres d'un Theo-
logien flamand ä l'eveque de Tournay, 1680, gegen eine Erwiederung des
Bischofs nochmals sechs Lettres, danach der Bischof Lettre aux pasteurs
et confesseurs de son diocdse, 1681. Arnauld schrieb Observations d'un
Professeur en philosophie sur les Lettres d'un Theologiea flamand, 1680.
Der Bischof veröffentlichte auch gegen das Eclaircissement eine Seconde
lettre pastorale mit einer Censur von 21 Doctoren (Arn. 42, 514).
522 Streitigkeiten in den Niederlanden 1654 — 90.
Pflicht, sich fortan in Schriften, Disputationen und Predigten aller
Censaren (censnra et nota) nnd Schmähungen gegen diejenigen Sätze
zu enthalten, die noch unter den Katholiken controvers seien, his
der h. Stuhl darüber ein Urtheil aussprechen werde. — Auch die
Bischöfe von Arras und St. Pons hatten 1677 nach Befragung
mehrerer Theologen in einem in ihrem Anftrage von Nicole con-
cipirten Briefe um die Verdammung von 80 laxen Moralsätzen ge-
beten; aber das sind mit ganz wenigen Ausnahmen andere als die
in dem Decrete von 1679 stehenden; dieses ist also nicht durch
jenen Brief veranlasst. Ludwig XIV. verbot damals den anderen
Bischöfen, sich an dieser Denunciation, durch welche alte Streitig-
keiten wieder angefacht werden könnten, zu betheiligen (A. J. P.
13, 938. Michaud 3, 283). £r drang auch in Eom mehr auf die
Unterdrückung des Jansenismus in Löwen als auf die Verdammung
der Moralsätze, und die Publication des Decretes von 1679 wurde
in Frankreich von dem Parlamente nicht gestattet (Michaud 4,
177. 180).
Bezüglich der Gnadenlehre legten die Deputirten eine Anzahl
von Artikeln vor, welche die Lehre der Facultät enthielten (Henne-
bei, Opusc. p. 12); von diesen wurde nur einer beanstandet, aber
mit der von den Deputirten gegebenen £rläuterung für zulässig er-
klärt^). Femer legten sie eine ihnen 1679 von der Universität
übersandte Erklärung vor, dass sie an der in der Censur von 1588
und in der Justificatio derselben (I S. 446) enthaltenen Lehre fest-
halte. Die Inquisition liess diese durch den Mag. S. Pal. Capisucco,
den Commissar Puteobonellus und die Consultoren Nie. Mirabella
und Laur. de Laurea prüfen; diese erklärten nach drei Monaten die
Censur für orthodox, und 9. Juni 1679 eröffnete der Assessor S. 0.
Piazza den Deputirten im Auftrage der Inq.: die Censur könne tuto
legi et doceri; ein förmliches Document darüber zu geben, sei gegen
die Praxis der Inq. Die Deputirten wurden zugleich ermahnt, man
möge sich die Eintracht zwischen Welt- und Ordensgeistlichen und.
die Vermeidung aller Neuerungen bezüglich der Heiligen- und Bil-
derverehrung und bezüglich des Busssacramentes angelegen Beim
lassen^). Wenn die Inq. wirklich dem Internuncius in Belgien mit—
getheilt hat, die Censur dürfe ohne Erlaubniss des Papstes oder der*
Inq. nicht gedruckt werden, so war das nur eine Application der allge—
meinen Verordnung über die Veröffentlichung von Schriften de auxiliis
(S. 299). Die Censur und die Justificatio wurden zu Paris 1683
und die Apologiae der Jesuiten zu Lüttich 1684 gedruckt* und nicht
1) Orone opus ut plane bouum sit et ne venialiter quidem in eo de-
linquatur, debet ex tali caritate procedere ac per ipsam referri in Deum.
Damit solle nicht gesagt sein: opera, quae per caritatem nou referuntar
in Deum, nunquam esse moraliter bona, sondern: nisi saltem per imper-
fectam caritatem in primum principium virtualiter referantur, non fieri
sicut oportet.
2) Dieses ist nach den weitläufigen Erörterungen von Serry p. 38
und L. de Meyer 1, 78 als das Richtige anzunehmen.
Propositiones damnatae von 1679. 52S
V6rb. *). Gegen die Behauptung Le Telliers, die Ceneuren von Löwen
und Douay seien von SixtuR V. verworfen worden, schrieb Quesnel
Apologie historique de deux censures de Louvain et de Donai sur
la matiere de ia grace, par M. Gery, Bachelier en Theol., Col.
1688, 479 S. 12. Die Facultät von Douay erklärte 1690, dass sie
manches in dem Buche missbillige, und 1697 wurde es mit d. c.
verb. (das einzige Buch von Quesnel mit d. c.; das Verbot fehlt
in den Indices vor Ben.).
Von den Schriften über die Urheber der 65 verdammten Sätze
stehen folgende im Index: Hefutatio accusatoris anonymi damnatas
ab Innocentio XI. propositiones adscribentis ordinum religiosorum
theologis ac praecipue Societatis Jesu, auct. Wilh. Sandaeo, S. Th.
Lic., Mog. 1679*, 84 und 14 S. 12, verb. von der Inq. Fer. V. 14.
März 1680, von Estrix, gegen eine angeblich zu Brügge gedruckte
flämische üebersetzung eines Theils der 65 Sätze, in der die Ver-
theidiger derselben genannt waren; in einem beigedruckten Briefe
d. d. Mecheln 4. Apr. 1679 wird versucht nachzuweisen, dass die
meisten Sätze von Löwener Theologen gelehrt worden seien. — Re-
sponsio cujusdam S. Theol. Professoris ad epistolam cujusd. Prae-
lati, qua continebatur quaestio facti, an certi theologi reguläres sint
auctores 65 propositionum, quas die 2. Martii 1679 Innocentius P.
XL damnavit, Col. 1679, — E^futation peremptoire d'un certain
livret avort^ depuis peu sous le titre de D6cret de N. S. PAre,
auquel on a adjoint une certaine table et quelques avertissements
diffamatoires et h^retiques, Col. (1679?), — Avertissement,
cujus initium : Celui qui a recueilli les passages rapportez cy-devant,
a cru faire plaisir au public, flnis vero: k fln d'apprendre leur con-
damnation k plusieurs personnes, — diese drei verb. 18. Juni 1680.
Dem letzten Titel hat Ben. beigefügt: quod habetur p. 34 opusculi
inscripti: D6cret de N. S. Pere le Pape Innocent XI. contre plu-
sieurs propositions de morale. Das ist ohne Zweifel das Schriftchen,
gegen welches die Refutation gerichtet ist, und wahrscheinlich
stammt daraus die A. J. P. 13, 938 (aus einer Pariser Handschrift)
abgedruckte Table des livres ou autres ecrits, oi\ sont les propo-
sitions, in der viele Sätze Bauny und Moya, einige Estrix zuge-
schrieben werden. — Decrets de nos saints p^res les Papes Ale-
xandre VII. et Innocent XI. contre plusieurs propositions de la
morale relachee. Liege 1680, — Unitas dogmatica et politica, in
qua agitur de reformatione hoc tempore attentata in Belgio, ob-
lata Sereniss. Prineipi Joanni Austriaco, antiquitatis patrono, fldei
propugnatori, s. 1. 1679*, 80 S. 12., — beide verb. von der Inq.
Fer. V. 26. Juni 1681. Das letzte Schriftchen beweist allerdings
nicht im einzelnen, sondern behauptet nur, die 65 Sätze seien nicht
von Ordensgeistlichen aufgestellt, vielmehr grossentheils von ihnen
schon vor 1679 verdammt worden; sein Hauptzweck ist, zu zeigen,
dass die dogmatische und politische Einheit in Belgien nur herge-
1) I S. 446. Arn. 2, 361. Serry p. 58. 714,
624 Streitigkeiten in den Niederlanden 1654 — 90.
stellt werden könne, wenn man alle Römischen Decrete, auch die
den Jansenisten anbequemen, energisch durchführe nnd den Neue-
rungen steuere. Aus diesem Schriftchen p. 77 ist auch zu er-
sehen, worum es sich bei den Notulae ad decretum Archiepiscopi
Mechliniensis, datum Bruxellis die 29. Aug. 1674 et conclusum 14.
Jnnii ejusdem anni, Col., verb. 1683, handelt. Der Erzbischof (Al-
phons de Berghes, 1669 — 89) hatte verboten, bei Processionen gleich-
zeitig das Sanctissimum und Heiligenbilder, speciell in Brüssel bei
einer Procession am Feste des h. Michael dessen Bild und das
Sanctissimum einherzutragen. Der Magistrat beklagte sich darüber
bei dem Gouverneur, und dieser verordnete, es solle bei der alten
Sitte bleiben 1).
Zu den durch das Decret von 1679 hervorgerufenen Schriften
gehört noch eine, der Tendenz nach der Unitas ähnliche, welche
zwar nicht in den Index gekommen, aber für die Geschichte des
Index wichtig ist, die S. 18 erwähnten Constitutiones et dccreta . . .
Col. 1679. Jo. Neercassel, Bischof von Castoria i. p.« hatte das
Decret von 1679 mit einem kurzen Hirtenbriefe publicirt. Dieser
ist in dem Schriftchen an erster Stelle abgedruckt, mit einigen pa-
renthetischen Zusätzen, in denen das, was Neercassel von jenem De-
crete sagt, auf alle päpstlichen Decrete ausgedehnt wird ; dann folgt
ein einfacher Abdruck der römischen Decrete, von denen der Her-
ausgeber annahm, dass sie den Jansenisten weniger genehm seien
als das von 1679, mit der Bulle Pius Y. gegen Bajus beginnend,
darunter auch eine Anzahl von Decreten der Inq. und der Index-
Congr. In der 3. Ausgabe von 1686 ist diese Sammlung bis 1687
fortgeführt und auch ein polemischer Epilogus beigefügt.
Ausser den genannten, in den Niederlanden verfassten, wurden,
noch folgende Commentare zu den Decreten Alexanders YII. und
Innocenz' XI.^) verb.: Tuta conscientia s. theologia moralis, in qua
quid possit vel non possit fieri tuta conscientia . . . decemitur juxta
doctrinam . . primae classis doctorum necnon juxta decreta Summo-
rum Pontif. et Cardinalium Congregationis . . concinnata a Carolo
Casalichio (S. J.), Neapel 1681, Fol., verb. 1683 (Hurt^r 2,523).
Raymundi Lumbier (Carmeliter in Saragossa, Biblioth. Carmel. 2,
1) Der Erzbischof wurde damals in Rom auch wegen eines Verbotes
der oftmaligen Expositionen des Sanctissimums und der Benedictionen
mit demselben denuncirt. Der Denunciant erkannte an, in Italien fanden
solche Expositionen selten statt, hob aber hervor, in Belgien seien die-
selben Sitte (die Sitte sei durch die österreichischen Fürsten dort ein-
geführt), und die Abneigung des Erzbischofs oder seiner Käthe stamme
aus Amaulds Freq. Comm. und dem Ritucl d'Alet. Laemmer, Melet.
p. 402.
2) Das verbreiterte Buch über diesen Gegenstand ist das von dem
Jesuiten Dominicus Viva, Damnatae theses ab Alexandre YII., Inuocentio XI.
et Alexandro YIII. necnon Jansenii ad theologicam trutinam revocatae
juxtu pondus sanctuarii, Neapel 1708 u. o. Patuzzi weist im 3. und 4.
Bande der Lettere di Eusebio Eranista nach, dass Viva's Angaben über
die Urheber der Theses vielfach ungenau sind.
Aeg. Gabrielis. 626
673) Obseryationes theologicae morales circa propositiones ab Alex.
YII. et Innoc. XI. damnatas, Barcinonae 1682, 4., verb. 1684; da-
gegen scbrieb Laur. Maria Pisani 0. P. Gedeonis gladius proposi-
tiones ab Innoc. XI. damnatas angelici doctoris ope penitns profli-
gans . . addita appendice contra ObservationeB . . . Panormi 1683
(Qu6tif 2, 727).
6. Einige Monate nach der VerdammuDg der 65 laxen Moral-
sätze verbot die Inq. Per. IV. 27. Sept. 1679 (Const. p.l65) Speci-
mina moralis christianae et moralis diabolicae, autli. H. P. F. Ae-
gidio Gabriel iß S. T. B. F. Tertii Ordinis S. Francisci de Poeni-
tentia, vulgo Beggardoram^j, Lov. 1675, in welcher laxe Moralsätze,
n. a. der von Alexander VII. für zulässig erklärte Satz über die
Attritio, als Proben teuflischer Moral angeführt waren. 1680 wurde
Gabrielis nach Rom citirt, wie es scheint, auch wegen anderer An-
klagen. Amauld sagt in einem Briefe an Neercassel (42, Suppl. 20),
er sei wegen Neuerungen bezüglich der Busse und der Marien Ver-
ehrung citirt worden, bittet den Bischof, ihm Empfehlungen mitzu-
geben, und bemerkt, die Verdammung der Specimina werde als eine
Paralysirung der Verdammung der 65 Sätze die I^axisten freuen. —
In Rom wurde Gabrielis von Favoriti (f 1683) und Casoni, Secre-
tären Innocenz' XI., die als Jansenisten galten, protegirt. Favoriti
liess sein Buch durch Dirois, den Theologen des Card. d^Estrees,
corrigiren und erwirkte die päpstliche Erlaubniss zum Drucke der
expurgirten Ausgabe. Sie erschien schon 1680 zu Rom mit der, wie
es scheint, ungern gegebenen Approbation des Mag. S. Pal. Capi-
succo unter dem Titel: Specimina moralia R. P. F. Aeg. Gabrielis
Leodiensis . . . Ed. secunda ab authore correcta et aucta. Aber
Card. Ludovisio gab dem Papst ein Schriftstück, worin behauptet
wurde, auch die neue Ausgabe enthalte Irrthümer^), und der Papst
liess diese zuerst ohne Vorwissen Favoriti's durch einen Theologen,
dann durch den Mag. S. Pal. und vier Consultoren der Inq. prüfen,
und diese Prüfung fiel ungünstig aus. Die Inquisition von Toledo
hatte 1681 die 1. Ausgabe als „Bajanistische, Jansenistische, nach
1) Arnauld sagt, die Beggardi (Bogards) seien une espöce de Fran-
ciscains trös-mitigee. Auf dem Titelblatt der 2. Ausgabe wird Gabrielis
als Deflnitor generalis apostolicus et per Belgium commissarius bezeichnet.
Er hatte sich schon früher Anfeindungen zugezogen. In einem Briefe an
Card. Bona (vom J. 1673? Epp., Lucca 1759, 1,78) sagt er: der Cardinal
habe ihm durch den Internuncius die CoroUaria seiner Antithesis geschickt,
die hauptsächlich Anstoss erregt hätten, weil mau darin eine Billigung
der 5 verdammten Sätze (des Jansenius) gefunden; er habe dem Inter-
nuncius eine Erklärung überreicht, dass er diese Sätze nicht billige; er
danke dem Cardinal, dass er sich seiner angenommen. Am 24. Febr. 1674
schreibt er an Bona (1, 79): die beiliegende Thesis. in der er sich aller-
dings stark gegen die laxen Casuisten und den falschen Probabilismus
ausspreche, sei angegriffen worden, der Cardinal möge sie prüfen und ihn
belehren.
2) Sie wurde auch von Fierlant, Kanzler von Brabant denuncirt.
Jansenismus in multis ezotioe rigidus, 1698, p. 43.
526 Streitigkeiten in den Niederlanden 1654 — 90.
Ketzerei sohmeckende etc. Sätze enthaltend^' verdammt, nnd der
spanische Gesandte beklagte sich im Auftrage des Königs über die
Gestattung der neuen Ausgabe ; es erschienen ein paar Streitschriften
dagegen^;, und so wurde denn von der Inq. Fer. V. 9. Sept. 1683
auch die drei Jahre vorher in Rom approbirte Ausgabe verb., gleich-
zeitig auch eine von Gerberon besorgte französische Ausgabe: Les
essais de la th6ologie morale par le R. P. Gilles de Gabriel . . .
Definiteur general et Commissaire Apost. dans les Pays-Bas. 3. Edi-
tion revue, corrigee et augment^e suivant Toriginal imprim^ k Rome
. . . 1680 avec la permission du Maistre du S. P., 1682, und alle
anderen Ausgaben und Uebersetzungen , gleichzeitig auch ein mir
nicht bekanntes Buch: Uyterste devoiren in den uytersten nood van
de leste casuistique Pasquil-makers teghens de recht-sinnige theo-
loganten, gheremonstreerd door Philippus Jansenius.
7. Patricius Duffy, ein irischer Minorit, denuncirte, angeblich
nomine Catholicae Majestatis, 96, Fr. Porter^ gleichfalls ein irischer
Minorit (S. 415), nomine cleri saecularis et regularis Belgii (er war
von 50 Geistlichen bevollmächtigt), 104 Sätze als in den Schriften
von Löwener Theologen und ihren Gesinnungsgenossen enthalten.
Viele Sätze standen in beiden Denunciationen. Beide wurden zu-
nächst dem Mag. S. Palatii, dem Commissar der Inquisition und zwei
anderen Qualiticatoren, Ricci und de Laurea (beide später Cardinäle),
tiberwiesen, um zu constatiren, ob die Sätze in den Büchern, die al0
Quelle angegeben waren, wirklich enthalten seien. Manche wurden
von diesen mit Bemerkungen wie Non habetur apud auctorem unA
dgl. beseitigt. Mit der Prüfung der von den vier Quali£catoren an-
erkannten Sätze wurden 8 andere beauftragt; wie es scheint, wurdeiB.
die Löwener auch über die betreffenden Sätze (oder über einen Theil.
derselben) zur Aeusserung aufgefordert. Von 1682 bis Anfangs
1685 wurde in den Sitzungen der Inquisition wiederholt darübeir'
verhandelt; daun trat die quietistische Angelegenheit in denYorder—
grund. Es kam aber noch unter Innocenz XI. ein Beeret zu Stande.,
worin 31 Sätze verdammt wurden. Der Papst bestätigte dasselbe
aber nicht, wie es scheint, auf den Rath des Card. Grimaldi un(L
wegen der Vorstellungen, die Card. d'Estrees gegen die Verdammungr
des gallicanischen 29. Satzes machte. Nach dem Tode Innocenz^
XI. wurde die Sache, hauptsächlich auf Betreiben eines Agenten dei»
Königs von Spanien, des Minoriten Diaz, wieder aufgenommen uncL
das Decret ohne nochmalige Berathung in der Inq., — wohl haupt —
sächlich um des 29. Satzes willen, — von Alexander VIII. bestä —
1) Scrupuli novi et antiqui ex lectione Speciminum mor. . . . oborti>
Cornelio Zegers, Col. 1681*, 8. Aeg. Gabrielis moralis doctrinae reiteratun».
examen cjusque catholica repetita castigatio, Leodii 1683, 8. (Dict. Jan&»
4, 14). lieber die Verhandlungen in Rom s. Michaud 4, 184; 2, 332. 455«
Es wurde 1683 gegen Gabrielis weiter inquirirt wegen gallicanischer Satse»
die er früher vorgetragen haben sollte, und wegen einer Retractation der^
selben, die man nicht genügend fand. Man verlangte von ihm, er solle gegen
die gallicanischen Artikel schreiben; er entwich aber aus Rom (2, 4t66).
Propositiones damnatae von 1690. 627
tigt^) und mit dem Datum Fer. V. 7. Dec. 1690 am 20. Dec. 1690
pnblicirt (Bull. 12, 66. Arg. III b 371). Die 31 Sätze wurden ver-
lammt als resp. temerariae, scandalosae, male sonantes, injuriosae,
baeresi proximae, . . . schismaticae et haereticae, also schärfer als
iie Sätze von 1679, die nur als ut minimum scandalosae et in praxi
perniciosae bezeichnet wurden. Einige derselben sind aus Sinnich
and anderen älteren Theologen entnommen, einige aus Schriften von
Christ. Lupus, Huygens, Havermans, Gabrielis, Henr. a S. Ignatio,
Ire! aus Arnaulds Fr^quente Communion (S. 450), der 26. aus den
Bionita von Widenfeld (Viva, P. III. Dict. Jans. 3, 335).
Arnauld und seine Freunde waren über dieses Beeret ebenso
betroffen wie über das vom J. 1679 erfreut. Arnauld (3, 350)
nennt es un pitoyable d^cret, und Gerberon (Proces II, p. 10) sagt:
Cette censure ambigue est le scandale de la Cour Eomaine, la honte
du Saint Office et la confusion du pontificat d^Alexandre VIII. —
Von den Schriften, die über dieses Decret erschienen, kam ausser
Arnaulds Difficult^s prop. a M. Steyaert, deren 9. Theil (9, 322)
ausführlich davon handelt und 1705 verb. wurde, in den Index nur
Lettre d'un abbe a un prelat de la Cour de Kome sur le decret
de rinquisition du 7. Dec. 1690 contre 31 propositions, Toulouse
1691 (2. Ed., jouxte la copie imprimee ä Thoulouse 1691.* 66 S. 12.),
erst 1703 von der Inq. verb., eine kleine, aber sehr pikante Schrift
von Quesnel (C. Qu. p. 451). — Precipiano hatte diese schon 1695
verb.; zwei andere von ihm verbotene Schriften stehen nicht im
Böm. Index, obschon er starke Stellen daraus anführt und die erste
auch von Steyaert bekämpft wurde: Notae breves ac modestae in
prop. 31 S. Inquisitionis decreto proscriptas, Col. (Löwen) 1691, nach
Paquot 3, 629 wahrscheinlich von Hennebel, und Quaestio juris
pontificii circa decretum ab Inquisitione Rom. adv. 31 prop. latum
Em. S. R. E. Cardinalibus dioata a P. le Pretre, Abbate Frigidae
Vallis, V. J. Caudidato. Juxta exemplar impressum Tolosatibus
1693, worin nachgewiesen werden soll, dass nach den Grundsätzen
1) Avr. 3, 342 sagt: schon 1676 habe der Franciscaner Bruno Neusser,
den der Erzbischof von Mechelu (?) und andere Anti-Jansenisten nach
Rom gesandt, die (später verdammten?) Sätze denuncirt; dieser sei nach
dem Tode Clemens' X. (1G76) nach Belgien zurückgekehrt; der Carmeliter
Seraphim a Jesu Maria habe aber die Betreibung der Sache übernommen.
Die 31 Sätze, welche verdammt wurden, stammen aber jedenfalls aus den
Denunciationen von Dufify und Porter. Vgl. die im Text angeführte Lettre
von Quesnel, Arn. 2, 585. 539, Michaud 4, 177. Nach Michaud 4, 183
wurde auch über 8 8ätze aus einem Buche von Christ. Lupus verhandelt,
der ja auch schon 1655 als des Jansenismus verdächtig nach Rom citirt
worden war; diesen nahm aber Innocenz XI. in Schutz. — Mit diesen
Denunciationen hangen zusammen Specimina doctrinae theologicae per
Belgium manantis ex Academia Lovaniensi ab a. 1644 usque ad a. 1677,
6 Partes, die zusammen einen ziemlich starken Quartband bilden, Auszüge
meist aus Löwener Thesen, wie in der Vorrede gesagt wird, zur Infor-
mation für die Römischen 'Behörden als Manuscript, darum s. 1. et a.
gedruckt.
528 Streitigkeiten in den Niederlanden 1654 — 90.
des canonischen Eeolites das Decret ipso jnre nnllum sei (Dict. Jans.
3, 355).
8. Von P. Duffy wurden 1684 durch die Inquisition Thesen
verb., welche er 1679 in dem irischen Minoriten-Colleg zu Löwen
hatte vertheidigen lassen. Der Titel, Theologia ad meutern Doctoris
subtilis Jo. Duns Scoti, lässt vermuthen, dass sie zu scotistisch ge-
wesen sind. Andere Thesen, die 1685 verboten wurden, hangen mit
den besprochenen Parteiungen zusammen. Der Erzbischof Alphons
de Berghes versuchte nämlich 1685 eine Verständigung zwischen
den Jesuiten und Recollecten und den Löwener Theologen durcli
eine Conferenz herbeizuführen. Die für diese Conferenz vorgeschla-
genen Materien formulirte Huygens. Namens der Jesuiten machte
Philipp de Vos Gegenvorschläge in vier Artikeln, von denen einer
verlangte, die Professoren sollten, ehe man mit ihnen disputire,
ein anderes Formular unterzeichnen als das an der Universität ge-
bräuchliche, nämlich das Alexanders VII. mit dem Zusätze: „so wie
ich denn überhaupt auch alles verdamme und verwerfe, was der h.
Stuhl oder die Inquisition aus Anlass dieser oder ähnlicher Contro-
versen verdammt hat** (Arn. 2, 546). Darauf gingen die Professoren
nicht ein, und so kam die Conferenz nicht zu Stande. Nun wurde
in den nächsten Wochen eine Reihe von Thesen (Heftchen von we-
nigen Seiten) gedruckt, über die unter dem Präsidium von Huygens
und de Vos von jungen Theologen disputirt wurde (Bäcker 6, 76S
verzeichnet 6); die beiden ersten wurden 1685 von der Inq. ver-
dammt: Theses theologicae, i. e. articuli Theologorum Lovan. exhi-
biti . . . Archiepiscopo Mechlin. causa concordiae ineundae cuno^
Patribus Soc. J. et aliis, quas praes. . . . Gummaro Hujgens .. •
defendet Jo. Beauwer Gemblacensis in Coli. Adriani VI. Pontifici9
die 12. Jul. 1685, und Antitheses ad Theses theol. seu articulos . . -^
quas praes. Phil, de Vos S. J. . . . defendet P. Groswinus vaim
Geffen ejusd. Soc. exercitio hebdomadario Lovanii apud PP. S. J^
(Const. p. 205; Arn. 2, 500. 562). Die folgenden liess man laufen «^
Strena veritatis amatoribus pro veritate defendenda anno praece^ —
denti multum impugnata, nuUis annis expugnanda, oblata primo annE
1680 per Jo. Lucam Veronensem S. Th. Bacc. [Lovan.], Col. 1680^
und Le prÄtendu ennemi de Dieu et de la loi refute par le Sieur d^
Saint Victor, adresse k Tauteur d^guise sous le nom de Henri d^
la Mark, Lille 1681, beide 1681 verb., sind nach C. Qu. p. 25^
Schriften zur Vertheidigung des Jansenius, der die 5 Sätze nicht'
gelehrt habe. Reyner ab Andringa, Doctrina non Universitatis
Lovan., sed quorundam privatorum, Mainz 1681, mit d. c. verb-
1682, kenne ich nicht. — Ein Capuciner Eugenius von Brügge erregte
1679 in Löwen Aufsehen durch eine Predigt, worin er eine lobende
Anspielung auf Jansenius und die 5 Sätze machte, ohne jedoch jenen
zu nennen. Er war ausserdem als heftiger Gegner der Jesuiten
bekannt und hatte ein flämisches Schriftchen gegen sie verfasst,
welches heimlich gedruckt, aber confiscirt wurde. Durch sein Ver-
halten kam er in Conflict mit seinen Oberen; er wurde in dem
Kloster zu Maseyk in Haft gehalten. Seine Schriften wurden nach
G. Haygens. t^h. de Vot u. a. Holländische Schriftchen. 529
Rom geschickt und dort dem Augustiner van Heck zur Prüfung
übergeben. Seine Molinomachia inter Capuoinos Provinciae Flandro-
Belgicae per Jesuitas et Jesuiticos excitata ist nicht vollendet (Pa-
quot 3, 585). Im Index steht von ihm nur: Ultima yox zelatricis
innooentiae indigna patientis, sive libellus supplex Fr. Eugenii
Brugensis sacerdotis Capuc. ad Innocentium XI., Col. (Holland)
1689, von der Inq. verb. 1689. Er zieht darin gegen die Jesuiten
und Infallibilisten los. — Das Generalcapitel der Capnciner ver-
pflichtete 1685 alle Lectoren der flandrischen Provinz, die Praedesti-
natio post praevisa merita, die Molinistische Gnadenlehre und die
Sufficienz der Attritio ohne Liebe Gottes zu lehren. Die Inquisition
cassirt« aber 1691 den ßeschlues nnd ertheilte dem General einen
Verweis und den Befehl, die Verordnung zurückzunehmen (Am. 3, 385).
9. Ende 1682 erregte in den Niederlanden grosses Aufsehen
ein Decret der Inq. Fer. V. 6. Aug. 1682, worin eine Anzahl von
Heftchen und Blättern verboten wurden, quibus continentur Septem
puncta 8. articuli fldei quos quisque scire debet necessitate medii,
ut salvas fiat: Belydinghe van de seven puncten ofte artikelen
des gheloofs, de weloke een jeder moet weten door noodigjieyd des
middels, om selig te worden, — Belydinghe . . . ., wat breeder
uytgheleydt, om beter te verstaen; den tweeden drnck, Brüssel
1673 — Belydinghe . . . Brüssel 1680 (die zwei ersten als
Libelli das 3. als Folium bezeichnet), — dann duo folia latino idio-
mate continentia eosdem 7 articulos, ferner: De Christel ijke
leeringhe gedeylt in diversche liedekens, seer dienstigh voor de
ouders ende haerlieder kinderen, uytgegheven door eenen liefhebber
von den catechismus, om in deselve gebruykt te worden, Brüssel
1680, — Reg eis ofte maximen van het christendom gestelt teghen
de maximen der wereld, Te Ceulen 1680, — Den noodighen
leydsman tot den dienst Gods verciert met 25 liedekens, uytgegeven
door een liefhebber von den Catechismus, Amst. 1681 ^). — Arnauld
(2, 167) berichtet: vor 12 — 15 Jahren hätten einige Weltgeistliche
in der DiÖcese Mecheln diese Punkte mit Rücksicht auf die Unwis-
senheit des Volkes zusammengestellt und diese Heftchen und Blätter
seien in drei oder vier Diöoesen ziemlich verbreitet; in einem 1631
zu Rom mit Approbation des Mag. S. Pal. gedruckten und Urban
VIII. gewidmeten Bache des Mechelner Canonicus Cornelius t'Sas
1) Das Decret (Const. p. 186) war sehr incorrect gedruckt; es steht
darin: I. Catholico-Komanus pacificus auth. Jo. Bamesio . . . Item varii
libelli seu folia eandem fere materiam eodem modo proponentia, nempe:
n. Libellus belgico idiomate cuititulus: Belydinghe u. s. w. 11. hätte vor
Item stehen sollen; denn mit dem Buche von Barnes haben die Libelli
nichts zu thim. In den älteren Indices stehen sie in Folge dieser Incor-
rectheit alle unter Jo. Barnes, sogar mit der Einleitung: et ejusdem auc-
toris varii libelluli etc. Ben. hat dieses oorrigirt, aber bei ihm und noch
heute steht im Index: Christel (de) ycke Leeringhe, und unter Confessio
und Professio die in dem Decrete beigefügte lateinische Uebersetzung des
Titels von Belydinghe etc. Dagegen hat er die zwei Folia weggelassen.
Renach, Index n. 34
5d0 Streitigkeiten in den Niederlanden 1654- M.
seien dieselben Pnnkte aufgezählt^). Einige dieser Punkte zu wiesen
(ezplioite zu glauben), bemerkt Amauld weiter, sei freilich nach der
Ansicht einiger Theologen nur necessitate praecepti nothwendig ^) ;
aber die andere Ansicht sei doch berechtigt und jedenfalls sei es
praktisch besser, in einer solchen Zusammenstellung diese beizufügen
als sie wegzulassen. — Warum die Schriftchen verboten worden
seien, erfuhr Amauld, wie er 1685 (2, 561) klagt, nicht, obschon
er 7 oder 8 Briefe darum geschrieben. Du Vaucel schrieb aber an
Neercassel, das Decret sei durch einen Augustiner veranlasst wor-
den, der in Eom gegen die Löwener intriguire. Dass hier der
Gegensatz zwischen Welt- und Ordensgeistlichen von Einflnss war,
ergibt sich daraus, dass die belgischen Ordensgeistlichen das Decret,
noch ehe der Internuncius dasselbe erhalten, eifrig verbreiteten
(Arn. 2, 167). Sie Hessen auch Placate drucken, worauf sie das
apostolische Symbolum an die Spitze stellten , als ob dieses, sagt
Amauld (2, 176), durch die 7 Stücke hätte abrogirt werden sollen.
Vielleicht hat man in Rom gerade das bedenklich gefunden , dass
eine solche neue Zusammenstellung, die in der Form doch an ein
offizielle! Symbol erinnerte, ohne förmliche Kömische Approbation
verbreitet wurde.
Die Pfarrer stellten dem Erzbischof von Mecheln vor: einige
Bischöfe hätten denjenigen, die die 7 Stücke gelernt, Ablässe ver-
liehen; die Leute seien jetzt besser unterrichtet als vorher; und nun
kämen Zeloten in die Schulen und forderten die Kinder auf, die
Heftchen zu zerreissen. Im Auftrage der Pfarrer schrieb der Pfarrer
Cnypers zu Brüssel eine Justificatio praxeos pastorum aliomm-
que curatornm, qua consueverunt populo proponere Septem fidei
punota tanquam credenda explicite ac necessario necessitate medii,
die Amauld (9, 316) als sehr gründlich und massvoll rühmt. Der
Erzbischof schickte sie im Nov. 1682 nach Rom und Arnauld (2, 170)
meinte, wenn die Herren vom Sanctum Officium nicht zur Erkennt*
niss ihres Unrechts kämen und ihr Urtheil reformirten, das so un-
haltbar sei und so grossen Scandal verursache, müsse man an der
Menschheit verzweifeln. Die Justificatio wurde aber 9. Febr. 1683
von der Index-Congr. verb. (und als Cnypers Decan von Mechel]
werden sollte, wurde diese Censur gegen ihn geltend gemacht;
wurde freilich 1686 doch ernannt; Am. 2, 619. 668). AmauL^ ^
1) Arnauld theilt die 7 Punkte lateinisch mit; es sind dieselbe)
die als ,,die sieben Stücke, die zu wissen zur Seligkeit nothwendig ist
in manchen deutschen Catechisroen stehen. — Das Buch von t^as (Schul
8, 1, 696) heisst: Epitome praxeos virtatnm theoloc'icarum, fidei, spei
caritatis, praesertim qua media sunt salutis. Inder Vorrede sagt er, einii
der 7 Punkte seien sicher, einige wahrscheinlich nothwendig neoessit
medii. Arn. 2, 177; 9, 314. K. Martin, Moralth. 8. A. S. 299.
2) Mehrere belgische Jesuiten vertheidigten um 1700 die Th
Nobis non necessaria necessitate medii ad salutem videtur fide» expli
SS. Trinitatis aut Christi mediatoris etiam post promulgatum legis
evangelium.
Attritio und Peooatum philosoplucam. 681
(2, 243) klagt: nnn sagten die protestantischen Prediger, man habe
die 7 Punkte selbst in Rom verdammt.
Einige Jahre später, Fer. V. 9. Sept. 1688, hielt die Inqui-
sition es für nöthig, ein ABC-Buch (eins stand schon im Index, I S. 420)
zu verbieten: Libelli abecedarii latino vel flandrico idiomate editi,
in quibus nltra alios errores, qui in illis irrepserunt, secunda pars
salutationis angelicae mutata est et omissis verbis ,,Sancta Maria
mater Dei etc.^ substituta sunt haec. alia „Maria mater gratiae etc."
Es werden eine latein. Ausgabe Antw. 1669 und zwei flämische
Antw. 8. a. et si qui alii verb. Seit Ben. steht das Verbot stark
abgekürzt unter ABC. Auch über dieses Schriftchen gibt uns Ar-
nauld (3, 132) Auskunft: Es ist eine Fibel, die (zuerst) vor 100
Jahren, man weiss nicht von wem, herausgegeben worden ist, wahr-
seheinlich von einem Buchdrucker, der sich einbildete, er werde
den Gueusen gegenüber Wunders was thuen, wenn er in dem Ave
Maria statt des Satzes Sancta Maria etc. [der übrigens erst in der
2. Hälfte des 16. Jahrb. gebräuchlich wurde. Eist. Jahrb. 1884, 88.
E.-L. 1, 1743] Maria mater gratiae, dulcis parens clementiae, tu nos
Etb hoste protege et mortis hora suscipe setze. Die „anderen Irr-
Ihümer", die das Decret rügt, reduciren sich darauf, dass in der
flämischen üebersetzung des Credo nicht eine h. katholische, sondern
eine h. allgemeine Kirche stebt (nach Hist. Zts. 1875, 269 wurde
aaoh gerügt, dass im Ave Maria „gebenedeit unter [nicht: über] den
Weibern" stand). Die Mönche in Mecheln haben gegen die Welt-
geistlichen Spectakel gemacht, obschon von keinem derselben er-
iriesen ist, dass er den Neudruck veranlasst hat; der arme Drucker,
ier die alte Fibel abgedruckt hat, ohne etwas Böses dabei zu denken,
L8t verhaftet worden; und nun haben sie das Ding sogar in Rom
rerdammt. — und es paradirt noch heute auf der ersten Seite des Index.
Es mag hier gleich ein anderes winziges Werk erwähnt wer-
Sen, welches die Index-Congr. 1 680 verbot, obschon ich nicht weiss,
Db es aus den Niederlanden stammt. Seit Ben. steht das Verbot
itark abgekürzt unter Missa. Nach dem Decrete (Const. p. 171)
lind es Folia quaedam mit dem Tit^l De audienda diebus festis ex
Draeeepto missa. Es werden die Anfangs- und die Schlussworte an-
^^eben, und aus den letzteren: ex quo enim permittitur sibi [tibi?]
ib Ecclesia sie missam integre audire ut partem ab uno audias, —
B^ird man schliessen dürfen, dass darin gesagt war, man genüge der
Pflicht, die Messe zu hören, wenn man zwei halbe Messen höre. Das
laben freilich gewiss nicht die Jansenisten gelehrt. Der Satz ist
lie 53. unter den 1679 verdammten Propositiones.
56. Der Streit fiber die Attritio nnd iiber das
Peccatnm philosophicum.
Neben den Inqaisitionsdecreten , durch welche ganze
Seihen von Sätzen verdammt worden, sind noch zwei zn er-
532 AUriiio und Pecoatum pliilosophicum.
wähnen, in denen es sich nur um einzelne Sätze handelt. Durch
ein unter Alexander VII. veröflFentlichtes Beeret vom 5. Mai
1667 wurde die Streitfrage, ob die sog. unvollkommene Reue,
Attritio, genüge, um der sacramentalen Lossprechung theilhaftig
zu werden, nicht entschieden, sondern nur verboten, die eine
oder die andere Ansicht zu verketzern. Durch ein unter
Alexander VIII. veröflFentlichtes Decret vom 24. Aug. 1690
wurden die zwei Sätze verdammt, dass die Liebe Gottes zu
einem sittlichen Leben nicht nothwendig und dass eine Sflnde,
die jemand begehe, der Gott nicht kenne oder im Augenblicke
des Sttndigens an Gott nicht denke, — die sog. philosophische
Sünde im Unterschiede von der theologischen, — keine Tod-
sünde sei. Diese beiden Inquisitionsdecrete haben das Verbot
einiger Schriften zur Folge gehabt. Die bedeutendste darunter
ist ein unter dem Titel Amor poenitens erschienenes Werk eines
der ehrwürdigsten Bischöfe aus den letzten Decennien des 17.
Jahrhunderts, des Bischofs von Castoria i. p., Johannes Neer-
cassel, welches nach langen Verhandlungen 1690 mit d. c. ver-
boten wurde.
1. Das Trienter Concil erklärt S. 14. de sacr. poen. o. 4: die
vollkommene Reue, welche in der Liebe Gottes ihr Motiv habe
(contritio caritate perfecta), könne die Aussöhnung mit Gott bewirken,
ehe das Sacrament der Busse empfangen werde, aber nicht ohne
das Verlangen, dieses Sacrament zu empfangen, welches in ihr ein-
geschlossen sei; die unvollkommene Reue, die sog. Attritio, welche
aus der Betrachtung der Schändlicbheit der Sünde oder aus der
Furcht vor den Höllenstrafen entstehe, mit der aber der Wille,
nicht mehr zu sündigen, und die Hoffnung auf Vergebung ver-
bunden sei, könne aus sich selbst ohne das Sacrament der Busse
den Sünder nicht zur Rechtfertigung führen, disponire ihn aber, in
diesem Sacramente die Gnade Gottes zu erlangen. Da, wie Palla-
vicini berichtet, in Trient ursprünglich vorgeschlagen war, zu sagen:
die Attrition genüge (sufficere), um im Sacramente der Busse die
Sündenvergebung zu erlangen, dann aber statt sufficere auf den An-
trag des Bischofs von Tudela clisponere gesetzt wurde, so hat das
Concil offenbar die Controverse nicht entscheiden wollen, ob die
Attrition selbst genügend sei, um die Lossprechung zu empfangen,
oder nur den Werth einer Vorstufe zu der für den Empfang der
Lossprechung erforderlichen Contrition habe.
Am 1. Juli 1638 censurirte die Sorbonne in einer französischen
Uebersetzung des Buches de virginitate von Ambrosius von dem
Oratorianer Claude Seguenot, Paris 1638, ausser anderen Sätzen
auch diejenigen, in welchen er die Attrition als ungenügend, die
Attritio und PoGoatom pbilosophicam. 538
Contrition aus vollkommener Liebe als absolut nothwendig zum
Empfange des Busssacramentes nnd zugleicb die priesterlicbe Los-
sprecbnng als eine blosse juridiscbe Erklärung, dass dem Beichten-
den seine Sünde (um der Contrition willen) vergeben sei, bezeichne
(Arg. III a 24). Der General der Oratorianer soll darauf erklärt
haben, die Sätze seien von Saint-Cyran und in Seguenots Buch, man
wisse nicht wie, hineingekommen. Seguenot und Saint-Cjran wurden
auf Befehl Richelieu^ s verhaftet (Avr. 2, 84). Es ist also etwas
Wahres daran, wenn berichtet wird: Richelieu qui se piquait de
thdologie, pr^tendait que Tamour n^6tait pas nicessaire avec le
sacrement, und er habe Saint-Cyran, der das Gregentheil behauptet,
verhaften lassen^). Nur war dieses nicht der eigentliche Grund
der Verhaftung. — Mit Rücksicht auf eine in der Diöoese Chalons
entstandene Controverse schrieb Launoy 1658 De mente Concilii
Trid. circa contritionem et attritionem in sacramento poenitentiae
(Opp. 1, 1, 143), dem Bischof von Chalons gewidmet, worin er
nachweist, dass das Concil die Frage nicht entschieden habe, dass
aber die Ansicht, die Contritio sei erforderlich, antiquior et tutior sei.
Im J. 1666 wurde die Frage in Belgien lebhaft verhandelt.
Christianus Lupus schrieb De germano ac avito sensu ss. universae
Eoclesiae et praesertim Trid. synodi circa christianam contritionem
et attr., Löwen 1666, 12., dagegen der Jesuit Max. Le Dent De
attritione ex metu gehennae ejusque cum sacramento poenitentiae
sufficientia, Mechl. 1668. Es erschienen noch mehrere Streitschriften
darüber (Backer 1, 258; 3 Schriften von Le Dent sind abgedruckt
bei Hon. Fabri ; s. S. 504). — Lupus schrieb über den Streit an
den Card. Bona (Epp. sei. ed. Sala, No. 88. 108): er und seine
Freunde, welche die Ansicht, dass die Attritio sine ulla charitatis
scintilla genüge, bekämpften, würden von den Jesuiten als Janse-
nisten bezeichnet ; der Internuncius habe die Löwener Facultät veran-
lasst, den Jesuiten nicht zu antworten, und sein Buch nach Rom
gesandt; Bona möge ihn und seine Freunde bei dem Papste und
dem Card. Barberini vertreten. Aehnlich schrieb er an H. Noris
(Nat. Alex. ed. Bing. Suppl. 1, 281). Lupus' Buch wurde nicht
verboten, aber es erschien ein Decret der Inquisition von Fer. V.
5. Mai 1667 (Alex. No. 92), worin es heisst: Der Papst habe zu
seinem Bedauern gehört, dass über die Frage, an illa attritio, quae
concipitur ex metu gehennae, exciudens voluntatem peccandi cum
spe veniae, ad impetrandam gratiam in nacramento poenitentiae re-
quirat insuper aliquem actum diiectionis Dei, von den Theologen
heftig und nicht ohne Anstoss für die Gläubigen gestritten und die
eine Partei von der andern censurirt werde; nach Berathung mit
der Inq. verbiete er bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent.,
die eine oder die andere Ansicht zu verketzern, so lange nicht der
h. Stuhl etwas darüber definirt habe. Dabei wird, und darin liegt
die Pointe der Entscheidung, von der Ansicht, welche die necessitas
1) Eusöbe Philalöthe (Clemencet), Lettre a Morenas p. 270.
684 Attritio and Pecoatam philosophioam.
aliqnalis dileotionis Dei in attritione ex mein gehennae conoepta
verneint, gesagt: qnae hodie inter scholasticos communior yidetor.
Eine weitere Definition des h. Stnhlee ist nie erfolgt^). Be-
nedict XIII. sagt in einer Instractio, die hinter dem Römischen
Proyincialconcil von 1725 steht, die sententia hodie communis sei,
dats die Attritio, d. i. dolor conceptas vel ex infemi metn yel ex
paradisi jactura yel ex peccati foeditate, genüge ant pura ant ad
Bummnm conjunota cum aliquali initio amoris benevoli erga Denm.
Benedict XIV., Syn. dioec. 7, 3, 19, behandelt die Frage als con-
troyers.
Seit 1667 erschienen viele Schriften, in denen die Attritio
sine amore initiali als genügend dargestellt wurde, namentlich von
Jesuiten; dem Jesuiten Harscouet wurde von seinen Ordensgenossen
diese Ansicht geradezu als doctrine de la compagnie bezeichnet;
(Charma, Le P. Andr^ 1, 430). Die andere Ansicht wurde nament-
lich von den Jansenisten und den Dominicanern, auch von den mei-
sten französischen Theologen vertheidigt, und der Dominicaner Con-
cina sagt, Theol. ehr. contr. 2, 148: Mehr als hundert berühmte
Theologen, darunter der Card. Aguirre und Bossuet, der allein mehr
gUt als 100 Casuisten, verwerfen die Attritio formidolosa. — Die
Aisemblee du Clerge von 1709 verdammte den Satz: das Trienter
Concil habe das Anathema gegen diejenigen ausgesprochen, welche
leugneten, attritionem, quae supponatur sine amore Dei esse, sufficere
ad absolutionem (Hecueil des actes 1, 733). Die Sorbonne aber cen-
furirte 1716 ausführlich die Lehre des Prof. Le Roux zu Reims
über die Sufficienz der Attrition (Arg. III a 168) und formulirte
dann 1717 ihre Lehre in 6 Artikeln, denen andere französische Fa-
cultäten beistimmten (Fleur. 69, 667).
Im Index steht ausser Launoy's Buch, welches 40 Jahre nach
dem Erscheinen, 1693 verb. wurde, keine Schrift, welche die Frage
ex professo behandelt. 1698 wurde zu Rom eine Dissertatio de
necessitate amoris initialis ad sacramenta mortuorum von Fr. M. Cam-
pioni mit Approbation des Mag. S. Pal. gedruckt, worin gezeigt
war, dass die neueren Theologen allerdings, wie Alexander VII.
sage, meist die entgegengesetzte Ansicht vortrügen, diese aber der
Lehre des Thomas von Aquin, Bonaventura u. s. w. widerspreche.
Campioni*8 Gegner verschafften sich durch Bestechung des Setzers
ein Exemplar, beantragten in einer 5 Bogen langen Eingabe bei
dem Mag. S. Pal., er solle die Licentia super publicatione (I S. 542)
nicht ertheilen, und drohten, da dieses erfolglos blieb, das Buch
bei der Inq. zu denunciren (Bossuet 41, 443. 525). Verboten wurde
es aber jedenfalls nicht. Einige Jahre später erschienen in Rom
1) Die Verdammung der Sätze: Probabile est, sufficere attritionem
naturalem, modo honestam (1679, No. 57); Timor gehennae non est super-
naturalis; Attritio, quae gehennae et poenarum metu concipitur, sine di-
lectione benevolentiae Dei propter se, non est bonus motus ac supemt-
turalis (1690, No. 14. 15), berührt die Controverse nicht.
J. Neeroassel (Episoopus Castoriensis). 586
einerseits ein Bacb des Jesuiten Balth. Francolinns für, anderseits
eins des Angustiners Peter Lambert Le Drou gegen die jesuitische
Ansicht (Hurter 2, 984).
Joannes Neeroassel, geb. 1623 zu Goroum, Oratorianer, seit
1663 als Bischof von Castoria i. p. apostolischer Viear von Hol-
land, t 1686, veröffentlichte 1683: Amor poenitens, sive de divini
amoris ad poenitentiam necessitate et recto clavium usu libri dno,
auth. Joanne Episcopo Castoriensi, Emmerich 1683, 2 vol. 12^).
Vor der Veröffentlichung war das Buch von Arnauld und Gerberon
revidirt und auf deren Wunsch und den Wunsch der Löwener Pro-
fessoren van Vianen und Huygens, die es approbiren sollten, noch
einiges geändert worden (Arn. 2, 154. 184; 4, 162). Es erschien
gleich eine Gegenschrift: In librum Amor poen. . . animadversio-
num decas 1. per Jo. Peresium Theologum, Mainz s. a.* (approbirt
1683). Im 1. Theile handelt N. vorzugsweise von der Attrition und
Contrition, der 2. entwickelt ähnliche Grundsätze über die Beicht-
praxis, Aufschieben der Absolution u. dgl., wie sie Arnauld und
Huygens vorgetragen. In Eom wurde anfangs der 2. Theil viel-
fach angegriffen, namentlich von dem Augustiner van Heck, dem
Dominicaner Weynants und dem Card. Capisucco, früher Mag. S.
Pal. Man erkannte indess bald, dass man doch, wenn auch in Rom
die Praxis der Aufschiebung der Absolution unbekannt sei, die An-
sichten nicht verdammen dürfe, für welche sich N. auf den h. Carl
Borromaeus berufen könne. Nun wurde der 1. Theil angegriffen,
in welchem einige gegen 100 Sätze beanstandeten, in welchem man
aber namentlich eine Verletzung des Decretes Alexanders VII. über
die Attrition fand. Bei Innocenz XI. selbst und bei mehreren
angeseheneu Cardin älen war N. persönlich sehr beliebt, und es
schien eine Zeit lang, als ob man mit Rücksicht auf den Verfasser
und seine Verdienste um die niederländische Kirche von einer Cen-
surirung des Buches Abstand nehmen werde. Card. Grimaldi, Erz-
bischof von Aix, schrieb 13. Aug. 1684 an Card. Casoni: man dürfe
den vortrefflichen Bischof nicht durch das Verbot eines Buches
kränken, welches durchaus unverfänglich sei, dem Geiste des h.
Carl und den Ansichten aller guten französischen Bischöfe entspreche
und nicht der Gnade, sondern der Gerechtigkeit bedürfe; der Papst
wisse ja doch, dass das grösste Uebel in der Kirche die laxe Moral
sei, die hier bekämpft werde u. s. w. Am 17. Febr. 1685 schrieb
du Vaucel an Arnauld (2,504): Die Sache ist abgemacht; man
wird die Mönche schreien lassen.
1685 erschien eine zweite Auflage des Buches^), in der N. alles.
1) Vgl. zum Folgenden Am. vol. 2 — 4 passim. Bossuet 37, 282. Ra-
cine 12, 41. Bellegarde p. 179.
2) Amor poeniteus . . . libri dao. Cum appendice in qua circa
quorundam theologorum doctrinam de remissione peccatomm nonnullae
difficultates proponuntur, et demonstratur vera sententia S. Thomae Aq.
de sacr. poeuitentiae ... 2. Ed. auotior, Embricae 1685.* 2 vol. 8. Vor
586 Attritio und Pecoatum philosophioam.
wovon er glaubte, dass man Anstoss daran genommen, yorachtiger
gefasst hatte, mit Approbationen von den Bischöfen von Angers,
Agde UDd Saint Pons nnd von 30 französischen und niederländieehen
Theologen (darunter J. Boileau und Gr. Hermant); die znetimmenden
Erklärungen von den Cardinälen Le Camus und Griroaldi, von Bos-
suet und anderen Bischöfen veröffentlichte N. nicht, theils weil er
fttrohtete, den Unterzeichnern Verlegenheiten zu bereiten, theils weil
sie wegen ihrer Betheiligung an der AssembUe von 1682 in Rom
missliebig waren. — Im Januar 1686 schrieb du Yauoel: es sei
ein neuer Sturm gegen- das Buch ausgebrochen, man habe sechs
neue Bedenken dagegen geltend gemacht. Im Februar schreibt der
Benedictiner M. Grermain (bei Val^ry 1, 222) voll Entrüstung über
das Gutachten des Card. Capisucco, spricht aber die Hoffnung aus,
die Fürsprache angesehener Männer, die Rücksicht auf die Verdienste
des Verfassers und sein Anerbieten, er wolle einige Stellen, die
selbst seine Freunde missbilligten, ändern, — N. hatte an den Papst
selbst geschrieben, — würden ein Verbot des Buches hindern. Die
Inq. beschloss aber bald darauf, das Buch mit d. o. zu verbieten ;
der Papst bestätigte indess den Beschluss nicht und ordnete eine
nochmalige Prüfung durch andere Examinatoren an; er soll zu dem
Assessor S. Off., der ihm den Beschluss vorlegte, gesagt haben:
„Der Inhalt des Buches ist gut und der Verfasser ein braver Mann*,
nach einer andern Version: II libro i buono ed il autor santo (Am.
3,638. 661; 9, 297). N. starb 6. Juni 1686 zu Zwolle.
Im März 1689 schreibt Arnauld (3, 183) an du Vaucel: Wenn,
wie Sie schreiben, die Cabalen gegen das Buch wieder beginnen,
so wäre das ein Zeichen, dass der Fluch Gottes auf den Römischen
Gongregationen liegt. Erst nachdem auch Innocenz XI. gestorben
war, unter Alexauder VIII. wurde dann wirklich 20. Juni 1690
das Buch, und zwar ausdrücklich nur die 1. Auflage desselben (Am.
9, 299), von der Inquisition mit d. c. verboten. Seit Ben. ist die
Erwähnung der 1. Auflage weggelassen.
2. Etwas früher als die 31 Sätze (S. 516), Fer. V. 24. Aug.
1690, wurden von der Inquisition folgende zwei Sätze verdammt:
dem 1. Bande ist ein Hirtenbrief abgedruckt, hinter dem 2. (mit beson-
derer Paginirang) die Appendix. Appendiois pars altera, p. 55 — 88 ist
von Arnauld (Arn. 3,417). In dorn Hirtenbriefe heisst es §25: Uti tanti
Pontißcis (Innocentii XI.) vices hisoe in provinciis immeritus sustineo, ita
me ex ejus sensu loqui ac docere oonvcnit. Unde etiam hocce meum scrip-
tum, sicuti et ea omnia, quae hactenus composui aut forte componam,
ejus judicio devotus subdo . . . Haec considerans unus ex Eminentissimis
Ecclesiae Antistitibus, ut suo ex nomine libri hi, prout primo editi fuerant,
S. D. Nostro commendarentur, scripsit ad magnae pietatis et doctrinae vi-
rum, nihil hisce in libris contineri nisi praestantissimis theologis probatum
et nisi conforme doctrinae ss. patruro, sacris canonibus, decretis S. Pon-
tificum, sensibus et disciplinae tum S. Caroli tum optimorom totius Gal-
liae episcoporum. Non absimilia testati alii episcopi. — I, 281 werden die
(älteren) Jesuiten verzeichnet, welche die Attritio für nicht genügend er-
klären. Die von ihm bekämpften Schriftsteller nennt N. nie mit Namen.
Pecoatum philosophicam. 587
L. Bonitas objectiva consietit in conyenientia objecti cnm natura
"ationali, formalis vero in conformitate actus cum regula morum.
id hoc sufficit ut actns moralis tendat in finem ultimum interpreta-
iye; hinc homo non tenetur amare neque in principio neque in
lecursu vitae suae moralis. — 2. Peccatum philosophium seu mo-
"ale est actus humanus disconveniens naturae rationali et rectae
«tioni, theologicum vero et mortale est transgressio libera divinae
egis. Pbilosophicum, quantumvis grave, in illo, qui Deum ignorat
rel de Deo actu non cogitat, est grave peccatum, sed non est of-
ensa Dei neque peccatum mortale dissolvens amioitiam Dei neque
leterna poena dignum. — Es beisst in dem Decrete: der Papst
labe die beiden Thesen, von denen die erste schon früher, die zweite
etzt zuerst aufgestellt worden sei, zuerst mehreren Theologen, dann
len Cardinälen der Inq. zur Prüfung übergeben und, nachdem diese
hr Votum abgegeben, die erste für ketzerisch erklärt und zu lehren
^'erboten unter Androhung der für Ketzer und ihre Begünstiger
'estgesetzten Strafen; die zweite habe er als scandalös, temerär, für
Iromme Ohren verletzend und irrig verdammt und unter Androhung
ier reservirten Excomm. 1. sent. sie zu lehren oder zu einem an-
iem Zwecke als zum Zwecke der Widerlegung über sie zu dispu-
tiren verboten (Bull. 12, 66. Arg. III b 365).
Die erste These war im Jan. 1689 im Jesuiten - Collegium zu
?ont-ä-Mousson vertheidigt worden, obscbon ganz ähnliche Sätze
Bne der Schlusssatz, auf den es ankommt, 1665 von Alexander VII.
[No. 1) und 1679 von Innocenz XI. (No. 5. 6. 7) verdammt Wor-
ten waren. Die Jesuiten sahen sich veranlasst, die These durch
lie theologische Facnltät von Pont-ä-Mousson 24. Febr. 1690 cen-
mriren zu lassen (Arn. 31, XXII). Der zweiten These fügt Den-
Einger in seinem Enchiridion (1854) die Bemerkung bei: Illam
)ffinxerat pro suo libitu Amaldus suisque adversariis oalumniose
le more attribuit. Es ist nicht sehr respectvoU gegen den Papst
md die Inquisition, zu behaupten, sie hätten sich von Arnauld so
lupiren lassen. Die These war wörtlich so, wie sie in dem Decrete
iteht, unter dem Vorsitz des P. Musnier im Juni 1686 in dem Je-
miten-CoUeg zu Dijon vertheidigt worden und lag in £om gedruckt
7or. Arnauld hat aber durch die Schrift Nouvelle h^r^sie dans la
morale, d^noncee au Pape et aux ^veques, aux princes et aux ma-
^istrats, 1689, und durch vier andere Schriften, die er selbst als
D6nonciations du peche philosophique bezeichnet und in denen er
zugleich nachwies, dass ganz ähnliche Thesen auch von anderen
Jesuiten vertheidigt worden, zu der Verdammung Anlass gegeben^).
1) Die Schriften von Arnauld stehen im 31. Bande der Oeuvres,
in der Einleitung des Bandes eine Geschichte der Controverse, p. 403 auch
3ine Schrift über die erste These : Heresie impie contre le commandement
i'aimer Dieu, renouvelee apres les condamnations solennelles de FEglise
par une these soutenue chez les Jesuites 1690. Vgl. 3, 866. Magn. Bibl.
8ccl. p. 592. Backer 4, 366. — Cret.-Joly 4, 335 berichtet: in dem Archiv
des Collegium Rom. befinde sich ein Actenstück, woraus hervorgehe, daaa
688 Attritio und Peccatum philosophicum.
£r forderte auch du Yaucel auf, für eine Yerdammung der Lehre
zu wirken, und zwar nicht durch ein blosses Index- Decret gegen
die These von Dijon und eine ähnliche von P. de Reux, sondern
durch ein besonderes Decret der Inquisition (3, 248). — Dass die
2. These nicht auch wie die erste als ketzerisch verdammt wurde,
hat seinen Grund, wie du Vaucel (Am. 31, XII) berichtet, darin,
dass das h. Offfcium jene Qualiiication nur auf solche Sätze anzu-
wenden pflegte, die schon einmal verdammt worden waren. Die
Verdammung der 2. These war schon am 3. Aug. fast einstimmig
beschlossen worden, wurde aber erst publicirt, nachdem auch die
Verhandlungen über die erste zu Ende geführt worden waren. Man
erwartete, die Jesuiten würden sich Mühe geben, die Public-ation
des Decretes in Frankreich, wie die des Decretes von 1679 gegen
die 65 Sätze, durch Parlamentsbeschluss verbieten zu lassen. Das
Decret wurde aber ungehindert in Paris gedruckt und verbreitet.
Schill, Die Bulle Unigenitus S. 31, sagt, Alexander VIII. habe
„unter dem Jubel der Jansenisten" die Lehre von der philosophi-
schen Sünde verdammt. £s jubelten damals aber auch noch andere,
z. B. Mabillon, und Card. Aguirre schrieb 1690 an den General
der Mauriner, es sei zwar nicht wahr, dass P. Estiennot die These
von Dijon bei der Inquisition denuncirt habe, aber wenn er es ge-
than hätte, würde er ehBr Lob als Tadel verdienen (VaUry 2, 219.
295. 301. 304). Bossuet und die vier anderen französischen Bischöfe,
welche das Buch des Card. Sfondrato 1697 bei Innooenz XII. de-
nuncirten, bezeichnen die darin erneuerte Lehre von der philoso-
phischen Sünde als eine von Alexander VIII. verdammte porten-
tosa doctrina. Auch die Assemblee du Clergä von 1700 verdammte
die These von Dijon (No. 113). — Die Jesuiten selbst wagten die
Lehre in der Fassung, wie sie in Dijon vorgetragen worden, nicht
zu vertheidigen ; P. Musnier selbst veröffentlichte eine Erklärung
(Arg. III b 355) und P. Bouhours Namens der französischen Jesui-
ten eine Art Desavouirung derselben. — S.-Beuve 5, 461 sagt: ihn
würde die Lehre von der philosophischen Sünde weniger scandali-
siren als Arnauld; man brauche sie doch nur wenig zu modifieiren,
um sie für den gesunden Menschenverstand ansprechend zu machen.
Was an der Lehre, wie sie P. Musnier vorgetragen, das Anstössigste
war, sieht man aus den Thesen, die der Erzbischof von Ronen 1697
dem Jesuiten Buffier zur Unterzeichnung vorlegte : Bezüglich der
philosophischen Sünde erkenne ich an, dass die Behauptung falsch
ist, es sei eine actuelle Aufmerksamkeit auf die Schlechtigkeit der
1619 ein Jesuit gelehrt: wenn jemand, der invincibiliter Gott nicht kenne,
aber die sittliche Schlechtigkeit des Actes einsehe, auch in einer gewich-
tiffen Sache gegen das Licht der Vernunft handle, so sündige er nicht
schwer, dass aber vier Revisoren der Gesellschaft erklärt hätten, diese
Lehre sei zwar von katholischen Autoren vorgetragen worden, der Jesuit
solle sie aber als eine verderbliche gelegentlich retractiren und seinen
Schülern das Gegentheil dictiren; eine ähnliche Verordnung sei 1659 er-
lassen worden.
y
„Jansenisiische*^ Erbauangsbücher. 589
Handlang nöthig, damit sie zur Sünde werde. Verblendete und ver*
härtete Sünder, welche Mord, Ehebruch und andere Verbrechen
ohne Gewissensbedenken begehen, indem sie nicht bedenken, dass
sie dadurch Grott beleidigen und dieselben dem natürlichen Gesetze
zuwider sind, sind darum doch der Hölienstrafe würdig, da sie nicht
darum von einer Todsünde freizusprechen sind, weil sie actuell auf
die Schlechtigkeit der Handlung nicht achten.
Es war keine Zurücknahme des Decretes vom 24. Aug. 1690,
wenn 7. Dec. (No. 2) der Satz verdammt wurde: Wiewohl es eine
ignorantia invincibilis des Naturrechtes gibt, entschuldigt dieselbe
doch im Zustande der gefallenen Natur niemals von einer Tod-
sunde. — Die Schriften, aus welchen die beiden Thesen entnommen
waren, stehen nicht im Index, auch keine der bis 1690 erschienenen
Streitschriften. Der General-Procurator der Jesuiten reichte bei der
Inquisition mit einer Vertheidigung der Thesen von Dijon und Lö-
wen zugleich eine Denunciation der Nouvelle h6r£sie von Arnauld
ein (Am. 31, XIII), deren Verbot er beantragte, weil darin eine
angebliche Ketzerei den Fürsten und Gerichten denuncirt, also die
weltliche Gewalt als competent zur Entscheidung religiöser Fragen
anerkannt, und weil darin eine nicht nur controverse, sondern in
den katholischen Schulen vielfach recipirte Ansicht als Ketzerei be-
zeichnet werde, was namentlich gegen das Breve Innocenz' XI. von
1679 Verstösse. Arnaulds Schrift wurde, obschon sich auch Card.
d^Estrees für die Verdammung bemühte, von der Inq. im April 1693
freigegeben (Arn. 3, 640); dagegen wurden 1. Juli 1693 verb.:
Le d6nonciateur du p6ch^ philosophique convaincu de m^chant prin-
cipe dans la morale, par M. du Pont Theologien, Col. 1690, und
Diatriba theologica de peccato philos. cum expositione decreti In-
quis. Rom. editi 24. Aug. 1690, s. 1. et a., 40 S. 12., von dem
Jesuiten Robert Mansfeld in dem englischen Colleg zu Lüttich (Arn.
31, XIV). Einige Thesen, die in einem Schriftchen eines Löwener
Theologen, Triplex haeresis in moralibus, mater peccati philos., de-
nunciata, 1692, angegriffen werden, wurden von der Inq. geprüft,
aber nicht oensurirt (Arn. 31, XVII).
57. „JaDsenistische^^. Erbaaungsbächer.
Das von Plus V. in einer Bulle vom J^ 1571 ausgesprochene
Verbot der Uebersetzung des Officium parvum B. M. V. in der
Volksprache (I S. 439) wurde 1651 auf ein von einem Theo-
logen von Port-Royal herausgegebenes Werkchen angewendet,
während andere ähnliche Schriften nicht verboten wurden. Im
J. 1661 verdammte Alexander VII. in einem Breve in sehr
scharfen Ausdrücken eine französische Uebersetzung des Mess-
640 „Janseniftiscbe^* Erbaaungsbücher.
buches and erklärte überhaupt alle Uebersetzungen des Mess-
buches für unzulässig. Noch 1695 wurde L*ann6e chrötienne
von Nie. Le Tourneux verboten, weil darin die Messgebete in
Uebersetzung enthalten waren. Das Verbot der Uebersetzungen
der Messgebete, namentlich des Canons, die im 17. Jahrhundert
auch von französischen Bischöfen missbilligt, von den sog. Jan-
senisten aber empfohlen wurden, ist später auch iu Rom still-
schweigend aufgehoben worden; sogar das seit Alexander VII.
im Index stehende, aus dem Breve von 1661 stammende Verbot:
Missale Komanum e latino idiomate ad gallicam vulgarem lin-
guam conversum et typis evulgatum wurde von Benedict XIV.
gestrichen. — Durch ein Breve Clemens' IX. vom J. 1668 wurde
eine von Theologen von Port-Koyal besorgte Uebersetzung des
Neuen Testamentes, das sog. N. T. von Mons, verboten, jedoch
nicht allgemein die Uebersetzung der Bibel in die Volksprache
missbilligt (s. u. § 81).
In sehr charakteristischer Weise trat der Gegensatz zwischen
den Jesuiten und ihren Anhängern und den von ihnen so ge-
nannten Jansenisten hervor bei dem Streite über die Monita
salutaria B. M. V., eine sehr schöne kleine Schrift gegen die
Auswüchse der Marienverehrung, die von den Jesuiten heftig
angefeindet, von ihren Gegnern lebhaft vertheidigt wurde. Sie
wurde 1674 verboten, in den nächsten Jahren auch einige Ver-
theidigungen derselben und eine Schrift ähnlicher Tendenz von
A. Baillet. Von diesem wurde auch ein Leben der Heiligen
verboten, welches man in Rom als hyperkritisch ansah.
1. Unter dem Titel Le chapelet secret du tr^-eaint sacrement
hatte M^re Agn^s (Arnauld) in Port-lioyal, zunächst zu ihrem eige-
nen Gebrauche, ein Büchlein mit etwas überschwänglichen Betrach-
tungen verfasst. . Eine AbBchrift kam dem Erzbischof von Sens zu
Gesicht, und dieser Hess es duroh 8 Doctoren der Sorbonne prüfen.
Sie beantragten die Unterdrückung desselben, weil es mehrere Ex-
travaganzen, Irrthümer, Blasphemieen und GottloBigkeiten enthalte
(das Schriftchen mit der Censur bei Arg. III a 1). Der Erzbischof
schickte es auch nach Rom, wo man sich aber mit dem Rathe be-
gnügte, das Schriftchen ohne Aufsehen zu unterdrücken. Der Abb6
de Saint-Cyran schrieb eine anonyme Vertheidigung desselben, unA
wird mitunter mit Unrecht als Verfasser bezeichnet^).
1) Wendrock p. 476. Racine 10, 487. S.-Beuve 1, 330. Reuchlin,
Port- Royal 1, 414. Dass Saint-Cyran der Verfasser sei, behauptet u. a-
Stubrock iu8 p. 253.
Heares de Port- Royal. 541
1650 erschien in Paris: L'office de T^glise et de la Vierge
en latin et en fran^ais avec les hymnes traduites en vers, par M.
Damont, eccl^siastique (in anderen Ausgaben par M. Laval). Der
Verfasser ist Isaac le Maitre de Saci. Von diesem gewöhnlich
Heares de Port-Royal genannten Gebetbuche erschienen in einem
Jahre 6, in den folgenden 20 — 30 Auflagen. In dem beigefügten
Kalender, in welchen ausser Heiligen auch einige heiligmässige Per-
sonen aufgenommen waren, war durch ein Versehen des Druckers
dem Namen Bernlle ein B., d. i. bienheureux vorgesetzt, welches in
den folgenden Ausgaben wieder beseitigt wurde. Das veranlasste
den Jesuiten Philipp Labbe zu der Streitschrift: Le caiendrier des
Heures surnomm^es a la Jans^niste revu et corrig6 par FrauQois de
Saint Romain, prStre cath., Par. 1650, 59 S. 12., welcher er einen
Abdruck der incriminirten Ausgabe des Kalenders beifügte: Caien-
drier des Heures k la Janseniste de la seconde edition, imprimee
depuis deux ou trois mois k Paris, 24 S. 12. (Backer 7, 288).
Auch andere Jesuiten griffen den Kalender und das Gebetbuch an,
und P. Annat, der damals in Rom war, bemühte sich, dort ein Ver-
bot zu erwirken. Saint- Amour liess es sich angelegen sein, dieses
zu hintertreiben, und gibt in seinem Journal einen ausführlichen und
amüsanten Bericht über seine Verhandlungen mit Cardinälen und
Prälaten^). Die Bedenken, welche gegen das Buch geltend gemacht
wurden, waren ausser dem unglücklichen B. hauptsächlich folgende:
1. Christe redemtor omnium in dem Adventshymnus sei mit J^sus
divin sauveur übersetzt und so auch sonst Stellen, an denen gesagt
werde, dass Christus für alle Menschen gestorben, nach der 5. Pro-
position des Jansenius geändert; es wurde aber gezeigt, dass, wenn
an 3 Stellen des Versmasses oder Reimes wegen das omnium nicht
wiedergegeben sei, der darin liegende Gedanke an 5 anderen Stellen
stehe; 2. in dem 1. Gebote stehe: vous ne ferez point d'idole ni
d'image taill^e ni aucune figure pour les adorer, ganz wie in der
Genfer Bibel, wobei die letzten Worte die Meinung veranlassen
könnten, man dürfe vor heiligen Bildern nicht knieen; Saint- Amour
wies nach, dass ebenso nicht gerade in allen, aber in vielen fran-
zösischen Catechismen stehe und dass die Fassung sich an den bib-
lischen Text und den Catechismus rom. anschliesse; 8. durch die
Bulle Pius* V. seien überhaupt Uebersetzungen des Officium parvum
B. M. V. in der Volksprache verboten; Saint-Amour bemerkte da-
1) Vgl. ArnauldSO, 137. Dict. Jans. 2, 177. S.-Beuve 2,325, Reuchlin
2, 791. Lettre de L. de Saint- Aubin ä unc personne de conditiou pour
justifier la traduction des hyranes en vers contre les reproches injurieases
du P. Labbe et d^autres Jes., qui ont accuse le traducteur d'avoir venia
oter k Jesus-Christ la qualite de Redempteur de tous les hommes, Par.
1661. 17 S. 4. (von Antoine le Maitre). — R. Simon (Sainjore 3. 180)
sagt: in den Heures de Port-Royal seien die Psalmen nicht nach der Vul-
gata, sondern nach dem Hebräischen übersetzt; das sei nicht l'office de
Feglise, sondern l'office de la synagogue ou, si vous voulez, des eglises
protestantes. Diesen Punkt finde ich bei den Verhandlungen über das
Buch sonst nicht erwähnt
542 „Jansenistiscke" Erbaaungsbücber.
rauf, dergleichen seien aber in Frankreich mehrere erschienen, n. a.
eine von dem Jesuiten Adam, in der die Hymnen in vers borles-
ques et ridicnles wiedergegeben seien ^). Card. Spada antwortete:
wenn er diese dennncire, würde sie auch verboten werden. — Die Sache
wurde anfangs bei der Inquisition verhandelt, dann aber, da diese
nicht geneigt war, ein Verbot zu erlassen, an die Index-Congr. ge-
bracht. Saint- Amour bat, man möge ihm angeben, was man beanstande;
es solle in einer neuen Ausgabe geändert oder erläutert werden. Aber
18. Juni 1651 wurde das Office sammt den zwei Streitschriften von
Labbe verb. ; Card. Spada meinte, das Verbot sei nicht so schlimm,
da in demselben Decrete gegen 30 andere Bücher ständen. Saint-
Amonr meint wohl nicht mit Unrecht, das Buch sei weniger um
des Inhaltes, als um des Verfassers und seiner Freunde willen ver-
boten worden. Als Grund des Verbotes wurde ihm die Bulle Pius'Y.
angegeben. Aber warum wurde denn nicht, da man wusste, dass
in Frankreich viele französische Ausgaben existirten, das allgemeine
Verbot in Erinnerung gebracht? Amauld sagt, das Verbot Piue' V.
sei in Frankreich nie beobachtet worden, es gebe vielleicht 200 la-
teinisch-französische oder französische Ausgaben des Officium.
2. Der Titel des französischen Messbuches lautet: Le Missel
Romain selon le reglement du Concile de Trente, traduit en fran^ais,
avec Texplication de toutes les messes . . . Far le Sieur de Voy-
sin, Pretre, Docteur en Theologie etc. Paris 1660, 4 vol. 12. —
Voisin, ehe er Priester wurde, Parlamentsrath in Bordeaux, + 1685,
war ein frommer und gelehrter Mann; er ist der erste Herausgeber
des Pugio fidei von Raymund Martini und hat auch andere gelehrte,
von R. Simon als sehr gut bezeichnete Bücher geschrieben (Hurter,
2, 891). Simon, der ihn genau gekannt, sagt ausdrücklich, er sei
kein Jansenist gewesen, wiewohl die Jansenisten sich die Verthei*
digung seines Messbuches hätten angelegen sein lassen (Lettree 2,
258). — Das Breve Alexanders VII. vom 12. Jan. 1661 (Alex.
No. 72) lautet: Es ist Uns zum grossen Schmerze Unserer Seele zu
Ohren gekommen, dass in Frankreich einige Söhne des Verderbens,
welche zum Schaden der Seelen nach Neuerungen streben und die
kirchlichen Satzungen und den kirchlichen Gebrauch verachten, in
neuester Zeit bis zu dem Wahnsinn (vesania) fortgeschritten sind,
dass sie das Römische Messbuch, welches in der durch den Gebrauch
so vieler Jahrhunderte in der Kirche bewährten lateinischen Sprache
abgefasst ist, in die französische Volksprache zu tibersetzen, in
dieser Uebersetzung drucken zu lassen und unter Leuten jeden
Standes und Geschlechtes zu verbreiten gewagt und so vermessent-
lich versucht haben, die in lateinische Worte gefasste Majestät des
hochheiligen Ritus herabzuwürdigen und mit Füssen zu treten und
1) Das Buch von Jean Adam (1608—84) heisst: Heures oatholiqnes
en latin et en fran^ais, dediees au Roy, 1651 und 1656. In der Vorrede
der 2. Ausgabe will er beweisen, dass die Heures de Port-Royal nicht
katholisch seien. Backer 1, 3. Sein Buch bestand namentlich der schlechtes
Verse wegen die Concurrenz nicht. Arn. 8, 118.
Französisches Missale von Voisin. 54d
die Würde der h. Mysterien dem gemeinen Volke preiszugeben.
Wir, denen, wiewohl ohne Unser Verdienst, die Sorge für den von
Christas, unserm Erlöser, gepflanzten nnd mit seinem kostbaren
Blnte bewässerten Weinberg des Herrn Sabaoth übertragen ist,
wollen, um dem Wachsthum solcher Dornen, von denen er über-
wacbert werden würde, zu steuern und dieselben, so viel wir mit
Gott vermögen, auszurotten^ wie wir jene Neuerung als eine Ent-
stellung der beständigen Schönheit der Kirche, die leicht Ungehor-
sam, Verwegenheit, Aufruhr, Schisma und andere Uebel zur Folge
haben kann, verabscheuen und verwünschen, so das besagte in
französischer Sprache von wem auch immer verfasste oder in Zu-
kunft irgendwie anders zu verfassende und zu veröffentlichende
Messbuch aus eigenem Antriebe und aus sicherer Wissenschaft und
nach reiflicher Ueberlegung für immer verdammen, verwerfen und
verbieten und als verdammt, verworfen und verboten angesehen
haben, und Wir verbieten für immer den Druck, das Lesen und das
Behalten desselben allen und jeglichen Christgläubigen beider Ge-
sohlechter, jeden Ranges und Standes, jeder Würde, Ehre, und
Praeeminenz, auch wenn dieselben speciell und einzeln zu erwähnen
wären, bei Strafe der Excommunicatio latae sent., der sie ipso jure
verfallen sollen. Wir verordnen zugleich, dass jeder, der das Mess-
bach hat oder in Zukunft auf irgend eine Weise bekommen wird,
dasselbe sogleich dem Ortsbischof oder Inquisitor abliefern und
dieser die Exemplare unverzüglich verbrennen soll.
Die auffallende Schärfe, mit welcher Alexander VII. gegen das
ßaoh vorging, erklärt sich aus dem, was Arnauld (8, 306) berichtet:
„Man weiss aus dem Munde eines Prälaten (des Bischofs Persin de
Montgaillard von St Pons), dass Card. Mazarin, um Alexander VII.
gegen Card, de Retz einzunehmen, ihn glauben machte, dessen Ge-
neralvicare zu Paris hätten das Messbuch approbirt, um die Feier
der Messe in französischer Sprache vorzubereiten/^ Der Nuncius,
berichtet Arnauld weiter, wurde beauftragt, Mazarin zu bitten, er
möge auch die Verdammung des Buches durch die eben damals
tagende AssembUe du Clerge veranlassen. Eine solche durchzu-
setzen, gelang den Bemühungen des Erzbischofs von Ronen, jetzt
von Paris, und de Marca's. Die Assemblee verbot das Buch am
7. Dec. 1660 und forderte die Bischöfe auf, dasselbe in ihren Diö-
cesen zu verbieten; sie schrieb darüber auch 7. Febr. 1661 an den
Papst, dessen Breve aber mittlerweile schon erschienen war, also
nicht auf den Antrag der Assemblee erlassen worden ist. Die
Assemblee erwirkte auch ein Arret du Conscil gegen das Buch
(Arg. III b 298), obschon die Generalvicare dagegen als gegen einen
Eingriff in die Rechte des Erzbischofs protestirten (Avr. 2, 385). —
Die Sorbonne erklärte 4. Jan. 1661 unter Bezugnahme auf frühere
Censuren: sie missbillige die Uebersetzung der Bibel, des Brevieres,
des Rituale, des Messbuches und anderer liturgischer Bücher über-
haupt; sie habe auch das Messbuch von Voisin nicht approbirt; es
sei von ihr nur die Approbation einer Erklärung der Messen des
ganzen Jahres, nicht einer französischen Uebersetzung des Mess-
544 „Jansenistiscbe'' Erbauungsbücher.
biicbes nacbgesucbt worden. Am 2. März 1661 censnrirte sie dann
ausfUbrlicb Voisin^R Werk: es sei vieles falsch nnd ungenan über-
setzt und es seien (in den Erklärungen) Sätze enthalten, die so, wie
sie lauteten, Irrthümer gegen die Lehre von Christus, dem h. G-eiste,
der Gnade und den Sacramenten, namentlich der Taufe« und der
Busse, enthielten (Arg. III a 81). Es handelt sich an den Stellen^
welche in der Censur angeführt werden, nur um ungenaue und niiss-
verständliche Ausdrücke (R. Simon, Lettres 2, 260).
Das Breve wurde in Frankreich schon ^seiner Fassung wegen
nicht einregistrirt; aber auch die Verbote der AssembUe' und der
Sorbonne wurden nicht beachtet. Arnauld (8, 308) sagt sogar, nach
dem Verbote der Assembl^e sei das Messbuch nur um so mehr ge-
kauft worden. Bossuet (Oeuvres 42. 474) erwähnt die französiscben
Verbote nicht und sagt: „Man hat dem Breve in Frankreich keine
Beachtung geschenkt, und man hat sich genöthigt gesehen, zur Be-
lehrung der Convertiten (unter Ludwig XIV.) Tausende von Exem-
plaren einer französischen Uebersetzung der Messe zu verbreiten^' ^).
R. Simon (p. 263) erwähnt das Breve nicht und sagt: „Trotz der
Censur der Sorbonne und des Verbotes der Assembl^e ist das Mess-
buch in ganz Frankreich immer gelesen, gedruckt und öffentlich ver-
kauft worden, und niemand hat sich Scrupel gemacht, es zu lesen.
Gewöhnlich iässt das Publicum den Schriftstellern Gerechtigkeit
widerfahren, deren Bücher man übereilter Weise censurirt hat***).
— In praxi ist das Breve Alexanders VII. ausserhalb Italiens,
(und Spaniens) von Anfang an nicht allgemein und allmählich immer
weniger beachtet worden. Voisin selbst Hess später das Officium
der Charwoche mit dem ganzen Ordinarium missae einschliesslich
des Canons französisch drucken und widmete das Buch der Königin-
Mutter. Ebenso wenig wie dieses, wurden andere Bücher, die das
Ordinarium französisch enthielten, beanstandet. Erzbischof Noailles
von Paris liess 1695 eine Uebersetzung des Pariser Messbuchs
drucken. — Die neueren katholischen Gebetbücher, auch die von
Jesuiten herausgegebenen, enthalten so ziemlich^ alle die Messgebete,
wie sie der Priester spricht, einschliesslich des Canons, und die
vollständigen Uebersetzungen des Missale von Nickel > und Reischl
sind wenigstens in Deutschland nicht beanstandet worden. Der Bi-
schof von Langres hat freilich noch ,1851 auf die Anfrage, ob es
erlaubt sei, das Ordinarium missae in die Volksprache zu über-
setzen, von der Riten-Congr. die Antwort erhalten: moneat traduc-
tores ut a coepto abstineant, ejusdemque operis impressionem et
publicationem inhibeat (Ami de la rel. 153, 303).
3. Nicolas Le Tourneux, geb. 1640, seit 1679 Beichtvater in
1) Die auf Veranstaltung des Königs und des Erzbischofs von Paris
gedruckten Prieres cbretiennes seien l'esprit de PEglise, pour servir d*in-
struction aux nouveaux catholiques enthielten das Ordinarium missae sammt
dem Canon französisch. In der 2. Auflage wurde dieses weggelassen (Ar-
nauld 8, 106).
2) Mehrere Memoires über Voisins Missel bei- Arn. 9, App. 96.
Nie. Le Toumeux. 546
Port-Koyal^ gab 1673 L^office de la semaine sainte lateinisch und
französisch heraus (1675 erhielt er von der Akademie den Prix
d'^loquence), 1682 Car^me chr^tienne, die Episteln, Evangelien und
Collepteu der Fastenzeit mit Belehrungen und Betrachtungen. Der
Kanzler Le Tellier und der Akademiker Pellisson (Convertit) for-
derten ihn auf, diese, Arbeit fortzusetzen, und 1682 erschien der
1. Band von L^ an nee chretienne, ou les messes des dimanches,
feries et f^tes de toute. Pannee en latin et en frangais, avec l'ex-
plication des epitres et des 6vangiles et un abr6g6 de la vie des
saints dönt on fait l'ofüce. Nachdem 1685 der 6. Band erschienen
war, — es sollten noch 3 folgen, — sagte der Nuncius dem könig-
lichen Beiclitvater La Chaise, der Papst verlange das Verbot des
Buches, weil darin eine französische Uebersetzung der Messe stehe
(die Angabe, Le Toumeux habe das Missel von Voisin oder das
Neue Testament von Mons benutzt, ist unrichtig). Auf Befehl des
Königs verbot darauf der Erzbischof von Paris dem Verleger den
Verkauf des. Buches unter Zusicherung einer Entschädigung und
Hess Le Tourneux ein Avertissement zustellen, er solle nicht in
seine Schriften meler de ces choses, que TEglise n'approuve pas et
qu^on taxe de^-nouveautes. Le Tourneux antwortete dem Erzbischof
zuerst brieflich, und kam dann nß,ch Paris, um die Sache zu regeln,
wurde aber 28. Nov. 1686 vom Schlage gerührt und starb. Der
Erzbischof hob das Verbot Ende 1686 wieder auf, und der Nuncius
gab sich zufrieden, naphdem die Uebersetzung des Canons wegge-
lassen worden (Arn. 8> V). — Am 10. Apr. 1688 verbot Harlay's
Official auch Le Tourneux* Breviaire Eomain en latin et en frangais,
4 vol. 8., dessen Druck im Nov. 1687 vollendet war, weil die Ueber-
setzung des Breviers, überhaupt nicht zulässig und diese Ueber-
setzung anonym und ohne Approbation des Erzbischofs erschienen
und nicht genau sei und mehrere von der Kirche verdammte Ketze-
reien enthalte. Der Erzbischof Le T^Uier von Reims schrieb da-
rüber 26. April 1688 an Bossuet: II, faut que M. de Paris ait
Tesprit de vertige. Das Buch wurde nach dem Verbote nur um so
mehr gekauft, und der Erzbischof musste dasselbe freigeben^). Das
Brevier wurde in Rom nic)it verb., aber 1695 die Ann6e, und zwar
11 Bände (der 10. und 11. wurden von Paul-Emest Ruth d'Ane
beigefügt), mit dem Zusätze: das Werk enthalte das schon von
Alexander VIL verbotene Missale in französischer Sprache und
werde, so weit es (nach diesem Verbote) nöthig sei, aufs neue
verboten.
1) Am. 2, 648; 3, 101. 104; 8, 259 (Defense de« versioos de rEcri-
ture sainte, des Offices de l'Eglisc et des ouvrages des p^rcs, et en par-
'ticulier de la nouvelle traduction du Breviaire contre la sentence de
TOfficial de Paris du 10. Avril 1688, Col. 1688). S.-Beuve 6, 209. Dict.
Jans. 1, 199. Tn dem Brevier erschien zuerst die Uebersetzung der Hym-
nen von Racine. Als Ludwig XIV. diesen auflforderte, de faire quelques
Vers de piete, antwortete er: Sire, j*en ai voula faire, on les a con-
damnef.
Rensch, Index II. 35 '
540 „JanBeuistische" Erbaunngsbücher.
S.-Beuve 5, 231 spricht sehr schön über das Yerdienstliche
der Arbeiten von Le Tourneux und mit gerechter Entrüstung gegen
Grueranger, der (Inst, liturg. t. 2, eh. 17) diese und ähnliche
Arbeiten des 17. Jahrh. als r^sultat d*une grande oonspiration qui
se tramait contre la foi des fid^les, darstellt. Celui-ci (Le Tourneux),
sagt er weiter, est surtout Pobjet d'attaques singulieres. On est
mSme all6 (car la calomnie de ce cote est prompte et la betise s'y
mdle ais^ment) jusqu^a incriminer sa foi en la divinit6 de J^sus-
Ghrist. Mais le grand crime etait de vouloir introduire une part de
raison et de connaissance dans les livres jusqu* alors ferm^s du
sanctuaire, de diminuer, mSme en le reverant, mais en se Texpliquant
dans une certaine mesure, le mysterieux et le merveilleux inh^rant
k la c6Ubration du culte ... Au Heu de Taider, on le condamne,
on Taccable sous la stupidite des accusations, on insulte k sa me-
moire. Que gagne la vraie religion k ces guerres ciyiles? Comme
si Tennemi commun, les philosophes, l'esprit du si^ole, Voltaire en
personne n^approchaient pas. Oh, que le malin qui savait son Jan-
senisme k merveille et qui en avait de bonnes informations dans sa
famille, devait rire en voyant les livres de Le Tourneux k l'Index
et Tauteur trait^ comme un m^creant! CVtait autant de gago6 pour
lui. — Arnauld schreibt 1688 an den Landgrafen Ernst (3, 113):
Sie haben Recht, wenn Sie meinen, man müsse mehr, als in Spanien
und Italien geschieht, die Volksprache zur Unterweisung des Volkes
anwenden. Wir haben seit 50 Jahren in diesem Sinne gearbeitet.
Er erwähnt dann die Heures de Port-Royal, die Arbeiten von Le
Tourneux, Priores en frangais pour dire dans les familles, die der
Herzog von Luynes unter dem Namen Laval herausgegeben und von
denen ein frommer Mann 4 — 5000 Exemplare für die Soldaten habe
drucken lassen, und Cantiques (französische Kirchenlieder) von Abbe
de Heauville; einem Pariser Pfarrer, der solche Cantiques habe her-
ausgeben wollen, sei es verboten worden.
Auch in den Niederlanden wurde über die Zulässigkeit von
Uebersetzungen des Ordinarium Missae, speciell des Canons gestritten.
Der Abt von Rolduc wurde wegen eines solchen Buches bei dem
Nuncius in Köln denuncirt^ machte diesen aber darauf aufmerksam,
dass dergleichen Bücher auch in Lüttich und Brüssel erschienen
seien und dass ein sehr verbreitetes Gebetbuch eines Kölnischen
Jesuiten die ganze Messe von allen Heiligen mit dem Canon enthalte
(Am. 8, 316); die letzte Bemerkung, behauptet Arnauld (2, 788),
habe mehr Effect gemacht, als wenn man dem Nuncius alle Kirchen-
väter citirt hätte. — Auch ein in Holland sehr verbreitetes und von
dem Bischof Neercassel 1685 empfohlenes Gebetbuch, Christelycke
Onderweyzingen en Gebeden enthielt die Messgebete flämisch (C. Qu.
p. 102). Es wird dieses dasselbe Buch sein, von welchem Arnauld
(3, 162) 1689 an du Vaucel schreibt, er möge doch dahin wirken,
dass die Heures cath. en flamand, in denen die Messgebete nach
einer altem Uebersetzung von einem Jesuiten ständen, nicht ver-
boten würden, da das Verbot des in Holland sehr geschätzten Buches
grosses Scandal verursachen würde. — 1695 wurde Hugo van
Monita salutaria B. Mariae V. 547
Henssen, Provicar in Utreclit, deimncirt, weil er dem Dominicaner
van Hoom einen Verweis ertheilt, der gepredigt hatte, der Canon
dürfe nicht übersetzt werden, und weil er, als ihm das Breve Ale-
xanders VII. entgegengehalten wurde, erklärt, dasselbe gelte nur
für Frankreich (C. Qu. 103). — De Kleine getyden oft bedeston-
den, Utrecht 1699, nach C. Qu. p. 89 Ton A. Schurius nach dem
Vorbilde der Ann^e chr^t. bearbeitet, wurde 1701 verb.
4. Die Monita salutaria Beatae Mariae Virginia ad cultores
BU08 indiscretos erschienen zuerst Ende Nov. 1673 zu Gent mit Ap-
probation des bischöflichen Censors, Canonicus .1. Gillemans^). In
dem Schrift<ihen werden der h. Jungfrau Warnungen vor üebertrei-
bungen ihrer Verehrung in den Mund gelegt, z. B. „Nehmt nicht
leicht alle und jede Geschichtchen an, die über meine Erscheinungen
oder Offenbarungen oder Wohlthaten und Privilegien verbreitet
werden. ... Es ist von Ewigkeit nicht erhört worden, dass der-
jenige, welcher eine ernste Busse vernachlässigt hat, durch mich
befreit worden wäre. Einem solchen werden nichts helfen die For-
meln und Gebetchen, die er hergesagt, oder die Zeichen und Instru-
mente der Frömmigkeit, die er getragen, oder die Bruderschaften,
denen er angehört hat . . . Saget nicht, Christus sei ein strenger
Richter, ich aber die Mutter der Barmherzigkeit; er habe sich die
Gerechtigkeit vorbehalten, mir aber die Barmherzigkeit übertragen."
— Der Verfasser ist ein frommer Kölnischer Jurist, Adam Widen-
feldt, ein Freund des dortigen Weihbischofs Peter von Walenburg,
t 2. Juni 1678. Der Angabe des Dict. Jans. 1, 164, er sei auf einer
Reise mit den Jansenisten zu Gent und Löwen und zu Paris mit
Arnauld und dessen Freunden bekannt geworden, habe sich dann
zwar der Bulle Innocenz^ X. unterworfen, von den Jansenisten aber
verleiten lassen, jenes Schriftchen zu verfassen, steht die Erklärung
von Arnauld (2, 732) gegenüber: er und seine Freunde hätten von
Widenfeldt erst nach dem Erscheinen der Monita etwas gehört und
niemals Verkehr mit ihm gehabt. Arnauld und seine Freunde haben
sich aber die Verbreitung und Vertheidigung des Schriftchens ange-
legen sein lassen, standen indess in dieser Hinsicht nicht allein. Es
erschienen bald nach der Originalausgabe mehrere französische Ue-
berRetzungen, eine (von Gerberon) unter dem Titel: Avis salutaires
de la B. V. Marie ä ses divots indiscrets, Lille 1674, eine andere
unter dem Titel: Avertissemens salut par M. W., und eine
flämische: Heylsame vermaningen van de S. M. Maria an haer
ondiscrete dienaers, Middelburg 1675 (mit Anmerkungen). In dem
gleich zu erwähnenden Buche von A, Baillet ist eine französische
Üebereetzung und eine Reihe von Approbationen aus dem J. 1674
1) Ich kenne nur eine Ausgabe juxta exemplar Gandavense typis
Fr. d'Erckel a. 1673, KJ S. 4., die zu Köln gedruckt sein muss, da ausser
der Genter Approbation eine zweite von Godefr. Molanas, Prof. et Pastor
8. Pauli, d. d. Köln 24. Jan. 1674 darin steht. Nach einer Ausgabe Leo-
<lii apud Nie. de la Roche 1674 ist das Schriftchen abgedr. in M. Lcydeckeri
De bist. Jansenismi 11. 6, 1695, p. 631—640.
548 j^JanseniBtische*' Erbauungsbiicher.
abgedruckt, u. a. von dem Bischof von Touroay vom 13. HSn, von
dem Weihbischof Walenburg und dem 6eneralvioar AoMem von
Köbi vom 2. Jau. (Walenburg sagt, er habe das Sohriftchen iwei-
mal sorgfältig geprüft und nichts Bedenkliches gefunden, er könnte
sogar vieles zur Vertheidigung desselben sagen, wenn er das flr
nöthig hielte). In den Jahren 1674 und 75 erschienen mehr als 40
Schriften für und gegen die Monita ^), darunter Sentiments des aaints
peres touchant les excellences et les prcrogatives de la trös-sainte
Vierge . . . pour servir de reponse aux Avis salntaires, par Louis
Abelly, ev^ue de Khodez, Par. 1674, und Lettre pastorale de Mgr.
rill, et Rev. Eveque de Tournay aux fideles de son diooese sur le
culte de la tr^s-sainte Vierge et des Saints, a Toccasion du livre des
Avis salutaires . . . Lille 1674*, 45 S. 4. (abgedr. bei Baillet
p. 304). Der Bischof (Gilbert de ühoiseul du Plessis-Praslin) sagt
in diesem vom 17. Juni 1674 datirten Hirtenbriefe, er kenne den
Verfasser nicht; er vertheidigt ihn u. a. gegen ein zu Donay er-
schienenes Schriftchen (von de Cerf) : Jesu Christi monita etc. (b. u. ;
gegen dieses vertheidigt er auch p. 400 die Bemerkungen der Mo-
nita § IV über die Mancipia B. M. V., s. S. 242), und spricht
schliesslich auch von der von manchen ausgesprochenen Erwartung,
dass die Monita würden in Rom verboten werden. £r halte es für
möglich, sagt er, dass man durch Declamationen über die schlimmen
Wirkungen des Büchleins obrepticement ein Verbot desselben er-
wirke; man werde aber gewiss nicht die Lehre desselben verdammen
und keinen einzigen Satz desselben censuriren; er werde alles, was ^
von dem h. Stuhle komme, mit Hespect annehmen und gewissenhaft ^
ausführen; aber die Lehre, die er in seinem Hirtenbriefe im An- —
schluss an die Monita vortrage, sei so unanfechtbar, dass er fiber "*
jeden, der ein anderes Evangelium predige, das Anathema sit (Gal. • *
1, 8) aussprechen könne. Von dem Hirtenbriefe wurde eine latei- —
nische Uebersetzung gedruckt : Pastoralis epistola 111. ac Rev. £pi- —
scopi Tomacensis ad fideles diuecesis Tomac. de cultu . . ., Insulii ^
1674'*', 79 S. 4. Sie wurde ausgegeben, obschon mittlerweile die ^
Monita in Rom verboten waren ; es wurde nur die beabsichtigte Bei- ^
fügung der Monita selbst auf den Wunsch des Bischofs unterlasssen; «;
dagegen sind die sämmtlichen Approbationen beigedmckt. — Widen- '
feldt selbst schrieb eine Vertheidigung und schickte sie seinem .^
\\
'.o
1) Im Dict. Jans. 1, 171 werden 46 Nummern verzeichnet (darante^^er
aber auch Uebersctzungen und blosse Briefe). Bei Gelegenheit des Streite^s«^ ^
über Muratori's Buch Della regolata divozione Hess Zaccaria dieses Te^L. ■ fl ;^|
zeichniss in der Storia letteraria 8, 247 abdrucken. Es steht auch l>
Backer 2, 497 und Migne 2, 901. Zaccaria bezeichnet bei dieser Gele^
heit die Monita als empia opericciola. Avr. 8, 113 versichert: II n
rien de plus miserable que ce libellc. — Das Sohriftchen ist in ans
Jahrb. noch einmal und zwar in Africa gedruckt worden: Lettre do ^^
Sainte Vierge trouv6e dans la chapelle provisoire de N. D. d'Afriquej^^^
adresseo a L. A. A. Pavy, eveque d'Alger. 2. Ed. augmentee de 1.
ponse k TAkhbar, 2. Avis salutaires publies en 1673, Alger 1861.
II »T-, s I ^a
Monita salutaria 6. Mariae V. 549
ersten Approbator Gillemans in Gent, der sie als Epistola apologe-
tica auctoris Monitorum . . . Mecheln 1674, drucken Hess.
Die (Jesuiten-) Universität zu Mainz verdammte die Monita
1674 als scandalosa, noxia, officinam Jansenariorum olentia et gustui
Luthero-Calvinicorum vehementer arridentia; die Index-Congr. verbot
sie 19. Juni 1674 mit d. c, die spanische Inquisition 27. Nov. 1674
unbedingt. — Die Correspondenz des Card. Bona (Epistolae, 1759,
I, 51 und II, 22) enthält über das Römische Verbot folgendes: Der
Bischof von Tournay schickte Bona seinen Hirtenbrief, Gillemans
die Epistola apologetica, der Bischof Neercassel ein handschriftliches
Grutachten mit der Bemerkung, er sei aufgefordert worden, es drucken
zu lassen, wünsche aber vor dem Druck die Approbation der In-
quisition zu erhalten, der Bona das Manuscript vorlegen möge ; wenn
seine Schrift mit dieser Approbation erscheine, könne der Lärm über
die Monita dadurch beschwichtigt werden. Bona selbst schreibt,
theils an Gillemans, theils an Neercassel: es seien viele Exemplare
der Monita mit Denunciationen nach Rom gesandt worden und meh-
rere Prälaten hätten Briefe seu potius declamationes erhalten, in
denen gesagt werde, das Schriftchen werde von den Ketzern gelobt
und thue der Verehrung der h. Jungfrau Eintrag; es hätten schon
Frauenzimmer in der Beichte sich als über eine Sünde und mit dem
Versprechen, es nicht wieder thuen zu wollen, darüber angeklagt,
dass sie die Lauretanische Litanei und den Rosenkranz gebetet^);
auch habe man den Verfasser als Jansenisten bezeichnet. Er habe
sich nach Kräften bemüht, das Verbot des Buches, welches nach
seiner Ansicht nichts gegen den Glauben enthalte, zu verhindern;
man habe es aber mit d. c. verbieten zu müssen geglaubt, weil man
gefürchtet habe, die Freigebung des Schriftchens würde in Belgien
Aergernisse hervorrufen und der Marienverehrung Eintrag thuen.
An Neercassel schreibt er: seine Erläuterung der Monita sei vor-
trefflich, aber der Inquisition könne er sie jetzt nicht mehr vor-
legen; dass sich viele Missbräuche in die Marienverehrung einge-
schlichen und dass etwas dagegen geschehen sollte, sei ja nicht zu
leugnen, sed aliquando Deo permittente saniora consilia negliguntur
et praevalent artes existimantium quaestum esse pietatem; emerget
tamen veritas, cum Dens voluerit. — Der Kurfürst von Köln, Maxi-
milian Heinrich Herzog von Baiern, hatte unter dem 3. Juni 1674
ein Schreiben an die Cardinäle der Inquisition gerichtet, worin er
sagt: er habe gehört, man habe die Monita in Rom denuncirt; das
Schriftchen sei von seinem Weihbischof, von seinem Generalvicar
und den gelehrtesten Weltgeistlichen in Köln approbirt, von dem
Bischof von Tournay, dem Bischof Neercassel und vielen verdienst-
vollen Männern empfohlen werden; ein Verbot desselben könne nur
dazu dienen, die Einfältigen in ihren Irrthümern, die Ketzer in ihren
1) Auch der Bischof von Tournay (Baillet p. 425) und der Land-
graf Ernst (Rommel 1, 269) erwähnen dieses und ausserdem: man habe
die Scapuliere und Rosenkränze ins Feuer geworfen, das Beten des Salve
Regina eingestellt u. dgl., — bezeichnen es aber als pure Erfindung.
550 jjJanscnistischc'' Erbauungsbücher.
falschen AnHichten von der katholischen Lehre zu bestärken, die
Streitigkeiten zwischen den Freunden und Gegnern des Buches, in
seiner Diöcese zwischen Welt- und Ordensgeistlichen zu vermehren
und fromme und eifrige Laien wie den Verfasser zu verletzen und
zu verstimmen; er bitte kein Urtheil zu fällen, ohne diese seine Er-
klärung zu erwägen.
Die Angabe von Zaccaria u. a., das bedingte Verbot der Mo-
nita von 1674 sei 1675, da man gesehen, dass die Vertheidiger
immer schlimmer geworden, durch ein absolutes Verbot ersetzt wor-
den, ist unwahr. Die lateinische Ausgabe steht noch heute mit d. c.
im Index. Unbedingt verboten wurde 1676 die flämische und 1678
eine französische Uebersetzung (Avertissements). Einer der 31
Sätze, die 7. Dec. 1690 von der Inquisition verdammt wurden, No. 26,
Laus, quae defertur Mariae ut Mariae, vana est, steht in den Monita
3, 1, aber mit dem Nachsatze: das Maria als der Mutter und Magd
Gottes gespendete Lob sei heilig. — Von den Streitschriften über
die Monita stehen folgende im Index: Ulula seu bubo ecclesiasticus
recte expositus P. Alexii Recollecti suo in sermone habito 8. Dec.
1673 Gandavi super libello dicto: Monita sal., verb. 1674 (es ist
beigefügt: flandrice; der flämische Titel wird aber nicht angegeben) ;
Monita sal. B. M. V. vindicata per notas salutares ad libellum in-
titulatum: Cultus B. V. M. vindicatus Patris Hieronymi Henneguier
[Dominicaner, St. Omer 1674] et similes scriptores, authore qnodam
Eegulari orthodoxi cultus B. V. M. zelatore. Cui accedit Appendix
contra Defensionem B. V. M. Ludovicii Bona, verb. .1676^); —
Apologie des devots de la S. Vierge, ou les sentiments de Theo-
time sur le libelle intitule: Les avis sal. . . ., sur la lettre apolo-
getique de son auteur et sur les nouveaux avis en forme de re-
flexions ajoutees au libelle, verb. 1677 (nach dem Dict. Jans, von
Grenier, Brux. 1675); — Statera et examen libelli a S. Congrega-
tione pjoscripti, cui titulus: Monita . . . auct. Laur. a Dript, Be-
nedictiuo Gladbacensi, Episcopi Paderborn. Consiliario et Commis-
sario, 1675 (2. Ed. Neuhaus 1677, 12.) mit d. c. verb. 1678. —
Die Schrift des Bischofs Neercassel : Tractatus quatuor de Sanetorum
1) Der Titel dieses Schriftchens ist Defensio B. V. Mariae et pio-
rum cultorum illius contra libellum intit. Monita ... et contra Episto-
lam apologeticam pro iisdcm, cui addita est Praefatio contra Epistolani
pastoralem gallicc editam a D. Gilberte Episc. Tornac, ad Ecciesiae Prae-
iatos directa, authore Francisco Loduiscio Bona Theologo, [Mainz] 1674,*
251 S. 16. In der Vorrede wird gesagt, in Belgien habe die geistliche
Behörde den Druck von Schriften für und gegen die Monita verboten,
Prof. Dubois in Löwen habe seinen Zuhörern eine Widerlegung dictirt
und dieses Dictat liege der Schrift zu Grunde. Widenfeldt wird als Ver-
fasser genannt und als eifriger Jansenist bezeichnet. Beigedruckt ist
p. 221 Jesu Christi monita maxime salutaria de cultu dilectissimae matri
Mariae debite exhibendo, edita Duaci per R. D. Henr. de Cerf, S. Th.
Dr. et Prof. Regium (abgedr. bei Leydecker p. 641). Letzteres Schriftchen
liess der Jesuit Piazza 1751 in einer Streitschrift gegen Mnratori noch
einmal abdrucken (Ilurter 2, 1B60).
J. Crasset. A. Baillet. 551
et praecipue B. V. M. cultu, Utrecht 1675 (französisch von Le Roy,
Abb^- de Hautefontaine, Par. 1679), wird eine erweiterte Bearbei-
tung der Schrift sein, die er dem Card. Bona sandte; wenigstens
sagt er in einem Briefe an Bossuet vom 5. Febr. 1676 (37, 109),
er habe sie ans Anlass der im vorigen Jahre in Belgien entstandenen
Controversen über die Marienverehrung geschrieben. Sie steht nicht
im Index und wird von Benedict XIV. wiederholt citirt. — Land-
graf £rn8t von Hessen beklagt es in einem Briefe an Leibniz vom
J. 1680 (Rommel 1, 269), dass die Gegner der Jansenisten durch
ihr Crucifige - Schreien das Verbot des Schriftchens durchgesetzt
hätten ; die Vertheidiger der Unfehlbarkeit des h. Stuhles, meint er,
sollten denselben doch nicht zu solchen Dummheiten (bivues) ver-
leiten, durch die er thatsächlich seine Fehlbarkeit beweise. Leibniz
meint (S. 286): man solle die Herren von der Inquisition nöthigen,
die zu corrigirenden Stellen anzugeben (wie ja die spanische Inqui-
sition thue), und dann eine corrigirte Auegabe veranstalten. Eine
solche ist nicht erschienen.
Eine etwas verspätete Widerlegung der Monita gab der Jesuit
J. Crasset 1679 heraus unter dem Titel: La veritable devotion a la
Sainte Vierge etablie et defendue. Thiers, Superst. 4, 131 sagt da-
von: Le P. Crasset a donne tete baissee dans toutes les d^votions
nouyelles qu'il a cru pouvoir contribuer ä l'honneur de la S. V.
Jurieu aber benutzte das Buch in seinem Pr^servatif contre le
changement de religion, ou Tid^e juste et veritable de la rel. cath.
rem., oppos^e aux portraits flattes que Ton en fait, et particuliere-
ment k celui de M. de Condom. Arnauld (42, Suppl. 22) schrieb
darauf an Neercassel 21. Sept. 1681: er möge Bossuet darüber
schreiben und diesen bitten, falls die Citate richtig seien, eine Cen-
äurirung des Buches von Crasset durch die Sorbonne zu veranlassen;
er selbst möge das Buch in Rom denunciren. „Was soll man den
Maeretikem antworten, fügt er bei, wenn sie uns vorhalten, dass man
die Monita verboten, aber nicht die Gegenschriften, welche die
^rössten Masslosigkeiten vertheidigen ? Es ist ein grosser Fehlgriff
gewesen, dass man die Monita verdammt hat; durch die Verdammung
^rassets könnte er einigermassen wieder gut gemacht werden."
Neercassel schrieb gleich in diesem Sinne an Bossuet (Oeuvres 37, 235)
xind erklärte, wenn die Citate richtig seien, werde er sich bemühen,
uit Romano fulmine feriantur. Crassets Buch ist natürlich in Rom
:»iicht censurirt worden, auch nicht von der Sorbonne, obschon Ar-
xiauld (2, 349) auch direct an den Syndicus Pirot schrieb. —
Die Monita werden noch einmal erwähnt in dem Judicium der Lö-
"wener Facultät über den Cas de conscience von 1704 (Arg. III b 599):
,,Wie weit bezüglich der Heiligen Verehrung gewisse Rigoristen
^ehen, zeigen verschiedene Schriften derselben, namentlich die
Wonita.**
Crassets Buch wurde, wie gesagt, in Rom nicht verboten, wohl
»her die im Sinne Widenfeldts geschriebene, aber umfangreichere
Schrift De la d6votion a la Sainte Vierge et du culte qui lui est
du, Paris 1693; nouvelle ed. 1696. Das Buch ist von Adrien
552 Gallicanische Controverse uuter Alexander VII.
Baillet, geb. 1649, seit 1676 Priester, seit 1680 Bibliothekar des
Präsidenten Lamoignon , und soll veranlasst sein durch eine von
Bourdaloue 8. Dec. 1692 gehaltene Predigt, worüber Madame de
Lamoignon Baillets Urtheil haben wollte. In einer spätem Ausgabe
(Toumay 1712*, 24 und 444 S. 12.) ist Baillets Name auf dem
Titelblatte und unter der Dedication genannt und sind die Avis sa-
lutaires und die Lettre pastorale des Bischofs von Tournay beige-
fügt. Das Buch wird im Dict. jans. 1, 402 und von Avr. 4, 35
sehr scharf getadelt; aber der Erzbischof de Harlay und die Sor-
bonne, bei denen es denuncirt wurde, censurirten es nicht, und in
Eom ist es nur mit d. c. verboten worden, die 1. Ausgabe 1695,
die 2. 1701^). — Von dem grössern Werke: Les vies des Saints,
compos^es sur ce qui nous est reste de plus authentique et de plus
assur^ dans leurs histoires, dispos^es selon Tordre des calendriers
et des martyrologes avec l'hist. de leur culte . . . par M. Adrien
Baillet, sind nur die zwei ersten Bände, Paris 1704, die Monate
Jan. bis Aug. umfassend, 1714 verb. Das Buch erschien, dem Card.
Noailles gewidmet, zuerst 1701 in 3 Fol. (und 12 vol. 8); ein 4.
Band, 1703, enthält L'hist. des fetes mobiles, les vies des Saints
de TA. T., Chronologie und Topographie des Saints. Es ist das
erste ausführliche Leben der Heiligen, in welchem, vielfach im An-
schluss an Tillemont, Fabeln und unzuverlässige Wunder- und an-
dere Berichte ausgeschieden sind (Dupin 18, 287. Baumg. 7, 427).
Selbst Benedict XIV. meint freilich, Baillet sei zu weit gegangen;
er polemisirt wiederholt gegen ihn und sagt z. B. De festis 2, 16, 8:
Homo vel certissimarum rerum veritatem, ut intemperanti ingenio
est, sollicitans. Ausführlich kritisirt ihn Mich, a S. Jos. 1,430. —
Der Bischof von Gap verbot 1711 das ganze Werk unter Androhung
der Excomm. 1. sent., weil viele Dogmen und Artikel der Dieciplin
darin im Jansenistischen oder protestantischen Sinne behandelt seien.
Die Verbote haben der Verbreitung des Buches keinen Eintrag ge-
than; es ist wiederholt gedruckt worden. Der an der Spitze des
1. Bandes stehende Discours sur Thist. de la vie des Saints war zu-
erst 1690 anonym erschienen.
58. Die gallicanische Controverse nnter
Alexander VII. 1663.
Veranlasst durch das Auftauchen ultramontaner Ansichten,
fasste die Sorbonne 4. Mai 1663 folgende Erklärung ab:
1. Es ist nicht Lehre der Facultät, dass der Papst irgendwelche
Autorität über die weltlichen Angelegenheiten des allerchristlichsten
1) So seit Ben. In den älteren Indices steht nur „nouvelle ed. Par.
1696" und als Datum des Verbots: S. 0. 1. Juli 1693!
Erklärung der Sorbonne von 1663. 553
Königs habe; sie hat auch denjenigen immer widersprochen, welche
nur eine indirecte derartige Autorität annehmen. — 2. Es ist Lehre
der Facnltät, dass der allerchr. König in weltlichen Dingen keinen
andern Obern hat als Gott. — 3. Es ist Lehre der Facultät, dass
die Unterthanen unter keinem Vorwande von der Treue und dem
Gehorsam gegen ihn dispensirt werden können. — 4. Die Fac.
billigt keine Sätze, welche der Autorität des Königs, den echten
Freiheiten der gallicanischen Kirche nnd den im Königreiche reci-
pirten Canones widersprechen, z. B. dass der Papst im Widerspruch
mit diesen Canones Beschlüsse fassen könne. — 5. Es ist nicht
Lehre der Fac, dass der Papst über dem allgemeinen Concil stehe,
— 6. oder dass der Papst ohne Zustimmung der Kirche (nullo
accedente Ecclesiae consensu) unfehlbar sei.
Diese Erklärung wurde 30. Mai von dem Parlamente,
4. Aug. 1663 von dem Könige bestätigt und zugleich verboten,
irgend etwas derselben Widersprechendes zu lehren und zu
vertheidigen^). — Im J. 1664 und 1665 censurirte die Sorbonne
nltramontane Sätze in Büchern von Jacques de Vernant und
Amadaeus Guimenius. Diese Censuren verdammte Alexander VII.
in einer scharfen Bulle vom 23. Juni 1665. Das Pariser Par-
lament verbot die Veröffentlichung der Bulle und bestätigte die
Censuren der Sorbonne. Diplomatische Verhandlungen ttber
diesen Conflict blieben ohne Ergebniss. Er hatte aber zunächst
noch keine weiteren Folgen. Die nicht lange nach der Bulie
Alexanders VII., 1671 erschienene Exposition de la doctrine de
r^glise catholique sur les matieres de controverse von Bossuet
fand sogar, obschon darin über die allgemeinen Concilien und
den Papst nicht gerade die curialistischen Ansichten vorgetra-
gen wurden, eine sehr beifällige Aufnahme und wurde von In-
nocenz XI. belobt.
1. Am 12. Dec. 1661 behauptete der Jesuit Jacques Coret
in einer These, die er im College de Clermont vertheidigte, die
Unfehlbarkeit des ex cathedra redenden Papstes, und zwar auch in
factis dogmaticis (dieselbe These war schon im Juni im College de
Navarre vertheidigt worden). Arnauld schrieb dagegen La nou-
velle h6r6sie des Jesuites .soutenue publiquement a Paris . . . de-
nonc^e k tous les ^veques de France (Arn. 21, 514). — Am 19. Jan.
1663 wollte Gabriel Drouet de Villeneuve eine These vertheidigen,
in welcher einige ultramontane Sätze vorkamen (der Papst habe
sonveräne Gewalt über die Kirche ; er habe einigen Königen, na-
1) Arg. III a 87. Bossuet, Dcfcnsio, App. 3, 11 (33, 632).
554 Gallicanische Coutroverse unter Alexander VII.
mentlich den französischen, Privilegien verliehen; allgemeine Con-
cilien seien nützlich, aber nicht nöthig). Das Parlament verbot
die Vertheidigiing der These 22. Jan., und als am 4. April eine
ähnliche These im Colleg der Bernardiner vertheidigt wurde, rügte
es dieses in einem Arret vom 14. April (Avr. 2, 407. 418). — Um
sich gegen den Verdacht zu sichern, als theile sie solche Ansichten,
fasste die Sorbonne die oben mitgetheilte Erklärung ab. Sie soll
von dem Erzbischof Hardouin de Perefixe von Paris redigirt sein.
Noch im J. 1663 verhandelte die Sorbonne über eine im Juli
im College de Clermont vertheidigte These : es könne dahin gestellt
bleiben, ob das Decret der Römischen Inquisition über die Coper-
nicaniscbe Lehre eine definitive Entscheidung der ganzen Coutro-
verse sei; jedenfalls sei es für diejenigen von grossem Gewichte,
welche nicht nur darauf achteten, was die Kirche gebiete, sondern
auch darauf, wohin sie neige (quo propendeat), und jedenfalls zeige
es, welchen Weg man einzuhalten habe (Arg. Illa 94; s. o. S. 398).
2. Das von dem Carmeliter Bonaventura a S. Anna (sein
Familienname war Her^die, t 1667) unter dem Namen Jacques de
Vernant herausgegebene Buch: La defense de TautoritÄ de N. S. P.
le Pape, de Nosseigneurs les Cardinaux, les Archeveques et Eve-
ques et de Temploi des Mendiants contre les erreurs du temps,
Metz 1658, wurde der Sorbonne 1. Apr. 1664 denuncirt. Nach
langen Verhandlungen censurirte sie 26. Mai eine Seihe von Sätzen
desselben, u. a. : dem Papste als Stellvertreter Jesu Christi komme
active, der Kirche passive Autorität zu (dieser Satz wird als haere-
tisch bezeichnet) ; nur durch die göttliche Autorität könne die Ge-
walt des Papstes beschränkt und ihm Gesetze vorgeschrieben wer-
den; nur die Ketzer und Feinde des Glaubens verlangten Concilien;
die Autorität, Verordnungen für die ganze Kirche zu erlassen, habe
das Concil vom Papste; ein allgemeines Concil könne nicht ürtheile
des Papstes prüfen; der Papst entscheide in letzter Instanz in Glau-
bensfragen; die Bischöfe erhielten ihre Jurisdiction vom Papste,
nur mittelbar von Gott; der Papst könne in allen Diöcesen ohne
Zustimmung der Bischöfe seine Gewalt delegiren (andere Sätze be-
ziehen sich auf die Privilegien der Orden, S. 383). Die Facultät
erklärte dabei, sie wolle durch ihre Censuren nicht dem Primate
des Papstes, der Autorität des apost. Stuhles und den Bullen
Innocenz' X. und Alexanders VII., die sie recipirt habe, derogiren.
Sie rügte nebenbei, dass Vernant unechte Schriften von Kirchen-
vätern anführe, die echten falsch citire u. s, w. ^). — Bei der Cen-
Kurirung des Buches des Guimenius (des Jesuiten Moya) am 3. Febr.
1665 handelte es sich vorzugsweise um laxe Moralsätze (S. 499).
Aber Guimenius war ein ebenso strenger Infallibilist wie laxer Mo-
ralist, und die Sorbonne censurirte neben vielen abscheulichen Mo-
1) Arg. lila 100. Bossuet 82, 401. Der Carmeliter schrieb da-
gegen: La doctrine ancienne des theologiens de la Fac. de Paris opposee
ä la censure faite par la meme Fac. de P. sur le livre de l'aut. de N.
S. P. le Pape, 1664.
J. de Vernaut. 655
ralsätzen auch zwei Sätze über die päpstliche Gewalt, — man müsöe
glauben (ad iidem pertinet), dass der Papst unfehlbar sei, nicht nur
in Sachen des Glaubens, sondern auch der Sitten, in dem Sinne,
dass er nicht etwas als der evangelischen Vollkommenheit entspre-
chend billigen könne, was dieses nicht sei, — mit der Erklärung,
die in diesen Sätzen enthaltene Lehre sei falsch und temerär, den
Freiheiten der gallicanischen Kirche zuwider, für die Universitäten,
theologischen Facultäten und orthodoxe Doctoren beleidigend (Arg.
ma 113).
In Eom war man über diese Ceusurirung curialistischer An-
sichten sehr aufgebracht und Alexander VII. beging die Ungeschick-
lichkeit, sich nicht nur über die Censurirung Vernants, sondern
gleichzeitig auch über die des Guimenius zu beklagen. Unter dem
6. April 1665 richtete er an den König ein Breve folgenden In-
halts: der Nunciufl werde ihm mittheilcn, wie sehr die Censur der
Facultät sein päpstliches Gemüth betrübt habe; er werde die Zu-
rücknahme der Censur verlangen wegen der darin enthaltenen gegen
den apostolischen Stuhl feindseligen und injuriösen Sätze; die Fa-
cultät habe sich durch die Bekämpfung der Ketzerei der Jansenisten
80 sehr ausgezeichnet, sie werde doch nicht wollen, omnem gloriam
et labores tantos irritos cadere et vel ipso tempore, quo pestiferi
errores confodiuntur, gladii eorum jugulo instantis aciem adeo im-
portune retundi (Arg. III a 115). In dem Avis des gens du Roi
(von Denis Talon) über dieses Breve (Arg. III a 115 — 124) heisst
es u. a. : der Papst beklage sich über die Censuren nur, weil sie
seiner Autorität Schranken setzten und ihm die Infallibilität ent-
rissen, welche ihm diese neuen Autoren so freigebig beigelegt. Am
25. Juni 1665 erliess dann Alexander VII. eine lange Bulle (Alex.
No. 86) gegen die beiden Censuren^), worin es heisst: In den bei-
den Büchern werden vorzugsweise solche Sätze censurirt, welche
die Autorität des Papstes und des apost. Stuhles, die Jurisdiction
der Bischöfe, das Amt der Pfarrer, die von dem h. Stuhle verlie-
henen Privilegien, die apostolischen Dispensationen upd die Kegel
der sittlichen Handlungen betreffen, und andere, welche sich auf die
Autorität der gewichtigsten Schriftsteller und den beständigen Ge-
brauch der Katholiken stützen. Solche Censuren können nicht ohne
Schaden für die katholische Eeligion ohne gebührende Eüge und
Verdammung von Seiten der Kirche bleiben. Um dem Aergemisse
entgegenzuwirken, welches daraus für die Katholiken entstehen kann,
verdammen Wir, — nachdem gelehrte und hervorragende Magister
und Professoren der h. Theologie und Uualificatoren der Congrega-
tionen des apost. Stuhles, die Wir speciell dazu deputirt, wie die
Wichtigkeit der Sache verlangte, darüber berathen, und nachdem
Wir die Vota der Cardinäle der Inquisition angehört, — aus eige-
nem Antriebe und sicherer Wissenschaft und kraft der Fülle Unse-
1) Im Index s. v. Censura wird das Acteustück als Breve, s. v.
BuUarium als Bulle bezeichnet.
556 Gallicanische Goutroverse unter Alexander VII.
rer apost. Gewalt die besagten Censuren als anmassend, temerär
und ärgernissgebend, erklären sie für null und nichtig und be-
fehlen, dass sie niemand billigen oder vertheidigen oder in Büchern
oder Schriftstücken allegiren soll, bei Strafe der reservirten Ex-
comra. 1. sent. Bei der gleichen Strafe wird verboten, die besagten
Bücher und Censuren • zu drucken oder zu verkaufen. Alle Schrif-
ten, in welchen die Censuren irgendwie enthalten sind, gelobt oder
vertheidigt werden, werden verboten und sind den Bischöfen oder
an den Orten, wo das Amt der h. Inquisition ausgeübt wird, den
Inquisitoren abzuliefern, bei der gleichen Strafe. Die Bischöfe und
die Inquisitoren sollen, erstere auch als Delegirte des apost. Stuh-
les, gegen die Ungehorsamen mit Erklärung der Excommunication
und anderen geeigneten Strafen nach ihrem Ermessen vorgehen.
Das weitere Urtheil über die Censuren und die in den beiden cen-
surirten Büchern ausgesprochenen Meinungen bleibt dem apost. Stuhle
vorbehalten. — Demgemäss stehen beide Censuren der Sorbonne
noch heute unter Censura im Index.
Das Pariser Parlament verbot 29. Juli auf den Antrag von
Denis Talon, diese Bulle zu behalten, zu lesen oder zu veröffent-
lichen, bestätigte die Censuren der Facultät und forderte sie auf,
auch in Zukunft vorkommenden Falls ihr Censnrrecht auszuüben
(Arg. III a 125). Eine noch im ,1. 1665 zu Paris erschienene ano-
nyme Schrift (von Noel de Lalane, Dr. Sorb. f 1673): Recit
de ce qui s'est pass^ au parlament au sujet de la Bulle de N. S. P.
le P. Alexandre VII. contre les censures de Sorbonne, wurde durch
ein specielles Decret der Inq. Per. V. 15. Juli 1666 (Alex. No. 90)
verdammt, weil sie voll von Unrichtigkeiten und Irrthümern sei,
der Verfasser alles nach seinem Sinne zurechtlege (omnia suo ca-
pite componere) und die Schrift irrige, ärgemissgebende und für
den Papst und die Autorität des h. Stuhles injuriöse Sätze enthalte.
Die Bulle und die Beschlüsse der Sorbonne und des Parla-
ments gaben zu diplomatischen Verhandlungen zwischen der fran-
zösischen Regierung und der Curie Veranlassung, welche im Auf-
trage der erstem von dem Card, de Retz geführt wurden und über
welche R. Chantelauze, Le Card, de Retz et ses missions diploma-
tiques ä Rome, Paris 1879, p. 213 ausführlich berichtet. Card.
Pallavicini, der Beichtvater des Papstes, behauptete, die Ansicht von
der Unfehlbarkeit des Papstes werde von dem h. Stuhle und von
allen Universitäten mit Ausnahme der Pariser als so sicher ange-
sehen, dass die entgegengesetzte Ansicht als temerär und ketzerisch
bezeichnet werden dürfe. Card. Albizzi, der die Bulle verfasst
hatte, — der Nuncius in Paris sagte sogar, die Bulle sei von der
Inquisition ausgegangen, der Papst habe dieselbe gar nicht gelesen
(p. 266. 286), — meinte dagegen, man verlange in Rom nur, dass die
Ansicht von der Unfehlbarkeit nicht als ketzerisch bezeichnet werde,
nicht, dass man dieselbe in Frankreich als Glaubenssatz anerkenne.
Der Papst selbst war geneigt, seine Bulle in diesem Sinne zu in-
terpretiren, wenn die Sorbonne wie Card. Retz erkläre, [dass sie
nicht gegen die Lehre von der Unfehlbarkeit selbst, sondern nur
BoBsuets Exposition. 557
gegen die Yerketzerung ihrer eigenen Lehre habe protestiren wollen
(p. 304). Die Verhandlungen blieben aber schliesslich ohne Ergeb-
niss (p. 357. 369).
In dem 1673 erschienenen 5. Bande der Lyoner Ausgabe des
Bullarium Eomanum wurde die Bulle weggelassen. Die Index-
Congr. erklärte darauf 25. Jan. 1684: der Band sei verboten, donec
in ea ponatur Bulla Alexandri VII. data 7. Kai. Jul. 1665 . . .
prout est in Bullario £om. edito Eomae 1672. — Nicht verb. ist:
Recueil de diverses pi^ces concernant les censures de la Fac. de
Th. de Paris sur la hierarohie de l'Egl. et sur la morale chr6tienne,
avec des remarques sur le 18. tome des Annales d*0dericu8
Raynaldus, Münster (?) 1666, 12. Als Herausgeber wird J. Boi-
leau bezeichnet; jedenfalls sind von ihm die in der Sammlung stehen-
den Consid6rations respectueuses sur le bref d^Alexandre VII. con-
tre les censures etc. Die auch in dieser Sammlung stehenden He-
marques sur la nouvelle bulle du Pape faite contre les censures de
Sorbonne sind nicht von Nicole, sondern von Arnauld (10, 740
vgl. p. XL VIII). Er sagt u. a. : La nouvelle bulle est peut-dtre
la plus monstrueuse et la plus etonnante que Ton ait jamais vue
dans TEgl. cath. — Dass die Schrift nicht verboten wurde, ist um
so auffallender, als die Cardinäle der Inquisition sie recht wohl
kannten und „sehr gewürzt'^ (assai aromatico) fanden (Chantelauze
p. 365. 368). — Auch eine von Edmond Imbert 9. Oct. 1665 in
der Sorbonne vertheidigte These, die in Eom denuncirt worden war
und welche während der Unterhandlungen mit Retz von der In-
quisition geprüft wurde (Chantelauze p. 325), ist nicht in den Index
gekommen.
3. Bossuet sagt in seiner Exposition u. a. : „19. Durch die
Art und Weise, wie der erste Streit in der Zeit der Apostel ent-
schieden wurde (Apg. 15, 6 ff.), haben diese allen folgenden Jahr-
hunderten gezeigt, durch welche Autorität alle anderen Streitigkeiten
beendigt werden müssen. Wenn also Streitigkeiten entstehen, welche
die Gläubigen entzweien, wird die Kirche mit ihrer Autorität da-
zwischen treten und ihre versammelten Hirten werden wie die Apostel
sagen: Es hat dem h. Geiste und uns gefallen. — 21. Da der Sohn
Crottes wollte, dass seine Kirche Eine und fest auf der Einheit auf-
gebaut sei, hat er den Primat des h. Petrus eingesetzt, um diese
Hoheit zu erhalten und zu befestigen. Darum erkennen wir diesen
IPrimat in den Nachfolgern des Apostelfürsten an, denen aus diesem
brande die Unterwerfung und der Gehorsam gebühren, welche die
li. Concilien und die h. Väter immer alle Gläubigen gelehrt haben.
"Was die Dinge betrifft, von denen man weiss, dass in den Schulen
darüber disputirt wird, so ist es, obschon die Prediger nicht auf-
liören sie anzuführen, um jene Gewalt gehässig zu machen, nicht
^öthig hier davon zu reden, da sie nicht zum kath. Glauben ge-
lieren. Es genügt, ein Oberhaupt anzuerkennen, welches Gott ge-
setzt, um die ganze Heerde auf seinen Wegen zu leiten, was die-
jenigen immer gern thuen werden, welche die Eintracht der Brüder
xind die kirchliche Einmüthigkeit lieben."
558 Gallicanische Controverse unter Alexander VTl.
Die Exposition erschien zuerst Ende 1671 mit Approbationen
von elf französischen Bischöfen, dann bald in vielen Ausgaben und
Uebersetzungen. Von Rom aus schrieb schon 19. Jan. 1672 Card.
Bona an Card. Bouillon: ,Jch habe das Buch mit besonderer Auf-
merksamkeit gelesen, und da Sie mir andeuten, dass einige etwas
daran auszusetzen fänden, so habe ich besonders darauf geachtet,
was e^wa getadelt werden könnte. Aber ich weiss nichts darin zn
finden, was nicht das grösste Lob verdiente," und 5. April 1672
Card. Sigismund Chigi an A. de Dangeau: „Ich habe mit dem Mag.
S. Pal. und dem Secretär der Index-Congr. geredet und von ihnen
gehört, dass niemand mit ihnen ungünstig über das Buch gesprochen ;
sie sind selbst voll Achtung vor demselben. Ich habe anch mit
den Cardinälen der Congregation geredet und u. a. Card. Brancaccio
sehr geneigt gefunden, das Buch zu schätzen und den Verfasser zu
loben . . . Von der Autorität des Papstes spricht er gut und mit
dem gebührenden Respect vor dem Römischen Stuhle jedesmal, wenn
er von dem sichtbaren Oberhaupte der Kirche redet." Der Mag.
S. Pal., Hyacinth Libelli, schrieb 26. April 1672 an Card. Chigi:
„Die Lehre des Buches ist ganz gesund , es ist nichts daran auszu-
setzen (ne v*ha ombra di mancamento), und ich weiss nicht, was
man dagegen vorbringen könnte. Wenn das Buch in Rom nachge-
druckt werden soll, werde ich die Druckerlaubniss ertheilen, ohne
dass ein Wort geändert wird.** Auch Libelli's Nachfolger Capisucco
lobte das Buch in einem Briefe an Bossuet vom 20. Mai 1675. Im
J. 1678 erschien eine im Auftrage des Card. Chigi von dem Herans-
geber des Giomale de' letterati, Nazari, mit Hülfe des Dr. Dirois,
eines Begleiters des Card. d'Estrees, angefertigte italienische Ueber-
setzung zu Rom mit den dort vorgeschriebenen Approbationen, der
Congregation der Propaganda gewidmet und in ihrer Druckerei ge-
druckt. Schon 1675 war in Rom eine irische üebersetzung von
dem Minoriten Franc. Porter gedruckt worden. Innocenz XI., dem
die italienische und die lateinische Üebersetzung (von A. Flcury)
überreicht worden war, Hess Bossuet durch den Abb6 de Saint Luc
seine Zufriedenheit aussprechen. Bossuet dankte dem Papste 22. Nov.
1678 und erhielt dann ein Breve vom 4. Jan. 1679, worin der Papst
sagt, das Buch verdiene nicht nur von ihm gelobt, sondern von
allen gelesen und geschätzt zu werden. Der Ausgabe von 1679
fügte Bossuet ein Avertissement bei, worin er u. a. der Einwen-
dung der Protestanten gegenüber: in Frankreich habe man besondere
Ansichten, die sich den ihrigen mehr annäherten als die im übrigen
Europa und namentlich in Rom herrschenden, sich auf die Schreiben
von Bona, Chigi u. s. w. beruft. Dieses Avertissement übersandte er
dem Papste und erhielt darauf ein zweites Breve vom 12. Juli 1679,
worin es heisst: „Wir bestätigen das reichliche Lob, welches Wir
dir für dein vortreffliches Werk mit Recht gespendet haben" ^).
1) Die hier angeführten Actenstücke stehen in den späteren Aus-
gaben der Exposition, z. H. in der 12. Ed., Par. 1686*. Vgl. Oeuvrefi
37, 89. Recueil des actes du Clerg^ 1, 123.
L. Thoraassin. 669
Bossuet berief sich später in seiner Vertheidigung der galli-
canisohen Artikel auf diese RömiHche Approbation seines Buches
(31, 188; 33, 637). Innocenz XI. äusserte allerdings im J. 1683
dem französischen Gesandten gegenüber, der ihn während der durch
die Declaration von 1682 entstandenen Misshelligkeiten an das Breve
erinnerte: questo e scappato (Michaud 4, 48). — üeber die Gegen-
schriften von La Bastide und Jurien s. S. 131.
4. Als um 1660 die Superioren der Orato rianer bei dem Pa-
riser Nuncius ihre Congregation gegen den Verdacht verwahrten,
als sei sie den (Jansenistischen) Neuerungen hold, wurde ihnen ge-
antwortet, das beste Mittel de detromper le Pape werde die Ver-
öfPentlichnng eines Buches sein, welches dem Papste gefallen könne.
Darauf wurde 1662 Louis Thomassin (1619 — 95; R. Simon nennt ihn
un homme tres-laborieux, mais qui m^ditait peu) beauftragt, etwas
der Art zu schreiben. Er schrieb einen Quartband: Dissertationum
in concilia generalia et provincialia Tom. I. Das Buch erregte aber
in Paris Anstoss und der General-Procurator de Harlay verbot, an-
geblich in Folge einer Denunciation des Dr. Faure, den Verkauf,
und gestattete ihn auch nicht, nachdem zu 36 Seiten Cartons ge-
druckt und eine neue Vorrede beigefügt worden. Erst später ge-
langte es in die Oeffentlichkeit ^). — Ein späteres Werk von Thom.,
Ancienne et nouvelle discipline de l'Eglise touchant les ben^fices et
les b^näficiers, 1678, gefiel Innocenz XI. so, dass er ihn 1686 zum
Cardinal machen wollte und ihn aufforderte, eine lateinische Be-
arbeitung herauszugeben, die 1688 erschien. Einige Römische Theo-
logen fanden aber auch in diesem Buche Gallicanismen. Card. Casa-
nate schickte Thom. eine scharfe Censur eines Römischen Theologen.
Thom. schickte dem Cardinal eine Replik, erhielt von diesem eine
Dnplik und Hess in den folgenden Ausgaben seine Replik und eine
^Entgegnung auf die Duplik abdrucken (in der Mainzer Ausgabe
^on 1787 I p. XXI). Er sagt: während ihm der Römische Theologe
vorwerfe, dass er dem h. Stuhle zu wenig einräume, sage man in
Prankreich, er räume ihm zu viel ein; er glaube die goldene Mi ttel-
««trasse eingehalten zu haben.
1) Sein Ordensgenosse R. Simon erzählt die Geschichte ausführlich,
Xettres 1, 197. 201, zunächst 1665: die Gens du Roi hätten auf eine Con-
^scation verzichtet und gestattet, dass die Exemplare in einem Zimmer,
^a dem sie allein den Schlüssel gehabt, aufbewahrt würden, dann 1694:
^or einigen Jahren hätten die Oratorianer den Schlüssel erhalten und
ciarauf sei das Buch ohne Genehmigung des General-Procurators und des
^irzbischofs verkauft worden; die Oratorianer hätten die Schuld auf den
Bibliothekar Bordes geschoben, und dieser habe gesagt, er habe gemeint,
cla« Buch, werde jetzt keinen Anstoss mehr erregen, und er habe Exem-
plare verkauft, um für den Erlös andere Bucher anzuschaffen; die wenigen
Yioch nicht verkauften Exemplare seien auf Befehl des Erzbischofs wieder
^''erschlossen worden.
560 Streit über das Regalienrecht.
59. Der Streit über das Regalienrecht, 1677—82.
Die von Ludwig XIV. im J. 1673 verfügte Aasdehnung des
sog. Kegalienrechtes auf alle französischen Diöcesen wurde
der Anlass zu einem heftigen Conflicte mit Innocenz XL, der
bis 1682 dauerte, dann aber durch die vier gallicanisehen Ar-
tikel (§ 60) in den Hintergrund gedrängt wurde. Während de«
Streites kam nur eine anonyme Schrift des Jesuiten Rapin in
den Index. Aber 1710 wurde ein Buch über das Regalienrecht
von Audoul durch ein Breve Clemens' XI. verboten, und als
dieses Breve von dem Parlamente zurückgewiesen wurde, ver-
bot die Inquisition 1712 auch das ArrSt du Parlement. Das-
selbe Schicksal hatte schon 1680 ein anderes Arret gegen ein
Breve über eine Angelegenheit von ganz untergeordneter Be-
deutung gehabt.
1. Unter Regalienrecht (la rigale) verstand man die von den
französischen Königen seit langer Zeit geübte Befugniss, von dem
Augenblicke der Erledigung eines Bisthums nicht nur bis zur Er-
nennung oder Einsetzung des neuen Bischofs, sondern bis dieser
seinen Treueid in der Rechnungskammer zu Paris hatte einregistriren
lassen und von dieser gegen Entrichtung einer Geldsumme die Frei-
gebung seiner Einkünfte erlangt hatte, die Einkünfte des Bisthums
zu beziehen und alle Beneficien mit Ausnahme der Pfarreien pleno
jure, d. h. mit derselben Wirkung, als ob sie der Bischof vergeben
hätte, zu vergeben. Schon 1637 that Ludwig XIII. Schritte, das Re-
galienrecht auch auf die Diöcesen auszudehnen, für weiche es noch
nicht bestand (Racine 10, 412). Ludwig XIV. dehnte es durch ein
Edict vom 10. Febr. 1673 auf alle Diöcesen aus^). Die einzigen
Bischöfe, welche offen dagegen opponirten, waren Nicolas Pavillon
von Aleth und Fr. Etienne Caulet von Pamiers. Sie brachten die
Sache 1677 an den Papst. Pavillon starb schon 8. Dec. 1677, 80
Jahre alt, Caulet 7. Aug. 1680, nachdem im J. 1679 seine Ein-
künfte sequestrirt worden waren. Der Streit dauerte in der Diöcese
Pamiers noch einige Zeit fort, weil die von Caulet ernannten Dom-
herren Capitularvicare wählten, welche die Opposition fortsetzten,
und der Papst dem von dem Könige ernannten neuen Bischof Bourle-
mont die Bestätigung verweigerte. — Caulets Generalvioar Antoine
Charlas musste 1679 fliehen und ging nach Rom. Abbe dja Yaucel,
Theologal von Aleth, wurde 1677 nach St. Pour<;;ain verbannt, ging
1) G. J. Phillips, Das Regalienrecht in Frankreich, 1873, S. 259.
Michaud 3, 340. Abrege du Recueil des actes du Clerge, 1764, p. 1404.
streit über das Regcalienreht. 561
1681 zu Arnauld und lebte 1682 — 1702 zu Rom unter dem Namen
Valloni (f 1715 zu Maestrich t). Beide schrieben gegen das Rega-
lienrecht ^) und spielten in den Streitigkeiten der nächsten Decennien
eine Rolle, Cbarlas als Ultramontaner, du Yaucel als Jansenist.
Innocenz XI. richtete in dieser Sache nach einander drei Breven
an den König, andere an den Erzbischof von Toulouse, der die Or-
donnanzen seines Suffraganen von Pamiers cassirt hatte, an den in
Pamiers gewählten Capitularvicar u. s. w. Er unterlag in diesem
Streite. Schon 1680 Hess nach der Beendigung der Assembl^e du
Clerg6 der Erzbischof Harlay einen zustimmenden Brief an den
König unterzeichnen; auch eine im März 1681 nach Paris berufene
Versammlung von Bischöfen sprach sich zu Gunsten der königlichen
Ansprüche aus. Das Protocoll dieser Versammlung wurde der In-
quisition überwiesen und der belgische Augustiner van Heck mit
dem Referat darüber beauftragt; aber Card. d^Estr^es setzte durch,
dass man die Sache fallen lies (Michaud 3, 493). Die im October
1681 zusammengetretene Assembl^e du Clerg^ erklärte sich 11. Dec.
mit der Ausdehnung des Regalienrechtes auf alle französischen DiÖ-
cesen einverstanden, mit dem Vorbehalt, dass die von dem Könige
ernannten Beneficiaten, wenn mit ihren ßeneficien Seelsorge oder
Jurisdiction verbunden sei, sich von den Capitularvicaren die cano-
uische Institution geben lassen müssten. Dieses wurde von dem
Könige im Jan. 1681 genehmigt. Die Assembl^e richtete darauf
unter dem 3. Febr. ein langes Schreiben an den Papst und bat ihn,
nunmehr nachzugeben. Innocenz XI. antwortete mit einem Breve
vom 11. April 1682, worin er erklärt: kraft der ihm von dem all-
mächtigen Gott übertragenen Autorität cassire er alles, was von der
Assembl^e bezüglich der Regalien beschlossen sei, und er erwarte
eine schleunige Retractation (Coli. Lac. 1, 821). Am 6. Mai 1682
protestirte darauf die Assembl^e gegen die über die Regalien erlas-
senen Breven vom 20. Oct. 1680 und 1. Jan. 1681 (und die Breven
an die Nonnen von Charonne, s. u.), soweit sie den Rechten der
gallicanischen Kirche zuwider seien, und diese Protestation wurde
dem Nuncius eingehändigt (Phillips S. 353). Das Breve vom 11.
April wurde der Assembl6e 9. Mai vorgelegt; Bossuet entwarf
eine Antwort, die aber nicht mehr zur Discussion kam, weil die
Sitzungen am 9. Mai von dem Könige suspendirt wurden und die
Assembl^e am 23. Juni geschlossen wurde (Phillips S. 371). Durch
die Declaration dieser Assembl^e vom 19. März 1682 wurde der
Streit über das Regalienrecht in den Hintergrund gedrängt, und die
Ausübung desselben wurde fortan von Rom aus, wo man, wie S.-
Beuve 5, 190 sagt, auf die Privilegien einiger französischen Bischöfe
keinen sonderlichen Werth legte, fortan geduldet.
2. Während Arnauld in diesem Streite auf Seiten des Papstes
stand, standen die Jesuiten, den königlichen Beichtvater La Chaise
1) Causa Regaliae. Auct. M. C. (Charlas), Leodii 1685 (gegen Nat.
Alexander).
Rensob, Index II. 36
562 Streit über das Regalienrecht.
an der Spitze, auf Seiten des Königs. Das hatte seinen Ghund
nicht in blosser Servilität, sondern wesentlich in dem Hasse g^g^T^
die Jansenisten, die sich seit dem Frieden Clemens' IX. (1669) wie-
der freier bewegen konnten nnd zu kirchlichen Aemtern gelangten;
— die Bischöfe von Aleth und Pamiers galten als eifrige Janse-
nisten. Dem wollte man dadurch entgegenwirken, dass die Be-
setzung möglichst vieler Stellen in die Hand des Königs bezw. des
P. La Chaise gebracht würde. Ueber die Rolle, welche die Jesuiten
in diesem Streite spielten, berichtet Crit.-Joly 4, 286 u. a. folgen-
des : „Innocenz XI. blieb nicht innerhalb der von der Klugheit vor-
geschriebenen Grenzen. Er erliess Breven, in denen la forme du
langage ne sert meme point de passe-port k la rudesse de la pensee.
Eins derselben vom 1. Jan. 1681 wurde von dem Pariser Parlament
(auf den Antrag des Generalprocurators Denis Talon) 31. März
unterdrückt. Der Papst befahl darauf dem Generalvicar des Jesui-
tenordens, Charles de Noyelle, den Provincialen zu Paris und Tou-
louse Abschriften des Breves mitzutheilen, mit dem Auftrage, sie
zu publiciren. Der Assessor S. Off. erhielt den Auftrag, über die
Antwort der Jesuiten zu berichten. Noyelle gehorchte; die franzö-
sischen Jesuiten aber ignorirten das Breve. Sie wurden vor die
Parlamente von Paris und Toulouse citirt; aber die Provinciale er-
schienen nicht und die Patres, die erschienen, redeten sich heraus.
. . . Später schleuderte Innocenz XI. in einem Anfall (acces) von
Zorn, der vielleicht gerechtfertigt war, ein Excommunicationsbreve
gegen Ludwig XIV. und gab es dem P. Dez mit, um es in Paris
zu publiciren. Dieser veröffentlichte aber das Breve nicht. Die
Pariser Jesuiten schrieben an den General, um die Vernichtung
dieses Breves zu verlangen, welches der Papst selbst zur Vergessen-
heit zu verdammen schien, da er es nicht in der gesetzlichen Form
publicirte. Der Papst erkannte schliesslich an, dass die Jesuiten
verständig gehandelt; diese Excommunication, von der sich zu Born
jede Spur verloren hat, hatte keine weiteren Folgen und diente nur
dazu, die Klugheit der Kinder Loyola's zu beweisen" ^).
Wenn Cr^t.-Joly übrigens sagt, von den Jesuiten habe nur
Maimbourg zu Gunsten des Königs geschrieben, so ist das unrichtig.
Die erste Schrift über den Regalienstreit, welche (1681) in den In-
dex kam, ist Epistola pro pacando super regaiiae negotio Snmmo
Pontifice Innocentio XI. ad Em. Card. Alderanum Cybo, pontificii
Status administratorem, 1680, und diese hat den damals sehr ein-
flussreichen P. Kene Rapin zum Verfasser, nicht den Abbi de Saint
Frimon, wie Querard 5, 1 1 95 meint. Backer verzeichnet sie unter
Rapins Schriften und sagt nur, die zu Köln (in Holland) 1684, also
nach dem Verbote erschienene französische Uebersetzung sei zu
schlecht, als dass sie von Rapin sein könne; sie ist aber ohne
Zweifel von den Jesuiten besorgt. Rapin spricht es ofPen aus, dass
das Regalienrecht den Vortheil habe, die Besetzung vieler Stellen
1) Vgl. Avr. 3, 197. Phillips S. 292. Michaiid 1, 270.
H. Kapin. I). Talon. G. Audoal u. a. 563
in die Hand des Königs zu bringen. „Der König, sagt er, war zn
dem, was er gethan, verpflichtet darch den bei seiner Krönung ab-
gelegten Eid, dass er die Religion schützen wolle; denn auf andere
Weise konnte er es nicht hindern, dass ein Bischof, der der Secte
von Port-Royal angehörte, Anhängern der Secte die Beneficien ver-
lieh" (Am. 35, 72).
Ein im Auftrage Ludwigs XIV. geschriebenes Werk, Disser-
tations sur Tautorite legitime des rois en mati^re de regale, par M.
L. V. M. d. R. (d. h. Le Vayer, Maitre de requetes, S. 370), Col.
(Paris) 1682, 12.^), kam erst in den Index (1703), als es unter
dem Namen Denys Talon 's und unter dem Titel Traitö de Tauto-
rite des rois touchant l'administration de TEgl. gallicane, Amst.
(Paris) 1700, 8. (und Ronen 1700, 12.) nochmals erschien. (Es
erschien nochmals unter Talons Namen, Londres [Paris] 1754, 2 vol.
12. ; beiden Ausgaben ist Omer Talons Plaidoyer über das Arret du
Parlement du 23. Janv. 1688 sur la bulle d'Innocent XI. touchant
la franchise beigedruckt). Auch das 1737 verbotene Buch: Trait6
des bornes de la puissance ecclesiastique et de la pnissance civile,
avec un sommaire chronol. des entreprises des papes pour ^tendre
la puissance spirituelle, par un conseiller de grande chambre (Del-
pech de M^rinville), Amst. 1734, ist im wesentlichen ein Abdruck
von Le Vayers Werk (Schulte 3, 1, 616. Haur^au, Hist. litt, du
Maine 4, 34).
Eine ausführliche geschichtliche Yertheidigung des Regalien-
rechtes, Trait^ de Torigine de la Regale et des causes des son Eta-
blissement. Par M. Gaspard Audoul, Avocat au Parlement et aux
Conseils du Roi et de Mgr. le Duc d'Orleans, Par. 1708, 4., wurde
durch ein Breve Clemens' XI. vom 18. Jan. 1710 (Bull. 12, 480)
verb. Der Verfasser, heisst es darin, dehne das Regalienrecht nicht
allein auf diejenigen Diöcesen aus, die zur Zeit der auf dem 2.
Lyoner Concil erlassenen Constitution davon frei gewesen, sondern
behaupte auch, das allgemeine Regalienrecht, welches Innocenz XI.
als allem göttlichen und menschlichen Rechte widersprechend ange-
sehen, sei von dessen Nachfolgern als der Gerechtigkeit entsprechend
anerkannt worden. Die mit der Prüfung des Buches beauftragten
Cardinäle und Theologen hätten gefunden, dass dasselbe ausserdem
viele Sätze enthalte, welche resp. augenscheinlich falsch, der durch
Gottes Anordnung und die canonischen Satzungen begründeten kirch-
lichen Immunität zuwider, gottlos, temerär, irrig, ja nach Ketzerei
schmeckend seien. Demgemäss werde das Buch kraft apostolischer
Autorität bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent. verboten; die
Exemplare desselben seien an die Bischöfe oder Inquisitoren abzu-
liefern und von diesen zu verbrennen u. s. w. — Dieses Breve und
ein zweites von demselben Datum gegen den Bischof von St. Pens
(§ 67) wurden von dem Pariser Parlamente 1. April 1710 zurück-
gewiesen. Das Arret de la cour du Parlement sur deux imprimez
1) Pressense, 1/egl. et la revolution fran^aise, 1864, p. 74.
564 Streit über das Regalien recht.
en forme de brefs du Pape du 18. Janv. 1710 . . . wurde dann
22. Juni 1712 von der Inq. verb. — Die scharfe Verdammung des
Buches von Audoul ist um so auffallender, als nicht nur d'Agnes-
seau (18, 306) davon sagt: der dicke Band sei eher geeignet,
Zweifel an der Gerechtigkeit des Regalienrechtes zu erwecken als
sie zu beweisen, sondern auch das Gutachten, welches der gelehrte
(von Pius VII. 1803 selig gesprochene) Theatiner Joseph Maria
Thomasius im Juli 1708 darüber abgegeben hatte (Opp., Rom 1754,
7, 155), gar nicht so scharf lautet. Der Verfasser, sagt er, sei ein
Feind der Ketzer und erkenne den Primat und die Gewalt der
Kirche, Beneficien zu verleihen, an und habe sein Buch geschrieben,
um Rom zu bewegen, nicht den Feinden Frankreichs zu glauben.
In der Widmung an den König würden Bibelstellen zu Schmeiche-
leien missbraucht; auch in dem Buche selbst sei einiges za tadeln:
von Bonifaz VIII., Innocenz XL, Card. Baronius und den Gegnern
des Regalienrechtes werde in verletzenden Ausdrücken gesprochen;
für den König von Frankreich werde das Recht beansprucht, dem
Missbrauche der kirchlichen Gewalt entgegenzatreten, Nationalcon-
cilien zu berufen, Reglements über die äussere Kirchendisciplin za
erlassen u. s. w. Auch sei bedenklich, dass das Buch französisch
geschrieben sei. Das Merkwürdigste in dem Gutachten ist der
Schluss: Dicerem prohibendum esse librum, nisi me retardaret nova
praeceptorum et censurarum obligatio, ex qua paulatim in contemtnm
veniant censurae multiplicatae crescatque in immensum jugum prae-
ceptorum huroanorum. Er sei also dafür, das Buch zu verdammen,
aber nicht das Lesen desselben zu verbieten, wie es das 4. Laie-
ranconcil mit dem Buche des Abtes Joachim gehalten (I S. 18).
3. Im J. 1677 ernannte Ludwig XIV. zur Äbtissin des 1643
von der Herzogin von Orleans gegründeten Klosters Charonne im
Faubourg St. Antoine Maiie Ang^lique Le Maftre de Grandchamp.
Sie war eine Gistercien serin, während die Nonnen der Congregation
des Pierre Fourier angehörten ; ihre Ernennung wurde aber von dem
Erzbischof von Paris durch die Erklärung motivirt, dass in der
Congregation selbst keine Nonne vorhanden sei, die geeignet wäre,
das geistig und materiell heruntergekommene Kloster wieder zu
heben. Die Nonnen protestirten und beanspruchten das Wahlrecht.
Der Erzbischof installirte aber 8. Nov. 1679 die neue Äbtissin und
schickte 12. Dec. vier der lautesten Opponentinnen nach Lothringen
zurück, unter dem Vorgeben, sie hätten während des Krieges ver-
dächtige Correspondenzen unterhalten und das Kloster habe kaum
für die Einheimischen genug. Die Nonnen wandten sich an Inno-
cenz XL, und dieser cassirte in einem Breve vom 7. Aug. 1680 die
Ernennung der Grandchamp und wies die Nonnen an, eine Äbtissin
zu wählen. Ein Arret du Conseil, welches die Wahl verbot, kam
erst an, als Catherine Ang^lique L^v^que bereits gewählt war. Das
Parlament erklärte 24. Sept. die Wahl für nichtig, der Papst aber
bestätigte sie durch ein Breve vom 15. Oct. und fügte, da sie nicht
vorschriftsmässig vorgenommen war, die Erklärung bei, er sanire
sie a quocuiique defectu, etiam substantiali. Das Parlament wies
, Die gallioanischen Artikel von 16d2. 565
dieses Breve 4. Dec. zurück. Mittlerweile war der Parlamentsbe-
schluBS vom 24. Sept. in Rom angekommen; am 18. Dec. erschien
ein neues Breve, worin der Papst bei Strafe der reservirten Excomm.
1. sent. verbot, gedruckte oder geschriebene Exemplare des Arr6t
de la cour du parlement sur un bref du mois d^Aoüt 1680, du 24.
Sept. 1G80, zu lesen oder zu behalten, und befahl, dieselben an die
Bischöfe oder Inquisitoren zum Verbrennen abzuliefern. Das Par-
lament unterdrückte auch dieses Breve 29. Jan. 1681 , nachdem es
14. Jan. das Kloster, um die Gläubiger desselben zuMeden zu
stellen, mit Genehmigung des Erzbischofs aufgehoben. Die 19
Nonnen wurden in andere Klöster vertheilt. Auch die Assembl^e
du Clerg^ protestirte 1682 gegen dieses Breve (S. 561). Es war in
Rom die Rede davon , dass der Papst ein weiteres Breve erlassen
wolle; es geschah aber nicht ^). — Das Arröt vom 24. Sept. 1680
ist das erste, welches seit dem ArrSt vom J. 1594 (S. 284) in den
Index kam.
Um eine ähnliche Angelegenheit wird es sich handeln bei
Olivier Patru, Plaidoyer pour dame Ciaire Charlotte de Rotondis
de Biscaras, nomm^e par le Roy k Tabbaye de S. Jean Baptiste
de Moncel, verb. 1678.
60. Die gallicanischen Artikel Yon 1682.
Die Assemblöe du Glerg^ von 1682 erkannte nicht nur
die Ausdehnung des Regalienrecbtes an, sondern erliess auch
19. März 1682 die bekannte Declaration:
1. Dem Papste ist von Gott keine Gewalt über bürgerliche
und weltliche Dinge übertragen. Die Könige und Fürsten sind in
weltlichen Dingen keiner kirchlichen Gewalt unterworfen und sie
können nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direct oder in-
direct abgesetzt oder ihre Unterthanen von Treue und Gehorsam
und von dem Treueide entbunden werden. — 2. Der Papst hat die
volle Gewalt in geistlichen Dingen in der Weise, dass die Be-
schlüsse der 4. und 5. Sitzung des Constanzer Concils in Kraft
bleiben; die französische Kirche erkennt nicht an, dass diese von
zweifelhafter Autorität oder nur für die Zeit des Schismas erlassen
seien. — 3. Der Gebrauch der apostolischen Gewalt ist durch die
Canones zu normiren (moderandum); auch die von der franzöischen
Monarchie und Kirche recipirten Regeln, Gewohnheiten und Ein-
richtungen sind in Kraft. — 4. Auch in Glaubensfragen kommt
dem Papste eine hervorragende Bedeutung zu (praecipuas Summi
Poutificis esse partes) und gehen seine Decrete alle und jegliche
1) Avr. 3, löO. Phillips S. 289. 360. Michaud 3, 330.
566 Die gallicanischen Artikel von 1682. •
Kirchen an; sein Urtheil ist aber nicht irreformabel, wenn nicht die
Zustimmung der Kirche hinzugekommen ist.
Die Declaration wurde durch ein am 23. März 1682 vom
Parlamente einregistrirtes Edict Ludwigs XIV. bestätigt. — Man
dachte in Rom daran, die Declaration durch eine Bulle zu ver-
dammen; — eine Qualification der vier Artikel war schon ent-
worfen : der 2. wurde als temerär und irrig, der 4. als sich der
Ketzerei annähernd bezeichnet; — indess weder Innocenz XI.
noch einer seiner Nachfolger hat vor dem Jahre 1870 eine solche
Bulle erlassen. Aber ein Breve Alexanders VIII. vom J. 1691
erklärte die Beschlüsse der Versammlung von 1682 sammt den
auf Grund derselben erlassenen Edicten fUr null und nichtig,
und in indirecter Weise gaben auch sonst vielfach die Päpste
ihre Missbilligung des Inhaltes der Declaration zu erkennen,
namentlich durch das Verbot von Bttchern, in welchen derselbe
vertheidigt wurde. Durch besondere Breven Innocenz' XL
wurden verboten Bttcher von Natalis Alexander (1684), Maim-
bourg (1685), Dupin (1688), von der Inquisition bezw. Index-
Congregation Schriften von dem Bischof Ghoiseul von Tour-
nay, Borjon, Claude Fleury, Fevret, Amauld u. a. Als 1730
Bossuets Vertheidigung der Declaration von 1682 erschien, dachte
man daran, das Buch zu verbieten, unterliess es aber aus Zweck-
mässigkeitsgründen.
1. Mitglieder der Assembl^e du Clerge waren je zwei Bi-
schöfe und je zwei Priester aus jeder der 17 Kirchenprovinzen ^). Die
Declaration war von Bossuet verfasst. Sie wurde von der Assem-
hlie mit einem Begleitschreiben vom 19. März allen französischen
Bischöfen übersandt. — In dem Ediete Ludwigs XIV. vom 23. März
1682 wird u. a. verordnet: 1. Es darf niemand etwas dieser Lehre
Widersprechendes lehren. 2. Die Lehrer der Theologie an der
Universität müssen die Declaration unterschreiben. 3. In allen
Collegien der Universität muss die Lehre der Declaration alljährlich
bezw. alle drei Jahre einmal vorgetragen werden. 4. Bei allen
, Promotionen in der Theologie oder im Kirchenrechte ist in einer
These diese Lehre zu verth eidigen. — In einem Schreiben an Inno-
cenz XI. vom 4. Mai 1682 bat die Assembl^e, ohne die vier Ar-
tikel ausdrücklich zu erwähnen, den Papst, nicht zu dulden, dass das
verletzt oder beeinträchtigt werde (convelli aut minui), was die
französische Kirche auf Grund der Gewohnheit und eines alten Be-
1) Phillips, Regalienrecht 8. 327. Michaud, 4, 67. Coli. Laa 1. 793.
Die gallioanisohen Artikel von 1682. 667
sitzstandes vertheidige, die ürtheile der Bischöfe, die Jurisdiction
der Metropoliten und Bischöfe, die Rechte des Reiches, die Frei-
heiten der Kirchen.
Innocenz XI. verweigerte allen Theilnehmern der Versammlung
von 1682, die von dem Könige zu Bischöfen ernannt wurden, die
BestätigungshuUen ; der König nahm seinerseits die Bestätigungs-
bullen für andere Bischöfe nicht an, so lange sie nicht auch jenen
bewilligt würden. So waren, als Innocenz XI. 12. Aug. 1689
starb, 35 Diöcesen ohne Bischöfe; sie wurden aber von den er-
nannten als Capitularvicaren verwaltet.
Die Spannung zwischen der französiscben Regierung und der
Curie wurde noch vergrössert, als Innocenz XI. durch eine Bulle
vom 7. Mai 1687 das Asylrecht für die Quartiere der fremden Ge-
sandten in Rom (les franchises) aufhob und im Verlaufe des da-
rüber entstandenen Streites den französischen Gesandten Marquis de
Lavardin excommunicirte und auf die Kirche St. Louis in Rom das
Interdict legte. Das Pariser Parlament erklärte 23. Jan. 1688
auf den Antrag des Generalprocurators Talon diese Massregeln für
null und nichtig und appellirte an ein allgemeines Concil. Ludwig XIV.
Hess im Sept. Avignon und Venaissin besetzen und den Nuncius
in seinem Hause bewachen. — Innocenz XI. Hess Sätze aus dem
ParlamentsbeschluBse, dem Plaidoyer Talons und der Erklärung La-
vardins qualificiren, und eine besondere Congregation von 7 Car-
dinälen erklärte nach Anhörung der Qualificatoren eine Reihe von
Sätzen aus den drei Actenstücken für falsch, . . . für fromme Ohren
verletzend, gegen den Papst injuriös und beschimpfend. Der Plan,
eine Bulle darüber zu erlassen, kam aber nicht zur Ausführung^).
Dem Nachfolger Innocenz' XL, Alexander VIII., der 6. Oct.
1689 gewählt wurde, gab Ludwig XIV. Avignon und Venaissin zu-
rück ; auch verzichtete er auf die Franchises. Bezüglich der De-
claration einigte man sich dahin, der König solle dem Papste er-
klären, dass er sein Edict vom 23. März 1682 nicht aufrecht er-
halte, und die von ihm ernannten Bischöfe zu der Erklärung anhalten,
sie hätten nicht beabsichtigt, etwas zu definiren, was dem h. Stuhle
missfällig sein könne. Während man aber über die Fassung dieser
Erklärungen verhandelte, Hess der Papst 4. Aug. 1690 durch den
Cardinal Albani ein Breve entwerfen, worin er „nach Anhörung
mehrerer mit der Prüfung dieser Angelegenheit speciell beauftragter
Cardinäle, Theologen und Canonisten aus eigenem Antriebe . . . und
kraft der Fülle seiner apostolischen Gewalt alles und jegliches,
was bezüglich der Ausdehnung des Regalienreohtes und der Decla-
ration über die kirchliche Gewalt und der in dieser Declaration
enthaltenen vier Sätze auf der Versammlung vom J. 1682 verhan-
delt und beschlossen worden, sammt allen und jeglichen Edicten
und Beschlüssen (arrestis), die von irgendwelchen Personen darüber
veröffentlicht worden, für ipso jure null und nichtig erklärt.** Das
1) A. J. P. 11, 319. Michaud 3, 8. 58. 71; 4, 273.
568 Die gallicanischen Artikel von 1682.
Breve wurde aber vorerst nicht publicirt. Erst am 31. Jan. 1691,
am Tage vor seinem Tode Hess der Papst es den zwölf in Kom
anwesenden Cardinälen vorlesen und befahl die Veröffentlichung.
Unter dem 30. Jan. richtete er ein entsprechendes Breve an den
König. (Am 7. Dec. 1690 hatte die Inq. einen gallicanischen Satz
verdammt; S. 516.) Der König verbot dem Parlamente, von dem
Breve vom 4. Aug. 1690 Notiz zu nehmen, und liess unter Inno-
cenz XII., der erst 5 Monate nach dem Tode seines Vorgängers,
12- Juli gewählt wurde, weiter verhandeln. 1693 kam es endlich,
nachdem über die Fassung der betreffenden Schriftstücke vielfach
hin und her verhandelt worden (Phillips S. 383. 390. Michaud
4, 132), zu einem Ausgleich. Ludwig XIV. schrieb 14. Sept. an
den Papst: er habe die nöthigen Befehle ertheilt, dass die Bestim-
mungen seines Edictes vom 22. März 1682, zu denen er durch die
damaligen Verhältnisse genöthigt worden sei, nicht mehr beobachtet
würden, und die betreffenden Bischöfe schrieben an den Papst: sie
bedauerten, was auf der Versammlung von 1 682 geschehen sei und
sähen das, was als auf derselben bezüglich der kirchlichen Gewalt
und der päpstlichen Autorität beschlossen hätte angesehen werden
können (decretum censeri potuit), als nicht beschlossen an, — wo-
rauf sie ihre Bullen erhielten (Phillips S. 428. 434).
Mit diesen diplomatischen Erklärungen wurden aber nicht die
der Declaration zu Grunde liegenden Anschauungen aufgegeben (Phil-
lips S. 430). Das Edict vom 22. März 1682 war durch die Ein-
registrirung Gesetz geworden und wurde von dem Parlamente fort-
während als gültig angesehen, und auch die Curie wurde darüber
gar nicht im Unklaren gelassen, dass man jene Anschauungen nicht
aufgegeben. Als der Abb6 de Saint- Agnan 1718 zum Bischof von
Beauvais ernannt worden war, verweigerte Clemens XI. die Bestä-
tigung, weil derselbe 1705 in einer These die vier Artikel verthei-
digt, und verlangte vorher eine Retractation. Darauf schrieb Ludwig
XIV. dem Card, de la Tremoille 7. Juli 1713, mit dem Auftrage,
dieses dem Papste mitzutheilen : „Innocenz XII. hat, als ich die
unter Innocenz XI. begonnenen Streitigkeiten mit ihm ausglich, von
mir nicht verlangt, dass ich die durch die Declaration geheiligten
Grundsätze der französischen Kirche aufgeben solle; er wusste, dass
dieses Verlangen vergeblich sein würde^' (d'Aguesseau 13, 424).
Fin^lon schrieb in derselben Sache 12. Juli einen Brief an P. Dau-
benton, worin es heisst: „Abbä de Saint-Aignan, ein Bruder de«
Ministers Duc de Beauvilliers, ist sehr päpstlich gesinnt und in
Saint Sulpice erzogen. Die These hat er vertheidigen müssen, weil
der Kanzler einen Befehl des Königs erwirkt hatte und man sonst
den Abb6, das Seminar von St. Sulpice und andere gutgesinnte
Personen bei dem Könige verdächtigt haben würde. Aehnlich ist
es dem Neffen des Bischofs von Chartres (de Merinville) ergangen,
der 1709 zu dessen Nachfolger ernannt worden und dem der Papst
die Bullen nicht verweigert hat. (P. Timothie de la Flfeche schrieb
an Clemens XI.: „Sie haben schon mehr als 30 Bischöfe und Aebte
bestätigt, obschon sie dieselbe Lehre vorgetragen wie de Saint- Ag-
Die gallicaiiischeji ^Vrtikel von 1682. 569
nan, den die Jansenisten in Rom denuncirt haben, um Sie mit dem
Könige zu brouilliren".) Vor 1672 durfte an der Sorbonne die
eine oder die andere Ansicht vertheidigt, nur nicht die souveräne
Gewalt des Königs in weltlichen Dingen bestritten werden; Saint-
Agoan hat also nur von dieser alten Freiheit, über welche sich Kom
früher nie beklagt hat, Gebrauch gemacht. Die Jansenisten suchen
den Papst und den König zu entzweien, um der Bulle, die man vor-
bereitet, und allen dogmatischen Entscheidungen, die von dem Mit-
telpunkte der Kirche ausgehen müssen, den Weg zu versperren.
Man macht Rom verhasst, indem man sagt, es dulde die Bezwei-
felang seiner Unfehlbarkeit nicht, mit welcher es seine Gewalt,
Könige zu entthronen, unzertrennlich verknüpfen wolle. Der König
ist gemässigt, fromm und dem h. Stuhle ergeben; aber man sucht
ihm einzureden, seine Autorität werde in den Grundfesten erschüt-
tert werden, wenn man die Bestrebungen der Ultramontanen nicht
unterdrücke. Nichts ist so gefährlich wie ein plausibeler Vorwand
unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo es sich um die einfache
Annahme einer Bulle handelt, um die gefährlichste Ketzerei mit
der Wurzel auszureissen. Der Papst kann jetzt freilich die These
Saint-Agnans nicht mehr ignoriren, aber man sollte einen Ausweg
suchen. Man sollte das festhalten, was nach Bellarmin de fide ist,
über das aber, was nicht dazu gehört, die Meinungen frei lassen. '^
P. Daubenton antwortete F6nelon 9. Sepr., er habe seinem Auftrage
entsprechend dem Papste seinen Brief mitgetheilt, und dieser habe
Saint -Agnan (ohne Widerruf) bestätigt (Corr. de F^nelon 4, 302. 323).
Crit.-Joly 4, 294 sagt: man glaube, Ludwig XIV. habe die Je-
suiten, die ihm wahrend des Eegalienstreites Dienste geleistet, von
der Unterzeichnung der vier Artikel dispensirt, obschon P. La
Chaise nicht gewollt, dass man zu ihren Gunsten eine Ausnahme
mache; er fügt aber bei: „Jedenfalls hätten sie dieselben unter-
zeichnet, wenn man es verlangt hätte, wie sie dieselben denn ja
1761 wirklich unterzeichnet haben. Die vier Artikel sind nie als
ketzerische Lehre verdammt worden. Die Päpste haben sich eines
definitiven und feierlichen Urtheils enthalten; sie haben nur wieder-
holt die Declaration von 1682 cassirt und annullirt als einen Act
des französischen Clerus, durch welchen eine bestimmte Lehre vor-
geschrieben und die entgegengesetzte Lehre, welche die in der
Kirche am allgemeinsten angenommene ist, verdammt wurde, womit
eine einfache Versammlung, die kein Goncil war, sich die Rechte
des Papstes und der allgemeinen Kirche anmasste." — Pius VI. tadelt
es in der Bulle Auctorem fidei vom J. 1794 in den schärfsten Aus-
drücken, dass die Synode von Pistoja die Declaration von 1682 in
ein Decretum de fide aufgenommen, und sagt: „Die Acten der As-
sembl^e sind gleich nach dem Erscheinen durch ein Breve Inno-
cenz* XL vom 11. Apr. 1682 und ausdrücklicher durch die Con-
stitution Alexanders VIII. vom 4. Aug. 1690 für null und nichtig
erklärt worden; um so mehr müssen Wir die Adoption derselben
durch die Synode von Pistoja als temerär, ärgemissgebend und,
namentlich nach den Decreten Unserer Vorgänger, für den aposto-
570 Die gallicanischen Artikel von 1682.
lischen Stuhl im höchsten Grade injuriös verwerfen und verdammen^'.
Aber noch am 27. Sept. 1820 hat die Römische Poenitentiarie auf
die Anfrage eines Beichtvaters, ob er einen Priester absolviren dürfe
und müsse, der sich weigere, sich der von dem h. Stuhle ausge-
sprochenen Verdammung der vier Artikel zu unterwerfen, die Ant-
wort ertheilt: „Die Declaration der Assemblee von 1682 ist zwar
vom apost. Stuhle missbilligt und die Acte derselben sind für null
und nichtig erklärt worden ; aber die in jener Declaration enthaltene
Doctrin ist nicht ceuHurirt worden ^doctrinae nulla nota theologicae
censurae inusta); darum steht nichts im Wege, jene Geistliche, welche
in gutem Glauben und aus Ueberzeugung jener Lehre noch anhan-
gen, loszusprechen, vorausgesetzt, dass sie sonst der Lossprechnng wür-
dig sind" (Roskovany, Rom. Pont. 4, 67). — Was speciell die päpst-
liche Unfehlbarkeit angeht, so schrieb Fen^lon im J. 1704 an Card -
Gabrielli: Sie wird nicht anerkannt von den Parlamenten, von der"
Bischöfen und von den Gelehrten mit sehr wenigen Ausnahmen
Si Pontificiam infallibilitatem asseras, uno totius gentis et cleri or
proscriberis ; si reticeas, Romae damnaberis (Oeuvres 2, 420).
Die Sorbonne hielt an der Erklärung von 1668 (S. 552) fest -:M ^t,
welche die Grundlage der Declaration von 1682 ist, und wenn man-»' -^^
von Bossuet den Satz anfuhrt (aus der Defensio, Diss. praevia n. 10): <L ^)'
Abeat declaratio quo libuerit; non enim eam tutandam hie susci- m^^^'
pimus, so sollte man nicht unterlassen, die zweite Hälfte des Satzes ^^ «^^
mit zu citiren : manet inconcussa et censurae omnis expers prisc&s ^^ *p*
illa sententia J'arisiensium.
Am 4. Dec. 1681 vertheidigte der Carmeliter Buhy eine These^^ «3^,
worin die Sätze vorkamen: Es gibt Kirchengesetze, denen der Papsr ^* «»t
unterworfen ist; er kann nicht immer von den Canones dispensirenr ät«!;
er kann nicht Könige absetzen und den Geistlichen ihrer Reiche «rftc
Steuern auflegen; die Bischöfe haben ihre Jurisdiction von Gt)tt; ^^\
die Sorbonne hält den Papst nicht für unfehlbar und über dem Con— ä^«*
eil stehend ; das Regalienrecht ist weder eine Chimäre noch eine^^ ^^
Usurpation. Der Papst suspendirte den Mönch und der Prior er — ^rM"^
hielt den Auftrag, ihm dieses zu insinuiren. Der König vcrboP" ^^^
dieses, und Buhy beachtete die Suspension nicht. Seine Oberen*""*^'"
verhängten nun Censuren über ihn ; aber das Parlament nahm ihnc^ ^
14. April 1682 in Schutz und ertheilte den Oberen einen Verwei«^^^ ^*
(Avr. o, 200). — Im Nov. 1683 wurde der Dominicaner Franc — "^•
Malagola, der eine These S. Petro, Dei vicario, omnia liganti et sol-^ — ' -**
venti in terris et in coelis, i. e. tenenti apicem utriusque potestatis, ge- — ' '^'
widmet und eine ihm von der Sorbonne vorgelegte Erklärung zu unter- ' *"
zeichnen verweigerte, in der Liste der Baccalaurei gestrichen (Arg. ^
III a 141. Michaud 2, 416; 4, 151). Im Mai 1683 erklärte die Fa- -^"
cultät auf eine Anfrage des Parlamentes, der (in der zu Lüttich ^^
erschienenen Schrift: Ad III. et Rev. Galliae episcopos. Disqui- '
sitio theologico-juridica super declaratione cleri gallic. facta 19. ^^'
Martii 1682 per quendam S. Theol. Prof. enthaltene) Satz: Ad solam
Sedem apost. divino immutabili privilegio spectat de controvermii^
ßdei judicare, sei, sofern darin den Bischöfen und den Concilien,
i
J. Th. de Rocaberti. L. £. Dupin. 571
auch den allgemeinen, die Autorität, die sie unmittelbar von Chri-
stas hätten, abgesprochen werde, temerär, irrig, dem kirchlichen
Q-ebranche zuwider, dem Worte Gottes widersprechend und eine
Erneuerung einer schon früher von der Facultät verworfenen Lehre.
Das Buch wurde darauf 23. Juni vom Parlamente verboten, gleich-
zeitig mit einem „fliegenden Blatte", welches ein Decret des Erz-
bischofs von G-ran (Strigonia) über die Declaration enthalte (Arg.
III a 147. Michaud 4, 104. 108. 111).
Auch nach dem J. 1693 verbot das Parlament wiederholt Schrif-
ten gegen die Declaration. Der Dominicaner Jo. Thomas de Rocaberti
de Perelada (1624—99), seit 1676 Erzbischof von Valencia und Ge-
neral-Inquisitor, veröffentlichte 1691 — 94 unter dem Titel De Rom.
Pontificis auctoritate ein dem Papste gewidmetes Werk, worin
die päpstliche Unfehlbarkeit und Gewalt in weltlichen Dingen in
drei Foliobänden vertheidigt wird. Im 2. und 3. Bande sind be-
lobende Breven vom 30. Jan. 1693 und 21. Nov. 1694 abgedruckt.
Bossnet schrieb darüber 1695 für Ludwig XIV. ein Gutachten (33,
661), worin es heisst: nachdem ein Ausgleich mit Rom zu Stande
gekommen und der Papst sich mit den Erklärungen der Bischöfe
zufrieden gegeben, erneuere dieser Prälat den Streit; er behandle
die Ansicht von der Fehlbark eit des Papstes als ketzerisch, die von
der Unabhängigkeit der Könige in weltlichen Dingen als gottlos,
Rchismatisch und ketzerisch, erlaube sich heftige Angriffe gegen die
Franzosen und speciell gegen den König und fordere den Papst auf,
mit kräftigen Mitteln den Uebeln zu steuern, von denen Frankreich
bedroht sei. Die Approbatoren sprächen wo möglich noch heftiger;
einer derselben wende das 0 felix Adae peccatum auf das Buch an:
heareuse fante du clerge de France qui a merit6 d'avoir Till. Ro-
caberti ponr adversaire. Es empfehle sich nicht, meint Bossuet,
das Buch durch die Sorbonne censuriren zu lassen, da diese sich
schon wiederholt über die Sache ausgesprochen habe und eine neue
Erklärung der Curie Anlass zu einem neuen Zank geben könne;
aber das Parlament müsse das Buch verbieten, solle aber in dem
Arr^t alles Injuriöse, das Anordnen des Verbrennens des Buches
durch Henkershand u. dgl. vermeiden. Auch könne man den Papst
um Erklärungen über seine Belobungsbreven bitten und ersuchen,
zu verbieten, dass Frankreich und seine Geistlichkeit als ketzerisch
und schismatisch behandelt wurden, widrigenfalls französische Schrift-
steller ihr Land vertheidigen müssten. — Eine solche Bitte wäre
ohne Zweifel erfolglos gewesen. Rocaberti wurde allerdings nicht
Cardinal, — Innocenz XL hatte den Benedictiner Joseph Saenz de
Agnirre 1686 zum Cardinal ernannt, weil er der erste gewesen, der
gegen die Declaration geschrieben (Michaud, 4, 125), — aber 1695 —
99 wurden in Rom die 21 Foliobände seiner Bibliotheca pontificia
gedruckt (Hurter 2, 352). Vom Parlamente aber wurde das (erste)
Werk von Rocaberti 1695 verboten.
2. Ueber Natalis Alexander und Maimbourg s. § 61. Durch
ein Breve vom 12. Jan. 1688 wurde verb. : De antiqua Ecclesiae
disciplina dissertationes historicae auth. Lud. Ellies Dupin, Par.
572 Die gallicaniüchcn Artikel von 1682.
I B
1686. Die 7 Dissertationen sind hauptsächlich gegen Chr. Lupus I T
(De appellationibus) und A. Charlas gerichtet. Das Buch ist Talon
gewidmet und von 7 Doctoren approbirt; auf Betreiben des
Nuncius verbot der Kanzler den Verkauf desselben und ordnete eine
nochmalige Kevision an, worauf es freigegeben wurde. Auch Ma- 1 I*
billon meinte, Dupin sei zu weit gegangen ^). — Eine von ihm ano- | ^^
nym herausgegebene Schrift — über die nicht kirchenrechtlichen
Schriften s. § 61 — Traite de la puissance eccl^s. et temporelle,
1707, wurde durch ein Breve Clemens' XI. 14. Mai 1708 (Bull. 12,
466) verb., unter Androhung der reservirten Excomm. 1. sent. und
überhaupt in den gewöhnlichen Formen (nur dass nicht von einem
Verbrennen des Buches die Eede ist). Es ist ein Commentar zu
der Declaration, zunächst für junge Theologen, die sie zu verthei —
digen hätten (Dupin 1 9, 404) ; es ist wiederholt neu herausgegeben ^
noch 1768 von Abb^ Dinouart mit Dupins Namen (Schulte 3, 1^
634). Von Dupin ist auch Trait^ bist, des excommunications, dan^v
lequel on expose Tancienne et la nouvelle discipline de Yigh
sujet des excomm. et des autres censures, Par. 1715, 12., verb. 1722
Nicht durch ein Breve, sondern durch ein Decret der Inq.
23. Oct. 1688 wurde eine kleine Schrift des Bischofs von Touma};^ .
verb.: Epistola 111. et Rev. Gilberti Chojseul du Plesais--^
Praslin, Episc. Tornacensis, ad D. Martinum Stejaert de potestat^d
ecclesiastica. Insulis 1688. Choiseul war ein hervorragendes Mit;S'
glied der AssembUe von 1682; seine Schrift ist gegen die Poaitio «::^
nes de Pontifice Eom., Löwen 1687, gerichtet, die der Löwener^
Professor M. Steyaert gegen den Pf. öilles de Witte geschrieben m~b
und bekämpft namentlich die päpstliche Unfehlbarkeit. Card. d'Es
tr^es schrieb über das Verbot an Ludwig XIV; „Das Decret wir»'
dem Werthe des Buches keinen Eintrag thuen und dem Verfasset <
sehr gleichgültig sein^^; zugleich schickte er dem Könige den Ent-^
wurf zu einem Beschwerdeschreiben, welches Choiseul an den Papst ^
richten könne und worin u. a. gesagt war: die Cardinule der Inq
pflegten sich nicht die Mühe zu nehmen, die incriminirten Büchei
selbst zu lesen, sich vielmehr auf den Bericht der Theologen
verlassen. In dem Schreiben, welches Choiseul wirklich 3. Jan.
1689 an den Papst richtete, heisst es: „Ich kenne den grossen Un-^
terschied zwischen den Decreten der Inq. und päpstlichen Constitu —
tionen und ich weiss, dass die Bücher, welche jene Gongregation m
verdammt, darum von verständigen Leuten nicht geringer geschfitzt:^' ^*
werden, namentlich wenn sie dieselben verbietet, ohne den Vcrfasser-"^^^ ^^
gehört zu haben oder ohne einen bestimmten Irrthum antugeben..^
Darum hat mich das Decret der Inq. wenig gerührt. . . . Man
zählt mich seit 42 Jahren zu denjenigen, welchen der h. Geist die
Leitung der Kirche anvertraut hat und welche Ew. Heiligkeit als
Brüder zu bezeichnen geruhen : werden Sie dulden, dass Ihre In-
quisitoren Ihren Namen missbrauchen, einen Bischof und einen
1) Valery 1, 326. 332. 835. Ariiauld 2, 734. Dupin 19, 176.
G. Choyseul. f. Descliainps. Ch. E. Borjon. Cl. Fleury. 678
Brüder nngehört zu verdammen?" (Michaud 4, 254. Journ. d. Sav.
16 88, 249). Die Veröffentlichung des Inquisitionsdecretes wurde
von dem Pariser Parlamente 17. Dec. 1688 verboten. Choiseul
t 1690. — Eine zweite Schrift gegen Steyaert, Epistola D. Felicia
Deschamps, Relig. S. Amandi, S. Th. Lic, nuper Eegii in Acad.
Dnac. Philos. et in monasterio S. Theol. Prof., ad M. Steyaert de
Summo Pontifice ejusqne potestate, wurde 1689 von der Inq. verb.
Die Index - Congr. verbot ausser einigen Büchern von Boilean
und Launoy im J. 1690 (unter Alexander VIII.) den ersten Band
von des Juristen Charles Emmanuel Borjon (1633 — 91) Compila-
tion du droit romain, du droit fran^ais et du droit canonique, ac-
commod^e ä Tusage d'^k präsent. Der Band handelt: des dignites
eccl^s., du pape, des patriarches, des cardinaux. 1700 wurde das
ganze Werk, Paris 1676, 4 vol. 12., verb. — Unter Innocenz XII.
verbot die Index-Congr. 21. April 1693, also während der Verhand-
lungen über den Ausgleich: Institution au droit eccl6siastique par
M. Claude Fleury, 3 parties, 1688. Das Buch war schon 1676
ersobienen unter dem Titel: Inst, du droit eccl. de France, compos^e
par feu M. Charles Bonel, Dr. en droit can. a Langres (fingirter
Name), et revue avec sein par M. de Massac, avocat an parlement
(+1676). Nach dem Verbote sind noch viele Ausgaben erschienen;
das Buch ist in Frankreich und in lateinischer Uebersetzung auch
in Deutschland lange und viel gebraucht worden (Schulte, 3, 1,
628). — Viel mehr Anstoss rausste in Rom ein Buch erregen, wel-
ches erst nach Fleury's Tode (f 1723) erschien: Neuvi^me discours
de M. Tabb^ Fleury sur les libert^s de TEgl. gallicane, s. 1. et a.
(1724). Es ist nicht der im 20. Bande der Eirchengeschichte von
Fleury versprochene 9. Discours, der über das Wiederaufleben der
Wissenschaften seit dem 14. Jahrh. handeln und an die Spitze des
21. Bande kommen sollte, aber nicht erschienen ist (Hefele, Beitr.
2, 95), sondern ein Discours, den Fleury schon 1690 geschrieben,
dann nicht zu veröffentlichen sich entschlossen, aber einige Jahre
vor seinem Tode Freunden abzuschreiben gestattet hatte (Morery,
Suppl.). Herausgegeben war er von Abbe Louis Debonnaire, der
1750 als Appellant starb. Die Ausgäbe wurde wegen der von die-
sem beigefügten Noten sofort 1724 durch ein Arret du Conseil un-
terdrückt. 1725 wurde das Buch von der Inq. verb., und zwar
ausdrücklich der Discours und die Noten ^).
Unter Clemens XI. verbot die Inq. 1700 Trait6 de Tabus et
1) Das Buch wurde noch mehrere Male gedruckt, — auch als Ma-
ximes et libertes gallicanes und als Memoire sur les lib. de l'egl. gall.,
— 1763 mit einem Commentar (von Boucher d'Argis), der selbst in den
N. E. 1765, 84 als zu weitgehend getadelt wird (Nouveau commentaire
sur le Discours de M. l'abbe Fleury touchant les lib. de l'egl. gall., mis
k rindex Sans aucune qualiflcation . . . Par M. Pierre de Chiniac de la
Bastide du Chaux, Advocat au Pari. 1767*). Der Text differirt in den
verschiedenen Ausgaben; er ist nach Fleury's Handschrift abgedr. in den
Koaveaux opuscules de M. l'abbe Fleury, par J. A. Emery, 1807.
574 Die gallioanischen Artikel von 1682.
du Trai snjet des appellations qualifi^es de oe nom d'abiis, par C3uur-
leB Fevret, 3. Ed. Lyon 1677, [4. Ed. 1689*], 2 Fol. Die 1. Aus-
gabe war schon 1653 zu Dijon erschienen, wo der Verfasser I ^
Parlamentsadvocat war (f 1661). Bald darauf erschien: Ecclesiast. \ t^
jurisdictionis vindiciae adv. C. Fevreti et aliorum tractatus de abnsu;
auct. Dadino AJtefierra (Hauteserre, 1703*, 4. Schulte 3, 1, 689). —
L'esprit de Gerson ou instructions catholiques touchant le Saint
Si^ge, 1692, von der Inq. verb. 1709, ist eine von Eustache Le
Noble, früher Generalprocurator in Metz (f 1711), verfasste popu-
läre Yertheidigung der gallicanischen Ansichten, in den beiden letz'
ten Capiteln des Droit de franchise und der Appellation an ei
allgemeines Concil^). 1765 verbot die Inq. schärfer als das Origina
eine (getreue?) italienische Uebersetzung des Buches: Istruzion^r^
intomo la Santa Sede, tradotte dal francese: das Buch sei injariöFsa
nicht jiur gegen die weltliche, sondern auch gegen die geistliche»
Gewalt des Papstes, gering an Umfang, aber malitia, calamnia et*
impudentia teterrimum; es solle 10. Juli vor der Minerva verbrannr
werden, und die Ertheilung der Erlaubniss zum Lesen desselbeiur
dem Papste vorbehalten bleiben (N. R. 1765, 198). — Im J. 1801:
tibersandte der Buchdrucker Varin eine neue Ausgabe des Esprir^
de Gerson dem damals in Paris versammelten Nationalconcil. Macr.
bemerkte darin eine Stelle, wo gesagt wird: wenn ein allgemeinet
Concil nicht versammelt sei, könne der Papst oder vielmehr der
Stuhl provisorisch dogmatische Entscheidungen geben, — eine Aensse
rung, die zu dem sonstigen Inhalte des Buches eben nicht paast,
wies das Buch darum zurück und veranlasste Yarin, demselben ein* m^k m: «ioe
Erklärung vorzudrucken (N. E. 1801, 66).
Canonici juris institutionum libri tres ad ecclesiarum gallica^^^::>ca-
rum statnm accommodati, op. et studio Franc, de R o y e , anteeis^ i "» es-
soris Andegaveusis, Par. 1681, 12., dem Staatsrath Bignon gewi^E» f i'd-
met, sollte schon 1684 von der Inq. verboten werden (Michaud 4*=- 4,
140); warum dieses nicht geschah, erhellt nicht. Verboten wurd^-fc^'de
das Buch erst 1727; in dem Decrete wird die Ausgabe Paris ITIT -ÄJ7
genannt; das Buch ist seit 1684 auch wiederholt in Deutschland ^ '<d
gedruckt (Jugler 1, 435).
Trait6 de Tautorit^ du pape, dans lequel ses droits sont eta-
blis et r^duits a leurs justes bornes et les principes des libert^s d«
TEgl. gall. justifiez, par M. E. de B., Haye 172 , 4 vol. 12., verl
1722 ist eine dem Febronius ähnliche Arbeit. Der Verfasser is^ ^^^
Jean L^vesque de Buvigny (1692 — 1785; Mejer, Febronius S. 42? ■'*' '^
monirt mit Recht, er heisse nicht Burigny, irrt aber, wenn er meint, er^ ^^
sei Bischof gewesen; L^vesque hiess er). Eine neue Auflage mit
einem 5. Bande von Chiniac erschien zu Vienne (Paris) 1782*).
it
1) Ich besitze ein Exemplar, in welchem auf dem Titelblatte nn
„L'esprit de Gerson. 1691.** steht, p. 1: L'esprit . . . Siege; 249 8. 12 —
Das Buch erschien auch unter dem Titel: Le boudier de Franoe ou 1
sentiments de Gerson et des canonistes touchant les differends des
et des reis de France.
2) Darauf schrieb Abbe J. Pey eine Widerlegung, die von Mgr—
Brancadoro 1788 ins Italienische übersetzt wurde. 6. eocl. 4, 86,
i
eil. Fevret. Arnauld u. a. Bossuets Defensio. 575
3. Arnauld und seine Freunde standen in dem Streite über
die Franchises wie in dem über das Eegalienrecht auf Seiten des
Papstes. Von den gegen Talons Plaidoyer erschienenen Schriften:
S&flexions sur le plaid. . ., Col. 1688, und Refutation du plaid. . .,
Haye 1688, ist die erste von Gerb#ron (Haur6au, Hist. litt, du
Maine 4, 90); die zweite wurde Arnauld zugeschrieben, ist aber
nach Germain (Valery 2, 152) von Genet, einem Bruder des Bischofs
von Yaison, damals Uditore des Nuncius Dada in England, den der
Papst 1687 zum Bischof von Carpentras ernennen wollte, wogegen-
die französische Regierung remonstirte (Michaud 4, 446). — Dagegen
war Arnauld ein entschiedener Vertreter der in der Declaration von
1682 ausgesprochenen Lehre. In einem Briefe, den er nach dem
Tode Alexanders VIII. schrieb (Arn. 3, 335), kommen folgende
Ausdrücke vor: Le nepotisme remis sur le trone, la simonie des
chapeaux vendus, des enfants mis dans le S. College, le trouble mis
dans TEglise par la condamnation de propositions ^quivoques (S. 527),
la pemence d'un schisme par une bulle subreptice publice la sur-
veille de sa mort, pour faire valoir les pritensions insoutenables de
la Cour de Rome et allumer le feu d*une fuueste division entre le
Saint Si6ge et la plus savante eglise de la chretiente. Arnauld
missbilligte es sogar, dass man von der gallicanischen Lehre als
von einer zu duldenden spreche, da sie von zwei allgemeinen Con-
cilien anerkannt sei; vielmehr sei die ultramontane Ansicht die bloss
zu duldende (Arn. 3, 429). Eine von ihm 1684 verfasste Schrift
gegen Schelstrate^s Acta Concilii Constant. etc., 1683, die mit einem
Vorworte von Petitpied gedruckt wurde: Eclaircissements sur
rantoriti des conciles gen^raux et des papes: ou explication du
vrai sens de trois decrets des sessions IV. et V. du concile g6n. de
Constance, contre la dissert. de Mr. de Schelstrate. Ouvr. posth. de
M. t Dr. de Sorb., Amst. 1711 (Arn. 11, 1), wurde 1718 verb. —Na-
türlich sind manche Bücher den Römischen Censurbehörden entgan-
gen, z. B. Vindiciae doctrinae majorum scholae Parisiensis de aucto-
ritate in rebus fidei et morum contra defensores monarchiae univer-
salis et absolutae Curiae Rom. 11. 4, Col. 1683, 4., — enthält eine
Widerlegung der Erklärung des Erzbischofs von Gran, Schriften von
Richer, Gerson u. s. w.
4. 1730 erschien zu Luxemburg in 2 Quartbänden die 1. Aus-
gabe von Bossuets Defensio Declarationis conventus cleri gallicani
anni 1682 de ecclesiastica potestate. Das Werk war schon 1685
im Auftrage Ludwigs XIV. geschrieben und dem Könige überreicht,
auf dessen Wunsch aber damals nicht veröffentlicht worden. Nach
dem Erscheinen des Werkes von Rocaberti (S. 571) begann Bossuet
eine Umarbeitung. An dieser zweiten Redaction, die den Titel Gal-
lia orthodoxa s. vindiciae scholae Paris, totiusque cleri gallic. adv.
nonnullos erhalten und nicht mehr eine directe Vertheidigung der
Declaration von 1682 werden sollte, arbeitete er bis 1702. Der
Ausgabe von 1730 liegt eine fehlerhafte Abschrift der 1. Redaction
zu Grunde. 1745 erschien eine Ausgabe der 2. Redaction nach
den Handschriften, die Bossuets Neffe, der Bischof Bossuet von
\
576 Die gallicanischeu Artikel von 1682.
Troyes, besass, in dessen Auftrage von dem Ex-Oratorianer Le Boi
besorgt, zu Amsterdam in 2 vol. 8. Le Roi gab gleichzeitig eine
französische Uebersetzung heraus. Von ihm sind auch die Einlei-
tung und die Noten zu beiden Ausgaben. Der latein. Ausgabe sind
als Appendix die Vorrede und die 3 ersten Bücher der 1. Redac-
tion, die bei der zweiten durch eine Dissertatio praevia ersetzt wur-
den, beigedruckt (die Ausgabe von 1745 ist in den Oeuvres vol.
31—33 abgedruckt). Benedict XIV. sagt in dem Briefe über das
'Verbot der Schriften von Noris in Spanien (s. u.): über die Ver-
dammung (der Luxemburger Ausgabe) des Werkes, in welchem
viele bedenkliche Sachen vorkämen, sei unter Clemens XIL (1730 —
40) verhandelt worden, ein Verbot aber nicht erfolgt, nedum ob
memoriam auctoris de religione bene meriti, sed ob justum novoram
dissidiorum timorem ^).
5. Als eine der besten Schriften gegen die gallicanische An-
sicht wurde in Rom angesehen: Tractatus de libertatibus Ecclesia^
gallicanae, continens amplani discussiorem declarationis factae al:^
111. Archiep. et Episc. Parisiis mandato regio congregatis 1682. Ant «*
M. C. S. Theol. Dr., Leodii 1684 (1689*, 800 S. 4). Der Verfasse
dieses Buches, welches auch Richer, Dupuy, de Marca, Fevret un
Lannoy bekämpft und von dem Papste und mehreren Cardinäle
sehr gerühmt wurde (Valery 1,99. 108. Michaud 4,123, ein Gut-
achten eines Gallicaners s. A. J. P. 22, 605), war der S. 560 er-
wähnte Charlas, der 1698 zu Rom starb. (Estiennot schreibt be
Valery 1, 159, im Oct. 1685, es circulire in Abschriften in Rom ein
kurze, aber sehr gut gemachte Gegenschrift, deren Verfasser eir
Italiener sei, der sich aber nicht nenne, da er sonst passerait ic
mal son temps). 1 720 wurde die Schrift in der Druckerei der Pro
paganda mit Approbation des Mag. S. Pal. Selleri nochmals gedruckt
Tractatus . . . gallic. Tomus I. Autore Ant. Charlas, S. Th. Dre. Ed
3. ex autographo autoris locupletior et emendatior. Accedunt pra
terea ejusdem opuscula quatuor antehac seorsum evulgata (Tom.
und 2. enthalten den Tract., Tom. 3. die Opuscula, Primatus juris
dictioni« Rom. Pontifici assertus gegen Dupin und Vertheidignnge
Steyaerts gegen Bischof Choiseul, F. Deschamps und einen Unge
nannten). Auffallender Weise erschien aber ein Decret der Inq
Fer. IV. 4. Juni 1721, worin es heisst: nach Anhörung der Cen
suren mehrerer mit der Prüfung beauftragter Theologen und nach-
dem über diese und die Vota der Cardinäle Innocenz XII. referir'
worden, verdamme in dessen Auftrage die Inq. die an der Spitza
dieses Werkes stehende Vita des Verfasser; sie dürfe nicht wiedea
gedruckt, nicht behalten und gelesen, sondern müsse abgelieferr^
werden; die Schriften von Charlas treffe das Verbot nicht (A. J. P
1) 1869 erschien zu Brüssel ein Band von &00 Seiten : Gallia ortho
doxn, d'aprös l'autographe de Bossuet, angeblich ein angedrucktes Werl
nicht gallicanischci- Tendenz. Es ist bis auf , kleine Differenzen eiu wörf
lieber Abdruck eines Theiles der Defensio. Etudes relig. 1869, 8, 169.
i
GaDicanisohe Kirchenhisioriker. 677
2, 2620). In den Exemplaren, die ich gesehen, sind die vier Bogen,
welche die Vita enthielten, entfernt und durch 8 Blätter ersetzt
(das 4. Blatt ist mit e signirt). Vielleicht enthielt die Vita Dinge,
die man doch aus Rücksicht auf die französische Regierung in einem
in der Propaganda gedruckten und von dem Mag. S. Pal. appro-
hirten Buche hedenklich fand. Nun heging man die unbegreifliche
Ungeschicklichkeit, Tractatus etc. (den vollständigen Titel des Buches)
ohne irgendwelche Bemerkung in den Index zu setzen, zuerst in die
Appendix yon 1739, dann in die Index- Ausgaben bis 1752, so dass
mindestens eine Zeit lang das Werk von Charlas, — aus dem we-
nigstens in den meisten Exemplaren die allein beanstandete Vita
entfernt war, — zu den verbotenen Büchern gehörte. Erst Ben.
hat unter Vita die Sache richtig gestellt.
6. Die Inquisition von Toledo motivirte 10. Juni 1683 das
Verbot von Henningii Amisaei de jure majestatis 11. 3, Arg. 1685,
und von S. Ludovici Francorum Regis Pragmatica Sanctio et in
eam bist, praef. et comm. auct. Franc. Pinsonio, Par. 1663, damit,
dass das erstere u. a. den „irrigen und schismatischen^* Satz ent-
halte: der Papst habe keine directe und indirecte Gewalt über die
Temporalia der Könige, und das zweite den „irrigen und schisma-
tischen'' Satz: das Concil stehe über dem Papste, und den „minde-
stens irrigen und der Ketzerei sehr nahen" Satz: der Papst sei in
Glaubenssachen nicht unfehlbar ohne Zustimmung der Kirche. Die
Inquisition verbot zugleich alle Bücher und Manuscripte, in welchen
diese Sätze vorkämen, es sei denn, dass sie angeführt würden, um
widerlegt zu werden (A. J. P. 2, 2654. Bossuet 31, 189). Im span.
Index stehen aber nur die lat. Schrift von Dupin, die zwei von
Fleury, zwei von Maimbourg, Natalis Alexander und Esprit de
Gereon (erst 1750 verb.).
61. Gallicanische Kirchenhistoriker.
Innocenz XI. verbot durch besondere Breven 1684, 1685
and 1687 die Kirchengeschichte von Natalis Alexander, 1685
eine geschichtliche Rechtfertigung der gallicanischen Ansicht
von L. Maimbourg und 1687 dessen Geschichte Gregors I.
Andere Schriften von Maimbourg waren schon 1680 verboten.
Von J. de Launoy wurde 1662 — 93 eine lange Reihe von kirchen-
geschichtlichen und kirchenrechtlichen Abbandlungen verboten.
Von E. Dupin wurde ein kirchenrechtliches Werk durch ein
Breve Innocenz* XI. von 1688 verboten (S. 571), die Bibliothe-
que 1698 von der Inquisition; später kam noch eine Reihe von
Schriften von ihm in den Index. Tillemonts Werke wurden
Beuteh, Index II. 37
578 Gallicaniflche Kirohenhistoriker.
1707 denuncirt, aber auf Grund der Vorstellungen Römischer
Gelehrten von einem Verbote Abstand genommen. Auch Fleury's
Kirchengeschichte steht nicht im Index; ausser seinen kirchen-
rechtlichen Werken (S. 573) wurde nur der Catöchisme histori-
que (mit d. c.) verboten. Von Mabillon wÄre 1703 beinahe eine
Schrift in den Index gekommen, die allerdings weder mit dem
Gallicanismus noch mit dem Jansenismus zusammenhängt, aber
einen sehr heikein Punct, den mit den angeblichen Reliquien
aus den Katacomben getriebenen Missbrauch, behandelt Man
begnügte sich in Rom schliesslich damit, dass Mabillon von
seiner Schrift eine „verbesserte" Ausgabe veröffentlichte. Von
seinem Trait^ des etudes monastiques wurde eine italienische
Bearbeitung verboten. — Merkwürdig ist, dass auch ein kirchen-
geschichtliches Buch eines französischen Jesuiten, Avrigny, ttber
die Zeit von 1600— 171 8 wegen vieler gallicanischer Aeusserungen
verboten wurde. — Durch Breven wurden noch verdammt zwei
Schriften von Le Courayer, die Vertheidigung der Gültigkeit
der anglicanischen Weihen 1728, die Uebersetznng der Ge-
schichte des Trienter Concils von Sarpi 1740.
Bemerkenswerth ist, dass das strenge Verbot der Kirchen-
geschichte des Natalis Alexander, — ein sehr seltener Fall, —
unter Benedict XIV. wesentlich gemildert, ja insofern aufge-
hoben wurde, als Ausgaben, in denen das Werk unverändert
abgedruckt, aber eine Reihe von berichtigenden Anmerkungen
und Abhandlungen von Roncaglia beigefügt war, freigegeben
wurden.
1. Jean de Launoj, geb. 1603 in einem Dorfe der Pioardie,
wurde 1634 Priester, 1636 Dr. theol., hat nie ein Amt bekleidet
und sein ganzes Leben den Studien gewidmet, f 1678. Er war
Mitglied des College de Navarre, wurde aber ausgeschlossen, weil
er, obschon nichts weniger als ein Jansenist, der über Amanld aas-
gesprochenen Censur nicht zustimmen wollte. Die Gelehrten- Confe-
renzen, welche Montags in seinem Hause gehalten wurden, wurden
1676 von der Regierung untersagt. S.-Beuve, Port-Royal 3, 36
charakterisirt ihn als ^rudit profond et original, esprit mordant, k
bons mots, raillant volontiers le mauvais latin des bulles ou des
eviques et apportant en theologie quelque chose de l'humeur de GKii
Patin. Dieser hat nach Bayle von ihm gesagt: II dte tous les ans
un Saint du paradis, ein anderer: II a plus d6thron6 de scdnts qae
dix papes n'en ont canonis^s; Thiers sagt, man habe ihn le dinicheur
des saints genannt, und dem Cur^ de St. Eustache schreibt Bayle
J. Lannoy. 579
die Aeassernng zu: Quand je rencontre le Docteur de Launoy, je
le salue jusqu^ä terre et ne lui parle que le chapeau k la main et
avec beaucoup d'humilit6, tant j ai peur quMl ne m^öte mon Saint
EuRtache qni ne tient k rien. Daneben verdient aber die G-rabscbrift
angefübrt zu werden, die der Generalprocurator Le Camus ihm
Reizen wollte, was aber untersagt wurde: . . . veritatis assertor
perpetuus, jurium Ecclesiae et Kegis acerrimus vindex, vitam in-
noxiam exegit, opes neglexit, muLta scripsit nulla spe, nnllo timore.
— Seine Sobriften verzeichnet Nie. 32. 84 (ü. N. 1716, 633). Die
(resammtausgabe, Jo. Launoii opera omnia, Genf 1731, 6 Fol., ist
von dem Abb6 Grranet besorgt.
Im spao. Index steht L. als haereticus in 'der 1. Gl. In den
Römischen kamen von ihm zuerst zwei verhältnissmässig unbedeu-
tende Schriften. Auf Ersuchen des Bischofs von Laon, welcher mit
den Prämonstratensern über die von diesen beanspruchte Immunität
Streit hatte, schrieb er 1658 Inquisitio in privilegia Praemonstra-
tensis ordinis (Opp. III, 1, 444). Der Prämonstratenser Norbert
Caillieu vertheidigte die Ansprüche seines Ordens in einer Responsio
ad inquisitionem D. Launoii . . ., Par. 1661, und denuncirte zugleich
die Schrift von L. 8. Dec. 1661 bei Alexander VII. und dem Car-
dinal Carpineo, dem Protector des Ordens, indem er besonders her-
vorhob, dass L. päpstliche Bullen, namentlich eine von Alexander Y.,
angreife (Opp. IV, 2 am Ende p. XVIII). 13. Nov. 1662 wurde L.'s
Schrift verb., 17. Nov. 1664 auch seine Censura responsionis, qua
Fr. Norbertus Caillocius sese mendaciis atque erroribus novis irre-
tivit, 1663. Zwei andere auf diesen Streit bezügliche Schriften wur-
den erst 1690 verb.: Examen du privil^ge d'Alexandre V., 1658,
und Capitnli Laudunensis Ecclesiae jus apertum in monasteria Prae-
monstratensium dioecesis 1658 (1670). — Die Assembläe du Clerg«
oensurirte 1661 das Buch von Caillieu wegen der Angriffe auf den
Bischof von Laon und forderte alle Bischöfe auf, ihn verhaften zu
lassen und die Prämonstratenser zu keinen kirchlichen Functionen
zuzulassen, bis sie das Buch desavouirt hätten. Auf Befehl seines
Ordensgenerals leistete Caillieu 1670 Abbitte (Recueil des actes du
Clerg6 1,689).
1672 wurde verb. Conspectus epistolarum Jo. Launoii (so
noch jetzt). Da es ein Buch mit diesem Titel nicht gibt, werden
Epistolarum ad amioos libri 8 gemeint sein, die 1664 — 66 in 5
Bänden erschienen und, nachdem 1665 — 73 eine 2. Ausgabe in 8
Bänden erschienen war, 1687 mit dem richtigen Titel nochmals verb.
wurden (mit einer Vorrede von William Saywell auch Cambridge
1689, Fol.; Opp. V.). Es sind Abhandlungen in Briefform, — nach
Tbiers wählte L. diese Form, um keine Approbation nachsuchen zu
müssen, — die grösstentheils in einschneidender Weise die Infalli-
bilität des Papstes, seine Superioritat über die allgemeinen Conoilien,
seine Gewalt in weltlichen Dingen und hervorragende curialistische
Schriftsteller, Card. Cajetanus, Baronius, Bellarmin, Alteserra, be-
kämpfen. — 1687 wurde ferner verb.: De recta Nioaeni canonis VI.
et prout a Rufino explicatur sententia, 1640, vermehrt 1662 (Opp.
680 Gallioanische Kirchenhistoriker.
TT, 2, 1), über die Patriarchalgewalt des Römischen Bischofs nnd die
Ecclesiae suburbicariae (Hefele, Conc.-Gesch. 1,380).
Eine ganze Reihe von Schriften wurde 29. Mai, 29. Aug. and
21. Nov. 1690 yerb. Darunter sind mehrere, zum Theil schon
einige Decennien alte kritisch-historische Untersnchnngen, ausser
einigen anderswo erwähnten zwei über die Nachrichten und Legen-
den über die Anfänge des Christenthums in Gallien: Dispunctia
epistolae de tempore, quo primum in Galliis suscepta est Cliristi
fides, 1689, gegen einen Brief des Petrus de Marca anHenr. Yalesius,
1658; — Dissertationes tres, quarum una Gregorii Turon. de Septem
episcoporum (der angeblich von den Aposteln gesandten) adventu in
Gallia, altera Sulpitii Sev. de primis Galliae martjribus locus de-
fenditur et in utraque diversarum Galliae ecclesiarum origines trac-
tantur, tertia quid de primi Cenomanomm antistitis epocha sentien-
dum Sit explicatur, 1651; 2. Ed. 1670 (die Schriften über die Le-
genden von Lazarus, Maria Magdalena u. s. w. sind doch nicht
verb.), — und über andere kirchengeschichtliche Controversen : De
auctore vero professionis fidei, quae Pelagio, Hieronymo, Augastino
tribui vulgo solet, diss., 1665; L. vindicirt sie dem Pelagius; —
De Victorino episcopo et martyre, 1 653, Begründung der jetzt allge*
mein anerkannten Ansicht, dass Victorinus Bischof nicht von Picta-
vium = Poitiers, sondern von Petabion = Pettau war; — De vera
causa secessus S. Brunonis in eremum, zuerst 1646, Kritik der von
Urban VIII. aus dem Brevier entfernten, von Th. RaynaDd aber
vertheidigten Legende über das Motiv der Weltentsagung des Stifters
der Carthäuser (K.-L. 2, 1360; Th. Raynaud antwortete noch 1646
mit seinem Hercules Commodianus) ; — noch drei Schriften über
angebliche Privilegien für Klöster (Opp. IV, 2, 448): Inqnisitio in
chartam fundationis et privilegia Vindocinensis monasterii (Vendome)
1661 ; Inq. in chartam immunitatis, quam B. Germanus Parisiorum
episc. suburbano monasterio dedisse fertur, 1657; Inq. in privileginm,
quod Gregorius P. I. monasterio 8. Medardi dedisse fertur» 1659.
— Vier Schriften handeln von der Stelle des Aug. de bapt c. Don.
2, 9, 14. In der P. de Marca gewidmeten Schrift De vera notione
plenarii apud Aug. concilii in causa rebaptizantium, zuerst 1644
(Opp. II, 2, 1 10), zeigt er, plenarium concilium sei concilium majus
provinciali, und Aug. meine das Concil von Arles. Diese Ansicht
vertheidigte er gegen den Dominicaner Jo. Nicolai (Mich. a. S. Jos.
S^ 350) sehr bissig in der Confirmatio dissertationis de vera etc.,
1667, und gegen Jean David in den Remarques sur la Dissertation
(von David) oü Ton montre en quel temps et pour quelle raison
VEgl. universelle consentit a recevoir le bapt^me des h6r6tiques,
1671, und in dem Examen de la preface et de la riponse de Mr.
David aux Remarques sur la dissertation du concile plenier qni
termina suivant S. Aug. cette contestation, 1671. — Am erklär-
lichsten ist das Verbot von Veneranda Rom. Ecclesiae oiroa simo-
niam traditio, 1675, worin er die Römische Kirche in Schutz nimmt,
der Römischen Curie aber über die Annaten und dgl., auch der In-
quisition und Index-Congregation starke Dinge sagt.
Natalis Alexander. 581
1686 wurde verb. Jo. Launojas testis et confessor veritatis
evangelico-catbolicae in potioribus fidei capitibus controversis adv.
Rob. BellarmiDum et alios qnosdam Sedis Rom. defensores egregius
et luculentus vindicatus opera et studio Antonii Reiseri Augustani
(Pastor in Hamburg), Amst. 1685, 862 S. 4. (auch unter dem
Titel: Anti-Bellarminus Jo. Launoii, s. Defensio libertatum Ecclesiae
gall. contra infallibilitatem Rom. Pontificis Sedisque Rom. defensores,
ex Launoii operibus excerpta, Daventriae 1720; Marcband 1, 29,
vgl. Journ. des Sav. 24,555), — 1700: Elogium Joannis Launoii
Parisiensis Tbeologi, una cum ejusdem notationibus in censuram du-
arum propositionum A. A(maldi) D(octori8) S(orbonici), Lond. 1685,
12. (am Ende des 1. Bandes der Opera abgedr.).
2. Von dem grossen kircbengescbichtlicben Werke des N a-
talis Alexander (Noel Alexandre, geb. 1639 zu Ronen, seit 1655
Dominicaner, f 1724 zu Paris), Selecta bistoriae ecclesiasticae ca-
pita et in loca ejusdem insignia dissertationes bistoricae, criticae,
dogmaticae, erschienen die drei ersten Bände (8.) 1677, der 24., bis
zum Ende des Trienter Concils gebend, 1686, worauf noch 6 Bände
über das Alte Testament folgten. AI. schickte die einzelnen Bände
selbst nach Rom und erhielt für die ersten ein im Auftrage Inno-
oenz' XI. von dem Card. Cybo geschriebenes belobendes Schreiben
vom 15. Juli 1682. Die 1683 erschienenen Bände, welche das 11.
und 12. Jahrhundert behandeln, konnten aber bei der Weise, wie
darin der Streit Gregors VII. mit Heinrich IV. und ähnliche Punkte
dargestellt waren, in Rom keinen Beifall linden. Das ganze Werk
wurde nun nicht der Index-Congr. oder der Inquisition, sondern einer
besondern Gommission von Cardinälen (Ottoboni, Azzolini, Casanate,
Lauria und Capisucco) und mehreren Theologen (dem Augustiner
van Heck, dem Dominicaner Bianchi, einem zweiten Augustiner und
einem Theatiner) zur Prüfung überwiesen. Bianchi beantragte, den
11. und 12. Band unbedingt, die vorhergehenden mit d. c. zu ver-
bieten; auch Card. Lanria war für ein Verbot mit d. c, aber Capi-
BUGco (Dominicaner und früher Secretär der Index-Congr. und Mag.
8. Pal.) und andere Cardinäle für das unbedingte Verbot des ganzen
Werkes. Der Papst entschloss sich, das Verbot durch ein Breve
auszusprechen (Michaud 4,211). Dieses ist vom 13. Juli 1684 datirt
and verbietet bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent. die 16
ersten Bände der Kirchengeschichte und zugleich — offenbar nicht
um ihres Inhaltes^ sondern lediglich um des Verfassers willen —
noch einige Schriften von AI.: Summa S. Thomae vindicata et eidem
angelico doctori asserta contra praeposteras Jo. Launoii dubitationes.
Item contra Launoianas circa simoniam observationes animadversio,
Par. 1675, 194 S. 8. Dissertation um eccles. trias: 1. De divina
episcoponim supra presbyteros eminentia adv. Blondellum; 2. De
sacrorum ministrorum coelibatn s. de bist. Paphnutii cum Nicaeno
canone concilianda; 3. De Vulgata scripturae s. versione, Par. 1678,
382 S. 8. Dissertatio polemica de confessione sacramentali adv.
libros 4 Jo. Dallaei Calvinistae divinam ejus institutionem et usum
in eccl. perpetuum impugnantis, Par. 1678, 256 S. 8. Charakte-
582 GaUicanisohe Kirohenhistoriker.
ristisoh ist, dass Launoy^s böses Bucli über die Simonie, gegen
welches AI. die Curie vertheidigt, erst 6 Jabre später verb. wurde.
Der General der Dominicaner wurde angewiesen, AI. zu verbieten,
noch weiteres ohne seine Genehmigung zu schreiben, und ihn des
activen und passiven Stimmrechtes verlustig und von allen Ordens-
ämtern ausgeschlossen zu erklären. Durch Breven vom 6. Apr.
1685 und 26. Febr. 1687 wurden 3 bezw. 4 weitere Bände der Kir-
chengeschichte verb.
AI. liess 1687 trotz der Verbote eine zweite Ausgabe drucken.
Er erhielt auch nach dem ersten Breve von mehreren Cardinälen,
denen er die neuen Bände übersandt hatte, freundliche Dankschreiben,
so im. Dec. 1684 von Norfolk, 1686 von Rospigliosi und Orsini,
1692 von Casanate (und Noris, der damals noch nicht Cardinal war ;
er sagt u. a. : Nemo jam eccles. historiae sacra attingit, qni non te
sibi prius ducem postulet aut tua manu in ejusdem adyta indnci non
poscat. IV, 23). Card. Spada schrieb ihm 13. Apr. 1694: Innocenz
XII. habe das Schreiben wohlgefällig aufgenommen, worin er erkläre,
dass er alle seine Schriften der Prüfung, dem Urtheil and der
Emendation Seiner Heiligkeit unterwerfe (IV, 27). Eine ähnliche
Erklärung steht auch in der Vorrede der 3. Ausgabe der Kirchen-
geschichte vom J. 1699 (IV, 16). Diese Ausgabe selbst aber zeigt,
dass AI. nicht gesonnen war, sein Werk im Römischen Sinne zu
emendiren. Nach dem Tode Innotienz' XI. hatte er durch «einen
Cardinal, den er nicht nennt, eine Abschrift der Censur der Theo-
logen erhalten, die sein Werk vor der Verdammung begutachtet
hatten (einer derselben erklärte: es fände sich darin zwar nnllus in
rigore error contra fidem vel bonos mores, aber viele alienae ab
opinionibus in Curia Rom. receptis de eccies. potestate sententiae.
Am. 9, 303). Er fügte nun den betreffenden Abschnitten SchoHa.
bei, in denen er die Monita der religiös! censores mittheilt und be-
antwortet. Die Censoren wollten viele ganze Dissertationen, in vielem
einzelne Stellen gestrichen haben, einige lediglich darnm, wei
darin die Ansichten des Baronius bekämpft werden (V, 261. 319:^
VII, 599), die meisten wegen des an ticurial istischen Inhalts. AI. er —
widert in den meisten Fällen : was er berichtet habe, seien geschieht
liehe Thatsachen; seine Urtheile entsprächen der Lehre der franzo
sischen Kirche und der Sorbonne. Mitunter constatirt er, dasa mai
bei ihm streichen wolle, was curialistische Schriftsteller vor ih
gesagt, wie die Kritik der Constantinischen Schenkung, die selbe
Baronius fallen lasse (VIII, 26), und der Legende von der Taufi
Constantins durch P. Silvester, die auch von Papebroch und
verworfen werde (VII, 599), zweimal sogar Sätze, die er aus Pal-^
lavicini entnommen (XVII, 68. 103).
Im J. 1734 veranstaltete Constantin Roncaglia, Cler. reg., zu.
Lucca eine neue Ausgabe des Werkes, worin der Text von AL
sammt den SchoHen unverändert abgedruckt, aber eine Reihe von
Anmerkungen und Dissertationen zur Widerlegung beigeffigt ist.
Diese Ausgabe wurde von der Index-Congr. ausdrücklich freigegeben,
und ist wiederholt abgedruckt worden, namentlich (mit neuen An-
L. Maimbourg. 583
merkungen von Mansi vermehrt) zu Lucca 1749, zu Venedig 1778
und zu Bingen 1785 — 90. Seit Ben. steht im Index hinter dem
Verbote die Bemerkung : die Ausgabe von Roncaglia sei freigegeben
und von Benedict XIV. 8. Juli 1754 auch die von Innocenz XI.
angedrohte Excommunication fUr alle Ausgaben aufgehoben. — In
Spanien wurde das Werk gleichfalls 1684 verb., in dem Index von
1790 die Ausgabe von Roncaglia freigegeben.
In den Jahren 1696 — 97 führte AI. einen Federkrieg mit den
Jesuiten BufPier und Daniel über seine Theologia dogmatica et mo-
ralis, Par. 1693, 10 vol. 8. (Quetif 2,812. Hurter 2,1085). Davon
nahm man in Rom keine Notiz. — Daubenton schreibt 1710 an
F6n61on (Corr. 3, 281): der Dominicaner Delbecque habe einen Aus-
zug aus der Moral von AI. in 4 Bändchen verfasst und dem Papste
dedicirt; das Buch sei aber, als es schon unter der Presse gewesen,
auf Befehl des Papstes confiscirt und einem Consultor der Inqui-
sition übergeben worden. 1705 war zu Rom eine Summa Alexan-
drina von Fr. Bassaliers, 4 vol. 8. (Hurter 2, 864) erschienen.
Daubentons Angabe bezieht sich vielleicht auf eine von Delbecque
besorgte neue Auflage derselben.
1703 unterschrieb AI. den Gas de conscience; 1706—10 war
er Provincial und 1717 schloss er sich den Appellanten gegen die
Bulle Unigenitus an. Benedict XIII. sprach gleichwohl sehr wohl-
wollend über ihn und nannte ihn seinen gelehrten Lehrer. AI.
richtete 13. Aug. 1724, 85 Jahre alt und erblindet, ein devotes und
freimüthiges Schreiben an den Papst, starb aber — als Appellant, —
ehe dasselbe in die Hände des Papstes gelangte (Hist. des Refl. 4,
8. 191).
3. Louis Maimbourg, geb. zu Nancy 1610, 1626 — 1682
Jesuit, t 1686, hat eine Reihe von geschichtlichen Büchern ge-
schrieben, — seine Werke füllen 26 Duodezbände; von einem der-
selben sagt R. Simon, Lettres I, 87, was mehr oder weniger von
allen gilt: peu d'^toffe, beaucoup de broderie, und Quesnel (bei
Val6ry 3, 244): ces livres sont pour les femmes. — Beanstandet
wurde in Rom zuerst Histoire du grand schisme d'Occident, 1678
(1677 war Hist. du schisme des Grecs erschienen). Man erfuhr in
Paris schon im Mai 1679, dass das Verbot des Buches beabsichtigt
werde. Der König Hess seinen Gresandten in Rom, den Duc d*Es-
tr^s, beauftragen, bei dem Card. Cybo darauf zu dringen, dass man
ihm mittheile, woran man Anstoss nehme. Cybo befahl dem Se-
cretär der Index -Congr., P. Ricci, vorläufig die Sache ruhen zu
lassen, und dem P. Ant. Gilles aus dem Orden der Minimi, der als
Consultor das Buch begutachtet hatte, ihm seine Censur einzuhän-
digen, um sie dem Jesuiten Fabri, dem Vertrauensmann des Ge-
sandten, vorzulegen. Gleichwohl wurde das Buch 12. Juni 1679
mit d. c. verboten. Auf den Wunsch des Gesandten suspendirte
der Papst das Decret (P. Gilles, der durch den Card, d fistrees
Consultor geworden, musste auf Befehl des Königs nach Frankreich
zurückkehren). Im Juli 1679 schickte der Minister Pomponne ein Me-
moire von M. an den Gesandten und sprach die Hoffnung aus, der Papst
584 Gallicanische Kirchenhistoriker.
werde das Verbot rückgängig machen. Der Papst versprach dem
Gesandten Mittheilung dessen, was man in dem Buche beanstande;
dieser erhielt sie aber nicht und wurde im October beschieden, man
wolle die Punkte dem Jesuiten-General Oliva mittheilen, der sie
nach Frankreich schicken könne. Mittlerweile hatte man auch die
Hist. de la dicadence de Tempire apr^s Charlemagne et des diffi-
rends des empereurs avec les papes au sujet des investitures et de
rind6pendance, 1679, in Untersuchung genommen, und 23. Mai 1680
wurden beide Bücher durch ein besonderes Decret, nicht der Index-
Congr., sondern der Inquisition (Fer. V.), und nicht mit d. c, son-
dern unbedingt verboten (Const. p. 169). Noch in demselben Jahre
1 2. Dec. folgte das Verbot der Hist. du Lutheranisme, 16F0. Schon
im März 1680 sprach sich der Papst gegen den Jesuiten-General
sehr ungehalten darüber aus, dass er ein Mitglied seines Ordens ein
Buch über den Streit zwischen Päpsten und Kaisern habe schreiben
lassen, welches ebenso schlecht sei wie die Bücher von Fra Paolo
(dem Gesandten gegenüber bezeichnete er im November M. als un
mechant homme et un huguenot) ; am 7. Jan. 1681 liess er dem
General durch den Assessor S. Officii in Begleitung eines Notars
unter Androhung der Absetzung befehlen, M. aus dem Orden zu
entlassen und denjenigen, welche seine Bücher approbirt hätten, eine
Poenitenz aufzulegen. Ludwig XIV. war anfangs geneigt die Aas-
stossung M.'s zu hindern ; aber 10. Febr. 1682 trat dieser „frei-
willig" aus, und der König setzte ihm eine Pension aus.
Die ersten Bücher, welche er als Ex-Jesuit veröffentlichte, Hist.
du Calvinisme, 1682, und Hist. de la Ligue, 1683, wurden in Rom
nicht beanstandet. Aber Ende 1684 erschien, dem Könige gewid-
met, Trait6 historique de T^tablissement et des pr^rogatives de Vi-
glise de Rome et de ses ev^ues, worin die unbestrittenen, auch in
Frankreich anerkannten Rechte des Papstes gegen die Protestanten
vertheidigt, den Ultramontanen gegenüber die bestrittenen Rechte,
Infallibilität, Superiorität über das allgemeine Concil, das Recht, die
Kirche unabhängig von den Canones zu regieren, Gewalt in welt-
lichen Dingen, bekämpft werden. Die Inq. beschloss, das Buch sei
in derselben Weise wie das des Natalis Alexander durch ein beson-
deres Breve zu verdammen; der Papst, der seit 7 — 8 Monaten den
Sitzungen nicht mehr beigewohnt, bestätigte den ihm durch den
Assessor vorgelegten Beschluss, und am 4. Juni 1685 erschien das
Breve, worin das Buch (zunächst die 1685 erschienene 2. Auflage,
aber ausdrücklich auch alle anderen Ausgaben und alle Ueber-
setzungen) unter Androhung der reservirten Excomm. 1. sent. ver-
dammt wurde, mit der Aufforderung, alle Exemplare an die Bischöfe
oder Inquisitoren abzuliefern, um sie zu verbrennen (Michand 4, 194;
1, 269). Emmanuel Scheelstrate, gegen dessen Acta Constantiensis
Concilii ad expositionem decretorum ejus sess. 4. et 5. facienüa,
Antw. 1683, M. polemisirt hatte, wurde angewiesen, ihn zu wider-
legen, und schrieb einen Tractatus de sensu et auctoritate decretorum
Conc. Const. etc., Rom 1686.
Auch M.'s Histoire du pontiiicat de S. Grigoire le Grand,
L. Maimbourg. J. Le Fevre. 585
1686, Würde durch ein Breve Innocenz' XI. vom 26. Febr. 1687
verb., obschon Scheeletrate gleich nach dem Erscheinen des Buches
zweifelte, ob es censurirt werden würde, und ein anderer Römer
meinte: wenn nicht 20 — 30 Stellen wären, an denen er uns striegelt,
könnten wir ihm dankbar sein und wünschen, er möge auch über
Leo schreiben. Die Besprechung der Verwerfung des Titels Epi-
scopuB universalis durch Gregor wird in Rom am meisten Anstoss
erregt haben. Jedenfalls ist das Buch mehr des Verfassers als des
Inhalts wegen durch ein Breve verdammt worden. Hist. de L^on
Ic Grand erschien 1687 nach M.'s Tode und wurde nicht verb. —
1686 erschienen in Paris Les histoires du Sieur Maimbourg (der
Verleger wollte gegen M.'s Wunsch beifügen : ci-devant J^suite),
12 vol. 4., und ein Italiener Contarini Hess auf seine Kosten sämmt-
liche Werke in italienischer Uebersetzung drucken. Estiennot
schreibt 23. Dec. 1684 aus Rom, eine Zeit lang habe man bei der
Ertheilung der Erlaubniss zum Lesen verbotener Bücher Maimbourg
wie Machiavelli und Molinaeus ausgenommen ; jetzt geschehe es nicht
mehr (Val^ry I, 46. 218. 228). — Im span. Index stehen nur Hist.
de S. Gr^goire und Traite hist.
Gegen M.'s Geschichte des Lutherthums schrieb Seckendorf,
gegen die Geschichte des Calvinismus Bayle anonym Critique gini-
rale del' Hist. du Calv. de M. Maimbourg, Villefranche (Amster-
dam) 1682 (3. Ed. 1684, 2 vol.), von der Inq. verb. 1684, und
!Nouvelles lettres de Tauteur de la Critiqne g^n. ... 1. Partie,
1685, 2 vol. (nicht mehr erschienen), verb. 1709. Die Critique ist
von Ben. durch ein Versehen unter Maimbourgs Schriften gestellt
worden und hat dort ihren Platz behalten ! — Die Entretiens d'Eu-
doxe et d'Euchariste sur l'Hist. de TArianisme et des Iconoclastes
du P. Maimbourg, 1674, sind von Jacques Le FÄvre, Dr. Sorb. und
Generalvicar von Bourges, f 1716. Von ihm wird auch sein Pre-
mier Entretien d'Eudoxe et d'Euchariste, pour servir de defense
a )a th^se d^un Bachelier de Sorbonne contre le P. Maimbourg,
verb. 1674. Le Fevre schrieb auch mehrere Schriften gegen die
Calvinisten, wegen deren er mit Arnauld in einen Federstreit ge-
rieth, da er diesem gegenüber die mildere Ansicht vertrat, dass
l'ensemble des reformes n'est pas si absurde et si anticatholique sur
Particle de la pr^tendue inamissibilite de la grace (S.-Beuve 5,319.
Hurter 2, 705). Eine seiner polemischen oder irenischen Schriften
wurde 1681 verb.: Projet de Conference sur les mati^res de con-
troverse, appuy^ de quelques observations sur trois ou quatre points
de religion et particuli^rement sur le sacr. de penitence, avec 50
f[ue8tions choisies pour etre propos^es k Messieurs de la K. P. R.
religion pr^tendue reform 6e], Par. 1680.
Louis Maimbourg begann seine schriftstellerische Thätigkeit
mit Une methode pacifique pour ramener sans dispute les protestants
k la vraie foi sur le point de l'eucharistie, 1670. Diese Schrift ist
nicht verb., aber Examen du premier trait^ de controverse du P.
li. Maimbourg, intitul^ Methode etc., Col. 1683, verb. 1685, von
seinem Vetter Theodore Maimbourg, der, mit einer Calvinistin ver-
586 Gallicaniscbc Kirohenhistoriker.
heirathet, ein guter Katholik blieb, so lange er eine Pension von
1000 Livres von der Familie Schomberg bezog, dann aber Calvinist
oder Sooinianer, 1681 Anglicaner wurde und vor 1687 in England
starb (R. Simon, Lettres 1,87; 2, 254).
4. Von Louis Ellies Dupin, geb. zu Paris 1657, Doctor der
Sorbonne 1684, f 1719, — über das Verbot seiner kircbenrecht-
lieben Schriften s. 571 — erschien 1686 der erste Band der Nou-
velle Bibliotbeque des auteurs eccl^siastiques, die ersten 8 Jahrhun-
derte umfassend. 1691 waren 5 Bände erschienen. Auf Betreiben
Bossuets beauftragte die Sorbonne eine Commission mit der Prüfung
des Werkes. Mittlerweile veröffentlichten die Benedictiner von St.
Yannes eine specielle Kritik desselben: Remarques sur la Biblio-
tbeque des auteurs eccl., Par. 1691. 92, 3 vol. 8. (von Matthieu
Petitdidier verfasst). Dupin beantwortete dieselbe. Mit dieser Ant-
wort war aber Bossuet noch weniger zufrieden als mit dem Werke
selbst. Er übersandte dem Kanzler Boucherat zwei Memoires, worin
er mehrere dogmongeschichtliche Ansichten Dupins und seine Dar-
stellung der Goncilien von Ephesus und Chalcedon bestreitet und
erklärt, das Werk müsse censurirt werden oder D. retractiren oder
wenigstens Erklärungen abgeben (Oeuvres 30, 475 ; 42, 653. Bausset,
Hist. de Bossuet 3, 227). Racine, ein Verwandter D.'s, Pirot und
Gerbais verwandten sich für ihn bei Bossuet. Es wurde eine Be-
sprechung zwischen beiden veranlasst und Bossuet gab sich mit D.*6
Erklärungen zufrieden. Es kam nun auch zu keiner Censurirung
durch die Sorbonne. Aber der Erzbischof de Harlay erliess eine
Ordonnanz vom 16. April 1693, worin er sagt: er habe die 5 ersten
tomes (en 7 volumes) durch 4 Doctoren der Sorbonne prüfen lassen
und selbst geprüft und auch den Verfasser angehört, der eine der
Ordonnanz beigefügte (sehr umfangreiche) Erklärung abgegeben un^
dadurch seine persönliche Orthodoxie bekundet habe (il met sa
ligion au couvert); das Werk selbst sei einer Verbesserung nid
fähig und werde darum verboten, als Sätze enthaltend, die res]
falsch, temerär, . . . geeignet, die Beweise der Tradition für di
Autorität der canonischen Bücher und für andere Glaubensartikel
schwächen, für die allgemeinen Goncilien, den apostolischen Stul
und die Kirchenväter injuriös . . . seien (Arg. III b 373). ^^^^1,^^%
Kanzler verbot dann den Verkauf des Werkes. Am 1. Juli 169fc^' *^
wnrden 5 tomi, a tribus prioribus saeculis ecclesiae usque ad sae» ^^.f*^
7., auch von der Inq. verb. D. setzte aber sein Werk fort und d^^
Kanzler erklärte sich trotz des Widerspruches des Erzbiscbofs bereit
ihm die Druckerlaubniss für die folgenden Bände zu geben, wenn €^
den Titel ändere (Valery 2, 356). Die Fortsetzung erschien zunäoh^ ^^f
unter dem Titel: Hist. des controverses et des matiöres ecd^siast -i^' "■**"
ques, 7 vol., 1694—98 (9— 15. Jahrb.), dann unter dem Titeü ^^^•
Hist. de Teglise et des auteurs eccl. du 16. siecle, 5 vol., 1701 un^=^*°"
3, dann wieder unter dem alten Titel, 9 vol., 1708-11 (16.— 19^ -^•
Jahrb.). Wenn seit Ben. im Index der Zusatz: 5 tomi etc. wegg^'^^f'
lassen und dem Datum 1. Juli 1693 das zweite 10. Mai 1757 be ='^'*
gefügt ist, 80 wird damit das Verbot auf das ganze Werk
gedehnt.
L. E. Dupin. 687
Nachdem das Breve Clemens' XI. vom 12. Febr. 1703 gegen
den Gas de conscience, den auch D. unterzeichnet hatte, in Paris
angekommen war, wurde er von dem Könige verbannt und so, wie
d'Aguesseau (13, 204) sagt, martyr d'une opinion qu^il ne suivait
pas; er sei ebenso wenig ein Jansenist gewesen wie diejenigen, die
seine Verbannung bewirkt hätten ; man habe aber am Hofe gewusst,
dass er als Gallicaner in Kom übel angeschrieben war, und der
König habe an demselben Tage durch einen Eammerberrn dem
Nuncius sagen lassen, que c^etait pour faire plaisir a Sa Saintete
qu'il traitait ainsi ce docteur. In einem Breve vom 10. April 1703
(Arg. III b 420) belobte denn auch Clemens XI. den König dafür,
da88 er mit der Bestrafung der Unterzeichner des Cas de conscience
den Anfang gemacht, indem er D., nequioris doctrinae hominem
temerataeque pluries Apost. Sedis dignitatis reum, verbannt habe.
Nach vier Jahren durfte er, nachdem er eine Betractation ver-
öffentlicht, zurückkehren. In einem Memoire, welches 1713 der Ca-
puciner Timoth^e de la Fleche dem Könige, angeblich im Auftrage
des Papstes, überreichte, heisst es: der Papst wisse, dass D. unter
dem Schutze des Card. Noailles agitire. Er gehörte in der That zu
den eifrigen Gegnern der Bulle ünigenitns. — Bei seinen Lebzeiten
Icamen noch von ihm in den Index : Trait^ de la doctrine chr^tienne
et orthodoxe, dans lequel les v^ritez de la religion sont 6tablies sur
l'Äcriture et sur la tradition, et les erreurs opposees ditruites par
les radmes principes, 1703, von der Inq. verb. 1704, der 1. (und
einzige) Band eines Lehrbuches für gebildete Laien; — Histoire
de Teglise en abr%£ par demandes et par r^ponses depuis le com-
mencement du monde jusqu'ä prisent, 1712, 4. vol. 12., verb. 1719
(erst seit Ben. im Index), gleichzeitig die italienische Uebersetzung ;
s. S. 199. 1722 verb. die Inq. eine These, welche unter seinem
Präsidium einen Monat vor seinem Tode (f 6. Juni 1719) verthei-
di^ worden war. — Nach seinem Tode erschienen noch: Histoire
du Concile de Trente et des choses qui se sont passees en Europe
tonchant la religion depuis la vocation de ce Concile jusqu^4 sa
&i, Brux. 1721, verb. 1725; — M^moires bist, pour servir k
l^hist. des inquisitions, Col. 1716, 2 vol., verb. 1739 (als Bestand-
theil von Bernards C^r/'monies, s. u.); — Traite theologique et
philos. de la verit^ (im Index steht der Titel noch heute lateinisch
Tractatns theologico-philos. de veritate), Utrecht 1733, 394 S. 12.,
verb. 1742, gleichzeitig: Methodus studii theologici recte instituendi.
Praefationem de vita, factis et scriptis Dupinii praemisit Jo. Frickius
[eine Uebersetzung der Methode pour etudier la th^ologie, 1716,12.,
von dem gelehrten Ulmer Theologen, A. D. B. 7,379]^). — Im span.
1) Das auf den Wunsch Peters des Grossen 1717 von 9 Doctoreu
<ier Sorbonne entworfene Memoire über eine Union der russischen und
lateinischen Kirche ist auch von Dupin unterzeichnet, aber von Boursier
verfasst (Picot 1, 127). In den Jahren 1718 und 19 correspondirte Dupin
mit dem Erzbischof Wake von Canterbury über eine Union. D'un projet
<i'iiBion entre les 6gl. gallicane et anglicane. Correspondance entre Wake,
Arch. de Cantorberi, et Dupin, Docteur de Sorb. Lond. 1864.
588 Gallicanische Rirchenhistoriker.
Index werden alle Werke von D. mit d. c, nur De antiqua eccl.
disciplinu unbedingt verb.
In des Oratorianers Charles Le Gointe Annales ecclesiastici
Francorum, 1665 — 83, wurde 1684 in Rom die Dissertation bean-
Htandet, in welcher er zeigt, dass P. Zacharias nicht den König Chil-
perich kraft seiner päpstlichen Gewalt abgesetzt, sondern nur eine
Anfrage der Franken beantwortet habe (Michaud 4, 233). Das
Buch steht aber nicht im Index.
5. Von Tillemonts Werken sagt Benedict XIV. in dem Briefe
von 1748 über Noris (s. u.), sie seien unter Clemens XI. dennncirt
und vieles der Censur Würdige daraus angeführt, von dem Papst
aber Schweigen geboten worden. Es war der Oratonaner Laderchi,
der Fortsetzer des Baronius, der 1707 Till, als einen sehr verderb-
lichen Autor, den er in 16 Briefen widerlegt habe, denuncirte. Er
war ohne Zweifel auf Till. 's Bücher speciell darum erbost, weil darin
die Martyreracten, auf die er sich in den Noten zu seinen Acta S.
Crescii berufen (S. 430), für unecht erklärt waren. Der Papst be-
fahl die Bücher zu untersuchen. Giusto Fontanini Hess ihm aber
eine Denkschrift überreichen, worin er u. a. sagt: „Gewisse Leute
betreiben das Verbot von Werken berühmter Schriftsteller lediglich
darum, weil darin bezüglich streitiger Punkte, bei denen es sich um
philosophische und die Religion nicht beriihrende oder um geschicht-
liche Fragen handelt, andere Ansichten als die ihrigen vertreten
werden. Solche Verbote würden die Decrete des h. Stuhles dem
Gespötte aussetzen, die Wissenschaft schädigen und die Gelehrten
betrüben. Ausser anderen schon seit langer Zeit bei den Katholiken
in Ansehen stehenden Büchern sind auch die Memoires sur l'hist.
eccl. und Hist. des empereurs von Till, denuncirt worden. Till, war
ein sehr guter Katholik, ein frommer Geistlicher und einer der be-
scheidensten und gelehrtesten Schriftsteller, die es gibt. Seine
Schriften sind lür die Kirche sehr nützlich, werden von den Katho —
liken sehr gelobt und sind den Haeretikern sehr unbequem. . .
Einige Männer, denen die Ehre Roms und die Wahrheit am Herze» ~^
liegt und welche die Werke von Till, unparteiisch geprüft habei
stellen Ew. Heiligkeit ehrfurchtsvoll vor, dass das Verbot derselbi
dem h. Stuhle nicht zur Ehre gereichen und zu grosser Verwirmn
und allgemeiner Unzufriedenheit Anlass geben würde. . . . Wen
Bücher Censoren zur Prüfung übergeben werden, so scheint di
heutzutage schon so gut wie ein Verbot zu sein. Nicht alle Cei
soren sind, wenn auch vielleicht in anderer Beziehung sehr gelehr"
in gewissen Materien gründlich bewandert; es ist niemand da, d(
den Autor vertheidigt, und die Censoren sind von Hanse aus geneij
ihn anzuklagen, und es ist ja gar nicht schwer für sie, etwas Ti
delnswerthes zu finden; ja man glaubt ziemlich allgemein, es sei d(
Amt des Censors, dem ein Buch zur Begutachtung gegeben wircm»^'^
den Autor anzuklagen und nicht zu vertheidigen , und das sei cL
Mittel, sich Ansehen zu verschaffen.** Auch der spätere Cardini
Passionei überreichte dem Papste eine von ihm und anderen Rom -^'
Tillemont Cl. Fleury. 689
sehen Gelehrten unterschriebene Denkschrift^) und auch andere ein-
fluBsreiche Personen machten dem Papste Vorstellungen (Card. Me-
dici wurde damals von Paris aus ersucht, den Denunciationen La-
derchi's gegen angesehene französische Schriftsteller Einhalt zu thun).
Der Papst nahm darauf seinen ßefehl zurück, und im Herbst schrieb
Fontanini an Magliabechi : von einem Verbote Till/s werde, so lange
er lebe, nicht mehr die Rede sein; wenn die Sache an die Index-
Coögr. gekommen wäre, würde er die Vertheidigung Till/s über-
nommen haben; wenn Laderchi seine firiefe drucken lassen wolle,
würden sie ihm zur Censur gegeben werden; die Römischen Ge-
lehrten seien sehr erfreut über das Scheitern der Intrigue ; auch von
Florenz, Neapel und Padua habe er Dankschreiben erhalten (Clar.
Yen. ad Magl. Epp. p. 2Ü4— 274). Fabroni (Vitae lt. 13, 215) hebt
als bemerkenswerth hervor, dass Till, freigegeben worden, obschon
man ihn zu den Jansenisten gezählt und Clemens XI. nihil tam oderat
quam Jansenistarum nomen^).
6. Von Claude Fleury (t 1723) waren bis 1728 nur kir-
chenrechtliche Schriften verb. (S, 573). In diesem Jahre wurde der
zuerst 1679, dann oft erschienene Catechisme historique contenant
en abrigä Phistoire sainte et la doctrine chretienne mit d. c. verb.,
und 1745, auch mit d. c, eine italienische Uebersetzung: Catechismo
istorico che contiene in ristretto Tist. santa e la dottr. christ., Ven.
1705 (beide fehlen in den Index -Ausgaben vor Ben.). Eine von
Paquot corrigirte Ausgabe des Catechisme, Bruxelles 1778 (N. E.
1780, 73. 116), wurde von dem Card. Frankenberg approbirt. Aber
erst 7. Juli 1859 hat die Index -Congr. erklärt: Permittitur editio
emendata Avignon 1859, was in den Index- Ausgaben sonderbarer
Weise nicht unter Fleury, sondern unter Catechisme steht. (In
Spanien wurde eine Uebersetzung von Fr. J. Interian de Ayala,
Madrid 1773, 1785 expurgirt). — Die Histoire ecclesiastique, 1691 —
1720, 20 vol. 4. (bis 1414), wurde mehrfach angegriffen (Hurter 2,
1078), u. a. von dem Carmeliter Honoratus a S. Maria (in saeculo
Blaise Vauzeulle, f 1729) in den anonymen Observations sur THist.
eccl. de M. Fleury adressees au P. Benolt XIII. et aux eveques,
Taille 1726 (in der Approbation des Abdrucks Mecheln 1729 dankt
der Can. Stevart Gott, dass ein Katholik den Muth gehabt, die nach
dem Urtheile aller orthodoxen Theologen sehr schlechte und ver-
derbliche Eirchengeschichte anzugreifen). Ein anderer Carmeliter,
Alex, a S. Joanne de Cruce zu Augsburg, übersetzte die noch stär-
1) Memorie per servire alla storia del Card. Passionei, Rom 1762,
p. 20.
2) Ueber die Bedenken des Pariser Censors gegen den 1. Band der
Hist. ecoL, die Controverse mit B. Lamy über das letzte Abendmahl und
die Angriffe von Faydit s. S.-Beuve 4, 5; Hefele, Beitr. 2, 107. — Das«
die Ultramontanen mit Tillemont nicht zufrieden waren, und er min-
destens mit d. c. in den Index gekommen sein würde, wenn die ('on-
Rregation seine Werke in Untersuchung genommen hätte, sieht man aus
Hurter 2, 466.
590 Gallicanische Kirchenhistoriker.
ker gallicanische Fortsetzung des Fleury'schen Werkes von dem
Oratorianer Jean -Claude Fahre (bis 1595) ins Lateinische nnd lie-
ferte eine weitere Fortsetzung bis 1765 (Hefele, Beitr. 2, 93). —
Im Index steht die Kirchengeschichte nicht. Aber als unter Bene-
dict XIV. zu Venedig eine italienische Uebersetzung derselben er-
scheinen sollte, fand man das in Rom doch wegen der sehr wenig
curialistischen Tendenz des Werkes bedenklich, und der Dominicaner
Orsi rieth, die Sistirung des Druckes zu erwirken und eine neue
italienische Kirchengeschichte schreiben zu lassen, womit er dann
selbst beauftragt wurde (Fabroni, Vitae It. 11,25); er kam in 20
Bänden nur bis 600, sein Werk wurde von Bottari und Becchetti
fortgesetzt.
1750 erschien zu Avignon ein im curialistischen Sinne gehal-
tenes Ahr^gi de l'Hist. eccl. de Fleury, 8 vol. 12., 1751 eine Con-
tinuation als vol. 9. et 10.; als Verfasser wird der Redactenr des
Courier d'Avignon, Francois Morenas genannt. Die Continnation ist
Benedict XTV. gewidmet und wurde von ihm in einem Breve unter
Berufung auf ein günstiges Gutachten des Dominicaners Touron über
die drei ersten Bände belobt. In den Lettres d'Eus^be Philalithe
a M. Fran<2ois Morenas, sur son pr^tendu Abräg6 de THist. . . .
[von Ch. Clemencet], Lie^e 1757 *, p. 552 steht ein Brief des Do-
minicaners, worin er erklärt, sein günstiges Urtheil beziehe sieb
gar nicht auf das Abr^g^ von Morenas, das er damals gar nicht ge-
kannt habe, sondern auf das anonym erschienene Ährigi von Racine
(s.u.). — Ein anderes Abregt de l'hist. eccl. de Fleury, traduit
de Tanglais, Beme 1766, 2 vol. 8., wurde unter Clemens XIV. von
der Inq. Fer. V. 1. März 1770 verdammt. In den Index- Ausgaben
seit 1770 steht es als decreto Clementis XIV. in Congr. 8. Off.
verdammt und wird dem Titel beigefügt: mendax titulus mendacissimi
operis. Das Buch ist nicht zu Bern, sondern zu Berlin gedruckt, —
in Bern wurde es 1766 verbrannt; — das Avant-propos iat von
Friedrich II. (abgedr. in den Oeuvres bist., Berlin 1847, 7, 133 —
144), das Uebrige soll in seinem Auftrage und nach seinen AngaberK\
(er hatte 1762 Fleury ^s Werk gelesen) Abb6 de Prades gemacl"BA
haben (Oeuvres 1. c. p. XIV) ^).
7. Sehr oft sind bisher citirt (mit Avr.) worden Memoir
chronologiques et dogmatiques pour servir k Thistoire ecclisiastiqi
depuis 1600 jusqu'en 1716, avec des r^flexions et des remarqui
critiques, s. 1. (Paris) 1720*, 4 vol. 12.2), ^erb. 1727. Das Bn(
ist für die Kirchengeschichte des 17. Jahrb. ebenso brauchbar
für die des 18. (Picots) M6moires pour servir k l'hist. eccl. penda" — ^d*
1) Auszug aus der Kirchengesch. des Kardinals [!1 von Fleury. Vcgss^^
fasst und mit eigenen Reflexionen begleitet von Friedrich II. von Fmaase^^^'^f
Berlin 1788.
2) Backer erwähnt einen incorrecten Nachdruck von Lyon u^^"
Houen, eine 2. £d. Paris 1739 und eine Ausgabe Nismes 1781, 2 vol. ^'
llurter erwähnt diesen Autor nicht.
R. d^Avrigny. Mabillon. 591
le 18. si^cle, 2. Ed. considerablement aagraentee, Paris 1815, 4 vol.
8., wenn auch beide ihren Partei - Standpunkt deutlich hervortreten
lassen. Der Verfasser ist der Jesuit Hyacinthe Kobillard d'Avrigny
(1675 — 1719). Er hat auch M^moires p. s. ä Thist. universelle
d'Europe 1600—1716, Paris 1725*, 4 vol. 12'., geschrieben. Beide
Bücher sind erst nach seinem Tode erschienen und der mit der Cen-
8ur beauftragte P. Lallemant soll stark daran geändert haben (nach
einer nicht wahrscheinlich klingenden Angabe d'Avrigny vor Aerger
über die Verstümmelung des erstem Werkes durch seinen Ordens-
bruder gestorben sein). Er hat an dem erstem Werke nicht genug
geändert, um es vor dem Index zu schützen. Der Verfasser ver-
räth zwar nichts weniger als Sympathie für die Jansenisten, aber
er spricht an sehr vielen Stellen wie ein richtiger Gallicaner: „Die
Uofelilbarkeit des Papstes und seine Superiorität über das Concil
ist noch ein unentschiedenes Problem, bezüglich dessen jeder nach
seiner Einsicht Partei ergreifen kann. . . Die Schriftsteller, die sich
für den Papst erklären, behaupten, ihre Ansicht nähere sich einem
Glaubenssatze, müssen aber, wenn man Suarez and einige andere
aasnimmt, zugeben, dass sie kein Dogma ist (3, 236). Streitigkeiten,
^e die über die Monarchia Sicnla gehen den Glauben nichts an;
jeder ist berechtigt die Partei zu ergreifen, die er für die gerech-
tere hält (l, 142). Die Väter von Constanz haben nicht daran ge-
dacht zu behaupten, dass die Fürsten von den Statthaltern dessen,
der gesagt, sein Reich sei nicht von dieser Welt, abgesetzt werden
könnten. Die Unabhängigkeit der Könige in weltlichen Dingen ist
in Frankreich immer sehr lebhaft vertheidigt worden. . . Jetzt den-
ken darüber die Staatsbeamten in allen Ländern ebenso; Streit ist
nur noch unter den Theologen (1, 144). Die Lehre der Ultramon-
tanen über einige Punkte erscheint uns als Schmeichelei und Krie-
cherei, und sie erweisen uns kaum die Ehre, uns bezüglich dieser
Pankte als katholisch anzusehen. Es gibt Dinge, worüber man bis
znm Ende der Zeiten disputiren wird (1, 202). Der auf die Un-
abhängigkeit der Fürsten bezügliche Theil der Erklärung von 1682
bietet nur denjenigen Schwierigkeiten, welche für die ultramontanen
Meinungen voreingenommen sind^* (3, 226).
8. Als Mabillon 1686 in Rom war, kamen dort Briefe an, in
denen angedeutet war, er sei bei allen seinen vortrefflichen Eigen-
aobaften ein Gallicaner (Valery I, 296). Er wurde gleichwohl bei
der Curie sehr beliebt und sogar zum Consultor der Index-Congre-
^ation ernannt (S. 12. 115). Beinahe hätte er aber die Gunst der
Curie verscherzt durch die Schrift Eusebii Romani ad Theophilum
G-allum epistola de cultu sanctorum ignotorum, Par. 1698*, 32 S. 4.
Bie ist zwar direct gegen den in Frankreich vorkommenden Miss-
brauch gerichtet, dass man zu Ehren von Heiligen, von denen man
Reliquien aus den Katacomben erhalten und denen in Rom Namen
beigelegt worden, grosse Feste veranstaltete, Predigten hielt, das
Sanctissimum ausstellte u. s. w., und Mab. konnte sich diesem Miss-
brauch gegenüber auf ein Decret der Congregation der Riten vom
J. 1691 berufen, wonach nur von solchen Heiligen, die im Marty-
592 Gallicanische fiirchenhistoriker.
rologium stehen, Officinm nnd Messe gehalten werden soll. Aher
wenn auch nur indirect, so ist doch die Schrift hauptsächlich eine
Kritik der Römischen Praxis bezüglich der „unbekannten Heiligen".
Mab. tadelt den Gebrauch, dass der Cardinal - Vicar oder der Mon-
signore Sacrista die Heiligen, von denen man Reliquien in den Ea-
tacomben gefunden, ohne dass auf den Grabsteinen ihr Name ge-
nannt war, „taufe", d. h. ihnen Namen (Victor, Felicissimus u. dgl.)
beilege ^), was zu dem Unfug Anlass gebe, dass man nun auch
Yitae solcher Heiligen fabricire, die auf blossen Yermuthungen oder
Erdichtungen beruhten oder aus anderen Vitae entlehnt seien, wie
man z. B. das, was von einem Mailänder Märtyrer Victor berichtet
werde, auf einen Victor übertragen habe, dessen Reliquien aus den
Katacomben nach Paris gekommen seien; es gebe solcher Vitae,
die von Rechtswegen im Index stehen sollten. Ferner meint Mab.,
es würden viele in den Katacomben gefundene Gebeine ohne genü-
genden Grund als Gebeine von Märtyrern angesehen. Man habe
früher jedes Grab als Grab eines Märtyrers angesehen, auf dem
man ein Kreuz, das Monogramm Christi, einen Palmzweig n. dgl.
gefunden, und erst 1608 habe die Congregation der Ablässe nnd
Reliquien erklärt: nur ein Palmzweig verbunden mit einem Blut-
fläschchen sei ein sicheres Kriterium; über die anderen bisher an-
genommenen Kriterien bleibe die Entscheidung vorbehalten. Mab.
macht darauf aufmerksam, dass zwar in den Katacomben viele
Märtyrer beigesetzt, die Reliquien der meisten aber schon unter Gre-
gor III. (IV.) erhoben worden seien.
Die Schrift war schon 1691 fertig; 1696 schickte sie Mab.
an den Card. CoUoredo, dem er sie widmen wollte. Dieser rieth
ihm aber, sie in dieser Gestalt nicht zu veröffentlichen. Mab. Hess
sie nun doch erscheinen, aber pseudonym. Gleich nachdem sie m
Rom bekannt geworden, schrieb Estiennot an Mab.: Card. Casanat^
rathe ihm, er solle gleich eine zweite Ausgabe voröffentlichen nu^
in dieser sagen: er habe die Zweifel, welche die Kritiker bezüglü
der Kriterien der Märtyrer erheben könnten, vorgetragen, sei ab«
der Ansicht, dass auf Grund einer constaiiten Tradition die fi
liehen Gebeine als Reliquien von Märtyrern angesehen und vereh
werden dürften, zumal es sich um eine Sache handle, die den Glav
ben nicht berühre. Mab. lehnte das ab. Estiennot schrieb ihm noc?
mals: die Dissertation werde sicher grossen Anstoss erregen; mi
versende alle Tage solche Reliquien, und der Papst wolle bei
legenheit des bevorstehenden Jubiläums eine grosse Quantität v<
schenken; es sei ein Missbrauch, aber man müsse ihn dulden u. 8. '
Im Mai 1698 schickte er Mab. die Bedenken eines Generals ui
eines Provinciais: Mab. gebe den Ketzern Gelegenheit, den Reliquie
cultus anzugreifen; er gehe mit seinen Vorwürfen auch zu weiS" -^^i
so leichtfertig, wie er annehme verfahre man in Rom nicht; die K ^*'
1) I)a8 Verzeichnias der Namen, die beigelegt werden, s. A. J.
7, 967.
3. Mabillon. 590
tacomben könnten noch nicht erschöpft sein, da dort viele Taneende
von Märtyrern beigesetzt worden seien n. s. w. — Zu denen, die
Mab. zustimmten, gehörte auch der Bischof Flechier von Nismes ;
er schrieb ihm: „Ich habe lange gewünscht, dass man einigen aber-
gläubischen Gebräuchen bezüglich der Leiber ein Ende machte, die
man Heilige nennt und die vielleicht nicht einmal getauft waren.
Die Römische Curie ist mitunter sehr freigebig mit solchen Ge-
schenken. Es kommt kein vornehmer Herr von Rom zurück, ohne
einen Märtyrer mitzubringen, für den er dann eine Andacht und ein
Fest in einer Kirche einrichtet, die er in Affection genommen. So
entstehen an manchen Orten falsche Geschichten und wenig solide
Ansichten."
Die erste Entgegnung, welche unter dem Titel R^ponse k une
lettre de Dom Mabillon sur les Saints des catacombes, Col. 1698,
erschien, — Mab. hielt einen Jesuiten für den Verfasser, andere
vermuthen den 1696 protestantisch gewordenen Mauriner La Croze,
— veranlasste Mabillon, einen vom Juli 1698 datirten Brief, Fr. Jo.
Habillonii epistola ad D. Cl. Estiennot, Procuratorem Congr. S. Mauri
in Curia Rom., super epistola de cultu sanctorum ignotorum nach
Rom zu schicken I wo Estiennot Abschriften an die Cardinäle und
Consultoren der Inquisition und der Index-Congr. vertheilte ; er wurde
in Paris 1698 auch gedruckt. In diesem sagt er u. a. : er erkläre
allerdings alle Kriterien mit Ausnahme des Palmzweigs zusammen
mit dem Blutfläschchen für unsicher; wenn aber Gebeine auf andere
deichen hin als Märtyrer-Reliquien vertheilt würden, so geschehe das
Glicht von dem Papste, auch nicht von dem Cardinal- Vicar oder dem
Sacrist«, sondern von XJnterbeamten ; man sollte bei der betreffenden
TJntersuchung ebenso vorsichtig verfahren wie bei einer Canonisation ;
«ein Brief sei weder gögen die Reliquienverehrung noch gegen Rom
gerichtet; er habe nicht behauptet, seit Gregor IV. seien überhaupt
l[eine Märtyrer- Leiber mehr in den Katacomben ; mehrere Katacomben
«eien erst später entdeckt worden. Estiennot konnte Mab. berichten,
dass diese Erklärung von einflussreichen Cardinälen gut aufgenommen
"worden sei. — 1700 erschien in Rom eine Entgegnung (Raphael
!Fabretti, Präsident der Congregation zur Untersuchung der Reliquien,
liatte eine solche schreiben sollen, starb aber 27. Apr. 1700): In
«pistolam Eusebii Rom. . . . apocrisis, in qua defendiintur contra
Sus. reliquiae e catacombis Rom. erutae, auct. Ant. Alex. Ploverio
TTornac. (Plouvier war ein früherer Oratorianer; Estiennot meinte,
«r habe nur seinen Namen dazu hergegeben). Der Mag. S. Pal.
eagte Estiennot, er habe darin alle scharfen Ausdrücke gestrichen ;
^ber Montfaucon, der damals in Rom war, nennt das Buch male-
«lictis respersum, nugis plenissimum et tamen editum cum approba-
'tione Domini Patrizzi et permissu Mag. S. Pal. (Valery 3, 94).
Sstiennot rieth Mab., nicht darauf zu antworten, da die Schrift
^wenig Eindruck gemacht habe; ja er glaubte im Aug. 1700 Mab.
versichern zu dürfen, dass sein Brief weder denuncirt sei noch werde
^enuncirt werden. Aber im Mai 1701 erfuhr Mab., dass bei der
Index-Congr. eine Denunciation eingegangen sei. Er wandte sich
B«iuoh, Index n. 88
i)94 Gallicanische Kirchenhistoriker.
darauf an den Card. Bouillon und dieser schrieb in seinem Interesse
an den Secretär des Index, P. Bianchi, der Mab.'s Gegner war;
Bianchi antwortete, er werde die von dem Cardinal angeführten
Gründe für die Schonung des Verfassers der Congregation vorlegen.
Am 22. Nov. 1702 schrieb Guillaume de la Pare, der nach dem
Tode Estiennots Procurator der Mauriner geworden war, an Mab.:
Bianchi habe zuerst Msgr. Franc. Bianchini mit dem Referate über
seinen Brief beauftragt, dann aber, nachdem dieser seinen Bericht
eingereicht, noch einen zweiten Qualificator bestellt, der wahrschein-
lich weniger günstig berichten werde. Im Jan. 1703 schrieb de la
Pare femer: auch Bianchini rathe, zwei Stellen zu corrigiren, die
Berufung auf den Brief Gregors III. an Otgarius von Mainz, der
nicht echt sein könne, da jener 100 Jahre früher gelebt als dieser,
und die Bemerkung, man sehe auch das Kreuz, das Monogramm
Christi und den Palmzweig als Kriterien an, da man in Wirklich-
keit nur den Palmzweig mit dem Blutfiäschchen zusammen als Kri-
terium gelten lasse. Mab. antwortete bezüglich des ersten Punktes:
der fragliche Brief sei von Gregor IV., Gregor III. sei nur ein
Druckfehler, bezüglich des zweiten: auch bezüglich des letztem Kri-
teriums hätte er noch viel zu sagen, was er aus Bespect vor dem
h. Stuhle und der Congregation der Riten unterlasse; tbatsächlich
habe man aber auch andere Kriterien gelten lassen. „Wenn man
in Rom die Ausschreitungen kannte, die in Frankreich und anderswo
vorkommen, so würde man zugeben, dass das, was ich gesagt habe,
eigentlich eine Apologie des Decretes der Congr. der Riten ist,
welches diese Missbräuche verdammt, welches aber hier zu Lande
schlecht beobachtet wird, wo man Feste zu Ehren dieser Art von
Heiligen mit grösserer Feierlichkeit begeht als die Feste der grössten
Heiligen der Kirche." Bianchini erklärte sich befriedigt; Bianchi
aber sagte, die Untersuchung müsse weiter geführt werden, weil der
Card. Carpegna auf einem Verbote des Briefes bestehe. Am 27.
Sept. 1703 schrieb Mab. an Card. Colloredo: wenn er wüsste, wa»
man beanstande, werde er gern die betreffenden Punkte erläoterim
oder verbessern; er denke daran, eine neue Ausgabe zu veranstalten^
und wenn die Congregation darin citra veri et sinceri praejudician^^
etwas beigefügt haben wolle, werde er gehorchen. Colloredo schnell
ihm dann 20. Nov. 1703, am 19. habe die Index-Congr. beschlossen^
die Ausstellungen an dem Briefe zusammenstellen zu lassen, nn^B
diese Observationes wurden von einem Bruder des Card. OttobonS
Renaudot und von diesem Mab. mitgetheilt. Es sind — abgesehen^i
von dem Briefe Gregors III. — zwei Punkte: nur das Eine Kri —
terium werde in Rom anerkannt, und die Katacomben seien noc)
nicht erschöpft, man dürfe nicht mit Dodwell, den Ruinart widerleg
habe, an der grossen Zahl der Märtyrer zweifeln. Mab. erklärtes:
darauf, er werde diese Bemerkungen in seiner zweiten Ausgabe be —
rücksichtigen. Bianchi brachte die erste Ausgabe 21. April 170^
nochmals in der Index-Congr. zur Sprache und Hess den Bericht d(
zweiten Qualificators verlesen; die Cardinäle beschlossen, wie
geschehen pflegte, wenn die zwei ersten Qnalificatoren nicht übei
i. Mabillon. 6. Ceppi. 5§o
einstimmten, einen dritten zn bentellen; aber im Mai spracli Card.
Ottoboni anf den Wunsch Renandots mit dem Papste, nnd dieser
befahl Bianchi, die Sache bis auf weiteres ruhen zu lassen. — Mit
einem Briefe vom 8. Febr. 1705 übersandte Mab. Clemens XI. das
erste Exemplar der zweiten Ausgabe, und 2. Juni meldete ihm
Card. Ottoboni, die Index-Congr. habe einstimmig beschlossen, die
Sache als mit dieser neuen Ausgabe erledigt anzusehen. In
einem Briefe vom 19. Jan. 1705 sagt Mab.: er habe seine Schrift
retouohirt, ohne etwas abzuschwächen, und sie um mehr als die
Hälfte vermehrt, in der Vorrede zu der neuen Auflage : er habe sie
veranstaltet ad ejus nutum et imperium, penes quem residet summa
praecipiendi auctoritas, und darin gemildert, was zu scharf, erläutert
was zu dunkel gesagt gewesen, und corrigirt, si quid secus quam
par sit a me scriptum nonnullis videatur; namentlich hebe er her-
vor, dass man nicht den Palmzweig allein, sondern nur in Verbin-
dung mit dem Blutfläschchen als Kriterium ansehe, und dass nicht
den Cardinal- Vicar oder den Monsignore Sacrista, sondern nur die
secundarii ministn ein Vorwurf treffe^).
Von dem zweiten Theile von Mabillons Trait^ des ^tudes mo-
nastiqnes, Par. 1691,4., der ihn in eine Controverse mit dem Trap-
pisten-Abt de Ranc6 verwickelte, erschien zu Rom eine italienische
Bearbeitung: La scuola Mabillona, nella quäle si trattano quei stndii
che possono convenire agli ecclesiastici, con una lista delle princi-
pali difficoltä che si trovano nella lettera de' concilii, dei padri e
deir istoria, gik eretta per li Padri Benedittini di Francia ed ora
aperta a tutti li religiosi d'Italia dal P. M.Nicola Girolamo Ceppi
J^gostiniano, Rom 1701. 1727, 2 vol. 12. Thuillier I, 367 berichtet
darüber: Ceppi habe Mühe gehabt, von dem Magister S. Pal. die
J)rnckerlaubniss zu erhalten ; derselbe habe Anstoss daran genommen,
^ass darin auch die Leetüre von haeretischen Büchern, wenn auch
mit Vorbehalt, empfohlen, dass Usserius, ein Haeretiker, der zuver-
lässigste Führer auf dem Gebiete der Chronologie genannt, dass
gewisse scholastische Fragen als überflüssig bezeichnet, dass Theo-
^oret über Gebühr erhoben, dass die Profangeschichte und Chrono-
logie als für das Verständniss der h. Schrift nothwendig dargestellt
"Würden; auch dass Annius von Viterbo ein Betrüger genannt werde,
liätten die Dominicaner übel genommen; der Mag. S. Pal. habe so-
^^r gedroht, er werde Mabillons Buch durch die Inquisition censu-
^ren lassen; auf die Vorstellungen des P. Massoulie hin habe er
1) Beide Ausgaben der Schrift von Eusebius Rom. abgedr. in Ouvr.
rsth. de J. Mabillon et de Th. Ruinart, par V. Thuillier, Par. 1724,
213; ebend. p. 803 ff. die meisten im Text benatzten Actenstücke.
Vgl. Valery 8, 10 ff. und Paulinus, die Märtyrer der Katakomben und die
Hörn. Praxis, 1871, S. 49. — Die wissenschaftliche Controverse über
iie Leiber aus den Katacomben ist in neuerer Zeit wieder aufgelebt; über
lie Schriften von de Bück, Le Blant, Scognamiglio, Kraus s. Paulinas
i. a. 0., K.-L. 1, 766. — Auch der mit diesen Reliquien getriebene Unfag
«t in neuester Zeit mehrfach aufgedeckt worden. Rhein. Merkur 1871, 808.
696 Gallicanisohe Kirchenhistoriker.
endlich das Imprimatur ertheilt unter der Bedingung, dass die Em-
pfehlung der Lecture haeretißcher Bücher weggelassen werde. Trotz
des Imprimatur wurde Ceppi's Buch 1735 von der Inq. verb.
Gegen Montfaucons Diarium italicum, Paris 17<^2, erschienen
Osservazioni di Francesco Ficoroni sopra l'antichitä di Roma de-
scritte nel Diario italico publicato in Parigi . . , Bom 1709. Mont-
faucon vertheidigte sich gegen die Bemerkungen des Römischen
Archäologen im Journal des Savants 1709. Es erschien aber auch
eine Apologia del Diario italico del M. R. P. D. Bernardo Mont-
faucon . . . contra le Osservazioni . . . composta dal Padre Don
Romualdo Riccobaldi . . ., Yen. 1710, die von den Benedictinem
dem Papste und den Cardinälen überreicht wurde, aber nicht von
einem Mönche von Monte Cassino, auch nicht von Fontanini (Clar.
Ven. ad Magliab. Ep. 295), sondern von Paolo Aless. Maffei ver-
fasst ist. Die Index-Congr. verbot 1714 beide Schriften mit d. c,
wohl lediglich wegen der darin vorkommenden Grobheiten; um theo-
logische Dinge handelt es sich nicht.
P. Timothee de la Fleche (p. 154) erzählt, er habe 1713 im
Auftrage Clemens' XI. Ludwig XIV. für die Aufhebung der Con-
gregation der Mauriner gewinnen sollen, die er schon seit längerer
Zeit wegen der vielen Irrthümer, die von denselben verbreitet wür-
den, vorhabe. Die Mauriner galten als Jansenisten und Gallieaner,
und nach 1713 waren viele von ihnen Appellanten. Sie haben viele
Schriften veröffentlicht, von denen man sich wundern muss, dass sie
nicht im Index stehen. Besonders auffallend ist es, dass von den
vielen Schriften von Charles Clemencet (f 1778) keine verb. ist.
Im Dict. Jans. 1, 108; 2, 421 wird die von ihm, Dantine und Du-
rand herausgegebene Art de verifier les dates scharf kritisirt, und
sie ist eine seiner harmloseren Schriften. — Eine anonyme Schrift
von dem Mauriner Antoine Guyard (t 1760) steht im Index: Dis-
sertation sur l'honoraire des messes, oü Ton traite de son ori-
gine, des illusions et autres abus qui en sont suivis . . Oavrage
examine et approuv6 par differents docteurs, s. 1. 1748, 327 S. 8.»
verb. 1750 (vgl. M^m. de Trev. 1749, 97), eine vermehrte Ausgab
1757, italienisch: Diss. sulT onorario delle messe, Prato 1785 (G-
eccl. l, 107), deutsch unter dem etwas vergröberten Titel: Dringend
Vorstellung an die Religion wider die Halbguldenmesse und di
Priestermiethe. Eine französ. Abb. des berühmten Don Ant. Goyar
. . Auf die österreichische Kirche angewendet von Karl Jo
Huber,. . des Fürstbischofs zu Passau geistl. Rath, 1783,202 8.8.^
9. Pierre-Fran^ois Le Courayer, Regular-Canoniker aus d
1) In der Histoire literaire de la France (1733 ff.) wurde den Ma
rineni von der französieclien Censur einiges gestrichen, z. B. in dem
Bande (1746) ein Passus über die Scholastik: On viut bientot k substitui
ä Pautorite de l'ecriture, des conciles et des peres celle d'Aristote
d'autres auteurs profanes et k po8<T pour principes des axiomes pris d'u
mauvaise pliilosophie etc. Bibliophile Beige 18ü8, 251. Th. Lit.
1870, 968.
Mauriner. Le Courayer. 597
Congregation St. Genovefa (Picot 2, 24; Migne 2, 4181, veröffent-
lichte anonym DiRRertation Rur la validit^ des ordinationR des
anglois et sur la RnccesRion des ^v^queR de lYglifle anglicane, Brux.
(Nancy) 1723, und zur Vertheidigung derselben gegen Le Quien,
Hardouin n. a. Defense de la Diss. . . . anglois contre les diffä-
rentes r^ponses qui y ont ^te faites, avec leR preuves justificatives
des faits avances dans cet oiivrage, Bmx. 1726, 4 vol. 12. l>as
zweite Buch erregte noch mehr Anstoss als das erste, weniger wegen
der Vertheidigung der Gültigkeit der anglicanischen Weihen als
wegen AeuRserungen über andere Punkte. Der Bischof de Belzunce
von Marseille verdammte beide Bücher 1727. In demselben Jahre
wurden sie auf Befehl des Königs von 20 in Paris anwesenden Bi-
schöfen unter dem Vorsitze des Card. Bissy geprüft und, nachdem
diese 37 Sätze daraus censurirt hatten, 7. Sept. 1727 verboten.
Auch das Concil von Embrun verdammte sie auf Grund eines von
dem Bischof von Marseille erstatteten Berichtes 28. Sept. 1728
(Coli. Lac. 1,698. 715). Benedict XIIL verdammte sie durch ein
Breve vom 25. Juni 1728 (Bull. 13, 348), weil sie resp. falsche,
. . . für die Autorität des h. Stuhles und der Concilien injuriöse,
schismatische, . . . die Bedeutung der h. Weihen und anderer Sacra-
mente der Kirche zerstörende und ketzerische Sätze enthielten^). —
1750 wurde verb. Commentatio hist.-theologica, qua controversia de
consecrationibns episcoporum anglorum recensetur et dijudicatur, in
academia Julia praeR. Jo. Laur. Moshemio conscripta et exhibita ab
Olao Eiörningio Sueco [Pastor primarius in Stockholm], Heimst.
1739,4. (ü. N. 1739 B, 196). — Courayer wurde 1727 von seinem
Abt ausgestossen , und da der Erzbischof Barchmans von Utrecht
seine Dienste ablehnte, ging er im Jan 1728 nach England, — die
Universität Oxford hatte ihn 28. Aug. 1727 zum Dr. theol. ernannt,
— wo er erst 1776, 95 Jahre alt, starb. In seinem Testamente
vom J. 1 774 sagt er, er sterbe als Mitglied der katholischen Kirche,
missbillige aber mehrere Meinungen und aberglnubische Dinge, die
in der Römischen Kirche eingeführt seien. Im Index stehen von ihm
noch Histoire du Concile de Trente, ecrite en italien par Fra Paolo
Sarpi et traduite de nouveau en frangois, avec des notes critiques,
bist, et th^ül., Lond. 1736, 2 Fol. (AmPt 1736, 2 vol. 4.), verb.
durch ein Breve Clemens' XII. vom 26. Jan. 1740 (Bull. 15, 345),
«]& falsche, . . . früher verdammte, für alle Bischöfe, den h. Stuhl
und die ganze Kirche injuriöse, . . . ketzerische und die Begründung
«ines gottlosen und ketzerischen Keligionssystems bezweckende Sätze
enthaltend, — Defense de la nouvelle traduction de l'Hist. . . ., verb.
1746. — Von der Uebersetzung Sarpi's schreibt Card. Fleury an
Card. Querini lin dessen Commentarii II, 2,293): die Vorrede sei
das Scandalöseste, was man sich denken könne, nicht nur protestan-
"^isch, sondern fanatisch; das Buch werde begierig gelesen werden
1) Courayers Dissertation on the validity . . . new edition, entirely
irevised, with biographical introd. and many notes and additions, Oxf. 1844.
598 Philosophische Schriften.
und viel Böses anrichten; die Kegiernng habe mit £rfolg die Ein-
schleppang von Exemplaren nach Frankreich bei schwerer Strafe
verboten. — Auffallender Weise stehen andere Schriften von Cour,
nicht im Index, auch nicht Relation bist, et apologetique des sen-
timents et de la conduite du P. Le Courayer, avec les preuves
justificatives des faits avances dans Touvrage, Amst. 1729, 2 vol. 12.,
und das anonyme Examen des defauts th^ologiques, oü Ton indique
les moyens de les r^former, Amst. 1744*, 2 vol. 12.
62. Philosophische SchrifteD, 1660—1750.
Es ist ganz unrichtig, wenn 6. Ventara, De methodo phi-
losophica, Rom 1828, sagt: die philosophische Methode des
Cartesius (R6n6 Descartes, 1596 — 1650) sei zweimal in Rom
verdammt worden. Es sind nur im J. 1663 die Hauptschriften
desselben mit d. c, 1722 von den Meditationes eine Ausgabe
mit Zuthaten anderer unbedingt von der Index-Congregation
verboten worden. Ueber die Methode liegt also gar kein Ur-
theil vor; es sind nur einzelne Theile der Schriften beanstandet
worden. Welche, dartiber liegt gleichfalls keine authentische
Erklärung vor, da eine expurgirte Ausgabe nicht erschienen ist
und die Stellen, welche zu streichen oder zu ändern gewesen
wären, von der Index-Congregation nicht angegeben worden
sind^). Es wäre freilich nicht möglich gewesen, aus den Haupt-
schriften die Stellen hinaus zu corrigiren, an denen Cartesius'
Gegner Anstoss nahmen, ohne sein System zu zerstören; denn
der Hauptanstoss war der Gegensatz, in welchem er zu der
Aristotelischen Philosophie stand, und wären seine Schriften
mit dieser in Einklang gebracht worden, so würden sie eben
nicht mehr Schriften des Cartesius gewesen sein. Wahrschein-
lich hat man in Rom bei dem Verbote mit d. c. gar nicht an
eine Expurgation gedacht, sondern diese Form des Verbotes
1) Vffl. den Aufsatz von Gosselin inTables des oeavres de Fenelon,
precedees (rune revue de ses ouvrages, Paris 1830, p. 52. Stockt im K.-L.
2, 1189 erwähnt das Verbot der Schriften des Cartesius gar nicht. —
Zum Folgenden vgl. Fr. Bouillier, Hist. de la philosophie Cartesienne,
Par. 1854, 2 vol. J. B. Meyer, Die Philosophie auf dem index, Deutsche
Revue 8, 2, 220.
R. Descartes. 599
nur als die mildere gewählt (I S. 30). — Von dem Oratorianer
Nicolas Malebranche (1638—1715) wurde eine Reihe von Werken
unbedingt verboten. Dagegen stehen die philosophischen Schriften
von P. Gassendiy M. Mersenne und E. Maignan nicht im Index.
Besonders strenge wurden, freilich erst 1726, die Streitschriften
des Neapolitaners Costantino Grimaldi gegen die Bekämpfung
des Cartesianismus durch den Jesuiten deBenedictis (1694) ver-
boten. Von den vielen Schriften, in welchen über die Vereinbar-
keit der neueren philosophischen Ansichten mit der Lehre von
der Transsubstantiation verhandelt wurde, sind nur einige ver-
boten. — Von B. Spinoza wurde der Tractatus theologico-poli-
ticus 1679, 9 Jahre nach dem Erscheinen verboten (er steht
noch heute als anonymes Buch im Index), gleichzeitig die Opera
posthuma, Amst. 1677. Von philosophischen Schriften protestan-
tischer Verfasser stehen nur wenige im Index, von Leibuiz und
Chr. WolflF keine. Im spanischen Index stehen auch Cartesius,
Malebranche und Spinoza nicht.
1. In dem Decrete vom 20. Nov. IBßS (Alex. No. 78; im In-
dex von 1881 ist verdruckt 1666) wurden von Descartes (im
Decrete und in den älteren Indices R. des Chartes) mit d. c. verb. :
Meditationes de prima philosophia, in quibns Dei existentia et ani-
mae hnmanae a corpore distinctio demonstratur. His adjunctae sunt
variae objectiones doctorum virorum . . . cum responsionibus autboris,
Amst. 1650 (zuerst Par. 1641); — Notae in programma quoddam
sub finem a. 1654 [vielmehr 1647, von Henr. Eegius in Utrecht]
in Belgio editum cum hoc titulo: Explicatio mentis humanae s. de
anima rationali, ubi explicatur, quid sit et quid esse possit (Amst.
1647; ab^edr. in den Epistolae, Amst. 1668, l, 317—332); — Epi-
stola ad P. Dinet, S. J. per Franciam Propositum provincialem (in
der angegebenen Ausgabe der Medit. p. 143 — 1 4); — . Epist. ad
Gisbertum Voetium, in qua examinantur duo libri pro Voetio ültra-
jecti simul editi: primus de confraternitate Mariana, alter de philo-
sophia Cartesiana (Amst. 1643, der angegebeneu Ausgabe der Medit.
beigedruckt); — Passiones animae, libellus gallice conscriptus, nunc
autem in exterorum gratiam latina civitate donatus ab H. D. M. J.
U. L., Amst. 1650; — Ejusdem auctoris opera philosophica, womit
ohne Zweifel die 1644 (und KioOund 1656) zu Amsterdam erschie-
nenen Op. phil. sc. Principia philosophiae, Dissertatio de methodo
(französiscli zuerst 1637), Dioptice, Meteora et Tract. de pass. ani-
mae gemeint sind (Pieters, Annales de Tlmpr. des Elseviers, 1858,
p. 246). — Wenn Meditationes de prima philosophia, in quibus ad-
jeotae sunt utilissimae quaedam animadversiones ex variis authoribus
600 Philosophische Schriften.
collectae, Amst. 1709, 1722 ohne d. c. verb. wurden, so gilt dieses
unbedingte Verbot nur für diese Ausgabe mit Zuthaten von anderen.
Schon vor dem Römischen Verbote, 10. Mai 1662, schrieb ein
Cardinal von Rom an einen Löwener Theologen: er wundere sich,
dass zu Löwen die Irrthümer der Cartesianischen Philosophie gras-
sirten, die zum Atheismus führten. Am 1. Juli forderte der Inter-
nuncius Hieronymns Vecchio zu Brüssel die Löwener Artisten- Fa-
cultät auf, den Epikureischen Dogmen der Cartesianischen Philosophie
entgegenzutreten und die alte Aristotelische Lehre aufrecht zu hal-
ten. Die Thesen, welche ein Candidat der Medicin am 29. Aug.
vertheidigen sollte, veranlassten den Internuncius sich klagend an
den Rector zu wenden. Dieser legte die Thesen der theologischen
Facultät vor, welche sie scharf censurirte (Arg. III b 303). Trotz
dieser Verbote wurde die Cartesische Lehre in Löwen vorgetragen
und 1697 widmeten sogar fünf Franciscaner Cartesianische Thesen dem
Internuncius. — Im J. 1666 verbot man in Paris die kirchliche
Beisetzung der Asche des Cart. und, als diese gestattet worden, die
Trauerfeierlichkeit und 1667 die Errichtung eines Denkmals^).
Um 1671 bat die Sorbonne, deren Decan Morel war, den ersten
Präsidenten Lamoignon um Wiedereinschärfung eines alten Arrgt,
wonach nur die Philosophie des Aristoteles vorgetragen und jede
Neuerung, also jetzt die Cartesische Philosophie fem gehalten wer-
den sollte. Lamoignon fragte Arnauld und Boileau um Rath. Jener
schrieb eine ernsthafte Denkschrift (s. u.), dieser aber antwortete:
„Lassen Sie mich nur machen, Herr Präsident, ich werde Sie von
diesen zudringlichen Menschen befreien", und verfasste ein Arr§t
burlesque, donne en la Grande Chambre du Parnasse, en favear des
maitres es arts, medecins, et professeurs de TüniversitÄ de Stagire,
welches mit dem Satze schliesst: La Cour maintient et garde Ari-
stote en pleine et paisible possession et jouissance des dites ^coles,
ordonne qu'il sera toujours suivi et enseigne par les . . . professeurs
en la dite Universite, sans que pour cela ils soient oblig^s de le
lire ou de savoir sa langue et ses sentimens; remet les entitis,
identit^R etc. en leur bonne fame, . . . bannit k perpetuitÄ la Raison
des ^coles de la dite Universit^, lui fait defense d'y entrer, troubler
ni inqui^ter le dit Aristote en la possession y jouissance d'icelles, k
peine d*etre d^clar^e jansÄniste et amie des nouveaut^s (Bouillier I,
456. S.-Beuve 5, 490) — In Paris erfolgte darauf für jetzt kein
Verbot; aber der Universität zu Angers wurde durch ein Schreiben
des Königs und eine Verordnung des Conseil d'6tat ISlf) das Vor-
tragen der Ansichten von Cart. untersagt, worauf auch die theolo-
gische Facultät zu Caen ein solches Verbot erliess^); 1691 wurden
1) K. Fischer, Gesch. der neuern Ph. 8. Aufl. 1. 2, 9.
2) .Arg. III b 338. 344. Bouillier 1, 460. Ausführlich handeln ober
die Streitigkeiten in Angers, wo Bernard Lamy und andere Oratorianer
die Cartesianische Philosophie vortrugen, Haureau, Hist. litt, du Maine 2,
118, und Ingold, Essai p. 65.
i
R. Descartes. 601
auch den Professoren der Philosophie zu Paris 1 1 Sätze mitgetheilt,
die der König zu lehren verbiete, und 1693 schärfte ihnen die Sor-
bonne ein, von der Aristotelischen Lehre nicht abzuweichen und
sich vor Neuerung zu hüten (Arg. Illa 140). — 1678 verboten die
Generalcapitel der französischen Oratorianer, unter denen bis dahin
der Cartesianismus eifrige Vertheidiger gefunden, und der Clerici
reguläres der Congregation der h. Genovefa den Vortrag der Car-
tesischen Lehre (Arg. IIIb342. A. J. P. 22, 611). Die entschieden-
sten Gegner des Cart. waren die Jesuiten. Hon. Fabri soll der Haupt-
nrheber des Kömischen Verbotes sein, und Arnauld sagt in dem
gleich zu erwähnenden Memoire, dem Vernehmen nach habe der
General durch ein Circular die Jesuiten aufgefordert, gegen Cart.
aufzutreten. Der Jesuit Le Vallois schrieb unter dem Namen Louis
de la Ville: Sentimens de M. des Cartes touchant Tessence et les
proprietez du corps, opposez k la doctrine de TEglise et conformes
aux erreurs de Calvin sur le snjet de l'eucharistie, avec une dis-
sert. sur la pr^tendue possibilite des choses impossibles, Par. 1680
(Bouillier 1, 567). — Sehr heftig wurde Cart. von Gisbert Voetius
und Martin Schoockius in Utrecht angegriffen. Auf ihr Betreiben
wurden seine Epistolae ad Voetium und die Epist. ad P. Dinet,
worin er über den Streit mit Voetius berichtet, in Utrecht verboten ;
das Verbot wurde aber von den Generalstaaten aufgehoben (Boul-
lier 1, 242).
Bosöuet sagt (38, 251) von Cart.: „Er hat immer gefürchtet,
von der Kirche censurirt zu werden, und man sieht, dass er mit
Rücksicht darauf grosse, hie und da übergrosse (jusqu^ä Texc^s)
Vorsicht angewendet hat." Nach der Verurtheilung Galilei's unter-
drückte er ein fast vollendetes Werk über die Welt und wagte er
nicht mehr, sieb offen für die Copernicanische Lehre auszusprechen
(Boullier 1, 42).
Ein entschiedener Vertheidiger des Cart. war Arnauld (Boul-
lier 2, 143. S.-Beuve 5, 350). In dem für den Präsidenten Lamoi-
gnon geschriebenen Memoire sur les sollicitations que fait M. Morel
et quelques autres docteurs pour obtenir du parlement un arr^t qui
condamne toute autre philosophie que celle d'Aristote (Boullier 1 ,
458. A. J. P. 14, 253), erinnert er unter Bezugnahme auf Launoy
an die mittelalterlichen Verbote des Aristoteles (I S. 17 ), die ohne
Wirkung geblieben seien. Er erwähnt dann, dass unter Franz I.
Ramus zuerst verboten, dann auf Betreiben des Cardinais von Loth-
ringen wieder erlaubt worden sei, zu duciren, dass die Sorbonne
1624 anti- aristotelische Lehren strenge verdammt habe (Arg. III a
215), dass aber in demselben Jahre Gassendi seine Exercitationes
paradoxicae adversus Aristotelem geschrieben. Vor 20 Jahren habe
Cart. seine Metaphysik der Sorbonne gewidmet, und sie habe bis
jetzt dazu geschwiegen; die Behauptung, die Lehre des Cart. ruinire
die Lehre von der Transsubstantiation sei grundlos; es handle sich
jetzt wieder wie 1624 hauptsächlich um die Lehre von den Formae
substantiales, deren herkömmliche Fassung aber auch von Hon. Fabri
in der dem Jesuiten-General gewidmeten, 1666 zu Paris gedruckten
602 Philosophische Schriften.
Schrift De plantis et de generatione animalitun, and von dem P.
Maignan, der zu Kom Professor gewesen, in seinem 1653 la Tou-
louse gedruckten Lehrbuche bestritten werde. — In einem Briefe
von 1691 (3, 395) sclireibt er: er wundere sich nicht darüber» daas
wie du Yaucel melde, in Neapel junge Leute durch die Leetüre
Gassendi's Atheisten und Epikuräer geworden; denn dieser zerstöre
ja die Beweise für die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der
Seele, die Cart. entwickelt habe; das zeige die Weisheit (le grand
jugement) der Eömischen Inquisition und die Nützlichkeit ihrer
Verbote, dass Gassendi nicht verboten sei, wohl aber Gart.; man
werde ja auch Uuets Buch gegen Cart. (P. D. Huetii Abrincensis
designati quaestiones de concordia rationis et fidei, 1690) nicht ver-
bieten, vielleicht aber die Vertheidigung des Cart. gegen Haet durch
Sylvain ßegis. Von dem Verbote der Notae sagt Arnanld (8,397):
„Ein Schüler Descartes* mit Namen Eegius (Le Roi) behauptete in
einem Piacard, wenn es nicht gegen den Glauben wäre, könnte man
sagen : der Gedanke sei nur eine Modification der körperlichen Sub-
stanz (Boullier 1, 247) ; Descartes widerlegte dieses. Was thuen ^
unsere Bömischen Censoren? Sie sagen von dem Piacard nichts, <
setzen aber die Widerlegung, Notae in progr. etc. in den Index, •
erlauben also, das Gift zu verschlucken, und verbieten, das Gegen-
gift zu nehmen. Freilich sagen sie: donec corrigatur ; da sie aber
nicht sagen, was zu corrigiren sei, ist ihr Verbot einem anbedingten ^
gleich". — Nach dem Auftreten Spinoza's sagt er (3, 426): „Das ist •
kein Grund, Descartes^ Philosophie zu tadeln, dass Spinoza, der sich •■
einen Cartesianer nennt, den Atheismus gelehrt hat; denn das heisst 4
nicht, dieser Philosophie folgen« sondern sie zerstören. Es gibt 4
keine Philosophie, die man nicht missbrauchen könnte. Auch die e
des Aristoteles hat zu Leo's X. Zeit viele zu Atheisten und Liber- «
tins gemacht." Bücher wie die von Spinoza, der ein offener Atheist ^
ist, sagt er anderswo (3, 406), darf man schon nach dem Natarrechte ^
nicht lesen, ausser um sie zu widerlegen.
Antonii Le Grand Institutio philosophiae secundnm principia ^
D. Renati des Cartes nova methodo adornata . ., Lond. 1678, wurde ^
erst 1714 verb. und desselben Apologia pro B. Descartes contra
Samuelem Parkerum, S. T. P. Archidiac. Cantuar., instituta et adoi
nata, juxta exemplar Londin. . . (Lond. 1<)79), Norimb. 1681, ei
1721. Der Verfasser war Minorit, geboren und erzogen zu Douoy,
Missionar in England (Bouillier 2, 491). Seine Concordia fidei ^t
rationis, 1711, ist, obschon die Abendmahlslehre Widerspruch fa;od
(Werner, Thomas v. Aq. 3,555.560), nicht verb. — Gleichzei 'ti^g
mit dem ersten Buche von Le Grand wurde verb. Jo. Eberh. Sch^^*^
lingii Exercitationes cathedrariae in Petri Dan. Huetii Episc. Scb- ^^
sion. Censuram philosophiae Cartesianae, Bremae 1690.
2. Malebranche ^s Hauptwerk, De la recherche de la v^r^Äw»
oü Ton traite de la nature de Tesprit de Thomme et de Tus^s^^^
qu'il en doit faire pour ^viter l'erreur dans les sciences, ersehe ^®°
1674. Es wurde von Arnauld u. a. angegriffen und von bei^3w
A. Le Grand. N. Malebranohe. 603
Seiten eine Reihe von Streitschriften veröffentlicht^). Erst 1709
wurde von diesem Werke, nachdem 1700 schon die 5. Auflage er-
schienen war, die lat. Uebersetzung (von Abbe Lenfant) verb.: De
inqnirenda veritate libri sex. . ., Genna 1691 (Genf 1685), dagegen
schon 1690: Traite de la natura et de la gr&ce, und zwar die (erste)
Ausgabe Amst. 1680 und die derni^re (2.) edition augment^e de
plusieurs iclaircissements qui n'ont point encore paru, Rott. 1684,
und mehrere Streitschriften: Defense de Tauteur de la Recherche
de la v6rit^ contre Taccusation de M. de la Ville (P. Valois), 1684,
Lettres du P. Mal. k un de ses amis, dans lesquelles il r^pond auz R6-
flexions philos. et theol. de Mr. Amauld sur le Traite de la nat. et
de la gräce (1685), Rott. 1687, und Lettres touohant Celles de Mr.
Amauld [Lettres au P. Mal. 1685], Rott. 1687. — Erst 1714 wur-
den dann noch verb. Entretiens sur la m6taphysique et sur la reli-
gion, Rott. 1686, und Traitä de morale par Tauteur de la Recherche
de la verit6, 1. Partie, Rott. 1684.
Auch Bosstiet und F^n^lon waren Gegner von Mal.: jener
suchte ihn wie Amauld auch mündlich von seinen Ansichten abzu-
bringen und von der Veröffentlichung derselben abzuhalten. Es war
die Rede von einer Censurirung des Traitä de la nature et de la
gräce in Frankreich; sie scheint nur aus Rücksicht darauf, dass
Mal. persönlich allgemeine Achtung genoss, unterblieben zu sein.
Dem Benedictiner Fran^ois Lamy wurde sogar von seinen Oberen
die Fortsetzung der Polemik gegen Mal. untersagt^). — In Rom
war schon 1685 von dem Verbote des Traite die Rede. Michel
Germain (VaUry 1, 138) schreibt in diesem Jahre: „Das schlechte
Buch von Mal. wird vor Ablauf des Jahres censurirt werden. Es
hätte schon längst geschehen sein sollen. Es thut mir leid, dass
die Sorbonne nicht vor dieser Censur ihre Pflicht gethan". Im Febr.
1690 schreibt du Vaucel (Arn. 3, 265), der TraitÄ sei von der In-
dex-Congr. an die Inquisition abgegeben worden, um durch ein spe-
cielles Decret verdammt zu werden. Diese Nachricht war unrichtig
oder der Plan ist aufgegeben worden; denn kein Buch von Mal.
ist von der Inq. verb. worden.
In einem Briefe vom 13. Juni 1690 sagt Mal.: Der Trait6 ist
zusammen mit den [vielen] Büchern von Launoy verboten. Man
sagt, der P. Le Drou [belgischer Augustiner] habe die Sache be-
trieben . . . Ich hatte nach Rom geschrieben, um zu erfahren, was
man an meinem Buche auszusetzen habe, und mich erboten, die
Ausstellungen zu beachten (d'y satisfaire); man hat es aber nicht
für angezeigt gehalten, mich vor der Verdammung zu hören. Man
hat mir geschrieben, Urban VIII. habe verboten, über die Gnade
zu schreiben, mein Buch sei in Holland gedruckt, man habe auch
Descartes verdammt: Gründe für die Verdammung, deren Beant-
1) Arn. 38, XXVII. S.-Beuve 6, 348. Bouillier 2, 16. 168. Poly-
biblion 1876, 285.
2) Bausset, Fenelon 3, 267. Bossuet 37, 283. 372. 390.
604 Philosophische Schriften.
wortung auf der Hand liegt . . . Man muss also, um ein Christ zu
sein, Peripatetiker werden ... Es scheint mir, die Römischen Theo-
logen sollten einfach katholische Theologen sein und den Platonis-
mus und Peripateticisraus den Universitäten überlassen^). — In einem
Briefe an P. Andre (1, 26) vom J. 1707 wiederholt Mal.: die
Freunde Amaulds, die als Deputirte von Löwen in Rom waren,
hätten den Traite denuncirt, „namentlich Herr *, — der Name ist
mir entfallen, er war einer der Approhatoren von Arnaalds Disser-
tation sur les miracles, einem Buche, welches, wie Sie wissen, voll
Verleumdungen ist und dessen Approbation ein gewissenhafter Mann
zurücknehmen müsste [gemeint ist Le Drou]. Sie hatten damals Freunde
in Rom, und ich kannte dort niemand. Vor 10 — 12 Jahren hat mir
ein Römischer Geistlicher, den ich sonst nicht kenne, das Gutachten
des Examinators meines Buches geschickt, mit welchem er befreundet
war. Die Arbeit ist erbärmlich und der Verfasser hat mich gar
nicht verstanden. Ich habe davon keinen Gebrauch machen und
es der Zeit überlassen wollen, die Wahrheit zur GMtung zu bringen.
Wenn man seine Ansichten möglichst klar dargelegt hat, ist es in
der Regel besser, zu schweigen, als auf Kritiken zu antworten.
Dieses erbittert noch mehr, und die Zeit mildert alles." Arnauld
selbst antwortete übrigens du Vaucel, als ihm dieser vorschlug, an
den Card. Bouillon zu schreiben, er möge die Verdammung der
Schriften von Mal., mit denen sich eben die Inquisition beschäftige,
nicht hindern: „Das würde ich für alles Geld in der Welt nicht
thaen. Mögen sie thuen, was sie wollen; es soll nicht auf mein
Betreiben, geschehen. Das würden alle anständigen Leute sehr übel
aufnehmen, und mit Recht" (3, 285). Uebrigens waren auch Ar-
naulds Schriften gegen den Traite von den Jesuiten denuncirt; sie
wurden aber nicht verb.
Charakteristisch für die Stellung, welche die Jesuiten gegen
Cartesius und Malebranche einnahmen, sind die Mittheilungen des
Jesuiten Yves Andr6 (1675 — 1764)^). Ein Assistent des Provinciais
schrieb 1709 an Andr^: Sie gestehen in Ihrem Briefe, dass Sie
Cart. und Mal. stets geschätzt haben, und behaupten, dass deren
Lehre keine Ketzerei oder gefährliche Neuerung sei und dass jeder
vernünftige Mensch in Frankreich einräumen müsse, unter ihren An-
sichten seien sehr annehmbare. Diese Sprache setzt mich in Er-
staunen. Denn die Wahrheit ist, dass diese Lehre in ihrem ganzen
Wesen mit der guten Theologie, ja mit mehreren Glaubensartikeln
in Widerspruch steht. Sie wissen, dass sie zu Rum, von dem Erz-
bischof von Paris und von mehreren Universitäten verworfen worden
ist. Es kann Ihnen nicht unbekannt sein, dass der Pater General
1) Der Brief steht bei E -A. Blampignon, Etüde sur Malebranche.,
suivie d'une correspondance inedite, Par. 1802, p. 7, aber mit dem falschen
Datum 1689.
2) Le Pere Andre, par A. Charma et G. Marcel, Caen 1844, 2 vol. 8.
Bouillier 2, 373.
R. Descartes und N. Malebranche. 605
nnd die Superioren sie verbieten und daRS die Gesellschaft nicht
nur verlangt, dass man sie nicht billige, sondern dass man sie be-
kämpfe, wie man die Lehre Calvins vor dem Üoncil bekämpfte . . .
Man ist entschlossen, in der Gesellschaft nicht nur diejenigen nicht
zu dulden, welche jenen Schriftstellern folgen oder sie loben,
sondern auch diejenigen nicht, welche sie nicht tadeln und keinen
Eifer gegen ihre Lehre bekunden. — Andre antwortete u. a.: Mein
Gewissen soll mir nicht vorwerfen, dass ich die Schmach ohne Ant-
wort lasse, die Sie in Ihrem Briefe zwei sehr katholischen Schrift-
stellern anthuen, indem Sie sie mit den infamsten Haeresiarchen auf
eine Linie stellen . . . Welche Anhänglichkeit zeigt nicht Descartes
in seiner Methode an die Religion seiner Väter! Wem widmet er
seine metaphysischen Meditationen, in denen man das ganze Gift
seiner Lehre finden will? Niemand anders als der katholischsten
Universität in Europa, der Universität, die sich auch bei dieser
Gelegenheit als eine katholische erwies, indem sie die Widmung des
Buches erst annahm, nachdem sie es durch ihre tüchtigsten und
eifrigsten Doctoren hatte prüfen lassen. Wissen Sie nicht, dass er
seine Principien der Censur der Kirche unterworfen hat? Hat er
ein Buch, ja man kann fast sagen, hat er auch nur einen Brief ge-
schrieben, der nicht die deutlichsten Spuren seiner Religiosität an
sich trägt? Ist es ketzerisch, dass er eine Wallfahrt nach Loreto
machte? Sie wissen, dass er unsere Gesellschaft stets liebte und
bis zu seinem Tode mit den heiligsten und gelehrtesten Jesuiten
seiner Zeit in Briefwechsel stand. Diese hüteten sich wohl, seine
Lehre als mit unserm heiligen Glauben in Widerspruch stehend an-
zusehen, während der protestantische Theologe Voet an der Spitze
der Universität Utrecht sie verdammte als den gänzlichen Ruin des
Calvinismus bezweckend, während man ihn in Holland als einen
Emissär des Papstes und einen verkappten Jesuiten ansah. ... Er
hat stets in der kath. Kirche gelebt und ist in Frieden gestorben.
Wenige Tage vor seiner letzten Krankheit hat er aus der Hand des
P. Vincent die Communion empfangen ... Die Königin Christine
hat schriftlich erklärt, Descartes habe mehr als irgend ein anderer
zu ihrer Bekehrung beio^etragen (Bouillier 1, 449). — Was den
Pater Malebranche betrifft, welche Frömmigkeit bekundet er in
seinen Schriften! Wie demüthig bekennt er seine Unwissenheit und
gesteht er seine Irrthümer ein, sobald man sie aufdeckt! Welche
Liebe zu Christus, welche Anhänglichkeit an die Kirche zeigt er!
Welche Geissei war er für den Jansenismus! . . Vor allem, mit
welcher Liebe antwortet er seinen Gegnern! ... Es kommen Irr-
thümer bei beiden Schriftstellern vor, und vielleicht kann man aus
diesen Irrthümern Folgerungen ziehen, die für den Glauben bedenk-
lich sind. Aber sie leugnen diese Consequenzen und behaupten,
dass sie aus ihren Principien nicht folgen . . . Können Sie billiger
Weise zwei Schriftsteller mit Calvin zusammenstellen, welche der
grössere und verständigere Theil der Katholiken für orthodox hält,
. . . von denen der eine im Schoosse der Römischen Kirche ge-
storben ist, der andere noch in erbaulicher Weise darin lebt? —
606 Philosophische Schriften.
Aber, sagen Sie, ihre Lehre ist in Rom verdammt worden. Das
klingt, als sprächen Sie von einer authentischen, von dem Papste
gegen sie geschlenderten Censur, und doch handelt es sich nur um
den Index. Ich weiss, dass einige ihrer Werke in den Index ge-
setzt worden sind. Aber meinen Sie denn, man müsse die Lehre
aller Schriftsteller, die in dieser Liste stehen, bekämpfen wie die
Calvins? Dann müsste man auch den P. Langlois, den P. Le Tellier
und viele andere gute Katholiken anathematisiren.
3. Der Cursns philosophicus des oben von Arnauld erwähnten
£mmanuel Maignan aus dem Orden der Minimi, f 1676, — er
war kein Cartesianer, aber ein Anti-Aristoteliker, — der zu Tou-
louse 1652 u. s. erschien, steht nicht im Index, auch nicht die
Vertheidigung desselben, Philosophia sacra sive entis tum supema-
turalis tum increati, Toul. 1662 — 72, 2 Fol., — von ihm ist nur
eine Dissert. theol. de usu licito pecuniae, Toul. 1673, 12., 1674
verb., — obschon beide Werke von Dominicanern und Jesuiten,
u. a. von Vinc. Baron und Th. Raynaud angegriffen wurden (Werner,
Thomas v. Aq. 8, 546. Hurter 2, 152). Dagegen wurden 1709
zwei Bücher seines Schülers Jo. Saguens verb.: Philosophia
Maignani scholastica in 4 vol. divisa, Toul. 1703, und Systema
gratiae philos.-theologicum, in quo omnis vera gratia, tum actualis,
tum habitualis, explanatur; accessit Appendix, in qua exponitur
quid rei physicae sint virtutes infusae, gratiae gratis datae, frnctus
Spiritus s. ac characteres sacramentales, Mailand 1701 (beide Bücher
erschienen nochmals Col. 1718 resp. 1721). Eine spätere Verthei-
digung der vielfach angefochtenen Lehre Maignans von seinem
Ordensgenossen Emmanuel de Naxera, Maignanus redivivus s. de
vera quidditate accidentium manentium in eucharistia juxta novo-
antiquam Maignani doctrinam, Toni. 1720 (Mich, a S. Jos. 3, 335),
ist wieder frei ausgegangen. — Ein anderes grösseres Werk, welches
den Aristotelismus vom Standpunkte der neuen Philosophie bekämpft,
gleichfalls die Formae substantiale^ und accidentales verwirft und
von der Transsubstantiation handelt, ist: Atomi peripateticae sive
tum veterum tum recentiorum atomistorum placita ad neotericae
peripateticae scholae methodum redacta a P. Casimire Tolosate
Capucino, Biterris 1675, 6 vol. 8. (Journ. des Sav. 30. März 1676).
Die Bände 2 — 6 wurden 1681 mit d. c. verb.
In Frankreich erregte ein Buch des Pfarrers Pierre Cailly zu
Reims (f 1709), Durand comment^, ou Taccord de la philosophie
avec la th^ologie touchant la transsubstantiation de l'eucharistie,
Col. 1700, einiges Aufsehen. Bossuet (38, 234; 42, 684) gab 1701
ein Gutachten darüber ab, worin er im Einverständnisse mit dem
Card. Noailles das Verbot des Buches beantragt, aber zugleich er-
wähnt, der Verfasser sei bereit, zu retractiren ^). Im Index steht
Cailly nicht. Dagegen wurde 1734 verb.: Pikees fugitives sur
1) Bouillier 1, 518. Suppl. de Morery s. v. Cally.
E. Maignan. J. B. Chiavetta. A. Pissinus u. a. 607
reacharistie, Genf 1730. Die Sammlung ist von dem protestan-
ÜBcben Theologen Vernet herausgegeben und enthält u. a. ein
Memoire pour expliquer la possibilite de la transnubstantiation,
welches Malebranche zugeschrieben wird (Le P. Andr^ 1, 308).
Wie in Frankreich, so wurde auch in Italien in einer Reihe
Ton Schriften in der 2. Hälfte des 17. Jahrb. über die Vereinbar-
keit der Lehre von der Transsubstantiation mit den neuen (ato-
mistischen) philosophischen Ansichten verhandelt (Werner 3, 545).
Im Index stehen von den zahlreichen zu dieser Controverse ge-
hörenden italienischen Schriften nur zwei: Trutina D. Jo. Bapt.
Chiavettae, Dr. Theol. Panormit., qua D. Jo. Balli [Canonicus in
Bari, f 1640] sententia eo libro contenta cujus titulus est : Aenigma
dissolutum de modo existendi Christi Dom. sub speciebus panis et
yini in augustissimo eueharistiae sacramento, ad aequissimum exa-
men expenditur, Monreale 1643, verb. 1655, — und Naturalinm
doctrina, qua funditus eversis materiei primae formaeque substan-
tialis et accidentalis sententiis, inopinata substituantur aut penitus
obsoleta revocantur, auct. Andr. Pissino, Augsb. 1675, verb. 1675.
— Eaynaud verhöhnt den Mag. S. Pal. Vincentius Candidus, f 1654,
dass er das Buch von Chiavetta und damit dessen und Ballo's An-
sicht approbirt habe: die nach der Consecration zurückbleibenden
Gestalten des Brodes und Weines seien nur ein durch die göttliche
Macht bewirkter subjectiver Sinnenschein (die Ansicht de speciebus
eueharistiae evanidis, quales sunt colores iridis, wie Raynaud sagt);
Vinc. Baron, Apolog. 1, 33 antwortet ihm aber: die Trutina sei
von dem Jesuiten Franc. Bardus verfasst, der sie, da er keine Ap-
probation habe erhalten können, unter dem Namen des Chiavetta
veröffentlicht habe, nachdem er sie selbst mit seinem wahren Namen
approbirt und sich dann auch die Approbation von 13 Theologen
aus verschiedenen Orden verschafft habe, worunter drei Jesuiten
und die Dominicaner Jos. Caruso und Jo. Vinc. Candia (nicht
Candidus). — Der Olivetaner Andrea Pissini (nicht Pissy, K.-L.
1, 627) aus Lucca vertheidigte eine ähnliche Ansicht. Da ihm
die Inquisition zu Venedig und Padua die Druckerlau bniss ver-
ureigerte, Hess er das Buch (wirklich oder angeblich) in Augs-
l>urg drucken. Er wurde darauf von der Inquisition nach Rom
«itirt und musste eine Erklärung unterschreiben, worin er einige
Sätze zurücknimmt, namentlich dass er die herkömmliche Ansicht
als eine gottlose Meinung und ihre Vertreter als Schwachköpfe,
als Märtyrer des Aristoteles auf Kosten des Evangeliums u. dgl.
bezeichnet hatte (Clar. Ven. ad Magliabecum Epp. p. 82. Werner
S, 556).
4. Der Jesuit Giambattista de Benedictis (1622 — 1706), Professor
in Neapel, veröffentlichte fünf Lettere apologetiche in difesa della
teologia scolastica e della filosofia peripatetica di Benedetto Aletino,
l^eapel 1694, 12., mit einer scharfen Kritik des Cartesianismus und
persönlichen Angriffen auf Neapolitanische Gelehrte, die als Gegner
C. Grimaldi. B. Spinoza u. a. 609
les Secretärs des Index P. Orsi wurde beschlossen, mit Kücksicht
laf eine Retractation Grimaldi's zwar das Verbot seiner Bücher
iufrecht za halten, aber sie aus der 1. Classe zu entfernen. Die
Etetractation ist in einem Briefe an einen Freund (Storia 1. c. p. 180)
mthalten, worin Grimaldi sagt: er sei ein gläubiger Katholik und
jebr betrübt über das scharfe Verbot seiner Bücher; er habe darin
keine andere Absicht gehabt, als die Studien und die Gelehrten
»eines Vaterlandes zu vertheidigen und zu zeigen, dass das Studium
1er dogmatischen und der scholastischen Theologie zwar sehr gut
lei, die letztere aber von einigen Theologen missbraucht werde;
nrenn er dabei zu harte Worte gebraucht, so thue ihm das leid;
)r gestehe auch, dass er zu diesen Missbräuchen nicht viele kirch-
iche Gebräuche hätte zählen dürfen, die seit Jahrhunderten im
Ibendlande beständen, z. B. dass man auf die Altäre ein Crucifix
itelle, die Privatmessen, dass man den Kindern nicht die Commu-
lion und die Firmung, den Laien das Abendmahl nur unter Einer
jrestalt spende, dass die Lossprechung modo indicativo ertheilt
tverde, die überstrenge Verordnung über das Beichtsiegel; was er
a^gen diese Gebräuche gesagt, nehme er zurück.
5. Spinoza*s Opera posthuma stehen in den älteren Indices
licht; erst Ben. hat sie aufgenommen. Er gibt als Datum des
Verbotes 13. Mart. 1679 et 29. Aug. 1690 an. Das erstere ist
iber das Datum des Verbotes des Tractatus. — 1826 wurde verb.:
rheologisch-politische Abhandlung von Spinoza, freie Uebersetzung
md mit Anmerkungen begleitet von Z. [recte J.] A. Kalb, München
1825, wohl nicht die gefährlichste unter den vielen Schriften über
Spinoza. — Die Schrift des mit Spinoza befreundeten Amsterdamer
Irztes Ludwig Meyer, Philosophia scripturae interpres, exercitatio
mradoxa, in qua veram philos. infallibilem s. literas interpretandi
lormam esse, apodictics demonstratur, Eleutheropoli 1666, 4. (3 Ed.
jum praef. Semleri, 1776; Diestel, Gesch. des A. T. S. 392), ist
licht verb.
Von philosophischen Schriften protestantischer Verfasser stehen
ms der Zeit von 1670 — 1757 ausser Schweling im Index nur: Jac.
rhomasius (zu Leipzig, 1622 — 84), Exercitatio de stoica mundi
sxustione, cui accesserunt argumenti varii, sed inprimis ad bist,
itoicae philos. facientes dissertationes, Lpz. 1676, verb. 1678. —
Pansophia enchiretica sive philosophia experimentalis in academia
Üoysis primum per sex prima capita Genesis tradita, demum per
gnem examinata et probata, auct. Arnoldo Bachimio Denstonio
]!o8mo8opho, Nürnb. 1682, verb. 1688. — Trait6 du beau, par
Fean-Pierre de Crousaz, Amst. 1724, 2 vol., verb. 1742 (Suppl.
le Morery s. v.). — Jac. Brück er, Historia critica philosophiae,
» vol., 1742 — 44, verb. 1755 und 1757 (obschon Brucker noch
1754 mit dem Card. Passionei in freundschaftlicher Correspondenz
itand; Memorie della vita del Card. Passionei, Rom 1762, p. 240).
— Die Philosophie von Leibniz und Chr. Wolff ist im Index nur
vertreten durch das Buch von Canz (8. 113) und G. B. Bülffin-
ReiiBcli, Index II. 39
610 Der Quietismufi.
geruB (Bilfinger, A. D. B. 2, 634), De harmonia animi et corporis
hum. maxime praestabilita ex mente Leibnitii, 1720, verb. 1727.
6. Durch Cartesius wnrde auch die Controverse de anima
brutorum angeregt. Im Index steht von den zahlreichen Schriften,
die Reit 1662 darüber erschienen (Bouillier 2, 151), nur De anima
brutorum commentaria. Curiosum nobis natura ingenium dcdit.
Sen. de yita beata c. 32., mit d. C. yerb. 1784.
63. Der Qnietismas.
Zwei kleine ascetische Schriften des in Rom in hohem An-
sehen lebenden Spaniers Miguel de Molinos wurden schon um
1680 als eine falsche Frömmigkeit, den Quietismus, befördernd
angegriffen, unter anderm von dem Jesuiten Paolo Segneri, von
der Inquisition jedoch anfangs in Schutz genommen. Im J. 1685
wurde gegen Molinos wegen seiner Lehre und seines Lebens
ein Process eingeleitet und 1687 er selbst zu lebenslänglicher
Haft verurtheilt, seine Lehre zuerst durch ein Decret der Inqui-
sition, dann durch eine besondere Bulle Innocenz' XI. verdammt
und alle seine Schriften, gedruckte und handschriftliche, verboten.
Bald darauf wurden von der Inquisition auch die ascetischen
Schriften seines Freundes, des Cardinais Petrucci, — obschon
sie viel weniger von der herkömmlichen mystischen Theologie ab-
weichen als die des Molinos, — sowie anderer Anhänger desselben
verboten, auch einige französische Schriften ähnlichen Charakters,
namentlich von Malaval, Boudon, La Combe und Madame Gnyon.
In deii nächsten Jahren bis 1704 verbot die Inquisition noch
eine Reihe von ascetischen Schriften, darunter manche, welche
bis dahin, zum Theil schon seit geraumer Zeit, ungehindert ver-
breitet worden, zum Theil in Rom selbst gedruckt waren, von
Falconi, Canfeld, Bernieres-Louvigny u. s. w. Jeden&Us ist bei
diesem Eifer, welchen die Inquisition jetzt im Ausraufen des Un-
krauts auf dem Felde der ascetischen Literatur entfaltete, auch
mancher Weizenhalm mit ausgerauft worden. — Schon vor Mo-
linos, 1675 wurden von Giacomo Lambardi sämmtliche Schriften
verboten.
1. Die ersten Schriften des 17. Jahrb., welche vielleicht als
quietistische bezeichnet werden können und im Index stehen , sind
G. Lambardi u. a. M. Molinos. 611
die von einem VincentiuB Nerius Neapolitanns : Expositio nova in
verbnm hoc: Judicium (seit Ben. in verbum: Hoc Judicium) und
Luminoao Bole, per mezzo del quäle Tanima christ. pu6 intrare nel
sacro regno della mistica ed occulta theologia, verb. 1634, und
Exercices spirituels pour la r^traite de dix jours par le F. Sul-
pice, Recollet de Nantes, mit d. c. verb. 1668. — Von Giacomo
Lambardi berichtet Pelayo 2, 573: er habe fast alle Ceremonien
und äusseren Cultusbandlungen verworfen, sei von der Inquisition
zu Perugia zu einer Busse verurtheilt, später nochmals in Spoleto
verhaftet worden und im Gefängnisse gestorben ^). In einem Decrete
(wohl der Inq.) vom 28. März 1675 werden von ihm verboten die
Opuscoli: Deploratio animae, Semplicitä spiritnale, Trattato deir
esterioritik, Yerba ministri altaris o sia libro di profetie, und ,,alle
von ihm geschriebenen oder dictirten oder aus seinen Schriften ent-
nommenen oder irgendwie abgeschriebenen Regeln, Documente und
Weisungen (avvertimenti) und überhaupt alle von ihm verfassten
oder über ihn handelnden Schriften" (seit Ben. nur: alle seine ge-
druckten oder handschriftlichen Opuscula). ~ Nur in der Raccolta
stehen als von der Inq. 10. Sept. 1679 verb., Libretti spirituali del
P. Bernabei, Min. Conv., dedicati air Imperatrice Eleonora, stam-
pati in Praga.
1676 wurde verb.: Stati d^orazione mentale per arrivare in
breve tempo a Dio, dalla Rev. M. Maria Bonaventura dell* Incar-
nazione, eine üebersetzung einer Schrift der Marie Guy ard, geb.
1599, vom 17. bis 19. Jahre verheirathet, seit 1631 Ursulinerin
(als solche hiess sicf Mere Bonav. de Tlncamation), die 1639 nach
Canada ging und dort Vorsteherin eines Klosters war, f 1672. Ihr
Sohn, der Mauriner Claude Guyard, schrieb ihre Biographie, Par.
1677, 12. Sie stand mit Bernieres-Louvigny (s. u.) in Verkehr
(Heppe S. 96). Bossuet spricht in seinen Schriften über den Quie-
tismus mit Achtung von ihr und sagt in einem Briefe von 1695
(39, 365), ihre Biographie habe er sehr geschätzt ''^). Trotz des Ver-
botes ihres Buches ist ihr Beatiiicationsprocess eingeleitet (Acta S. S.
15, 288). — üeber A. Bourignon und J. de Labadie s. S. 94. 101.
2. Miguel de Molinos^), geb. 1640, aus einer angesehenen
Pamilie in Aragonien, zu Coimbra zum Dr. theol. promovirt, kam
1669 oder 1670 nach Rom, wurde dort ein sehr gesuchter Beicht-
vater und stand in geistlichen Kreisen in hohem Ansehen, auch bei
1) üeber Processe der Inquisition gegen schwärmerische Conventikel
und damit zusammenhangende Ünsittlichkeiten in Neapel, Brescia, Treviso,
Florenz s. D. Bernini, Hist. di tutte l'heresie, Ven. 1721, 4, 722. A. J. P.
45, 1569. Le Bret, Mag. 8. 564.
2) La Combe (Bossuet 40, 107) erwähnt drei andere Schriften der
Mere Bon (sie) de l'Incarnation, Ursuliaerin von St. Marccllin in der Dau-
phine : Jesus bon pasteur, Etat da pur amour, Catechisme spirituel. Heppe
erwähnt diese nicht.
'6) Vgl. Scharling, M. Molinos, Zts. f. hist. Theol. 1854. 55. Ileppe,
Gesch. der quietist. Mystik, 1876. Bossuet, Oeuvres 27, 493. Michaud 4,
451. Valery, ('orr. de Mabillon.
612 Der Quietismus.
mehreren Cardinälen, u. a. bei dem Card. Benedetto Odescalchi, der
1676 als Innocenz XI. Papst wnrde nnd Mol. eine Wohnung im
päpstlichen Palaste anwies. 1675 erschien von ihm zu Rom eine
kleine Schrift: Guida spirituale che disinvolge l'anima e la condnce
per Tinteriore cammino air acquisto della perfetta contemplazione e
del ricco tesoro della pace interiore, etwas später eine von ihm
spanisch geschriebene, ohne seinen Auftrag von einem italienischen
Priester übersetzte Abhandlung : Breve trattato della cotidiana com-
munione, composta in idioma spagnuolo dal D. M. de Molinos e
fatto tradurre e mandato a luce da un altro divoto sacerdote. 1678
erschienen beide zusammen zu Venedig, seitdem regelmässig zusam-
men, zu Eom 1681 u. s., bald auch in anderen Sprachen (lateinisch
von A. H. Francke 1687, deutsch von Gottfr. Arnold 1699, 3. Aufl.
1712, englisch s. 1. 1699). Die Guida war von 5 Theologen, wor-
unter 4 Qualiflcatoren der Inquisition, approbirt. Der Erzbischof
von Palermo Hess 1681 eine Ausgabe für die Frauenklöster seiner
Diöcese und ihre Beichtväter mit einem Vorwort drucken. Dagegen
klagte der Erzbischof von Neapel, Card. Caraccioli, in einem Briefe
an Innocenz XI. vom 30. Jan. 1682 über die neuen „Quietisten":
sie missachteten das mündliche Gebet und die Meditation und legten
nur Werth auf das passive Gebet oder die Contemplation und hielten
die Gedanken, die ihnen in dieser Stille des Gebetes in den Sinn
kämen, für göttliche Eingebungen und glaubten darum keinem Ge-
setze mehr unterworfen zu sein ; einige verwürfen das mündliche
Gebet ganz, auch den Rosenkranz und das Ereuzzeichen, Crucifixe
und Heiligenbilder; viele, auch Verheirathete, Sollten täglich com-
municiren; er habe einer ihm vorgelegten quietistischen Schrift die
Approbation verweigert. — Der bedeutendste Anhänger des Mol.,
sein „Timotheus", war Pietro Matteo Petrucci, geb. 1636 zu Jesi,
erst Jurist, dann nach einem leichtfertigen Leben Oratorianer, damals
Vorsteher des Oratoriums zu Rom. Seine ältesten Schriften sind :
Lettere e trattati spirituali e mistici, 2 Theile, Jesi 1676 und 78,
Ven. 1681, — Meditazioni ed esercitii prattici di varie virtu, ed
estirpatione de' vitii per la novena del s. Natale di Gesü N. S. e
per la Settimana santa, Jesi 1679, — I mistici enigmi disvelati;
dichiaratione delV ultimo sonetto della 4. parte delle poesie del P.
Petrucci, con un breve metodo per la guida delle anime all' altezza
mistica della divina gratia guidate, Jesi 1680.
Die ersten literarischen Gegner des Mol. waren Jesuiten. Schon
1678 veröflPentlichte Gottardo Bell' Huomo zu Modena II pregio
e l'ordine dell' orationi ordinarie e mistiche. Es ist bezeichnend
für das Ansehen, in welchem Mol. damals stand, dass der Jesuiten-
General Oliva, als dieses Buch bei der Inq. denuncirt worden, sich
1680 bei Mol. für den Verfasser verwendete^). 1680 erschien dann
1) Serry p. 656 theilt Bruchstücke aus dem Briefwechsel mit. Oliva
schreibt 25. Febr. 1680: Bell' Huoino sei denuncirt worden, als wenn er
von dem h. Dionysius Areopagita verächtlich gesprochen, die wahre Con-
M. Moliuos. P. M. Petracci. P. Segneri. 618
Concordia tra la fatica e la quiete nell* oratione espressa ad im re-
ligioRo in risposta da Paolo Segneri della C. di Gesii, worin au«-
geführt wird: man dürfe nicht die Meditation verachten und metho-
disch nach der Contemplation streben, da diese ein besonderes Cha-
risma sei; das contemplative Leben sei höher als das ascetische,
aber höher als beide stehe das Leben, in welchem Contemplation
und Meditation, Beschaulichkeit und Thätigkeit vereinigt seien.
Pctrucci schrieb dagegen La contemplazione mistiöa acquistata, in
cui si sciogliono l'oppositioni contro a questa oratione, Jesi 1681,
dem Card. Alderano Cybo gewidmet, nochmals mit einer polemisch-
apologetischen Aggiunta 1682. Von Segneri erschien dann Lettera
di risposta al Sig. Ignatio Bartalini sopra Teccettioni che da un di-
fensore de' moderni quietisti a chi ha impugnato le loro leggi [in
orare, divulgata in onor deir utile e vera contemplazione e in dis-
cemimento della contraria], Ven. 1681. Im folgenden Jahre erschien
noch Clavis aurea, qua aperiuntur errores Michaelis de Molinos in
ejus libro cui titulus: La guida spirituale, per Patrem Alex, ße-
gium, Cler. reg. minorem elaborata, Ven. 1682. — Die Inq. nahm
diese Schriften in Untersuchung und verbot nicht die von Mol. und
Petrunci, sondern 26. Nov. 1681 die von Beir Huomo mit d. c, 15.
Dec. 1682 unbedingt die von Eegius und Segneri's Lettera. Ein
Verbot von dessen Concordia scheint nicht veröflFentlicht, ihm aber
aufgegeben worden zu sein, eine neue verbesserte Ausgabe davon
zu veranstalten, welche aber erst 1691 unter dem Titel Concordia
. . . corretta dal medesimo autore in Eoma, nella stamperia di D. A.
Ercole erschien^).
templation geleugnet und sich als unerfahren in den ersten Elementen
des innern Gebets gezeigt habe, während er doch sehr verständig und
bescheiden geschrieben. „Lob sei Gott, der den höchsten Definitorcn
der Inquisition so viel Licht mitgetheilt, und Dank der göttlichen Vor-
sehung, dass die Unschuld eines so tüchtigen und vorsichtigen Mannes
beschützt wird." Mol. antwortet 27. Febr.: er kenne den Pater Beir
Huomo, und wenn er auch kein so bedeutendes Talent hätte» wie Oliva
angebe, würde er ihn doch schon darum schätzen, weil er ein Sohn der
von ihm sehr geachteten Gesellschaft Jesu sei. Oliva möge sich beruhigen ;
wenn das Buch so gut sei, werde Gott die Gegner erleuchten, dass sie es
anerkannten. Auch Pelayo 2, 576 berichtet über diesen in der Casana-
teusischen Bibliothek befindlichen Briefwechsel, sagt aber von Bell* Huomo
nichts und stellt die Sache so dar, als ob Mol. sich bei Oliva wegen seiner
Ansichten, die mit denen der spanischen Begardos und Alumbrados
(I S. 584) nichts zu thuen hätten, gerechtfertigt und Oliva darauf halb
ironisch geantwortet hätte.
1) In Segneri's Biographie von Massei (in den Opere del P. Paolo
Segneri, Ven. 1742, 4 vol. 4.) wird § 49 erzählt: „Die Concordia wurde
in Rom verboten. Segneri beklagte sich nie darüber, tröstete vielmehr
die Freunde, die ihm ihr Beileid bezeugten, mit den Worten: das sei
Gottes Sache und Gott werde ihn beschützen, wie es denn auch geschah,
da, nachdem die Wahrheit besser erkannt und die unter den Blumen ver-
borgene Schlange entdeckt worden war, die Irrthümer [des Mol.] von der
Inq. verdammt und Segneri's Buch zu seinem grossen Kuhme dem Publicum
zurückgegeben wurde.'* Die Concordia steht in keinem Index ; aber in einem
614 Der (juietismuB.
Petrucci, der 1681 Bischof von Jesi geworden, veröffentlichte
in den nächsten Jahren noch : II nulla delle creature e il tutto di
Dio; trattati due, Jesi 1682, — Lettere brevi spirituali e sacre, 2
Theile, Jesi 1682 und 84 (dem 2. Theile beigefügt un trattato per
bene regolare le passioni), — La scuola dell' oratione aperta alle
anime devote nelV expositione d'una sagra canzonetta di S. Teresa,
Bologna 1686, — La Vergine assunta, novena spirituale per il
beatissimo transito, resurrettione ed assuntione di Maria Nostra
Signora, con una introduttione all' oratione interna e con un' expli-
catione di sette punti di perfettione cristiana, accennati dal Ven. P.
F. Giov. Taulero, Macerata 16871).
Im J. 1685 beschlosfl die Inquisition, gegen Molinos, allem
Anscheine nach hauptsächlich auf Grund von Anzeigen tiber sittliche
Vergehen, einen förmlichen Process einzuleiten^). Der Assessor S.
Briefe vom 4. Sept. 1690 (Lettere inedite p. 139) schreibt Segneri an deu
Grossherzog Cosimo III. : „Ich habe (von Rom) die Bemerkungen über die
Concordia erhalten. Card. Colonna will, dass ich die neue Ausgabe nicht,
wie die erste, ihm, sondern einem andern, etwa Ew. Hoheit widme (Seg-
neri erwähnt dabei, der Grossherzog habe sich auch unter dem vorigen
Pontificate für das Buch verwendet). Uebrigens glaube ich, dass der Car-
dinal nicht ohne Mühe es dahin gebracht hat, dasa nur wenige un«l un-
bedeutende den Sinn betreffende Aendorungen verlangt werden. Die Re-
visoren haben nicht unterlassen, möglichst viel zu nergeln (cavillare); aber
die h. Cong^egation ist schliesslich dem Urtheil des Cardinais beigetreten.**
Am 17. März 1691 (p. 149) schreibt er von Rom aus: „lob habe mit den
beiden mir von der h. Congr. angewiesenen Revisoren, dem Magister S.
Pal. und dem Conventualen P. Fabbri, Consultor der Inq., bezüglich der
Concordia alles in Ordnung gebracht." — Ein Verbot der Lettera erwähnt
Massei nicht; ohne Zweifel ist aber die noch jetzt im Iudex stehende
Lettera di risposta al Sig. Igu. Bartalini identisch mit der (trotz des Ver-
botes) in den Opere 4, 337 unmittelbar hinter der Concordia abgedruckten
Lettera (der Titel ist ganz derselbe; nur fehlt in den Opere ,,al Sig. Ign.
Bartalini" und sind die oben in [ ] stehenden Worte beigefugt) ; hinter
der Lettera stehen noch zwei andere, Ven. 1682 erschienene Schriften,
die gegen die Schrift von Malaval gerichtet sind, die auch in der Lettera
erwähnt wird. Petrucci wird in dieser nicht genannt, ist aber ohne Zweifel
mit L'illustrissimo mio impuguatore gemeint. In einem Briefe vom 23.
März 1686 (p. G8) spricht Segneri von questo aocidente della mia Lettera
di risposta ristampata con quelle righe di aggiunta spropositata, — also
einem nach dem Verbote erschienenen Abdruck, — und fügt bei: der
Pater General habe ihm aufgegeben, an den Commissar der Inq. zu
schreiben, der ihn kenne.
1) Auch einige Schriften von Petrucci wurden früh von Protestanten
übersetzt: Kurtze geistliche Brieffe des Card. P. M. Petrucci, mit Vorrede
G. Arnolds, Halle 1705 (ü. N. 1705, 366). Card. Petrucd's Christian per-
fection in the love of God. . . ., 1704.
2) Es heisst, Ludwig XIV. habe auf Betreiben seines Beichtvaters
La Chaise durch seinen Gesandten dem Papste sein Befremden darüber
aussprechen lassen, dass er einen Mann in seinem Hause unterhalte und
begünstige, der offenbare Ketzereien lehre und das Volk zur Geringschätzung
der kirchlichen gottesdienstlichen Uebungen verleite. Scharling 1856, 16.
Bei Michaud findet sich aber nichts der Art und 4, 463 eine Mittheilnng
M. Molinos. 615
Off., Piazza, hatte Mühe, von dem Papste die Genehmigung zur
Verhaftung des Angeklagten zu erlangen. Der Process dauerte bis
zum August 1687. Im August 1685 schreibt J. Durand: manche
meinten, die Sache werde in Eauch aufgehen ; die Königin Christine
protegire Mol., bemühe sich, seine Freilassung zu erwirken, und habe
durchgesetzt, dass er im Gefängnisse sehr gut behandelt werde.
Gleichzeitig schreibt Germain : die meisten billig urtheilenden Leute
sagten, Mol.'s Sitten seien vorwurfsfrei gewesen; französische Ge-
lehrte, die sein Buch und andere Actenstücke gelesen, fänden darin
nichts Bedenkliches ; aber die Inq. pflege allerdings sonst niemand
zu verhaften, dessen Schuld nicht zu zwei Dritteln erwiesen sei
(Valery 1, 73. 98). Man beschränkte sich nicht auf eine Unter-
suchung des gedruckten Buches, sondern prüfte auch die Tausende
von Briefen, die sich bei Mol. gefunden, — angeblich allein von der
Fürstin Borghese 2000, von der Königin Christine 200 (Michaud
4,484), — und verhörte auch eine Menge von Personen, welche
durch diese Briefe oder sonstwie als seine Anhänger bekannt ge-
worden waren. Anfangs scheint der Process lässig betrieben worden
zu sein. Die spanische Inquisition kam der Kömischen mit der
Verdammung des Buches zuvor (sie verbot eine 1677 zu Saragossa
gedruckte span. Ausgabe), was man in Rom übel nahm. Erst Ende
1686 scheint man begonnen zu haben, die Untersuchung energischer
zu führen. Im Herbst wurden der Priester Simon Leoni, Beicht-
vater in einem Römischen Nonnenkloster, und sein Bruder Antonio
Maria, ein Schneider, verhaftet, am 9. Febr. 1687 70 Personen, um
als Zeugen vernommen zu werden, darunter Paolo Rocchi, der Beicht-
vater der Fürstin Borghese, und mehrere andere Geistliche, der
Graf und die Gräfin Vespignani und andere hochgestellte Personen.
Es ging sogar das abenteuerliche Gerücht, auch Benedetto Odes-
calchi, — der Papst, — sei als Zeuge vernommen worden. Unter
dem 15. Febr. 1687 erliess die Inq. ein von dem Card. Cybo als
Secretär unterzeichnetes geheimes Circular an die italienischen Bi-
schöfe^), worin dieselben zum Einschreiten gegen quietistische Con-
vertikel und zur U eberwach ung der Beichtväter der Nonnen aufge-
fordert wurden. Am 29. Juni 1687 schreibt Estiennot (Val. 2, 52):
er habe den Process gelesen; man habe 260 Sätze aus den Manu-
scripten und Briefen des Mol. ausgezogen, — diese von den Con-
Bultoren und Qualiflcatoren begutachteten Sätze waren nach Michaud
4, 462 schon 4. März den Cardinälen der Inq. mitgetheilt worden,
— von seinem Buche habe man noch nichts gesagt; da dasselbe
des Card. d'Estrees vom 19. Aug. 1687 : Card. Chigi habe gewünscht, der
König möge den Papst (zur Bestätigung des Urtheils) drängen; er habe
geantwortet, die Sache gehe die Franzosen nichts an.
1) Bei Bossuet 27, 497 steht dieses Circular mit der falschen üeber-
sohrift: ä tous les potentats, eveques et superieurs de la chretiente. Aus
dem Inhalte ergibt sich, dass es au die italienischen Bischöfe gerichtet ist,
und darum ist es auch gar nicht auffallend (Heppe S. 266), dass es nicht
lateinisch abgefasst ist.
616 Der (juietismus.
noch vor wenigen Jahren approhirt worden, werde man sich jetzt
noch nicht entschliessen können, daRßelbe zu verdammen ; das werde
kommen, aber erst mit der Zeit. Die Irrthümer der Quietisten,
welche sich bei der Untersuchung ergeben, wurden in 19 Artikeln
zusammengestellt ^).
Am 8. Juli 1687 wohnte der Papst zum ersten Male seit einem
Jahre wieder einer Sitzung der Inq. bei (Michaud 4, 462). Am 22.
Juli 1687 schreibt Estiennot (Val. 2, 68): Appiani, — ein wegen
seiner Gelehrsamkeit und Frömmigkeit angesehener Jesuit, — sei
verhaftet worden; man sage, er sei im Gefängniss irrsinnig gewor-
den und in der vorigen Woche gestorben. Letzteres Gerücht war
irrig ; im October meldet Estiennot, Appiani sei zu 3 Jahren strengen
und 7 Jahren gewöhnlichen Gefängnisses verurtheilt worden; man
meine, er sei noch wohlfeil davon gekommen^).
Noch vor der Beendigung des Processes, in den Jahren 1686
— 87, verbot die Inq.: Eespuesta d unos errores que han appa-
recido vagos sin autor, bien que se presume prohijarse al insigne
varon el Doctor Molinos; — L^ecclesiastico in solitudine . . .
composto da N., Prete della Congr. dell* Oratorio, Bre6cial685; —
Alfabeto litterale, fantasmatico, mistico . . .; — Passi dell' anima
per il Camino di pura fede, cioe brevi notizie dei gradi e mutationi,
che fa l'anima nell' oratione acquistata per il Camino di pura fede.
Opera del P. Gio. Paolo Rocchi da Cittä di Castello, Ven. 1677;
— Lettera scritta dall' abate Verneuil ad un* amico di Marseglia
[Malaval?] sopra la dottrina del maestro della nuova scuola dell'
orazione di quiete o di pura fede; Meizi 3,210 sagt: nach der
Biblioth. Picena habe der Capuciner P. Franc. Maria da Jesi, in
saeculo G. B. Mengarelli, diesen Brief in Druck gegeben (auch ver-
fasstVj. 1689 wurden noch verb.: Quinque folia impressa sine no-
mine autoris et s. 1. et a. impressa, quorum titulus est: Kisposta
deir amico alla lettera scritta dair abate Verneuil . . . Die Eeplica
deir ab. Verneuil alla risposta dell' amico sopra la dottrina del C.
P. [Card. Petrucci], Padua 1687 (Melzi 3, 210), steht nicht im Index.
Endlich, am 3. Sept. 1687, wurde ein Decret der Inq. von
Fer. V. 28. Aug. angeheftet und das am 20. Aug. von der Inq.
gefällte ürtheil über Molinos in Santa Maria sopra Minerva in Ge-
genwart von 23 Cardinälen und vielen Prälaten, des spanischen
Gesandten und einer grossen Volksmenge verkündigt. In dem De-
crete heisst es: es sei der Inq. kund geworden, dass ein gewisser
1) Die Errori principali di quelli che esercitano Toratione di quiete
stehen in den Three Lettres p. 55, französisch bei Bossuet 27, 498.
2) Die Jesuiten geben an, Appiaui habe abgeschworen und sei
reumüthig gestorben, Michaud 4, 468: er sei im Gefängniss fast irrsinnig
geworden, schliesslich ohne Abschwörung entlassen, ihm aber die Erlaubniss,
Beicht zu hören, entzogen worden. Von dem Jesuiten Esparza, der das
Buch von Mol. mit approhirt hatte, ging, als er nach der Einleitung des
Processes von Rom verschwand, das abenteuerliche Gerücht, er sei einge-
mauert worden.
M. Molinos. 617
11. de Molinos, ein Sohn des Verderbens, schlechte Lehren mündlich
ind schriftlich verkündet und praktisch angewendet, durch welche
mter dem Vorwande der Oratio quietis im Widerspruche mit der
!jehre und dem Gebrauche der Kirche die Gläubigen der wahren
ieligion und der Reinheit der christlichen Frömmigkeit entfremdet
md zu sehr grossen Irrthümern und gewissen Schändlichkeiten ver-
eitet worden seien ; nach dem Votum der Inq. habe der Papt fol-
gende Sätze, welche Mol. gelehrt und geglaubt zu haben überwiesen
worden bezw. geständig sei, als resp. ketzerisch, verdächtig . . .
'erdammt (folgen 68 Sätze; es waren der Inq. 263 Sätze vorgelegt
irorden; A. J. P. 10, 574); ferner verbiete der Papst alle gedruckten
ind geschriebenen Schriften des Mol. und gebiete , dieselben abzu-
iefern und zu verbrennen. — In dem sehr umfangreichen Urtheil
leisst es u. a.: mehrere Zeugen hätten bekundet, dass Mol. unzüch-
ige und andere schlechte Handlungen, Schmähungen gegen Gott,
lie h. Jungfrau und die Sacramente u. s. w., die sie begangen, ent-
ichuldigt und sie ermächtigt habe, dieselben nicht zu beichten; aus
leinen Briefen und Geständnissen ergebe sich, dass er von solchen
landlungen gesagt, sie seien nicht sündhaft, weil nicht freiwillig,
londern in Folge einer Nöthigung durch den Teufel begangen; er
labe behauptet, er sei durch höhere Erleuchtung in den Stand ge-
setzt worden, solche Handlungen von wirklich sündhaften zu unter-
scheiden; die von ihm mündlich und brieflich vorgetragenen Irrthtimer
iber das Gebet seien, in einige Hauptpunkte zusammengefasst, von
len Qualificatoren censurirt und die von ihm selbst gegebenen Er-
änterungen als ungenügend erkannt worden ; er habe in einem Briefe
[esagt, es gebe zahllose Seelen, die nie zu beichten brauchten, weil
ie sich keiner Sünde bewusst seien, und er selbst habe 22 Jahre
:eine materia actualis sufficiens zur Beichte gehabt; er habe un-
ücbtige Handlungen eingestanden. Schliesslich heisst es: Mol. sei
Is Haereticus dogmatizans den Censuren verfallen, solle aber, da er
leue bekundet, nach vorheriger Abschwörung von der Excommuni-
ation losgesprochen werden ; ferner werde er zu formalis carcer
»erpetuus sine spe veniae verurtheilt und habe täglich das aposto-
Ische Glaubensbekenntniss und den dritten Theil des Eosenkranzes
u beten und viermal jährlich zu beichten. — Am folgenden Tage
lussten die Brüder Leoni abschwören; der Priester wurde zu zehn-
ähriger, der Schneider zu lebenslänglicher Haft verurtheilt. Erst
6. März 1689 wurde der Spanier Pedro Pefia, der Molinos' Secretär
:ewesen war, zur (nicht öffentlichen) Abschwörung und zu lebens-
änglicher Haft verurtheilt.
Am 15. Febr. 1688 wurde eine eigene vom 20. Nov. 1687
atirte Bulle über die Irrthümer des Molinos publicirt. Sie ist in-
laltlich im wesentlichen nur eine "Wiederholung und Bestätigung
es Inquisitionsdecretes vom 28. Aug.^). In den älteren Indices
1) Das Decret vom 28. Aug. 1687 und die Bulle stehen bei Arg,
IIb 357, die Sentenz A. J. V. 6, 1658 (auch juxta exemplar Rom. im An-
618 Der Quictisinus.
steht mit Verweisung auf die Bulle Mich. Molinos libri omnes om-
niaque opera quoc. loco et idiomate impressa uecnou omnia manu-
scripta, seit Ben. opera orania tarn edita quam manuscr. — Kenau-
dot, der einen Auszug aus den Processacten in Händen hatte, schrieb
13. Oct. 1687 an Bossuet: Molinos etait un des plus grands scele-
rals qu'on puisse s'imaginer. II n'y a ordures execrables qu'il n'ait
commises durant 22 ann^es sans se confesser. Auch andere, welche
die (abschriftlich in München befindlichen) Acten durchgesehen,
sprechen über seine sittliche Verkommenheit nicht milder. Diese
ist denn auch ohne Zweifel der Hauptgrund des Verbotes seiner
Schriften gewesen^). — 1693 ging das Gerücht, Mol. sei gestorben;
nach den Römischen Zeitungen ist er aber erst 28. Dec. 1697, reu-
müthig und mit den Sacramenten versehen, gestorben (das Gerücht,
er sei vergiftet worden, ist ohne Zweifel grundlos). Auf seinem
Grabe im Dominicanerkioster San Pietro in Montorio steht die In-
schrift: Qui e il corpo del D. M. Molinos il gran heretico.
Gegen Petrucci, er wurde 2. Sept. 1686, also nach der Ein-
leitung des Processes gegen Mol., zum Cardinal ernannt, — wurde
natürlich rücksichtsvoller verfahren. Er wurde nicht verhaftet, und
im Juni 1687 übertrug der Papst, zum Verdrusse der Inquisition,
die Untersuchung gegen ihn einer besondern, aus den Cardinälen
Cybo, Ottoboni, Casanate und Azzolini bestehenden Commission und
suspendirte das Decret der Inq., welches seine oben verzeichneten
Schriften verbot. -- Estiennot meldet im Aug. 1687: ein Abate
Taya sei von der Inq. verhaftet worden, weil er eine Apologie der
Ansichten Petrucci's und der Quietisten habe drucken lassen ; der
Verfasser derselben sei P. Boussy (Biscia? s. u.) von der Chiesa
nuova, — also ein Oratorianer, — und Card, Cybo habe mündlich
die Erlaubniss zum Drucke ertheilt; die Exemplare seien confiscirt
worden, Boussy aber habe sich dadurch aus der Affaire gezogen,
dass er bei dem Papste ein offenes Geständniss abgelegt; nun müsse
Taya für alle bezahlen; die fragliche Sclirift sei nicht übel gemacht,
aber Taya habe sie ohne Erlaubniss des Mag. S. Pal. drucken lassen
und zu frei gesprochen; übrigens habe man ihm schon lange etwas
anhaben wollen und auf einen Anlass gewartet. Card. Petrucci habe
gesagt, er habe keinen Auftrag zur Abfassung der Schrift gegeben;
hange von A. H. Francke's Uebersetzung der Guida, Manuductio spiritualis,
1687), die Sentenzen gegen die Brüder Leoni A. J.P. 10, 594, die Sentenz
gegen Pefia bei Laemmer, Mel. Rom. p. 407, Beschreibungen der Abschwö-
rung des Mol. bei Le Bret, Mag. 4, 124; Valery 2, 95; Laemmer 1. c;
Michaud 4, 465. Vgl. Deutscher Merkur 1879, 113.
1) Leibniz schreibt 1688 an den Landgrafen Ernst (Rommel 2, 131):
Les personnes les plus devotes et les plus eclairees de Rome ont ete trom-
pees par les hypoerisies de Molinos ... La Guida ne dit presque rien
qu'on ne trouve dans les auteurs mystiques approuves. Si Molinos a cache
•du venin sous ce miel, est-il juste que Petrucci et autres personnes de
merite en soient responsables? . . J'ai trouve des espressions dans la
Guida que je n'approuve pas, quoiqu'elles se trouvent chez quelques au-
teurs mystiques.
Card. Petraooi. B. Biscia. 610
dem Vernehmen nach lasse er seihst eine Schrift drut^ken, worin
er das, was man in seinen Büchern beanstande, desavouire, revocire
oder erkläre; er solle dem Papste gesagt haben, er habe geglaubt,
die Wahrheit zu schreiben, aber wenn der Papst anders urtheile,
wolle er retractiren. Am 23. Sept., also nach Molinos' Verurthei-
lung, schreibt Estiennot : Petrucci thue ganz unbefangen; einige sag-
ten, er werde in einer Schrift rectractiren, andere, er behaupte, er
habe nichts geschrieben, was man censuriren könne. Etwas später
meldet Estiennot, man habe Commissare in Petrucci's Diöcese ge-
sandt ^). — Durch ein Decret der Inq. vom 5. Febr. 1688 wurden seine
oben verzeichneten 8 Schriften verboten, „damit sie nicht unter dem
Vorwande einer gefährlichen Andacht den üngelehrten zum Anstoss
würden" 2). Er ist der einzige Cardinal aus den letzten Jahrhunder-
ten, der im Index steht, — über Noailles s. § 83 — ; er wird aber
nicht als Cardinal bezeichnet, obschon er wenigstens einige Schriften
als solcher nochmals hat drucken lassen. — Die Inq. hielt auch
eine Abschwörung für nöthig; aber der Papst nahm diese selbst
entgegen ohne die bei der Inq. üblichen, für einen Cardinal aller-
dings demüthigenden Formalitäten, und Hess auch der Inq. kein
ProtocoU darüber mittheilen (Michaud 4, 467). Er wurde darauf
nach Jesi geschickt, später aber wieder nach Rom berufen, wahr-
scheinlich um dort beaufsichtigt zu werden; 1696 resignirte er auf
sein Bisthum, f 1701. Im J. 1697 interessirte er sich für F6nelon,
wird aber keinen Einfluss gehabt haben ^).
Gleichzeitig mit Petrucci's Schriften wurden drei von dem Ora-
torianer Benedetto Biscia verb.: Insegnamenti spirituali per le mo-
nache, Jesi 1683; Brevi documenti per le auime che aspirano
alla crist. perfettione, Jesi 1683; Giesü specchio dell' anima, Rom
[1687? 8. o.], — ferner ein französisches Blatt; Propositions
tir^es des livres et autres ecrits du Dr. Molinos, chef des qui^tistes,
condamndes par la S. Inquisition de Rome, von dem die Inq. 1. Apr.
nachträglich erklärte, es sei nur wegen der schlechten Uebersetzung
der Sätze verb. worden.
3. Es folgten nun in der nächsten Zeit Verbote von älteren,
bis dahin nicht beanstandeten ascetischen Schriften. 1. Apr. 1688
wurden die in italienischer Uebersetzung in -Rom selbst, also mit
1) Valery 2, 64 ff. Am 30. Sept. 1687 schreibt Estiennot : es sei eine
Schrift über die Lehre der Quietisten von dem Marchest» Pallavicini, Maestro
di Camera des Card. Cybo (Secretärs der Inq.), erschienen; Pallavicini sei
citirt worden; der Cardinal habe von ihm verlangt, er solle nicht sagen,
dass er selbst ihm die Schrift diciirt habe, und da Pallavicini sich dessen
geweigert, habe er ihn entlassen.
2) Trotz des Verbots ist 1837 in Regensburg erschienen: Pastoral-
conferenz für höhere Seelen leitung in auserlesenen Briefen des Card, und
Bischofs von Jesi, P. M. Petrucci.
3) Corr. de Feu. 8, 163; 9, 78. — Abbe Bossuet schrieb anfangs
(Oeuvres de Bossuet 40, 391): Petrucci lobe Fenelons Buch bei den Mönchen;
c'est un bavard qui ne sait rien; später (40, 464): er habe sich gegen
Fenelon ausgesprochen.
618 Der Quiutismus.
stellt mit Verweisung auf die Bulle Mich. Molinos libri omnes om-
niaque opera quoc. loco et idiomate impressa necnon omnia manu-
scripta, seit Ben. opera orania tarn edita quam manuscr. — Kenau-
dot, der einen Auszug aus den Processacten in Händen hatte, schrieb
13. Oct. 1687 an Bossuet: Molinos etait un des plus grands scele-
rats qu'on puisse s'imaginer. II n'y a ordures execrables qu*il n'ait
commises durant 22 ann^es sans se confesser. Auch andere, welche
die (abschriftlich in München befindlichen) Acten durchgesehen,
sprechen über seine sittliche Verkommenheit nicht milder. Diese
ist denn auch ohne Zweifel der Hauptgrund des Verbotes seiner
Schriften gewesen^). — 1693 ging das Gerücht, Mol. sei gestorben;
nach den Römischen Zeitungen ist er aber erst 28. Dec. 1697, reu-
müthig und mit den Sacramenten versehen, gestorben (das Gerücht,
er sei vergiftet worden, ist ohne Zweifel grundlos). Auf seinem
Grabe im Dominicanerkloster San Pietro in Montorio steht die In-
schrift: Qui e il corpo del D. M. Molinos il grau heretico.
Gegen Petrucci, er wurde 2. Sept. 1686, also nach der Ein-
leitung des Processes gegen Mol., zum Cardinal ernannt, — wurde
natürlich rücksichtsvoller verfahren. Er wurde nicht verhaftet, und
im Juni 1687 übertrug der Papst, zum Verdrusse der Inquisition,
die Untersuchung gegen ihn einer besondern, aus den Cardinälen
Cybo, Ottoboni, Casanate und Azzolini bestehenden Commission und
suspendirte das Decret der Inq., welches seine oben verzeichneten
Schriften verbot. -- Estiennot meldet im Aug. 1687: ein Abate
Taya sei von der Inq. verhaftet worden, weil er eine Apologie der
Ansichten Petrucci's und der Quietisten habe drucken lassen ; der
Verfasser derselben sei P. Boussy (Biscia? s. u.) von der Chiesa
nuova, — also ein Oratorianer, — und Card. Cybo habe mündlich
die Erlaubniss zum Drucke ertheilt; die Exemplare seien confiscirt
worden, Boussy aber habe sich dadurch aus der Affaire gezogen,
dass er bei dem Papste ein offenes Geständniss abgelegt; nun müsse
Taya für alle bezahlen; die fragliche Schrift sei nicht übel gemacht,
aber Taya habe sie ohne Erlaubniss des Mag. S. Pal. drucken lassen
und zu frei gesprochen; übrigens habe man ihm schon lange etwas
anhaben wollen und auf einen Anlass gewartet. Card. Petrucci habe
gesagt, er habe keinen Auftrag zur Abfassung der Schrift gegeben;
hange von A. H. Francke's üebersetzung der Guida, Manuductio spiritualis,
1687), die Sentenzen gegen die Brüder Leoni A. J.P. 10, 594, die Sentenz
gegen Pefia bei Laemmer, Mel. Rom. p. 407, Beschreibungen der Abschwö-
rung des Mol. bei Lc Bret, Mag. 4, 124; Valery 2, 95; Laemmer 1. c;
Michaud 4, 465. Vgl. Deutscher Merkur 1879, 113.
1) Leibniz schreibt 1688 an den Landgrafen Ernst (Rommel 2, ISl):
Les personnes les plus devotes et les plus eclairees de Rome ont ete trom-
pecs par les hypocrisies de Molinos ... La Guida ne dit presque rien
qu'on ne trouve dans les auteurs mystiques approuves. Si Molinos a cache
du venin sous ce miel, est-il justc que Petrucci et autres personnes de
merite en soient responsables? . . J'ai trouve des espressions dans la
Guida que je n'approuve pas, quoiquVlles se trouvent chez quelques au-
teurs mystiques.
Card. Petruooi. B. Biscia. 619
dem Vernehmen nach lasse er selbst eine Schrift drucken, worin
er das, was man in seinen Büchern beanstande, desavouire, revocire
oder erkläre; er solle dem Papste gesagt haben, er habe geglaubt,
die Wahrheit zu schreiben, aber wenn der Papst anders urtheile,
wolle er retractiren. Am 23. Sept., also nach Molinos' Verurthei-
lung, schreibt Estiennot: Petrucci thue ganz unbefangen; einige sag-
ten, er werde in einer Schrift rectractiren, andere, er behaupte, er
habe nichts geschrieben, was man censuriren könne. Etwas später
meldet Estiennot, man habe Commissare in Petrucci*s Diöcese ge-
sandt ^). — Durch ein Decretder Inq. vom 5. Febr. 1688 wurden seine
oben verzeichneten 8 Schriften verboten, „damit sie nicht unter dem
Vorwande einer gefährlichen Andacht den üngelehrten zum Anstoss
würden" 2). Er ist der einzige Cardinal aus den letzten Jahrhunder-
ten, der im Index steht, — über Noailles s. § 83 — ; er wird aber
nicht als Cardinal bezeichnet, obschon er wenigstens einige Schriften
als solcher nochmals hat drucken lassen. — Die Inq. hielt auch
eine Abschwörung für nöthig; aber der Papst nahm diese selbst
entgegen ohne die bei der Inq. üblichen, für einen Cardinal aller-
dings demüthigenden Formalitäten, und Hess auch der Inq. kein
Protocoll darüber mittheilen (Michaud 4, 467). Er wurde darauf
nach Jesi geschickt, später aber wieder nach Rom berufen, wahr-
scheinlich um dort beaufsichtigt zu werden; 1696 resignirte er auf
sein Bisthum, f 1701. Im J. 1697 interessirte er sich für Fenelon,
wird aber keinen Einfluss gehabt haben ^).
Gleichzeitig mit Petrucci's Schriften wurden drei von dem Ora-
torianer Benedetto Biscia verb.; Insegnamenti spirituali per le mo-
nache, Jesi 1683; Brevi documenti per le anime che aspirano
alla crist. perfettione, Jesi 1 683 ; Giesü specchio dell' anima, Rom
[1687? s. 0.], — ferner ein französisches Blatt; Propositions
tir^es des livres et autres ecrits du Dr. Molinos, chef des qui^tistes,
condamn^es par la S. Inquisition de Rome, von dem die Inq. 1. Apr.
nachträglich erklärte, es sei nur wegen der schlechten Uebersetzung
der Sätze verb. worden.
3. Es folgten nun in der nächsten Zeit Verbote von älteren,
bis dahin nicht beanstandeten ascetischen Schriften. 1. Apr. 1688
wurden die in italienischer Uebersetzung in • Rom selbst, also mit
1) Valery 2, 64 ff. Am 30. Sept. 1687 schreibt Estiennot : es sei eine
Schrift über die Lehre der Quietisten von dem Marchese Pallavicini, Maestro
di Camera des Card. Cybo (Secretärs der Inq.), erschienen; Pallavicini sei
citirt worden; der Cardinal habe von ihm verlangt, er solle nicht sagen,
dass er selbst ihm die Schrift diciirt habe, und da Pallavicini sich dessen
geweigert, habe er ihn entlassen.
2) Trotz des Verbots ist 1837 in Regensburg erschienen: Pastoral-
conferenz für höhere Seelen leitung in auserlesenen Briefen des Card, und
Bischofs von Jesi, P. M. Petrucci.
3) Corr. de Fen. 8, 163; 9, 78. — Abbe Bossuet schrieb anfangs
(Oeuvres de Bossuet 40, 391) : Petrucci lobe Fenelons Buch bei den Mönchen ;
c*e«t un bavard qui ne sait rien; später (40, 4(14): er habe sich gegen
Fenelon ausgesprochen.
>
620 Der Quietismus.
Erlaubnis» des Mag. S. Pal. gedruckten Schriften des Spaniers Joai
Falconi aüB dem Orden B. M. V. de Mercede (1596—1638) verb.;
Alfabeto per Baper leggere in Christo, libro di vita eterna [spanisch.
Madrid 1657, auch ins Französische übers.]; 5. impressione [dei
italien. Uebers.] . con Tagginnta del ristretto della vita dell* autore -^^c
e di iina lettera soritta dal medesimo ad una sua divota [d. d. 23. — ^•
Juli 1628], Rom 1680, — Lettera scritta dal Servo dl Dio il P.
Gio. Falconi ad una 6gliola spirituale, nella quäle insegna 11 piü
puro e perfetto spirito dell' oratione, Kom 1680 [der dem ersten
Buche angehängte Brief; die span. Ausgabe, Madrid 1657, ist die
einzige Schrift von Falconi, die auch im span. Index steht], — Let-
tera scritta ... in difesa del modo deir oratione in pura fede da
lul insegnato [Madrid 1629], Rom 1674. Moiinos bat die Schriften
von Falconi gekannt ; einmal beruft er sich ausdrücklich auf ihn, und
mehrere Sätze, die in der Bulle verdammt werden, kommen auch
bei ihm vor (Bossuet 27, 72. 76). Die italienische Ueberaetzung ist
von dem Oratorianer Nie. Balducci zu Rom, f 1684, der wie Biscia
mit Petrucci befreundet war (Melzi 1, 34). Das Verbot der Ueber-
setzung wird auch für das Original gelten sollen (S. 82).
Durch dasselbe Decret wurde verb. : Prattica facile per elevar
l'anima alla contemplatione in forma di dialogo di Franc. Malavalle, «- «,
laico cieco, tradotta dal francese. Parte L, Rom 1677 [1671?]. P. IL, ^- .,
volgarizzata da D. Lucio Labacci, Sacerdote Romano, Rom 1672. . T
Auch dieses Buch ist von Balducci tibersetzt. Der Verfasser heisst .::Ä";t
FrauQois Malaval, war 1627 zu Marseille geboren und 9 Monate alt ^:^J
erblindet, tl717. Seine Pratique facile pour elever r&me & la con- — j-
templation erschien mit Approbation von mehreren Doctoren der -riar r
Sorbonne 1669. Er tibersandte das Buch durch den Oratorianer-ir" ^r
Chappnis dem Card. Bona, widmete diesem auch eine Ausgabe des — ,^q.
selben, und Bona schrieb ihm 1. Sept. 1671: er habe die ihm über-
sandten Exemplare vertheilt und sie würden cum ingentl lucro ani*
marum gelesen ; die Königin Christine nenne ihn den Didymus ui
serer Zeit. Bona erwirkte für Malaval auch ein Breve, dass
trotz seiner Blindheit Cleriker werden könne. Er schrieb u. a. am
ein Leben des Philipp Benizi und übersetzte Bona's Via compen^
ad Deum (Bona, Epist., Lucca 1759, I, 41.46. II, 15. Epist. »
ed. Sala No. 150). Als ihm das Verbot seines Buches bekai
wurde, erklärte er seine Unterwerfung^).
1) Dass Malaval sich unterworfen, sagen nicht bloss die Jesuiter:»- *°
den Mem. de Trevoux von 1719 (Heppe S. 65), sondern auch Racine ^^
808, und Goujet im Suppl. de Morery Die zu Cologne (Amsterdam) 1^ '^*
erschienonen Poesies spirituelles, oü Ton apprend k s'elever k Dieu PJ^
N. S. Jesus-Christ, par les oeuvres de la nature et par les merveill
la gräce, sprechen nicht dagegen, weil sie bereits 1671 erschienen w
und wohl ohne Malavals Vorwissen 1714 nochmals gedruckt wur
Als er starb, hinterliess er seine Manuscripte den Feuillants zu Mars«^
(Goujet verzeichnet sie) ; sie wurden nicht j^edruckt. Darunter sind Br^ ^J'
die er seit 1648 geschrieben, auch einer an den Papst und einer an L-^""'
wig XIV. über seine Unterwerfung; eine Erklärung über seine üi»^^^'^
de
ren
en.
ille
J. Falconi. Fr. Malaval. T. Menghini. B. Canfeld. 601
Die Lettre de M. Malaval ä Mr. Tabbö de Foresta-Colongue,
vicaire gin^ral de T^veque de Marseille, Marseille 1695, sollte 1697
yerb. werden; Card. Bouillon hintertrieb dieses damals, indem er
hervorhob, die Qaalificatoren Granelli und Miro verständen nicht
genug französisch (Bossuet 41, 503). Sie wurde dann aber 1704
verb. — Bossuet urtheilt sehr scharf über Malaval (27, 79), auch
F^nelon war nicht mit ihm einverstanden (Corr. 7, 179. 183), und
sogar La Combe (Bossuet 40, 168) sagt, er habe einige Ansichten
desselben missbilligt.
Durch dasselbe Decret von 1688 wurden endlich auch zwei
Bücher des Dominicaners Tommaso Menghini aus Albacina ,
des Verfassers des Sacro Arsenale (Reusch, Galilei S. 480. Qu^tif
2, 703), verb,: Opera della div. gratia, che mostra la prattica degl'
affetti mentali per via di fede per salire con preslezza e facilitä al
Monte Orebbe della contemplatione, Rom 1680, — Lume mistico
per Tessercitio degl' affetti divini preso dall* Opera della div. gra-
tia e pubblicato a beneücio deir anime divote dallo scrittore di essa,
Jesi 1682.
In einem Decrete vom 29. Nov. 1689 verbot die Inq. italie-
nische Uebersetzungen noch älterer ascetischer Schriften, von dem
englischen Capuciner Benedict von C an feit (Canfeld), t 1611, und
dem französischen Laien Jean de Bemi^res-Louvigny, f 1659. Ersterer
veröffentlichte eine Schrift, die zuerst in Abschriften verbreitet und
nach einer schlechten Abschrift gegen seinen Willen gedruckt wor-
den war, zu Ronen 1608 unter dem Titel: La r^gle de perfection,
contenant un abrege de tonte la vie spirituelle reduit a ce senl
point de la volonte de Dien, divis6 en 3 parties . . ., dem Card.
Joyeuse, Erzbischof von Ronen, gewidmet, mit Approbation von Pa-
riser Doctoren u. s. w., auch englisch : The rule of perfection, Ronen
1609, und auf Veranlassung des Capuciner- Grenerals auch lateinisch:
Regula perfectionis . . . a Fr. Benedicto Anglo de Canfeld in £sse-
xia, Praedicatore Capucino, gallice primum et anglice composita,
postmodum de mandato R. P. Hieron. a Castro Ferrettamm ejusdem
Ord. Generalis typis ab eodem lat. mandata, Col. 1610. Bei Sot.
werden p. 95 diese lat. Ausgabe, p. 115 alle Uebersetzungen in
der Volkssprache, speciell die spanische, Zaragoza 1629, verb., in
Rom aber erst 1689 die italienische Uebersetzung: Regola di per-
fettione . . . trad. dal P. Fr. Modesto Romano, Viterbo 1667^).
werfung schickte er au fast alle französischen Bischöfe, die Sorbonne und
mehrere Ordensgenerale. Wenn Goujet beifügt: dass er sich unterworfen,
zuige sein Brief au Foresta (den Heppe gar nicht erwähnt), so scheint es
freilich, da eben dieser Brief in Rom verboten wurde, dass er sich zwar
unterworfen, aber nicht von seinen Ansichten hat losmachen können.
1) Wenigstens die lat. Ausgabe ist trotz des Verbotes wieder ge-
druckt worden: Regula perfectionis . . . Impressum sccundum Romanorum
Editionem. Wirceburgi 1741,* 578 S. 12. Hinter den Approbationen steht
eine Erklärung, worin Fr. Ben. de Canfeld dieses Buch und alle, die er
jemals schreiben werde, der Censur und dem ürtheil der h. Rom. Kirche
et universalis inquisitinnis unterwirft. Dodd 2, 144 nennt ihn Causficld
622 Der Quietismus.
Jean de Bernieres-Louvigny, geb. 1602 in der Normandie,
königlicher Rath und Tresorier de France zu Caen, seit 1641 Mit-
telpunkt eines frommen Kreises im nördlichen Frankreich, verlebte
die letzten Jahre in Zurückgezogenheit, f 3. Mai 1659 (Heppe S. 88).
Nach seinem Tode erschien: Le chretien Interieur, ou la conformit^
interieure que les chretiens doivent avoir avec J.-C, compose d'apr^s
les manuscrits dictes par le pieux Jean de Berniöres-Louvigny, Par,
1660, corapilirt von dem Capuciner Louis Fran^ois d^Argentan, der
1676 einen 2. Band herausgab. 1670 wurden von Robert de Saint
Gilles aus dem Orden der Minimi, seine Oeuvres spirituelles heraus-
gegeben, in 4 Büchern, von denen das 1. und 2. Le chretien Inte-
rieur enthalten. Das erste Buch war 1678 schon in 12 Auflagen
und 30,000 Exemplaren verbreitet, und wurde 1666 ins Holländische
übersetzt, in demselben Jahre ins Italienische: II Christiano in-
teriore, ovvero la conformita interiore che devono havere li christiani
con Griesu Christo. Opera trad. . . dal Sig. Aless. Cenami, Priore
di S. Alexandro di Lucca, Ven. 1666. Diese Uebersetzung wurde
1688 verb., später auch: Opere spirituali del Sig. di BerniÄres-
Louvigni, onde fü cavato il Christiano interiore, ovvero gnida secu-
ra per quelli, che aspirano alla perfettione, Parte 1. e 2., data in
luce da F. A. D., Todi 1676, verb. 1692, und Esercizii del Christiano
interiore ne*quali s'insegnano le prattiche per conformare il nostro
interiore a quello di Gesü Christo e per vivere della sua vita, com-
positi dal P. Luigi Franc. d^Argentano, dalla lingna franc. trad.
neir ital., Ven. 1660, verb. von der Index-Congr. 1728. Im span.
Index von 1707 steht ohne Bernieres' Namen El christiano interior,
übersetzt von Franc. Cobillas Don Yague, Madrid 1677. — Mabil-
Ion fragt (Valery 2, 310) 1690 bei Sergardi an, warum denn Le
chretien Interieur verboten worden sei, und Ranc6, der Stifter der
Trappisten, soll 1692 geäussert haben: es gebe kein Buch, welches
bis in die letzte Zeit so allgemeine Anerkennung gefunden (Val. 3,
300). Bo8suet(39, 354. 360) sagt 1695 über das Verbot: Ich habe
in dem Buche noch nichts Schlechtes gefunden; aber im allgemeinen
finden sich bei den modernen Mystikern starke Uebertreibnngen;
viele Briefe von Bernieres gefallen mir nicht, es kommen darin manche
sehr verdächtige Stellen vor. Pension (Corr. 7, 102) schreibt 1694:
„Man sagt [!], man habe in Rom auch die Werke des Verfassers
des Chretien intörieur verboten. Es ist jetzt Mode, dass sehr gute
Bücher verboten werden und sehr schlechte en vogue sind"^).
al. Fitch. Nach Räss, Convertiten 2, 422 hiess er William Filch, wurde
um 1584 katholisch, 1586 Capuciner (Benedict ist sein Ordensname) und
schrieb 1596 eine Geschichte seiner Conversion, die in der 7. Ausgabe
der Rögle de perfection, Par. 1027 abgedruckt ist. Dass Canfeld im Index
steht, davon hat Räss keine Ahnung.
1) In Mastiaux' Lit.-Ztg. 1819, 31 wird „Das verborgene Leben mit
Christus in Gott, aus den Schriften des gottsei. Joh. von Bernieres Louvigni
gesammelt von einem Katholiken, 1818'* gelobt, und dabei erwähnt, bis
1700 seien 20 Ausgaben des Buches erschienen, 172G zu Köln eine deutsche
J. de Bemi^refl-LonvigDy. H. M. Boudon. Fr. La Combe. 623
1688 wurde ferner verb.: Dio solo, owero aggregazione per
rinteresse di Dio solo, composto in lingaa francese dal Sig. Hen-
rico Maria Dudone, Theol. ed Archidiacono della Chiesa d'Evreux,
e trad. nell' ital. da un sacerdote, Rom 1667. Dudone wird der
Verfasser in Folge eines Druckfehlers in dem Decrete in allen In-
dices genannt, seit Ben. Dudone alias Budone. Er hiess Boudon
und war nach Picot 4, 6 einer der frommsten und eifrigsten Geist-
lichen des 17. Jahrh., dem sogar Wunder zugeschrieben wurden,
f 1702. Er hat viele kleine Erbauungsschriften verfasst^). Gleich-
zeitig wurden noch verb. eine Schrift des Bamabiten Fran^ois La
Combe aus Thonon.in Savoyen (s. u.): Orationis mentalis analysis
deque variis ejusdem speciebus Judicium ex divini verbi sanctorum-
que patrum sententiis, per Fr. Franc. La Combe Tononensem, Presb.
professum Congr. Cler. Reg. S. Pauli, Vercelli 1686, und zwei ita-
lienische Schriften, eine 1676 gedruckte von dem Dominicaner R.
Grilinzoni und eine anonyme: Barlumi [Lichtstrahlen, Andeutun-
gen] a' direttori nell' esercizii di S. Ignatio Lojola . . . Ven. 1684.
Unter dem 23. April 1689 erliess die Inq. ein Circular an die
(italienischen?) Bischöfe, um sie zur Wachsamkeit bezüglich des
Qnietismus, der noch in verschiedenen Gegenden grassiren solle, zu
ermahnen. So wird A. J. P. 6, 1373 berichtet; hier wird auch, lei-
der ohne Datum, die Antwort der Inq. auf eine Anfrage des Bischofs
von Savona mitgetheilt, die durch die Ansicht mancher veranlasst
Ausgabe mit Kupfern ; 1809 sei ein Auszug von der Tractaten-Gesellschaft
zu Basel und 1815 ein ähnlicher von J. M. Anich zu Luzern erschienen;
die oben genannte Ausgrabe aber sei vollständig und treu. Das Römische
Verbot wird nicht erwähnt. In dem Bücher-Verzeichniss, welches dem
Augsburger Pastoralschreiben gep^en die aftermystischen Lehren und Secten
von 1820 beigefügt ist, stehen: Das verborgene Leben . . . aus den Schriften
des gottsei. J. v. B. L. gesammelt für die Innigen und Stillen im Lande.
4. Buch, von der h. Communion, 1813, 72 S. 12., und Innerlicher Christ
. . . gezogen aus den Schriften eines grossen Dieners Gottes unserer Zeiten
durch einen Einsiedler. Aus dem Französ. . . . von Fr. Brandenberg,
Canonico zu Bischofzell, zum 5. Male gedr. Nürnb. 1740, 597 S. 8. Von
einer (protestantischen) Uebersetzung ist Frankf. 1848 die 9. Aufl. erschienen,
von einer andern, mit Vorwort von Gerhard Tersteegen, Essen s. a., die
6., eine neue deutsche Ausgabe von M. Siutzel Re^ensb. 1887. Im K.-L. 2,
244 heisst es nach Erwähnung der Römischen Verbote: Eine purgirte
Ausgabe erschien 1781 in Pamiers. Die deutschen Ausgaben Regensb.
1887, Münster 1863, Regensb. 18H6, werden besser nicht verbreitet.
1) Es gibt mehrere eigene Biographieen Boudons, eine von Collet,
Par. 1754, 2 vol. 8. K.-L. 2, 1152; dass Boudon im Index steht, weiss
das K.-L. ebensowenig wie andere (in Folge des Druckfehlers). Einige
andere Schriften von ihm hat der Convertit E. H. Thompson übersetzt :
Hidden life of Jesus, Devotion to the niue choirs of angcls, Holy way of
the cross, Lond. 1869—76. — Das Original der verbotenen Schrift heisst:
Dieu seul ou l'association pour Tinteret de Dieu seul; die biographischen
Lexica führen statt ihrer eine andere an : Dieu seul ou le saint esclavage
de la mere de Dieu, 1674 (von dieser finde ich eine Ausgabe Marseille
1886 angezeigt), aber auch Dens solus s. confoederatio inita ad majorem
solius Dei honorem, 1747.
624 Der Quietismus.
war, durch die Verdammung des Molinos sei aucli die Lehre de«
Franz von Sales und anderer über die Contemplation verworfen.
Die Inq. erklärt: sie verdamme nicht das innere Gebet, die sog.
Orazione degli affetti e della quiete, sondern die Ansichten derje-
nigen, welche 1. die mündlichen Gebete und die in der Kirche üb-
lichen Andachtsübungen verwürfen, 2. behaupteten, diejenigen, welche
jenes innere Gebet übten, seien ihres Heiles gewiss und bedürften 3.
nicht der Busse, wer 4. jenes Gebet nicht übe, begehe eine Todsünde;
in diesem Sinne solle der Bischof seine Diöcesanen belehren; die-
selbe Erklärung solle auch dem Inquisitor von Genua niitgetheilt
werden; beide sollten auch darüber wachen, dass nicht bei Tage
oder bei Nacht Conventikel gehalten würden.
Ein Decret der Inq. vom 29. Nov. 1689 verbot wieder eine
Reihe von italienischen Schriften, die zum Theil schon seit mehr
als 20 Jahren in Umlauf waren, von Paolo Manassei da Terni,
Capucino, Tiberio Malfi, Gio. Maria Grimaldi (seit Ben. nicht mehr
im Index), Pietro Batt. di Perugia, Min. Osserv., Gio. Ant. So-
lazzi da Veraila, Carlo Guadagni, Livio Leoni, Ant. Rojas
(Vita dello spirito, Pavia 1684; das spanische Original, Madrid
1629, und ein zweites Buch von Rojas stehen schon bei Sot.), —
auch einige anonyme: Strada felice, Tesoro mistico, Trattato per
condurre Tanime alla stretta unione con Dio. . . trad. dalla lingua
franoese, — ferner Traite de la theologie mystique, oüi l'on decou-
vre les secrets de la sagesse de Dieu dans la conduite des &mes
appliquees au saint exercise de l'oraison, par M. Desqueux, Cure
et Doyen de Lille, Lille 1686, endlich: Moyen court et tres-
facile pour Toraison que tous peuvent pratiquer tres-aisement et
arriver par-la en peu de temps ä une haute perfection, Grenoble
1685, — Lettre d*un serviteur de Dieu ä, une personne qui aspire
h, ia perfection religieuse, — R^gle des associez ä Penfance de
J^sus, modele de perfection pour tous les estats, Lyon 1685. Das
erste Schriftchen, Moyen etc., ist von Madame Guyon (Joanne Marie
Bouvieres, geb. 1648, 1664 — 76 mit Jacques de la Mothe-Guyon
verheirathet), und war, nachdem es bereits in Abschriften Ver-
breitung gefunden, von einem Parlamentsrathe mit Approbation der
Sorbonne und der Ordinariate von Lyon und Grenoble 1685 ver-
öffentlicht und seitdem wiederholt gedruckt worden. Die Lettre ist
eine dem Moyen p. 157 beigefügte Uebersetzung des Briefes von
Falconi (S. 620). Die Regle ist nach Heppe S. 450 auch von Mad.
Guyon, nach Biblioth. Jans. p. 287 aber von Bemieres; sie wird
von Bossuet und Fenelon nie als eine Schrift der Mad. Guyon er-
wähnt, und diese erklärte selbst 1695 (Corr. de F^n. 7, 160), es
seien nur zwei Schriften von ihr gedruckt worden, Moyen und Le
Cantique des Cant. interprete selon le sens mystique, 1685. La
Combe erklärte 1698 (Bossuet 41, 107): II y a une 6banohe d'un
livre R^gle des associez, livret qui devrait etre tont autre que celui
<[ui a ete imprime sous le meme titre et que M. de Meaux a cen-
sure. Je Tavais conimenc6 il y a 14 ans avant presque que l'autre
eAt parn. Von den zahlreichen anderen Schriften der Mad. Guyon
Mad. Gayon. Maria di Giesü. J. Sarin n. a. 626
ist, obschon durch den Process gegen sie, bei dem Bossnet und
F6n61on eine so grosse Rolle spielten, die Aufmerksamkeit auf sie
gelenkt wurde, in Rom keine verb. worden; ihr Name steht über-
haupt nicht im Index.
4. In den nächsten Jahrzehnten wurden von der Inq. noch
verb. Schriften von dem Minoriten Sisto de' Cucchi di Bergamo,
dem General -Definitor der Augustiner Gio. Bart, da S. Claudia,
Strada di salute von einem ungenannten Augustiner, Breve oom-
pendio intorno alla perfettione christ. (1672, verb. 1703), — Va-
rii esercizi spirituali composti . . . dalla Ven. Madre Maria di
Giesu, Carmelitana Scalza (Genua 1652. Ven, 1679), und Teo-
piste ammaestrata secondo gli esempj della M. Suor Paola Maria
di Gesü Centuriona, Carmelitana Scalza, fondatrice de' monasteri in
Vienna ed in Gratz (Ven. 1649. Genua 1658), beide verb. 1693,
letzteres mit d. c. ^). Ben. hat auch dem erstem d. c. beigefügt
und letzteres unter den Namen des Verfassers gesetzt : Gio. Andrea
Alberti (Jesuit, 1611 — 57, Backer 1, 7), — ferner Catechismo
spirituale, in cui si contengono ii principali mezzi per arrivare a
la perfettione, comp, da Gius. Surini Sacerdote e trad. . . . dair
ab. Pellegrino Monegnini, Bologna, verb. 1695, eine Uebersetzung
des Cat^chisme spirituel contenant les principaux moyens d'arriver
k la perfection des Jesuiten Jean Joseph Surin (Seurin), fl^öS^),
den zuerst der Prinz von Conti ohne Surins Vorwissen und gegen
den Willen seiner Oberen als compose par J. D. S. F. P. (Jean de
Sainte Foy, Pretre), Par. 1661. 63, 2 vol., drucken Hess, der dann
aber auch wiederholt unter Sarins Namen erschien. Bossuet, mit
dessen Approbation ein anderes Bach von Surin, Les fondements de
la vie spirituelle, erschienen war (F^nelon 4, 281), vertheidigt (28,
699) den Catechismus ^).
1) Die beiden Klöster waren von Ferdinand II. und der Kaiserin
Eleonore gegründet, bei weicher die Centuriona (1686—1646) in grossem An-
sehen stand. Nach der Biblioth. Carmelitana, Orleans 1 752, II, 523 wurde
sie incorruptione corporis aliisquc prodigiis a Deo honorata. Alberti schrieb
1648 eine Vita derselben.
2) Im J. 1633 wurde der Pfarrer Urbain Grandier von Londun,
der verdächtig war La cordonniere deLoudun, ein Pamphlet gegen Richelieu,
geschrieben zu haben, auf dessen Befehl verhaftet und 18. Aug. 1634 als
Zauberer und Urheber der angeblichen Besessenheit der Nonnen eines
Klosters zu Loudun verbrannt. P. Surin und zwei andere wurden dann
nach Loudun gesandt, um die Nonnen zu exorcisiren. Die Dämonen, so
wird erzählt, sagten bei den Exorcisirungen aus, zwei Zauberer hätten
oonsecrirte Hostien bei Seite gebracht; Surin erbot sich im Gebete, seinen
eigenen Leib den Dämonen preiszugeben, um das h. Sacrament zu retten ;
die Dämonen brachten die Hostien zur Stelle und Surin wurde besessen.
Avr. 2, 41. Bayle s. v. Grandier. Es erschien darauf Hist. des diables de
Loudun von dem Calvinisten Aubin. — Die Hist. abregee de la possession
des Ursulines de Loudun et des peines du P. Surin und andere Sachen
von Surin sind erst 1828 u. s. w. gedruckt. Der oben erwähnte H. M.
Boudon schrieb L'homme de Dieu en la personne du P. J. J. Seurin,
1683. Backer 2, 604; 7, 861.
3) Bei dem Process gegen den Mailänder Priester Joseph Beccadelli,
Bensoli, Index II. 40
626 Der Quietismus.
Von der Inq. wurden auch verb. : Trois lettres toucbant
l'6tat präsent de Tltalie, icrites 1687; la 1. regarde Taffaire de
Molinos et des qui^tistes, la 2. Tlnquisition et Tetat de la religion,
la 3. la politique et les interßts de quelques ^tats. Ponr servir
de suppÜment aux lettres du Dr. Burnet. Trad. de Panglais, Col.
1688, verb. 1691 und 1692, eine von Cornand de la Crose besorgte
Uebersetzung der Three Letters concerning tbe state of Italy, die
1688 als Supplement zu Gilbert Burnets Letters (S. 123) erschienen
(Scharling 1854, 339); — Recueil de diverses pi^es concemant
le quietisme et les qui^tistes ou Molinos et ses disciples, Amst.
1688, verb. 1691, auch von C. de la Croze, enthält eine Ueber-
setzung der zwei Schriften von Molinos, Auszüge aus Briefen über
ihn und in der Vorrede eine Apologie desselben (A. E. 1688, 426.
Scharling 1854, 344); — La rovina del quietismo e dell' amore
pnro, per F. Gulielmo Felle, Maestro Dominicano, Col. 1702, verb.
1704. Das Buch enthält eine Widerlegung der 68 Sätze des Mo-
linos und der 23 Sätze Fenelons und 161 Theoremata, in welchen
die Nonnen vor dem Quietismus gewarnt werden. Felle (f 1711;
Qnitif 2, 775 erwähnt nicht, dass das Buch verb. ist) ist ein
leidenschaftlicher Gegner des Quietismus. Zur Verdammung seines
Buches haben ohne Zweifel Stellen Anlass gegeben wie die von
Heppe S. 129 citirten: £n Sanctum Romae, quem adorabant Car-
dinales, episcopi, generales ordinum, principes, . . . qui fascinabat
principes viros ac feminas et in amorem ac admirationem sni rapie-
bat Romam sanctam universam. — Gothofredi Arnoldi Hist. et
descriptio theologiae mysticae s. theosophiae arcanae et reconditae
itemque veterum et novorum mysticorum, wurde 1709 von der
Ind.-Congr. verb.
5. Die bisher erwähnten Verbote sind fast alle von der Inq.
ausgegangen, welche seit 1680 die quietistische Literatur sich re-
servirt zu haben scheint. Auch die Index- Congr. verbot freilich in
dieser Zeit eine Reihe von ascetischen Schriften, ob aber wegen
quietistischer Tendenz oder aus anderen Gründen, erhellt nicht.
Dahin gehören elf 1676 — 80 erschienene Schriften des Venetianischen
Priesters Michele Cicogna, die 1684 — 1714 verb, wurden, zwei
von dem Augustiner Antero Maria da San Bonaventura zn Ge-
nua, eine zu Jesi 1682 erschienene Schrift des Canonico Carlo
Caldori di Fabriano, ferner Schriften von dem Augustiner Fr.
Maria Battaglia, Gio. Giac. Cevasco, dem Minoriten Angelo Elli,
Inn. Am. Gherardi, G. Palazzi (S. 137), Luc. Raineri, eine anonyme
Maniera di conversare con Dio . . . trad. dal francese, und spanische
der 1708 von der Inquisition verhaftet wurde, 1710 zu Venedig abschwor
und zur Galeere verurtheilt wurde (Heppe S. 446), handelte es sich, wie
bei früheren Processen (S. 611) hauptsächlich um grobe ünsittlichkeiten
(A. J. P. 6, 1374. Laemmer, Zur Kirchengesch. S. 58). — üebcr die
1724 zu Palermo verbrannten beiden ^Quietisten und Molinisten' und
das darüber erschienene Buch L'atto pubblico di fede . . . descritto dal
D. Ant. Mongitore, Palermo 1724 (Bologna 1868), vgl. Th. Lit-Bl. 1878, 49.
G. Felle. P. Gisolfo. Fr. de Clugny u. a. 627
Schriften von dem Capaoiner Felix de AI am in nnd P. Martin de
Zearrote. — Von La gaida de' peccatori von Pietro Gisolfo,
Napoli 1681 ^), verb. 1684, erschien nach Toppi eine Aasgabe,
corretta ed espurgata da' Padri Pii Operarii di S. Balbina, Ven.
1711 (im Index nicht erwähnt); von demselben wurde 1684 verb.
Prodigio di mature virtü nella vita di Fusco, fanciallo di tre anni
e mesi, Nap. 1682. — II cristiano occupato di dieci giomi per
far gli esercizi di S. Ignazio, und Giornata bene spesa ... da
un religioso Franciscano de' Min. Convent., verb. 1742, sind von
G-ius. Ant. Marcheselli ; von dem ersten Buche wurde eine expur-
girte Ausgabe von 1777 freigegeben.
La d^votion des p^cheurs, par un picheur, Lyon 1685,
292 S. 12., u. 8,, und De l'oraison des pecheurs, par un p^cheur,
Dijon 1689, 139 S. 16., beide verb. 1714, sind von dem Oratorianer
Fran^ois de Clugny, 1637 — 94 (Ingold, Essai p. 35. Suppl. de Mo-
riry s. v.). Er sagt in dem zweiten Schriftchen, einer seiner Haupt-
zwecke sei die Bekämpfung der Irrthümer des Molinos und der
anderen Quietisten; die Bibl. Jans. p. 248 behauptet aber, es sei
ganz durchdrungen von diesen Irrthümern, und in dem ersten
Schriftchen findet das Dict. Jans. 1, 418 viele impi^tes, blasphimes
etc. Die Sujets d'oraison pour les pecheurs tir^s des ipitres et
des evang. de l'annöe, par un p^cheur, Lyon 1695 — 96, 4 vol., 12.,
stehen nur in dem Jesuiten-, nicht im Köm. Index. Von dem Abbi
de Brion, den Feller als Gesinnungsgenossen der Mad. Guyon
bezeichnet, wurde 1727 verb. La vie de la tr^s-sublime contem-
plative Soeur Marie de S. Ther^se, Carmelite de Bordeaux, Par.
1720, 3 vol.
6. Im spanischen Index von 1707 sind die 38 Sätze des
Molinos abgedruckt. In dem von 1747 wird beigefügt: gemäss
einem Edicte der span. Inquisition seien 18 zur Lehre des Molinos
gehörende Sätze, — 8 werden spanisch, 5 indeoente lateinisch an-
geführt, — überall, wo sie vorkämen, zu streichen. Von den vielen
anderen im Rom. Index stehenden quietistischen Schriften steht im
spanischen ausser denen von Falconi, Bernieres und Zearrote keine.
Dagegen werden zuerst in dem Supplement zu dem von 1707 verb.:
Fr. Ant. de la Anunciacion, De la communion qnotidiana, Cadiz
1689 (in seinem Memorial de padres espirituales, Alcala 1679, soll
ein Gitat aus Molinos gestrichen werden), und Franc. Montalvo, Hist.
de los quietistas, und seit 1747 eine Schrift des Bischofs Jean Pierre
Camus von Belley, dem Freunde des h. Franz von Sales, f 1652,
in allen Sprachen, speciell in der Uebersetzung von Cabillas, Epitome
5 quinta essencia del amor de Dios, Barcelona 1693.
1) Von diesem Buche schreibt de la Mennais, Oeuvres inedites, 1866,
I, 96, im J. 1811: Un livre qiii est bien fait pour moi: Le guide des
pecheurs par le P. P. Gisolfe de l*Ordre des pieux ouvriers, Naples 1677.
On voit que l'auteur etait un bon religieux, plein de piete, tel que le Pore
Grenade, k la suite duquel 11 marche humblement. Er beschreibt das
Bach (700 S.) und gibt Auszüge daraus.
628 FSnelon.
1733 verbot der Bischof von Münster, Clemens August von
Baiern, die Uebersetzung des Buches von Berniöres von Branden-
berg, Via s. vita spiritus auct. A. de Roxas, Col. 1695 und 1716,
Tita aeterna, Col. 1719, und Thalamus sponsi, Col. 1723, mit dem
Bemerken, die beiden ersten Bücher seien von der h. Congregation
schon öfter verb. worden (d. h. in mehreren Index-Ausgaben ent-
halten; Hartzheim, Conc. 10, 475). — In der Biblioth. Jans, steht
ein Anhang : Biblioth. des auteurs quietistes, mit der Bemerkung :
der Quietismns sei nichts anderes als der praktische «Tansenismus.
Thatsächlich waren die Jansenisten die entschiedensten Gegner des
Quietismus. Arnaald spricht 2, 770 sehr ungünstig von Malaval
und Berni^res; Nicole bekämpfte in den Yisionnaires direct des Ma-
retz de Saint-Sorlin, der ein erklärter Gegner von Port-ßoyal war
(S.-Beuve 4, 441), aber indirect auch Bernieres und Guillor^^), und
schrieb 1695 auf Veranlassung Bossuets eine Refutation des prin-
cipaux erreurs des quietistes. Auch Racine und die N. E. (1750,
89 u. s.) sprechen sehr ungünstig von dem Quietismus. In dem
Streite zwischen Bossuet und F6nelon standen nicht die Jansenisten,
sondern die Jesuiten auf des letztern Seite (Tabaraud, Suppl. aux
bist, de Bossuet et de F^nelon, 1822, p. 485). Pichon war zwar
nichts weniger als Quietist, berief sich aber auf Molinos und Fal-
coni (S. 453).
64. FendloD.
Ueber die Schriften der § 63 erwähnten Madame Gayon
veruneinigten sich 1696 zwei der bedeutendsten französischei
Bischöfe, Bossuet und F^n^lon. Des letztem ^Darlegung de^^ ^j.
Grundsätze der Heiligen über das innere Leben", 1697, wurd^ _e
namentlich wegen dessen, was er darin über die ContempIatio-üiMn
im Unterschiede von der Meditation und über die reine uc!^d
uneigennützige Liebe Gottes, bei der die Hoffnung und dasVe^r-
langen nach eigener Beseligung zurücktrete, vorgetragen, v^^n
Bossuet und einigen anderen Bischöfen angegriffen und -von
ihm selbst dem Papste zur Entscheidung übersandt. Ludwig ^^^*
beantragte im Juli 1697 bei Innocenz XIL die Verdamm «3^^
des Buches. Dasselbe wurde der Inquisition zur Prüfung ül^^^*
1) Heppe S. 95 spricht von einem Mystiker Saint Jorius; er nmöin^
den Jesuiten J. B. de Saint Jure, von dem Arg. III b 352 berichtet, ^r
habe über einige Stellen eines seiner ascetischen Bücher Erklftrungea ^b-
geben müssen.
F. La Combe und Mad. Guyon. 629
wiesen. Ueber die Verhandlungen haben wir von den Vertretern,
welche die beiden Bischöfe nach Rom gesandt hatten, Berichte,
die geeignet sind, das Verfahren der Inquisition in solchen
Fällen (S. 2) anschaulich zu machen. Es würde wohl nicht zu
einer Verdammung des Buches gekommen sein, wenn nicht
Ludwig XIV. auf einer solchen bestanden hätte ^). Sie erfolgte
durch ein Breve vom 12. März 1699, worin das Buch bei Strafe
der Excommunication verboten, 23 Sätze aus demselben censurirt
wurden. In dem Breve waren die meisten der sonst üblichen
Formeln, welche in Frankreich die ßeception desselben erschwert
haben würden (S. 19), vermieden, namentlich jede Erwähnung
der Inquisition. Es wurde denn auch in Frankreich formlich
publicirt. Fen61on unterwarf sich dem Urtheil.
Das Römische Verbot von Schriften des P. La Combe und der
Mad. Guyon ist, wie es scheint, in Frankreich kaum bekannt, jeden-
falls nicht beachtet worden; in den Verhandlungen über beide ist
80 gut wie nie die Rede davon. 1688 verbot der Bischof von Genf,
Jean d'Aranthon d'Alex, in einem Hirtenbriefe die Schriften von
beiden nebst denen von Molinos, Falconi and Malaval. Seit 1688
wurde Mad. Guyon auch sonst in Frankreich vielfach angefeindet^).
Im Sept. 1693 übergab sie auf Fen^lons Rath Bossuet alle ihre
Papiere mit der Erklärung, sie wolle sich seinem Urtheil unterwer-
fen. Bossuet versuchte, nachdem er ihre Schriften gelesen, wie es
scheint, nicht ohne Erfolg, sie zu belehren, und rieth ihr, zurück-
gezogen zu leben und zu schweigen. Im Juni 1694 verlangte sie
in einem Briefe an Mad. de Maintenon eine neue Prüfung ihres
Lebens und ihrer Lehre, und auf ihren Wunsch wurden Bossuet,
Noailles, damals noch Bischof von Chalons, und Tronson, Superior
von St. Sulpice, mit der Untersuchung beauftragt. Diese hielten
vom Herbst 1694 bis Frühjahr 1695 zu Issy Conferenzen. Ausser
Mad. G. übersandte ihnen auch Fen. eine Reihe von Schriftstücken;
beide erklärten wiederholt, sie würden sich dem Spruche der Com-
1) Der Kanzler d'Agueeseau (Oeuvres 18, 167) bezeichnet die An-
gelegenheit als cette grande affaire qui n'a pas ete moins uneintrigue de
cour qu'une quereile religieuse.
2) Ueber die Schicksale der Mad. Guyon und des P. La Combe
vgl. Heppc S. 145. 283 und, ut audiatur et altera pars, Ruckgaber, der
Quietismus in Frankreich, Tüb. Q -S. 1856; J. Phelippeaux, Relation de
l'origine, du progres et de la condanination du Quietisme en France, 1782,
2 vol. (auf Befehl des Conseil d'etat verbrannt), und Lettres de Pabb^ de
la Blatterie au sujet de la Relation du Quietisme (1783) in der Corr. de
Fen. 9, 91. Tabaraud, Suppl. aux hist. de Bossuet et de Fcnclon. 1822.
Die Hauptquellen für das Folgende sind Oeuvres de Bossuet, vol. 27 — 29,
40 — 42. Oeuvres de Fenelon, vol. 6. 6. Correspondance de Fenelon vol. 7
— 9. Vgl. D'Aguesseau, Oeuvres 18, 167.
\
680 Felelon.
mission fügen. (Während der Conferenzen veröffentlichte Erzh. Har-
lay von Paris ein Verbot des Baches von La Combe, des Moyen
und des Cantique). Das Ergebniss der Conferenzen waren 34 Ar-
tikel, die 10. März 1695 von den drei Cominissaren und von dem
8. Febr. 1695 zum Erzbischof von Cambray ernannten F^n61on unter-
schrieben wurden. Sie wurden Mad. G. vorgelegt, die sie 15. Apr.
gleichfalls unterschrieb. Bossuet und Noailles erliessen dann 16. resp.
25. April Ordonnanzen, worin sie die Artikel von Issy publicirten
und die Guida von Molinos, die Pratique von Malaval, die Analysis
von La Combe und das Moyen und Cantique (da sie anonym er-
schienen waren, ohne Nennung der Verfasserin) verboten. Auch
diesem Verbote ihrer Schriften unterwarf sich Mad. G. — Ihr Freund
La Combe starb, nachdem er zehn Jahre lang von einem Gefäng-
nisse ins andere geführt worden, 1699 im Irrenhause zu Charenton;
sie selbst starb erst 9. Juni 1717 zu Blois. Noch zu ihren Leb-
zeiten erschienen von ihr zu Cologne (Amsterdam) Opuscules spiri-
tuels 1704, Les livres de TA. et du N. T. avec des explications et
des r^flexions qui regardent la vie Interieure 1713 — 15, 20 vol., von
dem reformirten Theologen Pierre Poiret herausgegeben, später wie-
derholt französisch und deutsch gedruckt, Discours chretiens et spi-
rituels 1716, 2 vol., nach ihrem Tode Lettres, 1717, 4 vol., La
vie de Mad. G. 6crite par elle-meme, 1720, 8 vol., und Poesies 1722
(Heppe S. 449). In den Index kam, wie gesagt, von diesen späte-
ren Schriften keine.
Bossuet hatte in seiner Ordonnanz vom 16. Apr. 1695 eine
ausführlichere Erläuterung der Artikel von Issy in Aussicht gestellt.
Diese schrieb er unter dem Titel Instruction sur les etats d^oraison
und bat Noailles, seit 19. Aug. 1695 Erzb. von Paris, und F6n61on,
als die beiden Bischöfe, welche die Artikel mit unterschrieben, die
Schrift zu approbiren. F^n. verweigerte dieses wegen des nach
seiner Meinung ungerechten Urtheils, welches Bossuet darin über
Mad. Guyon ausgesprochen, und verfasste auch seinerseits eine Schrift
über die Artikel unter dem Titel Explication des maximes des Saints
sur la vie Interieure. Sie erschien im Febr. 1 697, einen Monat früher
als Bossuets Schrift. Dieser Streit zwischen zwei der angesehensten
Bischöfe erregte natürlich grosses Aufsehen. F^n. wurde, nicht mit
Unrecht, beschuldigt, dass seine Schrift mit den Artikeln von Issy
nicht harmonire, und Bossuet arbeitete mit Noailles und dem Bischof
Godet Desmarets von Chartres, die sein Buch approbirt hatten, an
einer Erklärung, durch die F6n. zum Widerruf genöthigt werden
sollte. — Beide Bischöfe übersandten ihr Buch dem Papste, F^n.
mit Erlaubniss des Königs mit einem Briefe vom 27. Apr., worin
er den Papst um die Entscheidung der Controverse bat. Im Juli
bat er den König um die Erlaubniss, selbst nach Eom zu gehen,
um sein Buch zu vertheidigen. Diese wurde ihm verweigert und
ihm zugleich, — ein Zeichen der allerhöchsten Ungnade, — die
Weisung ertheilt, sich in seine Diöcese zu begeben. Am 26. Juli
1697 schrieb der König einen eigenhändigen Brief an den Papst,
worin er F6n.^s Buch als ein sehr schlechtes und gefährlicheB| be-
F6n6Ion. 681
reite von Bischöfen und vielen Theologen verworfenes, die von F^n.
angehotenen Erklärungen als ungenügend hezeichnet und versichert,
er werde seine ganze Autorität anwenden, um die Entscheidung des
h. Stuhles zur Geltung zu bringen. Der Papst versprach 10. Sept.
eine Untersuchung. Im August überreichten Noailles, Bossuet und
Godet mit Genehmigung des Königs ihre D6claration des sentiments
dem Nuncius Delfini.
Fen. schickte als seinen Vertreter den Abbe N. de Lacropte
de Chanterac nach Eom, Boss, beauftragte mit seiner Vertretung
seinen Neffen, Abb6 Bossuet und den Abb6 Phelippeaux, die bereits
wegen einer andern Angelegenheit seit einem Jahre in Rom waren.
Durch deren 'Berichte und Bossuets und Föneions Briefe an sie sind
wir sehr vollständig über die Verhandlungen unterrichtet, zumal
trotz des Stillschweigens, zu welchem die betheiligten Theologen
und Cardinäle verpflichtet waren, Abbe Bossuet Mittel fand, über
alle Sitzungen u. s. w. genaue Informationen zu erlangen; Chanterac
erfuhr viel weniger. Es ist sehr menschlich dabei zugegangen, und
es haben allerlei Einflüsse dabei mitgewirkt.
Eine Hauptstütze Fen.'s war in Rom merkwürdiger Weise der
französische Botschafter, Card. Bouillon, der aber in Rom keinen
Einfluss hatte, am Hofe der königliche Beichtvater, P. La Chaise, den
aber Mad. de Maintenon in Schach hielt. Ueberhaupt standen die
Jesuiten auf seiner Seite ^), — diese waren aber eben damals wegen
der chinesischen Angelegenheit bei dem Papste übel angeschrieben
(Corr. 11, 65), — und es blieb nicht aus, dass seine Gegner als
Jansenisten bezeichnet wurden. Unter den Römischen Prälaten
ergriff am entschiedensten für ihn Partei Fabroni, damals Secretär
der Propaganda, der amtlich bei den Verhandlungen gar nicht be-
theiligt, aber bei dem Papste sehr einflussreich war. — Wäh-
rend der Verhandlungen verfassten Boss, und F6n. eine Reihe
von Schriften zu ihrer Vertheidigung, theils lateinische, die direct
für Rom bestimmt waren, — Fön. übersetzte auch seine Maximes
ins Lateinische, — theils französische, — qui divertirent le pu-
blic et affligerent TEglise, sagt d'Aguesseau (13, 177) davon, —
die aber auch nach Rom geschickt wurden. In einer, der Relation
sur le quiötisme (29, 519), brachte Boss, auch Fen.'s Verhältniss zu
Mad. Guyon zur Sprache, und sein Neffe schrieb ihm wiederholt :
Beweise für einen unzüchtigen Verkehr dieser Frau mit La Combe
und für Fen.'s freundschaftliches Verhältniss zu ihr würden in Rom
mehr Eindruck machen als zwanzig theologische Argumente. Ein-
druck machte in Rom auch die Entlassung mehrerer Freunde Fen.^s
1) Beim Beginne der Verhandlungen bezeichnete Boss, in einem
Briefe an seineu Neffen (40, 288) P. Dez als einen seiner speciellen Freunde.
Dieser nahm aber für Feu. Partei und ist der Verfasser von zwei anonymen
Schriften zu seineu Gunsten: Reflexions d'un Docteur de Sorbonne, 1697,
und Lettre d'un ecclesiastique de Flandres, 1698. — D'Aguesseau 13, 173
sagt: auf Betreiben des P. La Chaise und des Duc de Beauvilliers sei
Card. Janson in Rom durch den Fen. günstig gesinnten Card. Bouillon
ersetzt worden.
682 Fen^lon.
vom Hofe, und ein angünstiger Znfall war, dass eben jetzt wieder*
einige Quietisten in Rom verhaftet wurden.
Mit der Prüfung der F^n/schen Schrift wurden zunächst 7 Quali —
ficatoren beauftragt: der Mag. S. Pal. Paolino Bemardini, der Do-
minicaner Antonin Massoulie, der Generalprocurator der Augustiner-
Eremiten Nie. Serrano, der spanische Jesuit Alfaro, der Franciscaner
Jo. Maria Gabrielli^ der Observant Thom. Granelli und der Bene-
dictiner G. B. del Miro. Es wurden dann aber, wie es scheint, auf"
Betreiben der Gönner Fen.'s, noch drei weitere Qualificatoren er-
nannt, zunächst der Conventual Jo. Damascenus, der aber auf eine
Yon Paris aus erhobene Einsprache bald wieder beseitigt wurde
(man machte gegen ihn geltend, dass er bei der Herausgabe von
Sfondrato's Buch betheiligt gewesen sei. was freilich auch gegen
Gabrielli hätte eingewendet werden können), und an dessen Stelle
dann der frühere General der unbeschuhten Carmeliter P. Philipp
trat, und Nie. Radoloric aus Ragusa, Erzbischof von Chieti, und
der Augustiner Lambert le Drou, früher Professor in Löwen, seit
1692 Erzbischof von Porphyra und Monsignore Sacrista des Papstes. —
In der ersten Zeit wurden die Qualificatoren, abweichend von dem
Stile des h. Officiums, dem Vertreter Fen.^s gegenüber von dem
Secretum Sancti Off. dispensirt, um sich von ihm Informationen geben
zu lassen; auch wurde Chanterac gestattet, die von den Anklägern
eingereichten Schriftstücke durch vereidete Copisten abschreiben zu
lassen. Sobald aber die 10 Examinatoren sich über die zu qualifi-
cirenden Sätze geeinigt hatten und es sich nun um die Qualification
derselben handelte, wurden sie zum Stillschweigen verpflichtet. Die
Leitung der Verhandlungen der Qualificatoren stand dem Assessor
S. Off. Bemini zu. Ende Januar 1698 wurden die Cardinäle Noris
und Ferrari beauftragt, in den Sitzungen, in denen es mitunter sehr
lebhaft herging, zu präsidiren ; ausser ihnen und dem Assessor nahm
auch der Commissarius S. Off. daran Theil.
Vom 12. Oct. 1697 bis 25. Sept. 1698 fanden 64 Sitzungen
statt, die mitunter 6 — 7 Stunden dauerten. Anfangs Mai 1698 war man
so weit gekommen, dass man 38 Sätze aus dem Buche zusammen-
gestellt hatte^ — sie wurden später auf 23 reducirt, — über die
von nun an Montags und Mittwochs die Qualificatoren in Gegen-
wart der beiden Cardinäle discutirten. Donnerstags fanden die Sit-
zungen der Cardinäle der Inquisition unter dem Vorsitze des Papstes
statt, in denen auch wieder die Qualificatoren gehört wurden.
Ludwig XIV. sprach wiederholt im Febr. und im Mai 1698,
das erfite Mal unter Beifucrun? einer von Boss, verfassten Denkschrift,
den Wunsch aus, man möge die Sache beschleunigen. Fen. äusserte
im Juni in einem Briefe an den Papst nochmals den Wunsch, sich
personlich in Rom zu vert heidigen. Es wurden, da die Sache sich
•o in die Länge zog, allerlei Auswege vorgeschlagen, u. a., man
•olle das Buch mit d. c. in den Index setzen, auch, man solle das
Buch und Alle zur Vertheidigung desselben veröffentlichten Schrif-
t^i bei Stzmfe der Excommunic^tion verbieten und die Fortsetzung
der Prüfung der Lehre vorbehalten. CatI. Bouillon liess im August
F6n61on. 633
1698 F^n. vorschlagen, er möge den Papst selbst bitten, sein Buch
zu verbieten und die beanstandeten Sätze in dem Sinne, den ihnen
seine Gegner beilegten, verdammen, worauf Fen. natürlich nicht
einging.
Am 25. Sept. 1698 wurden endlich die Discussionen der Quali-
ficatoren geschlossen und diesen aufgegeben, jeder einzeln sein Votum
schriftlich einzureichen ^). Sie lieferten das missliche Ergebniss, dass
sich 5 für, 5 gegen die Verdammung der discutirten Sätze ausspra-
chen, dagegen die drei zuletzt ernannten Qualificatoren, Gabrielli
und der Jesuit Alfaro. Die Angabe Baussets-), nach den Regeln
der Inquisition hätte das Buch nun freigegeben werden müssen, aber
mit Rücksicht auf das Drängen Ludwigs XIV. habe der Papst die
definitive Prüfung den Cardinälen der Inq. übertragen, ist unrichtig.
Das Gutachten der Qualificatoren hatte überhaupt keine massgebende
Bedeutung. Nach der Praxis der Inq. hätten der Papst oder die
Cardinäle der Inq. allenfalls noch weitere Qualificatoren mit der
Begutachtung beauftragen können, und dass man davon absah, ist
nicht auffallend. Eine Beschleunigung und Abkürzung des Verfah-
rens wurde insofern beliebt, als man die Gutachten der Qualifica-
toren nicht erst den Consultoren der Inq. überwies, sondern die
Cardinäle beschlossen, sofort selbst über die Sache zu verhandeln.
Auf den Papst machte allerdings die Stimmengleichheit Eindruck,
aber der Commissar der Inq. stellte ihm vor, die Ansichten der
Cardinäle seien nicht so getheilt und die Entscheidung stehe doch
schliesslich ihm allein zu.
Da aber im October die Donnerstags - Sitzungen auszufallen
pflegten , weil die Cardinäle meist aufs Land gingen, — die
Mittwochs-Sitzungen erlitten keine Unterbrechung, — so wurde be-
schlossen, die Cardinäle sollten während dieses Monats die Gutachten
der Qaalificatoren und das sonstige Material studiren und gleich
nach Allerheiligen die Discussion beginnen. Während dieser Unter-
brechung veranlasste Noailles, — Bossuet war dabei nicht bethei-
ligt, — den Dr. Pirot, eine raotivirte Censur von 12 Sätzen aus Fen.*s
Buch von Doctoren der Sorbonne unterschreiben zu lassen; 16. Oct.
unterzeichneten 60, später noch mehr (Bossuet 41, 554) ein 1699
1) Einige Vota sind in den A. J. P. veröffentlicht, die von Bemar-
dini, Le Drou und Massoulie 9, 810. 828. 919, die von Serrano und Miro
20, 323. 407.
2) Vie de Fenelon 2, 216; ebenso Heppe S. 428. Chanterac sagt
freilich (Corr. 8, 494) auch: man habe ihm gesagt, bei Stimmengleichheit,
ja selbst bei Majorität von nur einer Stimme werde ein Buch freigegeben,
und Fen. selbst (9, 485) : „Wird man die Regel des h. Officiums, wonach
ein Buch freigegeben wird, wenn die Hälfte der Stimmen dafür abgegeben
worden, verletzen, um einem unterwürfigen und dem h. Stuhle ergebenen
Erzbischof für immer ein Brandmal aufzudrücken?" Aber später sagt
Chanterac (9, 482): „Wenn diese Examinatoren Richter wären, müssten
wir freigesprochen werden; . . . denn es ist unerhört, dass man im h.
Officium bei Stimmengleichheit eine Person oder ein Buch verdammt hätte;
aber die Examinatoren haben nur eine berathende Stimme; das Urtheil
fällen die Cardinäle oder der Papst."
634 F6n61on.
gedrucktes Memoire dagegen (Corr. 10, 245. 282). In Rom scheinezm
manche dieses Vorgehen übel genommen zu haben; man sagte zxb^
ihrer Beschwichtigung, es handle sich nur um eine vorbereitende
gutachtliche Aeusserung und um eine Widerlegung des Gerüchtea^r
die Sorbonne sei für Fen. Dieser beklagte sich über diese „Erzwin—
gung von Unterschriften*^ gegen ihn in zwei Briefen an den Papste
vom 25. Oct. 1698 und 31. Jan. 1699. Er bemühte sich auch im
Jan. 1699, durch M. Steyaert ein Gutachten der Löwener Facultät
zu erlangen, und deutete an, man möge von Rom aus auch andere
Universitäten befragen. Dass man dieses thun werde, hielt auch
Boss, für möglich; er fragte bei dem Gesandten in Madrid über die
Stimmung in Spanien an und erhielt im Dec. 1698 zur Antwort:
es herrsche dort jetzt eine solche Unwissenheit, dass man die My-
stik kaum dem Namen nach kenne; die Inquisition führe nur gegen
das Judenthum Krieg u. s. w. (42, 76).
Im Jan. 1699 schrieb F6n. an Chanterac: er selbst könne
nicht wohl Bossuets Schriften bei der Inquisition denunciren; aber
wenn die Sache sich in die Länge ziehe, möge Chanterac irgend
einen geachteten Ordensgeistlichen veranlassen, dieses in einer Weise
zu thuen, dass auf ihn selbst kein Verdacht falle; dieses Manöver
sei freilich nicht nach seinem Geschmack, man habe ihm aber ge*
rathen, etwas der Art zu thuen, wie ja auch in dem Streite de auxi-
liis die Jesuiten aus der Defensive in die Offensive übergegangen
seien; in seinen Schriften habe er anstössige Sätze von Boss, her-
vorgehoben ; man könne auch Sätze aus der von ihm approbirten
Yie du Fr. Laurent^) beifügen. (Es handelt sich nur um Sätze,
die mit der obschwebenden Controverse zusammenhangen, nicht etwa
um gallicanische.) — Dieser Plan kam aber ebenso wenig zor Aus-
führung wie der Gedanke an eine Befragung der Universitäten.
Am 12. Nov. 1698 begannen die Sitzungen der Cardinäle der
Inquisition: Bouillon, Carpegna, Nerli, Casanate, Marescotti, Spada,
Panciatici, Ferrari, Noris, Ottoboni und Albani^). Ausser ihnen
1) Les moeurs, entretiens et pratiques du Frdre Laurent de la Re-
surrection, religieux convcrs (Laienbruder) des Carmes dechaussez, Paris
1694. Das Buch war übrigens nicht vou Bossuet, sondern von Noailles
approbirt. Bossuet 40, 434 erwähnt, dass man in Elom auf das Bach and
Noailles' Approbation aufmerksam gemacht, und fugt bei: L'ezc^ et
Pexageration sortent partout dans les paroles de ce bon religieux. Fröre
Laurent biess vor seinem Eintritt in den Orden Nicolas Herman und war
ein Lothringer, f 1611. Ueber seine Schriften und seine qaietistische
Mystik 8. Heppe S. 83. Im Index steht das Buch nicht.
2) Altieri war kurz zuvor gestorben, Cybo, 87 Jahre alt, kam nicht
mehr zu den Sitzungen, Portooarrero war in Spanien, d'E^strees in Frank-
reich, Medici in Florenz, Orsini in seiner Diöcese Benevent. Die Cardinäle
werden Corr. 10, 543 charakterisirt. Pikant ist die Bemerkung vonAbbi
Bossuet (41, 289): Durch den Tod des Card. Altieri haben wir einen
günstigen Richter verloren; seine Theologen waren gut instmirt Ein
anderes Mal (41, 513) schreibt er: Ich stehe im Verkehr mit den
Theologen der Cardinäle Marescotti, Carpegna, Panciatici und Ottoboni
Spada wird den Cardinälen Noris und CaMinate folgen. Kerli will den
F^nelon. 685
nahmen der Assessor S. Off. (Sperello Sperelli; Bernini war im Juni
gestorben) und der Commissar der Inq. an den Sitzungen Theil.
Auch in diesen zog sich die Discussion in die Länge. Unter dem
23. Dec. 1698 richtete Ludwig XIV. wieder ein Schreiben an den
Papst, worin er bedauert, dass das für den Frieden der Kirche so
nothwendige Ur theil verzögert werde durch die Kunstgriffe derjeni-
gen, welche an der Verzögerung ein Interesse zu haben glaubten,
und worin er um eine baldige, aber klare, bestimmte und gegen
falsche Auslegungen gesicherte Entscheidung bittet, im Interesse des
Wohles der Kirche und der Beruhigung der Gläubigen und des
Buhmes Seiner Heiligkeit. Auch an den Card. Bouillon, dem man
Schuld gab, dass er die Sache hinziehe, schrieb der König einen
Brief, den Phelippeaux als furchtbar und kränkend bezeichnet. Seine
Stimmung gab er auch dadurch zu erkennen, dass er im Jan. 1699
P6n. den Titel und die Besoldung eines Erziehers der Prinzen ent-
zog. Am 31. Jan. 1699 schrieb Chanterac an F6n.: „Alle Welt
ist verwundert über den furchtbaren Eindruck, den der Brief des
Königs und die Gunst des Hofes machen; man hält es für unmög-
lich, dass Eom dem widerstehe; Card. Bouillon scheint mehr einge-
schüchtert zu sein als alle anderen. Es scheint, dass die Cardinäle
alle die Sätze zu qualificiren [censuriren] entschlossen und nur ver-
sohiedener Ansicht sind über die Weise und die Wahl einiger mehr
oder minder starker Ausdrücke*^, und 10. Febr. schrieb Bouillon an
den König, die Sache werde nun bald nach seinen Wünschen ent-
schieden werden^).
Am 17. Febr. beendigten die Cardinäle ihre Discussionen ; es
wurden nun noch an drei auf einander folgenden Tagen Sitzungen unter
Konig nicht beleidigen. Albaui ist ein Politiker, der sich mir gegenüber
engagirt hat. Anderswo (41,202) zählt er die günstig und die ungünstig
gestimmten Cardinäle auf, unter letzteren den Botschafter Card. Bouillon,
und fügt bei: Man darf wohl Cardinal gegen Cardinal zählen; aber ein
Gesandter ist une terrible affaire ä Rome. Er fügt dann bei, der kaiser-
liche Botschafter sei ungünstig gestimmt, der spanische jetzt nicht mehr.
— Von den Consultoren schreibt Phelippeaux (41, 73) : Man sollte nie
eine dogmatische Sache nach Rom bringen; man ist hier zu unwissend
und zu zuganglich für Gunst und Intrigue. Hätte man die Sache in
Frankreich durch Bischöfe oder durch die Sorbonne entacheiden lassen,
so würde man hier nicht gewagt haben, etwas dagegen zu thuen. Man
weiss, dass Frankreich gelehrter ist; die Römer bringt bei ihrer Unwissen-
heit jede dogmatische Frage in Verlegenheit. Schliesslich hängt unsere
Sache von den Vota von Mönchen ab, und es gibt fast keinen Doctor der
Sorbonne, der nicht für religiöse Fragen viel geschickter wäre als sie. —
Der Benedictiner Estiennot deutete in einem Briefe an den Erzbischof von
Reims während der Verhandlungen an, que Rome ne sait plus, oü eile en est,
que tout y est ignorance ou politique (42, 328). Abbe Bossuet (42. 841)
meint : Die schwächsten Examinatoren sind die Theologen gewesen ; die
Scholastik verdirbt hier alles.
1) Vom 10. Februar 1699 an gibt die Corr. de Fen. vol. 10 eine
Reihe von wichtigen Briefen Bouillons an den König und den Marquis
de Torci.
686 Fenelon.
dem Vorsitze des Papstes abgehalten, in denen jeder Cardinal sein
definitives Votum abgab und motivirte ^). Dass das Buch von F4n.
zu verdammen sei, darüber scheinen alle Cardinäle einig gewesen
zu sein, auch darüber, dass dieses nicht durch ein Beeret der Inqui-
sition, sondern durch ein päpstliches Beeret geschehen müsse. Aber
ob durch eine Bulle oder ein Breve, und wie die Verdcunmung zu
formuliren sei, darüber waren die Ansichten getheilt. Namentlich
wurde darüber gestritten, ob Fen. als Urheber der zu verdammen-
den Sätze zu nennen sei oder nicht, ob jedem einzelnen Satze eine
Qualification beizufügen oder alle in globo zu verdammen seien, ob
man der Verdammung der einzelnen Sätze mit quatenus eine genaue Be-
stimmung darüber beifügen solle, in welchem Sinne sie verdammt
würden (S. 451), oder eine Bemerkung, dass die von F6n. gegebenen
Erklärungen über die Sätze nicht missbilligt werden sollten, endlich
ob man dem 10. Satze die Bemerkung beifügen solle, Fän. habe
denselben desavouirt (er hatte wiederholt erklärt, derselbe sei nur
durch ein Versehen bei dem Brücke in das Buch gerathen). — Card.
Bouillon schrieb 3. März an Ludwig XIV., er bemühe sich auch
dafür, dass in das Beeret nichts inserirt werde, was den Freiheiten
der gallicanischen Kirche zuwider sei, und kein Ausdruck, aus wel-
chem die Curie Vortheil ziehen könne gegen die den curialistischen
Maximen entgegengesetzten französischen. Auch Bossuets Vertreter
bemühten sich in dieser Richtung und drangen namentlich darauf,
es möge, wie in dem Breve gegen das Neue Testament von Mons,
die Formel motu proprio vermieden werden. Sie suchten auch, wo-
mit sie nicht durchdrangen, ein Verbot der Vertheidigungsachriften
FÄn.'s zu erwirken.
Innocenz XII. war persönlich, nachdem er sich ungern zur
Verdammung des Buches entschlossen, für die mildeste Form. Er
soll in den letzten Tagen noch den Assessor und den Commissar
der Inq. zu den einzelnen Cardinälen geschickt haben, um ihnen
Schonung der Person F6n.'s zu empfehlen, und den gegen diesen
feindlich gesinnten Cardinälen gegenüber soll er geäussert haben:
Peccavit ille excessu divini amoris, sed vos peccastis defectu amoris
proximi, nach einer andern Version: Meldensis defectu amoris pro-
ximi. Abbe Bossuet meldet, man habe dem Papste gesagt, er könne
F6n. nicht verdammen, ohne zugleich die h. Theresia zu verdammen,
und er sei zuletzt so günstig für F6n. gestimmt gewesen, dass man
es als ein Wunder ansehen müsse, dass er gethan, was er gethan.
Auch Card. Bouillon schrieb 7. März (Corr. 10, 387): der Papst
sei sehr für F6n. eingenommen, aber er wolle dem Könige nicht
missfallen und das habe ihn bestimmt, sich über jede andere mensch-
liche Rückflicht hinwegzusetzen. Gleichzeitig deutete er von den
Cardinälen an , da die meisten von ihnen papabiles seien und der
1) Abbe Bossuet schreibt darüber (42, 276): Ces congregations ont
6te tenues ad honores; car le Pape n'entend rien k ces discussions; il est
vrai qu'en recompense il a uns grande confiance au Saint Esprit.
Fön^lon. 687
Papst alt sei, würden sie auf die Wünsche des französischen Hofes
Rücksicht nehmen^).
Am 24. Febr. wurden der Pen. gewogene Card. Albani als
Secretär der Breven und die Gardinäle Noris und Ferrari als Theo-
logen des h. Collegiums beauftragt, das päpstliche Decret zu conci-
piren. Auf Grund der Vorstellungen mehrerer Gardinäle und der
Agenten Bossuets gegen die Ausschliessung des Card. Casanate von
dieser Commission» wurde dieser ihr nachträglich beigegeben^ und
unter seinem Einflüsse wurde der von den drei angefertigte Entwurf
noch verschärft, namentlich der Satz: „Wir beabsichtigen nicht, die
Erklärungen des Verfassers zu verwerfen" gestrichen, desgleichen
der Zusatz zu dem 10. der verdammten Sätze: „Der Verfasser er-
klärt, dieser Satz sei nicht von ihm."'
Während dieses letzten Stadiums der Verhandlungen erfuhr
Abbe Bossuet, es sei der Vorschlag gemacht worden und derselbe
habe Aussicht angenommen zu werden, der Papst solle sich darauf
beschränken, in 12 Canones (Corr. 10, 481) den Irrthümem der
Quietisten gegenüber die Lehre der Kirche zu formuliren und diese
Canones von Fen. unterschreiben zu lassen. Card. Ferrari sollte
diesen Vorschlag auf Anstiften des Carmeliters Philipp gemacht und
Card. Bouillon, Fabroni und die Jesuiten denselben unterstützt haben.
Card. Bouillon berichtet seinerseits darüber 7. März: der Papst habe
diesen Vorschlag in der letzten Donnerstags-Sitzung mitgetheilt, mit
der Erklärung, derselbe scheine ihm sehr zweckmässig und er
wünsche, dass auch die Cardinäle ihm zustimmten; er habe zuge-
stimmt mit dem Vorbehalt, dass die Erledigung der Sache dadurch
nicht um mehr als drei Tage verzögert werden dürfe ; die Mehrzahl
der Cardinäle habe sich aber dagegen ausgesprochen. Jedenfalls
liess der Papst das Project fallen. — Als Abb6 Bossuet von diesem
Projecte hörte, sandte er einen besondern Courier nach Paris, um
eine Protestation des Königs zu provociren. Am 16. März sandte
denn auch Ludwig XIV. ein von Boss, verfasstes fulminantes Me-
moire ab (Boss. 42, 342. 351). Als dieses in Rom ankam, war
aber die Sache bereits erledigt. Am 12. März wurde das Decret
in einer Sitzung der Inq. definitiv genehmigt und von Innocenz XII.,
— der zuvor öffentliche Gebete hatte abhalten und Almosen ver-
theilen lassen, — unterzeichnet.
Es ist ein Breve, keine Bulle. Im Eingange wird der volle
Titel des Buches angegeben und dann gesagt: die über die nicht
gesunde Lehre desselben entstandene Aufregung habe den Papst ver-
1) Chanterac schreibt Corr. 10, 872 mit specieller Rücksicht auf
Card. Casanate: „Man sagt, die papabelen Cardinäle, wiewohl sonst ganz
gewissenhafte Männer (fort integres), seien für uns immerhin zu fürchten.^*
10, 543 sagt er von Casanate: er sei der Protector der Anti-Regalisten
und Jansenisten, und von Noris: er wolle Papst werden. Auch Abbe
Bossuet äussert 41, 289: „Gegen das Ende eines Pontificates denkt jeder
nur daran, k se menager'^, und 41, 396: „Carpegna hat Einsicht, aber er
will Papst werden."
688 F6n61on.
anlagst, — von den Schritten Ludwigs XIV. and Bossnets and an-
derer französischer Bischöfe wird den Wünschen des französischen
Hofes entsprechend nichts gesagt, — dasselbe durch einige Cardinäle
und Theologen prüfen zu lassen, — von der Inquisition wird nicht
gesprochen ; — nach Anhörung derselben, fährt der Papst fort, ver-
biete er aus eigenem Antriebe und aus sicherer Wissenschaft und
nach reiflicher Ueberlegung und kraft der Fülle seiner apostolischen
Gewak das Buch in allen Ausgaben und Uebersetzungen, weil durch
das Lesen desselben die Gläubigen allmählich in schon von der
Kirche verdammte Irrthümer geführt werden könnten (diese Formel
ist aus dem Breve von 1669 gegen das Bituel d'Aleth) and weil
dasselbe Sätze enthalte, die entweder nach dem zunächst liegenden
Sinne ihres Wortlautes (in obvio eorum verborum sensu) oder mit
Rücksicht auf ihren Zusammenhang (dieselbe Formel kommt in der
Bulle gegen Meister Eckart vor) temerär, ärgernissgebend, übel-
klingend, für fromme Ohren beleidigend, in praxi verderblich und
auch irrig seien (für die Beifügung von : ketzerisch und der Ketzerei
sich annähernd hatten vier Cardinäle gestimmt, dagegen Noris, Fer-
rari und die anderen). Das Drucken, Abschreiben, Lesen und Be*
halten des Buches wird bei Strafe der Excommunicatio 1. sent. ver-
boten (die Excomm. ist nicht, wie sonst gewöhnlich, eine reservirte)
und jedem, der es besitzt, befohlen, es dem Bischof oder Inquisitor
abzuliefern (bei dem Rituel d^Aleth war noch das Verbrennen des
Buches angeordnet). Dann werden 23 Sätze aus dem Buche ange-
führt, welche die oben ausgesprochene Censur treffe, mit der Er-
klärung, durch die ausdrückliche Verwerfung dieser Satze solle nicht
der übrige Inhalt des Buches gutgeheissen werden. — Abb6 Bossuet
meinte noch am 13. März, der Papst habe eine Bulle unterzeichnet ;
später stellte er die kühne Behauptung auf, der Papst selbst habe
dieses gemeint. Er meinte dann, der König solle die Umwandlung
des Breves in eine Bulle verlangen, was mehrere Cardinäle für
möglich hielten. Aber der französische Hof und Bossuet iraren zu-
frieden, endlich so viel erreicht zu haben. Später meldet Abb6
Bossuet, die Cardinäle hätten darüber berathen, ob das Breve in
eine Bulle umzuwandeln sei, die Frage aber verneint.
F6n. erhielt die Nachricht von der Verdammung seines Buches
durch seinen von Paris nach Cambray geeilten Bruder 25. März
1699, als er eben die Kanzel besteigen wollte. Er predigte darauf
über den Gehorsam gegen die Oberen. Dann schickte er Chanterao
zwei vom 4. Apr. datirte Briefe an den Papst, mit dem Anheim-
geben, den einen oder den andern zu überreichen. In dem, welcher
tiberreicht wurde, heisst es: „Meine Unterwürfigkeit und Gelehrig-
keit siegen über den Schmerz, den ich über das Urtheil Über mein
Buch empfinde. Ich erwähne nicht mehr meine Unschuld , die
Schmähungen, die zahlreichen zur Rechtfertigung meiner Lehre ge-
schriebenen Erläuterungen ; ich will von der Vergangenheit überhaupt
nicht mehr reden. Ich habe schon ein Mandement entworfen, worin
ich, der apostolischen Censur mich demüthig unterwerfend, das Buch
mit den 23 daraus entnommenen Sätzen demüthig, absolut und ohne
F6n61on. 639
einen Schatten von Vorbehalt verdammen und das Behalten und
Lesen des Buches verbieten werde. Das Mandement wird veröfFent-
liobt werden, sobald ich die Erlaubniss des Königs erhalten haben
werde . . . Ich werde nicht den Schatten einer Distinction, wodurch
dem Decrete ausgewichen werden könnte, und nicht die geringste
Entschuldigung vorbringen." In dem nicht abgegebenen Briefe (Com
10,479) sagt er am Schljisse: „Nur eins bedauere ich: dass manche
meinen, der apostolische Stuhl habe die Lehre verdammt, dass die
Liebe sich auf Gott selbst beziehe, ohne etwas für sich zu erwarten.
. . . Wenn Ew. Heiligkeit auf die Person eines unschuldigen, be-
trübten und mit der grössten Gelehrigkeit sich unterwerfenden Erz-
bischofs keine Eücksicht nehmen zu dürfen glauben, so mögen Sie
doch wenigstens die durchaus reine Lehre in Schutz nehmen." Nach-
dem die Erlaubniss des Königs eingetroffen, veröffentlichte F^n. 9.
Apr. ein kurzes Mandement des angegebenen Inhalts und sandte
dieses 10. Apr. nach Rom mit einem Briefe, worin er sagt: „Gott
ist mein Zeuge, dass ich die in meinem Buche einfach angeführten
Erfahrungen und Aussprüche der Heiligen vielfach habe mildem
(temperare) wollen. Ich glaubte, hinlänglich dafür Sorge getragen
zu haben, dass meine Worte nicht anders gedeutet werden könnten,
als ich sie in meinen Vertheidigungsschriften erklärt habe. Aber
nun muss ich glauben , dass ich meine Ansichten in dem Buche
schlecht dargelegt habe und dass es mir nicht gelungen ist, Miss-
verständnisse fern zu halten." — Der Brief vom 4. April wurde in
der Sitzung der Inq. vom 27. vorgelesen und Card. Albani beauf-
tragt, eine Antwort darauf zu entwerfen. Abb6 Bossuet erwirkte
aber, dass sie nicht abgesandt wurde. Die von Albani entworfene
Antwort auf den Brief vom 10. circulirte bei den Cardin älen und
wurde auf Verlangen mehrerer sehr stark, auf die Hälfte reducirt
und zu einem ziemlich farblosen Actenstück gemacht.
Gerberon rieth F6n., dahin zu wirken, dass das Breve wegen
seiner Verstösse gegen die gallicanischen Maximen nicht recipirt
werde. Er that nichts der Art, erwähnt aber Gerberons Argumente
in einem Briefe an Chanterac (10,492): Die Formel motu proprio
ist in Frankreich monströs; das Breve sagt auch, die Publication in
Rom solle für die ganze Welt gelten, was alle französischen Maxi-
men über den Haufen wirft. Aber meine Feinde, die Urheber der
Erklärung von 1682, haben alle Freiheiten der gallicanischen Kirche
zum Opfer gebracht.
Ludwig XIV. ermächtigte durch ein Rundschreiben vom 22.
April die Erzbischöfe, mit ihren Suffraganen zusammenzutreten, um
über die Annahme des Breves und die gleichmässige Durchführung
desselben in allen Diöcesen zu berathen und über ihre Beschlüsse
an ihn zu berichten, damit er dann seine Lettres patentes für die
Publication und Execution des Breves erlasse^). Die Bischöfe der
1) Die im Folgenden erwähnten Actenstücke stehen im Recueil des
Actes du Clerge 1, 381.
640 FenSlon.
Pariser Kirchenprovinz (Paris, Meaux, Chartres und Blois), die zu-
erst zusammentraten, baten auf Betreiben Bossuets in ihrer Antwort
den König, auch die zur Vertheidigung der Maximes erschienenen
Schriften zu verbieten. Von den IG anderen Versammlungen schlössen
sich 8 dieser Bitte an, auch die von Cambray mit den Stimmen
der 3 Suffraganen gegen die Fenelons. Auf dieser Versammlung
äusserte der Bischof von St. Omer : die Ausdrücke in dem Mande-
ment von Fen. Hessen eine innere Zustimmung vermissen. Fen. ant-
wortete: er glaube deutlich genug gesagt zu haben, dass er sein
Buch aus aufrichtiger Gelehrigkeit gegen den h. Stuhl innerlich
verdamme; er denke nicht daran, dasselbe zu erklären; er stellen
die Auctorität des h. Stuhles über seine eigene schwache Einsicht^
sein Gewissen verbiete ihm freilich, einzuräumen, dass er jemalo-
einen der Irrthümer gehegt, die man ihm zugeschrieben habe; er~
habe gemeint, sein Buch könne mit den Verbesserungen, die er dem
selben habe folgen lassen, den Irrthum weder lehren noch begün
stigen; aber er verzichte auf sein Urtheil, um sich dem des h
Vaters anzuschliessen; wenn dieser seine Unterwerfung ungenügen
finde, wolle er sie so aussprechen, wie es verlangt werde.
In der königliclien Declaration über die Publication des Breve
vom 4. Aug. 1699 wurden mit den Maximes alle zur Vertheidigun
der verdammten Sätze veröffentlichten Schriften verboten. Dies
Declaration wurde 14. Aug. im Pariser Parlament verlesen und nac
einem Vortrage des General- Advocaten d'Aguesseau, worin er em
pfähl, über das motu proprio und die Formel, dass das Buch auc
für diejenigen, welche speciell zu erwähnen wären, verboten sein
solle, hinwegzusehen, wurde das Breve einregistrirt. Dasselbe ge-
schah in den anderen Parlamenten (d'Aguesseau 13, 183). Die Sache
kam nochmals zur Verhandlung in der AssembUe du Clergi von
1700. Diese approbirte 23. Juli einen von Bossuet vorgetragenen,
objectiv und massvoll gehaltenen Bericht, in welchem schliesslich
betont wird, die Bischöfe seien auf den Pro vincial Versammlungen
nicht mit einer einfachen Ausführung des Breves, sondern mit einer
Kenntnissnahme von demselben und in der Form eines Urtheils
vorgegangen und hätten, weil in der Sache mit dem päpstlichen
Decrete einverstanden, über gewisse Formalitäten hinweggesehen,
auf die man jedoch, um den Consoquenzen aus denselben vorzubeugen,
ebenso bestimmt wie respectvoll aufmerksam gemacht habe. In
Rom war man von diesen Gallieanismen nicht sehr erbaut, achwieg
aber dazu.
Fen. fürchtete, man werde auch in Rom seine Vertheidigungs-
schriften verbieten. Vielleicht, sagt er (Corr. 10, 580), werden diese
Italiener, welche die Lehre meiner Vertheidignngsschriften so loben,
auch sie dem Könige zum Opfer bringen, wenn dieser, nachdem alle
Kirchen seines Reiches ihre Unterdrückung verlangt haben, dem
Papste vorstellt, er dürfe im Interesse der Befestigung des Friedens
die Verdammung nicht verweigern. . . Dann wird man annehmen,
der h. Stuhl billige nur die Lehre der Partei, der er zum Siege
verholfen hat. Abbe Bossuet regte die Sache wirklich in Rom an;
F6nelon. 641
ber ein förmlicher Antrag oder eine Dennnciation bei der Inq.
ßheint nicht eingereicht worden zu nein, and ohne eine solche yor-
agehen, war weder der Praxis entsprechend, noch mochte man
Teigung dazu haben. Im Juni 1699 meldet Abhi Bossuet: das
'ostscriptum de la 2. Lettre d'un th^ologien (Gerberon) k M. de
[eaux avec des remarques sur le nouveau bref du Pape (Philip-
eanx 2, 250) sei der Inq. übergeben worden und werde sicher verb.
rerden. Die Lettre steht aber nicht im Index.
Schill, Die B. Unig. S. 56, sagt: Noailles sei dafür, dass er,
bwohl ein Jungendfreund Fän.^s, „sich von Bossuet ins Schlepptau
ehmen liess, mit dem Cardinalate belohnt worden, das ihm der
LÖnig 1700 von Innocenz XII. erwirkte." Bemerkens werther ist,
ass von den F6n. günstigen Qualificatoren zwei, Grabrielli und Ba-
olovic, einige Monate nach der Entscheidung zugleich mit dem As-
ossor S. Off. Sperelli Cardinäle wurden (Fabroni 1706). Innocenz XII.
oll auch F6n. selbst zum Cardinal haben ernennen wollen oder er-
annt, aber in petto reservirt haben und davon abgehalten worden
ein, ihn vor seinem Tode zu nennen (Gorr. 11, 64).
Der Herausgeber der Oeuvres de Fen. sagt in der Vorrede
am 4. Bande S. 4: er habe die Maximes aus Gehorsam gegen die
[irche nicht in die Sammlung aufgenommen, gebe aber eine Ana-
jTse des Buches. Dieses berichtigt er nachher S. 231 sehr vor-
ichtig dahin: er wolle keineswegs eine Analyse des Buches geben,
ondem nur die hauptsächlichsten Irrthümer desselben darlegen,
reiche seine Verdammung veranlasst hätten. — F6n.'s Neffe, Mar-
uis de F6n61on, der seine Manuscripte geerbt hatte, liess 1718 zu
intwerpen zwei Bände Oeuvres spirituels drucken. Er wollte auch die
triefe, die er nachträglich erhalten, drucken lassen, sonderbarer
Veise zu Avignon. Der dortige Erzbisohof verweigerte die Druck-
rlaubniss. Da er in seinem Briefe an den Marquis von der Ver-
ammung der Lehre Fön.'s und seiner erbaulichen Retraotation
prach, antwortete der Marquis : sein Oheim habe seine Lehre in den
''ertheidigungsschriften entwickelt; diese habe der Papst nicht ver-
ammt, also könne auch von einer Retractation nicht die Eede sein.
lIs 1736 holländische Buchhändler einen Prospectus von Oeuvres
pirituels von F6n. verbreiteten, liess Card. Fleury darüber an den
farquis schreiben. Dieser erklärte, es handle sich nur um bereits
edruckte Schriften. Fleury liess antworten, es sei passender, dass
as Buch in Frankreich mit Approbation erscheine, und da es gleich-
wohl in Holland gedruckt wurde, liess es die Regierung auch in
*aris drucken, aber — gegen den Wunsch des Marquis — das Avis
eifügen: einige Ausdrücke in diesen Schriften erinnerten an die
erdammten Sätze der Maximes; es sei zu beachten, dass diese
Ichriften zum Theil verfasst worden seien, ehe der Verfasser mit
er Kirche jene Ansichten verdammt habe ^(Bausset, F6n61on 3, 483).
F6n. wird vielfach bezüglich der Unterwerfung unter die Ent-
cheidungen des h. Stuhles als Muster aufgestellt. Schon die oben
litgetheilten Aussprüche in den Briefen an den Papst und Abb6
!hanterac und dem Bischof von St. Omer gegenüber lassen aber den
Beusch, Index II. 41
I
642 Fenelon.
Yorwnrf nicht als unbegründet erscheinen, den z. 6. Tabarand p. 310
ausspricht: er habe dasselbe gethan, was er an den Jansenisten so
scharf getadelt; seine Unterwerfung habe sich auf das Silenoe re-
spectueux beschränkt^). Es finden sich aber noch deutlichere Er-
klärungen. In einem umfangreichen eigenhändigen lateinischen
Schriftstücke, welches sich nach seinem Tode unter seinen Papieren
fand und welches er selbst als eine Art Testament bezeichnet und
von dem er bestimmte, es solle dem Papste zugesandt werden
(Bausset 2, 383), wiederholt er in starken Ausdrücken seine Unter-
werfung unter die päpstliche Entscheidung, fügt dann aber bei: „Ich
glaube bis zur Evidenz erwiesen zu haben, dass ich niemals einen
der 23 Sätze so, wie sie im Breve stehen, habe vertheidigen wollen",
und gibt dann eine längere Darlegung seiner Ansichten, von der
leider Bausset nur einen dürftigen Auszug mittheilt. In einem für
den Jesuiten Le Tellier geschriebenen Memoire vom J. 1710 (Corr.
3, 245) sagt er: „Ich habe das verdammte Buch nur geschrieben,
um die Irrthümer und Illusionen des Quietismus zu verwerfen. Ich.
wollte nur sagen, im Stande der höchsten Vollkommenheit habe mais
in der Regel kein eigenes Interesse und keine eigennützige Lieber
Gottes mehr. Das ist die gewöhnliche Sprache aller Heiligen vo
dem h. Clemens von Alexandria bis auf den h. Franz von Sales . .
Der Bischof von Meaux hat mein Buch aus Yoreingenommenhei
bekämpft und eine verderbliche und unhaltbare Lehre vertheidigt
der Grund der Liebe zu Gott sei nur das Verlangen nach Glück-
seligkeit. Man hat diese unwürdige Lehre, welche die Liebe de
gradirt, indem sie dieselbe auf die Hoffnung als ihren einzigen Be*
weggrund reducirt, geduldet und triumphiren lassen. Derjenige
welcher irrte, hat gesiegt; derjenige, welcher frei von Irrthum war,
ist zertreten worden (^cras6). Der König und die Meisten glauben,
meine Lehre sei verdammt worden; ich schweige dazu, schon sei
mehr als zehn Jahren." Ramsay gegenüber erklärte er: er habe sei
Buch fallen lassen, da dieses eine unreife Geburt (avorton) sein
Geistes sei; seine Lehre aber sei keineswegs in Rom verworfen wo
den, werde vielmehr in allen katholischen Schulen vorgetragen
(Heppe S. 440). Schon 1699 sagt er in einem Briefe (11, 18):
„Der Ausdruck Retractation wird gewöhnlich nur angewendet, wenn
jemand eingesteht, dass er an eine Lehre geglaubt habe, die er jetzt
als falsch erkennt. In diesem Sinne habe ich nie retractirt; viel-
mehr habe ich immer behauptet, ich hätte nie an einen der frag-
lichen Irrthümer geglaubt. Der Papst hat keinen Punkt meiner
wahren Lehre verdammt, die ich ausführlich in meinen Yertheidi-
gungsschriften dargelegt habe; er hat nur die Ausdrücke meines
Buches »in dem Sinne, welchen sie natürlicher Weise darbieten« und
den ich nie damit verbunden habe, verdammt."
1) Cret.-Joly 4, 339 sagt von P. La Chaise, der ganz auf Fen^'s Seite
gestanden: II n'eut pas, ainsi que le dit Fontenelles, toute la ooqaetterie
dHiumilitS de Tauteur de Telemaque, mais en pretre soumis ä Pautorite,
il accepta la sentence.
Streitigkeiten in den Niederlanden. 64S
Im span. Index stehen F6n61ons Maximes nicht, aher gemäss
einem Edicte von 1771 werden die Noten zu einer Londoner Ausgabe
des TöUmaqne expurgirt.
65. StreitigkeiteD in den Miederlanden 1690—1712.
Der Streit der kirchlichen Parteien in den Niederlanden
wurde wieder sehr lebhaft, nachdem der bisherige Bischof von
Brügge, de Precipiano, ein fanatischer Gegner der Jansenisten,
1690 Erzbischof von Mecheln geworden war (f 1711). Im J.
1692 versachte er im Verein mit den anderen Bischöfen ein
Formular einzuführen, welches über das Alexanders VII. (S. 458)
noch hinausging. Innocenz XII. verordnete aber in einem Breve
vom 6. Febr. 1694, es solle nur die Unterzeichnung des Formu-
lares Alexanders VII. und die Verdammung der aus dem Buche
des Jansenius entnommenen Sätze in sensu obvio, — also nicht
in sensu ab auctore intento — verlangt werden. Gleichzeitig
wurde bezüglich der Interpretation des Formulares und der
flinf Sätze ewiges Stillschweigen geboten und den Bischöfen
zur Pflicht gemacht, nicht zu dulden, dass jemand als Jansenist
verdächtigt oder von geistlichen Aemtem und Functionen aus-
geschlossen werde, von dem nicht erwiesen sei, dass er einen
der fünf Sätze festhalte. Diese Entscheidung wurde nicht mit
Unrecht als ein Seitenstück zu der Paix de Clement IX. (S. 459)
bezeichnet. Um diese Zeit wurden mehrere Denunciationen gegen
belgische Jansenisten von der Inquisition abgewiesen und mehrere
Streitschriften gegen sie, u. a. von Precipiano's Beichtvater, dem
Jesuiten Jacques de la Fontaine, verboten. Precipiano verbot nun
seinerseits durch ein Decret vom 15. Jan. 1695 Jansenistische
Schriften (S. 59) und erwirkte in demselben Jahre Verordnungen
des Königs von Spanien, nach welchen die des Jansenismus
Verdächtigen von allen Aemtem ausgeschlossen werden sollten.
Neue Klagen in Rom veranlassten ein zweites Breve Innocenz' XII.
vom 19. Juli 1696, in welchem das erste bestätigt, aber ausdrück-
lich erklärt wurde, die Bulle und das Formular Alexanders VII.
solle dadurch nicht modificirt werden. Auch in den folgenden
Jahren wurden mehrere Streitschriften gegen die Jansenisten
Erzbischof Precipiano. 645
verboten werden. — Die Conferenz richtete unter dem 31. Jan,
1691 ein Schreiben an die Inquisition, worin über das Umsichgreifen
des Jansenismus geklagt wird. Insbesondere wird über fraudulenti
articuli der Jansenisten geklagt und eine Schrift, worin dieselben
abgedruckt seien, Doctrinae Augustinianorum Theologorum etc., de-
nuncirt; gleichzeitig wird der Inquisition ein Buch von Cornelius
a Craneberch übersandt, der praeter ceteros felicius in exagitandis
bis articulis desudavit. Ferner werden Specimina der zahllosen be-
denklichen Sätze beigefügt, die von Jansenisten vertheidigt würden
und ebensowohl verdammt werden sollten wie die 31 Sätze von
1690 (S. 516). Endlich wird über die Jansenistische Busspraxis
geklagt: rei huic initium dedit famosus de frequenti communione
Über, cujus vel ipsa praefatio haereticam continet de bicipiti Eccle-
siae capite propositionem (Synodicon 1, 570).
Die fraudulenti articuli sind die 5 in Paris 1663 vereinbarten
Artikel (S. 477), welche Quesnel 1689 mit einer Vorrede hatte
drucken lassen und mit denen die Löwener Theologen (auch Stey-
aert) sich einverstanden erklärt hatten. Arnauld hatte sich nach
l&ngerm Widerstreben bestimmen lassen, 26. Jan. 1690 an Alexan-
der VIII. einen Brief zu schreiben (3, 269), dem Quesnels Schrift
beigelegt wurde. Die Gegenschrift, welche die Bischöfe der In-
quisition übersandten, heisst: Fraus quinque articulorum a Pseudo-
Augustini discipulis, primum Alexandre VII., nunc iterum Alexan-
dre VIII. obtrusorum sive eorum cum Augustino Iprensi conve-
nientia demonstrata per Comelium a Craneberch Lovaniensem
Theologum, Col. 1690. Der Verfasser derselben war der Jesuit
Jacques de la Fontaine, der Beichtvater Precipiano's. Mit ihrer
Denunciation hatten die Bischöfe Unglück. Beide Schriften wurden
von der Inquisition geprüft, die von Quesnel freigegeben, die von
Craneberch 19. März 1602 verb. Eine ausdrückliche Erklärung über
die 5 Artikel und die Censuren von 1587 (I S. 446), die Arnauld
(3, 426) wünschte, erfolgte nicht ^).
2. Das Formular, welches die belgischen Bischöfe 1692 ein-
zuführen versuchten, ging insofern über das Alexanders VII. hin-
aus, als es den Zusatz enthielt: „Ich beschwöre nicht nur die Wahr-
heit dessen, was sich in diesen Bullen auf das Recht (jus), sondern
auch dessen, was sich auf die von Alexander VII. definirte That-
sache (factum) bezieht, d. h. dass ich die 5 Sätze verdamme, nicht
nur im allgemeinen in jedem ketzerischen Sinne, den sie haben,
1) Die Schrift von Quesnel wird oft als „Coram" citirt, weil sie
mit diesem Worte anfängt. In dem Recueil, welches Quesnels Schrift La
paix de Clement IX. (8. 482) beigedruckt ist, steht p. 14 eine französische
üebersetzuDg derselben : Nouvelle declaration des disciples de St. Aug.,
contenante rexposition sinc^re de leur doctrine sur la matiere des 5 pro-
positions en 5 articies presentes en 1663 au P. Alexander VII. et sourais
de nouveau au jugement du P. Alexandre VIII. en 1689. — Ueber die Ver-
handlungen der Inquisition über die beiden Schriften s. Recueil p. 51.
Bayle, Oeuvres 3, 896.
646 Streitigkeiten in den Niederlanden.
sondern anoh speoiell als ans dem Angustinns des Jansenins exce^
pirt nnd in dem von Jans, intendirten oder in seinem Bnche aus-
gedrückten Sinne" (Arn. 24, 60fi; 25, 164). Die Bischöfe berich-
teten darüber an Innocenz XII. im März 1692 in einem Schreiben
(Synod. 1, 579), worin folgende charakteristische Ansföhmng vor-
kommt: Weil einige Bischöfe jansenistisch gesinnt gewesen nnd die
weltliche Gewalt nnd nach dem Vorgänge einiger Löwener Profes-
soren viele Geistliche widerstrebt hätten, habe man bisher nur ein
zweideutiges Formular (das von 1660, S. 517) einführen können.
Manche meinten nun, die darin versprochene religiosa observantia
bestehe lediglich darin, dass man die Bullen nicht öffentlich an-
greife ; ein belgischer Schriftsteller sei es gewesen, der den in dem
Decrete von 1690 unter No. 30 verdammten Satz vorgetragen:
wenn jemand eine Lehre bei dem h. Augustinus deutlich autge-
sprochen finde, könne er sie festhalten und vortragen, ohne Rück-
sicht auf irgendwelche Bullen ; ja, es habe neulich jemand geäussert,
kein Papst habe jemals seine Fehlbarkeit deutlicher bekundet als
derjenige, welcher die 5 Sätze in dem von Jansenius intendirten
Sinne verdammt habe. Jansenisten seien es femer, welche lehrten,
das Lesen der h. Schrift in der Yolksprache, namentlich des N. T.
von Mons, könne nicht durch kirchliche Gesetze beschränkt werden,
welche das Busssacrament durch unkluge Strenge gehässig machten,
welche behaupteten, das Beichtsiegel brauche nicht strenge gehalten
zu werden^). Um die Axt an die Wurzel zu legen, hätten die Bi-
schöfe mit Zustimmung des Intemunoius beschlossen, fortan von
allen, welche die Weihen oder Beneficien und kirchliche Aemter
erhalten wollten, einen Eid nach dem Formular Alexanders VIT. zu.
verlangen. Das sei jetzt durchzusetzen, da die Bischöfe einig, di»
Regierung der guten Sache günstig gesinnt und von der Universität^
Löwen Unterstützung, nicht Behinderung zu erwarten sei. — Da^-
Vorgehen der Bischöfe veranlasste eine Reihe von Streitschriften^
u. a. Supplicatio ad Archiep. Mechlin. ceterosque Belgii episcopos,^
qua juramentum in veritatem facti Janseniani ea qua par est reve-
rentia deprecantur quidam Belgae theologi, 1692, 32 S. 4. Amauld
schrieb damals Histoire du formulaire qu*on a fait signer en
France, et de la paix que le P. Clement IX. a rendue k cette 6glise,
Lille 1692, 56 S. 8. (darin sind die verschiedenen Formlare abge-
druckt), — sie wurde nochmals Col. 1698 gedruckt, und diese
Ausgabe 1734(1) verb.»).
1) Wie Am. 8, 77. 473 berichtet, hatte man 1688 eine solche Be-
schuldigung gegen Huygens und Opstraet ausgestreut. Es handelte sich
aber nicht um das Beichtsiegel, sondern um die Solicitatio ad turpia. Mit
dieser Beschuldigung werden die 1689 unter Hen nebeis Vorsitz verthei-
digten Thesen de sigillo confessionis (Opuscula p. 570) zusammenhangen.
~ Die Inquisition hatte schon 1682 eine auf das Beichtsiegel bezügliche
Propositio verdammt (Constit. p. 191).
2) Sie erschien nochmals 1765 mit einer Fortsetzung von anderer
Hand, und ist abgedr. Arn. 25, 152. lieber die anderen Streitschrüten
Das Formalar. 647
Anf den Wunsch Carls II. schickten beide Theile Agenten
nach Rom, die Bischöfe den Augustiner- Eremiten Bernard Desirant,
— er war Professor der Geschichte und Politik, also Justus Lip-
sius' Nachfolger, — ihre Gegner den Professor Jo. Libertus Henne-
bel. Vom Nov. 1692 an wurde länger als ein Jahr in der Inqui-
sition darüber verhandelt^). Dann schickte Innocenz XII. den Bi-
schöfen ein Breve vom 6. Febr. 1694 (Arg. III b 890), worin er
znnäohst die Bullen von Innocenz X. und Alexander YII. bestätigt
und die Bischöfe auffordert, gegen jeden, der die darin verdammten
5 Sätze vertheidige, auf rechtlichem Wege vorzugehen, dann aber
verordnet: es sei zu verlangen, dass jeder, der zur Unterzeichnung
des Formulars aufgefordert werde, dasselbe aufrichtig unterzeichne
und ohne Distinction, Eestriction oder Exposition die aus dem
Buche des Jansenius excerpirten Sätze in sensu obvio, quem ipsamet
propositionum verba prae se ferunt, verdamme; es solle aber dem
Formular Alexanders VII. weder mündlich noch schriftlich irgend
etwas zur Erklärung beigefügt werden. Um allen Streitigkeiten
vorzubeugen, sagt der Papst weiter, habe er (in dem unten zu er-
wähnenden Decrete der Inq.) verboten, andere Deutungen des For-
mulars als die in den Worten selbst liegenden vorzutragen oder
darüber zu disputiren; auch habe er bezüglich der Interpretation
des Formulars und der 5 Sätze ewiges Stillschweigen aufgelegt.
Schliesslich macht er den Bischöfen zur Pflicht, nicht zu dulden,
dass gegen jemand die vage Beschuldigung des Jansenismus ausge-
sprochen oder der gehässige Name Jansenist angewendet werde,
von dem nicht feststehe, dass er verdächtig sei, einen der 5 Sätze
gelehrt oder festgehalten zu haben, oder dass jemand unter diesem
Vorwande von Aemtern, Beneficien, Gnaden, dem Predigen oder
anderen kirchlichen Functionen ausgeschlossen werde, wenn nicht
rechtlich erwiesen sei, dass er diese Strafe verdient habe. — Unter
demselben Datum wurde ein Breve an die Löwener theologische
Facultät erlassen (Serry p. 57. 716), worin der Papst sagt: Hennebel
habe ihm einen Brief der Facultät vom 7. Mai 1693 überreicht,
worin sie bitte, es möge ihr gestattet werden, bis zu einer ander-
weitigen Entscheidung des h. Stuhles die in den Censuren von 1587
enthaltene Lehre vorzutragen ; er erachte eine eingehende Erörterung
über die Gnadenlehre, wie sie unter Clemens VIII. und Paul V.
stattgefunden, jetzt nicht als opportun, halte das Verbot der Ver-
öffentlichung von Schriften über diese Materie aufrecht, und er-
mahne sie, sie möchten, indem sie, wie sie versicherten, sich zu
der Lehre des h. Augustinus und des h. Thomas bekannten, Strei-
und die Opposition gegen das neue Formular überhaupt s. Am. 8, 439.
460. 493: 24, 607; 25, 178.
1) Ueber die Verhandlungen s. van Espen, Commcntariolus de ori-
gine et progressu formularii Alexandrini in Belgio, Opp. 5, 322, 336. Am.
24, 608; 26, 362. (Quesnel) Paix de Clement IX. p. 249 und Recueil p. 272.
Fleur. 66, 145, Laemmer, Zur Kirchengesch. S. 99. Clarorum Venet. ad
Magliabechium Epistolae 1, 180.
648 Streitigkeiten in den Niederlan<len.
tigkeiten yermeiden n. s. w. — Gleichzeitig wnrde das in dem
ersten Breve erwähnte Decret der Inq. Fer. V. 28. Jan. 1694 (Bull,
cont. 1, 294. Arg. III h 390) publicirt, in welchem bezüglich der
Deutnng des Formulars und der 5 Sätze allen Schweigen auferlegt
wird, alle ex professo oder incidenter darüber handelnden Schriften
verboten werden und untersagt wird, Schriften darüber drucken zu
lassen. Die üebertreter dieses Decretes sollen ipso facto der Pri-
yation ihrer Dignitäten und Aemter und der Vollmacht zu predigen und
zu docireu u. s. w. verfallen, alle noch zu veröffentlichenden Schriften
der bezeichneten Art ohne weitere Erklärung als ausdrücklieh ver-
boten angesehen, die Drucker derselben mit Confiscation der Bücher
und mit Geld- und anderen körperlichen Strafen belegt werden.
Ganz zufrieden waren mit dieser päpstlichen Entscheidung
beide Theile nicht. Der Erzbischof musste natürlich sein Formular
aufgeben und verordnete im Juli 1694 die Unterzeichnung des
Alexandrinischen (Arg. III b 597). Arnauld (3, 749) war nament-
lich über das Inquisitionsdecret unzufrieden; von dem Breve an
die Bischöfe, welches mit königlichem Piacet publicirt wurde, meinte
er: wenn es nicht so klar seit wie man wünschen könne, so sei es
doch in drei Punkten den Löwenern günstig: 1. die Bestätigung
der früheren Bullen sei auf den dogmatischen Inhalt derselben be-
schränkt; 2. es heisse: die 5 Sätze seien in sensu obvio, quem verba
prae se ferunt, (nicht in sensu a Jansenio intento) verdammt^);
3. es verbiete die vagen Beschuldigungen des Jansenismus. Jeden-
falls meinte er, könnten die Löwener das Formular Alexanders Vü.
unterzeichnen, und es sei zu hoffen, dass das Breve der niederlän-
dischen Kirche den Frieden wiedergeben werde. Auch sonst wurde
vielfach dieses Breve dem Breve an die Seite gestellt, durch welches
die Paix de Clement IX. begründet worden. Es erhielt auch für
Frankreich Bedeutung dadurch, dass die Assemblie du Clerge von
1700 daraus die Warnung vor der vagen Beschuldigung des Jan-
senismus in ihre Beschlüsse aufnahm (Recueil des actes 1, 713). —
Auch Quesnel verfasste, wie Arnauld (3, 770) 1694 schreibt, eine
eigene Schrift, um zu zeigen, dass man jetzt das Formular unter-
zeichnen könne. Es wird das dieselbe sein, die freilich erst 1697
Pseudonym erschien: Defense des deux brefs de N. S. P. le F.
Innocent XII. aux eveques de Flandre (des Breve von 1694 und
des gleich zu erwähnenden von 1696) contre le Docteur Martin
Steyaert, adressee k ce mdme docteur par l'abbe du Manoir,
Douay 1697, von der Inq. verb. 1704 (C. Qu. p. 73. 347).
Specielle Bücherverbote sind in dem Decrete der Inq. nicht
enthalten. Das für die Zukunft bestimmte Verbot wurde natürlich
nicht beobachtet, — es ist nicht wie ähnliche Verbote unter Libri
1) Den Unterschied hebt auch Sainjore 2, 56 hervor: das unglück-
liche in sensu ab auctore intento, welches der Klugheit Alexanders YII.
keine Ehre mache, sei durch in sensu obvio (le sens naturel de son livre)
ersetzt worden.
Das Formular. Denunoiaiionen. 649
in die Indices, ancb nicht bei Ben. in die Decr. gen. aufgenommen.
— Schon 19. Mai 1694 verbot die Inq. Lettre 6crite de Rome k un
Docteur de Louvain au sujet du nouvean decret et du bref de N. S.
P. le P. Innocent XII. aux öv^ques des Pays-Bas touohant le for-
mnlaire contre Jans^nius, und Litt er ae Roma datae ad Doctorem
Lovan. circa novum decretum et breve S. D. N. Innocentii XII. ad
episcopos Belgii de formulario contra Jansenium et theologi Lovan.
ad illas responsio (d. d. Rom 23. Febr., wahrscheinlich von Hennebel,
8. u.), mit dem Zusätze: dieses Verbot werde auf alle solche Briefe
in jeder Sprache ausgedehnt (dieser Zusatz ist von Ben. gestrichen).
Sonst scheinen keine Bücher auf diesen Grund hin verb. worden zu
sein. — Am 7. Dec. 1694 wurde ein einzelnes Heft einer (im Haag
1692 — 1728 von J. Bernard, H. Basnage u. a. herausgegebenen)
Zeitschrift verb.: Lettres historiques contenant ce qui ce passe
de plus important en Europe et les reflexions necessaires sur ce
sujet. Mois d^Avril 1694*. Das Heft beginnt p. 357 mit einem
Artikel über das Breve und die Verhandlungen in Rom. Gleich-
zeitig wurden Thesen von den Recollecten Bukentop, van Doren,
Mersman und Schrynmaekers verb., weil darin von dem Formulare
(im Sinne Precipiano's; Quesnel, Remontrance p. 70) gesprochen
war. Am 7. Sept. 1695 wurden Thesen von L. de Behault mit
ausdrücklicher Angabe des Grundes verb.: ob contradictionem silen-
tii a Sanctissimo impositi.
3. Mit den Verhandlungen in Rom 1692 — 94 hängt zusammen
die Schrift: Propositiones per Belgium disseminatae jussu Congre-
gationis S. Officii collectae atque ad supremum Innocentii XII. P.
M. tribunal delatae per theologos orthodoxae fidei et autoritatis
pontificiae defensores, Col*. 1692,* 6 Bl. 143 S. 4. (Auszug daraus
A. J. P. 6, 1753). Die Jesuiten sagten, der Erzbischof von Mecheln
habe diese Zusammenstellung auf Befehl des Cardinais Cybo, des
Secretärs der Inquisition, drucken lassen (Arn. 10, XXXIV). Wahr-
scheinlich sind es im wesentlichen die 1691 von Precip. und den
anderen Bischöfen denuncirten Sätze (S. 645). Als denjenigen, der
die Sätze zusammengestellt und die Denunciation eingereicht, be-
zeichnet Arnauld (3, 605. 625) den Franciscaner Diaz, der damals
in Rom mit Desirant im Interesse der belgischen Bischöfe thätig
war. In einem kurzen Schreiben an die Cardinäle der Inquisition,
welches an der Spitze der Sammlung steht, sagt der Verfasser, er
habe die Sätze im Auftrage Ihrer Eminenzen zusammengestellt, um
zu zeigen, dass von manchen mit Unrecht behauptet werde, es gebe
in Belgien keine Jansenisten, Bajaner und Neuerer, um den trau-
rigen Zustand der Religion in Belgien anschaulich zu machen und
um die Censurirung der betreffenden Sätze zu erwirken. Die Sätze,
bei denen die Schriften, woraus sie entnommen, genau angegeben
werden, beziehen sich auf dogmatische und ethische Fragen, auch
auf die Autorität des Papstes, der Inquisition und der Index- Con-
gregation und die von ihnen ausgehenden Bücherverbot« ^). — Huy-
1) Z. B. : Die Sitte, durch 12 oder weniger Römische Censoren
650 Streitigkeiten in den Niederlanden.
gens nnd andere angegriffene Theologen reclamirten. Die von Jo.
Opstraet verfasste Yertheidignng wurde, nachdem Amanld (3, 601.
608; 10, 676) sie durchgesehen, 1G93 handschriftlich nach Rom
geschickt und 1694 gedruckt: Responsio Jo. Opstraet ad articulos,
de quihus accusatur in libro, qui inscribitur Propositiones . . .
84 S. 4. (Opp. 6, 247—395). Sie behandelt 69 Anklagepunkte i).
Wenigstens über viele dieser Sätze ist in Rom verhandelt worden;
— A. J. P. 2, 1594 werden Qualificationen von 16 Sätzen über
Absolution u, dgl. mitgetheilt, — zu einer Censurirung kam es aber
nicht, aber doch wohl aus einem andern Grrunde als ans dem von
den A. J. P. vermutheten: weil man die rigoristischen Lehren
einiger Theologen von schwachem Renommee nicht für so gefähr-
lich hielt, dass der h. Stuhl seine Stimme erheben müsste. — Eine
andere Denunciation überreichte im J. 1694 Desirant der Inquisition.
Es wurden darin 61, angeblich wörtlich aus den Schriften von
Huygens, Hennebel, Opstraet und van Espen entnommene Sätze
denuncirt (von van Espen 6 aus seinem noch nicht gedruckten
Tractat de cultu sanctorum). Hennebel überreichte eine Verthei-
digungsschrift. Die Inq. nahm nur 6 von den denuncirten Sätzen
in Untersuchung, und auch diese wurden freigegeben (Vie de v.
Espen p. 111).
Im J. 1693, also während der Verhandlungen in Rom, er-
schienen kurz nach einander, angeblich zu Köln, drei kleine An-
klageschriften gegen die Jansen isten, die einen ganz ähnlichen Cha-
rakter haben, nur wo möglich noch boshafter sind als die Proposi-
tiones: Jansenismus evertens omnem religionem, extingaen0
omnem pium affectum erga Deum, . . . omnem in ecclesia judicenB.
Wahrheiten der Religion zu entscheiden, macht dem h. Stuhle keine Ehre
Die Inquisition ist wie eine Räuberhöhle, in welcher die Censoren de
Leuten nachstellen, sofern sie dieselben verdammen, ohne ihnen eineY
theidigung zu gestatten (Quesnel, p. 10. 11). Ein Decret der Index-Gon
gregatiou oder der Inquisition (una Feria V., imo nna Feria IV.) reiss
uns mitunter die besten und nützlichsten Bücher aus der ELand (p. 12)
Niemand ist verpflichtet, seine Einsicht dem Urtheil von 7 oder 8 Gon
sultoren oder auchivon ebenso vielen Cardinälen, denen sie referiren, z
unterwerfen. Der Trionter Index ist nur eine für eine bestimmte Zei
erlassene Verordnung, den Verordnungen zu vergleichen, die zur Zeit eim
Krieges, einer Pest oder Hungersnoth erlassen werden und, nachdem d
Grund weggefallen, von selbst erlöschen (de Witte, p. 17).
1) Manche Sätze waren in den Prop. zwar richtig oitirt, aber a
dem Zusammenhange gerissen. So wird von Opstraet der Satz oitirt: ni
forte tarn missis opus sit quam stipendio, non ad refrigerandas animas
in purgatorio, sed in refectorio. Opstraet zeigt p. 268, daw er von dem
Unfug der Mönche gesprochen, die den Sterbenden verhiessen, sie würden -
nicht ins Fegfeuer kommen, wenn ihnen durch ihren Ablass die Taufim- —
schuld wiederhergestellt werde (s. Reusch, Die deutschen Bischöfe S. 20)«
und die dann gleich nach dem Tode eine grosse Menge von Messen fur^
nÖtbig erklärten. — Viele Sätze sind übrigens aus Schriften entnominen^
die bereits verboten waren (Eugenius Brug., S. Victor, Goude, M61iton
n. 8. w.).
Denanoiatioiien. Index Precipiano's. 651
infallibilem eliminans, . . . venerationem imaginum et sanotorum,
etiam Deiparae cultum convellens, yilipendens indnlgentias et a sa-
oramentis poenitentiae et eucharistiae avertens, . . . procnlcans reg.
4. Indicifl Trid. sive permittens omnibns sine discrimine lectionem
8. soriptnrae in lingua vulgari et lectionem libromm prohibitorum
(abgedr. bei M. Leydecker, Hist. Jans. p. 557), — Jansenismus
plnrimas haereses et errores damnatos pertinaciter defendens, 55 ä.
8.*, — Jansenismns in maltis exotice rigidus, 51 S. 8.* Der
Verfasser ist nicht bekannt; approbirt sind sie von Nie. Dnbois
L(ibrorum) C(ensor) zu Löwen; Amauld (3, 627. 629) berichtet
von Steyaert die Aeusserung, der Erzbischof selbst sei an der Ab-
fassung betheiligt, unter den etwa 30 Jansenisten, die darin an-
gegriffen werden, befinden sich ausser den belgischen auch franzö-
rische, Saint Cyran, Arnauld, Nicole (Paulus Irenaeus), Bischof
Pavillon u. s. w.; auch die Fabel von Bourgfontaine wird darin
yerwerthet. — Amauld schrieb gegen das erste Stück Procis de
oalomnie intente devant le Pape et les ^veques, les princes et les
magistrats par les nomm^s dans le placard: Jansenismus omnem
destruens rel., contre les auteurs, les approbateurs et les fauteurs
de ce placard, in 5 Abtheilungen 1693 erschienen (die 2. — 5. an
Steyaert gerichtet, abgedr. Arn. 25, 207 — 318) i). Er drang auch
in Briefen an du Yaucel darauf, dass die Schriftchen in Rom ver-
boten würden, und zwar nicht etwa in einem Decrete mit beliebig
vielen anderen Schriften zusammen, sondern in einem besondern
Decrete; damit sie nicht wegen Mangels eines Denuncianten unge-
rügt blieben, wolle er sie nöthigenfalls selbst bei der Inquisition
denunciren (Am. 3, 637. 753). Sie wurden denn auch, aber mit
einigen anderen, u. a. einer zweiten Schrift von Fontaine (S. 484)
und einigen Thesen (S. 649) von der Inq. 7. Dec. 1694 verb. (Kam.
p. 173).
4. Im Jan. 1695 veröffentlichte Precipiano das S. 59 be-
sprochene Decret, worin über 60 „Jansenistische" Schriften verb.
werden, ausser den bereits erwähnten und noch zu erwähnenden
von Arnauld, Huygens und Quesnel eine ganze Reihe von Gilles de
Witte und anonyme lateinische, französiche und flämische Bro-
schüren über die Einführung des Formulars und das Bibellesen,
auch einige Streitschriften gegen ihn selbst und seinen Ver-
theidiger Oropega^) und gegen Steyaert. In Rom hat man von
1) De Witte schrieb dagegen Pbrenesis Molinistica . . auot. Jo. Au-
relio Tbeologo, 1698, 15 S. 8 (Idee 54).
2) Didacus de Oropega ist wie Cranebercb und Monbron ein nom
de giierre des Jesuiten Jacques de la Fontaine; s. Backer s. v., wo auch
die Streitschriften für und gegen Prec. verzeichnet sind. — * In den seinem
Index beigefügten Specimina (S. 61) führt Prec. aus einer Lettre d'un eccle-
siastique sur le sentiment de S. Augustin touchaut Tautorite dos Papes et
des Conciles oecumeniques a roccasion des thöses de M. Steyaert, s. 1.
1687, ausser dem S. 650 angeführten Satze über die Feria V. noch
folgende an : Der Papst und vollends die Kirche haben mit solchen De-
652 Streitigkeiten in den Niederlanden.
diesem Index keine Notiz genommen (S. 61 ; anch Qaesnels Bemon-
trance wurde nicht verb.); dagegen wird er in dem Dict. Jans,
wiederholt citirt, um von einem Buche, welches nicht im Rom. In-
dex steht, doch sagen zu können, es sei verboten worden. — Schliess-
lich verbietet Prec. das Lesen, Abschreiben und Verbreiten eines
an ihn selbst gerichteten Briefes von Hennebel d. d. Rom 20. Febr.
1694 dessen temeritas, wie ihm von dem Internunoius mitgetheilt
worden, der Verfasser später selbst anerkannt habe. Es war das
ein Brief über das Formular, den die Inquisition wegen Verletzung
des vom Papste aufgelegten Schweigens und vielleicht wegen unan-
gemessener Ausdrücke missbilligt und den darauf 4. Sept Hennebel
vor der Inq. retractirt hatte (Quesnel, Remontr. p. 88. Fleur.
66, 195; s.o. 8.649).
5. Aus dem J. 1695 wird auch die bei Gachard, Hist. de la
Belgique au commencement du 18. si^cle, 1880, p. 99 theil weise
abgedruckte eigenhändige Denkschrift stammen, worin Prec. dem
Madrider Hofe vorstellt: es sei unmöglich, den Jansenismus in den
Niederlanden auszurotten, wenn es nicht der König kraft seiner
Autorität thue. Sie beginnt: „Von Rom ist nichts zu hoffen unter
dem jetzigen Papste: er thut selbst nichts und überweist alles den
Congregationen, in denen der Card. Casanate und der Assessor
Bernini dominiren, die notorisch erklärte Beschützer der Jansenisten
sind. Auch der Card. Aguirre (er wurde IH86 Cardinal) beschützt
sie, seit er in Rom ist" u. s. w. — Unter dem 7. Nov. 1695 ge-
bot denn auch Carl II. dem Erzbischof, dem Conseil de Brabanfc
und der Löwener Universität, die Jansenisten von kirchlichen un
staatlichen Aemtem fern zu halten. Bei der Ausführung diese^f
Verordnung kam natürlich alles auf den Begriff „Jansenist'' an ^r^
dem der Erzbischof eine sehr weite Ausdehnung zu geben genei
war. Etwa 150 Geistliche beauftragten den Brüsseler Pfarre:
Wilh. van de Nesse 14. Febr. 1696 zu remonstriren, und diese:
reichte dem Conseil de Brabant zwei Suppliken ein. Das ConseiE^
sprach sich denn auch in einem Berichte an den Statthalter, de:
creten wenig oder nichts zu schaffen. Sie kommen sehr oft ohne genü-"-'
gende Untersuchung und in Folge von Cabalcn zu Staude. Die Ordens^ — ^
geistlichen, von denen man weiss, dass ihnen ihre Sonderinteressen mehr* -•
am Herzen liegen als die wahren Interessen der Kirche, dominiren in allen ^^
Congregationen. Die Erfahrung lehrt, dass Jahre lange Anstrengungen ^
und eine grosse Geduld dazu gehören, um die Verdammung der schlech- ^
testen Lehren zu erwirken, wenn die Ordensgeistlichen dagegen sind, dass ^
dagegen^ wenn diese es wünschen, die besten Bücher mit der grössten
Uebereilung censurirt werden . . . Diejenigen, welche an den Römischen
Verboten den grössten Antheil haben, sind in der Regel Mitglieder ver-
schiedener Orden, namentlich der Bettelorden. Und da merkwürdiger
Weise die meisten von diesen jetzt die erklärtesten Vertheidiger laxer
Ansichten und die gefährlichsten Gegner der guten Moral sind, so kommt
es oft vor, dass die besten Bücher Gefahr laufen, censurirt zu werden,
und dass die, welche den Laxismus und die schlechte Moral fordern, bei
den Tribunalen, die sie verdammen sollten, Schutz finden.
Yerordnangen des Königs von Spanien. 668
Herzog yon Baiern, vom 13. Apr. 1696 dabin ans, daes die könig-
lichen Decrete gemäss dem Breve yon 1694 zu deuten, also das
Wort Jansenist stricte zu interpretiren sei. Der Aufforderung des
Herzogs, sieb die Unterdrückung der Scbriften der Neuerer und
Rigoristen angelegen sein zu lassen, stellt das Conseil eine Hin-
weisung auf das Breve von 1694 und die Bitte entgegen, es
möge ibm eine von der Eircbe anerkannte Eegel angegeben werden,
wonacb man beurtbeilen könne, was Neuerung oder Rigorismus
soi^).
Die Verordnung des König veranlasste die „Jansenisten/^ dem
Papste durcb Hennebel eine Supplik überreicben zu lassen^). Aucb
die Biscböfe wandten sieb 19. Juli 1696 nocbmals an den Papst
und klagten darüber, dass dem Jansenismus durcb das Breve von
1694 nicbt wirksam gesteuert worden sei. Der Papst antwortete
in einem Breve vom 19. Juli 1696 (Arg. III b 392): Jenes Breve
bedürfe keiner weiteren Erläuterungen. Wenn angeblicbe Janse-
nisten das Formular innerlicb verkebrt deuteten, so urtbeile die
Kircbe nicbt de occultis; wenn sie es mündlicb oder scbriftlicb
yerkebrt deuteten, so bätten die Biscböfe einzuscbreiten. Mit Ver-
wunderung vemebme er, dass in Belgien einige mündlicb oder
scbriftlicb bebauptet bätten, durcb das Breve sei die Bulle Alexan-
ders VII. und dessen Formular alterirt oder reformirt worden; beide
würden ja ausdrücklieb bestätigt. Bezüglicb des Lesens von Bibel-
übersetzungen und anderen verbotenen Bücbem sei in früberen Bullen
das Nötbige verordnet. Bezüglicb der Spendung der Sacramente
bätten die Biscböfe darüber zu wacben, dass die canoniscben Sat-
zungen und die kircblicbe Praxis beobacbten würden. Die Inquisi-
tion sei übrigens mit der Prüfung von Sätzen bescbäftigt, die ibr
denuncirt worden seien.
In der nächsten Zeit erscbienen in der Form von Vertbei-
digungen der königlicben Decrete zwei Streitscbriften gegen die
Jansenisten: Decreta Regis catbolici a calumniis vindicata, s. 1. et
&., 126 S. 4., und Memorial al Rey nuestro seiior Carlos IL eu
defensa de sus reales decretos en el Pais Baxo catbolico, beginnend:
Sefior, Juan dePalazol, Sac. Prof. de la Comp, de Jesus, in nom-
bre y de mandato de Tyrso Gonzalez, Preposito general de la mis-
ma ordeo etc., 20 Bl. Fol. Der Jesuit klagt darüber, dass der
Jansenismus in Belgien sebr verbreitet und mäcbtig sei, dass die
päpstlicben Breven, welcbe Hennebel zu erwirken gewusst, den-
selben gefördert bätten, das Conseil de Brabant und andere Bebör-
den nicbts Ernstlicbes dagegen tbäten u. s. w. Die Scbrift wurde
von der spaniscbeu Inquisition 28. Sept. 1698 verb., als beleidigend
1) Vie de v. Espen p. 22. 129. v. Espen, Opp. 5, 338. Reiffenberg,
Annuaire de la Biblioth. roy. 1848, p. 77.
2) Epistola quinque deputatorum ad Innocentium XII. super regiis
mandatis in causa Jansenismi, datirt Löwen 27. Dec. 1695, unterscbrieben
von Huygens, van de Nesse und drei anderen, abgedruckt in dem Anbang
der Confutatio (s. u.) No. I.
654 Streitigkeiten in den Niederlanden.
und injariös für hochgestellte Personen geistlichen und weltlichen
Standes und die königlichen Behörden und G-erichtshöfe. In Rom
verklagte Hennebel im Juni 1698 den Jesuiten-General bei der In-
quisition und drohte ihm mit einer Injurienklage bei einem andern
Grerichtshofe (Bossuet, Oeuvres 40, 288); er überreichte auch dem
Papste und mehreren Cardinälen eine von ihm verfasste Widerle-
gung. Die Kömische Inquisition soll, wie Bossuet von seinem
Neffen aus Rom geschrieben wurde (Oeuvres 40, 517), der spanischen
für das Verbot gedankt haben. Sie selbst verbot die Schrift quo-
cnnque idiomate 8. Apr. 1699. — Opstraet schrieb dagegen: Libelli
hispanice editi hoc titulo: Memorial . . . Gonfutatio per Beigas
Theologos, s. 1. et a.*, 101 S. 8.1).
Mit Rücksicht auf van de Nesse's Suppliken erschien: Cer-
tamen immunitatis sacerdotum Belgii in causis personalibus, prae-
cipue criminalibus, zelatorisque ejus Archiepiscopi Mechlin. adv.
auetores libelli ... 95 S. 8. (von Precipiano's Generalvicar Peter
G-ovarts), worin van de Nesse und Genossen darüber angegriffen
wurden, dass sie die Sache vor eine weltliche Behörde gebracht
Van Espen schrieb darauf: Concordia immunitatis eccl. et juris regii,
adv. Certamen . . . 1700 fOpp. 4 B, 93; Vie p. 23), erst 1733 verb.
Im J. 1698 schickte Desirant (handschriftlich) nach Rom eise
Accusatio et querela populi Belgici gegen Huygens, Hennebel, Op-
straet und van £spen. Diese liessen darauf zu ihrer Yertheidigung
(auch über die 61 Sätze, S. 650) drucken: Imposturae libelli ano-
nymi cui tit.: Accusatio . . . per Jo. Opstraet et eos qui accusantnr
refutaUe et doctrina accusatoris denunciata, Leodii 1698 (v. Espen,
Opp. 5, 150). Diese Schrift wurde 10. Sept. 1700 von Hennebel
den Cardinälen der Inq. überreicht. Darauf veröffentlichte Desi-
rant Commonitorium ad orthodoxos de aocusatis in ürbe doctrinis
1) In dieser Confutatio steht p. 51 CoUectio instrumentorom ad
hanc confutationem pertinentium. Beigebuuden ist demselben Memorial
espagnol . . . condamne par un decret de Plnq. generale de TEspagna
Le tout tradait en fraa^ois, 1699, 127 S. 8., das Memorial spanisch und
französisch; vorgedruckt ist das Decret der Inquisition (dieses steht auch
U. N. 1752, 870). In diesem wird zugleich eine gegen den Franciscancr
Olmo gerichtete Schrift, La embiada . . . mas clara, verb., weil sie Sätze
enthalte, in denen die h. Schrift missbraucht, der Observanten-Orden in-
juriirt und der Verfasser des darin citirten Buches (P. Olmo) sammt den
Approbatoren desselben geschmäht werde. — Ausführlich über Palazol
und die Confutatio Aletophilus § 34. Ueber die Widerlegung von Hen-
nebel s. Laemmer, Zur Kirchengesch. S. 98, über andere Streitschriften
Backer 6, 413. — Palazol ereifert sich auch gegen eine Stelle in der Bi-
blioth. Hisp. vetus des Nie. Antonio 1, 500, wo der Satz des Prudentius
Trecensis: sanguinem Christi pro omnibus fusura credentibus, non vero
pro bis qui nunquam crediderunt nee hodie credunt nee unqaam credi-
turi sunt, als gut katholisch bezeichnet wird. Er meint, da weder Nie.
Antonio, noch Card. Aguirre, der nach dessen Tode das Buch zu Rom
1696 drucken liess, diesen Jansenistischen Satz habe billigen können, so
müsse die Stelle von irgend einem Jansenisten eingeschmuggelt worden
sein. Aletophilus p. 212. Bayle s. v. Antonio.
B. Desirant. J. L. Hennebel. 655
DD. Gr. Hnygens, J. L. Hennebel, Z. B. van Espen, Jo. Opstraet
cnm suis, s. Imposturarnm, qnae ipsorum nomine prodiemnt, con-
fntatio, LoY. 1701. Das Buch war dem General der Angustiner ge-
widmet ; dieser befahl aber dasselbe zu nnterdrücken. Opstraet
schrieb dagegen Commentarins super Commonitorium, Leodii 1701.
Die vier angegriffenen Theologen Hessen 26. Ang. 1701 dem Assessor
S. Off. eine Dennnciation überreichen (v. Espen, Opp. 5, 341), und
1707 wurde das Buch von der Inq. verb. (nicht etwa bloss wegen
Verletzung des von Innocenz XII. auferlegten Schweigens; denn
dann würden auch die Imposturae verboten worden sein).
Anfangs 1701 kam Hennebel von Rom zurück. Er liess in
Löwen drucken: Declaratio circa articulos dootrinae in Belgio con-
troversae, per Eximium D. J. L. Hennebel die 10. Spt. 1700 ooram
Sede apost. in Urbe exhibita, und Acta doctorum Lovaniensium De-
clarationem .... approbantium, wonach Huygens und 6 andere
Doctoren, zugleich im Namen vieler abwesenden, vor dem Rector
ihre Zustimmung zu der Declaratio kundgegeben (den Opuscula J.
L. Hennebel beigedruckt; vgl. Aletophilus p. 203). Die Facnltät
erklärte darauf, nicht sie, sondern nur einige Doctoren hätten die
Declaratio gutgeheissen (L. de Meyer p. LII). G. de Witte, ein
Jansenist in der verwegensten Bedeutung des Wortes, liess eine
Quaesita satisfactio fidei et doctrinae oblata omni poscenti secundum
Declarationem circa articulos doctrinae in Belgio controversae per
ex. Dr. J. L. Hennebel, unter dem Namen Irenaeus Pbilalethes dru-
cken, 1701, 14 S. 4., worin er sagt, Hennebels Erklärung sei voll
Zweideutigkeiten und der auf Grund derselben in Rom geschlossene
Friede nichts werth (Idee de Witte p. 80), und ähnlich äusserte sich
Gerberon in Memoriale pacis S. Cardinalium Congregationi a D.
Hennebel suo praetensorumque Jansenistarum nomine exhibitum
anno jubilaei 1700, cum animadversionibus ac notationibus censoriis,
Par. 1700; von der andern Seite veröffentlichte M. Steyaert eine
Responsio pacifica ad Declarationem I). Hennebel, und Franc. Mar-
tin Reflexionesad nuperrimam declarationem D. Hennebel, von denen
er selbst in einer spätem Schrift sagt, er habe darin die Schüler
des h. Augustinus infamirt (vgl. L^etat pres. p. 104. 146. 214. 285).
Diese Schrift von Martin wurde 1704 von der Inq. verb.
Unter dem 22. Febr. 1702 wandten sich Rector und Univer-
sität von Löwen an den König von Frankreich, dessen Truppen da-
mals Löwen besetzt hatten, mit der Klage, dass die besten Theo-
logen mit vagen Anklagen überschüttet und von den Aemtem der
Facultät ausgeschlossen und, wenn sie sich vertheidigen wollten,
durch Verbote, die man von den Beamten erwirke, gehindert wür-
den. Sie baten zugleich Bossuet um seine Fürsprache^). Ueber eine
Schrift (von Fouillou) Via pacis seu Status controversiae inter theo-
logos Lovan., Lüttich 1702, welche die Ansicht vertheidigt, die
1) Bossuet 38, 295. — 42, 698 steht eine Denkschrift aus demselben
Jahre über den gänzlichen Verfall der theologischen Facultät zu Douay.
656 Streitigkeiten in den Niederlanden.
Kirche sei unfehlbar, wenn sie einen Satz in dem Sinne, in welchem
sie ihn verstehe, verdamme, aber nicht in der Entscheidung darüber,
welches der sensus obvius des Satzes sei, schrieb F^n^lon an Card.
Gabrielli (Oeuvres 15, 3). Sie wurde nicht verb.
6. Im J. 1702 denuncirte Precipiano Quesnel und Gerberon
bei der Römischen Inquisition wegen Abfassung und Verbreitung
verderblicher Schriften und Unterhaltung eines bedenklichen Ver-
kehrs mit Gilles de Witte und Andreas Schurius, welche in Holland
agitirten. Er wurde ermächtigt, sie zu verhaften, erwirkte auch
von dem König von Spanien eine Ordre an den Gouverneur Marquis
de Bedmar, ihm starke Hand zu leihen, und Hess dann 30. Mai 1 703
beide und ihren Freund Brigode zu Brüssel festnehmen. (Quesnel
entkam bald aus dem Gefängnisse. Auf Grund der bei ihnen ge-
fundenen Papiere wurden auch Dom Thierry de Viaiznes, Dom Thi-
roux und Vuillart verhaftet.) Auf Grund der gegen sie eingeleiteten
Processe erklärte Prec. 10. bezw. Ö4. Nov. 1704 beide der Ex-
communication verfallen und verurtheilte Quesnel zur Haft in einem
Kloster, Gerberon zur Auslieferung an die Abtei Corbie u. s. w.
Die Acten der Processe mit reichhaltigen Auszügen aus den confis-
oirten Papieren wurden gedruckt: Causa Quesnelliana sive Motivum
juris pro procuratore curiae ecclesiasticae Mechliniensis actore contra
P. Paschasium Quesnel, Oratorii Berulliani in Gallia Presbjterum,
citatum fugitivum. Gui dein accessit Sententia ab Hl. ac. Rev. D.
Archiep. Mechlin., Belgii Primate etc., in Quesnellum lata, Bruz.
1704*, über 500 8. 4. — Processus officii fiscalis curiae eccl. Mech-
lin. contra D. Gabr. Gerberon . . . Brux. s. a., 66, 26 und 44 S. 4.*
Sie lieferten das Material für mehrere Streitschriften gegen die Jan-
senisten ^) und sind eine der wichtigsten Quellen für die Darstellung
der literarischen Thatigkeit der beiden Schriftsteller und der Strei-
tigkeiten der damaligen Zeit. Quesnel veröffentlichte mehrere Vei^
1) La Jansenisme devoile. Lettre d'un Docteur de Sorbonne ä un
homme de qualitS sar le proces fait par Mgr. PArchev. de Malines ä Dom
Gabriel Gerberon . . . Louv. 1704, 44 S. 4-, abgedruckt in Le veritable
esprit des nouveaux disciples de S. Augustin, Brux 1705*, 3 vol. 12,
p. 1212. Ein Auszug aus der C.Qu, in der Suite du verit. esprit, Brax.
1707*, 572 S. 12. Die beiden letzteren Schriften sind von dem Jesuiten
Jac. Phil. Lallemant. — S.-Beuve 5, 482 sag^: La saisie des papiers do
Quesnel en 1703, en donnant les moyens ou las pr^textes de persecutions
Sans nombre, fut le point de depart et le signal d'une recrudescence de
fanatisme de tous les sens. Er führt aus einem Briefe der Mad. de Main-
tenon vom 5. Apr. 1717 den Satz an: „Ich glaube, dass die Jesuiten die
Papiere haben, welche bei dem P. Quesnel gefunden uod von dem Erz-
bischof von Mecheln hieher geschickt wurden; sie gaben sie beftweise
dem Könige, und icli habe zehn Jahre damit zugebracht, sie alle Abende
zu lesen (dem Könige vorzulesen? j'ai passe dix ans ä les lire tous les
soirs)." 6, 180 sagt er: Wenn der F. de la Chaise von dem Verdacht des
Jansenismus, mit dem es damals so leicht war Leute anzuschwärzen, wirk-
lich gesagt hat: C'est mon pot de noir, so galt das namentlich von der
Zeit, nachdem er die Papiere des P. Quesnel in Händen hatte.
Quesnel. Gerberon. W. van de Nesse. 667
tlieidigQiigsBcIirifteu (Migne 2, 791), u. a. Anatomie de la sentence
de M. rArch^y. de Malines coutre le P. Qoesnel, oü Ton däcouvre
les inJQstices et les nullites fond^es sur les calomnies et les arti-
fices de son fiscal et sur les d^fauts essentiels de la procädure,
1705, 264 S. 12., und: Idee generale du libelle: Causa Quesnelliana
. . . oü sont exposes les artifices . . ., 1706, 138 S. 12. Diese bei-
den stehen im span., aber nicht im Rom. Index.
Bei Clemens XI. fand Precipiano auch sonst mit seinen Mass-
regeln mehr Beifall als bei Innocenz XII. Im J. 1700 kam er
wiederholt in Conflict mit den weltlichen Behörden, speciell dem
Conseil de Brabant, weil diese das Asylrecht nicht respectirten.
Unter anderm beanspruchte er die Auslieferung eines Menschen,
der auf einen Offizier geschossen und sich dann in ein Kloster ge-
flüchtet hatte, auf Befehl des Generalprocurators aber ins GreiUng-
niss abgeführt worden war. Er bedrohte den Generalprocurator,
wenn er den Menschen nicht ausliefere, mit der Excommunication,
sprach diese wirklich aus und weigerte sich, auf das Verlangen des
Grand Conseil vom 8. Aug. dieselbe zurückzunehmen. Die Sache
wurde in Rom und Madrid verhandelt und schliesslich arrangirt;
aber zwei darauf bezügliche Schriften wurden von der Inq. 11. Jan.
1703 verb. : Copie d'une lettre 6crite k Mr. de . . . sur Texcom-
munication du Procureur g^neral du Roy a Malines, und Discus-
sion historique, juridique et politique sur l'immunit^ reelle des
äglises et autres lieux pieux, sur Tusage des excommunications,
lenr origine et leurs forces, et sur le pr6texte que TArchev. de Ma-
lines s^est donne pour excommuuier le Procureur gin, du Roy, avec
des r^flexions sur Tordonnance du Grand Conseil 8. Aoüt 1700. —
Precipiano's General vicar, P. Govarts schrieb damals Certamen pro
immunitate eccl. locali seu asylo, 1700, 348 S. 4., und van Espen
Dissertatio canonica de intercessione s. interventione episcoporum
pro reis . . et de confugientibus ad ecclesias sive de . . . asylo tem-
plorum, erst 1721 gedruckt, 1734 verb. (Vie de v. Espen p. 29).
Eine Reihe von Schriftstücken steht im Index, die sich auf
den Streit Precipiano's mit dem Brüsseler Pfarrer Wilhelm van de
Nesse beziehen. Dieser war ihm schon 1696 missliebig geworden
(S. 652); 1694 hatte er Arnauld in seiner Kirche beerdigt, und
1703 wurde er, — wie es scheint, mit Unrecht — beschuldigt,
Quesnel zur Flucht verholten zu haben, und verbannt. Der Bischof
von Lüttich, der ihn als der Ketzerei verdächtig behandelt hatte,
nahm 1705 sein Decret in Folge einer Weisung von Rom, wo sich
N. beschwert hatte, zurück (van Espen 5, 222). Nach der Wieder-
herstellung der spanischen Herrschaft im J. 1706 kam N. zurück;
der Erzbischof aber suspendirte ihn 4. Juni 1706, weil er seine
Antwort auf 46 ihm vorgelegte Fragen, — ob er die päpstlichen
Bullen annehme, den Papst als unfehlbar anerkenne u. s. w., —
nicht genügend fand. N. beschwerte sich bei dem Conseil de Bra-
bant; van Espen verfasste für ihn die Appellationsschrift und Mo-
tivum juris pro Rev. D. Guil. van de Nesse, Pastore S. Cath. in
civ. Brux., apud Senatum Brabantiae supplicante contra 111. et Rev,
Reuioh, Index II, 42
668 Streitigkeiten in den Niederlanden.
ArcHep. Mechlin. etc. und Appendix ad Mot. etc. (v. Espen, Opp.5y 189).
Dieses wurde alsbald 26. Oct. 1701 von der Inq. verb. Das Conseil
entschied 27. Nov. 1707 zu Gunsten N.'s. Dieser erhielt von dem
Erzbischof ein Monitorium vom 17. Febr. 1708, worin er aufgefor-
dert wurde, die Sentenz des Conseil als null und nichtig anzusehen.
Das Conseil forderte 24. Februar den Erzbischof auf, das Moni-
torium zurückzunehmen. Dieser wandte sich aber sofort an die
Inquisition, und diese fasste in einer unter dem Vorsitze Clemens* XI.
Fer. Y. 29. März 1708 gehaltenen Sitzung einen ganz ähnlichen
Beschluss wie 1658 (S. 476): Sententia s. decretum a Consilio
Brabantiae emanatum, quo non solum praecipitur Archiepiscopo
Mechlin., ut quasdam suas monitoriales literas ad 6. van de Nesse,
deservitorem ecclesiae paroch. S. Cath., pro rebus ad iidem spec-
tantibus transmissas casset et annullet, verum etiam omnibus tarn
ecclesiasticis quam saecularibus personis injungitur, ut censuris in
praedictis monitorialibus literis appositis et comminatis nullatenns
obediant, wurde kraft apostolischer Autorität verdammt und cassirt,
bei Strafe reservirter Censuren verboten, sie zu beachten, and dem
Conseil befohlen, sie aus seinen Büchern und Regesten zu entfernen,
damit nicht der Papst genöthigt sei, contra consiliarios ad majora
remedia procedere ^). — Ohne Zweifel hangen mit dieser Sache auch
zusammen Remarques sur le Bref de N. S. P. le P. Clement XL
k Mgr. H. G. a Precipiano, Archiv, de Malines, du 8. Mars 1708,
von der Inq. verb. 1709. — 1712 verbot die Inq. dann noch: Re-
futation dun monitoire de Mgr. TArchiv. de Mal. signifid ä Mr.
G. Vau de Nesse, Brux. 17. Fevr. 1708, 74 S., von P. E. Ruth
d'Ans, und Relation abregne de Taffaire suscitie par Mgr. TAr-
ch^v. de Malines au Sieur G. van de Nesse . . . ponr repondre k
nne nouvelle plainte de ce prölat, dagegen merkwürdiger Weise nicht
das umfangreichste Buch über die Sache (von Quesnel) : Defense de
la justice, de la souverainete du Roy, de la sentence du souverain
Conseil de Brabant et du droit des eccl^siastiques dans la cause de
G. van de Nesse contre TArchÄv. de Mal., s. 1. 1708, 400 S. 4.
(Vie de van Espen p. 114). — Der Pfarrer van de Nesse starb erst
unter Precipiano's Nachfolger 1716. Der Generalvicar verbot, ihn
kirchlich zu beerdigen; das Conseil de Brabant cassirte dieses Ver-
bot; er wurde dann 13 Tage nach dem Tode beerdigt.
7. Arnauld betheiligte sich an den niederländischen Contro-
versen mit einer der werthvollsten Streitschriften aus dieser Zeit,
— es ist eine der letzten seiner grösseren Schriften: — Diffi-
cultez propos^es a M. Steyaert, die in 9 Abtheilangen (mit fort-
laufender Numerirung der Difficult^s) in den Jahren 1691 und 92
erschienen (Oeuvres 8, 467 und 9, 1). Steyaert hatte mit zwei an-
deren Commissaren im Auftrage des Erzbischofs von Cambray eine
1) A. J. P. 6, 1758. Mem. biet, sur laffaire de la B. ünigenitus 4,
620. Die Sententia und die Consulta des Rathes von Brabant über das
Inquisitionsdecret bei v. Espen, Opp. 4 B, 347.
A. Arnauld. 659
Untersuchung gegen die Oratorianer zu Mone geführt, die von den
Jesuiten denuncirt worden waren, und darüber in einem gedruckten
Avis vom Juli 1690 berichtet. Gegen dieses sind gerichtet: Pre-
miere et 2. partie des Difficultez . . ., Col. 1691 (sie handeln u. a.
über Marienverehrung, 8, 490). Es folgten noch im J. 1691 : 3.
Partie . . . sur Tadministration du sacrement de p^nitence, 4. P. . . .
Bur la lecture de l'Ecriture sainte, 5. P. . . . de la 4. des r^gles
ajout^es k rindex touchant la lecture de TEcr. s. en langne vul-
gaire, 6. P. . . . sur le Nouveau Test, de Mons, 7. P. . . . justifica-
tion de la Version du N. T. de Mons contre les objections particu-
liöres de M. Steyaert, 8. P. . . . de ses emportements sur la lecture
de l'Ecr. s. et d'une nouvelle ordonnance sur ce meme sujet (von
Precipiano), und im J. 1692: 9. P. . . . des prohibitions de livres
et de quelques autres matieres. Die Difficult^s erschienen anonym;
aber Am. schrieb an du Vaucel, man würde ihn schon als Verfasser
erkennen. Du Vaucel rieth ihm (3, 421J, die letzte Abtheilung, die
über die Bücherverbote und die Verdammung der 31 Sätze im J.
1690 (namentlich über den 7. und 8.) handeln solle, unter einem
andern Titel herauszugeben, da sonst die ganze Serie werde ver-
boten werden. Am. antwortete: Wenn das Verbot dieser Abthei-
Inng unvermeidlich ist, ist es meines Erachtens für die Kirche
besser, dass sie mit den anderen, als dass sie allein verboten wird.
Das Werk wurde von Precipiano 1695 verb., in Rom nicht unter
Innocenz XII., sondern erst durch ein Inquisitionsdecret vom 3. März
1705.
Amauld starb 8. Aug. 1694. Die von Quesnel verfasste Hi-
fltoire de la vie et des ouvrages de M. Amauld, 1695'*', 336 S. 12.
(1697, 356 S.), eine vervollständigte Ausgabe der Schrift: Question
cnrieuse, si M. Arnauld est h6r6tique, Gol. 1690, 228 S. 12., steht
merkwürdiger Weise nicht im Index, auch nicht Vie de Messire
Antoine Amauld, Docteur de la maiBon et societ^ de Sorbone, Paris
et Lausanne 1753*, 4^). — Dagegen wurde 1704 von der Inq. verb.
Instruction^) sur la gr&ce selon Tecriture et les p^res, par feu M.
Arnauld, avec l'exposition de la foi de Tegl. rom. touchant la
grace et la Prädestination par M. Barcos et plus, autres pi^ces sur
ce sujet, Col. (Amst.) 1700, von Gerberon herausgegeben (Procfes
de Gerb. III, 26). Die Instruction ist eine kleine, von Arn. un-
vollendet hinterlassene, man weiss nicht wann verfasste Schrift (Arn.
10, 399).
1) Amaulds letzte Jahre wurden noch verbittert durch die Affaire
du Faux Amauld oder Fourberie de Douay. lieber diese Sache und die
Fable de Bourgfontaine, die beide im Index keine Spur hinterlassen haben,
s. meine Aufsätze im Deutschen Merkur 1884, 81 und 121.
2) In den neuesten Index -Ausgaben steht Institutions. Schlimmer
ist, dass vor der ersten von ihm im Index stehenden Schrift Arnaldus,
Ant., Theol. Paris, durch ein Verschen beim Drucke ausgefallen ist und
in Folge davon seine sämmtlichen Werke unter Arnaldus, Ant., Advocatus
Paris., stehen.
660 Streitigkeiten in den Niederlanden.
Im J. 1759 erschien, angeblich zu Ayignon gedruckt, ein
Prospectus zu einer Ausgabe der sämmtlichen Werke Arnaalds, wo-
rin der Lausanner Bachhändler, der diese drucken wollte, sagt, sein
Associe habe in Rom mit Benedict XIV. und mehreren Cardinälen
von seinem Plane gesprochen und diese hätten denselben gebilligt.
Der Erzbischof von Avignon bezeichnete in einer Ordonnanz vom
11. Juli 1759 die Angabe, dass der Prospectus in Avignon gedruckt
sei, als unwahr und verbot allen Buchhändlern seiner Diöcese bei
Strafe der Excomm. 1. sent., denselben zu vertheilen und Subscrip-
tionen anzunehmen. Am 14. Aug. 1759 verbot auch die Inq. den
Prospectus; er steht noch heute im Index unter Progetto. Goujet
sagt in seinen M^moires: er habe den Prospectus verfasst und er
habe es auf Ersuchen des Card. Passionei übernommen, die Einlei-
tungen zu den Werken Amaulds zu schreiben (Arn. 1, XI). Nach
Goujets Tode (1767) erschien 1774 ein neuer Prospectus und dann
1775—1782 zu Lausanne Oeuvres de M. Arnauld, im Auftrag
Dupac de Bellegarde's von Abb6 Hautefage besorgt, in 42 vol. 4.;
dazu kamen als 43. Yie de M. Arnauld (von Larri^re) und ein Re-
gister (von Hautefage) und die Perpetuite de la foi, 1781 — 82, 6
tomes in 7 vol. 4. ^). Die Ausgabe steht nicht im Index.
8. Gabriel Gerberon, geb. 1628, seit 1649 Mitglied der Con-
gregation der Mauriner, seit 1682 flüchtig in den Niederlanden, nach
der Yerurtheilung durch Precipiano bis 1707 in Haft zu Amiens,
dann in Yincennes, nachdem er das Formular unterschrieben, 1710
in Freiheit gesetzt, worauf er seine Unterschrift zurücknahm, f 1711,
hat über 100 Schriften herausgegeben^). Sein Name kommt im
Index nicht vor; aber ausser den bereits erwähnten (über seine
Ausgabe des Bajus s. I 446) stehen folgende Schriften von ihm
darin: Le Miroir de la piet6 chr^tienne, oü l'on consid^re avec des
r^flexions morales Fenchainement des v6rit^s cath. de la Prädesti-
nation et de la gräce de Dieu et de leur alliance avec la libert^
de la cr^ature, par Flore de Sainte-Foy, Brux. 1676, Liege 1677,
296 S. 12., mit einer Suite du Miroir de la p. ehr., verb. 1678.
Das Buch wurde auch von mehreren Bischöfen verb. und es er-
schienen 1678 zwei Gegenschriften. Gerberons Yertheidigung : Le
Miroir sans tache oü Ton voit que les v6ritis que Flore enseigne
dans le Miroir de la pi6t6, sont tr^s-pures, et que oe qu^on a äcrit
pour les r^futer, n^est rempli que dUnjures, de iaussetes et d'erreurs,
par Tabbe Yalentin, Par. 1680, 12. (ein Auszug im Proces III, 34)
wurde nicht verb., aber: Factum circa propositiones libri cui tit.:
Le Miroir . , . ex quibus üdeliter extractis et coUectis collatisque
cum Janseniana doctrina clare patet, illas prava et haeretica dog-
mata coutinere, auth. Andrea Sanguin. — Disquisitiones duae de
gratuita praedestinatione et de gratia seipsa efficaei, Ant. Martine
1) Ami de la rel. 1819, 18, 268.
2) (Tassin) Hist. litt, de la Congr. de St. Maur. p. Sil. HaurSau,
Hist. litt, du Maine 4, 72.
G. Gerberon. P. Qaesnel. 661
dn Cliesne Theol., Par. 1697, verb. 8. Mai 1697 (vor Ben. nicht im
Index); die französische Bearbeitung: Traitez bist, sur la grftce et la
Prädestination, par Tabbe de St Julien, Sens 1699, ist nicht verb. (Pro-
cSs I, 28. 55). — Adumbrata Ecclesiae Rom. catholicaeque veritatis de
gratia adv. M. Leydeckeri in sua Hist. Jansenismi hallucinationes inju-
stasque criminationes defensio, vindice Ignatio Eyckenboom Theologo.
In Batavia 1696, von der Inq. verb. 1699 (Leydeckers Buch wurde
nicht verb.). — Defense de TEglise Rom. contre les calomnies des
protestans, contenant: Le juste discernement de la croyanpe cath.
d'avec les sentiments des protestans et des P^lagiens touchant la
Prädestination et la gr4ce, mis en fran^ais par C. B. R., et les En-
tretiens de Dieudonn6 et de Romain sur la meme mati^re, avec an
Abr^gi de Th^resie des P^lagiens, composes par G. de L., th^olo-
gien, et mis en francais par A. K., von Precipiano 1695, von der
Inq. 1704 verb. Die erste Schrift war zuerst allein holländisch
erschienen ; sie stellt die pelagianische, calvinistische und katholische
[Augustinische] Lehre in 3 Spalten neben einander ^). — Gleichzeitig
wurde verb. La confiance chr^tienne appuyie sur quatre princi-
pes in^branlables, d'od s'en suivent necessairement les principales
verit^s qui regardent le salut des hommes, Utrecht 1700, Beweis,
dass die Semipelagianer der Lehre des h. Aug. von der Prädesti-
nation mit Unrecht vorgeworfen, sie führe zur Verzweiflung. Das
Buch wurde auf Ersuchen des Erzbischofs von Mecheln 1703 Äuch
von der Löwener, 1704 von der Facultät zu Douay censurirt (Pro-
ces 1,83. II, 16. Arg. III b 439). — Im span. Index von 1747
werden alle Werke von Gerb, verb., mit der Bemerkung, die frei-
zugebenden würden später namhaft gemacht werden, was nicht ge-
schehen ist.
9. Pasquier (Paschasius) Quesnel, geb. 1634, seit 1657
Oratorianer, 1685 — 94 mit Arnauld in den Niederlanden, seit dessen
Tode das Haupt oder wenigstens der bedeutendste Schriftsteller der
Partei, f 1719^), ist für die Geschichte des Index namentlich als
Verfasser des Buches von Bedeutung, gegen welches die Bulle Uni-
genitus gerichtet ist. Unter seinem Namen steht im Index nur:
S. Leonis Magni opera, dissertationibus, notis, observationibusque
illustrata, Par. 1675, 2 vol. 4., verb. 1676. Vor Ben. hiess es im
1) In dem Exemplare, welches ich gesehen, ist Defense . . . prote-
stans der gemeinsame (Schmutz-)Titel; dann folgt Le juste . . . par C. B. R.,
Gol. 1691; dann Les Entretiens und mit fortlaufender Paginirung p. 144
Abrege . .; am Ende steht eine Approbation vom J. 1688. Bei Precipiano
wird das ganze Buch als Col. 1688 erschienen angegeben.
2) S.-Beuve 5, 482 sagt: wenn er in seinem Suche Quesnel zu be-
sprechen hätte, würde es seine Aufgabe sein, ä demeler l'homme vrai d'avec
le sombre fantome que s'en sont fait les partis, und sein Leben darzu-
stellen als une vie de disputes, de fuites et de refuites et de pratiques
souterraines. Le compagnon fiddle d'Arnauld dans ses derni^res annees,
il n'eut pas ses imposantes qualites et poussa plus loin ses defauts. — In
der 18. Ed. des Dictionnaire de Morery, Amst. 1740, s. v. Quesnel werden
66 anonyme Schriften von ihm verzeichnet.
662 Streitigkeiten in den Niederlanden.
Index, wie in dem Decrete (C. Qu. p. 331): P. Qnesnel Disser*
tationes, notae, observationes, emendationcR, interpretationes, adno-
tationes, postillae ad S. Leonis M. opera et ad Codicem canonum et
constitutionum Sedis Apost. Hauptsächlich hatte die 5. Dissertation,
über den Streit Leo's mit Hilarius von Arles, Anstoss erre^ und
dass er einen Theil der Acten der Synode von Chalcedon, der
zu Gunsten der Komischen Ansprüche spricht, für unächt erklärt
(C. Qu. p. 337). Die Ausgabe wurde trotz des Verbotes 1700 zu
Lyon vollständig neu gedruckt, der blosse Text auch Venedig 1741
u. 6. (Hurter 2, 791). — Ueber das Verbot schrieb Q. 1677 an
Magliabechi (Valery 3, 240): Man hat mir von Rom mehrere M^moires
über die Punkte geschickt, an denen man Anstoss genommen; aber
das alles ist sehr kleinlich und nicht geeignet, mir Furcht einzu-
flössen. Card. Barberini hat die Gnade gehabt, mir Varianten zu
schicken und bezeugt mir viel Freundlichkeit; man stellt mir sogar
die Collationen von Latinus Latinius in Aussicht . . . Ich habe mich
genöthigt gesehen, auf einige Bemerkungen zu antworten, die mir Card.
Barberini geschickt hat. Es sind darunter Bemerkungen yon Mgr.
Suares (Hurter 2, 140), von dem Erzbischof von Rossano und von
dem Oratorianer Marquez (diese hatten also wohl für die Index-
Congr. referirt). Die Ehre, die man mir erwiesen, mich in den
Index zu setzen, hat mir die Bekanntschaft dieser Eminenz ver-
schafft, die mir viele Güte erweist und mir viele Varianten geschickt
hat, um meine Textesänderungen zu verbessern oder vielmehr zu
bestätigen. Im Sept. 1678 schreibt er: Es ist nicht ehrenvoll für
diejenigen, die mich bekämpfen wollen, dass man drei Jahre gewartet
hat und nun nur einen guten Flamländer gegen mich bewaffnen
kann, der nicht gerade der furchtbarste Mensch ist [Emannel Schel-
strate, der in der Antiauitas illustrata, Antw. 1698, gegen Q. po-
lemisirt]. Den Wolf [Christ. Lupus, der 1681 gegen Q. schrieb,
Hurter 2, 477] will ich abwarten; ich glaube nicht, dass er mich
fressen wird. Ist denn das Index-Decret nicht genügend gewesen,
das Unrecht wieder gut zu machen, das ich ihnen angethan haben
soll, dass sie Bravos dingen, mich zu schlagen und zu ermorden?
Das Gerücht, ich hätte widerrufen, ist falsch. Ich habe mir viel-
mehr erlaubt, an Se. Heiligkeit und den Card. Cybo Briefe zu
schreiben, worin ich mich so freimüthig und kräftig über das un-
recht, das man mir durch das Verbot meines Buches angethan, be-
klage, dass diejenigen, denen ich die Briefe nicht verschlossen über-
sandt, sie nicht haben abgeben wollen (Ein Auszug aus dem Briefe
an den Papst C. Qu. p. 336). Meine Antwort an den Card. Barbe-
rini ist der Art, dass sie nur diejenigen als eine Retractation auf-
fassen können, welche die Nacht als Tag ansehen. — Nach dem Er-
scheinen des Buches von Lupus verfasste Q. eine Schrift über das
Index-Decret (C. Qu. p. 341), von deren Veröffentlichung Amanld
(2, 150. 159) ihm abrieth, u. a. mit der Bemerkung: Sie thuen der
Index-Congregation zu viel Ehre an, indem Sie sich mit so viel Emotion
gegen sie vertheidigen ^).
1) In den Opera Jos. M. Thomasii Card. 7, 897 steht eine Verthei-
P. Quesnel. J. L. Hennebel. 668
Ausser diesem Buche und dem durch die Bulle ünigenitus ver-
botenen steht noch eine Reihe von anonymen und Pseudonymen
Schriften von Q. im Index, ausser den anderswo erwähnten fol-
gende: Defense de TEglise Eomaine et des Souverains Pontifes contre
Melchior Leydecker, Theologien d'Utrecht, avec un recueil de plu-
sieurs Berits curieux et importants pour Thistoire de la paix de
l'eglise sur les questions du temps, par M. Germain, Dr. en Th.,
Li^ge 1696, von der Inq. verb. 1704; es ist eine Fortsetzung der
(nicht verbotenen) Tradition de T^glise Rom. sur la predestination
des saints et sur la gräce efficace, Col. 1687, 3 vol. (Reuchlin 2, 801).
— L'6tat präsent de la facult^ de thiologie de Louvain, oü Ton
traite de la conduite de quelques-uns de ses thiologiens et de leurs
sentimens contre la souverainete et la sürete des rois et contre les
qnatre articles du Clerge de France. En trois lettres. Avec plu-
sieurs pi^ces curieuses sur ces mati^res, Trevoux 1701*, 12., verb.
1703. Die Schrift wurde bei der Haussuchung unter Q.'s Büchern
gefanden (C. Uu. p. 447); ob sie von ihm verfasst ist, ist zweifel-
haft (Reuchlin 2, 806). Sie enthält viele interessante Mittheilungen
über Vorgänge an der Universität und charakterisirt namentlich
Daelman, Desirant, Clenaerts und Martin. Man sieht, dass damals
der Gegensatz zwischen Curialismus und Gallicanismns (neben dem
Gegensatze zwischen Laxismus und Rigorismus) eine ebenso grosse
Rolle spielte wie der Gegensatz bezüglich der Gnadenlehre. Der
Verfasser sagt ganz richtig p. 96, seit 1682 habe man zu den Jan-
senisten auch die Anhänger der gallicanischen Lehre gezählt ^).
10. Von Hennebel war schon, ehe er nach Rom ging, eine kleine
Schrift verb. worden : Theses sacrae ex epist. B. Pauli Ap. ad Rom.,
qua« pro adipiscendo s. theologiae magisterio exposuit Lov. 17. Aug.
1682, schon 14. Oct. 1682, also ungewöhnlich rasch, von der Inq.
verb., und zwar durch ein besonderes Decret Fer. IV. In dem De-
crete (Const. p. 190) wird er Nen-Nebel (Nenhebel) genannt; auch
digung des Cardinais von P. del Pezzo, worin es u. a. weitläufig gerecht-
fertigt wird, dass Tommasi Quesnel als Herausgeber des Leo eruditus
genannt.
1) C. Qu. p. 256 wird viel Aufhebens gemacht von einem dort ab-
gedruckten, unter Quesnels Papieren gefundenen Concept eines Briefes,
der Les disciples de S. Augustin unterschrieben, an den französischen Be-
vollmächtigten zu Regensburg 1684, Comte d'Avaux gerichtet ist und die
Bedingungen angibt, welche die Schüler des h. Augustinus bei dem Ab-
schluss des 20jährigen Waffenstillstands zu stellen hätten. Das Projet bar-
lesque ist offenbar, wie S.-Beuve 6, 178 sagt, eine badinerie, die Arnauld,
Quesnel und Ernest Ruth d'Ans zum Scherz gemacht. — Fenelon bezeich-
nete in einer Instruction past. (14, 114) Q. als Verfasser der Ancienne
heresie des Jesuites renouvelee dans un Mandement publie sous le nom
de M. Teveque d'Arras du 3L Dec. 1697, denoncee ä tous les eveques de
France. Q. schrieb darauf Desaveu du libelle calomnieux attribue au P.
Q. dans la demiere Instr. past. de M. Parchev. de Cambrai, 1709, 76 S.
12., worin er die Vennuthung äussert, jene Schrift sei von einem Jesuiten,
der sich als Jansenisten anstelle.
664 Streitigkeiten in den Niederlanden.
in den Indices hat er bis Ben. Nen-Nebel und Nennebel geheissen.
Im Dict. Jans. 4, 102 werden ans diesen Thesen die Sätze angeführt:
Franz von Sales war von dem Irrthum der Semipelagianer ange-
st-eckt. Johannes Capistranas ist zwar von Alexander VIII. cano-
nisirt worden, aber darum ist seine Lehre nicht minder verderblich,
und wenn wir an seiner Heiligkeit zweifeln, sind wir darum nicht
weniger gut katholisch. Da Alexander VIII. erst 1689 Papst und
Capistranus erst 1694 selig gesprochen wurde, so kann dieses Hen-
nebel 1682 nicht geschrieben haben. — Als er 1690 eine von Ar-
nauld (3, 268) gelobte These De sacerdote lapso veröffentlichte (ab-
gedr. Opuscula p. 411), drohte Steyaert, gegen den sie gerichtet war,
mit Rom; sie wurde aber ebensowenig verboten wie irgend eine
andere Schrift von ihm. 1708 unterschrieb Hennebel die Bulle Vi-
neam, 1715 mit der ganzen Facultät die Bulle Unigenitus, f 1720
(Paquot 3, 628). — In Fen^lons Briefwechsel 4, 369. 480 ist von
einer von Hennebel oder einem seiner Schüler verfassten Diesertatio
de nova quadam fidei professione circa Jansenii condemnationem die
Rede, die 1713 Clemens XI. vorgelegt wurde (zuerst gedruckt bei
F6n. 15, 51 ; es ist ein Vermittlungsvorschlag). Dieser wollte an-
fangs mit einem Breve antworten; die Entscheidung wurde aber, wie
Daubenton 1714 schreibt, trotz dessen wiederholter Erinnerung hin-
ausgeschoben, weil man mit politischen Fragen beschäftigt war.
Jo. Opstraet, 1651—1720, wird von Hurter 2, 677 als Orakel
der Jansenisten bezeichnet, war in viele theologische Kämpfe ver-
wickelt, — er schrieb u. a. gegen Francolinus; L. de Meyer, Huy-
lenbroucq und andere Jesuiten schrieben gegen ihn ; — und doch
stehen nur wenige Schriften von ihm im Index, unter seinem Namen
nur eine der unverfänglichsten: Pastor bonus, seu idea, officium et
praxis pastorum, und von dieser zuerst 1687 erschienenen Schrift
wurde erst die 1764 von dem Bischof von Passau für seine Geist-
lichkeit veranstaltete Ausgabe (mit Aenderungen und Zusätzen) 1766
von der Inq. verb.^). — Nach der Annahme der Bulle Unigenitus
durch die Löwener Facultät schrieb 0. anonym : Antiquae facultatis
Lovaniensis qui adhuc per Belgium superstites sunt discipuli ad
eos qui hodie Lovanii sunt theologos de declaratione S. Fac. Tb.
Lovan. recentioris circa Const. Unigenitus, 1716, verb. 1734. Nach
seinem Tode erschienen De locis theologicis dissertationes X. Theo-
logi Lovaniensis, Insuli« 1737, verb. 1739, weil darin die Unfehl-
barkeit der Kirche bezüglich der nicht geoffenbarten Thatsachen, die
Unfehlbarkeit und weltliche Gewalt des Papstes, die Geltung der 4.
Regel des Index u. s. w. bestritten werden. Trotz der Verbote er-
schienen seine Opera omnia Ven. 1771*, 9 vol. 8.
1) Jo. Opstraet Pastor bonus . . . jussu Lcop. Ernesti de Firmian
Episcopi Passav. suae dioeceseos clero pro norma agendi propositus (N.
Biblioth. Frib. 1775, 1, 252). Die N. E. 1767, 104 meinen, man habe die
Bischöfe von Passau und Augsburg, — auch dieser hatte das Buch seinen
Geistlichen empfohlen, — mit dem Verbote für andere Vergehen gegen
die Curie strafen wollen. — Ausführlich über Opstraet Mor^ry, Suppl.
J. Opstraet. Henrioas a S. Ig^natib. 665
Im J. 1709 erschien zu Lüttich: Etbica amoris s. Theologia
sanctornm, magni praesertim Angnstini et Tboxoae Aquinatis, circa
nniversam amoris et morum doctrinam ad versus novitias opiniones
strenne propttgnata et in materiis principaliter liodie controversis
fundamental iter discussa per Fr. Henricum a S. Ignatio Athensem,
Ord. Fr. B. M. V. de Monte Carmelo, 8 vol. Fol. L. de Meyer
2, 611 sagt: die Ordensoberen hätten das Buch missbilligt und die
Approbation des General vicars von Lüttich sei erdichtet gewesen und
das Buch darum von dem Fürstbischof verboten worden; der Ver-
fasser sage, es gebe keine Jansenisten, der Jansenismns sei ein
Phantasma, citire St. Amour, Pascal und andere verbotene Schrift-
steller, nach Dict. jans. 2, 99 auch Quesnels Reflexions u. s. w. (vgl.
M^m. de Trevoux 1715, 100). In Rom wurde das Buch u. a. von
Pension denuncirt; sein dortiger Correspondent, der Jesuit Danben-
ton schreibt ihm (Corr. 3, 370) im Mai 1711 : Der Papst habe dem
Card. Fabroni aufgetragen, Qualificatoren für das scandalöse Buch
auszusuchen ; mais il faut du flegme en un pays oü tout se fait avec
une lenteur inflnie. Erst 12. Sept. 1714 verbot die Inq. den 1. Band,
erst 29. Juli 1722 das ganze Werk (bis Ben. stand in den Indices
der 1. Band unter Aethica, das ganze Werk unter Ethica). Vor dem
Verbote des Buches veröffentlichte P. Henricus noch Gratiae per se
efflcacis s. Augustinianae, Thomisticae adv. injustam Jansenismi ac-
cusationem justa defensio, ubi etiam Theologia mor. sanct. adv. in-
justos detractores defenditur, 1713, worauf Streitschriften von L. de
Meyer u. a. erschienen ^). Dieses Buch wurde nicht verb. — Schon
früher hatte P. Henricus veröfiPentlicht: Artes Jesuiticae in sustinen-
dis pertinaciter novitatibus damnabilibusque Sociorum laxitatibus,
quarum sexcentae et sexaginta hie exhibentur S. D. N. Clementi P.XI.
denuntiatae per Christianum Aletophilum, Salisburgi apud Ama-
torem Kerckove 1703^), 357 S. 12. Diese Ausgabe wurde von der
Index-Congr. 1709 verb., eine Editio secunda media fere parte auc-
tior, Argent. apud Am. Kerckhoven 1710, von der Inq. 1711; da-
gegen ist nicht verb. eine 3. Ausg., cum vindiciis priorum editionum,
Argent. 1717*, 582 S., dann Ad artes Jes. Appendix, in qua de-
monstratur, A. Huylenbroucq S. J. vindicationes adv. praesentem
librum frivolas esse ac prorsus infundatas, 62 S. 8. — Auffallender
Weise ist auch ein zweites Antijesuiticum von P. Henricus nicht
verb.: Tuba mirum clangens sonum ad dementem XI. . . . per
Liberium Gandidum, 1713. Die 2. Auflage hat den Titel: Tuba altera
majorem clangens sonum, Argent. 1714, die 3.: Tuba magna mirum
cl. s. Ed. 3., Argent. Itl7*, 2 vol. Im 2. Bande sind auch die
Protocatastasis, die Monarchia Solipsorum und andere ältere Anti-
1) Werner, Suarez 1, 336 Bibl. Carm. 1, 625. P. Henr a. S. Ign.
starb 1719. 89 Jahre alt.
2) Das Titelblatt ist (sehr schlecht und) offenbar anderswo gedruckt
als das Buch selbst und allem Anscheine nach statt des ursprünglichen
eingeklebt.
666 Streitigkeiten in den Niederlanden.
jesuitica abgedruckt. Sonst ist Arnaulds Morale pratique stark
benutzt^).
Franc. Martin, ein Irländer, geb. 1652, von Precipiano nach
der Absetzung Opstraets 1691 zum Professor im Mecbelner Seminar
ernannt, später Professor in Löwen, seit 1701 Mitglied der engem
Faoultät, t 1721, war lange ein eifriger Gegner der Jansenisten
und Gallicaner (L'^tat pris. p. 148). Arnauld (3, 385) berichtet,
eine These gegen die Augustinische Lehre, die er 1691 im Seminar
habe vertheidigen lassen, sei in Korn verdammt und ihm ein scharfer
Verweis ertheilt worden (ich finde sie in keinem Index). Eine kleine
Schrift gegen Hennebel wurde 1704 von der Inq. verb. (S. 655).
Später sagte er sich, wie er selbst sagt, namentlich in Folge der
Fourberie de Louvain (s. u.) von seinen bisherigen Parteigenossen
los. 1711 wurde er von ihnen bei dem Rector, dem Erzbischof und
dem Internuncius verklagt, 1712 nochmals, jetzt wegen einer von
ihm angekündigten These : ein allgemeines Concil sei wtinschenswerth
und leicht möglich, wenn alle Bischöfe, Hirten und Doctoren ihrer
Stellung würdig wären. Auf Betreiben des Internuncius verbot die
Facultät die Disputation über diese These, und Martin veröffentlichte
nun: Nodus in scirpo quaesitus a Molinistis et eorum asseclis contra
D. Martin, s. Motivum juris in causa thesis Lovanii defensae 5.
Martii 1712 praeside eodem Dootore. Oblatum Urbi et orbi, 25
S. 4. (vom 21. März datirt). Die Jesuiten veröffentlichten nun am
folgenden Tage ein Motivum juris über zwei Beden, die M. im Ja-
nuar gehalten und worin er Arnauld und Quesnel gelobt und gesagt
hatte, der Cardinal Tournon sei der Wuth der Jesuiten zum Opfer
gefallen. Schon am 23. replicirte M. in einem Alterum Motivum
juris contra patres Soc. ac eorum patronos et asseclas, 4 Bl. 4.
Vom 10. Mai 1712 ist datirt Tertium motivum juris contra Patres
Jesuitas et ceteros Molinistas, oblatum Urbi et orbi, cujus priori
parte exhibetur confessio et retractatio erratorum, de quibus tan tum
abest, ut adversarii Doctorem illum accnsarent, quin potius impense
laudarent, posteriori vero parte diluuntur falsa crimina ei dem Doctori
per eosdem objecta, 44 S. 4., die interessanteste unter diesen Streit-
schriften, weil M. darin eine Art Selbstbiographie gibt, die er be-
züglich seiner früheren Schrift-steil erei als publicorum meorum de-
lictorum confessio bezeichnet. Es folgte noch in demselben Monate
Quartum juris motivum in causa Doctoris Martin contra theologos
Societatis et cunctos eis adhaerentes et faventes, oblatum Urbi et
orbi, quo exponuntur beneficia, quae ille Doctor quibusdam eorum
[Damen und Parmentier] praestitit, et gravamina, quae passus est
ab eis, narraturque historia informationum hisce diebus captarum
sub Yicario generali Mechlin. contra illum, 24 S. 4. Die beiden
ersten Stücke wurden 22. Juni, die beiden letzten 29. Nov. 1712
von der Inq. verb. und die Sächelchen stehen noch heute, seit Ben.
mit abgekürzten Titeln, unter Martin im Index. In dem Sammel-
1) Ueber die Gegenschriften von Huylenbroucq 8. Backer 2, 306.
Mit der Jansen, zusammenhangende Controversen. 667
baode, in welchem ich sie gefanden, stehen noch Artionli per quos-
dam objecti Doctori Martin cum responsis ad illos ab eo datis . . .
Apost. Internuncio, Lov. Apr. 1713, 12 S. 4., eine Antwort auf fünf
Dennnciationen ans den J. 1712 und 13. Er sagt darin p. 12, er
habe seine Motiva dem Urtheile des h. Stuhles unterworfen und
füge sich (acquiesco) ihrer Verdammung.
In den ersten Jahren des 18. Jahrh. spielte sich in Belgien
auch die Controverse über die Acten der Congregationes de auxiliis
ab (S. 308).
Ausser den bereits erwähnten belgischen Theses stehen noch
mehrere im Index, als 1704 von der Inq. verb. von den Jesuiten
Nie. Raye und J. B. van der Woestyne (von diesem zwei, eine von
6, eine von 8 Bl.) und von des letztern Gegner, dem Dominicaner
Chr. Frentz, femer von dem Augustiner Housta. Es mögen liier
gleich auch die anderen im Index stehenden Thesen verzeichnet wer-
den, die nicht anderswo erwähnt werden und von denen sich meist
nicht ermitteln lässt, auch zu untersuchen nicht der Mühe lohnt,
warum sie verb. sind. Thesen der Sorbonne stehen unter Binet,
Blouet, Cougniou, Courcier, Grenet, Mayou, de la Grange, Mazure,
Le Meur, Le Paige, andere französische unter Cuillerie, Franchois,
Issautier, Jardin (Jesuit), Sagu (Jes.), — deutsche unter Chasteau
(Jesuit zu Köln), Collendal (Jesuit zu Münster), Conen (Dom. zu
Coblenz; einer der Respondenten war ein Baron von Walpot), Hilden
(Dom. in Köln), Ursaya (Minorit in Köln), — Panicelli (Jesuit zu
Verona 1719, doch nicht, wie jetzt im Index steht, erst 1784, son-
dern 1722 von der Inq. verb.), und Cortasse (Romae in aede Mini-
morum 14. Apr. 1703, von der Inq. verb. 15. Mai 1703).
66. Gontroyersen, welche mit der Jansenistischen
Zusammenhangen.
Die Jansenistische Controverse spielte sieh im 17. Jahr-
hondert vorzugsweise in Frankreich und den Niederlanden ab.
Es wurde auch eine Anzahl von Schriften aus anderen Ländern
verboten, welche über die Gnadenlehre handeln; sie sind aber
von untergeordneter Bedeutung. In der Geschichte des Iudex
sind aber auch solche Bücher zu besprechen, deren Verbot in
Rom beantragt wurde, die aber dort freigegeben wurden. Ein
besonders merkwürdiges Beispiel der Art ist ein 1673 erschienenes
Werk über den Pelagianismus und die Gnadenlehre des h. Au-
gustinus von dem Augustiner Heinrich Noris (seit 1695 Cardinal,
t 1704), welches wiederholt von den Jesuiten und dem Francis-
668 Mit der Jancns. zusammenhangende ControTersen.
caner Macedo als Jansenistisch denuncirt, dreimal in Rom ge-
prüft und freigegeben wurde, -— verboten wurden nur einige
Streitschriften von seinen Gegnern und eine von ihm, — und
welches gleichwohl 1747 in Spanien als Jansenistisch verboten
wurde, was zu einem interessanten Schreiben Benedicts XIV. an
den spanischen General-Inquisitor Anlass gab (§ 78). — Auch
andere Theologen wurden von den Jesuiten und ihren Freunden,
welche, wie Card. Bona sagt, jeden, der nicht ein Molinist war,
als Jansenisten ansahen, denuncirt oder angegriffen, namentlich
Dominicaner und Augustiner, welche die in den Schalen ihrer
Orden herkömmliche Gnadenlehre vortrugen; — manche hoben
dabei ausdrücklich hervor, dass sich diese von der Janseni-
stischen unterscheide, und wurden daflir dann auch wie Noria
von den Jansenisten angegriffen; — aber mit Ausnahme des
Spaniers Gonzalez de Rosende und des französischen Oratorianers
Juenin ist kein bedeutender Theologe dieser Richtung in den
Index gekommen, wohl aber u. a. pine Censur der Facultät von
Douay vom J. 1722, in welcher die Dominicaner Contenson
und Massoulie als Jansenisten bezeichnet wurden. Auf der
andern Seite wurde auch trotz sehr starker Denunciationen ein
1697 erschienenes, über Molina noch hinausgehendes Buch von
Sfondrato, der freilich Cardinal war, nicht verboten. — Auch
die Mauriner Ausgabe der Werke des h. Augustinus wurde als
Jansenistisch angegriffen, aber in Rom in Schutz genommen. —
Durch ein besonderes Breve Clemens' XI. vom J. 1704 wurde
ein angeblich von J. Launoy verfasstes, erst 1703 nach seinem
Tode veröffentlichtes'Buch gegen die Augustinische Gnadenlehre
in scharfen Ausdrücken verboten. — Im engen Zusammenhange
mit der Jansenistischen Controverse steht auch das Verbot des
sog. Neuen Testamentes von Mons durch ein Breve Clemens' IX.
vom J. 1668.
1. Das Verbot des Neuen Testaments von Mons wird in dem
Breve Clemens' IX. vom 22. April 1668 (Arg. III b 336) nur
durch ^die Sätze motivirt: der Papst habe darüber zu wachen, dass
die h. Schrift in der Reinheit, in welcher sie durch Gottes Güte so
viele Jahrhunderte erhalten worden, erhalten bleibe; auf Grund
einer Prüfung durch mehrere Cardinäle und andere Gelehrte ver-
damme er die fragliche TTebersetzung als temerär, schädlich, von
der Vulgata abweichend und für Einföltige anstössig (offendioola
Neues Testament von Mons. 669
simplicium continentem) bei Strafe der Excoram. 1. sent. — Das
Bach erschien unter dem Titel: Le Nouveau Testament de Notre
Seigneur Jesus-Christ, traduit en frangais selon Tedition vulgate,
avec les diff^rences du grec. Mons, Gaspard Migeot 1667, 2 vol. 12.
(gedruckt bei Elzevier in Amsterdam), mit Approbation des Erz-
bischofs von Cambray, des Bischofs von Namur und des könig-
lichen Censors Pontanus (Dupont) zu Löwen. Es ist die gemein-
same Arbeit mehrerer Messieurs de Port-Koyal: ausser Louis-Isaac
le Maitre de Saci, der die Hauptarbeit gethan, haben sein Bruder
Antoine le Maitre, Amauld und Nicole (und Claude de Sainte-Marthe)
mehr oder weniger Antheil daran ^). Das Buch wurde nicht in
Paris gedruckt, weil der Kanzler Seguier auf Anstiften des Ora-
torianers Amelotte, der selbst eine Uebersetzung herausgeben wollte,
das Privileg verweigert. Abbe de Pontchäteau reiste nach Amster-
dam, um den Druck zu leiten. Die Uebersetzung sollte in Paris
nachgedruckt werden; das verhinderten aber die Jesuiten, indem sie
Maimbourg anstifteten, dagegen zu predigen. Sie hatte aber in
Paris, wie S.-Beuve sagt, un prodigieux succ^s: avoir sur la table
et dans la ruelle ce N. T. elegamment traduit, elegamment imprim6,
ätait en 1667 le genre spirituel.
Das erste Verbot erliess der Erzbischof Hardouin de Perefixe
von Paris 18. Nov. 1667 unter Berufung auf Verordnungen fran-
zösischer Synoden, nach welchen bei Strafe der Excommunication
in keiner Diöcese Bibelübersetzungen ohne Erlaubniss des Bischofs
gedruckt oder verkauft werden sollten (A. J. P. 3, 40). Auf
Betreiben des Erzbischofs, des frühern Lehrers des Königs, und des
königlichen Beichtvaters Annat verbot 22. Nov. 1668 auch das Conseil
d*6tat die Uebersetzung, die von Leuten herrühre, welche notorisch
der Kirche ungehorsam seien. Gegen die Ordonnanz des Erzbischofs
erschienen mehrere Broschüren, u. a. (von Arnauld) Abus et nullitez
de l'ordonnance subreptice de Mgr. PArchev. de Paris, par laquelle
il a defendu de lire et de debiter la traduction du N. T. impr. a
Mons -). Der Erzbischof veröffentlichte darauf eine zweite Ordon-
nanz vom 20. Apr. 1668, worin er von der Uebersetzung sagt: sie
weiche von der Vulgata ab, stimme vielfach mit der Genfer überein,
halte sich nicht an die alte Interpunction u. s. w., sei vielfach zu
frei, es seien Erläuterungen in den Text eingeschoben, die alten
Inhaltsangaben über den einzelneu Büchern und Capiteln, die nach
der gewöhnlichen Annahme von dem h. Hieronymus redigirt seien [!],
durch neue ersetzt; die Uebersetzung einiger Stellen begünstige den
Jansenismus und die Vorrede spreche von der Nothwendigkeit des
Bibellesens für jedermann, was die Sorbonne 1527 verdammt habe
1) Racine 12, 286, S.-Beuve 2, 348. 359; 4, 378.
2) Eine zweite Schrift, die der Erzbischof in seiner zweiten Ordon-
nanz verbietet, Dialogues entre deux paroissiens etc., ist weniger gegen
ihn als gegen den Erzbischof La Feuillade von Embrun gerichtet and von
Michel Girard, Abbe de Verteuii verfasst, der kein Jansenist war. S.-Beuve
4, 881.
670 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
(Dict. Jans. 4, 45). — Die Uebersetzung wurde auch von einigen
wenigen anderen franzö ei sehen Bischöfen verboten (S.-Beuve 4, 380).
Die Index-Congr. verbot 19. Sept. 1679 eine zu Brüssel 1675 ge-
druckte Ausgabe mit dem Zusätze : vel ubique locorum et quocunque
idiomate (!) impressus seu imprimendus. — Das Breve von 1668
wurde in Frankreich nicht publicirt und auch von dem Conaeil de
Brabant unterdrückt (Racine, 12, 319).
Es erschien eine Reihe von Streitschriften über die Ueber-
setzung und das Breve (Migne 2, 636. Backer 2, 27; 4, 371). Die
Uebersetzung erlebte aber viele Ausgaben. Nach dem Ausgleich
von 1669 wurde sie mit Genehmigung des Erzbischofs P^r^fixe
von Bossuet gemeinsam mit Arnauld, Nicole, Lalane und Saei revi-
dirt; der Erzbischof starb aber, ehe er die revidirte Ausgabe appro-
biren konnte, 1670 (S.-Beuve 2, 359). Die 25. Ausgabe von 1684
ist nach Sainjore 3, 177 etwas geändert. — Bossuet 37, 76 tadelt
an der Uebersetzung (nach dem Römischen Verbote) nur in sehr
milder Weise (si la version de Mons a quelque chose de blamable)
die Diction ; R. Simon (Sainjore 3, 177) sagt nicht mit Unrecht,
sie würde besser und einheitlicher geworden sein, wenn nicht so
viele Hände daran gearbeitet hätten, und gibt Arnauld Schuld, dass
man sich nicht, wie de Saci gewollt, genau an die Yulgata gehalten.
Die Concurrenz-Uebersetzungen beurtheilen R. Simon u. a. weniger
milde: der Oratorianer Denys Amelotte (1606 — 78) hatte bei seiner
Uebersetzung, die schon 1666 erschien, die Aushängebogen der von
Mons, die er sich verschafft, benutzt und, da er in hesserm Fran-
zösisch übersetzen wollte, seine Arbeit von einem Mr. Conrart cor-
rigiren lassen, der Protestant war und weder griechisch noch latei-
nisch verstand (Sainjore 3, 183). Von der Uebersetzung, die der
Jesuit Dom. Bouhours mit Hülfe seiner Ordensgenossen Le Tellier
und Bernier anfertigte, Par. 1697 — 1703 u. s., — er schrieb seit
1668 gegen die Uebersetzung von Mons, — sagt Simon, sie lasse
die Evangelisten a la Rabutine reden ^). üeber Simons Ueber-
setzung s. S. 425.
1) Difficultez proposees au R. P. Bouhours . . . sur sa traduction
fran^. des 4 evangeligtes, Amst. 1697 (die ersten 2 Briefe sind de Ro-
mainville, der 3. und 4. Eugene unterzeichnet). S.-Beuve 2, 674 berichtet:
Bouhours habe, nachdem die Uebersetzung der Evangelien erschienen, die
Uebersetzung der anderen Bücher dem Erzbischof Noailles zur Approbation
vorgelegt; dessen Censoren hätten sie stark corrigirt, dann habe Noailles,
obschoQ Bouhours kniefällig und weinend remonstrirt habe, erklärt, das
Buch dürfe nicht unter seinem Namen erscheinen, und seinen Freunden
gesagt: Son nom n'est pas assez grave pour etre rais ä la tete d'un livre
si divin, weil Bouhours bisher nur über profane Dinge geschrieben und
Tauteur de Tepitaphe de Moli^re et d'une infinite de bagatelles sei. —
Simon kritisirt die Uebersetzungen von Mons, Amelotte und von dem
Bischof Godeau von Vence, Paris 1668 (sie ist mehr eine Paraphrase) aas-
führhch Eist. crit. des versions eh. 32—39 und Nouv. Observations p. 175.
Vertheidigungeu der Uebersetzung von Mons bei Arn. 8, 269. 423; 9, l.
H. Noris. 671
Die von de Saci verfasete Histoire du V. et du N. T. avec
dcB explications ^difiantes tir^es des sb. pöres pour regier les moeurs
daiiB toutes sortes de conditions, par le Sieur Royaumont, Par. 1669
u. 0., und das Bibelwerk, welches er während seiner Haft in der
Bastille 1666 — 68 begonnen und von dem die ersten Lieferungen
1672 erschienen, und welches nach seinem Tode (1684) von Pierre
Thomas du Fossi und Charles Hur^, f 1717, vollendet wurde ^), La
Sainte Bible en latin et en fran^ais avec des explications du sens
litt^ral et du sens spirituel, Par. 1682 — 1706, 32 voL 8. u. o. —
es steht im K.-L. 2, 749 unter den akatholischen Uebersetzungen,
— wurden nur von den Jesuiten im Dict. Jans, und sonst ange-
griffen. Nur Le N. T. de N. S. Jesus-Christ, traduit en fran^ois
Selon la Yulgate avec des notes, oü on explique le sens litt^ral en
7 ajoutAut quelques reflexions morales . . par M. Charles Hure . .,
imprim^e avec la permission de S. E. le Card. Koailles, Par. 1702,
wurde nicht nur von 5 Bischöfen wegen des engen Anschlusses an
Quesnel verboten (R. Simon, Critique 2, 573), sondern auch, was
im K.-L. 2, 749 nicht erwähnt wird, von der Inq. 29. Juli 1722,
offenbar im Zusammenhange mit der QuesneV sehen und Noailles'schen
Angelegenheit. Der spätere Cardinal Querini war schon 1714 mit
der Prüfung des Buches beauftragt und erstattete 1715 seinen Be-
richt, — die erste Arbeit, die er für die Inquisition lieferte; —
der Bischof von Frijus schrieb ihm, die Uebersetzung sei der von
Mons ähnlich und die in der 2. Aufl. beigefügten Noten seien aus
Quesnel entnommen (Comm. 2, 72. 81. 86). Das unter Saci's Namen
zu Paris 1713 erschienene K. T. blieb unbeanstandet, obschon das
Dict. Jans, sagt, es sei dem von Mons sehr ähnlich.
2. Henricus Noris, geb. 1631 zu Verona, Augustiner, Professor
in Padua, veröffentlichte dort: Historia Pelagiana et dissertatio de
Bjnodo V. oecumenica . . . additis Vindiciis Augustinianis pro libris
a s. doctore contra Pelagianos ac Semipelagianos scriptis, 1673.
Das Buch wurde in Padua approbirt, aber, wie Benedict XIV. be-
richtet, von den dortigen Revisoren nach Rom geschickt, wahr-
scheinlich weil es sich um ein Werk de auxiliis handelte. Noris
reiste im Sommer 1673 selbst nach Rom, um die Approbation zu
betreiben. Dieses war nicht ganz leicht, da er von den Jesuiten
bereits als Jansenist verdächtigt worden war 2). Er berichtet selbst,
er habe erwirkt, dass die Prüfung des Buches nicht der Index-Con-
gregation, sondern der Inquisition übertragen worden sei, bei der
er einflussreiche Gönner gehabt (Magl. p. 23). Die Prüfung der-
artiger Bücher stand aber überhaupt der Inq. zu, und auch einige
Cardinäle der Inq. und der Assessor S. Off. Hieron. Casanate zeigten
sich anfangs nicht freundlich gegen ihn (Fabr. p. 13). Er erhielt
aber schliesslich nicht nur die Druckerlaubniss, sondern wurde auch
1) Moröry, Suppl. s. v. Hure. Hurter 2, 420.
2) Ich citire im folgenden mit Fabr. Fabroni, Vitae Italorum^ vol. 6,
mit Magl. Clarorum viroram ad Ant. Magliabechium epistolae, tom. 1., Flor.
1745.
672 Mit der Jansen, zusammenhangende Controversen.
▼OD Clemens X. zum Qaalificator der Inq. ernannt; Card. Barbe-
rini übernahm die Bezahlung der Druckkosten und Card. Medici
veranlasste seine Berufung nach Pisa (Magl. p. 197). In dem
Buche erregten namentlich die Vindiciae Anstoss, in denen er die
Jesuiten Annat, Adam u. a. scharf angegriffen und die Auguati-
nische Gnadenlehre, wie man behauptete, nicht viel anders als Jan-
senius dargestellt hatte, obschon er sich gegen diesen sehr stark
äusserte. Charakteristisch ist eine Aeusserung in einem Briefe an
Card. Bona vom 4. Nov. 1673 (Epp. sei. ed. Sala No. 26): „Wenn
ich in der Vorrede sage, bei Jansenius seien nescio quae opinionam
portenta, so spreche ich im Sinne der Päpste, ohne sagen zu wollen,
was ich davon halte; ich habe das Buch des Jans, selbst nicht ge-
lesen, weiss also nicht, was für dogmatische Ansichten er hat, lege
auch keinen Werth darauf, dieses zu wissen." — Der Versuch seines
Gegners Macedo, in Venedig ein Verbot des Buches zu erwirken,
blieb erfolglos; aber in Frankreich wurde der Abdruck desselben
verboten, weil man überhaupt den Druck von Jansenistischen und
antijansenistischen Schriften nicht gestatte, und die Einrede, es
handle sich hier nicht um Jans., sondern um Augustinus, nicht gelten
Hess (Magl. p. 40). Card. Bona (No. 33) schrieb Noris 17. März
1674: der König habe das Verbot auf Betreiben seines Beicht-
vaters Le Tellier erlassen; er fügte bei: Ihre Sache ist gerecht; aber
so geht es jetzt in der Welt : wer kein Molinist ist, ist ein Ketzer.
Am 29. April 1676 schreibt Noris über eine zweite Prüfung
seines Buches durch die Inq. an .Magliabechi (p. 83) : „Die Jesuiten
haben es nicht direct, sondern durch andere denuncirt und zwar,
um der Sache mehr Nachdruck zu geben, durch mehrere und auch
durch Briefe aus ultramontanen Ländern^). Unter den Censoren
befindet sich auch P. Lauria, der mein Gegner ist. Leider leben
Card. Bona und Mgr. Falconieri nicht mehr, die 1673 Revisoren
waren. Man hat in einer Sitzung daran erinnert, dass mein Buch
in Rom approbirt worden sei; aber Card. Albizzi hat darauf geant-
wortet, es seien in Padua nachträglich Zusätze gemacht worden,
wie P. Macedo bezeuge, und darum eine neue Prüfung nöthig . . .
Wird das Buch mit d. c. verboten, so werde ich rasch eine neue
Ausgabe machen; nach meinem Tode würde keine solche von einem
andern gemacht werden. Ich fürchte, die Vindiciae werden mir den
Hals brechen; Albizzi donnert gegen sie speciell; der Abdruck mit
den Lobsprüchen der Löwener hat mir geschadet; sie wären 1673
nicht approbirt worden, wenn Bona nicht gewesen wäre." 4. Mai
1) Eine drollige Denunciation, die bei der Inq. angekommen war,
theilt Noris (Magl. p. 110) mit: ,^. N., Bischof in Dalmatien, voll Eifers
für den orthodoxen Glauben, fühlt sich im Gewissen gedrungen, der h.
Congregation mitzutheilen, dass ein Buch von Italien hierher gebracht
worden ist mit dem Titel: Hist. Fei. . . . Ich weiss (non so, wird wohl
heissenfsoUen : ich keune; denn der Name steht auf dem Titelblatt) den
Verfasser nicht : aber ich weiss, dass es Sätze und eine liohre enthält, die
verdaramenswerth sind. Darum etc." u. s. w.
H. Noris. 673
schreibt er: ,,Albizzi hat in der Sitzung das unbedingte Verbot der
Yindiciae verlangt. Colonna widersprach, und da jener in scharfen
Ausdrücken antwortete, wurde Colonna, der sehr heftig ist (terri-
bile e yehemente), zornig und sprach noch lauter als der andere*'
(Fabr. p. 28 schreibt Albizzi eine vehementia et petulantia prope
incredibilis zu). Die Sache zog sich ein ganzes Jahr hin. 21. April
1677 schreibt Noris: „Die Untersuchung geht zu Ende; man hat
mir mitgetheilt, die Geschichte des Pelagianismus werde höchstens
an einigen Stellen corrigirt werden müssen; fraglich ist noch das
Schicksal der Vindiciae. Ich wollte, sie würden verboten, weil ich
darin jenen unversöhnlichen Menschen (Macedo) zu viel gelobt habe,*'
— und am 30.: „Es hat eine Sitzung stattgefunden und die Car-
dinäle Colonna, Casanate und Azzolini haben zu meinen Gunsten
gesprochen ; auch die Consultoren haben sich sehr günstig geäussert ;
aber es ist zu keinem Beschlüsse gekommen.*' Das Buch wurde
schliesslich freigegeben. Auch die Beschuldigung, Noris habe einige
nicht approbirte Seiten beigefügt, erwies sich, wie Benedict XIV.
sagt, als unrichtig. Es wurde nur ihm und Macedo befohlen, keine
Streitschriften mehr zu veröffentlichen. Innocenz XII. berief Noris
nach Korn und ernannte ihn zum Consultor der Inq. und 1692 zum
ersten Custos der Vaticanischen Bibliothek^). Nun wurde er zum dritten
Male angegriffen. Er schreibt 24. Mai an Magliabechi (p. 152):
,,Es sind Seiner Heiligkeit mehrere Denk- und Streitschriften (me-
morie come anco scritture) gegeben worden ; der Papst sagte : Jetzt,
da ich P. Noris hieher berufen, ist die Hölle gegen ihn wieder ent-
fesselt. Eine Denkschrift ist von P. Diaz, dem Nachfolger Porters
in S. Isidoro, unterschrieben, die anderen sind anonym.** Um dieselbe
Zeit schreibt er (Istoria delle investiture . . . con 204 lottere, Man-
tua 1741, p. 377): Man bezeichnet mich jetzt offen als Jansenisten,
weil ich in den Vindiciae die pure Lehre des Jansenius vertheidigt
hätte. — In einem andern Briefe (Fabr. 6, 108) berichtet er: „Der
P. Diaz in dem hiesigen Observanten-Kloster, den der König von
Spanien hieher gesandt, wird von den Jesuiten besoldet. In seiner
Eingabe an den Papst bezeichnet er 18 Sätze meines Buches als
Jansenistisch. Der Papst hat sich durch den Assessor S. Off. über
die früheren Verhandlungen der Inq. berichten lassen, auf dessen
Veranlassung auch durch den Card. Casanate, der damals Asses-
sor war. Dieser sagte dem Papste, die Inq. habe die gegen mich
erhobenen Anklagen für unbegründet erklärt und mir und Macedo
Schweigen auferlegt. Dieses Decret ist mir damals von dem Nun-
cius Airoldi und dem Inquisitor zu Florenz, Macedo zu Padua von
dem Card. Barbarigo insiuuirt worden. Casanate sagte dem Papste
auch, Card. Bona habe mein Buch approbirt. Am 6. Mai hatte die
Inq. Sitzung. Card. Lauria, der immer mein Gegner gewesen, war
1) Er schreibt an Magliabechi (Valery 2, 338): Ich habe mein Amt
angetreten und nun eine päpstliche Carosse zu meiner Verfügung. Ich
fahre oft am Jesuiten-Colleg vorüber, ut videant et invideant.
Beusob, Index II. 43
674 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
nicht anwesend. Casanate und Agnirre setzten den Beschlnss dnrch,
der Assessor solle dem Papste im Namen der Inq. rathen, mich in
Eom zu behalten. Am folgenden Tage sagte P. Segneri dem Papste,
er habe selbst mein Buch nicht gelesen, aber seine Patres sagten,
es sei Jansenistisch. Der Papst theilte ihm die Erklärung der Inq.
mit. Die Jesuiten haben eine Schrift gegen mich verbreitet, die
mir ein Cardinal mitgetheilt hat. P. Le Drou von Löwen ist zum
Sagrista ernannt worden; auch ihm sind die Jesuiten gram wegen
einer Schrift über die Attritio.**
„So ist die grosse Mine in die Luft gesprungen^' schrieb Noris
Ende Mai 1692 an Magliabechi. Die Sache war aber keineswegs
zu Ende. Im März 1694 schreibt Noris (Fabr. p. 144): „Im De-
cember wurden dem Papste neue Denkschriften über meine Yindieiae
tiberreicht, u. a. von P. Diaz, und eine Schrift des verstorbenen
Card. Lauria veröffentlicht. Dieser hat nämlich einen Monat vor
seinem Tode ausser den früheren 18 Sätzen noch 28 in meinem
Buche als der Correctur bedürftig bezeichnet, und nach seinem
Tode wurde dann ein Voto del Card. Lauria circa il libro dcl P.
Noris verbreitet. Der Papst Hess durch den Assessor aus der Woh-
nung Lanria's alles, was er gegen mich geschrieben, abholen und
beauftragte dann mit der Prüfung der gegen mich erhobenen An-
klagen nicht die Inq., sondern den Magister S. Pal. und vier Or-
densgeistliche, von denen ich nur einen kenne, einen Conventualen,
einen Zoccolante (Observanten), einen Cistercienser und einen Carme-
liter. Erst nach 20 Tagen hörte ich davon; ich überbrachte dem
Papste die vier Exemplare der Gerrae, die ich noch hatte *f er sagte
mir, er habe die neue Untersuchung angeordnet, um mir Ruhe zn
verschaffen. Die fünf Theologen prüften die 46 Sätze zwei Monate
lang, und gaben dann ein ausführliches Grutachten zu meinen Gunsten
ab. (Ein Cardinal sagte mir, die Gerrae hätten die Sache entschie-
den.) Dieses Hess der Papst durch den Magister S. Pal. in einer
Plenarsitzung der Inq. verlesen, und diese stimmte zu."
Es erschienen aber noch fortwährend Streitschriften gegen
Noris. Er spricht im Dec. 1694 namentlich von einer Schrift, von
der von Frankreich aus Exemplare an die Inq. und an mehrere
Cardinäle und Prälaten gesandt worden seien (Magl. p. 169 ; es
war die Schrift von Hardouin, s. u.). Gegen diese, sagt er, habe
er in vier Stunden eine Vertheidigung geschrieben, worin er sich
auf Petavius, Vasquez und Natalis Alexander berufen habe; die
Broschüre sammt der Vertheidigung sei dann dem Papste und der
Inq. überrreicht worden, und der Papst sei über die prompte Wider-
legung sehr erfreut gewesen. Der Papst befahl ihm dann, eine
ausführliche Vertheidigung seines Buches in Rom zu veröffentlicben.
Noch während er daran arbeitete, erschienen neue Schriften gegen
ihn und wurden die Anträge auf eine nochmalige Untersuchung
wiederholt (Magl. p. 176). Im Oct. 1695 schreibt er an Maglia-
bechi: „Der Druck meines Buches hat begonnen, wird aber zwei
Monate in Anspruch nehmen. Es erscheint ohne meinen Namen,
wie die Cardinäle wollen ; ich habe es nur geschrieben, weil der
H. Noris. F. Macedo. 67Ö
Papst es wünscbt, dem man zum Vorwarf gemacht hat, er hahe
einen Jansenisten zum Gustos der Yaticana gemacht/' Im Dec.
schreibt er: „Meine Gegner haben mein (älteres) Buch jetzt bei der
spanischen Inq. denuncirt. Als ich dieses dem Papste erzählte,
sagte er: Ich will der Sache dadurch ein Ende machen, dass ich
Ihnen einen andern Titel gebe." Am 12. Dec. 1695 wurde er Car-
dinal. Ende Januar 1696 überreichte er dem Papste seine Ver-
theidigungsschrift, Kom 1695, 4. Sie enthält 5 Dissertationen: Con-
troversia de uno ex trinitate passo; apologia monachorum Scythiae
ab anonymi scrupulis vindicata; de anonymi scrupulis circa veteres
Semipelagianorum sectatores; responsio ad appendicem auctoris scru-
pulornm; Janseniani erroris calumnia sublata^).
Die Streitschrift, mit der sich Noris in seiner Vertheidigung
hauptsächlich beschäftigt, heisst Scrupuli Doctoris Sorbonici orti
ex libro Rev. P. Henrici de Noris, qui inscribitur Hist. Pelagiana,
ad Romanos hujus libri censores; sie ist von dem Jesuiten Jean
Hardouin und wurde schon 7. Sept. 1695 verb. — Von den älteren
Pseudonymen Streitschriften und Noris^ gleichfalls Pseudonymen
Antworten (diese stehen hinter der Hist. Pelag. im 1. Bande von
Henr. Norisii opera omnia, Verona 1729) sind folgende zu erwähnen:
Franciscus a S. Augustino Macedo, geb. 1594 zu Coimbra, 1614 —
42 Jesuit, dann Franciscaner, f 1681 zu Padua, schrieb Humberti
Ascetae Carthusiani Germanitates dogmatum (!)orn. Jansenii episc.
Ipr. et Henrici Noris. Dagegen sind die oben wiederholt als Gerrae
erwähnten Responsa P. Fr. Macedi adv. gerras germanas Germa-
nitatum C. Jans, et H. Noris coUecta ab Annibale Riccio gerichtet.
Von Macedo ist auch Henr. Noris dogmatistes S. Augustino inju-
rius authore Fulgentio Risbrochio Polono, Canonico Lateranensi.
Dagegen ist es nicht ausgemacht, ob der Prodromus velitaris pro
S. Augustino contra Henr. de Noris, auctore Brunone Neusser, Mainz
1676, von Macedo oder von dem Jesuiten Honoratus Fabri ist^).
Die Schrift von Risbrochius wurde von Albizzi im Mai 1676 unter
den Cardinälen und Prälaten verbreitet (Magl. p. 94), aber 22. Juni
1676 verb., gleichzeitig aber eine boshafte Schrift gegen Macedo:
Miles (in anderen Exemplaren Thraso) Macedonicus Plautino sale
1) In einem Briefe des Card. Passionei vom J. 1742 (Vita del F.
Concina p. 237) heisst es: Noris habe in den Yindiciae die Sätze seiner
Gegner wörtlich angeführt, aber nicht die Stellen angegeben ; in der sehr
seltenen Brüsseler Ausgabe von 1675 seien diese auf einem Blatte
beigefügt, in der Gesammtausgabe, Verona 1729—82, 4 Fol., aber aus
Nachlässigkeit oder aus Rücksichten wieder weggelassen. Sie stehen hinter
dem Abdruck der Yindiciae in Migne^s Patrologia 47, 881.
2) Magl. p. 66. 69. Melzi 2, 228. Es gab damals einen Minoriten
Bruno Neusser (Hurter, 2, 798); aber dieser ist sicher nicht der
Verfasser. Von Macedo's Commentationes duae ecciesiasticae polemicae
pro S. Vincentio Lirin. et S. Hilario Arelat., altera pro S. Aug. et Aurelio
et patribus Africanis, Verona 1674, — wogegen Noris Adventoria Fran-
cisco Macedo, in qua de inscriptione libri S. Aug. de gratia Christi, Flor.
1674, schrieb, — ist die 1. Commentatio in dem Prodromus abgedruckt.
676 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
perfrictas opera Annibalis Corradini Yeronensie, Altdorfi Norico-
rum [Verona? 1675]. Sie ist sicher von Noris^). üeber das Ver-
bot schreibt er : ,,Da6 Buch wird jetzt von den Censoren der Index-
Congr. geprüft und in kurzem verboten und in dem grossen Ver-
zeichniss der verbotenen Bücher verewigt werden" (Magl. 64).
Noris wurde wegen seines Versuches, die Augustinische Gna-
denlehre zu vertheidigen, ohne die des Jansenius zu billigen, auch
von anderer Seite angegriffen. Gerberon schrieb aus Anlass der
5 Dissertationes : Norisius aut Jansenianus aut non Augustinianus
demonstratus a L. Mauguin Peninsulano, Houen 1699 (nicht im
Index). — Aus Noris' Briefen sind noch einige interessante Mit-
theilungen über die Inquisition anzuführen, welche zeigen, wie viel
Arbeit einem einzelnen Beamten derselben zufiel, wenn er ein so
brauchbarer Mann wie Noris war. Als er Qualificator geworden,
schrieb er 1673: Ich habe nun, ohne ein Gehalt zu beziehen, viel
Arbeit mit der Prüfung der der Inq- denuncirten Bücher und mit
der Abfassung von Gutachten (Magl. p. 197), und 1695: Ich bin
jetzt Consultor und habe nun nicht viel Zeit mehr zum Arbeiten:
drei Vormittage (Montag, Mittwoch und Donnerstag) gehen mit den
Sitzungen der Inq. verloren (p. 170 erwähnt er eine Montags-
Sitzung, die über 6 Stunden gedauert); die drei anderen Vormittage
bin ich auf der Bibliothek; zu Hause habe ich mit den Consulti ed
imbrogli des h. Officium zu thuen. Sie würden lachen, wenn Sie
hörten, wie ich über Tortur, Gefängniss, Galerenstrafe votire, und
sähen, wie ich aus einem Chronisten ein Criminalist geworden bin.
l) Nach Melzi 1, 256 ist die Schrift in Löwen unter dem Namen
Annibale Butturini Veronese nachgedruckt und auch Sparaviero und Ferrari
zugeschrieben worden. 1709 erschien zu Amsterdam H. Norisii Paraenesis
ad Jo. Harduinum. Accessit ejusdemThraso etc. Darauf ist ebensowenig
Gewicht zu legen, wie darauf, dass der Thraso nicht mit den anderen
Streitschriften in die Opera, Verona 1729, I, 1333 aufgenommen ist; aber
aus den Briefen an Magliabechi (p. 58) sieht man, dass Noris das Buch
geschrieben und Magliabechi den Druck besorgt, wenigstens die Exemplare
in Händen hatte und nach Noris' Weisungen versandte. Wenn er einmal von
dem Veronesen, seinem Freunde und Advocaten, spricht, und Maffliabeohi
bittet, Macedo zu sagen, er verstehe zu wenig vom Plautus, um das Buch
geschrieben haben zu können, so spricht das nicht gegen seine Autorschaft.
Auch die Somnia 50 Francisci Macedo in Itinerario S. Aug. post baptis-
mum Mediolano Romam, excutiebat levi brachio P. Fulgentius Fosseus
August., 1687, sind von Noris. Die Retraotatio P. Henrici Noris de ca-
lumnia Semipelagianismi imposita S. Vincentio Lirinensi, worin Noris ober
das Verbot der Schrift von Risbroch frohlockt als über eine Bestätigung
seiner Lehre, ist von Macedo. Noris schrieb dagegen: Confutatio palinodiie
sub nomine H. N. publicatae, auct. Annibale Riccio Veneto. Unter dem-
selben Namen schrieb er Responsiones P. Franc. Maoedi adv. Propositiones
Fr. Jo. a Guiddiciolo collectas, Ven. 1676, gegen die von Hon. Fabri unter
letzterm Namen veröffentlichten Propositiones parallelae Michaelis Biji
et Henr. de Noris, Frcf. 1676. — In der 5. Dissertatio vertheidigt sich
Noris auch gegen eine Lettera d'un cavaliere dimoranta in Parigi ad an
suo amico in Italia, die er auch in einem Briefe vom Juli 1695 (Magl.
p. 177) erwähnt.
Fr. Maoedo. J. Bona. A. Gonzalez de Kosende. 677
leb habe kein Gescbick dazu (non vi bo genio), und ich will drei
Jabre ansbalten nnd dann einen andern Entschluss fassen (Magl.
p. 171). — 1692 schreibt er über die Paraenesis ad Jo. Harduinum:
Ich habe keine Aassicht, die Druckerlaubniss für diese Antwort zu
erhalten. Der Mag. S. Pal. ist ängstlich im neunten Grade. Ich
habe mit aller Bescheidenheit geantwortet; aber das bischen Salz
(alcuni sali) macht, dass die Antwort dem zarten Gaumen des be-
sagten Paters nicht mundet. Das ist einer der Gründe, weshalb Rom
nicht der Ort für mich ist (Roma non fa per me). Die Paraenesis
erschien erst 1709 zu Amsterdam.
Macedo hatte früher gegen die Ansicht über den Gebrauch
des gesäuerten und ungesäuerten Brodes beim Abendmahl, die Card.
Bona in Rerum liturgicarum libri 2, Rom 1671, vorgetragen, die
Schrift herausgegeben: Azymus eucharisticus s. Joannis Bona . . .
doctrina de usu fermentati in sacrificio missae per mille et amplius
annos a latina Ecclesia observato examinata, expensa, refutata, In-
golstadii (Venedig oder Padua 1673), 8., mit d. c. verb. 1673. Am
18. Nov. 1672 schrieb er an Bona von Padua aus: der dortige In-
quisitor habe ihm für seinen Tractatus de azymo die Druckerlaub-
niss verweigert, weil es eine Streitschrift gegen einen noch leben-
den Cardinal sei; Bona möge den Inquisitor doch anweisen, die
Erlaubniss zu ertheilen oder wenigstens nicht diesen Grund für die
Verweigerung anzugeben (Bona, Epp. ed Sala, No. 20 der ital.
Briefe). Bona selbst erzählt in einem Briefe an Noris (Epp., Lucca
1759, IV, 8): ,,Der Inquisitor hat Macedo'^ Tractat, weil er darin
mit wenig Respeot von mir spricht, an diö Inquisition hieher ge-
sandt. Diese hat befohlen, das Buch solle nicht gedruckt und das
Manuscript nicht zurückgegeben werden. Aus Verdruss darüber
hat Macedo das Schriftchen veröffentlicht, welches Sie mir gesandt
haben. Ich habe darüber gelacht; aber der Assessor hat in einer
Sitzung, der ich nicht beiwohnte, das Verbot beantragt und erwirkt.**
In einem Briefe vom 23. Oct. 1673 (Epp. ed. Sala, No. 323) bittet
Bona Mabillon, in seiner Dissertatio de pane eucharistiae azymo et
fermentato, die er ihm zugesandt, das gegen Macedo gerichtete 12.
Capitel wegzulassen ; es sei besser, diesen zu verachten als ihn zu
widerlegen. Das Capitel steht wirklich nicht in der Ausgabe von
1674, aber bei Thuillier 1, 176 und in Bona^s Epp. 1. c. Macedo
Hess übrigens eine von den Ungezogenheiten gegen Bona expurgirte
Ausgabe seiner Schrift drucken, die zwar nicht im Index freige-
geben wird, aber ohne Zweifel approbirt ist : Em. ac Rev. D. Card.
Bona doctrina . . . examinata et expensa, Verona 1673, und gleich-
zeitig Disquisitio theol. de ritu azymi et fermentati, Verona 1673
(Mazzuch. 2, 1520).
3. Antonii Gonzalez de Rosende Disputationes de justitia
originali, de peccato orig., de justitia gratuita. Tom. I. de just, orig.,
Lugd. 1677, wurde 1681 von der Inq. verb. (steht auch im span.
Index). Der Verf. gehörte zum Orden der Clerici minores und hat
1666 auch eine Vita des Bischofs Palafox geschrieben. Von einem
andern Buche desselben schreibt Amauld (2, 243) 1683 : „Ich habe
678 Mit der Jansen, zusammenhangende Conirovenen.
dasselbe nicht gelesen; da aber sein grosses Werk im Index steht,
wird auch dieses verdammt werden. Es wird ihm also nichts ge-
holfen haben, dass er Jansenins und die Jansenisten anathematisirt
hat; ans demselben Grunde muss er sich selbst anathematisiren ; denn
er hat nach 40-jährigem Studium bei Augustinus dieselben Principien
gefunden wie Jansenius."
Die Institutiones theologicae in usum seminariorum des Oratoria-
ners Caspar Ju enin, Lyon 1696, 4 vol. 12., 2. Ed. Par. 1700, 7 vol. 12.,
wurden in mehreren Seminaren gebraucht, von dem Erzb. Noailles von
Paris aber (die 2. Ed.) durch ein Mandement vom 12. Juni 1700 verb.
Diesem Mandement ist eine Erklärung von Juenin selbst beigedruckt, mit
der sich der Erzbischof zufrieden gegeben. Eine veränderte, von dem
Pariser Generalvicar Pirot approbirte Ausgabe, Par. et Ven. 1704
— 5, übersandte Juenin mit einem devoten Schreiben dem Papste;
er erhielt ein Dankschreiben des Card. Paoluccio. Die neue Aus-
gabe wurde aber von mehreren Bischöfen censurirt. Es erschienen
darauf Lettre d'un Docteur sur TOrdonnance de Mr. le Card, de
Noailles touchant les Inst, th^ol. du P. Juenin, sur la declaration
de cet auteur, mise en forme de lettre au bas de la m8me Ord., und
Jugement doctrinal des th^ologiens sur les Inst, th^ol. du P.
Juenin, suivi d'un probleme sur TOrdonnance de S. E. le Card, de
Noailles et sur le Mandement de Mr. Madot, ev^ue de Belley.
Diese beiden Schriften wurden von der Inq. 26. Oct. 1707 verb.,
dann Juenins Werk Fer. IV. 25. Sept. 1708 (Bull. cont. 2, 397),
und zwar unbedingt; d. c. ist erst von Ben. beigefdgt worden. Nach
diesem Kömischen Verbote veröflfentlichte der Bischof Bissy von
Meaux (später Cardinal) eine eigene Ordonnanz gegen das Buch,
1710, 614 S. 4. Juenin vertheidigte sich in den (anonymen) Re-
marques sur le Mandement et Instruction pastorale de M. Henri de
Bissy . . ., worauf der Bischof 1712 ein zweites Mandement erliess.
Nach dem Tode Juenins (1713) erschienen noch (14) Lettres th^ol.
contre le Mand. et T Instruction past. de M. H. de Thiard de Bissy,
6v. de Meaux, sur le Jans^nisme, portant condamnation des Instr.
thäol. du P. Juenin, von Etemare und Petitpied. Vorher waren
schon erschienen: Denouciation des mandements de Mgr. T^v. de
Noyon ... au pape, aux 6veques, aux facultas de theol. et k tous
les pasteurs de TEglise, 39 S. 12., und Remarques sur TOrdonnance
et instr. past. de M. Paul Desmarets, 6v. de Chartres, touchant les
Inst, th^ol. du P. Juenin, 1709, 365 S. 12. (der Bischof von Chartres
war für seine 320 Seiten füllende Ordonnanz vom Papste 7. Sept
1 709 belobt worden). Diese Streitschriften wurden nicht verb., auch
nicht Juenins andere Bücher^).
Zwei anderen französischen Theologen, die im Dict. Jans, ab
gemilderte Jansenisten bezeichnet werden, ist es in Rom besser er-
gangen als Juenin, obschon es an Bemühungen, auch sie in den
Index zu bringen, nicht fehlte. Nie. Lherminier, Dr. Sorb. und
1) Fleury 48, 384. Migne 2, 589. Hurter 2, 692.
G. Jaenin. N. Lherminier. L. Habert. 679
Th^ologal zu Le Maos (1657 — 1755), schrieb Summa theologiae ad
uBum scholarum accommodatae, Par. 1700 — 11, 7 vol. 8. Ueber den
Tractat von der Gnade erschien alsbald eine Denonciation de la
Theol. de M. Lh. k Nosseigneurs les ev^nes, 1709. Lh. gab den
Tractat durch Cartons verbessert heraus; aber nun erschien eine
Suite de la D^nonc, ou Ton voit en quoi consiste la nouvelle h6-
r^sie et quels sont les subterfuges de ses sectateurs, 1711. Auch
einige Bischöfe censurirten das Buch. Eine Umarbeitung des Trac-
tats von der Gnade, die Lh. 1721 vollendet hatte, erschien nicht,
weil die Approbation verweigert wurde ^). — Louis Habert (1635
— 1718) schrieb im Auftrage von Noailles, als dieser noch Bischof
von Chalons war, Theologia dogmatica et moralis ad usum seminarii
Catalaunensis, 1709. Fen^lon verfasste darüber eine Lettre k un
ev^que, worin er namentlich Haberts Ansicht angreift, es gebe zwei
Delectationes, die Gnade und die Concupiscenz; die stärkere der bei-
den wirke mit moralischer Noth wendigkeit. Diese Lettre schickte
er an den Herzog von Chevreuse mit der Bitte, mit dem P. Le
Tellier zu überlegen, ob dieselbe gedruckt werden solle. In dem
Briefe an den Herzog sagt er: „Wenn dieses System nicht ketzerisch
ist, so ist die Verdammung des Jansenius ungerecht und der Jan-
senismus nur ein Phantom und eine imaginäre Ketzerei, deren sich
die Jesuiten bedienen, um die treuen Schüler des h. Augustinus zu
verfolgen und die Gewissen zu Gunsten des Molinismus zu tyran-
nisiren/^ Le Tellier hielt die Veröffentlichung der Lettre für un-
zweckmässig. £s erschien dann eine Denonciation de la Th^ol. de
M. Habert, adressee a Mgr. le Card, de Noailles et M. T^v. de
Chalons sur Marne. Diese ist nicht, wie Noailles meinte, von Fe-
n^lon, sondern allem Anscheine nach von dem Jesuiten Lallemant
verfasst, aber nur eine von F6n61on durchgesehene Umarbeitung
seiner Lettre. Es erschienen einige Streitschriften darüber und No-
ailles erliess im März 1711 ein Monitoire, um den Verfasser her-
auszubringen. F^nelon liess darauf durch Le Tellier dem Könige
sagen, wenn Noailles Habert vertheidige, werde er ein Mandement
gegen diesen veröffentlichen. Ein solches, vom 1. Mai datirt, wurde
auch gedruckt, aber von dem Könige trotz Fen^lons wiederholter
Bitten die Veröffentlichung nicht gestattet. Eine andere ausführ-
lichere Ordonnance gegen Habert hat sich unter F^n^lons Papieren
gefunden und ist in den Oeuvres 16, 207 — 549 abgedruckt^. —
F^n^lon suchte auch in Rom die Verdammung der Bücher von
Lherminier und Habert zu erwirken. Sein dortiger Correspondent,
der Jesuit Daubenton schreibt ihm 23. Oct. 1711 : Man ist zur Cen-
surirung der beiden Bücher entschlossen ; aber alles geht hier lang-
sam (Corr. 3, 446). In späteren Briefen spricht er nur von Habert:
Er denkt wie Jansenius, aber er drückt sich anders aus, und das
1) Haur^au, Hist. litt, du Maine 2, 82.
2) Oeuvres 16, XCVIII. Corr. 1, 304 u. 8. w. 3, 309 u. s. w. 4,
146. 155.
680 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
genügt, um ihn vor einer Censnr von hier ans zu schützen. Seine
moralische Nothwendigkeit ist freilich eine physische; aber er leugnet
dieses, nud das genügt hier. Die Thoraisten werden nicht dulden,
dass man seine Delectation victorieuse censurire, da sie die Freiheit
ebenso wenig beeinträchtige, wie ihre Gratia praedeterminanR. Es
wird sehr schwer sein, die Verdammung von Haberts Buch zu er-
wirken; ich will nicht sagen, dass es unmöglich sei (Corr. 3, 506).
Ich habe oft mündlich und zwei- oder dreimal schriftlich die Ver-
dammung von Haberts Ansicht beantragt. Man hat mir geantwortet,
man könne sich nicht mit so vielen Dingen auf einmal befassen; es
sei vorerst mit der Verdammung Quesnels genug (4, 327). Ihre
dritte Eingabe über die Ansicht der Dominicaner ist ganz richtig;
aber bei dem Ansehen, in welchem diese Patres hier stehen, wagt
man nicht daran zu rühren, üebrigens sind die meisten Cardinäle
so wenig bewandert in den speculativen und abstracten Fragen, dass
es verlorene Zeit ist, mit ihnen davon zu reden. Ich habe Ihre
Schrift nur Fabroni gezeigt; er ist einverstanden, hält es aber nicht
für opportun, die Sache zu urgiren (4, 270). — Habert kam ebenso-
wenig wie Lherminier in den Index. Er verbessert« aber sein Buch
in den späteren Auflagen^).
Theologie morale ou r6solution des cas de conscience selon
l'6criture sainte, les canons et les saints p^res, compos^e par l'ordre
de M. l'Eveque et Prince de Grenoble, 8 vol. 12., — zuerst Paris
1670, dann oft, im Auftrage des Card. Le Camus verfasst von Fran-
5ois Genet, geb. 1640, der 1685 Bischof von Vaison wurde, + 1702,
— steht in Bibl. und Dict. Jans.; Romanus Philalethes (Concina,
Appar. 1, 57) hebt aber hervor, dass der Verfasser kein Jansenist,
sondern nur ein Gegner des Probabilismus und Laxismus war (er
wird auch in der Löwener Censur über den Cas de conscience zu
den Rigoristen gezählt), dass eine lateinische Uebersetzung des Buches
von Capisucco als Mag. S. Pal. approbirt und von Card. Barbadico
in seinem Seminar zu Montefiascone (später auch von dem Erzb. Mar-
1) In den Briefen Daubentons anFenelon aus den J. 1710 — 11 (Corr.
8, 279. 868. 477), finden sich folgende für die Römische Justiz charakte-
ristische Mittheilungen: Abbe Louis Maille aus der Diöoese Aix, Professor
an der Sapienza, ein Agent der Jansenisten und Gegner der Jesuiten, der
viele Gönner hatte und namentlich mit den Cardinälen Casanate, Noris
und Casoni verkehrte, wurde im Frühjahr 1710 aus Rom ausgewiesen.
Er bat den Papst, ihm die gegen ihn vorgebrachten Anklagen mitzutheilen.
Der Papst wies ihn an die Inquisition und diese sprach ihn frei. Zwei
Cardinäle setzten darauf den Assessor S. Off. und den Consultor P. Da-
mascenus in Bewegung. Dieser verhörte ohne Mitwirkung des Commissa-
rius- S. Off. in drei Monaten in seinem Kloster Bekannte von Maille, und
darauf Hess ihn der Assessor nicht in das Inquisitionsgefangniss, sondern
in die Engelsburg bringen. Dort werde er wohl bis zu seinem Tode bleiben,
meinte Daubeuton Ende 1711, da er durch aufjgefangene Briefe von Tou-
reille, der 8 — 10 Jahre in Rom mit ihm in einem Hause gewohnt, sehr
grravirt sei; in diesen Briefen werde der Papst als fripon behandelt und
auf den König, die Cardinäle und die Jesuiten geschimpft. Maille wurde
jedoch 1715 freigelassen, f 1788 in Paria.
Theologie de 0 renoble. Censura Duacensis. 681
tini statt des Antoine in Florenz) eingeführt wurde und dass die
Eemarqaes sor un livre intituU: Th^ol. mor. . . . par Jacques de
Remonde, Pretre et Docteur en Theol. [pseudonym), 2 vol., nicht
nur von dem Card. Le Camus censurirt, sondern auch 1679 in den
Index gesetzt worden sind. Die Angabe, Le Camus habe das Buch
in seinem Seminar wieder abgeschafft, ist unwahr (N. E. 1750, 172).
Spätere Ausgaben scheinen geändert zu sein; wenigstens bezeichnet
Migne 2, 509 die von 1715 als die am wenigsten schlechte.
Der Jesuit Thirioux vertheidigte 5. December 1696 zu Reims
die These: der Molinismus sei die rechte Mitte zwischen Semi-
pelagianismus und Calvinismus und als solche aus unzähligen
Anfeindungen und aus der genauen Prüfung durch die Päpste, wie
das lautere Gold aus dem Schmelzofen, hervorgegangen. Dagegen
veröffentlichte 1697 der Erzbischof Le Tellier eine von dem Pariser
Theologen Charles Wit^sse verfasste Ordonnanz. Dieselbe ist strenge
thomistisch, desavouirt aber dabei Jansenius und seine Schüler, was
Qnesnel in einem Briefe (C.Qu. p. 171) scharf tadelt. Die Jesuiten
antworteten darauf mit einem Pasquill und einer (von P. Daniel
verfassten) Remontrance, die Bossuet respectueusement insolente nennt
und die zu Ronen gedruckt, aber auf Befehl des Königs conffscirt
wurde. Der Erzbischof wollte sie wegen ihres respectwidrigen Ver-
haltens in Rom verklagen ; der erste Präsident de Uarlay bewog ihn
aber, sich mit einer Abbitte zufrieden zu geben. Bossuet schlug
damals vor, die Ordonnanz, um ihr eine indirecte Bestätigung zu
verschaffen, in Rom mit den dort üblichen Approbationen drucken
zu lassen, wie er es mit seiner Exposition gehalten. Das kam aber
nicht zur Ausführung^).
4. Die Censura S. Facultatis theol. Duacensis in quasdam
propositiones de gratia, depromptas ex dictatis philosophicis Domi-
norum Lengrand et Marechal primorum Collegii Duac. professorum
. . . Accedit appendix ad causam professorum primariorum Collegii
regii, item mantissa continens censuram in epistolam scriptam ab
Er. D. Pierart . . . Seminarii Henniniani praeside, 1722,4. (abgedr.
Arg. III b 483), wurde mit d. c. verb. 1729 2). Faure, Comm. p. 269
noiacht den Dominicanern zum Vorwurf, dass sie die von den An-
hängern des Bajus gegen die Jesuiten erlassene Censur von Douay
von 1588 (I S. 446) trotz wiederholter Denunciation freigegeben,
dagegen diese neuere, in der jene desavouirt werde, verboten hätten.
Es ist aber gar nicht zu verwundern, dass eine Censur, noch dazu
nur mit d. c, verb. wurde, in welcher Massoulie und Contenson als
spurii Thomistae, welche die Ketzereien Jansens und Quesnels ver-
theidigten oder begünstigten, sehr scharf angegriffen werden (Arg.
III b 530. 586). In den Acten der Index-Congr. (Catalani, Secr.
Ind. p. 32) wird berichtet: am 31. Aug. 1728 habe der Secretär
1) Werner, Thomas v. Aqiiin 3, 443. Avr. 4, 91. Bossuet 40, 522.
553; 41. 16. 23.
2) Bist, du livre des Reflexious 3, 3. 74.
682 Mit der Jansen, zusammenhangende Controversen.
wegen der Censura angefragt, worüber Clemens XII. sicli das Ur-
theil reservirt hatte; der Papst habe erklärt, er habe nach Rück-
sprache mit dem Commissarius S. Gif. beschlossen, sie solle mit d. c.
verb. werden; es würden darin mit Unrecht Lehren der Thomist^n
als mit Jansenius verdammt bezeichnet, und Massoulie und Contenson
und selbst der h. Thomas ungerecht angegriffen. Die Facultät
schickte den Canonisten Toussaint Theodor du Many nach Hom, um
zu erfahren, was zu corrigiren sei; die Index-Congr. erklärte ihm
3. April 1731: die Facultät solle nach den oben mitgetheilten Er-
klärungen des Papstes selbst eine expurgirte Ausgabe veranstalten
und diese vor dem Druck vorlegen. Das ist nicht geschehen. —
Aus demselben Grunde wurde 1739 ein Pseudonymes Werk des
spanischen Jesuiten Diego de Quadros (1677 — 1746) verb.: Caduceas
theologicus et crisis pacifica de examine thomistico . . opera et
studio D.Martini Ortizii, Madrid 1733, Fol., in drei Theilen, von
denen der 2. gegen Massoulie, Graveson, Cajetan Benitez de Lugo,
Montalvan u. a. gerichtet ist. In Spanien wurde das Buch nicht
verb.; er erschien sogar 1741 zu Madrid ein 2. Band, der nament-
lich gegen Benitez, f 1739 als Bischof von Zamora, gerichtet ist,
den er auch deutlich genug als denjenigen bezeichnet, der den ersten
Band in den Index gebracht habe^). Dieser 2. Band wurde nicht
verboten.
Von Vinc. Contenson (f J674) wurde die Theologia mentis et
cordis, 1673 — 76, 9 vol. 12., mehr noch wegen ihres Rigorismus
als wegen der Gnadenlehre angegriffen. Der letzte Theil des Werkes
ist von Antoninus Massoulie (f 1706), von dessen D. Thomas sui in-
terpres de divina motione et libertate creata, Rom 1692, 2 Fol.,
F6n61on (Corr. 3, 243) sagt: Während er den Jansenismus zu ver-
dammen scheint, ist er mit seiner Praemotio tief in das Jansenistische
System hineingerathen. — Charakteristisch ist, was von Arn. 31, 448
berichtet wird : Hennebel und Desirant, die Vertreter der beiden
Parteien unter den Löwener Theologen in Rom (S 647), kamen über-
ein, einen angesehenen Thomisten um eine Darlegung der Lehre von
der Gratia sufficiens zu bitten, die sie dann beide unterschreiben
wollten. Massoulie verfasste auf ihr Ersuchen eine Explicatio na-
turae et uecessitatis sufficientis auxilii juxta principia S. Thomae et
ipsius scholae, die von anderen Dominicanern approbirt wurde.
Hennebel unterschrieb dieselbe wirklich, Desirant aber nicht —
lieber ein Buch, welches P. Dez gegen Gerberons Ausgabe des
Bajus schrieb, berichtet Abbe Bossuet an seinen Oheim (Oeuvres
40, 388) in den letzten Monaten des Jahres 1697: Ein Wohlunter-
richteter sagte mir, es sei ein schlechtes Buch; der Verfasser er-
neuere unter dem Verwände, Bajus zu widerlegen, den Jansenisti-
schen Streit und spreche schlecht von Augustinus. Der Mag. S.
Pal. hat das Buch dem Dominicaner Massoulie gegeben. Dessen
1) Mich, a S. Jos. 2, 342; 3, 394 und fol. 8; 4, 2. Hurter 2, 1815
sagt nichts davon, dass der Caduoeus im Index steht.
M. Ortiziufl. V. Conienson. A. Massoulie. Card. Sfondrato. 688
Bemerkungen sind Dez zu Gesiclit gekommen and er hat dagegen
eine R^ponse an Jans^niste anonyme geschrieben, worüber sich Mas-
sonlie bei der Inquisition beklagt hat. . . . Die Inq. hatte das Buch
Miro und Granelli zur Begutachtung gegeben; diese haben dasselbe
als gefährlich und schlecht bezeichnet. In der Sitzung hat Card.
Bouillon sich des P. Dez angenommen, und es ist vorläufig be-
schlossen worden, das Gutachten solle allen Gardinälen schriftlich
vorgelegt worden. — Zu einem Verbote ist es nicht gekommen;
Abb6 Bossuet bezeichnet aber schliesslich (41, 412) Dez als den ge-
fährlichsten aller Menschen.
5. Die Verhandlungen über das Buch von Sfondrato bilden eine
eigenthümliche Diversion in dem Jansenistischen Streite. Coelestinus
Sfondrato war Benedictiner, geb. 1644 zu Mailand, seit 1687 Abt
von St. Gallen, 1695 wegen seiner Schriften gegen den Gallicanis-
mus zum Cardinal ernannt, f 4. Sept. 1696. Das Buch heisst:
Nodus praedestinationis ex sacris literis doctrinaque SS. Augustini
et Thomae, quantum homini licet, dissolutus, Rom 1697 *, 4. Sf.
hatte sich noch selbst die Erlaubniss zur Veröffentlichung des Werkes
von der Inquisition geben lassen (S. 304); es wurde nach seinem
Tode unter den Anspielen der Cardinäle Albani (später Clemens XI.)
und CoUoredo von dem Minoriten Jo. Damascenus herausgegeben.
Das Buch „schien einen extremen Molinismus zu vertreten*' (Schill,
Die B. Unig. S. 30), und wurde nicht nur von den Jansenisten an-
gegriffen, sondern vor allem von Bossuet dessen Verdammung be-
trieben. Ein von ihm verfasster Brief an Innocenz XII. wurde 23.
Febr. 1697 ausser von ihm von den Erzbischöfen von Paris und
Reims und den Bischöfen von Amiens und Arras unterschrieben, und
Ludwig XIV. beauftragte den Cardinal Janson, denselben dem Papste
zu überreichen^). Innocenz XII. antwortete 6. Mai, er habe eine
Commission zur Prüfung des Buches ernannt. Der Brief der 5 Bi-
schöfe und die Antwort des Papstes wurden im Juni zu Paris ge-
druckt, obschon der Kanzler auf Anstiften F6n61ons und der Jesuiten
Schwierigkeiten machte. Mitglieder der Commission waren die Car-
dinäle Aguirre und Noris, die Generale der Dominicaner und Jesuiten
und P. Diaz. Letzterer war, wie Bossuet sagt, den französischen
Bischöfen feind wegen der Agreda'schen Angelegenheit, und von dem
Jesuiten - General erzählte man sich in Rom, er habe alle Federn
der Gesellschaft zur Vertheidigung des Buches znr Verfügung ge-
stellt. Es ist erklärlich, dass man in Rom nicht sehr geneigt war,
ein dort gedrucktes Buch eines Cardinais zu censuriren, welches
diesem Schicksale gewiss nicht entgangen sein würde, wenn es von
einem andern verfasst gewesen wäre. Man sagte dem Papste , für
1) Arg. III b 394. Bossuet 38, 30; vgl. 40, 264 u. s. w.; 41, 84
u. 8. w. Fabroni 7, 218 erwähnt eine nicht gerückte Schrift von Bacchini,
worin gezeigt werden sollte, — was hicht im mindesten wahrscheinlich
ist, — Sfondrato's Buch sei von dem Herausgeber geändert worden und
der Cardinal könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden.
684 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
die Vertheidigung eines von ihm ernannten Cardinais müsse er Zeit
gewähren. Im Sept. 1698 schrieb Abb^ Chanterac an F6n61on
(Corr. 9, 461): man lasse die Sache ruhen unter dem Yorwande, dass
Fen^lons Angelegenheit die Inquisition ganz in Anspruch nehme; im
Grunde aber wolle man abwarten, ob die fünf Bischöfe nach der
Beendigung dieser Angelegenheit ihre Anklage erneuern würden.
Gleichzeitig schickte er F6nelon das Manuscript einer Vertheidigung
Sf.'s mit der Bemerkung: „Der Verfasser, den ich nicht nenne, der
aber ein Mann ist, welchem wir Dank schulden, lässt Sie bitten, das
Buch in Köln, Holland oder Flandern drucken zu lassen. Auch die
Curie würde es gern sehen, dass das Buch auswärts gedruckt würde,
damit sie nöthigenfalls sagen kann, sie habe nichts damit zu ihnen.
Es ist mir ausdrücklich gesagt worden, die Curie würde für die
Vermittlung des Druckes dankbar sein." Fdnelon besorgte den
Druck des Buches : Dispunctio notarum XL, quas scriptor anonymns
Card. Sfondrati libro . . . inussit, Col. 1698. Der Verfasser war,
was in Rom kein Geheimniss war, Card. Gabrielli, der als Theologe
des Papstes Sf.^s Buch approbirt hatte. £r schrieb selbst später
an Fenelon (Corr. 2, 477) : der Papst habe die Veröffentlichung
seines Buches gewünscht, dasselbe habe aber auswärts gedruckt
werden müssen, da in Kom, was er sehr missbillige, nichts anonym
oder Pseudonym veröffentlicht werden dürfe. Nach den Römischen
Verordnungen sollte aber auch kein Römischer Schriftsteller ohne
Erlaubniss etwas auswärts drucken lassen^). — Bossuets Agent in
Rom war übrigens damit einverstanden, dass die Verhandlung über
Sf.*s Buch bis nach der Erledigung der F^n61on'schen Sache aus-
gesetzt würde, und nachdem diese erledigt war, erhielt er im Mai
1699 von Bossuet die Weisung, nicht auf eine Wiederaufnahme der
Untersuchung zu dringen, zumal auch der Erzbischof Noailles, der
Cardinal werden wollte, sich nicht durch ein nochmaliges Denunciren
des Buches von Sf. missliebig machen wollte (Bossuet 42, 465. 518).
— Eine Sammlung von scharfen Kritiken des Buches: Augustiniana
Ecclesiae Rom. doctrina a Card. Sfondrati Nodo extricata per varios
S. Aug. discipulos, Col. 170<), von Uuesnel und seinen Freunden
herausgegeben, wurde der Assembl^e du Clerge von 1700 übersandt
und Bossuet legte dieser auch einige Sätze aus den Büchern von Sf.
und Gabrielli zur Censur vor (Bausset 3, 249). Die Assemblee
glaubte aber, wie Bossuet (38, 102) sagt, den guten, wohlgesinnten
und Frankreich wohlwollenden Papst menagiren zu müssen, und er-
klärte, sie wolle sich über das Buch von Sf., da der Papst eine
Prüfung desselben zugesagt, nicht aussprechen, müsse aber einige
1) Vgl. I, 341. 484. Die Schrift von Gabrielli ist gerichtet gegen
Hennebels Propositiones 40 excerptae ex 1. cni tit. Nodus praed., adjunctis
quibusdam notis. 1696 verfasst, abgedr. in der Sammlung Angustiniana
Eccl. Rom etc. Ueber diese s. C.Qu. p. 255. Eine kleine Satire: Appendix
ad Nodum Sfondratianum s. litterae parvulorum sine baptismo mortuorum
scriptae e limbis ad suae quietis perturbatores, Col. 1698*, wurde Serry
zugeschrieben, von diesem aber abgeleugnet; Opera I p. XL
Maariner-Ausgabe des Aagustinus. 685
Sätze in der Vorrede des ihr übersandten Werkes, dass der Janse-
nismus ein blosses Phantom sei und dgl., rtigen (Recneil des actes
1, 713). Sf/s Buch wurde in Eom nicht censurirt ; dieüutersuchung
desselben scheint gar nicht wieder aufgenommen worden zu sein.
Aber auch die Sammlung von 1700 wurde nicht verb. (im span.
Index von 1747 steht sie;.
6. Die Mauriner galten als Jansenisten; es war darum zu er-
warten, dass man ihre Ausgabe der Werke des h. Augustinus scharf
prüfen werde. Die beiden ersten Bände, von Frangois Delfau bear-
beitet, erschienen 1678 und 79, die folgenden 8, von Thomas Blam-
pin in Verbindung mit anderen, 1679 — 90. Der 10. Band wurcfe
angegriffen, weil sich darin vor dem Buche de correptione et gratia
eine Analytica Synopsis doctrinae dieses Buches befand, die aus der
von Arnauld 1644 veröffentlichten Ausgabe desselben entnommen
war. Der Erzbischof Harlay machte dem General-Superior Dom
Boistard darüber Vorstellungen ; dieser erklärte: Blampin sei ersucht
worden, die Analyse, die ja 1644 mit Approbation erschienen sei,
besonders drucken zu lassen, damit diejenigen, die es wünschten, sie
dem Bande beifügen könnten; der Drucker habe sie ohne sein Vor-
wissen mehreren Exemplaren beigefügt; er werde aber dafür sorgen,
dass sie aus allen noch vorhandenen Exemplaren entfernt werde.
Blampin wurde zur Strafe seines Amtes als Sous-Prieur von St. Ger-
main entsetzt, aber nicht, wie P. de la Chaise verlangte, von Paris
entfernt^). — Neun Jahre nach der Veröffentlichung des 10. Bandes
begann eine neue Polemik über denselben. In einer Lettre de
rabb6 de *** aux RR. PP. de la Congr^gation de Saint Maur snr
le dernier tome de leur Edition de St. Augustin, Col. (Paris 1699),
72 S. 12., wurde auf Irrthiimer bezüglich der Gnadenlehre hinge-
wiesen, die sich in den Noten des Bandes fänden. Die Lettre gab
sich als französische Uebersetzung eines lateinischen Briefes eines
deutschen Abtes, ist aber von dem Jesuiten Jean Bapt. Langlois
(1663 — 1706). Da die Mauriner nicht antworteten, veröffentlichte
Langlois noch in demselben Jahre Lettre d*un abb6 commendataire
aux RR. PP. Ben^dictins de la Congr. de St. Maur, 27 S. 12., worin
gesagt wird, die Mauriner thäten wohl daran, zu schweigen, und
Lettre d'un Benedictin non r^form^ aux RR. PP. B^n. de la Congr.
de St. Maur, 21 S. 12., worin ihnen vorgehalten wird, sie müssten
antworten. Noailles und Bossuet riethen ihnen, nicht offiziell, aber
in anonymen Broschüren zu antworten, und so erschienen denn noch
1) Hist. litt, de la Congregation de St. Maur (von R. Fr. Tasain),
p. 289 (darin p. 301 : Precis des contestations au sujet de la nouvelle
edition de S. Aug.). Backer 8. v. Langlois. Polybiblion 31, 478; 32, 383;
84, 192. — Die Analyse (bei Arn. U, 649) ist in dem zu Antwerpen
(Amsterdam) 1703 erschieneneu Nachdruck wieder beigefügt; in diesem
steht auch eine Appendix Augustiniana von Phereponius (Jean Le Clerc).
Der Mauriner FranQois Gesver (f 1705) schrieb Defensio Arnaldina s. Ana-
lytica Synopsis . . ab A. Arnaldo . . . 1644 edita ab omnibus reprehen-
sorum calumniis vindicata, Antw. (Reims) 1700.
686 Mit der Jansen, zosmmmenhmngende ControTenen.
1699 Lettre d*nn theologien a ud de ses amis snr un libelle, qid a
pour titre : Lettre de Tabbe de ***. . . , Plainte de Tapologiste des Beiie-
dictinsa MM. les prelats de France (beide von Francis Lamy, i* 1711)
und Reflexions sar la lettre dan abbe allemand . . . (von Denjs de
Sainte-Martbe, t 1725). Langlois schrieb nnn noch Memoire d^iin
Docteur en Theo!, a MM. les prelats de France snr la reponse d'nn
th^logien des PP. B^ned s. L 1699, 128 S. 8., worauf
Sainte-Marthe mit Lettre a nn Doctenr de Sorbonne toncbant le Me-
moire . . . antwortete. Es erschienen noch mehr Schriften von
beiden Seiten; der KOnig Hess im Nov. 1699 durch den Enbiscfaof
den Snperioren beider Orden die Fortsetzung des Streites unter-
sagen ^i. — Montfaucon . der damals eben in Rom war, Hess dort
mit Approbation des Mag. S. Pal. 1G99 drucken: Vindiciae editionis
S. Aug. a Benedictinis adomatae adversus epistolam abbatis ger-
mani, auth. D. B. de Riviere. Am 2. Juni 1700 wurden die vier
Schriften von Langlois < keine andere über diese Controverse) rerb.
(das Decret bei Tassin p. 306; im span. Index stehen sie nicht, aber
Poeme sur les ecrits des Jesuites contre la nonvelle edition de 8.
Aug.). — Im J. 1700 erschien der letxte. 11. Band der Ausgabe
des Augustinus. Die darin stehende Praefatio generalis ist von Ma-
billon geschrieben, aber von den Bischöfen, denen sie vorgelegt
wurde, stellenweise geändert« so dass die Schüler des h. Augustinus
von der strengem Observanz unzufrieden damit waren (Tassin p. 358.
309'. Clemens XI. belobte in einem Breve vom J. 1706 an den
General-Superior die Mauriner für ihre Ausgaben der Kirchenväter.
Die Anfeindungen der Ausgabe des Augustinus hörten mit dem
J. llOv nicht auf. Im März 1701 schreibt Montfiiucon aus Rom
(Talery 3. 1 1 1 ) : Die Jesuiten von Toulouse baben ein Factum ge-
macht, worin sie alle Anklagen gegen die Ausgabe erneuern und
sagen, unser General habe eiDgestanden. dass Ketzereien darin stan-
den, und die Praefatio generalis gebe das auch zu. — 1712 behaup-
tete der Basilianer Jo. Chrrs. Scarpho iScarfo» zu Neapel in einem
anter dem Xamen Grisofano Gardieletti geschriebenen Briefe« den
Montfaucons Geifer Ficoroni drucken liees. die Mauriner hatten 8
Sitze im Jansenistischen Interesse gefälscht. Der General-Procniator
des Ordens in Rom beklagte sich, und Scarpho wurde vor die In-
1 k Zu erwähnen ist wegen eines MtssTerstindnisses Lettre d*an eode-
siastiqae au R. P E. L. J sor cell«, qa'il a ecrite aox RR. PP. Bened.
. . . Osnabrück i?> lo99. Mit E. L J. ist Emeric Langlois Jcsuite gemeint;
aber nicht dieser, sondern Jean Bapt. Langiois ist der Terfuser derLeltzes.
In der 2. rermelirtea Ausgabe. Liege 17W. steht auf dem Titelblatt an
R> P- L. J. — Der Maariner Tincent Thoillier (t 1736) hatte, als er noefa
AppeUant wir. eine Uist des contestauioos arrivees entre les Jesuites et
U Congr. de St. Maar an sojet de la noar. edition de St. Aug. geschrieben
und an CL P. Goajet geschickt« am sie dmeken zu laaeen, was <1^im1«
anterblieK Spater schickte ThoiUier die Histcnre ganz amgearbeitet an
B. P«z. der sie 17$.> tra 33. Bande der Bibtiotheca sermaaiea reroffent-
bellte^ Xon gab Goajet d«i nrsprunglichea Text mit Eialettang aad Noten
hef^fczzs. 1736 «Taein p. Sä». X. E. 1734x 1^4).
P. Lombert. N. Fontaine. 687
qnisition citirt und musste widerrufen^). — Im J. 1710 plante F6-
n^lon eine neue Ausgabe des Augustinus „mit guten Noten", für die
man in Eom eine Approbation oder eine Belobung erwirken müsse.
Le Tellier sollte ihm dabei durch zwei oder drei Theologen seines
Ordens helfen lassen (er nennt Germon und Lallemant) ; wenigstens,
schreibt er an Le Tellier, müsse man eine neue Ausgabe der Bücher
über die Gnade veranstalten „mit Noten, welche die der Benedictiner
discreditiren'*; denn es komme alles darauf an, den Jansenisten den
grossen Namen des h. Augustinus und die Maske des Thomismus
zu entreissen (Corr. 1, 385; 3, 242). Von der Ausgabe der Mau-
riner sagt er: sie hätten viel und nicht bloss lässlich darin gesün-
digt, und die Praef. gen. müsse der katholischen Kirche ebenso sehr
missfallen wie der Jansenisten-Secte (Oeuvres 15, 83).
Es sind hier noch zwei Uebersetzungen von patristisohen
Werken zu erwähnen. Les oeuvres de St. Cyprien traduites en fran-
5ois, avec des remarques et une nouvelle vie de St. Cyprien tir^e
de ses Berits, par M. Pierre Lombert, eine tüchtige Arbeit eines
Juristen, der sich den Einsiedlern von Port-Royal angeschlossen,
t 1710, wurde 1672 verb., wohl nicht bloss wegen der Weglassung
der Interpolationen in dem Buche de unitate ecclesiae; wenigstens
hat das Dict. Jans. 3, 187 auch an seiner Darstellung des Streites
zwischen Cyprianus und Stephanus vieles auszusetzen. — Ein anderer
der Einsiedler von Port-Royal, Nicolas Fontaine, f 1709, 84 Jahre
alt, veröffentlichte anonym: Homelies ou sermons de St. Jean
Chrysostome, archevesque de Constantinople, sur l'^pistre de S. Paul
aux Romains, Paris 1682, verb. 1687. Der 5. Band des ganzen
Werkes, die Homelies . . . sur les ^pistres h Tim., k Tite, k Phi-
16mon et aux Hebr<?ux, Par. 1690, steht nicht im Index, wurde
aber in Frankreich angegriffen, zuerst 1691 von dem Jesuiten Gabriel
Daniel in einer Lettre touchant une h^r^sie renouvel^e depuis peu.
und in einer lat. Dissertation, dann von dem Jesuiten Edme Rivi^re
in Le Nestorianisme renaissant denonce ä la Sorbonne, 1693; dagegen
schrieb Quesnel Le roman seditieux du Nest, renaissant convaincu
de calomnie et d'extravagance, 1693, 4., worauf Daniel in einer
Lettre apolog^tique antwortete (Backer 1, 241). Es wurde Fontaine
namentlich zum Vorwurf gemacht, dass er zwei Stellen der Homilieen
zum Hebräerbrief so übersetzt hatte, als ob Chrysostomus von zwei
Personen in Christus rede ; er war eben, wie S.-Beuve 2, 244 sagt,
ni th^ologien tres-sur, ni helleniste sans appel. Dass er aber nichts
weniger als eine böse Absicht gehabt (im Dict. Jans. 2, 236 fehlt
die Anklage nicht, er habe an der rialisation du projet de Bourg-
fontaine mit gearbeitet), zeigt ein Brief an den Erzbischof Harlay
vom 4. Sept. 1693 und eine demselben beigelegte Retractation , die
er dem Bande beifügen wollte, der ausserdem durch Cartons corrigirt
wurde (Arg. III b 386). Der Erzbischof verbot gleichwohl das
Werk. Ein Avertissement de Tauteur de la traduction des homelies,
1) Tassin p. 309. 791. Muratori, Lottere ined. p. 278.
688 Mit der Jansen, zusammenhangende Cnntrovenen.
worin gezeigt werden soll, dass er richtig übersetzt und dass auch
andere Kirchenväter 8ich so ausgedrückt, ist nicht von Fontaine,
wie er in einem zweiten Schreiben an den Erzbischof vom 1 2. März
1694 (Arg. III b 388) ausdrücklich erklärt ^j.
7. Durch ein Breve Clemens' XI. vom 28. Jan. 1704 (Bull,
cont. 2, 25. Arg. III b 442) wurde unter Androhung der Excomm.
1. sent. verb. Veritable tradition de TEglise sur la Prädestination
et la gr&ce, par Mr. de Launoy, Liege 1703, 127 S. 12., als ein
Buch, welches die Cardinäle der Inq. als libellum ad minus impium,
blasphemum, nee non . . . S. Augustino (cujus praecelsam doctrinam
Bom. Pontifices magno semper in pretio habuerunt totoque mentis
affectu amplexi faerunt), quinimo ipsimet Ecclesiae atque Apost. Sedi
injuriosum bezeichnet hätten. Die Schrift (abgedr. Opp. I, 2, 1065;
vgl. IV, 2, 445) ist wahrscheinlich nicht von Launoy, sondern von
seinem Schüler Louis de Marais, gibt aber, von der Ausführung ab-
gesehen, Launoy's Ansicht wieder, wie sie Am. 3, 531 darstellt:
Launoy s'etait mis dans la tete qu*il y avait deux sentiments dans
TEglise touchant la grice. Tun de St. Augustin et de ceux qui IV
vaient suivi, Tautre des peres qui Tavaient pr^cede et des Semip^-
lagiens, et qu'on ne devait condamner personne sur Tune on l'antre
de ces deux opinious. R. Simon, Lettres I, 278, schreibt schon
1690: die Schrift sei in Abschriften in vielen Händen; einer von
Launoy 'r Schülern habe ihm eine Abschrift gegeben; er habe an-
fangs geglaubt, sie könne nicht von Launoy sein, der zwar von den
Autoren vor Anselm nicht viel gewusst habe, aber doch nicht so
grobe Fehler, wie sie in der Schrift vorkämen, gemacht und nicht
den Pseudo-Dionysius und den Pseudo-Clemens citirt haben würde.
Simon kam in den Verdacht, die Schrift herausgegeben zu haben
(Ingold , Essai p. 159). — Der Jesuit Gabr. Daniel schrieb
dagegen Defense de St. Aug. contre un livre sous le nom de Lau-
noy, oü Ton fait passer ce saint pere pour un novateur sur la pr^
destination et sur la gr&ce. Par. 1704 (auch in seinem Recueil de
divers ouvrages, 1724, IL 219 u und der Dominicaner Serry D. Au-
gustinus summus praedestinationis et gratiae doctor a calumnia vin-
dicatus adv. Jo. Launoii tractatum peculiari Clementis XI. decreto
nuper inustum, 1704, 424 S. 8. Später deutete Serry in einer
Epistola Jo. Launoii ex Elyseo ad Creneralem Soc. Jesu Praepositum
data. In Campis Elyseis 1705, 24 S. 12. (Opp. Launoii I, 1105),
an, Launoy habe seine Bemerkungen gegen Aug. aus den Schriften
der Jesuiten. Darauf erschien eine lettre du P. D(aniel) Jesnite
au P. Ant. Cloche, Gen. de TOrdre de St. Dom., touchant le livre
du P. Serry contre Launoy et touchant une imprim^e contre les
J^suites, 1705, 39 S, 12., worauf noch einige Streitschriften von
beiden Seiten folgten (Quetif 2, 803. Hurter 2, 180). Le Molinisme,
1) Racine V2, 85«. Recueil des divers ouvr. du F. Daniel, Par. 1724,
3, 569. Racine und Goujet im Suppl. k Morery halten das Avert. für echt
Ntcli Diot. Jans. *2, 289 ^^-ire es von Dupin.
J. Laanoy. G. J. Tricassinus. J. Le Noir. 689
Systeme thiol. le plns ancien, le plns sür et le plus raisonnable,
1 732, ist eine Art von Edition rechaufF^e des Buches von Laanoy
von dem Ex-Oratorianer Dueil (N. E. 1733, 154. 189).
Ein Bnch, welches 1686 zu Paris anonym erschien unter dem
Titel Theologie morale de S. Augustin, oü le precepte de Tamour
de Dien est traite k fond etc., — der Verfasser ist Dr. Michel
Bourdaille, Generalvicar zu La Rochelle, f 1694, — bot Anlass zu
der Schrift Morale relftch^e (corrompue) des pr6tendus disciples de
S. Augustin denoncee k TAssembl^e du Clerge de France, Li6ge s. a.
Die Assembl^e von 1700 censurirte zwei Sätze daraus (No. 114. 115).
Die Jansenisten für die Theologie verantwortlich zu machen, war
man aber nicht berechtigt, da Amauld die betreffenden Sätze schon
1686 scharf getadelt hatte und Quesnel erklärte, der Verfasser habe
nie zu den Messieurs de Port-Eoyal gehört. In den Index ist das
Bnch nicht gekommen ^). — Dagegen wurde Gratia efficax a se ipsa
refutata ex libris S. Augustini per P. Carolum Josephum Tricas-
sinum, Mog. 1687, verb. 1693. Der Verfasser war ein Capuciner
aus Troyes, der viele Schriften verfasst hat, um Augustinus für die
Molinisten zu vindiciren (Hurter 2, 410).
Jean Le Noir, seit 1652 Canonicus und Th^ologal zu S6ez,
t 1692 zu Nantes, wurde zu den Jansenisten gezählt 2). Die Schriften,
die von ihm im Index stehen, haben aber mit dem Jansenismus
nichts zu schaffen. Eine ist S. 326 besprochen ; die zwei anderen
sind heftige Streitschriften gegen französische Bischöfe, namentlich
gegen den sittenlosen Erzbischof Harlay: Lettre de M. Le Noir,
Th6ol. de S^ez, k Son Alt. Roy. Mad. la Duchesse de Guise sur le
sujet de Therosie de la doroination episcopale qu^on 6tablit en France,
Col. 1679, von der Inq. verb. 1681; — L'evesque de cour op-
pos^ k Tevesque apostolique. Premier entretien sur l'ordonnance de
M. l'ev. d'Amiens contre la traduction du N. T. en frangais imprim^e
k Mons, und Second entretien, oü Ton fait voir, de quelle maniöre
1) Am. 3, 11. Dict. Jans. 4, 92. (Lallemant), Le v6rit. esprit
p. 916. 1000.
2) Morery, Suppl. 8. v. — S.-Beuve 5, 327 (p. 518 zählt er andere
Le Noirs auf) sagt: er rcpräseiHire die äusserste Linke der Partei und sei
von Amauld desavouirt worden. Arnauld missbilligte aber nur seine
Schriften, und spricht sonst von ihm mit grosser Achtung. „Man hat ihn
schon zum dritten Male in ein anderes Gefängniss gebracht, schreibt er
1687 (3, 50); aber er ist überall zufrieden und wird von seinen Wächtern
wie ein Heiliger angesehen; denn er ist sehr fromm, wiewohl sein Eifer
nicht immer gut geregelt ist." Den Bischof von Seez verklagte er bei
dem Könige, weil er nicht gegen einen Catechismus einschritt, in welchem
gesagft war, es gebe 5 göttliche Personen, die Object der Devotion seien,
Christus, Maria, Joseph, Joachim und Anna, und Christus sei im Sacra-
ment wie das Hühnchen im Ei. Wegen seiner Angriffe gegen Harlay
wurde er 1684 zur Abbitte und zu den Galeeren verurtheilt; die Abbitte
leistete er nicht (er hörte das Vorlesen derselben stillschweigend an), und
zu den Galeereru wurde er nur verurtheilt, damit man diese Strafe in
lebenslängliches Gefängniss umwandeln könne, wozu damals in Frankreich
direct niemand verurtheilt wurde (Arnauld 3, 49).
Reuach, Index II. 44
680 Mit der Jansen, zasammenhangende ControTeraen.
les paroles qni paraissent injniieuses contre les superieurs eecL, ne
le sont pas tonjonrs, qne les evesques de conr sont la cause de tous
les maox de l'Egl., et comment, sans en etre chassez, ils oessent
d'etre evesques et perdent leur caractere et leur antorit^ selon les
Canons etc., Col. 1674 ^ 240 S. 16., verb. 4. Dec. 1674. Es folgten
noch 4 weitere Entretiens unter demselben Titel (No. 4 — 6 in einem
Tome 2., Col. 1682*), worin Le Noir nachzuweisen sucht: ein Bi-
schof, welcher sich der Haeresie schuldig mache, verfalle der Excom-
munication; ein notorisch excommunicirter Bischof höre auch vor
seiner förmlichen Absetzung auf, Bischof zu sein ; als Haeresie sei bei
einem Bischof anzusehen jede Verletzung der Canones verbunden mit
ünverbesserlichkeity notorische Simonie, Tyrannisiruug der Geist-
lichen, speciell Benutzung der Lettres de cachet gegen sie, Ver-
letzung der Besidenzpflicht u. s. w. Er spricht in den ech&rfsten
Ausdrücken über das ungeistliche Leben der Hof bischöfe, und wendet
sich in No. 6 direct gegen den £lrzbischof Harlay, den er einen
Com6dien, einen Filou mitr^ und dgl. nennt und u. a. beschuldigt, er
habe sich seine Verfolgung 10,000 Livres kosten lassen. In den
älteren Indices stehen nur die beiden ersten und harmloseren E«n-
tretiens; erst Ben. hat die anderen mit dem Datum 10. Mai 1757
beigefügt.
8. Von deutschen Theologen finden wir nur ganz vereinzelt
Schriften über die Jansenistische Controverse im Index, von dem
Dominicaner Seb. Enippenberg, — er stammte aus Brabant, war
aber Professor und apostolischer Inquisitor in Köln (Paquot 1, 68),
— Opusculum: doctrina S. Thomae in materia de gratia ab errori-
bus ipsi falso impositis liberata. Adjungitur compendinm doctrinae
C. Jansenii . . in 5 famosis propositionibus illius damnatae, Col.
1718, 204 S. 8. (nach L. de Meyer 2, 355 verwirft er die Praede-
terminatio physica im Sinne des Bafiez), — und Opusculum contra
librum auctoris anonymi intit : Praedicatorii Ordinis fides et religio
vindicata, Col. 1721 (gegen den Dominicaner Jo. van Bilsenj, —
beide verb. 1722. — Aus Spanien kam in den Index: De divina
scientia et praedestinatione, auth. P. Michaele Avendafto Eztenaga
S. J., in Civitate Lassionensi vulgo San Sebastian 1674, 3 Fol. verb.
1685. — Von einem andern spanischen Jesuiten, Christoph, de
Ortega, f 1686, 90 J. alt, rühren nach Serry p. 81 die zwei Satze
her, welche durch ein Decret der Inq. 23. Nov. 1679 als mindestens
temerär und neu verdammt wurden: „Gott schenkt uns seine All-
macht, damit wir sie gebrauchen, wie jemand einem andern ein
Landgut oder ein Buch schenkt. Gott unterwirft uns seine Allmacht."
Sein Werk De Deo uno. Tomtis I. Controversiarnm dogmaticarum
scholasticarum de essentia, attributis non vitalibus, de scientia et
decreto concurrendi cum causis liberis. Opus schoUs theologicis et
S. Inquisitionis censoribus (er war selbst Censor) perutile, in quo,
quidquid hactenus pro scientia media vel adstruenda vel impngnanda
a variis auctoribus tentatum est, radicitus examinatur et docti auc-
toris penu illustratur et angetur. Ed. noviss., Lugd. 1671, FoL,
wurde erst 1722 verb. Der gleichzeitig erschienene 2. Band, der
S. Knippenberg. M. Avendafio. Chr. Ortega u. a. 691
u. a. de praedestinatione et reprobatione handelt, wurde nicht verb.
Im span. Index steht von ihm nnr Allegatio theologica pro illa pro-
poflitione: Dens assumpsit hominem, Toledo 1657.
Von italienischen Schriften stehen im Index : L'incertezza ac-
certata circa la predestinatione deW haomo. Si sciolgono alcnni
dnbbii curiosi e divuoti per consolatione e quiete de* fedeli. Dal
Rev. P. Frat' Andrea da S. Tomaso (Augustiner, Genua 1654),
verb. 1659 und nochmals 1662 (Alex. No. 76; Hurter 1,721); —
Nova concordia praedestinationis divinae cum libertate voluntatis
oreatae, auctore Gregorio de Sebenico, Ven. 1665, 12., verb. 1667.
Der Verfasser war ein Carmeliter aus Dalmatien; er verwirft die
Ansichten der Thomisten und der Molinisten und versucht eine neue
Ansicht zu begründen (Bibl. Carmelit.). — Jos. de Vita, Dominicaner
in Sioilien, f 1677, gab heraus: Tractatus sex duobus tomie distri-
buti, quorum tomus 1. tractatum de proprio et per se principio, unde
provenit peccatum in actionibus voluntariis, continet, Palermo 1665,
Fol., worin er die Thomistische Praedeterminatio bekämpft. Der
General Thomas Turchi befahl 1663, als das Buch unter der Presse
war, dasselbe nach Rom zu schicken, und verbot 1666 es zu ver-
kaufen. Vita gehorchte aber nicht. Der folgende General Jo. Thom.
de Rocaberti verbot dann 1674 in einem Circular den Dominicanern
das Buch zu lesen, es sei denn, um es zu widerlegen. Der 2. Theil
wurde in Rom zurückbehalten und nicht gedruckt. Die Jesuiten L.
de Meyer und Jac. Platel beuteten den 1. Band aus. Es ist auf-
fallend, dass er nicht in den Index gebracht wurde ^). — Contro-
versiae dogmaticae adv. haereses utriusque orbis in tres tomos die*
tributae, auct. Fr. Liberio a Jesu, Carmelita Excalceato. Tom. 1.,
Rom 1701, von der Inq. mit d. c. verb. 1703. Der Verf. war 36
Jahre Professor der Controversen im Seminar seines Ordens und von
Innocenz XII. zum Studien präfecten in der Propaganda ernannt, wurde
aber nach dem Verbote seines Buches abgesetzt, f 1718. Die Stelle,
an der die Inq. Anstoss nahm, klingt allerdings im Munde eines Römi-
schen Theologen naiv. Er antwortet auf eine Einwendung des Ve-
drosus haereticus : die Jansenisten hätten sich bezüglich der Quaestio
juris dem h. Stuhle demüthig unterworfen und verlangten nur, ge-
hört zu werden bezüglich der Quaestio facti, ob die 5 Sätze in dem
Buche des Jansenius ständen und ob er sie in dem Sinne verstan-
den, in welchem sie verdammt worden seien ; at vero in quaestio-
nibus facti Apost. Sedes non est judex infallibilis. 1710 erschien
zu Rom eine neue Ausgabe, in welcher ein Blatt mit einer demtt-
thigen Retractation eingeheftet ist (A. E. 1710, 398). Diese Ausgabe
wird im Index nicht ausdrücklich freigegeben ; ' aber bei dem Ver-
bote steht editionis Romae 1701 2).
1) Harter 2, 22. Mich. a. S. Jos. 3, 134. Franc. Janssens Elinga,
0. P., Veritas manifestata pro auctoritate Fr. Thomae Turci, Mag. Ordi-
nis, circa praedet«rminationem physicam; item decretum Fr. Jo, Th.
de Rocaberti, Ord. Mag., contra operaFr. Jos. de Vita, Antw. 1675, 48 S. 4.
2) Biblioth. Carmel. 2, 252. 1032. Hurter, 2, 656. Aus seinem Nach-
lasse wurden noch 7 Bände Controversiao zu Mailand 1743—54 gedruckt.
692 Gas de oonsoience von 1702.
67. Der Cas de conscience yon 1702.
Im J. 1702 wurde einer Anzahl von Doctoren der Sorbonne
die Anfrage eines Beichtvaters vorgelegt, ob er einen Geistlichen
absolviren dürfe, der nach seinen eigenen Erklärungen folgende
Ansichten habe (sie verdienen hier mitgetheilt zu werden als
eine Zusammenfassung der Ansichten, die damals die «Jan-
senisten*' überhaupt vertraten):
1. Die 5 Sätze verdammt er einfach und rückhaltlos in jedem
Sinne, in welchem die Kirche sie verdammt hat, auch im Sinne des
JanseniuB in der Weise, wie Innocenz XII. 1694 erklärt [S. 643] hat;
er hat auch in dieser Weise das Formular unterzeichnet. Was das
Factum betrifft, so hält er eine Soumission de respect et de silence
unter das, was die Kirche in dieser Hinsicht entschieden hat, für
genügend, und er glaubt, so lange man ihn nicht juridisch tiber-
führen könne, einen der 5 Sätze vertheidigt zu haben, dürfe er ge-
mäss dem von der letzten Assemblee du Clerge (von 1700) ange-
nommenen Breve Innocenz' XII. nicht verdächtigt werden. — 2.
£r nimmt eine Praedestinatio gratuita et praecedens praevisionem
meritorum und eine Gratia efücax ex se ipsa, die zu jedem guten
Werke nothwendig ist, an, weil er überzeugt ist, dass dieses die
Lehre des h. Augustinus ist. Er erkennt an, dass es innere Gnaden
gibt, welche die Erfüllung der göttlichen Gebote möglich macheni
aber in Folge des Widerstandes des menschlichen Willens nicht
ihre volle Wirkung haben. — 3. Er glaubt, dass man Gott über
alles lieben und virtuell alles auf ihn beziehen muss und dass
Handlungen, die nicht wenigstens virtuell auf Gott bezogen werden
und nicht irgendwelche Regung der Liebe zum Motiv haben, Sünden
sind, wenn sie auch mit Rücksicht auf ihr specielles Object und
auf ihren speciellen Zweck gut sein können. — 4. Er erkennt an,
dass die Kirche nichts darüber entschieden hat. ob die Attrition
genüge, und dass die Attrition, welche in der Furcht vor Strafen
ihr Motiv hat, gut ist, weil diese Furcht eine Gabe Gottes ist; aber
damit diese Attrition eine genügende Disposition für den Empfang
der sacramentalen Lossprechung sei, muss zu dem Motive der Furcht
ein Anfang der actuellen Liebe Gottes über alles hinzukommen. —
5. Um der Messe in gebührender Weise beizuwohnen, muss man ihr
mit Andacht und, wenn man sich einer Todsünde schuldig weiss,
im Geiste der Busse beiwohnen ; wer ihr beiwohnt mit dem Willen
und der Neigung (affection) zur Todsünde ohne irgend eine Regung
der Busse, begeht durch diese schlechte Disposition eine neue Sünde.
— 6. Es ist für jeden Christen sehr nützlich, viel Devotion gegen
die Heiligen, namentlich die h. Jungfrau zu haben; aber diese be-
steht nicht in den eitelen Wünschen und oberflächlichen üebungen,
die sich bei gewissen Schriftstellern finden, sondern in einer grossen
Cas de oonsoience von 1702. 698
Liehe zur h. Jungfrau, voll Achtung und Ehrfurcht, welche hewirkt
daas man sich freut über die Gnadenerweisungen, die ihr von Gott
zu Theil geworden, welche zur Nachahmung ihrer Demuth und ihrer
anderen Tugenden antreibt, welche hegleitet ist von Vertrauen auf sie
wegen ihres Ansehens bei ihrem göttlichen Sohne und welche bewirkt,
dass man sich an sie als eine mächtige Fürsprecherin wendet. £r
missbilligt es aber, dass man predigt, man müsse auf sie ebenso
viel, ja mehr Vertrauen setzen als auf Gott, sie rette vor den ewigen
Strafen Seelen, welche die Gerechtigkeit ihres Sohnes dazu ver-
dammt .... — 7. Bezüglich der Empfängniss der h. Jungfirau ist
er bereit zu glauben, was die Kirche darüber zu entscheiden für
gut findet; an die unbefleckte Empfängniss glaubt er nicht, da die
Bulle Alexanders VII. die Frage nicht entscheidet, hütet sich aber,
dieser Bulle entsprechend, etwas gegen diese Meinung zu sagen. —
8. Er liest Arnaulds Buch von der häufigen Communion, Saint
Cyrans Briefe, die Heures von Dumont, die Moral von Gr^noble,
die Conferenzen von LuQon und das Bituel d'Aleth, weil alle
diese Bücher von mehreren Bischöfen und Doctoren approbirt und
in allgemeinem Gebrauche sind, und das Rituel vom Papste nur
durch üebereilung (par surprise) verdammt worden ist, da derselbe
Papst, der es 1688 verdammt hat, ohne eine Retractation zu ver-
langen, an den Bischof von Aleth 16. Jan. 1689 ein Breve mit an-
erkennenden Ausdrücken über seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit
gerichtet hat. — 9. Er hält es für nicht verboten, das Lesen der
Bibel in der Volksprache zu empfehlen. Das Verbot des N. T.
von Mons durch den Erzbischof von Paris sieht er als nur für
dessen Diöcese bindend an.
Vierzig Doctoren der Sorbonne, darunter Petitpied, Dupin,
Natalis Alexander und V^ron, unterzeichneten folgende Antwort
auf die Anfrage :
Die unterzeichneten Doctoren sind der Meinung, dass die An-
sichten des Geistlichen weder neu, noch eigenthümlich, noch von
der Kirche verdammt, noch endlich der Art sind, dass der Beicht-
vater, um ihm die Lossprechung zu ertheilen, von ihm verlangen
müsste, sie aufzugeben. Berathen in der Sorbonne 20. Juli 1702.
Sobald die beiden Actenstücke gedruckt erschienen, wurden
sie durch ein Breve Clemens' XI. vom 12. Febr. 1703 verdammt,
nochmals auf den Wunsch Ludwigs XIV. durch die Bulle Vineam
Domini Sabaoth vom 15. Juli 1705. In dieser Bulle waren alle
Ausdrücke sorgfältig vermieden, die ihre Reception in Frankreich
hätten erschweren können. Gleichwohl wurde sie in einer
solchen Weise in Frankreich recipirt, dass es darüber zu einem Zer-
würfnisse kam, welches erst 1711 durch einen diplomatischen
Ausgleich beseitigt wurde. Unter den mit dieser Angelegenheit
684 Mit der Jansen, zusammenhangende Controversen.
die Vertheidigung eines von ihm ernannten Cardinais müsse er Zeit
gewähren. Im Sept. 1698 schrieb Abb^ Chanterac an F6n61on
(Corr. 9, 461): man lasse die Sache ruhen unter dem Vorwande, dass
Fen61ons Angelegenheit die Inquisition ganz in Anspruch nehme; im
Grunde aber wolle man abwarten, ob die fünf Bischöfe nach der
Beendigung dieser Angelegenheit ihre Anklage erneuern würden.
Gleichzeitig schickte er Fen61on das Manuscript einer Vertheidigung
Sf.'s mit der Bemerkung: „Der Verfasser, den ich nicht nenne, der
aber ein Mann ist, welchem wir Dank schulden, lässt Sie bitten, das
Buch in Köln, Holland oder Flandern drucken zu lassen. Auch die
Curie würde es gern sehen, dass das Buch auswärts gedruckt würde,
damit sie nöthigenfalls sagen kann, sie habe nichts damit zu thuen.
Es ist mir ausdrücklich gesagt worden, die Curie würde für die
Vermittlung des Druckes dankbar sein." Fdnelon besorgte den
Druck des Buches: Dispunctio notarum XL, quas scriptor anonymos
Card. Sfondrati libro . . . inussit, Col. 1698, Der Verfasser war,
was in Rom kein Geheimniss war, Card. Gabrielli, der als Theologe
des Papstes Sf.*s Buch approbirt hatte. £r schrieb selbst später
an Fenelon (Corr. 2, 477) : der Papst habe die Veröffentlichung
seines Buches gewünscht, dasselbe habe aber auswärts gedruckt
werden müssen, da in Rom, was er sehr missbillige, nichts anonym
oder Pseudonym veröffentlicht werden dürfe. Nach den Römischen
Verordnungen sollte aber auch kein Römischer Schriftsteller ohne
Erlaubniss etwas auswärts drucken lassen^). — Bossuets Agent in
Rom war übrigens damit einverstanden, dass die Verhandlung über
Sf.*s Buch bis nach der Erledigung der Fen61on'schen Sache aus-
gesetzt würde, und nachdem diese erledigt war, erhielt er im Mai
1699 von Bossuet die Weisung, nicht auf eine Wiederaufnahme der
Untersuchung zu dringen, zumal auch der Erzbischof Noailles, der
Cardinal werden wollte, sich nicht durch ein nochmaliges Denunciren
des Buches von Sf. missliebig machen wollte (Bossuet 42, 465. 518).
— Eine Sammlung von scharfen Kritiken des Buches: Augustiniana
Ecclesiae Rom. doctrina a Card. Sfondrati Nodo extricata per varios
S. Aug. discipulos, Col. 17CH), von Uuesnel und seinen Freunden
herausgegeben, wurde der Assembl^e du Clerge von 1700 übersandt
und Bossuet legte dieser auch einige Sätze aus den Büchern von Sf.
und Gabrielli zur Censur vor (Bausset 3, 249). Die Assemblee
glaubte aber, wie Bossuet (38, 102) sagt, den guten, wohlgesinnten
und Frankreich wohlwollenden Papst menagiren zu müssen, und er-
klärte, sie wolle sich über das Buch von Sf., da der Papst eine
Prüfung desselben zugesagt, nicht aussprechen, müsse aber einige
1) Vgl. I, 341. 434. Die Schrift von Gabrielli ist gerichtet gegen
Henncbels Propositioncs 40 excerptae ex 1. cni tit. Nodus praed., adjunctis
quibusdam notis, 1696 verfasst, abgedr. in der Sammlung Augustiniana
Eccl. Rom etc. lieber diese s. C.Qu. p. 255. Eine kleine Satire : Appendix
ad Nodum Sfondratianum s. litterae parvulorum sine baptismo mortuorum
scriptae e limbis ad suae quietis perturbatores, Col. 1698*, wurde Serry
zugeschrieben, von diesem aber abgeleugnet; Opera I p. XI.
Maoriner-Ausgabe des Augustinus. 685
Sätze in der Vorrede des ihr übersandten Werkes, dass der Janse-
nismas ein blosses Phantom sei und dgl., rügen (Recueil des actes
1, 713). Sf.'s Buch wurde in Rom nicht censurirt; dieUntersuchnng
desselben scheint gar nicht wieder aufgenommen worden zu sein.
Aber auch die Sammlung von 1700 wurde nicht verb. (im span.
Index von 1747 steht sie).
6. Die Mauriner galten als Jansenisten; es war darum zu er-
warten, dass man ihre Ausgabe der Werke des h. Augustinus scharf
prüfen werde. Die beiden ersten Bände, von FranQois Delfau bear-
beitet, erschienen 1678 und 79, die folgenden 8, von Thomas Blam-
pin in Verbindung mit anderen, 1679 — 90. Der 10. Band wurcfe
angegrififen, weil sich darin vor dem Buche de correptione et gratia
eine Analytica Synopsis doctrinae dieses Buches befand, die aus der
von Arnauld 1644 veröffentlichten Ausgabe desselben entnommen
war. Der Erzbischof Harlay machte dem General-Superior Dom
Boistard darüber Vorstellungen ; dieser erklärte : Blampin sei ersucht
worden, die Analyse, die ja 1644 mit Approbation erschienen sei,
besonders drucken zu lassen, damit diejenigen, die es wünschten, sie
dem Bande beifügen könnten; der Drucker habe sie ohne sein Vor-
wissen mehreren Exemplaren beigefügt; er werde aber dafür sorgen,
dass sie aus allen noch vorhandenen Exemplaren entfernt werde.
Blampin wurde zur Strafe seines Amtes als Sous-Prieur von St. Ger-
main entsetzt, aber nicht, wie P. de la Chaise verlangte, von Paris
entfernt^). — Neun Jahre nach der Veröffentlichung des 10. Bandes
begann eine neue Polemik über denselben. In einer Lettre de
rabb6 de *** aux RR. PP. de la Congr^gation de Saint Maur sur
le dernier tome de leur Edition de St. Augustin, Col. (Paris 1699),
72 S. 12., wurde auf Irrthümer bezüglich der Gnadenlehre hinge-
wiesen, die sich in den Noten des Bandes fänden. Die Lettre gab
sich als französische üebersetzung eines lateinischen Briefes eines
deutschen Abtes, ist aber von dem Jesuiten Jean Bapt. Langlois
(1663 — 1706). Da die Mauriner nicht antworteten, veröffentlichte
Langlois noch in demselben Jahre Lettre d*un abb6 commendataire
aux RR. PP. Ben^dictins de la Congr. de St. Maur, 27 S. 12., worin
gesagt wird, die Mauriner thäten wohl daran, zu schweigen, und
Lettre d'un Benedictin non r6form6 aux RR. PP. B^n. de la Congr.
de St. Maur, 21 S. 12., worin ihnen vorgehalten wird, sie müssten
antworten. Noailles und Bossuet riethen ihnen, nicht offiziell, aber
in anonymen Broschüren zu antworten, und so erschienen denn noch
1) Hist. litt, de la Congregation de St. Maur (von R. Pr. Tassin),
p. 289 (darin p. 301 : Pr6cis des contestations au sujet de la nouvelle
Edition de S. Aug.). Backer s. v. Langlois. Polybiblion 31, 478; 32, 383;
84, 192. — Die Analyse (bei Arn. 11, 649) ist in dem zu Antwerpen
(Amsterdam) 1703 erschienenen Nachdruck wieder beigefügt; in diesem
steht auch eine Appendix Augustiniana von Phereponius (Jean Le Clerc).
Der Mauriner Frangois Gesver (f 1705) schrieb Defensio Arnaldina s. Ana-
lytica Synopsis . . ab A. Arnaldo . . . 1644 edita ab omnibus reprehen-
BOrum calumniis vindicata, Antw. (Reims) 1700.
686 Mit der Jansen, zusammenhangende Gontroversen.
1699 Lettre d*nn thäologien ä un de ses amis aar un libelle, qni a
pour titre : Lettre de l'abb6 de ***. . . , Plainte de Tapologiste des B^n^-
dictins k MM. les prelats de France (beide von Frangois Lamy, f 1711)
und Reflexions sur la lettre d'un abb6 allemand . . . (von Denye de
Sainte-Marthe, t 1725). Langlois schrieb nun noch Memoire d'un
Docteur en Theol. ä MM. les prelats de France sur la reponse d'un
th6ologien des PP. B6ned. . . ., s. 1. 1699, 128 S. 8., worauf
Sainte-Marthe mit Lettre ä un Docteur de Sorbonne toucbant Ic Me-
moire . . . antwortete. Es erschienen noch mehr Schriften von
beiden Seiten; der König Hess im Nov. 1699 durch den Erzbischof
den Superioren beider Orden die Fortsetzung des Streites unter-
sagen^). — Montfaucon , der damals eben in Rom war, Hess dort
mit Approbation des Mag. S. Pal. 1699 drucken: Yindiciae editionis
S. Aug. a Benedictinis adornatae adversus epistolam abbatis ger-
mani, auth. D. B. de Ri viere. Am 2. Juni 1700 wurden die vier
Schriften von Langlois (keine andere über diese Controverse) verb.
(das Decret bei Tassin p. 306; im span. Index: stehen sie nicht, aber
Poeme sur les ecrits des Jesuites contre la nouvelle Edition de S.
Aug.). — Im J. 1700 erschien der letzte, 11. Band der Ausgabe
des Augustinus. Die darin stehende Praefatio generalis ist von Ma-
billon geschrieben, aber von den Bischöfen, denen sie vorgelegt
wurde, stellenweise geändert, so dass die Schüler des h. Augustinus
von der strengem Observanz unzufrieden damit waren (Tassin p. 258.
309). Clemens XI. belobte in einem Breve vom J. 1706 an den
General-Superior die Mauriner für ihre Ausgaben der Kirchenväter.
Die Anfeindungen der Ausgabe des Augustinus hörten mit dem
J. 1700 nicht auf. Im März 1701 schreibt Montfaucon aus Rom
(Valery 3,111): Die Jesuiten von Toulouse haben ein Factum ge-
macht, worin sie alle Anklagen gegen die Ausgabe erneuern und
sagen, unser General habe eingestanden, dass Ketzereien darin stän-
den, und die Praefatio generalis gebe das auch zu. — 1712 behaup-
tete der Basilianer Jo. Chrys. Scarpho (Scarfo) zu Neapel in einem
unter dem Namen Grisofano Gardieletti geschriebenen Briefe, den
Montfaucons Gegner Ficoroni drucken liess, die Mauriner hätten 8
Sätze im Jansenistischen Interesse gefälscht. Der General-Procurator
des Ordens in Rom beklagte sich, und Scarpho wurde vor die In-
1) Zu erwähnen ist wegen eines Missversiändnisses Lettre d'un ecde^
siastique au R. P. E. L. J. sur celle, qu'il a ecrite aux RR. PP. Bened-
. . . Osnabrück (?) 1699. Mit E. L. J. ist Emeric Langlois Jesuite gemeint ^
aber nicht dieser, sondern Jean Bapt. Langlois ist der Verfasser derLettreS'^
In der 2. vermehrten Ausgabe, Liege 1700, steht auf dem Titelblatt ai«>
R. P. L. J. — Der Mauriner Vincent Thuillier (f 1786) hatte, als er nocl»
Appellant war, eine Hist des contestations arrivees entre les Jesuites et^
la Congr. de St. Maur au sujet de la nouv. edition de St. Aug. geschriebeir
und an Cl. P. Goujet geschickt, um sie drucken zu lassen, was damal9
unterblieb. Später schickte Thuillier die Histoire ganz umgearbeitet aa
B. Pez, der sie 1735 im 33. Bande der Bibliotheca germanica veröffent-
lichte. Nun gab Goujet den ursprünglichen Text mit Einleitung und Noten.
heraus, 1736 (Tassin p. 629. N. E. 1736, 124).
P. Lombert. N. Fontaine. 687
qnisition citirt und mnsste widerrufen^). — Im J. 1710 plante F^-
n^lon eine neue Ausgabe des Augustinus „mit guten Noten", für die
man in Rom eine Approbation oder eine Belobung erwirken müsse.
Le Tellier sollte ibm dabei durch zwei oder drei Theologen seines
Ordens helfen lassen (er nennt Gerraon und Lallemant) ; wenigstens,
schreibt er an Le Tellier, müsse man eine neue Ausgabe der Bücher
über die Gnade veranstalten „mit Noten, welche die der Benedictiner
discreditiren^'; denn es komme alles darauf an, den Jansenisten den
grossen Namen des h. Augnstinus und die Maske des Thomismus
zu entreissen (Corr. 1, 385; 3, 242). Von der Ausgabe der Mau-
riner sagt er: sie hätten viel und nicht bloss lasslich darin gesün-
digt, und die Praef. gen. müsse der katholischen Kirche ebenso sehr
missfallen wie der Jansenisten-Secte (Oeuvres 15, 83).
Es sind hier noch zwei Uebersetzungen von patristischeu
Werken zu erwähnen. Les oeuvres de St. Cyprien traduites en fran-
5018, avec des remarques et une nouvelle vie de St. Cyprien tir6e
de ses ecrits, par M. Pierre Lombert, eine tüchtige Arbeit eines
Juristen, der sich den Einsiedlern von Port-Royal angeschlossen,
t 1710, wurde 1672 verb., wohl nicht bloss wegen der Weglassung
der Interpolationen in dem Buche de unitate ecclesiae; wenigstens
hat das Dict. Jans. 3, 187 auch an seiner Darstellung des Streites
zwischen Cyprianus und Stephanus vieles anszusetzen. — Ein anderer
der Einsiedler von Port-Royal, Nicolas Fontaine, f 1709, 84 Jahre
alt, veröffentlichte anonym: Homelies ou sermons de St. Jean
Chrysostome, archevesque de Constantinople, sur l'6pistre de S. Paul
aux Romains, Paris 1682, verb. 1687. Der 5. Band des ganzen
Werkes, die Homelies . . . sur les ^pistres h Tim., k Tite, k Phi-
limon et aux Hebr<?ux, Par. 1690, steht nicht im Index, wurde
aber in Frankreich angegriffen, zuerst 1691 von dem Jesuiten Gabriel
Daniel in einer Lettre touchant une h^r^sie renouvel^e depuis peu.
und in einer lat. Dissertation, dann von dem Jesuiten Edme Riviere
in Le Nestorianisme renaissant denonce ä la Sorbonne, 1693; dagegen
schrieb Quesnel Le roman seditienx da Nest, renaissant convaincu
de calomnie et d'extravagance, 1693, 4., worauf Daniel in einer
Lettre apologetique antwortete (Backer 1, 241). Es wurde Fontaine
namentlich zum Vorwurf gemacht, dass er zwei Stellen der Homilieen
zum Hebräerbrief so übersetzt hatte, als ob Chrysostomus von zwei
Personen in Christus rede ; er war eben, wie S.-Beuve 2, 244 sagt,
ni th^ologien tres-sur, ni helleniste saus appel. Dass er aber nichts
weniger als eine böse Absicht gehabt (im Dict. Jans. 2, 236 fehlt
die Anklage nicht, er habe an der r^alisation du projet de Bourg-
fontaine mit gearbeitet), zeigt ein Brief an den Erzbischof Harlay
vom 4. Sept. 1693 und eine demselben beigelegte Retractation , die
er dem Bande beifügen wollte, der ausserdem durch Cartons corrigirt
wurde (Arg. III b 386). Der Erzbischof verbot gleichwohl das
Werk. Ein Avertissement de Tauteur de la traduction des homelies.
1) Tassin p. 309. 791. Muratori, Lettere ined. p. 278.
688 Mit der Jansen, zusammenliangende Controvenen.
worin gezeigt werden soll, das» er richtig übersetzt and dass auch
andere Kirchenväter sich so aasgedrückt, ist nicht von Fontaine,
wie er in einem zweiten Schreiben an den Erzbischof vom 1 2. März
1694 (Arg. III b 388) ausdrücklich erklärt i).
7. Durch ein Breve Clemens' XI. vom 28. Jan. 1704 (Bull,
cont. 2, 25. Arg. III b 442) wurde unter Androhung der Excomm.
1. sent. verb. Veritable tradition de TEglise sur la Prädestination
et la gr4ce, par Mr. de Launoy, Liege 1703, 127 S. 12., als ein
Bucb, welches die Cardinäle der Inq. als libellum ad minus impium,
blaspheraum, nee non . . . S. Augustino (cujus praecelsam doctrinam
Kom. Pontifices magno semper in pretio habuemnt totoque mentis
affectu amplexi fuerunt), quinimo ipsimet Ecclesiae atque Apost. Sedi
injuriosum bezeichnet hätten. Die Schrift (abgedr. Opp. I, 2, 1065 ;
vgl. IV, 2, 445) ist wahrscheinlich nicht von Launoy, sondern von
seinem Schüler Louis de Marais, gibt aber, von der Ausführung ab-
gesehen, Launoy's Ansicht wieder, wie sie Arn. 3, 531 darstellt:
Launoy s'etait mis dans la tete qu'il y avait deux sentiments dans
TEglise touchant la gr&ce, Tun de St. Augustin et de ceux qui l'a-
vaient suivi, Tautre des p^res qui Tavaient pr6c6de et des Semip6-
lagiens, et qu'on ne devait condamner personne sur Tune ou Fautre
de ces deux opinious. R. Simon, Lettres 1, 278, schreibt schon
1690: die Schrift sei in Abschriften in vielen Händen; einer von
Launoy's Schülern habe ihm eine Abschrift gegeben; er habe an-
fangs geglaubt, sie könne nicht von Launoy sein, der zwar von den
Autoren vor Anselm nicht viel gewusst habe, aber doch nicht so
grobe Fehler, wie sie in der Schrift vorkämen, gemacht und nicht
den Pseudo-Dionysius und den Pseudo-Clemens citirt haben würde.
Simon kam in den Verdacht, die Schrift herausgegeben zu haben
(Ingold , Essai p. 159). — Der Jesuit Gabr. Daniel schrieb
dagegen Defense de St. Aug. contre un livre sous le nom de Lau-
noy, oü Ton fait passer ce saint p^re pour un novateur sur la Prä-
destination et sur la gr&ce, Par. 1704 (auch in seinem Recueil de
divers ouvrages, 1724, II, 219), und der Dominicaner Serry D. Au-
gustinus summus praedestinationis et gratiae doctor a calumnia vin-
dicatus adv. Jo. Launoii tractatum peculiari Clementis XI. decreto
nuper inustum, 1704, 424 S. 8. Später deutete Serry in einer
Epistola Jo. Launoii ex Elyseo ad Generalem Soc. Jesu Praepositam
data. In Campis Elyseis 1705, 24 S. 12. (Opp. Launoii I, 1105),
an, Launoy habe seine Bemerkungen gegen Aug. aus den Schriften
der Jesuiten. Darauf erschien eine Lettre du P. D(aniel) J^suite
au P. Ant. Cloche, G6n. de TOrdre de St. Dom., touchant le livre
du P. Serry contre Launoy et touchant une imprim^e contre les
J^suites, 1705, 39 S. 12., worauf noch einige Streitschriften von
beiden Seiten folgten (Qu^tif 2, 803. Hurter 2, 180). Le Molinisme,
1) Racine 12, 356. Recueil des divers ouvr. du P. Daniel, Par. 1724,
3, 569. Racine und Goujet im Suppl. ä Morery halten das Avert. für ecbt.
Nach Dict. Jans. 2, 239 wäre es von Dupin.
J. Launoy. C. J. Tricassinus. J. Le Noir. * 689
Systeme thäol. le plus ancien, le plns sür et le plus raisonnable,
1 732, ist eine Art von Edition rechanff^e des Baches von Launoy
von dem Ex-Oratorianer Dueil (N. E. 1733, 154. 189).
Ein Buch, welches 1686 zu Paris anonym erschien unter dem
Titel Theologie morale de S. Augustin, oü le precepte de Tamour
de Dieu est trait^ k fond etc., — der Verfasser ist Dr. Michel
Bourdaille, Generalvicar zu La Rochelle, f 1694, — bot Anlass zu
der Schrift Morale relAch^e (corrompue) des pr^tendus disciples de
S. Augustin denonc^e k TAssembl^e du Clergä de France, Liege s. a.
Die AssembUe von 1700 censurirte zwei Sätze daraus (No. 114. 115).
Die Jansenisten für die Theologie verantwortlich zu machen, war
man aber nicht berechtigt, da Amauld die betreffenden Sätze schon
1686 scharf getadelt hatte und Quesnel erklärte, der Verfasser habe
nie zu den Messieurs de Port-Boyal gehört. In den Index ist das
Buch nicht gekommen ^). — Dagegen wurde Gratia efficax a se ipsa
refutata ex libris S. Augustini per P. Carolum Josephum Tricas-
sinum, Mog. 1687, verb. 1693. Der Verfasser war ein Capuciner
aus Troyes, der viele Schriften verfasst hat, um Augustinus für die
Molinisten zu vindiciren (Hurter 2, 410).
Jean Le Noir, seit 1652 Canonicus und Th^ologal zu S^ez,
t 1692 zu Nantes, wurde zu den Jansenisten gezählt^). Die Schriften,
die von ihm im Index stehen, haben aber mit dem Jansenismus
nichts zu schaffen. Eine ist S. 326 besprochen ; die zwei anderen
sind heftige Streitschriften gegen französische Bischöfe, namentlich
gegen den sittenlosen Erzbischof Harlay: Lettre de M. Le Noir,
Th^ol. de S6ez, k Son Alt. Boy. Mad. la Duchesse de Guise sur le
sujet de Therösie de la domination episcopale qu^on ätablit en France,
Col. 1679, von der Inq. verb. 1681; — L'evesque de cour op-
pos^ k Tevesque apostolique. Premier entretien sur l'ordonnance de
M. l'ev. d'Amiens contre la traduction du N. T. en franc^ais imprim^e
k Mons, und Second entretien, o\\ Ton fait voir, de quelle mani^re
1) Am. 3, 11. Dict. Jans. 4, 92. (Lallemant), Le v6rit. esprit
p. 916. 1000.
2) Morery, Suppl. s. v. — S.-Beuve 5, 327 (p. 518 zählt er andere
Le Noirs auf) sagt: or repräseutire die äusserste Linke der Partei und sei
von Arnauld desavouirt worden. Amauld missbilligte aber nur seine
Schriften, und spricht sonst von ihm mit grosser Achtung. ,,Man bat ihn
schon zum dritten Male in ein anderes Gefängniss gebracht, schreibt er
1687 (3, 50); aber er ist überall zufrieden und wird von seinen Wächtern
wie ein Heiliger angesehen; denn er ist sehr fromm, wiewohl sein Eifer
nicht immer gut geregelt ist." Den Bischof von Seez verklagte er bei
dem Könige, weil er nicht gegen einen Catechismus einschritt, in welchem
gesagt war, es gebe 5 göttliche Personen, die Object der Devotion seien,
Christus, Maria, Joseph, Joachim und Anna, und Christus sei im Sacra-
ment wie das Hühnchen im Ei. Wegen seiner Angriffe gegen Harlay
wurde er 1684 zur Abbitte und zu den Galeeren verurtheilt; die Abbitte
leistete er nicht (er hörte das Vorlesen derselben stillschweigend an), und
zu den Galeerern wurde er nur verurtheilt, damit man diese Strafe in
lebenslängliches Gefängniss umwandeln könne, wozu damals in Frankreich
direct niemand verurtheilt wurde (Arnauld 3, 49).
BeiMch, Indei II. 44
690 Mit der Jansen, zusammenhangende Controvenen.
las paroles qni paraissent injurieuses contre las superiaurs eccl^ ne
le sont pas toujours, qua las avesqaas de cour sont la cause de toua
las maux da TEgl., et commant, sans an etra chassaz, ils cesBcnt
d'atre avasquas et perdent leur caractere et leur aatorit^ selon lea
canons etc., Col. 1674*, 240 S. 16., verb. 4. Dac. 1674. Es folgten
noch 4 weitere Entratiens unter demselben Titel (No. 4 — 6 in einem
Tome 2., Col. 1682*), worin Le Noir nachzuweisen sucht: ein Bi-
schof, welcher sich der Haeresie schuldig mache, verfalle der Excom-
munication; ein notorisch excommunicirter Bischof höre auch vor
seiner förmlichen Absetzung auf, Bischof zu sein ; als Haeresie sei bei
einem Bischof anzusehen jede Verletzung der Canones verbunden mit
ünverbesserlichkeity notorische Simonie, Tyrannisiruug der Geist-
lichen, speciell Benutzung der Lettres de cachet gegen sie, Ver-
letzung der Eesidenzpflicht u. s. w. Er spricht in den schärfsten
Ausdrücken über das ungeistliche Leben der Hof bischöfe, und wendet
sich in No. 6 direct gegen den Erzbiscbof Harlay, den er einen
Com6dien, einen Filou mitr6 und dgl. nennt und u. a. beschuldigt, er
habe sich seine Verfolgung 10,000 Livres kosten lassen. In den
älteren Indices stehen nur die beiden ersten und harmloseren En-
tretiens; erst Ben. hat die anderen mit dem Datum 10. Mai 1757
beigefügt.
8. Von deutschen Theologen finden wir nur ganz vereinzelt
Schriften über die Jansenistiscbe Controverse im Index, von dem
Dominicaner Seb. Enippenberg, — er stammte aus Brabant, war
aber Professor und apostolischer Inquisitor in Köln (Paquot 1, 68),
— Opusculum: doctrina S. Thomae in materia de gratia ab errori-
bus ipsi falso impositis liberata. Adjungitur compendium doctrinae
C. Jansenii . . in 5 famosis propositionibus illius damnatae, Col.
1718, 204 S. 8. (nach L. de Meyer 2, 355 verwirft er die Praede-
terminatio physica im Sinne des BafLez), — und Opusculum contra
librum auctoris anonymi intit : Praedicatorii Ordinis fides et religio
vindicata, Col. 1721 (gegen den Dominicaner Jo. van Bilsenj, —
beide verb. 1722. — Aus Spanien kam in den Index: De divina
scientia et praedestinatione, auth. P. Michaele Avendafto Eztenaga
S. J., in Civitate Lassionensi vulgo San Sebastian 1674, 3 Fol. verb.
1685. — Von einem andern spanischen Jesuiten, Christoph, de
Ortega, f 1686, 90 J. alt, rühren nach Serry p, 81 die zwei Sätze
her, welche durch ein Decret der Inq. 23. Nov. 1679 als mindestens
temerär und neu verdammt wurden: „Gott schenkt uns seine All-
macht, damit wir sie gebrauchen, wie jemand einem andern ein
Landgut oder ein Buch schenkt. Gott unterwirft uns seine Allmacht."
Sein Werk De Deo uno. Tomus I. Controversiarum dogmaticarum
scholasticarum de essentia, attributis non vitalibus, de scientia et
decreto concurrendi cum causis liberis. Opus scholis theologicis et
S. Inquisitionis censoribus (er war selbst Censor) perutile, in quo,
quidquid hactenus pro scientia media vel adstruenda vel impugnanda
a variis auctoribus tentatum est, radicitus examinatur et docti auc*
toris penu illustratur et augetur. Ed. noviss., Lugd. 1671, Fol.,
wurde erst 1722 verb. Der gleichzeitig erschienene 2. Band, der
S. Knippenberg. M. Avendalio. Chr. Ortega u. a. 691
u. a. de praedestinatione et reprobatione bandelt, wurde nicbt verb.
Im span. Index steht von ihm nur Allegatio theologica pro illa pro*
positione: Dens assumpsit hominem, Toledo 1657.
Von italienischen Schriften stehen im Index: L'incertezza ac-
certata circa la predestinatione dell' haomo. Si sciolgono alcuni
dubbii curiosi e divuoti per consolatione e qaiete de' fedeli. Dal
Rev. P. Frat' Andrea da S. Tomaso (Augustiner, Genua 1654),
verb. 1659 und nochmals 1662 (Alex. No. 76; Hurter 1,721); —
Nova concordia praedestinationis divinae cum libertate voluntatis
creatae, auctore Gregorio de Sebenico, Ven. 1665, 12., verb. 1667.
Der Verfasser war ein Carmeliter aus Dalmatien; er verwirft die
Ansichten der Thomisten und der Molinisten und versucht eine neue
Ansicht zu begründen (Bibl. Carmelit.). — Jos. de Vita, Dominicaner
in Sioilien, f 1677, gab heraus: Tractatus sex duobus tomis distri-
butiy quorum tomus 1. tractatum de proprio et per se principio, unde
provenit peccatum in actionibus voluntariis, continet, Palermo 1665,
Fol., worin er die Thomistische Praedeterminatio bekämpft. Der
General Thomas Turchi befahl 1663, als das Buch unter der Presse
war, dasselbe nach Rom zu schicken, und verbot 1666 es zu ver-
kaufen. Vita gehorchte aber nicht. Der folgende General Jo. Thom.
de Rooaberti verbot dann 1674 in einem Ciroular den Dominicanern
das Buch zu lesen, es sei denn, um es zu widerlegen. Der 2. Theil
wurde in Rom zurückbehalten und nicht gedruckt. Die Jesuiten L.
de Meyer und Jac. Platel beuteten den 1. Band aus. Es ist auf-
fallend, dass er nicht in den Index gebracht wurde ^). — Contro-
versiae dogmatioae adv. haereses utriusque orbis in tres tomos dis-
tributae, auct. Fr. Liberio a Jesu, Carmelita Excalceato. Tom. 1.,
Rom 1701, von der Inq. mit d. c. verb. 1703. Der Verf. war 36
Jahre Professor der Controversen im Seminar seines Ordens und von
lunocenz XII. zum Studienprafecten in der Propaganda ernannt, wurde
aber nach dem Verbote seines Buches abgesetzt, f 1718. Die Stelle,
an der die Inq. Anstoss nahm, klingt allerdings im Munde eines Römi-
schen Theologen naiv. Er antwortet auf eine Einwendung des Ve-
drosus haereticus : die Jansenisten hätten sich bezüglich der Quaestio
juris dem h. Stuhle demüthig unterworfen und verlangten nur, ge-
hört zu werden bezüglich der Quaestio facti, ob die 5 Sätze in dem
Buche des Jansenius ständen und ob er sie in dem Sinne verstan-
den, in welchem sie verdammt worden seien ; at vero in quaestio-
nibus facti Apost. Sedes non est judex infallibilis. 1710 erschien
zu Rom eine neue Ausgabe, in welcher ein Blatt mit einer demü-
thigen Retractation eingeheftet ist (A. E. 1710, 398). Diese Ausgabe
wird im Index nicht ausdrücklich freigegeben ; aber bei dem Ver-
bote steht editionis Romae 1701^).
1) Hurter 2, 22. Mich. a. S. Jos. 3, 134. Franc. Janssens Elinga,
0. P,, Veritas manifestata pro auctoritate Fr. Thomae Turci, Mag. Ordi-
nis, circa praedeterminationem physicam; item decretum Fr. Jo. Th.
de Rocaberti, Ord. Mag., contra operaFr. Jos. de Vita, Antw. 1675, 48 8. 4.
2) Biblioth. Carmel. 2, 252. 1032. Hurter, 2, 656. Aus seinem Nach-
lasse wurden noch 7 Bande Controversiae zu Mailand 1743—54 gedruckt.
692 Gas de conscience von 1702.
67. Der Cas de conscience von 1702.
Im J. 1702 wurde einer Anzahl von Doctoren der Sorbonne
die Anfrage eines Beichtvaters vorgelegt, ob er einen Geistlichen
absolviren dürfe, der nach seinen eigenen Erklärungen folgende
Ansichten habe (sie verdienen hier mitgetheilt zu werden als
eine Zusammenfassung der Ansichten, die damals die „Jan-
senisten" überhaupt vertraten):
1. Die 5 Sätze verdammt er einfach und rückhaltlos in jedem
Sinne, in welchem die Kirche sie verdammt hat, auch im Sinne des
Jansenias in der Weise, wie Innocenz XII. 1694 erklärt [S. 643] hat;
er hat auch in dieser Weise das Formular unterzeichnet. Was das
Factum betrifft, so hält er eine Soumission de respect et de silence
unter das, was die Kirche in dieser Hinsicht entschieden hat, für
genügend, und er glaubt, so lange man ihn nicht juridisch über-
führen könne, einen der 5 Sätze vertheidigt zu haben, dürfe er ge-
mäss dem von der letzten Assemblee da Clerge (von 1700) ange-
nommenen Breve Innocenz' XII. nicht verdächtigt werden. — 2.
£r nimmt eine Praedestinatio gratuita et praecedens praevisionem
meritorum und eine Gratia efficax ex se ipsa, die zu jedem guten
Werke nothwendig ist, an, weil er überzeugt ist, dass dieses die
Lehre des h. Augustinus ist. £r erkennt an, dass es innere Gnaden
gibt, welche die Erfüllung der göttlichen Gebote möglich machen,
aber in Folge des Widerstandes des menschlichen Willens nicht
ihre volle Wirkung haben. — 3. Er glaubt, dass man Gott über
alles lieben und virtuell alles auf ihn beziehen muss und dass
Handlungen, die nicht wenigstens virtuell auf Gott bezogen werden
und nicht irgendwelche Begung der Liebe zum Motiv haben, Sünden
sind, wenn sie auch mit Bücksicht auf ihr specielles Object und
auf ihren speciellen Zweck gut sein können. — 4. Er erkennt an,
dass die Kirche nichts darüber entschieden hat, ob die Attrition
genüge, und dass die Attrition, welche in der Furcht vor Strafen
ihr Motiv hat, gut ist, weil diese Fnrcht eine Gabe Gottes ist; aber
damit diese Attrition eine genügende Disposition für den Empfang
der sacramentalen Lossprechung sei, muss zu dem Motive der Furcht
ein Anfang der actuellen Liebe Gottes über alles hinzukommen. —
5. Um der Messe in gebührender Weise beizuwohnen, muss man ihr
mit Andacht und, wenn man sich einer Todsünde schuldig weiss,
im Geiste der Busse beiwohnen; wer ihr beiwohnt mit dem Willen
und der Neigung (affection) zur Todsünde ohne irgend eine Regung
der Busse, begeht durch diese schlechte Disposition eine neue Sünde.
— 6. Es ist für jeden Christen sehr nützlich, viel Devotion gegen
die Heiligen, namentlich die h. Jungfrau zu haben; aber diese be-
steht nicht in den eitelen Wünschen und oberflächlichen üebungen,
die sich bei gewissen Schriftstellern finden, sondern in einer grossen
Cas de conscience von 1702. 698
Liebe zur h. Jungfrau, voll Achtung und Ehrfurcht, welche bewirkt
daas man sich freut über die Gnaden erweisungen, die ihr Yon 6ott
zu Theil geworden, welche zur Nachahmung ihrer Demuth und ihrer
anderen Tugenden antreibt, welche begleitet ist von Vertrauen auf sie
wegen ihres Ansehens bei ihrem göttlichen Sohne und welche bewirkt,
dasB man sich an sie als eine mächtige Fürsprecherin wendet. Er
missbilligt es aber, dass man predigt, man müsse auf sie ebenso
viel, ja mehr Vertrauen setzen als auf Gott, sie rette vor den ewigen
Strafen Seelen, welche die Gerechtigkeit ihres Sohnes dazu ver-
dammt .... — 7. Bezüglich der Empfängniss der h. Jungfrau ist
er bereit zu glauben, was die Kirche darüber zu entscheiden für
gut findet; an die unbefleckte Empfängniss glaubt er nicht, da die
Bulle Alexanders VII. die Frage nicht entscheidet, hütet sich aber,
dieser Bulle entsprechend, etwas gegen diese Meinung zu sagen. —
8. Er liest Arnaulds Buch von der häufigen Communion, Saint
Cyrans Briefe, die Heures von Dumont, die Moral von Grinoble,
die Conferenzen von Lu^on und das Rituel d'Aleth, weil alle
diese Bücher von mehreren Bischöfen und Doctoren approbirt und
in allgemeinem Gebrauche sind, und das Eituel vom Papste nur
durch üebereilung (par surprise) verdammt worden ist, da derselbe
Papst, der es 1688 verdammt hat, ohne eine Hetractation zu ver-
langen, an den Bischof von Aleth 16. Jan. 1689 ein Breve mit an-
erkennenden Ausdrücken über seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit
gerichtet hat. — 9. Er hält es für nicht verboten, das Lesen der
Bibel in der Volksprache zu empfehlen. Das Verbot des N. T.
von Mons durch den Erzbischof von Paris sieht er als nur für
dessen Diöcese bindend an.
Vierzig Doctoren der Sorbonne, darunter Petitpied, Dnpin,
Natalis Alexander und V^ron, unterzeichneten folgende Antwort
auf die Anfrage :
Die unterzeichneten Doctoren sind der Meinung, dass die An-
sichten des Geistlichen weder neu, noch eigen thümlich, noch von
der Kirche verdammt, noch endlich der Art sind, dass der Beicht-
vater, um ihm die Lossprechung zu ertheilen, von ihm verlangen
müsste, sie aufzugeben. Berathen in der Sorbonne 20. Juli 1702.
Sobald die beiden Actenstücke gedruckt erschienen, wurden
sie durch ein Breve Clemens' XI. vom 12. Febr. 1703 verdammt,
nochmals auf den Wunsch Ludwigs XIV. durch die Bulle Vineam
Domini Sabaoth vom 15. Juli 1705. In dieser Bulle waren alle
Ausdrücke sorgfältig vermieden, die ihre Reception in Frankreich
hätten erschweren können. Gleichwohl wurde sie in einer
solchen Weise in Frankreich recipirt, dass es darüber zu einem Zer-
würfnisse kam, welches erst 1711 durch einen diplomatischen
Ausgleich beseitigt wurde. Unter den mit dieser Angelegenheit
694 Gas de consoience von 1702.
zosammenhangenden französischen Schriften, weiche in Rom
verboten wurden, sind die bemerkenswerthesten die des Bischofs
Persin de Montgaillard von St. Pons, des einzigen französischen
Bischofs, der gegen die Bulle offene Opposition machte, — er
hatte auch früher schon allerlei Differenzen mit Rom gehabt,
— und ein Arr&t des Parlaments, durch welches ein gegen den
Bischof von St. Pons (und ein gegen das Buch von Andoul,
S. 563) gerichtetes Breve zurückgewiesen wurde. — In Löwen
wurde die Bulle ohne Widerspruch angenommen ; aber der Index
wurde mit einer ganzen Reihe von belgischen Streitschriften
bereichert, namentlich von Aegidius de Witte, dem unermüd-
lichsten und verwegensten Vertheidiger des Jansenius.
1. Wenn man Petitpied als Verfasser des Gutachtens der Doc-
toren bezeichnet, so ist das wohl nur daraus erschlossen, dass er
zuerst unterzeichnet hat. Wahrscheinlich haben mehrere gemein-
schaftlich den Gas de conscience mit dem Gutachten ausgearbeitet.
Unterzeichnet wurde das Gutachten von den meisten im Palais des
Erzbischofs Noailles bei Dr. Pirot, Prof. der Sorbonne, der damals
Kanzler und Generalvicar des Erzbischofs war und wie der andere
Generalvicar Vivant lediglich um dieser seiner amtlichen Stellung
willen nicht mit unterschrieb. Ohne Zweifel hat der Erzbischof
darum gewusst^).
1) Ayr. 4j 196 sagt: den Entwarf des Gas habe Perrier, Ganonico9
zu Glermont, ein Neffe Pascals, nach Paris gesandt, Rouland und Anque—
tille hätten daran gearbeitet und Petitpied habe statt der Thomisti8cheiB>
Gnadenlehre die Augustinische hineincorrigirt. Gleich nach der Veröffent^ —
liebung des Gas wurde Bernard Couet, der eben damals Generalvicar
Ronen geworden war, als Verfasser bezeichnet (Picot in der Gorr. de Feneloi
11, 305); er gab nach einander eine Reihe von Erklärungen ab; erst di
vierte, in der er sich über Droit und Fait in einem jeden Zweifel an sein
Orthodoxie ausschliessenden Weise ausspricht, wurde als genügend ang<
sehen. Bossuet (42, 579) schrieb in einem Briefe an Mad. de Mainteno
vom 9. Juni 1703 sich das Verdienst zu, ihn zur Unterwerfung bewoge:
zu haben. — S.-Beuve sagt 6, 169; Le cas de conscience, digne d'avoir ete
forge par un agent provocateur, avait ete propose bonnement, naivement
par M. Eustace, confesseur des religieuses de Port-Royal et tres-peu theo-
logien. soit qu'il eüt dresse lui-mcme l'expos^, soit qu'il ne Teut propose
que de vive voix, und 6, 173: Eustace et Besson, eure de Magny, voisin
de Port-Royal, ces deux honnetes gens un peu trop simples, avaient arrange
les articles les plus facheux du Gas. Sie werden das Material geliefert,
Theologen der Partei den Gas redigirt und die Unterzeichnung arrangirt
haben. — In der Hist. du Gas de consc. p. VIII wird behauptet, Noailles
sei von einigen Doctoren gefragt worden und habe ihnen gerathen, zu
unterzeichnen, aber ihn nicht zu compromittiren. Dr. Bourlet sagte, er
habe in Noailles* Auftrag Unterschriften gesammelt (Gorr. de F^nelon
4, 111. Bausset, Fenelon 3, 302). Auch Eustace bemühte sich, die Doctoren
zum Unterzeichnen zu bewegen (S.-Beuve 6, 169).
Lettre de M. ♦*♦. 696
Erst Ende 1702 oder Anfangs 1703 wurde der Gas gedraokt
herausgegeben mit einem kurzen Schreiben des Canonicus von B.,
worin gesagt wird: die Erklärung der Doctoren diene zur Wider-
legung solcher, welche der guten Lehre widersprächen und gelehrte
und fromme Priester, welche die hier mitgetheilten Ansichten hegten,
als Jansenisten verschrieen: Lettre de Mr. *** Chanoine de B. k
M. T. D. A. etc. Cas de conscience propose par un confesseur de
province touchant un ecclesiastique qui est sous sa conduite, et re-
solu par plusieurs Docteurs de la Facultä de Theologie de Paris
(abgedr. Arg. III b 413). Wer das Schriftchen veröffentlicht hat,
ist nicht bekannt; jedenfalls keiner der Unterzeichner. Es erregte
grosses Aufsehen. Es erschienen bald fünf Gregenschriften. Der
Bischof von Apt erliess schon 4. Febr. ein Mandement dagegen^).
Am 10. Febr. kam es in Rom an und schon am 12. erliess Cle-
mens XI. ein Breve (Bull. 12, 385. Arg. Illb 417), worin es
heisst: nachdem mehrere Cardinäle, die er mit der Prüfung dieser
Blätter beauftragt, sich für die Verdammung derselben ausgesprochen,
verdamme er sie kraft apostolischer Autorität und verbiete bei Strafe
der Excomm. 1. sent., sie zu lesen u. s. w.; die Publication des
Breve's in Bom solle dasselbe für alle verbindlich machen u. s. w.
Unter dem 13. schrieb er an den König und an den Erzbischof
Noailles (Arg. III b 418). In dem ersten Schreiben heisst es: in
dem Schriftchen würden mehrere verdammte Irrthümer wieder ans
Licht gezogen und unverkennbar ketzerische Dogmen begünstigt;
er habe den Erzbischof aufgefordert, gegen die Unterzeichner vor-
zugehen, und bitte den König, die ihm von Gott übertragene Ge-
walt im Dienste Gottes und seiner Kirche zur Anwendung zu bringen.
In dem zweiten Briefe heisst es: das Schriftchen sei von sehr ge-
ringem Umfange, aber voll mannichfaltigen Giftes neuer Lehre; es
würden darin mehrere schon verdammte Irrthümer und verderbliche
Neuerungen vorgetragen und indirect die Bullen Alexanders VII.
angegriffen ; die Unterzeichner gelobten einen innern Gehorsam gegen
die Bullen, den sie äusserlich verletzten, und suchten durch unnütze
und verwirrende Fragen die Klarheit der kirchlichen Entscheidungen
zu verdunkeln.
1) Den Bischof von Apt bezeichnet d'Aguesseau 18, 202 als entid-
rement devoue aux Jesuites, esclavo de la cour de Rome, grand partisan
de Finfaillibilite et aussi kardi quUgnorant, und sein Mandement als auBsi
ridicule que tout cc qui est sorti dopuis de la plume de ce prelat. — Die
hier in Betracht kommenden Actenstücke stehen meist bei Arg. III b 420,
wichtige Berichte über die Verhandlungen bei H. Fr. d'Aguesseau, Oeuvres
13, 200. D'Aguesseau (1668—1751), damals Generalprocurator (später
Kanzler), war ein frommer Katholik, aber entschiedener Gallicaner. Er
berichtet (p. 206): der König habe das Breve feierlich acceptiren lassen
wollen; er habe aber in zwei Memoires auf das darin verborgene Gift (die
mit den gallicanischen Grundsätzen nicht vereinbaren Formeln) aufmerksam
gemacht und durchgesetzt, dass durch ein Arret vom 9. Mai 1703 ein-
geschärft worden sei, dass keine Breven u. dgl. ohne Lettres pateutes du
Roy enregistrees au Parlement publicirt werden dürften.
696 Gas de conscienoe von 1702.
Noailles erliess nun eine Ordonnanz gegen den Gas (Arg. III b
421). Sie iflt vom 22. Febr. datirt, erschien aber erst am 5. März
und wurde erst am 7. angeheftet, ist also offenbar antedatirt (S.-Beuve
6, 170). Das Breve wird darin nicht erwähnt. Noailles erklärt:
der 1. Artikel widerspreche den durch die Assemblee von 1700
angenommenen Bullen und seiner Ordonnanz vom 20. Aug. 1696,
habe die Tendenz, schon entschiedene Fragen zu erneuern, begünstige
die Praxis der Zweideutigkeiten, Mental-Eestrictionen und sogar der
Meineide und derogire der Autorität der Kirche; in einigen anderen
Artikeln kämen verfängliche Ausdrücke vor; das ganze Stück ent-
halte Widersprüche, mehrere tadelnswerthe und einige für den
h. Stuhl injuriöse Ausdrücke; solche ausserordentliche und wichtige
Casus seien in Zukunft ihm vorzulegen. £r verdammt dann auch
die bitteren Streitschriften, die bei dieser Gelegenheit erschienen
seien, als injuriös, ärgernissgebend, verleumderisch u. s. w. und er-
neuert schliesslich unter Berufung auf das Breve Innocenz' XII.
vom J. 1694 und die Erklärung der Assemblee von 1700 das Ver-
bot, die vage und gehässige Anschuldigung des Jansenismns vorzu-
bringen, wenn jemand nicht wirklich verdächtig sei, einen der 5 Sätze
gelehrt zu haben. — Noch im März erklärten die meisten Unter-
zeichner ihre Unterwerfung unter die Ordonnanz und ihr Bedauern,
unterschrieben zu haben. Sarrazin erklärte, er habe gar nicht unter-
schrieben; zwei Unterzeichner waren gestorben; nur Petitpied und
Hyacinthe de Lan A^erweigerten die Unterwerfung. Sie wurden
1. Oct. 1704 von der Sorbonne für ausgeschlossen erklärt, wenn sie
sich nicht in einem Monat unterwürfen. Nun unterwarf sich de
Lan; nur Petitpied blieb fest und wurde ausgeschlossen; er ging
bald darauf zu Quesnel nach Holland (Arg. III b 423. III a 159).
Durch ein Arret du Conseil d'^tat vom 3. März 1703 wurde
fast in denselben Ausdrücken wie im J. 1668 beiden Parteien
Schweigen geboten und mit diesem Arret das Breve 24. März den
Bischöfen übersandt. Dieses Verfahren erregte natürlich die Unzu-
friedenheit des Papstes. £r richtete 10. April 1703 ein neues
Schreiben an den König, worin er ihn zunächst dafür belobt, das«
er die hauptsächlichsten Billiger des abscheulichen Schriftchens be-
straft, namentlich Dupin verbannt habe (S. 587), und ihn ermahnt, so
fortzufahren, da es sich um Menschen handle, die nur mit strengen
Strafen in Ordnung zu halten seien, dann aber fortfährt: es sei
zwar zu loben, dass er ein von dem h. Stuhle verdammtes Schrift-
chen auch seinerseits verboten habe ; damit man aber nicht aus
einigen Ausdrücken des königlichen Edictes schliesse, es solle nicht
nur die Vertheidigung, sondern auch die Bekämpfung der Janse-
nistischen Ketzerei fortan nicht gestattet sein, werde es angemessen
sein, dass der König sich darüber deutlicher ausspreche; der Nun-
cius werde ihm mündlich mehr darüber sagen. „Man begreift leicht,
sagt d'Aguesseau (13, 205), wie ein Papst solche Danksagungen
schreiben, aber weniger leicht, wie ein König von Frankreich sie
annehmen konnte."
Ausser Noailles erliessen noch 18 französische Bischöfe Hirten-
Judicium Facultatis Lovaniensis. 697
briefe gegen den Gas. Gegen vier, welche das Breve publicirt
hatten, ehe es einregistrirt war, nahm das Parlament den Appel comme
d'abus an, u. a. gegen den Bischof von Clermont. Auch darüber war
der Papst sehr ungehalten (Corr. de Fen. 2, 96; 3, 4), aber auch über
die Bischöfe von Chartres und Noyon. Wenigstens schrieb F6n61on
(Oeuvres 2, 420) an Card. Gabrielli: er höre, dass man deren
Hirtenbriefe verbieten wolle, weil sie darin viel von der Unfehl-
barkeit der Kirche, aber gar nichts von der des Papstes sagten
(auch F^nelons Hirtenbrief erregte dadurch in Rom Anstoss). Er
hebt hervor, die Unfehlbarkeit des Papstes werde von den Parla-
menten, den Bischöfen und den Gelehrten mit sehr wenigen Aus-
nahmen nicht anerkannt, und wenn man sage, sie sei fere de fide,
80 erkenne man damit doch an, dass sie nicht de fide sei; wenn
man wirklich jene Hirtenbriefe verbiete, so werde kein französischer
Bischof mehr gegen die Jansenisten kämpfen wollen, um nicht aus
der Scylla in die Charybdis zu gerathen. Der Bischof von Char-
tres, Godet Desmarets, war ebensowohl wie F^nelon ein Gegner des
Gallicanismus und wirkte durch Mad. de Maintenon zu Gunsten der
Pnblication des Breves über den Cas (d'Aguesseau 13, 217).
Die Sorbonne befasste sich erst 1. Oct. 1704 mit der Sache
(Arg. III a 159) und beschränkte sich darauf, Petitpied und de
Lan die Ausstossung anzudrohen und, ohne das Breve zu erwähnen,
zn erklären:, den Satz, dass eine Soumission de respect et de silence
bezüglich des Factums genüge, habe sie schon 1656 in der Censur
gegen Arnauld verworfen; wenn sie jetzt nur diesen Satz nochmals
censurire, wolle sie damit nicht den übrigen Inhalt des Cas gut
heissen. Die Facultät von Douay veröffentlichte 1704 eine aus-
führliche Declaration gegen den Cas (Arg. III b 424), die von Löwen
ein Judicium Facultatis Theol. Lovan. super 8 articülis inter alias
excerptis ex Casu conscientiae in Sorbona a 40 doctoribus 20. Julii
1702 subscripto, recenter vero Universität! Lovan. palam notificato
et eidem Facultati Theol. ex parte 111. D. Mechlin. Archiepiscopi
proposito, expeditum 14. Martii 1703 (Arg. III b 597 — 600). Dieses
wurde von der Inq. 11. März 1704 verb. Fi^n^lon (2, 419) schreibt
darüber an Card. Gabrielli: die Jansenisten triumphirten über dieses
Verbot, welches wohl ihr Gönner, der Ass. 8. Off. Casoni, besorgt
haben werde. Das Judicium sei zwar nicht viel werth; man hätte
aber doch nicht um einiger Unvorsichtigkeiten willen fromme Vor-
kämpfer der gesunden Lehre wie die Löwener durch ein solches
Verbot kränken sollen. Gabrielli antwortet (Corr. 3, 25): man habe
sich auch bei dem Papste über dies Verbot beklagt, und dieser sei
ärgerlich darüber, dass er (Gabrielli) in der betreffenden Sitzung
der Inq. gefehlt habe; er kenne das Judicium nicht, aber dergleichen
Censuren würden nicht selten censurirt, weil die Verfasser bei der
Eritisirung eines Irrthums in das entgegengesetzte Extrem geriethen
oder Schmähungen aussprächen oder die gute Sache mit schlechten
Mitteln vertheidigten ; ob das auch bei diesem Judicium zutreffe,
wisse er freilich nicht. Ohne Zweifel hat man dasselbe verdammt,
weil man es nicht scharf genug fand und gleich an dem ersten Ab-
698 Gas de conscience von 1702.
satze AnstoBs nahm, worin es heisst: der Verfasser des Gas wider-
spreche sich selbst, wenn er von einer Soumission de respect et de
silence spreche nnd dann sage, er glaube an die Entscheidung über
das Factum nicht in derselben Weise wie an die über das Jus:
„wer hat denn diesen Freund des Stillschweigens genöthigt zu reden,
dum medium silentium tenerent omnia. und wie haben die 40 Appro-
batoren dieses Stillschweigens übersehen können, dass solche Schriften
und Unterschriften reden, das gedämpfte Feuer wieder anfachen?*'
u. s. w.
Durch dasselbe Inquisitionsdecret wurde verb.: Lettre d'un
^yeque k un eveque, ou consultation sur le fameux Gas de con-
science resolu par 40 Docteurs de la Fac. de Th^ol. de Paris, 1704,
130 S. 12., von Quesnel, gegen die Retractation der Doctoreo
und gegen Noailles. — 1707 verbot die Inq.: Defense des th6o-
logiens et en particulier des disciples de St. Augnstin contre Tor-
donnance de Mr. l'^veque de Ghartres, portant condamnation du
Gas de conscience. 2. Ed. revue et augm., avec une r^ponse au
remarques du m^me pr^lat sur les declarations de M. Gouet, 1706,
von Jacques FouiUou, — und sonderbarer Weise 1709: Defense de
tous les th^ol. ... de Ghartres du 3. Aoüt 1794, 540 S. 12., also
die 1. Auflage desselben Buches^).
Im J. 1705 Hess Ludwig XIV. den Papst bitten, durch eine
Bulle den durch den Gas de conscience wieder angeregten Janse-
nistischen Gontroversen ein Ende zu machen, die Bulle aber so zn
fassen, dass ihre Publication in Frankreich erfolgen könne, also alle
den gallicanischen Freiheiten widersprechenden Ausdrücke zu ver-
meiden. Glemens XI. gebrauchte die „demüthigende Vorsicht'', dem
Könige den Entwurf der Bulle zu übersenden; dieser legte denselben
dem Parlaments- Präsidenten Harlay, dem General-Procurator d'Agues-
seau und dem Erzbischof Noailles vor und verlangte dann, es müsse in
der Bulle ausdrücklich gesagt werden, dass sie auf den Antrag der
französischen Bischöfe erlassen sei. Darauf ging man in Rom ein,
und nun versprach der Gardinal Jansen, die Bulle werde in Frank-
reich wie die von Innocenz X. und Alexander VII. recipirt werden^).
1) Ueber Fouillou s. S.-Beuve 6, 172. Er war nur Diaoon und Li-
centiat der Sorbonne, aber „eine der besten Federn der Partei". Die
Hiatoire du cas de conscience, Nancy (Holland) 1705 — 11, 8 vol. 12., an
welcher ausser Fouillou auch Louail, Petitpied, Quesnel und Mdlle. de Jon-
coux arbeiteten, also la nouvelle generation Janseniste au complet (S.-
Beuve 6, 171), ist nicht in den Index gekommen.
2) Corr. de Fen. 3, 370. D'Aguesseau 13, 227 sagt: er habe bean-
tragt, dass erwähnt werde, der König habe um die Bulle gebeten. Das
wird in den Lettres patentes (Arg. III b 452) erwähnt, in der Bulle aber
steht, — und das war ja auch vom gallicanischen Standpunkte aus wich-
tiger, — sie sei erlassen auf die Bitte vieler Bischöfe in verschiedenen
Ländern, namentlich in Frankreich (nicht motu proprio). Nach d'Aguesseau
wünschte ferner Noailles, es möge gesagt werden, die früheren Bullen
seien von der ganzen Kirche recipirt worden; dem Card. Jansen wurde
auch eine Abschrift gezeigt, in welcher stand: quas tanto cum applausu
Balle Vineam Domini Sabaoth. 699
— Die 80 vereinbarte Bulle Vineam Domini Sabaoth ist vom
15. Juli 1705 datirt. Der Papst inserirt darin die Bulle Alexan-
ders VII. von 1664, in welche die Bnlle Innoeenz X. von 1653 in-
serirt ist, und erklärt dann : es werde mit Unrecht behauptet, die
Breven Clemens^ IX. von 1669 an die vier französischen Bischöfe
und Innoeenz' XI. von 1694 und 1696 an die belgischen Bischöfe
enthielten eine Bestriction oder Modification jener Bullen und das
Formular Alexanders VII. könne auch von denjenigen unterschrieben
werden, welche innerlich nicht der Ansicht wären, dass die ketze-
rische Lehre in dem Buche des Jansenius enthalten sei; um allen
Missverständnissen definitiv ein £nde zu machen, erkläre er, dass
dem jenen Bullen gebührenden Gehorsam durch das obsequiosum
Silentium nicht genügt werde, dass vielmehr der Sinn der 5 Sätze
des Jansenius'schen Buches, den der Wortlaut habe (quem illarum
verba prae se ferunt), von allen nicht nur mit dem Munde, sondern
auch im Herzen als ketzerisch verworfen werden müsse.
Man hatte in Frankreich die Ankunft der Bulle während des
Tagens der Assembl6e du Ciergä von 1705 erwartet und den dieser
vorhergehenden Provincialversammlungen empfohlen, ihren Abgeord-
neten unbedingte Vollmacht zur Annahme der Bulle zu geben. Das
geschah überall; nur in der Provinz Narbonne widersprach der Bi-
schof Persin de Montgaillard von Saint Pons. Als die Bulle an-
gekommen war, erklärten der Parlaments-Präsident und der General-
Proourator dieselbe für unverfänglich, empfahlen aber, in der Assem-
bl6e und in dem Arr^t die Hechte der Bischöfe zu wahren. Der
König übersandte 2. Aug. die Bulle der Assemblee, um über die
Annahme derselben in der herkömmlichen Form zu berathen ^).
Der Vorsitzende Noailles ernannte eine Commision zur Prüfung der
Bulle (vorher soll er sich sehr lebhaft gegen die Hirtenbriefe
einiger Bischöfe über den Cas de conscience ausgesprochen und er-
klärt haben, die Kirche beanspruche keine Unfehlbarkeit bezüglich
nicht geoffenbarter Thatsachen; Picot 1, 34). Der Vorsitzende der
Commission, Erzbischof Golbert von Eouen, erstattete 21. Aug. Be-
richt: die Commission habe als Grundsatz aufgestellt: 1. Bischöfe
hätten nach göttlichem Rechte über doctrinelle Materien zu urtheilen ;
2. die Constitutionen der Päpste verpflichteten die ganze Kirche,
wenn sie von dem Corps des pasteurs angenommen seien; 3. diese
Acceptation erfolge immer par voie de jugement; die Commission
beantrage ferner: 1. die Bulle sei mit Ehrfurcht und Unterwerfung
anzunehmen; 2. die Versammlung solle dem Papste ein Glückwunsch-
und Danksohreiben übersenden, 3. alle Bischöfe des Eeiches er-
mahnen, die Bulle zu publiciren, 4. den König bitten, Lettres pa-
tentes für die Einregistrirung und Publication der Bulle zu gewähren.
Diese Anträge wurden 22. Aug. angenommen. — In dem Schreiben
an den Papst heisst es: Definitionem Beatitudinis Vestrae debita
tota excepit Ecclesia. Das wurde wieder gestrichen, der Papst gestattete
aber nachtraglich, dass die Bischöfe das bei der Publication sagten.
1) Recueil des actes du Clerg4 1, 379—404.
700 Gas de conscience von 1702.
observantia colentes et nno spiritn . . . constitntionem ea qua par
est reverentia suscepimue communiqne coneilio promnlgandam de-
crevimuß.
Unter dem 30. Aug. übersandte der König die Bulle der Sor-
bonne; diese nahm sie 1. Sept. summa cum reverentia et religione
an und bescbloss zugleicb, wenn der König damit einverstanden sei,
fortan von den Candidaten die Unterzeicbnung des Formalars Alexan-
ders VII. zu verlangen. Unter dem 31. Ang. erliess der König
Lettres patentes, worin er dem Parlamente die Einregistrirung der
Bulle befabl, die am 4. Sept. erfolgte. Er sagt darin: er habe den
Papst um eine neue Bulle zur Bestätigung der früheren gebeten,
die durch die Acceptation von Seiten der Kirche allgemeine G-esetze
geworden seien; er habe die neue Bulle mit gebührendem Respect
aus der Hand des Nuncius entgegengenommen und zunächst der
Assembl^e du Clerge übersandt, damit sie über die Acceptation der
Bulle in den herkömmlichen Formen berathe und damit, indem die
Stimmen (le suffrage) der Bischöfe zu der Autorität des Urtheils
des h. Stuhles hinzuträten, dieses Zusammenwirken und diese Ueber-
einstimmung der Glieder mit ihrem Haupte die kirchlichen Zwistig-
keiten unterdrücke; aus den Protocollen der AssembUe ergebe
sich, dass die Prälaten, in der Bulle den Geist und die Lehre der
Kirche erkennend, dieselbe mit der dem sichtbaren Oberhaupte der
Kirche gebührenden Ehrfurcht angenommen.
Unter dem 14. Sept. sandte die Assemblee ein Rundschreiben
an alle französischen Bischöfe, um sie zur Publication der Bulle
aufzufordern ; der Entwurf eines ganz kurzen und trockenen Man-
dement war beigefügt. In dem Rundschreiben heisst es: Wir haben
eine so wichtige Angelegenheit sorgfältig geprüft, da wir wissen,
dass wir dabei nicht als einfache Executoren der apostolischen De-
crete handeln, sondern in Wahrheit mit dem Papste urtheilen und
uns aussprechen ; aber je mehr wir die Entscheidung des h. Stuhles
erwogen, um so mehr haben wir darin die Grundsätze und Gesin-
nungen der französischen Bischöfe erkannt. Auch in dem Mande-
ments-Entwurfe heisst es: die Bischöfe der Assemblee hätten in der
Entscheidung des h. Vaters die Lehre erkannt, die der französische
Clerus stets festgehalten, und in diesem Geiste mit Ehrfurcht und
Unterwerfung einmttthig die Bulle angenommen^).
1) Noailles publicirte die Bulle mit einer Ordonnanz contre le Jan-
senisme vom 21. März 1706. Die Ordonnanz wurde in Port-Royal pabli-
cirt und von den Nonnen angenommen, sans deroger k ce qui est fait i
leur egard k la Paix de PEglise sous Clement IX. Das wurde die Ver-
anlassung zur Aufhebung des Klosters (S.-Beuve 6, 183). Seit 1706 durften
keine Novizen mehr aufgenommen werden ; eine auf den Antrag des Köni^
erlassene Bulle vom 27. März 1708 hob das Kloster auf. Die noch darin
lebenden 22 Nonnen, von denen keine unter 50, mehrere über 80 Jahre
alt waren, wurden 29. Oct. 1709 in verschiedenen Klöstern untergebracht;
auf Grund eines Arr^t du Conseil vom 22. Jan. 1710 wurden die Geb&ude
demolirt. So war das Kloster „endlich zerstört*^; Schill S. 42.
Penin de Montgaillard, Bischof von St. Pons. 701
Der einzige französische Bischof, welcher gegen die Balle
Opposition machte , war der von St. Pons. F^n^ion hatte in
seiner Pastoral-Instruction über den Gas de conscienoe Yom 21. Mai
1705 eine Stelle des Briefes der 19 Bischöfe von 1667 besprochen,
die von den Jansenisten zu Gunsten des ehrfurchtsvollen Schweigens
verwendet wurde. Der Bischof von St. Pons, der einzige noch le-
bende der 19 Bischöfe, veröffentlichte darauf Lettre de M. l'äv^que
de Saint-Pons k M. Tarchev. de Cambray, oü il justifie les 19 6v^ues
qui ecrivirent en 1667 au Pape et au Roy au sujet des 4 c^lebres
6vSques d'Alet etc., datirt 9. Juni 1705. Fen61on antwortete in
einem Briefe vom 10. Dec. 1706, den ohne sein Vor wissen der Je-
suit Lallemant drucken Hess (Oeuvres 12, 413). Darauf erschien
Nouvelle lettre de M. T^veque de Saint- Pons qui refute celle de
M. Tarch^v. de Cambray touchant Tinfaillibilit^ du Pape, 1707.
Fän61on antwortete darauf: er habe nicht von der Unfehlbarkeit
des Papstes, sondern der Kirche bezüglich der dogmatischen That-
sachen gesprochen (Oeuvres 12, 473. Dieser Brief wurde lateinisch
gedruckt und nach Rom geschickt, dort aber „nicht goutirt^'; Oeu-
vres 10, LVI). Der Bischof von St. Pons veröffentlichte nun noch
SÄponse de M. Tev. de Saint- Pons k la lettre de M. Tarch. de
Cambray. lieber die Bulle Vineam Dpmiui veröffentlichte er das
vom 31. Oct. 1706 datirte Mandement de M. T^v. de Saint-Pons tou-
ehant Tacceptation de la bulle de N. S. P. le P. Clement XI. sur
le cas signe par 40 docteurs, avec la justification des 23 ^veques,
qui voulant procurer la paix k T^gl. de France en 1667, se ser-
virent de Texpression du silence respectueux pour marquer la sou-
mission qui est due aux d^cisions de TEgl. sur les faits non ri-
VÄ168, avec le moyen de retablir a präsent cette paix.
F^n^lon drang 1707 in einem Briefe an Card, ßabrielli da-
rauf, diese Briefe zu censuriren: die Jansenisten würden triumphiren,
wenn das nicht geschehe (Oeuvres 2, 448). P. Daubenton schrieb
ihm 2*i. März 1709: er bemühe sich nun schon geraume Zeit, das
Verbot durchzusetzen; aber tout va lentement en cette cour (Corr.
3, 204). Endlich wurden die drei Briefe und das Mandement von
der Inq. Fer. IV. 17. Juli 1709 verb. (sie stehen jetzt unter Per-
8 in), gleichzeitig die Defense von Fouiliou und die unten zu er-
wähnende Justification von demselben. Der Papst verdammte die
vier Schreiben nochmals in einem Breve vom 10. Jan. 1710 (Bull.
12, 479), worin es heisst: da dieselben trotz der Verdammung noch
immer, namentlich in Frankreich verbreitet würden, so verdamme
er sie nach Anhörung einiger Cardinäle und Theologen nochmals
als Schriften, welche falsche, . . . schismatische und offenbar eine
Umgehung der letzten zur gänzlichen Ausrottung der Jansenistischen
Ketzerei erlassenen Bulle bezweckende Sätze enthielten, bei Strafe
der reservirten Excomm. 1. sent. ; die Exemplare seien an die Bi-
schöfe oder Inquisitoren abzuliefern und zu verbrennen; gegen den
Verfasser behalte er sich vor nach den canonischen Satzungen zu
verfahren; die Publication des Breves in Rom solle genügen u. s.w.
— Das Breve wurde mit Lettres patentes dem Parlament übersandt^
702 Cas de conscienoe von 1702.
von diesem aber auf den Antrag des Generaladvocaten 6. Fr. Joly
de Fleury die Einregistrirung verweigert, weil es mehrere den gal-
licanischen Grundsätzen widersprechende Ausdrücke enthalte, u. a. in
dem Satze, der Papst wolle gegen den Bischof einschreiten. Gleich-
zeitig protestirte das Parlament gegen das Breve über Audoul,
S. 563 i).
Der König verlangte nun eine Bulle gegen den Bischof von
St. Pons, stiess aber in Rom auf Schwierigkeiten. Man war dort
sehr unwillig über die „gallicanischen Allüren*' der Assemblee von
1705 (Schill S. 44). Der Papst klagte in einem Breve an den
König vom 31. Aug. 1706: die Assemblie habe sich so ausgedrückt,
als ob sie nicht an die Annahme seiner Bulle, sondern an eine
Begränznng der Autorität des h. Stuhles gedacht; er habe die
Bischöfe ermahnt, nicht die Fülle der Gewalt, die allein dem Stuhle
des h. Petrus von Gott übertragen sei, zu usurpiren und zu beden-
ken, dass sie dergleichen Decrete über den katholischen Glauben
zu verehren und auszuführen, nicht zu discutiren und zu beurtheilen
hätten ; er habe übrigens gehört, dass viele Bischöfe mit den Aens-
serungen der Assemblde nicht einverstanden seien. (Aber sogar
FÄn^lon schrieb 1707 an Card. Gabrielli: Nihil insolitum sibi arro-
gant gallicani antistites, dum doctrinale Judicium sibi tribunnt). —
Als es sich um eine Bulle gegen den Bischof von St. Pons han-
delte, erklärte der Papst: er werde eine solche nicht erlassen, wenn
er nicht zuvor von Seiten der Assembl6e Satisfaction erhalten ; wenn
man ihm sage, die Bulle werde in Frankreich ebenso angenommen
werden wie die von Innocenz X. und Alexander VII., so habe ihm
der Card. Jansen dasselbe bezüglich der Bulle Vineam versprochen,
man habe aber nicht Wort gehalten (Corr. de F6n. 3, 370). Es
wurde also nun zwischen dem Card. Fabroni und dem Abb6 de
Polignac über die Redressirung des Auftretens der Assemblee ver
handelt (d'Aguesseau 13, 262). Noailles und 11 andere Prälaten
hatten 10. März 1710 eine Explication des maximes etablies . . .
21. Aoüt 1705 unterzeichnet, worin es hiess: 1. Die Assemblee habe
1) lieber Fenelons Streit mit dem Bischof von St. Pons s. Oeuvres
10, LVl. Fen. schrieb auch 1710 auf P. Le Telliers Ersuchen eine Lettre
k un 6veque sur le Mandement de P^v. de St. Pons (13, 177), erklärte
aber, es widerstrebe ihm, nachdem das Breve erschienen sei, noch etwas
gegen den 80jährigen Mann, dessen Familie mit der seinigen befreundet
sei und der jetzt schweige, zu veröffentlichen (Corr. 3, 329. 349). — üeber
das Arret des Parlaments war Fen. sehr ungehalten: „Man will durch
diese Kritiken die Sache dahin treiben, dass Rom es nicht mehr wagt,
dogmatische Urtheile gegen die Neuerung nach Frankreich zu schicken.
Rom wird doch nicht den Stil aller seiner Bullen ändern sollen ; das hie»e
sich selbst erniedrigen und sich seine Aufsätze vom Parlament corrigiren
lassen. So wird man Rom zum Schweigen bringen ; man möchte es auch
mit dem Könige brouilliren" (Corr. 1, 363). — Üeber die Verhandluugeo
in Paris s. d'Aguesseau 13, 291. Am Hofe waren die Jesuiten und Sul-
picianer und der Bischof von Chartres gegen den Bischof von St. Pons
thätig.
Arret de la coar du parlement. 708
die Bulle Yineam in derselben Weise annehmen wollen, wie die
anderen Ballen gegen das Buch des Jansenius angenommen worden
seien ; 2. wenn sie gesagt, die päpstlichen Ballen verpflichteten die
g^nze Kirche nach der Annahme durch das Corps des pasteurs, so
habe sie nicht eine feierliche Acceptation für nöthig erklären wol*
ien; 3. sie seien tiberzeugt gewesen, dass den Bullen gegen Janse-
nius keine der Bedingungen fehle, die nöthig seien, damit sie die
ganze Kirche verpflichteten; 4. sie hätten der Assemblee nicht das
Recht vindiciren wollen, die dogmatischen Urtheile der Päpste zu
prüfen und sich als Richter derselben und als ein höheres Tribunal
zu geriren. — Noailles wurde nun willig gemacht, eine in diesem
Sinne gehaltene Erklärung nach Rom zu schicken. Das Concept
derselben wurde in Rom modificirt; Noailles unterzeichnete dieselbe
in dieser modificirten Form und am 29. Juni 1711 wurde sie nebst
einem Schreiben des Königs dem Papste von dem Card, de Tre-
moille übergeben. Der Papst antwortete beiden 1 7. Aug. Daubenton
schreibt 23. Oct. 1711: der König sei mit dem an ihn gerichteten
Breve zufrieden gewesen, das an Noailles gerichtete habe er dem
N'ancius zurückgegeben und verlangt, der Papst solle daraus alles
mtfernen, was gegen die Usages de France Verstösse^). In dem-
selben Briefe schreibt Daubenton: der Papst sei so ärgerlich über
Ien letzten Brief des Bischofs von St. Pons, dass er dessen Schrif-
sn in einer scharfen Bulle verdammen wolle: aber um die Cardi-
läle, die dagegen seien, zum Schweigen zu bringen, wünsche er,
lass der König nochmals die Bulle verlange; er (Daubenton) habe
lieses dem P. Le Tellier mitgetheilt. Die Bulle ist nicht erschie-
len; aber 22. Juni 1712 verbot die Inquisition Arret de la cour
In parlement sur deux imprimes en forme de brefs du Pape du 18.
fanv. 1710, Tun concemant le mandement et autres ecrits de M.
'6v. de St. Pons, l'autre le Trait6 de l'origine de la regale (von
indoul), obschon Ludwig XIV. ein von dem General - Advocaten
Pleury geschriebenes Memoire zur Erläuterung einer beanstandeten
Stelle des Arr^t mit einer Art von Entschuldigungsschreiben nach
[lern geschickt hatte (d^Aguesseau 13, 315).
2. In Löwen wurde die Bulle Yineam einfach angenommen
ind die Facultät durch ein Breve vom 12. Febr. 1705 dafür belobt
Arg. III b 455). Aber ohne Opposition und ohne viele Streit-
ichriften ging die Sache auch in den Niederlanden nicht ab^).
1) Corr. de Fen.3, 446. d'Agucsseau 13, 31G. Die beiden Fassungen
ler Erklärung von Noailles stehen bei Arg. III b 458 (vgl. Corr. de Fön.
l, 372). Das p. 470 abgedruckte Breve an Noailles enthält nichts auf-
allendes; es scheint also die castrirte Fassung zu sein.
2) Die Facultät beschloss damals auch, jeder zu promovirende Can-
lidat solle das Formular Alexanders VII. conformiter ad BuUam Vineam
mterschreiben. Da sich 1710 zwei Candidaten darüber bei dem Conseil
le Brabant beschwerten, sprachen sich Universität und Facultät für die
Lufhebung der Forderung aus, und das Conseil verordnete die Wieder-
inführung des Formulars von 1660 (S. 517). Die Regierung suspendirte
704 Gas de conscience von 1702.
Heinrich Denys, seit 1686 Professor im Seminar zu Lütticb^),
hatte schon 1694 dnrch Thesen Anstoss erregt. Der Bischof ver-
bot sie anfangs, gab sie dann aber, wahrscheinlich auf Grnnd von
Erklärungen Seitens Denys\ frei. Seine Gegner appellirten nach Rom,
und dort wurden 1695 gleichzeitig in den Index gesetzt; Henr.
Denys Epistola ad amplissimnm Dominum a. 1695, und Bespon-
sio ad Epistolam a D. Lic. Denys scriptam ad amplissimum Do-
minum, Col. 1695. Auch 1699 wurden wieder Thesen von ihm
denuncirt und mehrere Streitschriften darüber veröffentlicht; es kam
aber nichts davon in den Index, nicht einmal Quesnels Justification
de la doctrine de M. H. Denys, 1700, 150 S. 4. — Nach der Pub-
lication der Bulle Yineam schrieb Denys 1705 anonym Epistola de
subscriptione formularii (gewöhnlich als Ep.Leodiensis citirt), worin
er ausführt, dass man das Formular aus Gehorsam gegen die kirch-
lichen Oberen unterschreiben könne, wenn man sich auch bezüglich
des Factum keine Ueberzeugung gebildet habe. Diese Schrift wurde
von beiden Seiten angegriffen, einerseits von den Jesuiten in einer
D6nonciation d'une lettre de formula subscribenda au grand-vicaire
de Li6ge und von F^n^lon in einer Lettre k un Theologien sur une
lettre anonyme de Liege, 1706 (13, 449), anderseits von de Witte
(s. u.) und in den von Quesnel herausgegebenen Divers ecrits tou-
chant la signature du formulaire par rapport a la derniöre Consti-
tution de N. S. le P. Clement XI., 1708*, 8. (Die Sammlung ent-
hielt den Brief von Denys, 14 S., und Repliken von Quesnel und
de Ligny und zwei Schriften von Nicole.) Denys vertheidigte sich
in der Defensio auctoritatis Ecclesiae, in qua asseritur gravissimum
poudus constitutionum, refellitur novellum quorundam principium
ipsi injuriosum ac Epistola Leod. de formulari Alex, vindicatur,
1706. Der Streit wurde noch einige Zeit fortgesetzt. Denys appel*
lirte schliesslich nach Rom, retractirte und unterschrieb 1713 auch
die Bulle Unigenitus, f 1717. Die bis jetzt genannten Schriften
über diesen Streit sind nicht in den Index gekommen, wohl aber
wurden 1701 — 8 von der Inq. verb. : Memoire touchant le dessein
qu'on a d'introduire le formulaire du P. Alexandre dans Vigl. des
Pays-Bas, 1707, von der Inq. verb. 1707, — Justification du
silence respectueux, ou reponse aux Instructions pastorales et autre«
toits de l'arch. de Cambray, 1707, 3 vol. 12., von J. Fouillou (nach
aber die Verordnung, und die Facultät beschloss dann bald mit 4 gegen
3 Stimmen die Wiedereinführung des Alexandrinischen Formulars; v. äpen,
Opp. 5, 323.
1) Ueber Denys s. Biogr. nat. 4, 603. L. de Meyer 1, 86; 2, 876,
388. 721. V. Espen 5, H41. Das Lütticher Seminar wurde damals den
Jesuiten übergeben, die dasselbe zu einer Universität und damit Löwen
Concurenz machen wollten. Auch von den Streitschriften über diese Mass-
regel, mit der die Angriffe auf Denys zusammenhangen, steht keine im Index.
L'6tat present (S. bH3) p. 202. Vie de v. Espen p. 124. Morery, Suppl.
8. v. Naveus. Backer s. v. L. Sabran. — Ueber den Streit im J. 1706 «.
F^nelon, Oeuvres 10, LXXV. Idee de M. de Witte p. 146.
H. Denyg. Aeg. de Witte. 706
Dict. Jans. 2, 369 sind eh. 40 und 41 von Petitpied) ; Fenelon schrieb
gegen das Buch eine eigene Instruction pastorale vom 1. Juli 1708
(14, 1 — 339); — De quaestione facti Jansenii variae quaestiones
juris et responsa, 1708, nach Dict. Jans. 3, 337 von dem Löwener
Rector Parmentier 3. Apr. 1708 bei Strafe der Excomm. verb.;
gegen die Schrift erschienen Defensio veritatis cath. und Dialogi
pacifici, für dieselbe Assertio opusculi De quaestione etc., 1708, 152
S. 12 (Dict. Jans. 1, 114). — Responsio pro eruditissimo viro
Epistolae Leodiensis confutatore ad periliustrem ejusdem epist. au-
thorem, defensorem ac vindicem, 1710, wurde erst 1714 von der
Inq. verb., und erst 1722: Obedientiae credulae vana religio, sive
Silentium religiosum in causa Jansenii explicatum . . . adv. Theo-
logum Leodiensem aliosque obedientiae credulae defensores, in duas
partes divisus, s. 1. 1708*, 2 vol. 12, von Nie. Petitpied. — Viel-
leicht gehört zu dieser Gruppe von Schriften auch Considera-
tiones circa exactionem formulae Alexandrinae variasque de hoc
argumento difficultates ac pugnantes inter se opiniones, Delphis
1711, von der Inq. verb. 1712.
Eine ganz andere Stellung als Denys nahm Gilles (Aegidius)
de Witte ein. Er vertheidigte Jansenius unbedingt, erkannte keine
der gegen ihn erlassenen Bullen an, polemisirte gegen die Paix de
Clement IX. und erklärte die Unterzeichnung des Formulars für
unbedingt unzulässig. Er stand mit dieser Ansicht so gut wie allein.
Ganz entschieden vertheidigt sie der Verfasser der Id^e de la vie
et des ecrits de M. Gilles de Witte, Rom (Utrecht) 1756* Pierre
Le Clerc^), der vorher schon die Schrift ßenversement de la reli-
gion et deSi loix div. et hum. par toutes les bulles et brefs donnes
. . . contre Baius, Jans. . ., 1755, herausgegeben (beide Schriften
nicht im Index).
Witte, geb. 1648 zu Gent, wurde 1684 Pfarrer und Decan in
Mecheln, gerieth, als Precipiano 1690 Erzbischof geworden, mit
diesem bald in Conflicte, — u. a. weigerte er sich, dessen Ordon-
nanz gegen das Bibellesen zu publiciren, — legte im März 1691
seine Stelle nieder, lebte IY2 Jahre in Gent, dann in Holland, meist
in Utrecht, wo er 1721 starb. Er hat etwa 140 Schriften verfasst
und, da er reich war, auf seine Kosten drucken lassen. Sie sind
freilich meist geringen Umfangs, zum Theil nur einige Quartblätter
stark. Sie sind theils holländisch, theils französisch, theils latei-
nisch geschrieben, fast alle polemischen Inhalts, nur wenige unter
dem Namen de Witte, einige unter dem latinisirten Namen Aegidius
Candidus oder Albanus, manche unter allerlei angenommenen Namen. —
Schon als Student schrieb er eine Vertheidigung des für ihn ver-
fassten ' Schriftchens von van Buscum. 1685 gab er durch einige
bittere Aeusserungen über Rom bei einer Leichenmahlzeit Anlass
zu einer ganzen Reihe von Streitschriften und zu Verhandlungen
1) Le Clerc wurde von der Synode von Utrecht 1763 ceusurirt.
Walch, N. Kel.-Gesch. 6, 487. — üeber de Witte s. auch Biogr. nat. 6, 4.
ßeuscb, Iudex. 45
706 Gas de conscience von 1702.
bei der Löwener theol. Facultät und bei dem Mecbelner Officialat;
auch Amauld griff mit einigen Schriften in diese Controverse ein;
es ist aber nichts davon in den Index gekommen^). — Im J. 1686
gab der Carmeliter Marcus a S. Francisco ein flämisches Schrift-
chen heraus unter dem Titel Goude mijne (von einem andern Car-
meliter ins Französische übersetzt: La mine d*or de ia fr^quente
communion), worin er empfahl, öfter, ein- bis dreimal wöchentlich
zu communiciren, und meinte, auch Rückfällige seien von der Com*
munion nicht auszuschliessen, da der Rückfall in die Sünde nicht
beweise, dass man keine Reue habe, und der Lossprechung nicht
unwürdig mache (Am. 3, 56). Auf Ersuchen der Mecbelner Pfarrer
schrieb W. anonym eine Wideriegung des „seelenverderblichen Bu-
ches" unter dem Titel „Die Goldgrube untergraben und in die Lufk
gesprengt", — Goude mijne ondergraven ende in de locht ge-
sprongen, oft wederlegghinge der ziel-verderfelycken boeck van P.
Marcus van den H. Franciscus, Religieus Carmeliet Discalz., Löwen
1688, — da der Carmeliter sich vertheidigte, einen 2. Theil: Goude
mijne . . . tweede deel, behelsende de wederlegghinge van de voor-
der argumenten van P. Marcus, Loewen 1688, und da der Carme-
liter der Universität Löwen eine Klage gegen den Drucker der
Schriften von W. einreichte, Refutatio libelli supplicis R. P. Marci
a S. Francisco, Carm. discalc. indigni [so hatte sich P. Marcus selbst
bezeichnet], auctore Aegidio Albano, Pastore et Decano . . . Mech-
lin., Lov. 1688, 6 S. 4. Arnauld meinte, das Buch des Carmeliters
müsse von der Inq. verdammt werden; aber nicht dieses, sondern
die drei Schriften von W. wurden 1689 von der Inq. verb. (die zwei
ersten sind die einzigen der vielen holländischen Schriften von W.,
die in dem Index stehen). Eine vierte Schrift, worin W. unter
Berufung auf die kirchliche Immunität seine Weigerung begründete,
vor dem Grand Conseil de Malines zu erscheinen, vor das der Car-
meliter die Sache gebracht hatte, kam doch nicht in den Index.
Nachdem die Unterzeichnung des Formulars Alexanders VII.
in Löwen eingeführt worden, veröffentlichte W.: Panegyris Janse-
niana, seu testimonia eruditorum virorum celebrantia librum, cui
titulus: Com. Jansenii Ep. Ipr. Augustinus, addito prologo galeato
hodiemis controversiis non parum illustrandis accommodo, per Pau-
lum Aurelium Theologum Timaleten. Tempus loquendi. Eccl. 3, 7.
Gratianopoli (Delft) 1698, 210 S. 4., eine seiner wenigen umfang-
reicheren Schriften. Sie wurde sofort 8. Apr. 1698 von der Inq.
verb. Es folgten: Apologia Panegyreos Jans, ad Theologum Lovan.,
ubi Janseniani facti assertionem formulario ineluctabiliter contineri
ostenditur, ejusdem formularii exactores subscriptoresque non unius
criminis peraguntur rei ac lugubres has controversias tandem ali-
quando finiendi necessitas denuo et via panditur, Gratianop. 1699,
1) Idee p. 9. Dict. Jans. 1, 346. Arnauld 10, LXI; 11, 307. Valery
1, 199. C. Qu. p. 23. 90. In dem Index von Precipiano von 1695 stehen
ö hierauf bezügliche Schriften von iE. D. W.
Aeg. de Witte. 707
36 S. 4. (aDonym), — Apologia Becnnda Panegyreos Jans, configens
Jansenismi historiam brevem corrasam a L. C. Deckero, S. T. L.,
Eccl. metrop. Mechlin. Ganonico, Gratianop, 1700, 31 S. 4., — Apo-
logia tertia Panegyreos Jans, enervans Defensionem brevis bist.
Jans, conflatam a L. C. Deokero . . ., Gratianop. 1701, 40 S. 4,
die beiden letzten gegen die Schriften von Leodegar (Leger) Carl
de Decker: Jansenismi bist, brevis cum adjecta solutione plarinm
difficultatum in nova Panegyri Jans, aliisque bnjasmodi scriptis,
1700, 158 S. 12., undDefensio brevis historiae Jans.', 1700, 64 S. 12.
(Paquot 2, 600). Sonderbarer Weise wurde die 2. Apologia von
der Inq. 1701, die 1. und 3. erst 1707 verb., und noch sonderbarer
ist, dass, während früher, noch 1819, im Index alle drei ganz rich-
tig unter Apologia standen, jetzt die 2. und 3. unter Deckero stehen.
Im J. 1706 schrieb W. gegen die Bulle Vineara: Aviti Aca-
demici Paraenesis ad alumnos almae Universitatis Lovan., e qua
liquet, quid deferendum sit Constitution! Clementinae nuperae, quae
Yineam Domini Sabaoth de exordio dicitur. Timebo hominem ut
taceam veritatem? 20 S. 4. Er vertheidigte diese Schrift gegen
H. Denys: Paraenesis vindicata, 56 S. 4. (Auszug aus beiden Idee
p. 142). Nur die erstere, kleinere Schrift wurde 1707 von der
Inq. verb. Im J. 1709 folgte eine kleine, aber, wie schon der Titel
zeigt, sehr scharfe anonyme Schrift: Denuntiatio solemnis bullae
Clementinae quae incipit Yineam Domini Sabaoth, facta universae
ecclesiae ac praesertim omnibus hierarchis ejus tanquam evertentis
doctrinam gratiae, qua Christian! sumus, tanquam resuscitantis Pe-
lagium cum suis asseclis, tanquam objicientis Ecclesiam extraneorum
scandalo .... 2. Junii 1709, 11 S. 4. Das Schriftchen wurde 1712
von der Inq. verb. Von einigen anderen Schriften von W. wird
§ 68 die Hede sein. Es ist auffallend, dass nicht wenigstens noch
zwei der umfangreicheren verboten wurden: Nouvelle apolögie de
la sainte doctrine de Jans6nius, 1707, 52 8. 4. (abgedr. hinter der
Idee), und namentlich Augustinus Iprensis vindioatus atque a dam-
natione R. P. Urbani VIII., Inn. X., Alex. VII. et Clementis XI.
ereptus et erutus . . . per Aeg. Albanum, nuper in civ. Mechlin.
Decanum, 1711, 478 S. 4. Es wäre weniger auffallend, wenn man
von Witte omnia opera verboten hätte.
Eine französische üebersetzung der Denuntiatio mit Bemerkungen
hat Fenelon den Lettres de Mgr. Tarchev. de Cambray au P.
Quesnel, 1711 (Oeuvres 13, 265), beigefügt, von denen die erste
speciell über die Denuntiatio handelt. Quesnel sagt in seiner Re-
ponse aux deux lettres de Mgr. Tarch. . . ., 1711*: er habe gar
keinen Antheil an der Abfassung und Verbreitung der Denuntiatio;
dieses 6crit temeraire et insupportable werde von allen Theologen,
mit denen er in Verbindung stehe, missbilligt. Witte antwortete
in Augustini Iprensis vindicati vindiciae uberiores s. Epistolae D.
Fenelonii ... ad P. Quesnellium et Responsionis ab hoc ad D. Fe-
nelonium datae, qua parte Denuntiationem Bullae Clementinae in-
vadunt, excussio et depulsio, per Aeg. Albanum Presb., 1711.
Quesnel wiederholt in der Reponse ä M. de Witte sur son dernier
70ß Gas de conscience von 1702.
6crit, oÜL il pretend justifier sa Denonc. de la balle de Clement XL,
. . . 1711: die Denuntiatio werde von allen verständigen Geistlichen
als scandalös angesehen, der selige Erzhischof von Sebaste sei dar-
über sehr indignirt gewesen. Du Vaucel schrieb schon 1701 an
Quesnel: die Löwener müssten Witte und Gerberon desavouiren, und
zwar nicht bloss ihr Auftreten, sondern auch ihre Ansichten; man
müsse sie extra synagogam facere; sie richteten mit ihren Masslosig-
keiten un mal infini an (L. de Meyer p. XVI). Wittens Nouvelle
Apologie wurde auch von seinem Freunde, dem holländischen Priester
Andreas van der Schuer (Schurius, f 1719) bekämpft: Irenicon s.
Epistola pacifica Philireni presbyteri, 1708, worauf de Witte mit
Polemicum s. bellica expostuiatio catholici Philalethis adv. Irenicum
. . 16 S. 4., antwortete (beide der Idee beigebunden). Von diesem
wurden Andreae Schurii Gorcomiensis Presbyteri S. T. P. Episto-
larum 1. I., II. et III., Utrecht 1694—97*, 3 vol. 8., 1702 verb.
Die allermeisten dieser Briefe, — Schurius und Witte galten als
elegante Lateiner, — sind ganz harmlosen Inhalts. Eine andere
Briefsammlung von ihm: A. S. Philireni Epistolarum Centuria L,
cum farragine epistolarum Andreae Alciati aliorumque ad Viglium
Zuichenum, Delphis 1702*, und A. Schurii Anthologia, P. 1. et 2.,
Utrecht 1700* (Briefe und Excerpte aus Kirchenvätern), stehen nicht
im Index.
Ein Enfant terrible der antiJansen istischen Partei war Adrian
van Wijck, geb. zu Roterdam 1641, wie er selbst hervorhebt im
Jahre der Verdammung des Jansenius, nach Vollendung seiner
Studien 1665 von Neercassel zum Priester geweiht und zum Pfarrer
zu Ketel bei Delft ernannt. Nach Neercassels Tode 1686 wurde er
(von den Jesuiten) Innocenz XI. als dessen Nachfolger in Vorschlag
gebracht; er klagt, der spätere Erzbischof Codde habe ihn damals
als Faex missionis, als Zänker, unruhigen Kopf u. s. w. bezeichnet
— 1689 schrieb er Den catholycken Theologand ofte een theologische
verhandelinghe aengaende de goddelycke gratie volgens de wys op
welcke van dien Stoffe . . . Rot. 1689. Schurius, welcher darin
besonders angegriffen wurde, denuncirte das Buch in Rom (Epist.
2, 182). Auch Arnauld (3, 228) schickte Thesen daraus an du Vau-
cel, — er bezeichnet den Verfasser als Semipelagianer, — und sprach
die Hoffnung aus, die Cabale der Jesuiten werde die Verdammung
des Buches nicht hindern. Es wurde wirklich 1690 von der Inq. verb.,
einige Monate später auch Den toet-steen [Prüfstein] van het boekjen:
Rechtmaetigh onderscheyd . . . Rot. 1690 (über die Distinction ab-
regne, S. 472). 1692 veröffentlichte er Vriendelycken zentbrief aen alle
de soogenaemde Jansenisten, worin auch die Lehren der Thomisten
von der gratuita praedestinatio und gratia per se efficax als schreck-
liche Lehren bekämpft werden (Arn. 3, 737). Der Commissarius 8.
Off., Thomas Maria Bosius, und der Qualificator Phil. a. S. Nicoiao
(Carmeliter) erklärten: das Sendschreiben sei eine offenbare üeber-
tretung der päpstlichen Decrete, weil darin die Sententia communis
der Väter und Theologie von der gratuita praed. etc. verketzert
werde; es sei darum und wegen seines verwegenen und injuriösen
Adrian van Wijck. 709
Tones geeignet, die Eintracht und den Frieden anter den in ketze-
rischen Gregenden lebenden katholischen Missionaren zu stören, und
es sei als Epistola seditiosa et scandalosa zu verbieten (Serry p. 82).
Die Inq. verbot dasselbe 1. Juli 1693, gleichzeitig: Den oprechten
Catholyck thoonende [beweisend], dat Godt aen alle menschen, niemant
uytgenomnien, een genoeghsame genade geeft, om te kunnen saligh
werden, Rot. 1668 (mit dem Zusätze tractans etiam in particulari
de infidelibus paganis et parvulis non baptizatis), und Kort en ge-
trouw verhael van 't gene onlangs is voorgefallen tusschen den H.
Lambertns van Rhijn, Pastor tot Punachker, en my ondersohrieven
Adriaan van Wijck (als Folium bezeichnet). Der Internuncius zu
Brüssel wurde von der Inq. beauftragt, Wijck das Decret mitzu-
theilen und ihn zur Unterwerfung aufzufordern. Wijck aber, —
Arn. 3, 737 sagt, er habe gewusst, dass der Internuncius und die
Jesuiten für ihn seien, — weigerte sich und veröffentlichte: Adr.
van Wijck, saecularis presbyteri et in HoUandia missionarii, suppli-
catio ad Emin. et Rev. S. R. E. Cardinales et Inquisitores supremos,
ut non cogatur subscribere judicio Patris Commissarii et alterius
Qualificatoris. Diese Schrift wurde natürlich sofort 19. Mai 1694
verb. und Wijck nochmals zur Unterwerfung aufgefordert. Er ver-
öffentlichte nun Eenvoudigh verhael van 'tgene voorgevallen is wegens
seker geschrift: Vriendelycken zentbrief . . ., und anonym : Naeder
dekreet van de Roomse vierschaer [Decretum nuperum tribunalis
Rom.] genaemd Inquisicie by het welke onder anderen verdoemt
's Word het smeekschrift [Bittschrift] van Heer Adriaen van Wijck,
Pastoor in de Kethel, door den voorz. beer an de Cardinalen van
Rom, dat zijne ses voorige geschriften veroordeelt en verbannen
waeren, beide 1694, verb. 7. Sept. 1695. — Andere Schriften von
ihm sind nicht verboten worden. In der erst in neuester Zeit ver-
öffentlichten Responsio bipartita sagt er: sieben Schriften von ihm
seien in Rom lediglich [!] darum verboten worden, weil er darin ohne
Erlaubniss des h. Stuhles, und zwar in der Yolksprache, de auxiliis
gratiae geschrieben; seine Libelli seien aber encomiastico censorum
ordinariorum calculo muniti erschienen; er spricht dann ausführlich
über einzelne angebliche Irrthümer in denselben^).
3. Pierre- Jean- Franyois Persin de Montgaillard , geb. 1633,
seit 1664 Bischof von St. Pens 2), von dem d'Aguesseau 13, 291
1) Responsio bipartita Adriani Wyckii ad ea, quae in recenti Apo-
logia quorundam (es ist die 1702 erschienene Apologia von Jo. Palaeopi-
stus, d. i. G. de Witte p^emcint) de clero nostro tum de persona illius tum
de doctrina continentur, im Archief voor de gesch. van het AB. Utrecht,
9 (1881), 321-3Ü8. Vgl. van der Aa s. v. Paquot 8, 644. Bellegarde
p. 200. 231. 250. Hist. Zts. 1675, 259. 262. — De Witte schrieb Duyts
antwoord op sektTen latynsen brief van Adriaan van Wyck, Pastor in Ketel,
1705 (Idee de Witte p. 126), der Dominicaner Norbert d'Elbecque Dis-
solutio schematis Wyckiani bipartiti de praedestinatione, 1708 (Qu6tif 2,
788. Serry p. 660. L. de Meyer p. XV. XXVI).
2) Sein Vater war wegen Ucbergabe einer Festung im Mail&ndischen
710 Gas de conscience von 1702.
sagt, er sei einer der heiligsten Bischöfe der letzten Zeit gewesen
und werde mit Unrecht als Jansenist bezeichnet, wurde in Rom zu-
erst denuncirt wegen einer Instruction contre le schisme des pr^ten-
dus r^formez, dann wegen des 1681 von ihm in seiner Diöcese ein-
geführten Breviers, darauf wegen eines Streites mit den RecoUecten
in seiner Diöcese. — In einem ausführlichen Briefe, den er an Cle-
mens XI. richtete, als durch ein Decret der Inquisition vom 27. Apr.
1701 8 Schriften von ihm verboten worden (U. N. 1705, 96), sagt
er, Innocenz XI. habe seine Gegner mit den beiden ersten Denun-
ciationen abgewiesen. Der Instruction war zum Vorwurf gemacht
worden, dass er, um die Protestanten zu gewinnen, einige Unter-
scheidungslehren abgeschwächt und u. a. das Lesen von französischen
Bibelübersetzungen für erlaubt erklärt habe. Der Bischof versichert,
Card. Grimaldi und mehrere französische Bischöfe hätten das Buch
gelobt und es habe die Bekehrung mancher Protestanten bewirkt.
Es wurde 1701 nur mit d. c. verboten. — Was das Brevier betrifft,
so war in der Diöcese St. Pons früher das Brevier von Narbonne
(in der Kathedrale das Benedictiner-Brevier) gebraucht, 1657 von
Persins Vorgänger das Römische empfohlen worden. Persin führte
dieses mit einigen Modificationen ein: er fügte eine Anzahl von
Diöcesan-Officien bei und Hess eine Anzahl von Römischen weg,
u. a. S. Mariae ad Nives, Nominis Mariae, auch einige Ordensheilige,
Antonius von Padua, Ignatius Loyola, Raimundus Nonnatus, auch
Stigmata S. Francisci. Der Archidiakon F.-G. de The s an du Puyol
reichte im Namen des Domcapitels und einiger anderen Geistlichen
eine Beschwerde darüber bei Innocenz XI. ein. Der Bischof ver
theidigte sich in einer Schrift Du droit et du pouvoir des eveques
de regier les offices divins dans leurs dioc^ses, suivant la tradition
de tous les siecles depuis J.-Chr. jusqu^ä präsent, 1686, dem ein
Recueil des factums et autres pi^ces qui ont servi k la defense da
calendrier du dioc. de St. Pons beigefügt ist (die drei Factums waren
im Parlament von Toulouse vertheilt worden, bei welchem der Archi-
diakon einen Appel comme d^abus eingelegt hatte). Diese zwei
Schriften, aber auch die Klageschrift von Thesan wurden 1701
sammt dem von dem Bischof eingeführten Proprium Sanctorum und
den Directoria et Calendaria für 1681 verb. *). — Der Streit mit
den Recollecten begann schon 1671 mit einer Schrift La veritable
devotion k la M^re de Dieu e tabue sur les principes du christia-
1640 enthauptet worden. Später wurde sein Andenken retablirt und zam
Tröste der Familie 1664 der zweite Sohn zum Bischof ernannt.
1) Von der Instruction wird in dem Briefe in den ü. N. 1705 aus-
führlich gehandelt, von dem Brevier in einer Schrift ohne Titelblatt 40 S. 4.,
welche den (lateinischen) Texte de la lettre de TArchidiacre de St. Pons
ä Innocent XL und (französische) Notes de V eveque de St. Pons enthält
Es ergibt sich daraus, dass der Bischof auch die 2. Nocturn etwas ex-
purgirt, u. a. die Legenden von den Päpsten Marcellious und Silvester
in ganz ähnlicher Weise geändert hatte, wie neuestens Leo XIII. (A. J.
P. 23, 882. 494). Vgl. (Freschot), L'etat du siege de Rome 2, 176.
Persin de Montgaillard, Bischof von St. Pens. 711
nisme, par le P. Cherubin de S. Maria Kuppe Recollet. Es scheint
sich anfangs um eine Polemik über Marienverehrung (S. 240) und
andere doctrinelle Punkte, auch um das Bibellesen gehandelt zu
haben ; später, 1694, trat der Streit über die Stellung der Orden
zum Bischof in den Vordergrund, da die Recollecten unter Berufung
auf ihre Exemtion gegen eine bischöfliche Visitation protestirten.
Beide Theile wandten sich an den Papst und der Bischof schickte
seinen Nefl'en als seinen Vertreter nach Rom. Innocenz XII. beauf-
tragte 1698 einige Theologen mit der Prüfung der Sache ^). Diese
wurde aber bald der Inquisition übergeben und am 27. April 1701
erliess diese ein Beeret, worin 8 Schriften des Bischofs, ausser den
schon erwähnten 4 auf den Streit mit den Mönchen bezügliche, ferner
die Schriften von Thesan und von Rupp^ (mit d. c.) und noch 8
andere verb. wurden, die im Index unter Examen, Lettre (3), Picot,
Reflexions (2), Requete stehen, also zusammen 18 Schriften, zu deren
Leetüre sich wohl jetzt kaum noch jemand versucht fühlen wird.
In dem Decrete werden schliesslich auch noch alle änderen Libelli,
epistolae, folia et alia quaecunque hioc inde edita occasione contro-
versiae inter praedictum Episcopum et Patres Recollectos verboten,
woraus doch Ben. kein Decretum generale gemacht hat.
Auf den Rath Renaudots wendete sich der Bischof nochmals an
den Papst mit dem schon erwähnten Briefe vom J. 1705. Er erinnert
darin daran, dass ihm Innocenz XII. versprochen, er wolle die Sache
durch eine ausserordentliche Congregation untersuchen lassen und
dann selbst entscheiden, und dass auch Clemens XI. seinem Vertreter
eine Entscheidung des h. Stuhles in Aussicht gestellt habe ; und nun
sei ein Inquisitionsdecret gekommen, welches er nach dem Vorgange
der Sorbonne, der Parlamente und vieler Bischöfe einfach ignoriren
könnte, welches eine Beleidigung des Episkopates sei, da es mit
demselben Stocke den Hirten und die Schafe schlage u. s. w.; der
Papst möge die Sache nochmals untersuchen lassen, das Beeret cas-
siren und selbst entscheiden, damit man ihm nicht höhnend vorhalte,
er hätte voraus wissen können, cunct« Romae teuere monachos contra
invisos ibi episcopos, maxime gallicos; arripi occasiones eos in or-
dinem redigendi altosque eorum spiritus frangendi; si quid scrip-
serint ab italicis moribus nonnihil remotum, a nudius tertius in-
ductis consuetudinibus dissonum, a recentioribus quorundam religio-
sorum opinionibus alienum, id mille quaesitis coloribus, imo nuUo
quaesito colore damnari. Nachdem das S. 701 erwähnte Breve von
1710 erschienen war, schrieb der alte Bischof einen vom 2. März
1711 datirten Brief an den Papst, den er offen dem Vicelegaten von
1) In dem Briefwechsel Bossuets mit seinem Neffen werden die Ver-
handlungen in Rom wiederholt erwähnt; Oeuvres 41, 74. 180. 268. 289.
Im J. 1700 schreibt Bossuet (38, 103) an den Bischof de la Broue von
Mirepoix, der den Streit mit den Recollecten beizulegen versucht hatte
(40, 262. 392): der Bischof von St. Pons werde der Kirche einen grossen
Dienst leisten, wenn es ihm gelinge, de rendre Rome traitable bezüglich
der Bibelübersetzungen und des Bibel lesens.
712 Die ütrechter Kirche.
0
Avignon zusandte und den dieser an den Cardinal-Staatssecretär
Paolucci schickte. Er sagt darin: der Papst sei über sein Mande-
ment nicht gut unterrichtet; er möge dasselbe prüfen lassen, dann
werde er wohl die Censur zurücknehmen (Corr. de F6n. 3, 401).
Vierzehn Tage vor seinem Tode (13. März 1713) soll er nochmals
an Clemens XL geschrieben und sich unterworfen haben.
68. Die ütrechter Kirche.
Der Gegensatz zwischen den zwei Richtungen, die man
kurz al8 die Jansenistische und die jesuitische bezeichnen kann,
bestand auch in Holland. Hier kam aber noch, wie auch anderswo,
der Gegensatz zwischen Weltgeistlichen und Ordensgeistlichen
hinzu und ausserdem, wie in England, der Streit über die Frage,
ob die Katholiken in protestantischen Ländern Bischöfen oder
apostolischen Vicaren zu unterstellen seien. Diese Frage ge-
staltete sieh in Holland anders als in England: während hier
thatsächlich Jahrhunderte lang apostolische Vieare fungirten
und von einem grossen Theile der Katholiken die Errichtung
von Bisthtimern nur angestrebt wurde, war in Holland die Hie-
rarchie nicht ganz zerstört worden. Es blieben Capitel bestehen,
welche Erzbischöfe von Utrecht wählten, die zugleich als Ober-
hirten der Katholiken in den fünf, seit der Reformation nicht
mehr besetzten Suffraganbisthümem fungirten. Von der einen
Seite wurde nun behauptet, jene Erzbischöfe seien wirkliche
Ordinarien, wenn sie auch nicht den Titel Erzbischöfe von
Utrecht führten, sondern nach einem Erzbisthum oder Bisthum
in partibus benannt würden, auf der andern, Holland sei seit
der Reformation ein blosses Missionsland und der Erzbischof
ein blosser apostolischer Vicar. — Diese Gegensätze führten
zu einem förmlichen Bruche, als Clemens XI. im J. 1702 den
Erzbischof Peter Codde absetzte und Theodor de Cock zum
apostolischen Vicar ernannte und, da diesem von der Regierung
der Aufenthalt in Holland nicht gestattet wurde, dem Nnncins
in Köln die Leitung der holländischen Mission übertrug. Die
Capitel protestirten gegen diese Massregel und wählten von 1724
an in ununterbrochener Reihenfolge Erzbischöfe von Utrecht,
welche von 1742 bezw. 1758 an auch die Bisthümer ilaarlem
H. Fr. van Heussen. 713
und Deventer wieder besetzten. Der Bruch wurde noch dadurch
vergrössert, dass die Capitel von Utrecht und Haarlera und die
ihnen anhangenden Geistlichen nicht nur bezüglich der erwähnten
päpstlichen Massregel, sondern auch bezüglich der Bulle Uni-
genitus an ein allgemeines Concil appellirtenM*
Im J. 1707 wurde durch ein Breve Clemens' XL 31 auf
die Codde'sche Angelegenheit bezügliche Schriften verboten,
später noch eine grosse Zahl von Schriften zu Gunsten der
Utrechter Kirche. Von dem gelehrtesten Berather derselben,
dem berühmten Löwener Juristen Z. B. van Espen, wurde 1704
sein Hauptwerk, Jus ecclesiasticum, 1734 sämmtliche Werke ver-
boten.
1. Im J. 1682 wurde Hugo Franz van Heussen von den Ca-
piteln von Utrecht und Haarlem zum Coadjutor des Bischofs Neer-
cassel gewählt. In Rom stiess die Bestätigung auf Schwierigkeiten,
da zuerst seine 1677 in Löwen vertheidigten Thesen, dann seine
16S1 zu Löwen gedruckte holländische Schrift über den Ablass
denuncirt wurde. Card. Azzolini und Schelstrate vertheidigten diese
Schrift. Während der Verhandlungen starb Neercassel 6. Juni 1686,
und 18. Juli wurde Heussen zu seinem Nachfolger gewählt. Inno-
cenz XI. wollte ihn bestätigen; aber der Augustiner van Heck u. a.
denuncirten nochmals die Schrift über den Ablass der Inquisition
(Arn. 2, 763), und durch ein Decret von Eer. V. 15. Mai 1687
wurde (G. Ziegler De episcopis und) Libellus flandrico idiomate
impressus Lovanii 1682, cujus titulus latine sonat: Tractatus de
indulgentia et jubileo. auct. Vgo Francisco van Heussen ohne weitere
Motivirung verb. ^) und darauf die Bestätigung verweigert. — Im
Index steht die Schrift ohne Heussens Namen als Bre vis Tractatus
interrogationibus et responsionibus digestus in usum fidelium, qui
indulgentias et jubilaeum cum fructu lucrari meditantur, Lov. 1681.
1) G. Dnpac de Bellegarde (f 1789), Hist. abregee de Tegl. m^tro-
politaine d'ütrecht, 3. Ed., ütr. 1852, p. 196. 500. (Freschot), L'etat pres
(S. 139), 3, 21. (J. G. Herbst), Die kath. Kirche zu Utrecht, Tüb. Q.-S.
1826. Nippold, Die altkath. Kirche des Erzbisthuma Utrecht, 1872. Wenzel-
burger, Erzbischof Codde von Utrecht, Hist. Zts. 1875, 241. Rheinischer
Merkur 1872, 5. Vgl, ut audiatur et altera pars, Fleur. 67, 1. Til. Wilh.
Backhusiufl, Acta Z. B. van Espen, P. Quesnelli et Chr. Erkelii circa mis-
sionem Hollandicam 1701 — 31. Ed. nova, Mechl. 1827 (1787 auch italienisch
gedruckt; G. eccl 3, 42).
2) Das Decret steht auf der letzten Seite der Constit Was Belle-
garde p. 198 gegen dasselbe vorbringt, reducirt sich darauf, dass Fehler
darin vorkommen, wie sie sich in vielen Decretcn finden: ungenaue Wieder-
gabe des Titels, Ugo statt Hugone und 1682 statt 1681. Wenn Beileg.
sagt, der Papst habe das Decret reformiren lassen, so bezieht sich das
nur auf einen von den iSchnitzern gesäuberten neuen Druck.
P. Codde. 716
lischen Kammer (als Manuscript) gedruckt. In einer Congregation
von 10 Cardinälen, die mit der Prüfung beauftragt, wurde (Inqui-
sition?), sprachen sich 18. Dec. 1701 fünf, darunter Noris und
d^Estr^es» für, fünf gegen Codde aus. Durch ein Breve vom 13. Mai
1702 wurde aber Peter de Cock, da Codde suspendirt sei, zum Pro-
vicar ernannt (er wurde von den Capiteln und den Ständen nicht
anerkannt, von diesen 8. Aug. 1703 yerbannt und lebte dann einige
Zeit in Emmerich, darauf in Rom). Codde wurde noch 11 Monate
in Rom zurückgehalten, — es scheint, dass man ihn bis zu seinem
Tode dort zurückhalten wollte, — und kehrte erst 1703 in Folge
einer Aufforderung der Stände nach Holland zurück. In einem
Breve an die holländischen Katholiken vom 7. April 1703 (Rosko-
vany 3, 2) erklärte Clemens XI., er habe aus gerechten und ge-
wichtigen Gründen den Erzbischof von Sebaste von dem Amte eines
apostolischen Yicars suspendirt und einstweilen einen Provicar er-
nannt, und forderte sie auf, sich von den wenigen ecclesiae et rei-
publicae turbatores nicht irreleiten zu lassen, die sich als Vertreter
einer exactior disciplina et rigidior theologia gerirten und Schmäh-
libelle gegen den h. Stuhl verbreiteten.
Am 7. Mai 1704 publicirte die Inquisition ein von Fer. V.
3. April datirtes Decret (L. de Meyer 2, 723), worin die beiden
Yertheidigungsschriften Codde's auf Grund der Gutachten mehrerer
Theologen und der Vota der Cardinäle verdammt wurden, weil sie
Lehren und Behauptungen enthielten, die mindestens verdächtig,
singulär und den kirchlichen Constitutionen zuwiderlaufend seien
und wodurch die Gläubigen in schon verdammte Irrthümer geführt
und mit verkehrten Meinungen angesteckt werden könnten. (Sie
stehen seit Ben. unter Coddaeus.) Codde selbst, wird beigefügt,
sei, da er nach einer langen und sorgfältigen Untersuchung der
ganzen Sache bezüglich dessen, worüber er denuncirt worden, den
apostolischen Stuhl nicht zufrieden gestellt, von der Leitung der
holländischen Mission, von der er früher suspendirt worden, gänz-
lich entfernt und ein anderer apostolischer Vicar zu ernennen, wo-
rüber in der Congregation der Propaganda zu verhandeln sei. Codde
hatte mittlerweile in einem Hirtenbriefe vom 19. März 1704 über
das Verfahren gegen ihn berichtet und erklärt, er werde sein Amt
fortführen: Epistola ad cath. incolas foederati Belgii de suo ad Ur-
bem itinere ac de muneris sui administrandi interdictione. Unter
dem 20. Aug. veröffentlichte er eine Epistola secunda etc. In dem-
selben Jahre erschien auch Defensio P. Coddaei Archiep. Seb. adv.
decretum Inquisitionis Romae emanatum Fer. V. 3. Apr. 1704.
Diese wurde 23. Juli von der Inq. verb. — Ende 1706 veröffent-
lichte Codde eine Declaratio apologetica P. Coddaei Archiep. Seb.
sinceris solidisque documentis firmata, quam circa praecipua causae
Buae capita evulgandam duxit, die 1707 auch französisch erschien
(213 S. 12. Beileg. p. 501). Darauf zog er sich zurück.
In einem Breve vom 4. Oct. 1707 (Bull. cont. 2, 60) erklärte
Clemens XI.: er habe von den zahlreichen Schriften, welche zur
Vertheidigung des 3. Apr. 1704 abgesetzen Codde und seiner gleich-
716 Die ütrechter Kirche.
zeitig verdammten Schriftstücke in lateinischer, französischer und
belgischer Sprache erschienen und welche geeignet seien, die Zwi-
stigkeiten unter den holländischen Katholiken zu fördern und den
Samen falscher Lehre zum Schaden des orthodoxen Glaubens aus-
zustreuen, vorläufig einige durch die Inquisition prüfen lassen. Auf
Grund ihres Gutachtens und auch motu proprio verdamme er diese
als viel Falsches, Verleumderisches, für den apost. Stuhl und seine
Diener Beleidigendes . . . und zum offenen Schisma Führendes ent-
haltend, desgleichen alle Werke, Bücher, Briefe und anderen Schriften,
in welchen jenes Decret angegriffen werde, in welcher Sprache sie
auch herausgegeben seien oder herausgegeben werden würden. —
Die 31 in diesem Breve verdammten Schriften sind folgende: die
zwei Hirtenbriefe und die Declaratio (im Index steht Denunciatio)
von Codde und ein 1704 veranstalteter Abdruck der bereits 1704
verdammten beiden Schriftstücke: Declaratio et responsiones, cum
in Urbe esset, Em. DD. Cardinalibus tradita et jam orbi pandita
Christiane, — zwei Schriften über das Breve vom 7. Apr. 1703:
Notae breves in epist. ad catholicos Hollandiae, quae sub nomine
Pontilicis Clementis XL circumfertur, per jurisconsultum Batavum,
und Vreedzamige waarschouwing over zekere brief de naem
voerende van Clemens XL, — Litterae ad Archiep. Sebastenum
nomine S. Congr. de Propaganda fide 25. Aug. 1703, ut fertur,
scriptae, notis vero brevibus illustratae per Janum Parrhasium,
Amst. 1704, — drei Schriften über das Inquisitionsdecret vom
3. Apr. 1704: Notae in decretum, quod Inquisitionis nomine cir-
cumfertur contra Archiep. Seb., per Janum Parrhasium; Zedelyke
overweginge van het dekreet der Roomische Inquisitie des jaers
1704, 3. April, tegens de verklaringe en verantwoordinge de Aartsb.
van Sebasten, Roterdani 1704, seit Ben. unter Timotheus van Vre de;
Avis sinc^res aux catholiques des provinces-unies sur le d6cret de
rinq. de Home contre TArch^v. de Seb., avec plusieurs pi^es qui
ont rapport ä son affaire, 1704, 340 S. 12., von Quesnel; — zwei
Schriften des Phil, et Med. Dr. Henr. Spoor: Responsio ad episto-
lam sibi scriptam a D. Internuncio Bruxellensi, datirt Utrecht im
Mai 1703, lateinisch und holländisch gedruckt; Klagende Merknar
opgedragen van de Heer Franc. Fairlemont Theol. Dr., Utr. 1703;
— Lettre d'un homme de qualit^, pour servir de r^ponse ä une
autre k lui address6e par Mgr. Tlnternonce apostolique avec la
bulle . . datee k Rome le 7. d'Avril 1703; — zwei pseudonyme
Schriften von de Witte (S. 705): Apologia pro clero ecclesiae Batavorum
romano-catholicae, seu rationes ob quas clerus oensuit in locum
Rev. Archiep. Seb. non esse illico recipiendum D. Theodorum Cok-
kium, per Jo. Palaeopistum , Delft 1702, 79 S. 4.; Imago pon-
tificiae dignitatis penicillo sacrarum scripturarum et traditionis nati-
vae delineata, ubi, quid Rom. Pontifici competat vel non competat,
collectis ex ecclesiastica suppellectili documentis luculente ac com-
pendio demonstratur, auct. Desiderio Palaeophilo, Constantiae
1704, 70 S. 4.; — mehrere andere Schriften gegen Cook: Colly
rium Theodoro de Cook dono missum per M. M. A. P. C. cordis
Streitschriften. 717
amicitia, 1704; Adeodatus presbyter compresbyteris de clero per
Foederatum Belgium D. Theod. CokkiuiD ut provicarium non recipien-
tibus S. P., Delft 1703; Diotrephes, sive spiritus et opera Theod.
Cockii accurate descripta et justificando clero eura in vicarium apost.
non recipienti in lucem data ab Eu^enio Clario Theologo, Lugd.
1704 (an dieser Schrift hat de Witte mitgearbeitet); — mehrere
Vertheidigungen Codde's: Evenredige samenspraek op het ver-
wyzen yan onsen saligmaker Jesus Christus en op de zaek van den
Arschb. van Sebasten; Xenicum chronographicum, sive selecta in-
nocentiae per invidiam calumniamque oppressae exempla, 111. ac Rev.
D. Petro Coddaeo, Archiep. Seb., pro strena oblata cordis et animi
sinceritate, 1705; Disquisitio theologica de potestate ac jurisdic-
tione, quibns in Foederati Belgii provinciis etiamnum fruitur Ar-
chiep. Seb., ablato lioct vicariatu apostolico, nunquam antehac ty-
pis edita; Lameuta et querelae sponsae Sebastenae per demen-
tem XI. viduatae ad eundem pro sponsa sua; — eine Vertheidigung
des Rechtes der Utrechter Kirche, noch als Erzbisthum, nicht als
Missionskirche angesehen zu werden: Assertio juris ecclesiae me-
tropolitanae Ultrajectinae romano-cath. adv. quosdam, qui eam ad
instar ecclesiarum per infidelium persecutiones destructarum jure
pristino penitus excidisse existimant, per J. C. E[rkel], J. U. Lic,
ejosdem eccl. canonicum, Delft 1703: — zwei Denkschriften für
das Recht des Haarlemer Capitels: Motivum juris pro capitulo cathe-
drali Harlemensi, und Refutatio responsi ad libellum cui titnlus:
Motivum . . . sive elucidatio ulterior jurium ejusdem capituli, beide
Haarlem 1703, im Breve als anonyme Schriften, seit Ben. unter
dem Namen des Decans des Capitels, Martin de Swaen, der die
beiden Schriften veröffentlichte; verfasst sind sie von van Espen
(abgedr. Opera 5, 343); — Cato Uticensis redivivus ad amplissi-
mos archidioeceseos Ultraject. et dioec. Harlem. capitulares viros.
Pro aris et focis; — Cleri catholici per Foederatum Belgium et
Archiepiscopi Seb. religio vindicata contra libellum memorialem de
statu et progressu Jansenismi in HoUandia (von Doucin); Jo. Clerici
in S. Augustinum censura [S. 685] refellitur; scripta varia ad
rem pertinentia ad calcem appenduntur. Auth. Christiano Philire no
Presbytero, S. Th. Prof., ütr. 1703, 8., von Quesnel; — Refle-
xions succinctes sur la lettre d'un catholique romain a un de ses
amis d'Italie touchant Tetat present des catholiques rom. en Hol-
lande, 7. Nov. 1704; — endlich einige Schriften gegen die Je-
suiten: Lettre de M. N. a un seigneur d'Angleterre sur la de-
mande, sMl est hon d'employer les Peres J^suites dans une mission,
qu'on a trouve ä propos de donner derechef au public en tant qu'elle
foumit de la lumiere dans l'affaire de M. de Sebaste, 1686, 3 Fevr.,
von Gerberon; Gisberti Amstelii expostulatio altera adv. Lojoli-
tas, foedos societatis Jesu desertores, Col. 1704 (von der Expostu-
latio prima adv. eos, qui dicunt se de consortio Jesu esse et non
sunt, et sunt synagoga satanae, wurde erst die Ed. 2. von der Inq.
26. October 1707 verb.); Jesuitarum aliorumque Rom. Curiae
adulantium de Summi Pontificis authoritate commenta regnis regi-
718 Die ütrechter Kirche.
basqne infesta ac specialiter snpremis praepotentibusque Foederati
Belgii Ordinibas pericnlosa, üdeliter proposita per Jnrisconsnltam
Batavura, eccleaiae et patriae amantem, Amst. 1704, von Erkel. —
Die Inq. verbot dann noch 17. Juli 1709: Responsum juris . . .
D. Wernheri Thummermuth JCti Germani . . quo . . . evincitur,
rescripta pontificia . . . jure non subsistere • . . , 1708. Eine unter
dem Titel Causa Coddaeana 1705 erschienene Sammlung der haupt-
sächlichsten Actenstücke (Beileg. p. 500) steht nicht im Index ^).
Im J. 1709 wurde eine Protestation gegen den Nuncius Bussi
in Köln veröffentlicht, dem der Papst die holländischen Katholiken
unterstellt hatte: Cleri Romano-catholici praecipuarum in Hollandia
australi civitatum protestatio adv. editores et divulgatores quarundam
epistolarum, quae sub nomine III. ac Rev. D. J. B. Bussii . . .
sparguntur, 23 S. 4. Dann erschien: Protest van de Rooms-catho-
lyke Clergie . . . tegen het vuyl en ondeugend boek, bedriegelyk
genaemd Troost-Schrift voor de Rooms-Catholyken . . . [von De-
sirant] door J. C. van Erkel . . , Delft 1710. Erkel, Canonicus
in Utrecht, wurde darauf von dem Nuncius nach Köln citirt, um
sich wegen dieser Schrift zu verantworten ; er protestirte gegen die
Citation und wurde 16. Jan. 1711 excommunicirt (Vie de v. Espen
p. 142) und die zweite Schrift 15. Apr. 1711 von der Inq. verb.
Der Protest selbst, zwei weitere umfangreichere Yertheidigungen
desselben, eine Schrift über seine Excommunication, die Defensio
Archiepiscopi Sebasteni und andere Schriften von Erkel, f 1^34
(Belleg. p. 500), stehen nicht im Index.
Am 18. Dec. 1710 starb der Erzbischof Codde, nachdem er
kurz zuvor das Ansinnen des Auditors des Nuncius Bussi, A. Borgia,
sich zu unterwerfen, abgelehnt hatte. Durch zwei Decrete der Inq. vom
30. Dec. 1710 und 14. Jan. 1711 (Bull. cont. 2, 410) wurde er als no-
torisch ungehorsam und widersetzlich gegen die apostolischen Constitu-
tionen und Decrete der Fürbitte der Gläubigen und des kirchlichen Be-
gräbnisses unwürdig erklärt und der Nuncius beauftragt, dieses den
holländischen Katholiken bekannt zu machen, tam ad damnandam
defuncti memoriam quam ad aliorum refractoriorum exemplum et
admonitionem. Zwei hierauf bezügliche Schriften wurden 1712
von der Inq. verb.: Justification de la memoire de M. P. Codde,
Aychev. de Seb., Vicaire apost. dans les Provinces nnies, contre nn
dÄcret de l'Inq. du 14. Janv. 1711, en deux parties, 1711, von
Petitpied; Defensio piae memoriae TU. ac Rev. D. Petri Coddaei
. ... ad clarissimum Dominum, 1711, — in demselben Jahre eine
ausführliche und scharfe Kritik des Breves vom 4. Oot. 1707 von
Quesnel: Divers abus et nuUit^s du d^cret de Rome du 4. Oct.
1707 au sujet des affaires de TEgl. cath. des Provinces unies, 1708,
234 S. 12.
l) lieber manche der im Iudex stehenden Schriften hat mir auch
der beste Kenner der auf die Utrechter Kirche bezüglichen Literatur,
Präsident Carl Carsten zu Amersfort (f 1884) keine nähere Auskunft geben
können.
J. C. van Erkel u. a. Utrechtep Synode. 719
In dem folgenden Decennium wurden verb. : Batavia sacra
sive res gestae apostolicorum virorum, qui fidem Bataviae primi
intulerunt . . . studio T. S. F. H. L. H. S. T. L. P. U. T., Brüssel
1714, Fol., verb. von der Inq. 1722, von van Heussen (Clement
2, 491), — Storia e sentimento dell' abate Tosini sopra il Grian-
senismo nelle presenti circostanze, Concordia 1717, 3 vol. 12., erst
1728 verb. Tosini, Prof. in Bologna, hatte den spätem Cardinal
Passionei zu dem ütrechter Congress begleitet und bei dieser Ge-
legenheit mit Vertretern der Kirche von Utrecht verhandelt; sein
Buch ist Clemens XI. gewidmet (Belleg. p. 276. U. N. 1741, 294).
Heussens Hist. episcopatuum Foederati Belgii, 1719, 2 Fol. und viele
andere zur Vertheidigung der ütrechter geschriebene Schriften
(Walch, N. Rel.-Gesch. 6, 95. 165) stehen nicht im Index.
Im J. 1723 wurde Cornelius Steenoven zum ersten Erzbischof
von Utrecht seit der Entstehung des Schismas gewählt und 1724
von Dominions Maria Varlet, Erzbischof von Babylon i. p., conse-
crirt. Benedict XIII. erklärte in einem Breve vom 21. Febr. 1725
die Wahl für null und nichtig, die Consecration für durchaus un-
erlaubt und verdammlich (execranda). Aehnliche Breven erschienen
fortan fast nach jeder Bischofswohl in der Utrechter Kirche. —
Von den zahlreichen und zum Theil umfangreichen Schriften, in
denen bei Gelegenheit der ersten Erzbischofswahl und danach
das Recht der Utrechter Kirche vertheidigt wurde, stehen im In-
dex nur: Acta quaedam ecclesiae Ultrajectinae exhibita in defen-
sionem jurium Archiepiscopi et capituli ejusdem eccl. adv. scriptum
Cardinalis Archiepiscopi Mechliniensis, Haag 1737, verb. 1739 (Bei-
leg, p. 355. Nippold S. 139); — Instrumentum appellationis
111. ac Rev. Archiepiscopi ültrajectensis et Episcopi Harlem. ad
Concilium generale futurum a duobus brevibus, quae praeferunt
nomen S. D. N. Benedicti XIV., scriptis ad universos catholicos in
Foederato Belgio, s. 1. 1744, verb. durch ein Breve Benedicts XIV.
vom 26. Juni 1745, in welchem es heisst: schon der Titel zeige
zwar, dass diese Schrift der Proscription würdig sei; gleichwohl
werde sie nach Anhörung mehrerer Theologen und vieler Cardinäle
ausdrücklich verdammt als falsche . . . zum Schisma und zur Zer-
störung der kirchlichen Hierarchie verlockende (nicht auch: ketze-
rische) Sätze enthaltend, und bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent.
verb. Zugleich werden bei derselben Strafe alle geschriebenen oder
gedruckten Schriften verdammt, in welchen dergleichen Irrthtimer
irgendwie erneuert oder vertheidigt werden. Auffallender Weise
steht kein Verbot in den Decr. gen.
Im J. 1763 wurde in Utrecht eine Provincialsynode gehalten.
Eine Abschrift der Acten wurde nach Rom gesandt mit einem vom
21. Sept 1763 datirten Briefe der Synode an Clemens XIIL, worin
sie unter besonderer Hinweisung auf die Decrete über den Primat und
über Hardouin und Berruyer (ausser diesen war auch Phil. Le Clerc,
S. 705, censurirt worden) um Approbation bat. Der Commissar
der Inq., so berichtet Belleg. p. 415, erklärte den Cardinälen, die
Holländer hätten Recht, und Clemens XIII. äusserte einem Prälaten
720 Die ütreehter Kirche.
gegenüber, man müsse die holländische Angelegenheit beizulegen
suchen, da Acten einer Synode angekommen, die sehr gut seien.
Die Acten wurden 1764 gedruckt: Acta et decreta secundae Synodi
provinciae ültrajectensis . . ., Utr. 1764, 219 S. 4., und vielen
Bischöfen übersandt. Peinige französische Bischöfe beantragten ihre
Verdammung. Card. Castelli erklärte sich sehr heftig gegen die-
selben in einem Consistorium am 3. Apr. 1765; Card. Albani, ob-
wohl sonst kein Freund der ütreehter, widersprach ihm. Es wurde
nun eine besondere Congregatiou von 6 Cardinälen mit der Prüfung
der Acten beauftragt. Sie sprach sich mit vier Stimmen (Rezzo-
nico, Negroni, Fabroni, Castelli) gegen zwei (Albani, Torregiani)
für die Verdammung aus; demgemäss wurde 30. Apr. 1765 eine
Declaratio nullitatis pseudosynodi ültraj. et condemnatio libri : Acta
etc. publicirt (Bull. cont. 3, 67. Tüb. Ü.-S. 1726, 223). Der Papst
bezeichnet darin die drei Bischöfe als perditi homines et pervicaces
iniquitatis filii, welche wiederholt apostolico majoris excommunica-
tionis mucrone confixi und als schismatici vitandi erklärt seien.
Diese hätten, sagt er weiter, tumentes in peccato suo, die Acten
ihres illegitimus et nefarius conventus nicht nur veröffentlicht,
sondern auch mehreren Bischöfen übersandt. Nach Anhörung einiger
Cardinäle und anderer frommer und gelehrter Männer cassire er die
Acten der Pseudo-Synode, verdamme das Buch Acta et decreta etc,
und verbiete es in jeder Sprache, desgleichen alle anderen geschrie-
benen und gedruckten oder zu druckenden Schriften zur Verthei-
digung dieses verderblichen Schisma's. Die ütreehter veröffent-
lichten darauf eine Epistola episcoporum et cleri ecclesiastioae pro-
vinciae ültraj. . . . ad S. D. N. dementem P. XIII. . . occasione
Declarationis . . . , 1767, 46 S. 4. — Die so kräftig verdammten
Acta stehen merkwürdiger Weise, — es wird pure Vergesslichkeit
sein, — in keinem Index, auch nicht ein Buch, welches der Curie
viel unangenehmer sein musste: Recueil de divers t^moignages de
plusieurs cardinaux, archev^ues, eveques, universites .... juris-
consultes et autres personnes cel^bres en faveur de la catholicite «t
de la legitimite ... de Tegl. cath. des Provinces-Ünies contre le
schisme introduit . . . par les manoeuvres des Jesuites et de lenrs
adherents, Utr. 1763, 450 S. 4. (Belleg. p. 398). Auch die Histoire
abreg6e von Dupac de Bellegarde ist, obschon dreimal gedruckt,
1765, 1770 und 1852, nie verb. worden. — Nach langer Unter-
brechung verbot die Index-Congr. 1844 quocunque idiomate Instruc-
tion pastorale sur le schisme qui divise les catholiques de Tegl. de
Hollande vom 5. Febr. 1844, von dem 1843 consecrirten und durch
Gregor XVI. excommunicirten Bischof von Haarlem, H. J. van
Buul (Nippold S. 83).
2. In den ersten Streitigkeiten der ütreehter Kirche mit Rom
spielte eine hervorragende Rolle Zeger Bernard van Espeli, geb.
1646, seit 1673 Priester, seit 1674 Prof. des Kirchenrechts zn
Löwen. Sein Hauptwerk, eine der bedeutendsten Bearbeitungen de«
Kirchenrechts im anticurialistischen Sinne (Schulte S. 706), Joß
ecclesiasticum Universum hodiernae disciplinae, praesertim Belgü;
Z. B. van Espen. Fonrberie de Louvain. 721
Galliaram et yicinamm proyinciamm accommodatum . . . , Lov.
1700, wurde 1702 von dem Greneralvicar des Erzbischofs Preci-
piano, van Susteren, in Kom denancirt und 1704, als der Frocess
gegen Godde, als dessen Eathgeber man v. Espen kannte, im Gange
war, durch ein besonderes Deoret der Inq., aber ohne specielle Mo-
tivirung verb. (Vie p. 22. Suppl. App. p. 31). Die Inq. verbot
femer noch bei v. Espens Lebzeiten (Fer. IV.) 1707 das Motivum
juris für van de Nesse (S. 657) und 1714 Tractatus de promulga-
tione legum eccl. ac speciatim bullarum et rescriptorum Curiae Eom.,
ubi et de placito regio, Lov. 1712 (Vie p. 47).
Schon V. Espens erste Schrift, Dissertatio canonica de pecu-
liaritate in religione et de simonia circa ingressionem religionis,
Lov. 1684, 400 S. 12., — worin er zwei in manchen Klöstern ein-
gerissene Missbräuche bekämpft, dass den Mönchen der Grenuss
eines Frivateigenthums (peculium) gestattet und dass von den Ein-
tretenden eine Mitgift gefordert wurde, — wurde von den Augusti-
nern Desirant und Peter Glenaerts (f 1696) und einigen anderen
Mönchen heftig angegriffen und in Kom denuncirt. Arnauld (3, 100;
2, 645) sagte: es wäre scandalös, wenn die Dissertatio verboten
würde; die Gregenschrift von Desirant werde man jedenfalls nicht
verdammen; denn er greife zwar Fagnani heftig an und behaupte,
päpstliche Bullen verpflichteten nicht mehr, wenn sie 40 Jahre nicht
beobachtet worden; aber er declamire gegen die Jansenisten und
sage, der Papst habe Gewalt ad alligandos reges in compedibus
eto. Die Dissertatio wurde damals nicht verb., aber 1689 die
Thesen, die Glenaerts 1688* hatte vertheidigen und unter dem
Titel Synopsis quadripartita etc. drucken lassen und worin v. Espen
angegriffen wurde ^).
Desirant war auch später ein Hauptgegner v. Espens und
spielte 1707 eine Banptrolle bei der sog. Fourberie de Louvain.
Er sandte nämlich dem Erzbischof und dem Internuncius eine An-
zahl von Schriftstücken, welche, wenn sie echt gewesen wären,
T. Espen und seine Freunde hätten ruiniren müssen. Das schlimmste
war ein vom 10. Jan. 1707 datirter, Z. B. V. E. unterzeichneter
Brief an van de Nesse, worin derselbe ersucht wurde, die Freunde
zur Unterzeichnung einer beigelegten Erklärung zu veranlassen,
deren Unterzeichner den holländischen Generalstaaten für immer
Gehorsam versprechen, geloben, keine Delegaten des h. Stuhles an-
zuerkennen und kein Decret desselben zu beobachten, immer ihren
Glaußen und die vortrefflichen Sätze des Jansenius zu vertheidigen,
und sich damit einverstanden erklären, als Bürger von Amsterdam
eingezeichnet zu werden, um den Schutz der holländischen Kegierung
geniessen zu können. Der Brief war von der Hand eines jungen Mannes
Nie. Tourteau geschrieben, welcher eidlich erklärte, van Espen habe
ihm denselben dictirt. Femer wurde ein Liber congregationum pro-
1) lieber andere Thesen von Glenaerts s. Am. 2, 620. Vgl. Vie de
Y. Espen p. 8.
ReoBob, Index II, 46
722 Die Utrechter Kirche.
dncirt, ein Protocollbnch über Conventikel der Jansenisten, welche
ein Jahr lang unter van Espen s Vorsitz gehalten sein sollten, —
auch darin ist wiederholt von dem Anschloss an Holland die Redei
— und drei Briefe eines Theologie-Studirenden Grasper aus Amster-
dam an zwei dortige Freunde. Diese drei (harmlosen) Briefe waren
echt und von Tourteau auf der Post gestohlen ; alle anderen Schrift-
stücke waren fabricirt. Tourteau gestand dieses 26. März ein und
gab an, Desirant, dessen Amanuensis er war, habe ihn zu der
Fälschung verleitet. Des. leugnete dieses und behauptete, er habe
die ihm von Tourteau vorgelegten Schriftstücke für echt gehalten
und bona fide gehandelt, als er sie heimlich an die Behörden ge-
sandt. Am 18. Mai 1708 fällte der von dem Staatsrath eingesefjEte
Grerichtshof das XJrtheil: die Fälschungen seien von Henkershand
zu verbrennen, Desirant, als verdächtig, die Sache mit Tourteau
ausgeheckt und denselben zum Stehlen von Briefen verleitet zu
haben, und als überwiesen, authentische Abschriften von den Schrift-
stücken gemacht und diese mala fide den Behörden übersandt zu
haben, abzusetzen und für immer zu verbannen. Nach Beendigung
des Processes wurde die (von van Espen verfasste) Conclusio fina-
lis des Fiscals der Universität, Heinrich Malcorps, veröffentlicht^).
Des. veröffentlichte mehrere Vertheidigungsschriften, u. a. Apologia
contra impressam conclusionem finalem D. Henr. Malcorps; Conoor-
dantia litterarum Z. B. Y. £. Lovanii in Jan. 1707 et litteramm
Henrici Grrasper ibidem in seq. Febr. deteotarum; De nuUitatibus
aliisque defectibus schedulae, quam D. H. Malcorps cum suis cor-
ruperunt publicisque typis donarunt sub nomine sententiae latae
contra P. Bern. Desirant, 1710, endlich P. Nicolai Tourteau
poenitentia christiana . . . contra Henr. Malcorps tanquam evulga-
torem famosae conclusionis finalis . . . , Col. 1713*. In dieser
letzten Schrift gibt er einen Auszug aus den drei vorhergehenden
und, — was das Beste ist, das er zu seiner Yertheidigung beibringen
konnte, — eine Erklärung, die Tourteau 17. Oct 1713 zu Löwen
vor seinem Tode abgegeben: er habe die Schriftstücke fabricirt,
aber nicht auf Anstiften Desirants (es erschien dann freilich eine
Epist. ad JCtum Aquisgranensem de praetensa N. Tourteau revoca-
tione). — Von diesen Schriften verbot die Inq. 1714 De nullitatibus
etc., gleichzeitig: Justitia et veritas vindicata contra calumnias et
falsitates, quibus scatet Apologia Patris Desirant in iis, quae con-
cernunt quosdam Superiores Carmelitarum Discalo. circa Patres Leo-
poldum et Sylvanum, ejusdem ordinis religiöses, Leodii 171(?. In
seiner Apologia hatte Des. auch von diesen beiden gesprochen;
P. Leopold hatte in dem Prooess eine sehr verdäcbiige Rolle ge-
spielt (van Espen 5, 526. 578); die Justitia enthält nach Desirants
Versicherung Invectiven gegen die beiden Patres, um ihr Zeugniss
in dem Process zu verdächtigen.
1) Die Actenstücke bei v. Espen, Opp. 5, 509 vgl. 289. Danach ist
bearbeitet LeP. Desirant ou l'hist. de la Fourberie de Louvain, 1710, nach
Des. von Quesuel, nach Vie de v. Espen p. 168 von Petitpied.
Z. B. van Espen. B. Desirant 728
Nach seiner Yerartheilnng begab sich Des. zunächst nach
Aachen. Joseph I. ernannte ihn zum kaiserlichen Theologen and
stellte ihm Wiedereinsetzung in Aussicht. In einer Bittschrift vom
J. 1717 beantragte er bei Carl VI. Cassirung des ürtheils, Wieder-
einsetzung in sein Amt und Nachzahlung des Gehaltes; das Conseil
de Brabant, dem die Bittschrift zur Begutachtung übersandt wurde,
erklärte, sie sei remplie d'impostures d*an bout k Tautre (v. Espen
5, 591). Er wurde dann in Rom Professor an der Sapienza, schrieb
noch eine Anzahl Bücher (Hurter 2, 982), u. a. ein Clemens XI.
gewidmetes Consilium pietatis ... ad appellantes, Kom 1720, und
starb 1728.
Von 1703 an verfasste van Espen eine Eeihe von Gutachten
für die Utrechter (Opp. 5, 345—508. Vie p. 131). Eines derselben,
De numero episcoporum ad validam ordinationem episopi requisito
responsio epistolaris, 1725, wurde auf Befehl des Grand Conseil de
Malines als injuriös gegen das Breve Benedicts XIII. und andere
Decrete des h. Stuhles öffentlich zerrissen. Wegen dieser Schrift
wurden bei dem Staatsrath und bei der Universität und wegen
seiner Weigerung, das Formular Alexanders VII. und die Bulle
Unigenitus zu unterschreiben, bei dem Erzbischof von Mecheln Pro-
cesse gegen van Espen eingeleitet, die ihn 1728 veranlassten, Lö-
wen zu verlassen. Er starb 2. Oct. 1728, 82 Jahre alt, zu Amers-
foort^). — Sechs Jahre nach seinem Tode, 1734, verbot die Index-
Congr. einige längst gedruckte Schriften, Traotatus hist.-canonicus
de censuris eccl., 1709 (Vie p. 42); Diss. de asylo 1721; Concordia
immnnitatis, 1700 (S. 654.657); ferner Tract. de recursu ad prin-
cipem . . . 1725 (Opp. 5, 287. Vie p. 56), necnon opera omnia ejus-
dem van Espen. Im span. Index stehen nur einige Werke von ihm.
— Die Werke sind trotz des Verbotes öfter, auch zu Neapel, Ve-
nedig und Köln*), gedruckt (Vie p. 61) und viel benutzt worden,
auch in Bom: Benedict XIV. citirt sie oft, und in einem 1780 von
dem Secretär der Propaganda, Mgr. Borgia, verfassten und in deren
Druckerei gedruckten Gutachten wird er fast auf jeder Seite citirt
(Walch, N. Rel.-Gesch. 8, 540). Ferd. Walter nannte in der 1. Auf-
lage seines Eirchenrechts 1822 das Jus eccl. „ganz ausgezeichnet^'
und erklärte noch 1839 (Hüninghaus. Kirohenzeitung 1839, 716):
yydass unter den von mir über das Kirchen- und Eirchenstaatsrecht
aufgestellten Grundsätzen auch nicht ein einziger ist, den ich nicht
1) Vie p. 153. 166. Mem. bist, sur Taffaire de la B. Unigenitus 2,
442. Die Actenstücke der Processe, Causa Espeniana, Opp. 5, 606.
2) Ich citire nach der Ausgabe Col. 1777. — 1768 erschien zu Brüssel
und Paris ein starker Folioband: Supplementum ad varias collectiones
operum dar. viri Z. B. van Espen. Er enthält ausser Schriften und Briefen
von y. E. und der Causa Espeniana (828 S.) mit besonderer Paginirung
eine Appendix I. und II. (44 S.) und Vie de M. van Espen . . . parM***
Licencie ^s Droits, Louvain 1767 (218 S.; von Dupac de Bellegarde).
Dasselbe enthält der als Supplementum bezeichnete 5. Band der Ausgabe
der Opera, Col. 1777; nur sind hier die Appendices weggelassen und
ist die Biographie ins Lateinische übersetzt.
724 Die Bulle ünigenitoB.
durch eine der anerkanntesten Autoritäten der französischen und
deutschen Schule, eines Bossuet, Thomassin, de Marca, van Espen,
Zallwein, Sauter ... zu rechtfertigen im Stande wäre."
Von van Espens Freund und CoUegen Armand Bauwens (1674
— 1724), der 1722 mit ihm ein Gutachten für die Utrechter unter-
zeichnete (Opp. 5, 407; er war Hontheims Lehrer), steht im Index
nur Dissertatio de concordia sacerdotii et imperii, hahita Lovanii
1723*, verb. 1725, ein Heft von 24 S. 4.
69. Die Bulle ünigenitas.
Qaesnels AümerkuDgeD znm Nenen Testament, deren erster
Theil zuerst 1671 erschienen war, wurden 1708 durch ein Breve
Clemens' XL verboten. Auf den Wunsch Ludwigs XIV. ver-
öffentlichte dann der Papst die Bulle Unigenitus vom 8. Sept
1713, wodurch nicht nur das Verbot des Buches bestätigt, son-
dern 101 Sätze aus demselben verdammt wurden, darunter viele,
die jedenfalls an sich unverfänglich, zum Theil unbestreitbar
richtig sind, ohne dass irgendwie in der Bulle angedeutet wurde,
in welchem Sinne dieselben als falsch anzusehen seien. Die
Bulle wurde von dem Pariser Parlament und der Sorbonne mit
Stimmenmehrheit angenommen und von den meisten französischen
Bischöfen publicirt, von einigen aber, namentlich dem Card, de
Noailles, Erzbischof von Paris, mit Mandements, die im J. 1714
als für den apostolischen Stuhl beleidigend und zum Schisma
führend von der Inquisition verdammt wurden. Nach dem Tode
Ludwigs XIV. (1. Sept. 1715) sprachen sich sofort die Pariser
und andere theologische Facultäten offen gegen die Bulle aus
und mehr als 80 Bischöfe erklärten, sie hätten die Bulle nnr
unter Beifügung von Erläuterungen angenommen, und baten den
Regenten, er möge eine Interpretation durch den Papst erwirken.
Im J. 1717 appellirten zunächst vier Bischöfe feierlich an ein
allgemeines Concil, und ihnen schlössen sich mehrere andere
Bischöfe, auch Card. Noailles, viele Geistliche und Laien an.
Sie wurden Appellanten genannt, ihre Gegner Acceptanten oder
Constitutionnaires. Die Frage, ob die 101 Sätze irrig seien oder
nicht, trat mehr und mehr gegenttber der andern Frage in den
Hintergrund, ob eine dogmatische Bulle als eine endgültige Ent-
Die Bulle Unigenitas. 726
scheidang von Glaubensfragen, also als unfehlbar anzasehen sei.
Damm wnrde der Gegensatz nicht gemildert, sondern verschärft
durch eine zweite Bulle vom J. 1718, in welcher Clemens XL
zwar der Behauptung entgegen trat, dass durch die erste Bulle
Sätze verdammt würden, die bisher unbehindert vorgetragen
worden, aber zugleich jede Erklärung der Bulle für unnöthig
erklärte und unbedingten Gehorsam forderte. Im J. 1720 kam
ein Ausgleich zu Staude, in Folge dessen manche Appellanten
ihre Appellation zurücknahmen, während andere dieselbe wieder-
holten (Reappellanten).
Den Nachfolger Clemens' XL. Innocenz XIIL (1721—24)
baten sieben französische Bischöfe, die Bulle zu cassiren und
ein allgemeines Concil zu berufen. Ihr Schreiben wurde von
der Inquisition verdammt. Benedict XIIL (1724—30) erklärte 1724
in einer Bulle, die Lehren des h. Augustinus und des h. Thomas
würden durch die Bulle Unigenitus nicht berührt; er war persön-
lich auch zu weiteren entgegenkommenden Erklärungen geneigt ;
aber in den Acten des 1725 zu Rom gehaltenen Provincial-
concils wird die Bulle als Regula fidei bezeichnet, und 1727 be-
stätigte er das Provincialconcil von Embrun, welches einen der
standhaftesten Appellanten, den Bischof Soanen von S^nez suspen-
dirt hatte. Ausser diesem verharrten nur wenige französische
Bischöfe in offener Opposition gegen die Bulle; die meisten
unterwarfen sich, 1780 auch die Sorbonne. In den nächsten
Jahren trat in Frankreich die durch die angeblich auf die Für-
sprache des Diakons Fran^ois Paris und anderer Appellanten
gewirkten Wunder hervorgerufene Bewegung in den Vorder-
grund. — Unter Clemens XII. (1730—40) erschien eine be-
merkenswerthe, von dem Dominicaner H. Serry anonym unter
dem Titel Theologia supplex veröffentlichte Kritik des Inhalts
der Bulle, bezw. der Verdammung vieler der 101 Sätze, die eine
ganz orthodoxe Deutung zuliessen. Sie wurde ebensowohl
verboten wie sein etwas früheres Buch über die päpstliche Un-
fehlbarkeit.
Vom Jahre 1731 an nahm das Pariser Parlament eine gegen
die curialistischen Bischöfe feindselige Haltung ein, namentlich
mit Rücksicht auf ihre Anordnung, den Appellanten die Sacra-
mente und die kirchliche Beerdigung zu verweigern. Diese An-
726 Die Bulle ünigenitos.
gelegenheit wurde, da auch die BiscbOfe ttber die Frage, wie
weit diese Verweigerung auszudehnen sei, nicht einig waren,
nach Rom gebracht, und Benedict XIV. erklärte in einem Breve
vom 16. Oct. 1756: nur notorischen Gegnern der Bulle seien
die Sacramente zu verweigern, eine Entscheidung, welche nament-
lich darum bei den heftigeren Gegnern der Appellanten Missfallen
erregte, weil der Papst die Bulle nicht als irreformabele Definition
der Kirche, sondern nur als eine Bulle bezeichnete, der man
Gehorsam schulde.
Im Index stehen über 100 Schriften, welche mit der Bulle
Unigenitns zusammenhangen, darunter 22 amtliche Actenstttcke
von französischen Bischöfen, von denen einige durch Breven,
die meisten von der Inquisition verboten wurden, — drei von
dem Cardinal de Noaiiles wurden von Benedict XIV. ans dem
Index entfernt, — und vier ArrSts des Pariser Parlaments. Von
den Bischöfen Colbert von Montpellier und Caylus von Anxerre
wurden sämmtliche Schriften verboten. Diese 100 Schriften
sind nur ein kleiner Theil der betreffenden Literatur^); aber
am 17. Febr. 1717 verbot die Inquisition überhaupt alle Schriften
in denen die Bulle in hinterlistiger Weise umgangen oder in
verwegener Weise angegriffen werde. Dieses allgemeine Ver-
bot nahm Benedict XIV. in die Decreta generalia U, 6 auf und
fügte bei: alle Vertheidignngen des Buches von Quesnel; alle
Appellationen von der Bulle an ein allgemeines Concil; Urtheile
von Theologen oder theologischen Facultäten oder Akademieen,
Berathungen, Consultationen, Acten und Decrete von solchen,
irgendwelcher anderen Personen Mandata, Ordinationes, Arresta,
Epistolae, auch Interpretationen und Declarationen und alle
Schriften, in welchen unter dem Verwände der Erläuterung oder
irgendwelchem andern Verwände irgend etwas gesagt wird, wo-
durch die Geltung, Autorität und Verbindlichkeit der Bulle be-
einträchtigt oder bestritten vnrd.
1) F. Rocquain, L'esprit revolutionnaire avant la revolution 1715
—1789, Paris 1878, p. 485 führt eine AeasseruDg von Grimm aus dem
J. 1788 an: wenn man die Schriften über die E^t« genöraux sammele,
werde man bald mehr über die Constitution de la monarchie zählen, als
es über die Constitution Unigenitns gebe; oar, sur cette grande et beJIe
question, il n'y en a, dit-on, guöre au de\k de diz mille.
QoesnePs Nouvcau Testament. Probleme ecclesiastique. 727
In dem spanischen Index von 1747 ist die Bulle Unigenitns
abgedruckt und werden von Qnesnel sämmtliche Werke verboten;
dagegen stehen viele in Rom verbotene Schriften nicht im
spanischen Index, dafür aber einige, die im Römischen Index
fehlen.
1. Von Quesnels Werk erschien zuerst Abregö de la morale
de l'6vangile ou pensies chröt. sur le texte des 4 ev. pour en
rendre la lecture et la m^ditation plus facile k ceux qui commencent
k s'y appliquer, Par. 1671, 12., von dem Bischof Vialart von Ch&-
lons approbirt, dann ein neuer Abdruck und zwei Bändchen über die
anderen neutestamentl. Bücher, Par. 1679, von 4 Doctoren appro-
birt. Eine 2. erweiterte Auflage erschien 1687, eine 3. 1693, 4
vol. 8., unter dem Titel: Le Nouveau Testament en frangois, avec
des r^flexions morales sur chaque verset. Es mag hier gleich be-
merkt werden, dass schon die 1. Ausgabe mehrere, die von 1687
53 der später verdammten Sätze enthielt^).
Louis-Antoine de Noailles, geb. 1651, seit 1680 Bischof von
Ch&lons-sur-Marne, empfahl das Werk (die Ausgabe von 1693) in
einem Hirtenbriefe vom 23. Juni 1695. Er wurde in demselben
Jahre Erzbischof von Paris und als solcher censurirte er die Expo-
sition von M. Barcos (S. 479) in einer Pastoral-Instruction vom 20.
Aug. 1696, die von Abb6 Boileau redigirt, deren dogmatischer Theil
aber von Bossuet verfasst war 2). Darauf erschien 1698 zu Brüssel
Probleme ecclesiastique propose k M. l'abb^ Boileau de Tarchä-
vdohe de Paris: k qui Ton doit croire de M. L.-A. de Noailles,
Evßque de Chälons en 1695, ou de M. L.-A. de Noailles, Archiv.
de Paris en 1696, worin auf den Widerspruch zwischen der Em-
1) Tabaraud, Suppl. aux bist, de Bossuet et de Fenelon p. 481.
2) Sie steht in seinen Oeuvres 7, 559. Er schickte Exemplare der
Ordonnance vraiment adrairable für die Cardinäle Noris and Casanate an
seinen Neffen nach Rom. Er bemerkt dabei: Noailles sei von gewisser Seite
gedrängt worden, das Buch von Barcos zu verdammen ; er habe es gethan,
aber „d&s schönste Zengniss für die Gnade und die Autorität des n. Au-
gustinus beigefügt.'^ Der Nuncius war von der Ordonnanz nicht sehr er-
baut und meinte, dogmatische Explicationen ständen nur dem Papste zu.
Auch Card. Noris war nicht ganz einverstanden und man erzählte sich in
Rom, der Papst lasse die Ordonnanz heimlich prüfen; Bossuet hoffte aber
im Mai 1697, er werde sie durch ein Breve bestätigen (Bossuet 40, 221.
280. 236. 243. 818). — S.-Beuve sagt 5, 152, die Publication der Expo-
sition sei in zu grossem Vertrauen auf die Protection des neuen Erzbischofs
geschehen, und charaktcrisirt 5, 287 die Pastoral-Instruction so: Elle frap-
pait le livre tout en etablissant une doctrine Augustinienne tr^s-analogue:
ordonnance bizarre, qui semblait contradictoire, de laquelle on [Corr. de
F^n. 1, 82] dit, qu'il y soufflait le froid et le chaud, et qui inaugura
facheusement l'ambiguite perpetuelle de son role. — Aus Anlass des Streites
über die Exposition schrieben J. Louail und Mademoiselle de Joncoux die
Hist. abr^gee du Jans^nisme et remarques sur Pordonnance de M. l'Archev.
de Paris du 20. Aoüt 1696, Gol. 1698.
728 Die Balle ünigenitns.
pfehlnng des Buches von Quesnel und der Yerdammnng des Buches
von Barcos, die doch heide dieselhe Lehre vortrügen, hingewiesen
wurde. Das Schriftchen wurde 10. Jan. 1699 in Paris von Henkers-
hand verbrannt (Bossuet 42, 239) und von der Inq. 2. Juni 1700
verb. Wer es verfasst hat ist nicht ausgemacht: die Jesuiten
schrieben es einem Jansenisten (speciell Viaixnes j zu, die Jansenisten
einem Jesuiten (speciell Daniel, der es eidlich desavouirte, und
Doucin); wahrscheinlich ist Doucin der Verfasser (Backer 3, 275).
— Bossuet schrieb darauf eine Abhandlung, um zu zeigen , dass
zwischen den Ansichten von Barcos und Quesnel ein Unterschied
sei und dass die des letztern passiren könnten. Diese Abhandlung
war nicht zur Veröffentlichung bestimmt; Bossuet gab sie Noailles,
damit seine Theologen Boileau und Beaufort sie zu seiner Verthei-
digung benutzen könnten , und diese veröffentlichten denn auch mit
Benutzung derselben 4 Lettres, Antw. 1700. — 1699 wurde Noailles
um die Approbation einer neuen Ausgabe von Q.'s Buch gebeten;
er Hess dasselbe durch Bossuet und einige Theologen revidiren, und
Bossuet schrieb (mit Benutzung seiner Abhandlung) ein Avertisse-
ment, — eine Art Vertheidigung des Buches und des Erlasses von
1696, — welches vorgedruckt werden sollte (Oeuvres 4, 193). Die
neue Ausgabe erschien aber 1699, angeblich weil Q. sich mit den
Revisoren über die vorzunehmenden Aenderungen nicht einigen
konnte, ohne neue Approbation und ohne dieses Avertissement. Q.
erhielt, wahrscheinlich von Boileau, eine Abschrift desselben (Taba-
raud p. 437. 525) und liess es nach dem Tode Bossuets (1704)
drucken (s. u.).
Ein Doctor der Sorbonne, Frommageau, soll schon 1694 199
Sätze in dem Buche von Q. als verwerflich bezeichnet haben ^). Das
erste Verbot desselben erliess 1703 der Bischof von Apt. Nach
Q.'s Verurtheilung durch den Erzbischof Precipiano 1704 folgten
mehrere bischöfliche Verbote; erst unter 13. Juli 1708 veröffent-
lichte Clemens XI. ein Breve (Bull. cont. 2,67) folgenden Inhalts:
Das Buch Le Nouveau Testament en fran^ais . . . Far. 1699, oder
Abr6g6 de la morale . . . Paris 1693 und 1694 und sonst, sei von
einigen Cardinälen geprüft worden und nach deren Ansicht zu vei^
bieten, weil die darin enthaltene Uebersetzung des N. T. fehlerhaft
(textus damnabiliter vitiatus), der 1668 verdammten Uebersetzung
(von Mons) vielfach gleich, von der Vulgata aber vielfach abwei*
1) A. J. P. 22, 781 wird die vom 24. März 1700 datirte Antwort
des Conseil (welches ?) auf die Frage mitgetheilt, ob man die Ausgabe yoo
1699 lesen dürfe. Sie wird verneint, weil das Buch die Jansenistiscbe
Ketzerei erneuere, wie in der Ordonnanz von Noailles erklärt werde; es
ständen zwar in der Ausgabe Approbationen von 2 Bischöfen und 4 Doc-
toren; aber die Approbation des ersten Bischofs sei von 1671, die von
Noailles von 1695 sei erschlichen ; Noailles habe befohlen, aus der Ausgabe
von 1699 die Irrthümer zu beseitigen, aber die damit Beauftragten hätten
das nicht gethan; es seien nur wenige Stellen durch Cartons verbessert
worden.
Breven von 1708 und 1710. 729
obend sei, die Noten aber anter dem Scheine der Frömmigkeit anf
die Untergrabung derselben berechnet seien (habentes quidem speciem
pietatis, sed ad virtutem ejus abnegandam subdole deducentes) und
darin Lehren und Sätze vorkämen, welche resp. aufrührerisch, teme-
rar, verderblich und nach früher verdammten Irrthümern und der
Jansenistischen Ketzerei schmeckend seien. Nach dem Eathe der
Cardinäle und kraft apostolischer Autorität verbiete er das Buch
unter jedem Titel und in jeder Sprache, . . . verordne, es zu ver-
brennen ; . . die Publication in Rom solle genügen. — Q. veröffent-
lichte darauf Entretiens sur le d^cret de Kome contre le N.T. de
Chälons accompagn6 de reflexions morales, oü l'on d6couvre le vrai
motif de ce dicret, on soutient les droits des iv^ques et Ton justifie l'ap-
probation de Mgr. le Card, de Noailles, 1 709. Diese Schrift wurde
durch ein neues Breve vom 6. Juni 1710 (Bull. 12,486) verb., weil
sie Sätze enthalte, die resp. ärgernissgebend, in praxi verderblich, für
den apost. Stuhl injuriös, irrig, schismatisch, der Ketzerei nahe kom-
mend und ketzerisch seien. — 1710 gab Q. — nicht, wie einige
meinten, Noailles^) — Bossuets Avertissement heraus unter dem Titel:
Justification des E^flexions mor. sur le N. T., composee en 1699
Gontre le Probleme . . . par M. Bossuet (nochmals, verbessert, 1711).
Clemens XI. soll sich anfangs selbst an dem Buche von Q.
erbaut haben; jedenfalls haben sich viele Katholiken daran erbaut,
und dass es kein augenscheinlich gefährliches Buch war, zeigen die
Thatsachen, dass Bossuet es vorbehaltlich einiger Verbesserungen
für empfehlenswerth hielt ^) und dass eine Keihe von Jahren nur
ganz vereinzelte Angriffe dagegen erfolgten und diese sich erst
1) Die Bischöfe von LuQon und La Rochelle schrieben 24. Oct. 171 1
an den Dauphin: Noailles habe die Justification neu drucken lassen, und
erhielten von dem Könige die Krlaubniss, eine Ordonnanz zu veröffent-
lichen pour justifier la memoire de feu M. Bossuet au sujet de Pimprime
qui parait sous son nom (Corr. de Fen. 3, 449. 486. 489; die Ordonnanz
bei Fleur. 68, 324). Auch Daubenton (ib. 3, 491) spricht von dem pre-
tendu auteur des Buches; 4, 257 sagt er: es gebe zwei Ausgaben, eine
mit dem Namen des Verfassers und einer Vorrede, worin die Freunde
Quesnels die Geschichte der Kntstehung der Schrift in ihrer Weise erzähl-
ten; diese werde Noailles zugeschrieben (p. 269). — Schriften darüber
verzeichnet Bist, des Refl. 1, 37. Vgl. Guettee, Essai bibliogr. sur Pouvr.
de Bossuet intit. Avertissement . . . Par. 1854.
2) Bossuet bezeichnete 24 Stellen, die zu corrigiren seien; einige
davon sind in der Ausgabe von 1699 corrigirt; u. a. ist, was Bossuet als
die wichtigste Aenderung bezeichnet, in dem Satze: la grace de J. C,
principe efficace de toute sorte de bien etc. das Wort efQcace in der Aus-
gabe von 1699 und in allen folgenden gestrichen. In der Bulle steht gleich-
wohl unter No. 2 der Satz nach den älteren Ausgaben. Von 11 Stellen,
die ein Gegner Quesnels beanstandet hatte und die alle 11 in der Bulle
stehen, hatte Bossuet 10 vertheidi^. Guettee L c. p. 18 — 20. — Der
Jesuit J.-Ph. Lallemant, f 1748, gab als Ersatz für Quesnels Werk 1713
— 25 Reflexions morales avec des notes sur le N. T., 12 vol. 12., heraus,
die von Fenelon und anderen Bischöfen approbirt wurden, zu denen er aber
Cartons drucken lassen musste (Corr. de Fen. 4, 181. 191. 224).
730 Die Bulle Unigeniius.
mehrten, nachdem Q. durch den Process des Erzhiflchofs von Hecheln
eine anrüchige Persönlichkeit geworden war. Schill^) sucht die
späte Verdammung des Buches mit der Bemerkung zu erklären, es
sei von den G-elehrten wenig beachtet und als ein ascetisches Buch
nicht so strenge beurtheilt worden. Aber andere ascetisohe Bücher
der Jansenisten wurden wohl beachtet und strenge beurtheilt (§57),
und hier handelte es sich vollends um ein französisches N. T. —
Faure, Comm. p. 117 gibt an, das Buch sei alsbald bei der Inqui-
sition denuncirt, von dieser aber erklärt worden, den Denuncianten
sei nicht zu glauben und die Denunciation Q. mitzutheilen und er
darüber zu hören; 1702 habe der Erzbischof von Mecheln das Buch
nochmals denuncirt; die Jansenisten hätten aber damals die Domi-
nicaner in ihrem Streite mit den Jesuiten über die chinesischen
Gebräuche unterstützt; darum hätten die Dominicaner U. in Schutz
genommen, und so sei 1704 ein Decret gegen die Jesuiten zu Stande
gekommen, aber erst 1708, 37 Jahre nach seinem ersten Erscheinen,
das Buch von Q. verboten worden. — D'Aguesseau (13,267) be-
richtet: während der Verhandlungen des Abb6 de Polignac mit Card.
Fabroni über das Verhalten von Noailles bezüglich der Bulle Vi-
neam habe ein obscurer Mönch das Buch von Q. denuncirt, Polignac
aber von einer Verdammung abgerathen, so lange jene Verhandlungen
nicht beendigt seien. Der obscure Mönch ist ohne Zweifel der Ca-
puciner P. Timothee de la Flöohe^). Dieser selbst berichtet: er habe
schon 1703 mit dem Papste von dem Buche gesprochen und in
dessen Auftrage die schlimmsten Stellen daraus zusammengestellt,
und dieser habe den Assessor S. Off. Casoni beauftragt, dasselbe
prüfen zu lassen. Casoni habe die Sache drei Jahre liegen lassen
und dafür die Angelegenheit der Bulle Vineam zum Vorwande ge-
nommen. Erst als er Cardinal geworden, habe sich sein Nachfolger
der Sache angenommen. Da der Papst erklärt habe, man solle nicht
Dominicaner und Jesuiten mit der Prüfung beauftragen, sei das Buch
dem französischen Theatiner Dubuc, Professor an der Propaganda,
gegeben worden. Dessen Gutachten habe der Papst zu scharf ge-
funden und die Inquisition andere Examinatoren ernannt. Der Papst
sei durch andere wichtige Angelegenheiten sehr in Anspruch ge-
nommen worden, habe aber das Buch stets im Auge behalten.
2. Die Acceptation des Breves von 1708 wurde wegen der
gewöhnlichen Gründe vom Pariser Parlamente beanstandet und 1711
definitiv abgelehnt.
1) Die Constitution Unigenitus, ihre Veranlassung und ihre Folgen,
1876, 8. 50.
2) Memoire» du P. Timothee de la Fläche, Capucin, depnis eveqae
de Bcrite ; contenant plusieurs anecdotes bist, du Pontificat de Clement XI.
et de la fin du rögne de Louis XIV., s.l. et a. (1774), 327 S. 16., p.21.-
P. Timothee hiess in saeculo Jacques Pechard, geb. zu La Fl4che, seit
1715 Titularbischof von Berytus, f 1744. Die unsäglich geschwätzigen und
selbstgefälligen Memoires hat Abbe Bertrand de la Tour herausgegeben.
Corr. de Feu. 11, 367. Haureau, Bist. litt, du Maine 4, 311.
Verhandlangen in Rom. 731
Auf Betreiben des P. Le Tellier erliessen die Bischöfe von La
Rochelle und Lu^on unter dem 5. Juli 1710 ein gemeinschaftliches
tfandement gegen das Buch von Q. (Fleur. 68, 223) ; ein Buch-
ländler Hess die Ankündigung desselben an dem erz bischöflichen
Palais in Paris anschlagen. Darauf erliess Noailles 28. April 1711
dine Ordonnanz gegen die beiden Bischöfe und den von Gap, der
hnen 4. März 1711 beigetreten war. Der damals allmächtige Le
Tellier (S.494) bestimmte nun auch andere Bischöfe, sich in Schreiben
in den König gegen Q. auszusprechen. Die Bischöfe von La Ko-
)helle und LuQon brachten den Streit nach Rom; auch Noailles
nrandte sich an den Papst, obschon er wegen der Denunciation
^fondrato^s und seines Verhaltens bezüglich der Bulle Yineam in
Rom übel angeschrieben war. Ludwig XIV. liess, nachdem er 11.
Nfov. 1711 das Buch von Q. verboten, im December durch seinen
jresandten, Card, de Tremoille, den Papst bitten, durch eine Bulle
iie gefährlichsten Sätze von Q. zu verdammen ^), dabei aber, um die
Reception der Bulle in Frankreich zu erleichtern, alle den gallica-
üsohen Grundsätzen widersprechenden Ausdrücke zu vermeiden und
len Entwurf vorher der französischen Regierung vorzulegen. Der
Papst wollte anfangs, verdriesslich über das Schicksal der Bulle
7ineam, keine neue Bulle erlassen (P. Timothee p. 96)^ ging dann
tber darauf ein.
Die Prüfung des Buches wurde in ähnlicher Weise vorgenom-
nen wie die des Fen^lon^schen. Zunächst wurden 10 Theologen
nit der Qualification der aus demselben excerpirten Sätze beauftragt.
Sie hielten 17 Sitzungen unter dem Vorsitz der Cardinäle Fabroni
md Ferrari. Dann wurden 23 Sitzungen der 9 Cardinäle und der
I!on8ultoren der Inquisition unter dem Vorsitze des Papstes gehalten
'Corr. de Fen. 4, 325). Den Consultoren wurden zuerst 30 in dem
üandement der beiden französischen Bischöfe censurirte Sätze über-
snesen, dann noch 103 und nochmals 19, zusammen 152 (Tabaraud
>. 459; nach Hist. des Refl. 1,49 wurden 155 Sätze geprüft; die
)4 nicht verdammten sind dort mit den Vota abgedruckt). Q. schrieb
22. Juli und 22. Sept. 1712 an den Papst und bat um Mittheilung
ier beanstandeten Sätze; er erhielt keine Antwort; den zweiten
Brief gab Card. Ferrari gar nicht ab (Tabaraud p. 458. Fleur. 68,
428). — Die Bulle wurde von dem Card. Fabroni entworfen; Ein-
leitung und Dispositiv wurden dem Card, de Tremoille vorgelegt
md seinen Monita entsprechend geändert.
1) Rocquain p. 3 führt aus den Briefen der Herzogin von Orleans
[Elisabeth Charlotte von der Pfalz) aus den letzten Jabren Ludwigs XIV.
Iie Stelle an: On avait fait au Roi une teile peur de Penfer, qu*il croyait
^ue tous ceux qui n'avaient pas ete instruits par les Jesuites, etaient dam-
als, et qu'il craignait d'etre damue aussi s'il les frequentait. Quand on
roulait perdre quelqu'un, on n'avait qn'ä dire: II est huguenot ou janse-
liste; alors l'affaire etait faite. Der Marschall d*Harcourt sagte, qu'un
ians^niste n'etait souvent autre chose qu'un homme qu'on voulait perdre
i la cour. D'Aguesseau 18, 123.
732 Die Bulle ünigenitas.
Am 8. Sept. 1713 unterzeichnete der Papst die mit den Worten
Unigenitus Dei Filius beginnende Bulle. Er sagt darin: er habe
erfahren, dass das 1699 bezw. 1693 und 1694 zu Paris erschienene
Buch, — Q. wird nicht genannt; das Buch steht noch heute im
Index nicht unter seinem Namen, sondern unter Abr6g^ und Testa-
ment, — wiewohl es von ihm verdammt worden, und wiewohl es
zwar beim ersten Anblicke die Leser durch den Schein der Fröm-
migkeit verlocke, in Wirklichkeit aber mit katholischen Wahrheiten
die Lügen schlechter Lehren vielfach vermische, von vielen noch
immer als von jedem Irrthum frei angesehen und verbreitet werde,
auch ins Lateinische übersetzt worden sei ; von vielen für den ortho-
doxen Glauben Eifernden, namentlich von französischen Bischöfen
sei darüber geklagt worden. Er wolle darum die früher nur im
allgemeinen angedeutete trügerische Lehre des Buches durch mehrere
aus demselben ausgezogene Sätze bestimmter darlegen. Dass dieses
für die katholische Sache von Nutzen und namentlich zur Beseitigung
von Streitigkeiten in Frankreich dienlich und zur Beruhigung der
Gewissen sehr nützlich, ja nothwendig sei, hätten nicht nur franzö-
sische Bischöfe, sondern auch der König Ludwig bezeugt. Es seien
demgemäss viele aus den beiden angeführten Ausgaben des Buches
ausgezogene Sätze französisch und lateinisch zuerst mehreren Theo-
logen zugestellt und von ihnen vor zwei Cardinälen discutirt, dann
in seiner Gegenwart und unter Zuziehung mehrerer anderer Cardi-
näle wiederholt geprüft worden. Es folgen 101 Sätze, lateinisch
und französisch, mit Angabe der betreffenden Stellen der beiden
Ausgaben am Bande. Diese Sätze werden dann als resp. falsch,
verfänglich, übelklingend, für fromme Ohren verletzend, ärgemiss-
gebend, verderblich, temerär, für die Kirche und ihre Praxis inju-
riös, nicht nur die Kirche, sondern auch die weltlichen Gewalten
schmähend, aufrührerisch, gottlos, blasphemisch, der Ketzerei vei^
dächtig und nach Ketzerei schmeckend, die Ketzer, Ketzereien und
auch das Schisma begünstigend, der Ketzerei nahekommend, wieder-
holt verdammt, endlich auch ketzerisch und verschiedene Ketzereien,
namentlich die Jansenistische offenbar erneuernd verdammt. Durch
die ausdrückliche Verdammung dieser Sätze, heisst es weiter, solle
nicht der sonstige Inhalt des Buches approbirt werden, zumcil sich
im Yerlaufe der Prüfung noch andere, den verdammten ähnliche
gefunden. Auch der Text des N. T. sei in verdammlicher Weise
corrumpirt u. s. w. (wie in dem Breve von 1708). Das Buch selbst
werde, unter welchem Titel, wo und in welcher Sprache es auch
gedruckt sein oder werden möge, bei Strafe der reservirten Excomm.
1. sent. verboten, desgleichen alle zur Vertheidigung desselben ver-
fassten Schriften.
Die Lobredner der Bulle citiren gewöhnlich eine Stelle aus
einem Briefe des damals in Rom lebenden Jesuiten Daubenton an
F6n^lon (Corr. 4,325): „Vielleicht ist niemals ein Buch länger und
vorsichtiger geprüft worden. Man hat bei dieser Prüfung während
einer Zeit von fast drei Jahren die tüchtigsten Theologen in Born
verwendet, die man von allen berühmten Schulen her genommen:
Die Balle ünigenitus. 788
Le Dron aus der Schale der Augnstinianer, den Magister S. Pal. und
den Secretär der Index-Congregation aus der Schale der Thomisten,
die Patres Palermo und Santelia aus der Schule der Scotisten, P.
Alfaro, den Theologen des Papstes, aus der Schule der Jesuiten,
Msgr. Tedeschi, Bischof von Lipari (s. u.), einen Benedictiner, aus
der Schule des h. Anselm, den Missionspriester Castelli und den
Bamahiten Tevoni. . . In den Sitzungen untersuchte man zuerst, ob
der lateinische Satz richtig aus dem Französischen übersetzt sei,
dann den Satz und die Qualität desselben. Es ist kein Satz dar-
unter, der nicht dem Papste 3 — 4 Stunden besondern Studiums ge-
kostet hätte." (Im April 1713, 4, 219, schreibt er: „Der Papst hat
mir gezeigt, was er über jeden der bisher geprüften 84 Sätze eigen-
händig geschrieben; es würde einen starken Band geben.") Es ist
aber nicht zu übersehen, dass der nämliche Daubenton Ende 1711
u. a. an F^n^lon schrieb: „Ausser dem Card. Fabroni ist niemand
in Kom, der ein selbständiges Urtheil über das Buch von Q. ab-
geben könnte. . . . üeber die chinesische Streitfrage ist noch nichts
entschieden; man denkt in Rom jetzt nur an Comacchio . . . Bei
der Inquisition liegen jetzt so viele Sachen vor und gibt es so we-
nige Leute, die sich ernstlich damit beschäftigen oder die fähig sind,
sich damit zu beschäftigen, dass man Jahre lang zu thuen hat, um
die Verdammung eines Buches zu erwirken, wenn es etwas dick
ist. Nur Card. Fabroni, der Assessor des h. Officiums und der
P. Damascenus widmen diesen Geschäften alle ihre Zeit" (Corr. 3,
447. 478).
Nach der Publication der Bulle schreibt Daubenton : man habe
sich mit unendlicher Sorgfalt bemüht, in der Bulle alle Formeln zu
vermeiden, die nur im mindesten dem französischen Klerus oder dem
Parlament anstössig sein könnten; wenn es trotzdem mit dieser
Bulle gehe wie mit der Bulle Vineam, so könne der Papst den Tod
davon haben. „Die ganze Erde hat sich in Bewegung gesetzt, um
ihn von der Publication der Bulle abzuhalten; mehrere Cardinäle
haben ihm vorgestellt, er setze sich der Gefahr eines zweiten Af-
front aus; er ist fest geblieben, pour faire plaisir au roi, der die
Bulle dringend verlangt hat" (Corr. de F^n. 4, 325. 370). „Nicht
ohne furchtbare Opposition ist die Bulle durchgesetzt worden. Man
hat den Papst so eingeschüchtert, dass ich hundertmal geglaubt habe,
die Sache sei gescheitert" (4, 327). Nach Racine 14, 113 wurde
die Bulle vor der Publication ausser Tr^moille nur 5 Cardinälen vor-
gelegt, Fabroni, Ferrari, Albani, Ottoboni und Tolomei. Der Domi-
nicaner-Cardinal Ferrari hatte alles aufgeboten, den Papst von der
Publication der Bulle abzuhalten. Concina hatte in seiner Biogra-
phie des Cardinais, die 1755 in Rom erschien, dieses ausführlich
nachgewiesen, musste aber die Stelle streichen (Sandelli, Vita Con-
cinae p. 203). — P. Timoth^e (p. 173) erzählt: Card. Rohan habe
ihm bemerkt, der Papst hätte besser gethan, sich auf die Verdam-
mung von 15 — 20 der schlechtesten Sätze zu beschränken, die nie-
mand zu vertheidigen wagen würde ; er habe geantwortet : er habe
das dem Papste auch gerathen und den Eindruck bekommen, als ob
784 Die Bulle Unigenitus.
das seine Absiebt sei ; er wisse nicbt, warum er seinen Sinn geän-
dert babe, und sei sebr überrascbt gewesen, als er geseben, dass man
so viele Sätze verdammt babe.
Es ist nicbt zu viel gesagt^ wenn Gieseler (Kircbengescb. 4, 49)
bemerkt, unter den 101 Sätzen seien viele, welcbe tbeils in der b.
Scbrift sebr deutlicb entbalten, tbeils wörtlicb dem Augustinus und
anderen Eircbenvätern abgeborgt waren, obne dass die Bulle Erklä-
rungen binzugefügt bätte, in welcbem Sinne dieselben unricbtig und
daber bei Q. zu verdammen seien. Selbst F^n^lon, der über die Bulle
sebr entzückt war (Corr. 3, 350), gibt z. B. in seinem ersten Mande-
ment darüber (Oeuvres 14, 460) von No. 91: „Die Furebt vor einer
ungereebten Excommunication darf uns niemals bindern, unsere Pflicbt
zu tbuen", folgende Umdeutung: „Wenn die Ungerecbtigkeit der
Exeomm. feststebt und die Pflicbt eine wirkliebe ist, enthält der
Satz eine Wabrbeit^ die man niobt bestreiten kann; aber wenn die
Excomra. nur in der Vorstellung des davon Betroffenen ungerecht
und die Pflicbt nur eine vermeintliche ist, oder auch, wenn darüber
ein Zweifel besteht, ist der Satz falsch und um so gefahrlicher, als
er unter dem Scheine der Wahrheit auftritt*' ^).
Ludwig XIV. legte die Bulle zunächst im October 1713 den
in Paris anwesenden Bischöfen vor, die sich unter dem Vorsitze von
Noailles versammelten und ihrerseits zunächst die Bulle einer Com-
mission von sechs Bischöfen überwiesen. Diese Commission erstattete
erst vom 15. Jan. 1714 an ihren Bericht, der mit dem Antrage
scbloss, die Bulle mit einer erläuternden Instruction pastorale zu
publiciren. Es wurde bei ihren Berathungen bemerkt: wenn nicht
eine solche Erläuterung beigefügt werde, werde jeder die Bulle nach
seinem Geschmack deuten; man könne sie auch so deuten, dass da-
durch eine ganz andere Art der Frömmigkeit und für die Theologen,
Prediger, Katecheten und Verfasser von Erbauungsbüchern das Er*
lernen einer neuen Sprache nöthig werde ; die Convertiten und auch
die geborenen Katholiken könnten murren über die vage Censur über
das Lesen der Bibel, die doch in Frankreich in jedermanns Hand
sei; man könnte aus der Bulle folgern, dass jeder ein Recht habe,
von dem Beichtvater sofort die Lossprechung auch von den grössten
Sünden zu verlangen, er möge gut oder schlecht disponirt sein (Corr.
de F6n. 4,413). — Der Antrag der Commission wurde 1. Febr.
1704 von 40 Bischöfen angenommen (Fleur. 68, 586); Card. No-
ailles, — der übrigens in einem Mandement vom 28. Sept. 1713
seine Approbation des Buobes zurückgenommen und dasselbe ver-
boten hatte, — und 8 andere Prälaten stimmten nicht zu und erklärten,
sie würden den Papst um Erläuterungen zu der Bulle bitten. Lud-
1) Der Jesuit Yves Andre, f 1764, sagt in einem Briefe (N. E. 1781.
163): „Ich sehe hier Sätze, die einen schlechten Sinn haben, vermengt mit
Sätzen, die nur handgreifliche Wahrheiten aussprechen, und beide Arten
von Sätzen einander gleich gestellt und in derselben Weise qualificirt and
mit etwa 20 Schimpfworten (injures) bedacht, von denen man ans so
ratben überlässt, welches derselben auf sie passen soll.'*
Mandements französischer Bischöfe. 786
wig XIV. untersagte dieser Minorität, von der einer bald zur Ma-
jorität übertrat, die Absendung eines gemeinsamen Schreibens an den
Papst (Fleur. 68, 617), verbot Noailles den Hof und verwies die
anderen acht in ihre Diöcesen. Unter dem 14. Febr. erliess er Lettres
patentes für die Publication der Bulle, und das Parlament beschloss
mit Stimmenmehrheit die Einregistrirung derselben. Auch die Sor-
bonne nahm 5. März nach stürmischen Verhandlungen mit Stimmen-
mehrheit die Bulle an. Ueber 100 französische Bischöfe publicirten
die Bulle ; einige andere erliessen Hirtenbriefe, worin sie das Buch
von Q. verboten, die Bulle aber nicht erwähnten oder diese mehr
oder weniger umdeuteten. — In Rom war man sehr ungehalten über
die Verzögerung der Annahme der Bulle, über die gallicani sehen
Wendungen in dem Berichte der Gommission, in dem Beschlüsse der
Majorität und in den Lettres patentes und vollends über das Ver-
halten der Minorität und über die erwähnten Hirtenbriefe (Corr. de
F^n. 4, 431. 450). Mit Mühe wurde der Papst bestimmt, ein aner-
kennendes Breve an jie Majorität zu richten. „Die Commission
von Cardinälen, schreibt Daubenton (p. 453), welcher der Papst gleich
anfangs die Sache überwiesen hat (Spada, Paolucci, Albani, Ferrari,
Tolomei, Casini, mit Msgr. Alamanni als Secretärj, hat sich für ein
anerkennendes Breve ausgesprochen. An diesem ist acht Tage lang
hin und her corrigirt worden. Gott gebe, dass die 41 damit zu-
frieden sindl*'
Noch im J. 1714 wurden von der Inquisition, „nachdem über
die Censuren mehrerer speciell beauftragter Theologen und die Vota
der Cardinäle der Inq. dem Papste berichtet worden, auf dessen Be-
fehr* verdammt: zuerst Lettre pastorale et Mandement de S. £.
Mgr. le Card, de Noailles, Archiv, de Paris, au sujet de la Con-
stitution de N. S. P. le Pape du 8. de Sept. 1713, Paris 1714, „als
mindestens verfänglich, ärgernissgebend, temerär, für den apost.
Stuhl injuriös und nach dem Schisma riechend und dazu verleitend^',
und Mandement de Mgr. TArchev. de Tours [lsor6 d'Hervaut], 15.
Fevr. 1714, als „verfänglich, ärgernissgebend, temerär und für den
apost. Stuhl injuriös** (Hanot, App. p. 10), — dann mit derselben Ein-
leitung die Hirtenbriefe der Bischöfe von Boulogne (Pierre de
Langle), Chälons (Gaston J.-B. de Noailles) und Bayonne (A.
Dreuillet), die beiden ersten mit derselbea Motivirung wie der Pa-
riser, der dritte wie der von Tours, — endlich die der Bischöfe von
Metz (Henri- Charles de Camboust, Duc de Coislin) undMirepoix
(Pierre de la Broue). Diese 7 Mandements wurden dann auch in
Frankreich durch Arrets du Conseil unterdrückt.
Ende 1714 schickte Ludwig XIV. Amelot nach Rom mit dem
Vorschlage, es solle ein französisches Nationalconcil gehalten werden.
Der Papst übertrug dem Card. Fabroni die Verhandlung mit Amelot,
lehnte aber den Vorschlag des Königs anfangs ab. Er schickte dem
König zuerst ein mahnendes Breve für Noailles, dann ein zweites
mit drei Monitorien mit Fristen von je fünf Tagen; dieses Breve
weigerte sich aber der König abzugeben. Später war der Papst
geneigt, nach einem Monitorium an Noailles die Abhaltung eines
786 Die Bulle Unigenitus.
Nationalconcils zuzulassen und Card. Casini als Legaten dahin zu
schicken. Der Tod des Königs 1. Sept. 1715 machte aber den Un-
terhandlungen ein Ende.
3. Der Herzog von Orleans, welcher für den unmündigen
Ludwig XV. die Regentschaft führte, nahm anfangs eine andere
Haltung an. Die Assembl^e du Clerg^, welche noch bei Lebzeiten
Ludwigs XIV. zusammengetreten war, censurirte im Oct. 1714 zwei
umfangreiche Werke gegen die Bulle (sie stehen im span., aber nicht
im Rom. Index) : Les Hexaples ou les six colonnes sur la Constitu-
tion ünigenitus, 1714, von Jacques du Fouillou^), und Du t^moignage
de la v6rit6 dansTEglise; Dissertation th^ol., oh. l'on examine, quel
est ce temoignage tant en g^n^ral qu'en particulier au regard de
la demi^re Constitution, 1714, 333 S. 12., von dem Oratorianer
Vivien de la Borde (auch 1754*, 2 vol. 8). Der Regent verbot
aber den Druck der Censur (Picot 1, 118). — Die Sorbonne sprach
sich 5. Dec. 1715 offen gegen die Bulle aus (ähnlich darauf andere
theologische Facultäten), und mehr als 30 Bischöfe erklärten dem
Regenten, sie hätten dieselbe nur unter Beifügung von Erläuterungen
angenommen, und baten ihn, er möge eine Interpretation durch den
Papst erwirken. Clemens XL forderte 1716 Noailles und die op-
ponirenden Bischöfe unter Androhung der Absetzung zur Unterwer-
fung auf, wies die Datarie an, für sie nichts zu expediren, verwei-
gerte allen von dem Regenten ernannten Bischöfen die Bestätigung,
falls sie sich nicht zur Publication und Durchführung der Bulle
bereit erklärten, und suspendirte durch ein Breve vom 18. Nov.
1716 (Bull. cont. 2, 180) die der Sorbonne von dem h. Stuhle er-
theilten Privilegien. Die Breven wurden von dem französischen Hofe
und dem Parlament zurückgewiesen.
Fer. IV. 17. Febr. 1717 verdammte die Inq. im Auftrage des
Papstes (das Decret füllt bei Arg. III b 606 vier Foliospalten) 9
Erklärungen von französischen Geistlichen aus dem J. 1716, worin
sie ihre Unterwerfung unter die Bulle zurücknehmen, und verord-
nete, diese Schriften, Briefe und Blätter, die zwar geringen Um-
fangs, aber abundantia malitiae teterrima seien, am 3. März vor
Santa Maria sopra Minerva öflFentlich zu verbrennen (was mit vieler
Feierlichkeit geschah). Zum Schlüsse heisst es: Es sind noch viele
1) Diese erste Ausgabe ist nur ein Band, die zweite, Amst. 172 1^
4 Toraes in 7 vol. 4. Ausser Fouillou haben Gabr.-Nic. Nivelle, d'Et^mare
u. a. daran gearbeitet. Die 1. Colonne enthält die verdammten Sätze nach
Materien geordnet, die 2. den Text aus Quesnel im Zusammenhange, die
3. Stellen aus der Bibel und Kirchenvätern, die 4. theologische Erörte-
rungen, die 5. Stellen aus Quesnel zur Erläuterung der Sätze, die 6. die
entgegenstehenden Lehren der Jesaiten. Die 4. Colonne (von Etemare)
erschien auch besonders: Remarques en forme de dissertations sur lei
propositions condamnecs par la B. Unig., s. 1. 1723, 2 vol. 4., und die
historische Einleitung als Histoire du livre des R^flexions etc., s. u. —
Der Capuciner Paul de Lyon schrieb Antihexaples, dagegen der Maariner
Fr. Louvart Lettre d'uu Theologien contre les Antihexaples.
Appellationen. 787
andere ähnliche Briefe gedruckt worden und es werden fortwährend
solche sowie andere Schriften gedruckt, in welchen die Bulle suh-
dole eluditur, temerarie carpitur aut etiam abjecto omni pudore con-
temnitur et impugnatur. Es werden also alle in irgend welcher
Sprache gedruckte oder geschriebene, veröffentlichte und zu ver-
öffentlichende derartige Schriften verdammt. In einem Breve vom
17. Juni (Epist. sei. p. 2245) theilte Clemens XI. dieses Decret
einer Anzahl von französischen Bischöfen mit und forderte sie auf,
die Verfasser und Verbreiter solcher Schriften und ihre Hanptgönner
aufzuspüren (investigare) und zu bestrafen, zunächst die ihrer Juris-
diction unterstehenden zu suspendiren. — Die in dem Decrete na-
mentlich aufgeführten Schriften, Erklärungen theils von einzelnen
Geistlichen, theils von mehreren, stehen in den älteren Indices unter
Lettre zusammen, seit Ben. drei unter Lettre, je eine unter Retrac-
tations, Barbaut, Bellaunay, Bizanlt, Cambronne und Moulin.
Man sollte in Rom bald wichtigere Documente zu verdammen
bekommen. Zwei Tage nach dem Autodefe vor der Minerva, 5.
März 1717, erschienen die vier Bischöfe Pierre de la Broue von
Mirepoix, Jean Soanen von S6nez, Charles-Joachim Colbert von
Montpellier und Pierre de Langle von Boulogne in der Sorbonne
und Hessen dort ein vom 1. März datirtes Actenstück verlesen,
worin sie förmlich an ein allgemeines Concil appellirten. Die Sor-
bonne trat dieser Appellation bei, in der nächsten Zeit auch noch
mehrere Bischöfe, die theologischen Facultäten zu Rheims und Nantes,
die Generaloberen der Mauriner und der Orato rianer, 2 — 3000 Geist-
liche, auch eine Anzahl von Nonnen und Laien ^). — Am 1 6. Febr.
1718 verdammte die Inq. die lateinische und französische Ausgabe
der Appellation der 4 Bischöfe 2) und die Appellation des Card. No-
ailles, die vom 3. April 1717 datirt ist, im Dec. ohne sein Zuthun
gedruckt, von ihm selbst aber erst 24. Sept. 1718, also nach dem
Verbote publicirt wurde: Instrnmentum appellationis interjectae
die 1. Martii 1717 ab 111. et Rev. Episc. Mirapicensi, Senecensi,
Montis-Pessulani et Boloniensi ad futurum Concilium generale a
Constitutione S. D. N. Clementis P. XL . . . necnon ab omnibus
inde secutis aut secuturis et a gravaminibus occasione ejusdem Constit.
a S. D. N. . . . illatis vel inferendis seu adv. dictos Episcopos seu
adv. ipsis adhaerentes, subjunctis conclusionibns, quibus dictae appella-
tioni adhaeserunt S. Facultas Theol. Paris. . . die 5., . . . Remensis
1) Die Appellationen sind gesammelt in La Constitution Unigenitus
dSföree k I'^glise universelle, ou recueil des actes d'appel . . . Col. 1757,
4 Fol., von Gabriel-Nicolas Nivelle, Prieur de St. 66reon in der Diöcese
Nantes, f 1761, der an den Hexaples mitarbeitete und ausserdem eine
Relation de ce qui s'est passe dans la Faculte de Paris au sujet de la
Bulle Unig., 7 vol. 12., und unter dem Titel Le cri de la foi, 1719, 3 vol. 12.,
eine Sammlung von Erklärungen gegen die Bulle herausgab (N. E. 1761,
58). Es steht nichts von ihm im Index.
2) Ein Huissier au Chatelet soll ein Exemplar in Rom an der Peters-
kirche angeheftet haben. F. Rocquain, L'esprit revolutionnaire avant la
revolution, 1878, p. 9.
BeuBob, Index II, 47
738 Die Bulle ünigenitus.
die 8. et . . . Nannetensis die 10. ejusdem mensis, — Acte d*appel
interjeti le 1. Mars 1717 par les 6veque8 de Mirepoix. ... — Acte
d^appel de S. E. Mgr. le Card, de Noailles, Archiv, de Paris, du 3.
Avril 1717 au Pape mieux conseill6 et au futur Concile g6n^ra] de
la Constitution. . . . Von beiden Appellationen wird gesagt: sie ent-
hielten falsche, temeräre, ärgemissgebende, für den Papst injnriöse,
irrige und schismatische Sätze; in der ersten hatte die Inquisition
ausserdem aufrührerische und ketzerische, in der zweiten der Ketzerei
sich annähernde Sätze gefunden. — Der Regent gebot 6. Oct. 1717
allgemeines Stillschweigen über die kirchliche Streitfrage, und das
Parlament unterdrückte einige Schriften, u. a. die Appellation von
Noailles, aber auch das Decret der Jnq.
„Die Appellationen machten in Eom tiefen Eindruck. . . . Der
Papst änderte sein Verfahren vollständig: statt mit Excommuni-
oationen vorzugehen, schrieb er 25. März 1717 einen eigenhändigen
väterlichen Brief an Noailles". So Schill S. 148. Aber 16. Febr.
1718 wurden, wie gesagt, die Appellationen verdammt und am 8.
Sept. 1718, dem Jahrestage der Publication der Bulle TTnigenitus,
wurde die vom 28. Aug. datirte Bulle Pastoralis officii publicirt, die
Schill S. 167 eine Ehrenrettung der Bulle Unig. nennt. Der Papst
tadelt darin nicht nur die Gegner dieser Bulle, sondern auch die-
jenigen, welche „Erklärungen über die für alle anderen ganz deut-
lichen Dinge verlangen, um die Kirche in nutz- und endlose Fragen
zu verwickeln, und welche durch dieses Verlangen zeigen, dass sie
der Bulle noch nicht den gebührenden Gehorsam beweisen, da sie
meinen, es würden durch dieselbe kath. Dogmen oder die kirchliche
Disciplin verletzt, was dasselbe ist, als wenn man fürchten wollte,
der Glaube des h. Petrus habe abgenommen und die ganze Kirche,
durch das Lehramt der apostolischen Stimme unterrichtet, sei von
dem Wege der Wahrheit und des Heiles abgewichen." Es sei nicht
wahr, dass durch die Bulle Sätze und Lehren verdammt würden, die
bisher in kath. Schulen ohne Censur vorgetragen worden ; alle hervor-
ragenden Schriftsteller der Kirche hätten es immer für ihre Pflicht
gehalten, von dem apostolischen Stuhle zu lernen, was sie zu
glauben und zu lehren hätten; jene Sätze und Lehren aber, die man
mit den in der Bulle verdammten verwechsele, würden auch jetzt
noch in Rom selbst frei vorgetragen und seien also keineswegs ver-
dammt^). Schliesslich werden diejenigen, welche der Bulle Unig.
den gebührenden Gehorsam versagen, von der kirchlichen Gemein-
schaft mit dem Papste ausgeschlossen erklärt, bis sie sich bekehren.
— Diese Bulle wurde von dem Pariser Parlamente zurückgewiesen.
Am 19. Dec. 1718 wurde in Rom ein italienisches Edict der
Liq. (Bull. cont. 2, 404) angeheftet, worin kraft des h. Gehorsams
und unter Androhung der Excomm. 1. sent. jedermann aufgefordert
wurde, binnen 30 Tagen bei dem h. Officium oder dem Ort«bischof
1) Wie Card. Querini, Corom. 2, 1, 144 erzählt, legte der Papst auf
diese Erklärung besonderen Werth.
Balle Pastoralis officii. Corps de doctrine. Acoommodement. 789
alle diejenijren anzuzeigen, von denen er wisse, dass sie die Sätze
der Bulle Unig. lehren oder verbreiten, die Urheber oder Verthei-
diger derselben loben, vertheidigen oder begünstigen, die Verdam-
mung derselben tadeln oder ohne gebührenden Respect davon reden,
Bücher, Briefe u. s. w., gedruckte oder geschriebene, lesen, welche
direct oder indirect gegen die Bulle sprechen oder die verboten sind
oder noch werden verboten werden. Gegen die Delinquenten werde
nach dem Stile des h. Officiums vorgegangen werden; wer nicht
dennncire, könne nur von der Inq. absolvirt werden ; anonyme Briefe
seien nicht genügend und würden von dem h. Off. nicht berücksichtigt.
Die vier Bischöfe, die zuerst appellirt hatten, appellirten
im April 1719 auch von der Bulle Pastoralis und von dem Inqui-
sitionsdecrete vom 16. Febr. 1718; der kurzen Appellation wurde
eine ausführliche Denkschrift beigefügt: Memoire, dans lequel on
fait voir la n^cessit^ d'un Goncile gen^ral pour rem^dier aux maux
de TEglise et oü Von d^duit les motifs de Tappel interjet^ au future
Concile . . (in den Oeuvres de Colbert 1, 19 — 260). Diese Appel-
lation und die anderer Bischöfe wurde nicht ausdrücklich verdammt,
auch nicht die Noailles vom 3. Oct. 1718, wohl aber eine von ihm
bei der Veröffentlichung seiner Appellation in Aussicht gestellte und
1719 gedruckte Premiere Instruction pastorale de S. E. Mgr. le Card,
de Noailles, Archiv, de Paris, au clerg^ seculier et regulier de son
dioc^se sur la Const. Unig., und zwar durch ein besonderes Decret
von Fer. V. 3. Aug. 1719 (Bull. cont. 2, 404), als Sätze enthaltend,
die resp. falsch, . . . für alle katholischen Bischöfe, namentlich die
französischen, und den apost. Stuhl injuriös . . . sohismatisch und
ketzerisch seien.
4. Im J. 1719 fing der Regent unter dem Einflüsse des be-
rüchtigten Abb^ (seit 1723 Cardinal) Dubois an, seine Politik zu
ändern. Am 5. Juni gebot er wieder für ein Jahr Schweigen.
Dann wurde unter dem Einflüsse des Hofes ein Corps de doctrine,
eine Art von Interpretation der Bulle, ausgearbeitet und vor und
nach von den meisten Bischöfen unterschrieben , auch von Noailles
(13. März 1720) und einigen anderen Appellanten. Durch eine
königliche Declaration vom 4. Aug. 1720 wurde dann verordnet,
nichts gegen die Bulle und das Corps de doctrine zu lehren oder
zu veröffentlichen und die Appellation an das Concil als nichtig an-
zusehen. Das Parlament nahm diese Declaration widerstrebend an
(Rocquain p. 22). Noailles veröffentlichte 18. Nov. 1720 ein Man-
dement, worin er die Bulle mit Erklärungen acceptirte. Auch viele
andere Appellanten nahmen jetzt ihre Appellation zurück. — In
Kom wurde dieser Ausgleich nicht gerne gesehen; aber Card. Fa-
broni drängte vergebens den Papst zu schärferm Vorgehen.
Von den vielen Schriften, die um diese Zeit über das Acoom-
modement erschienen, kamen — erst 1727 — folgende in den In-
dex: Memoire pour nosseigneurs duParlement sur l'enregistrement
de la declaration, qui autorise Taccommodement conclü entre plu-
sieurs eveques touchant la Constit. Unig. — Pensäes d'un ma-
gistrat ftur la declaration qui doit etre portie au Parlement, 1720
740 Die Balle Unigenitus.
(von Duguet). — Memoire sur le droit de la Faculti de TWol.
de Paris, d'etre entendne sur les d^cisions de doctrine propos^es pour
servir de loi dans le royaume (von Ducomet), — Relation de ce
qui s^est passe dans Tassemblöe de Sorbonne du 4. Juin 1721, —
Les tr^s-humbles remonstrances de la Facult6 de Th^ol. de Paris
au Roy (Aug. 1721), — Relation de ce qui s'est passd au Parle-
ment de Ronen au sujet de la d^claration du 4. Aoüt 1720 touchaDt
la conciliation des ^veques, — Memoire pour justifier l'usage des
requ^tes de la part des parties interessees toucbant renregistrement
des edits et d^clarations du Roy^).
Der Ausgleich veranlasste die vier Bischöfe, die zuerst appel-
lirt hatten, im Nov. 1720 ein vom 10. Sept. datirtes Actenstück zu
publiciren, worin sie ihre Appellation wiederholten (Oeuvres de Col-
bert 1, 264). Mehrere Bischöfe und etwa 1500 Welt- und Ordens-
geistliche schlössen sich ihnen an. Es wurden mehrere Listen von
Reappellanten veröffentlicht. Zwei von diesen und einige auf die
Reappellation bezügliche Schriften kamen — gleichfalls 1727 — in
den Index: Liste des chanoines, curez, docteurs et ecclesiastiques
seculiers et reguliers de la ville et du dioc^se de Paris, qui ont
d^clar^ qu^ils persistent dans leur appel, — Liste premiere des
chanoines . . . des diff^rents dioceses de France, qui ont declar^
. . . Avertissement sur la d^claration . . . de plusieurs religieux
Ben^diotins . . ., — Avertissemens sur les lettres suivantes:
. . . . Lettre au R. F. D. Thierry de Viaixnes k Toccasion de son
renouvellement d'appel, — Lettre d'un thc^ologien aux RR. PP.
B^nedictins des congr^gations de St. Maur et de St. Vanne pour les
exhorter ä continuer de defendre le christianisme renvers^ par la
Constit. Unig. (21. Juli 1721), 14 S. 4., — Lettre ä un magistrat,
oü Ton examine, si ceux qui ont d^clare qu'ils persistent dans leur
appel, peuvent etre accus^s d'imprudence, 1721, 14 S. 4. — Gleich-
zeitig wurde verb. La tour de Bable, ou la division des ^v^ues
de France qui ont eu part a la Constit. Unig. depuis Ta. 1714, ein
Tableau, worin die französischen Bischöfe je nach ihrer Stellung zu
der Bulle in nicht weniger als 27 Gruppen geordnet waren ^).
5. Clemens XL starb 19. März 1721. Von seinem Naclifolger
Innocenz XIII. (1721 — 24) soll Card, de Gesvres gesagt haben:
Conti n'est pas favorable k la Constitution, mais Innocent XIII. y
est attache et il est entrainä par la cour de Rome^). An ihn
richteten sieben Bischöfe, — der frühere Bischof von Toumay, die
Bischöfe von Pamiers, Sinez, Montpellier, Boulogne, Auxerre und
Macon; der von Mirepoix und drei andere Appellanten waren ge-
storben, — unter dem 9. Juni 1721 ein Schreiben, worin sie um
die Cassirung der Bulle Unig. und um Berufung eines allgemeinen
Concils bitten. Es wurde im Nov. 1721 lateinisch und französisch
1) Eist, des Refl. II, 444. 457. UI, 1, 80. 67.
2) Eist, des Refl. II, 610. III, 1, 37. 50. 71.
3) Eist, des Kefl. III, 5, 61. S. o. S. 481.
Reappellationen. B. Colbert von Montpellier. 741
gedruckt: Epistola 111. ac Eev. Ecclesiae Principum .... ad S.
D. Innocentium P. XIII. occasione Constitutionis Unig. (90 S. 4.,
abgedr. Oeuvres de Colbert 1, 303, angeblich von dem Abb6 Bour-
sier verfasst), und 8. Jan. 1722 von der Inq. verdammt als viele
für die katb. Bischöfe, namentlich die französischen, und für Clemens
XI., den jetzigen Papst und den apost. Stuhl injuriöse Sätze enthal-
tend und als im Ganzen schismatisch und voll ketzerischen Geistes.
In Breven an den König und den Eegenten vom 24. März 1722
(Arg. III b 476) klagte Innocenz XIII. über schismatische Briefe
einiger Bischöfe, ermahnte den König, für die Wahrheit einzutreten,
und erklärte sich auch gegen den Ausgleich, ohne ihn ausdrücklich
zu nennen.
Der Staatsrath unterdrückt« 19. Apr. 1722 das Schreiben der
7 Bischöfe. Darauf veröflTentlichten sie im Juli eine Lettre... au
Roy, au sujet de Tarret du conseil d^etat contre la lettre des sus-
dits prelats k N. S. P. le Pape Innocent XIII. (abgedr. Colbert
1, 355), von der Inq. verb. 23. Sept. 1723. Gegen eine umfang-
reiche Instruction pastorale des Card, de Bissj, Bischofs von Meaux,
eines der eifrigsten Acceptanten ^), veröffentlichten sechs der genann-
ten Bischöfe (der von Tournay betheiligte sich nicht) eine Entgeg-
nung (228 S. 4., bei Colbert 1, 387), die mit einem kurzen Schreiben
dem Könige übersandt wurde: Lettre . . . au Boy, par laquelle
ils supplient Sa Maj. de se faire rendre compte de leur riponse k
l'Instr. past. de M. le Card, de Bissy, von der Inq. verb. 13. Febr.
1 725. — Der Bischof Languet von Soissons (später Erzbischof von
Sens) schrieb eine ganze Reihe von Instructions past., Lettres, Aver-
tissements u. s. w. zu Gunsten der Bulle. In einem Schreiben an
den Bischof von Boulogne vom J. 1720 griff er die vier ersten Ap-
pellanten an; dagegen erschien Lettre de Mgr. TEv. d'Auxerre
(Charles de Caylus) k TEv. de Soissons k Toccasion de ce que ce
prälat dit de lui dans sa premiere lettre k TEv. de Bonlogue (vom
Nov. 1721, 38 S. 4.), von der Inq. verb. Per. IV. 14. Juli 1723
als voll schismatischen und haeretischen Geistes (Arg. III b 608).
Andere Streitschriften gegen Languet von den Bischöfen von Au-
xerre und Boulogne und anderen^) stehen nicht im Index.
Unter den appellirenden Prälaten trat besonders hervor Char-
les-Joachim de Colbert de Croissy, geb. 1667, seit 1697 Bischof
von Montpellier, t 1738. Als im J. 1722 die Unterzeichnung des
Formulars Alexanders VII. wieder verlangt wurde, ordnete er die-
selbe mit einer Erklärung an, worin unter Bezugnahme auf die Paix
de Clement IX. die Unterscheidung von Droit und Fait aufrecht er-
halten wurde. Diese Erklärung wurde von dem Staatsrathe cassirt.
Dagegen veröffentlichte Colbert Tr^s-humbles remonstranoes au Roy
au sujet de Tarret du conseil d'^tat de Sa Maj. du 11. Mars 1723
1) Fenelon sagte 1710 (Corr. 1, 872) von ihm: Bissy est un bon
homme, mais une fort mödiocre tete. II erneut tont et ne rSsout rien,
oomme le soleil de mars.
2) Eist, des Refl. II, 560. ÜI, 1, 145. 149; 2, 174. 178 u. s. w.
742 Die Bulle Unigenitas.
(vom 2. Mai 1724) und etwas später, 4. Juni 1724 Lettre pa-
storale au sujet des troubles excites dans son diooSse et de quel-
ques libelles repandus dans le public ä Toccasion de la signature du
formulaire (beide in den Oeuvres 1, 639 — 722). Die Remonstranz
wurde von dem Staatsrath 21. Sept. 1724 unterdrückt, beide Acten-
stüoke 13. Febr. 1725 von der Inq. verb., gleichzeitig Lettre de M.
Duguet k TEv. de Montpellier au sujet de ses remonstrances au
Roy, 25. Juillet 1724, — Duguet schliesst sich darin Colbert offen
an und erklärt, da die anderen Bischöfe schwiegen, so sei er mit
dem Episoopat solidaire bekleidet (Dict. Jans. 2, 431), — alle drei
als temeräre und für den apost. Stuhl injuriöse Sätze enthaltend und
im Ganzen voll schismatischen und ketzerischen Geistes. Schon
1722 wurde verb. Du refus de signer le formulaire, ponr servir
de riponse k un ecrit qui a pour titre: Second preservatif.
In dem oben erwähnten Inquisitionsdecrete vom 14. Juli 1723
werden ausser dem Briefe von Caylus noch verdammt: Ordonnance
et instr. past. de Mgr. l'Ev. et Comte de Rhodez (Rodez, de la
Vove de Tourouvre) pour la condamnation du Traite des aotes hu-
maines, dicte au College de Rhodez par le P. Cabrespine Jesuite,
1722, und Mandement de Son Altesse Mgr. Frangois- Armand de
Lorraine, Ev. de Bayeux, contenant le jugement qu^il a porte sur
differentes propositions qui lui ont et6 denonc6es, Par. 1722 (30
S. 4., angeblich von Petitpied verfasst), beide als einige verdach-
tige, für den apost. Stuhl injuriöse und verdammten Irrthömem
günstige Sätze und Meinungen enthaltend, und mit der Erklärung,
durch ihre Verdammung solle über die darin censurirten Sätze kein
Urtheil abgegeben werden^). Die drei Bischöfe beschwerten sich
1724 in einem gemeinsamen Schreiben an Benedict XIII. über dieses
Decret (N. E. 1735, 119). Aber 13. Febr. 1725 verdammte die
Inq. von dem Bischof Franz von Lothringen von Bayeux nochmals
eine Ordonnance et instr. past., portant condamnation de deux libelles
intitulez. Tun : Instruction en forme de catechisme au sujet de la
Constit. Unig., Tautre: Instr. th^ol. pour servir de reponse ^ un
libelle: Entretien familier au sujet de la Constit. Unig., 1724 (Hist.
des Refl. lY, 68), als mehrere für katholische, namentlich franzö-
sische Bischöfe, für Se. Heiligkeit und den apost^ Stuhl injuriöse,
schismatische und die Ketzerei begünstigende Sätze enthaltend.
Von den Bücherverboten aus der Zeit Innocenz' XIII. sind
noch folgende 1722 von der Inq. erlassene zu erwähnen: Memoire
dans le quel on examine, si Tappel interjet^ au future Goncile gen.
. . . est legitime et canonique, s. 1. 1717; Nouveau memoire sur
les appels des jugemens eccl., s. 1. 1717; Dänonciation k M. le
Prooureur-gäneral du Parlement de Dijon d'un libelle: Lettre de
1) Der Erlass des Bischofs von Rhodez ist durch Sätze aus der Dog-
matik und Moral veranlasst, die Cabrespine vorgetragen und die eine Reihe
von Streitschriften hervorriefen; der des Bischofs von Bayeux ist gegen
den Jesuiten de Genne gerichtet. Hist. des R^fl. III, 8, 52; III, 5, 106.
Fleur. 71, 310.
Opposition in den Niederlanden. 743
l'eveque de Chalons ... an snjet de son mandement sar le livre
des Hexaples (S. 736), s. 1. et a.; Observationes in quinque
epistolaa, quae circamferuntur nomine Universitatis Salmanticensis
. . . 8. 1. 1716, Bemerkungen zu den Briefen, welche die Univer-
sität Salamanca veröffentlichte, als das Gerücht ging, sie habe gegen
die Bulle protestirt (Fleur. 69, 171).
6. Auch in den Niederlanden fand die Bulle Unigenitus unter
den Geistlichen vielfache Opposition. Die Utrechter Kirche schloss
sich 1719 der Appellation an. Der Nachfolger- des Erzbischofs
Precipiano von Mecheln, d'Alsace de Bossu, und die übrigen belgi-
schen Bischöfe bemühten sich für die Durchführung der Bulle, und
die Löwener Universität nahm sie 1715 an. Im J. 1720 ging Ser-
vals Hoffreumont, geb. 1665 zu Verviers, seit 1705 Pfarrer zu
Graoe bei Lüttich, mit einer Vollmacht von 75 Geistlichen, worunter
auch van Espen, nach Wien, um Carl VI. um Schutz für die
Gegner der Bulle zu bitten. 1723 wurde aber zu ihren Ungunsten
entschieden, Hoffreumont wurde abgesetzt und ging wie van Espen
nach Amersfort, f 1737 1). — Im Index stehen von belgischen
Schriften: Memoire sur la publication de la Bulle Unig. dans les
Fajs-Bas, 1714, von der Inq. verb. 12. Sept. 1714; das Schriftchen
empfiehlt der Regierung, das Placet zu verweigern (Hist. des li6fl.
I, 98); — La faillibilitä des Papes dans les döcisions dogmati-
ques demonstree par toute la tradition, d'oü il resulte, qu'on n^est
point Obligo de recevoir aveuglement la Constit. Unig. ni aucune
autre däcision des Souverains Pontifes. Avec des remarques sur
une lettre au Pape de M. PArchev. de Malines et des autres ävS-
ques du Pajs-Bas, 2 vol., s. 1. 1704 und 1720, von der Inq. verb.
29. Juli 1722 (von Hoffreumont verfasst); — Antiquae Faoultatis
Lovaniensis qui adhuc superstites sunt discipuli ad eos, qui
hodie Lovanii sunt, theologos de declaratione S. Fac. Th. Lov. recen-
tioris circa Constit. Unig., 1716, 374 S. 12., erst 1734 verb., von
Opstraet
In Italien wurde der Bischof von Orvieto 1719 als Gegner
der Bull. Unig. denuncirt, verhaftet und in die Engelsburg gesetzt.
Er musste 27. Juli feierlich abschwören und wurde für Lebenszeit
in ein Kloster verwiesen (Fleur. 70, 269 ; um dieselbe Zeit wurden
5 Personen wegen Atheismus processirt; sie schworen ab und wurden
theils zu lebenslänglichem, theils zu jahrelangem Gefängniss ver-
urtheilt; ein Abate Yolpini wurde, es wird nicht angegeben wes-
halb, zum Tode verurtheilt, aber zu lebenslänglichem Gefängniss
begnadigt).
7. Auf Innocenz XIII., f 7. März 1724, folgte der 75 jährige
Card. Orsini als Benedict XIII. (1724 — 30). Er war Dominicaner
1) V. Espen Opp. 5, 842. Vie de van Espen p. 130. Fleur. 71, 180.
Paquot 8, 288. Memoires hist. sur Taffaire de la B. Unigenitus dans les
Pays-Bas Autrichiens, principalement depuis son arrivee en 1713 jusqu'en
1730. Brux. 1755*, 4 vol. 8. (von Dupac de Bellegarde). Das Buch steht
nicht im Index.
744 Die Bulle Unigenitns.
und Thomist nnd nicht abgeneigt, Erklärungen über die Bnlle Unig.
zu geben, welche die Unzufriedenen beschwichtigen könnten. Aber
die meisten Cardinäle und Curialisten waren dagegen, weil sie darin
eine Abschwächung der päpstlichen Autorität erblickten, und die
constitutionellen französischen Bischöfe, weil sie einmal eifrig für
die Bulle Partei ergriffen hatten. Schon 6. Nov. 1724 erliess er,
da der Dominicaner-General Pipia ihm vorstellte, dass die Bulle
vielfach gegen die Gnadenlehre seines Ordens ausgebeutet werde,
ein Breve (Bull. cont. 2, 478), worin er es als selbstverständlich
bezeichnet, dass die Lehren des h. Augustinus und Thomas von
keinen Censuren der Bulle getroffen würden. In demselben Sinne
sprach er sich später in einer Bulle vom 26. Mai 1727 aus. P. Gra-
veson und andere meinten, wenn der Papst erkläre, die Lehre von
der Gratia per se^effioax sei festzuhalten und bei der Verwaltung
der Sacramente habe man sich an die Grundsätze des h. Carl Bor-
romaeus zu halten, so werde ein grosser Theil der Appellanten die
Bulle annehmen. Auf einer solchen Grundlage wurde denn aucli
mit dem Card. Noailles unterhandelt. £s handelte sich bei diesen
Unterhandlungen, so weit sie von den einem Ausgleich günstig
Gesinnten geführt wurden, hauptsächlich darum, ob der Papst zu-
erst Erklärungen geben oder zuerst die Appellation zurückgezogen
werden solle. Die Gegner des Ausgleichs, in Frankreich nament-
lich die Cardinäle Bissy und fiohan, wirkten darauf hin, dass über-
haupt keine Erklärung gegeben und eine unbedingte Unterwerfung
gefordert werde. — Als Basis der Unterhandlungen dienten 12 Ar-
tikel, die Noailles dem Papste vorlegte als eine kurze Darlegung
dessen, was er und die anderen opponirenden Bischöfe als Lehre
der Kirche über die in der Bulle berührten dogmatischen Punkte
ansähen^). Der Papst persönlich war geneigt, diese Artikel, etwa
in Form eines Breves gutzuheissen. Aber die Cardinäle und Theo-
logen, denen er die Sache vorlegte, erklärten, Noailles müsse ein-
fach die Bulle an- und seine Appellation zurücknehmen. In Frank-
reich wurden die 12 Artikel, als sie 1725 als Explications de N.
S. P. Benott XIII. envoyies en France au mois de Mars 1725 sur
la Bulle Unig. gedruckt erschienen, von mehreren Bischöfen offen
bekämpft, von dem Bischof von Montpellier u. a. vertheidigt. Der
Minister Fleury, Bischof von Fr^jus (später Cardinal) soll sie als
zu Jansenistisch bezeichnet haben; sie wurden von dem Staatsrath
unterdrückt (Rocquain p. 42). — Einen Druck suchte man auf
Noailles und die anderen opponirenden Bischöfe auch dadurch aus-
zuüben, dass ihren Diöcesen 1726 der Jubiläums- Ablass vorent-
halten wurde.
Anfangs 1727 ging das Gerücht, Noailles werde sich unter-
werfen. 30 Pariser Pfarrer baten ihn in einem (im Febr. gedruckten)
Briefe, standhaft zu bleiben; viele andere stimmten ihnen zu. Im
April wurden die Unterhandlungen abgebrochen, und es erschien
1) Hist. des Refl. lY, 341. Fleur. 70, 488. Laemmer, Melet. p. 403.
Yerhandlangen mit Card. Noaiiles. Römisches Concil von 1725. 745
nun eine im Auftrage von Noaiiles verfasste (aber nicht in seinem
Auftrage gedruckte) Relation de ce qui s'est passe, tant ä Rome,
que de la part de M. le Card, de Noaiiles, sur Taffaire de la Con-
stitution, depuis l'exaltAtion de N. S. P. le Pape Benoit XIII. Sie
wurde 17. Sept. 1727 verb. (sie steht erst seit Ben. im Index) und
im Auftrage des Papstes ein anderer Bericht von dem Assessor
8. Ojff. (später Card.) Ansidei italienisch und französisch veröffent-
licht^). — Während der Unterhandlungen mit Noaiiles erschien ein
Decret der Inq, vom 13. Febr. 1725, worin mehrere Actenstücke
von französischen Bischöfen verdammt wurden, 2. Sept. 1727 ein
Decret der Index-Congr., worin ausser vielen bereits erwähnten
Schriften verb. wurden: Discours de Mr. Joalin Sindic (bei Ben.
richtig Jo Ilain, jetzt Joallain), ein von dem Syndicus der Sor-
bonne nach dem Tode Clemens' XI. 1721 gehaltener Vortrag (Hist
des R6fl. III, 1, 6), — Maxim es chr^tiennes sur le devoir de
parier en faveur de la v^rite, — und Supplement au memoire de
parier en faveur de la v^rite (ein Mem. oüi Ton etablit le devoir
. . . verit^ par rapport a ceux qui ne regoivent ni la Constit. ünig.
ni l'accommodement, 48 S*. 4., wurde 1721 vom Parlament verb.;
Bist, des Refl. II, 555).
8. Das im J. 1725 von Benedict XIII. gehaltene Römische
Provincial-Concil ist für die Geschichte der Bulle Unig. nur inso-
Tem von Bedeutung, als in dem gedruckten Texte desselben (Coli.
Lac. 1, 346) den Bischöfen befohlen wird, dafür zu sorgen, dass
liese Bulle, quam nos tanquam fidei regulam agnoscimus, omnimoda
ic debita obedientia et executione observetur, und behauptet wird,
der Zwischensatz quam . . . agnoscimus sei von dem Secretär des
[!oncils, Antonio Fini, später Cardinal, nachträglich beigefugt worden^).
— Warum das Diario del Concilio Romano celebrato in S.Giovanni
1) Hist. des Refl. IV, 82. 175. Nur im span., nicht im Rom. Index
rieben : Anecdotes ou memoires secrets sur la Constit. Unig., 1730 — 83,
J vol. 12., von J. Fr. Bourgoin de Villefore nach den ihm von Noaiiles
felieferten Materialien verfasst (N. E. 1731, 140. Reuchlin 2, 33); — Journal
ie M. l'abbc d'Orsanne (General vicar Noaiiles', f 1728) contenant Phist.
$t les anecdotes de ce qui s'est passe k Rome et en France dans Pafifaire
ie la Constit. ünig., 2 vol. 4. (6 vol. 12., 2. Ed. 1756). — Villefore hat
1. a. die Briefe benutzt, die Noaiiles von dem Lazaristen Philopald de la
3aye (1674 — 1762) erhielt, der Generalprocurator seiner Congregation in
[tom und ein Agent von Noaiiles war. Er schrieb 1714 gegen die Bulle
Lettera d'un vescovo di Francia al Card. Fabroni, 72 S. 12., wurde 1716
ius Rom ausgewiesen, 1724 ans seiner Congregation ausgeschlossen, von
lern Bischof Caylus angestellt und starb als Appellant (Corr. de Fen. 11,
)50).
2) Hist. des Refl. IV. 353. Fleur. 72, 8. In den N. E. 1781, 113 ist
nne Erklärung des Card. Marefoschi, in der dieses behauptet wird, abge-
Iruokt; vgl. 1782, 200. Eine ähnliche notarielle Erklärung von Msgr.
3ottari vom 2. Jan. 1761 ist abgedruckt im Journal de correspondances
)t de voya^es d Italic et d'Espagne pour la paix de P^glise en 1758, 1768
)t 1769. Par M. Clement, alors tesorier de l'egl. d'Auxerre et depuis
iveque de Versailles (Paris an X. 1802,* 3 vol. 8.) 1, 275.
746 Die Bulle Unigenitus.
Laterano Tanno del giubileo 1725, sotto il pontificato di P. Bene-
detto XIII., Rom (Venedig) 1728, sofort verb. und der Heraus-
geber, Primicerio der Kathedrale zu Bologna, mit grossem Eclat
von der Inq. verhaftet wurde (N. E. 1728, 182), ist nicht klar.
Erklärlicher ist, dass Jo. Georgii Walchii Commentatio de con-
cilio Lateranensi a Benedicto XIII. celebrato, Lpz. 1727, 1729
verb. wurde.
Wichtiger ist für uns das vom 16. Aug. bis 26. Sept. 1727
unter dem Vorsitze des Erzbischofs Pierre de Guerin de Tencin
gehaltene und von Benedict XIII. durch ein Breve vom 17. Dec.
1727 plenissime bestätigte Provincialconcil von Embrun (Coli. Lac.
1, 635. 727), auf welchem einer der standhaftesten Gegner der
Bulle, der achtzigjährige Jean Soanen, seit 1695 Bischof von
Senez, suspendirt wurde (er wurde darauf in der Abtei Chaise-Dlen
internirt, wo er erst 25. Dec. 1740 starb).
Im J. 1726 hatte sich das Gerücht verbreitet, er sei gestorben.
Darauf erschien im Jan. 1727 eine vom 28. Aug. 1726 datirte In-
struction past. de M. TEv. de S6nez, dans laquelle k l'occasion des
bruits qui se sont repandues de sa mort, il rend son clerge et son
peuple d^positaires de ses derniers sentiments sur les contestations
qui agitent l'Eglise^). Dieser Hirtenbrief wurde von dem Concil
von Embrun ganz im Stile der Eömischen Inquisision als temerär,
für die Kirche, die Bischöfe und die königliche Autorität injuriös,
schismatisch, voll des ketzerischen Geistes u. s. w. unter Androhung
der dem Bischof reservirten Exoomm. 1. sent. verboten und der Bi-
schof, weil er trotz der canonischen Warnungen ihn nicht habe zu-
rücknehmen wollen, für suspendirt erklärt.
Der Hirtenbrief steht merkwürdiger Weise nicht im Index, —
Testament spirituel en date du 28. Mars 1735, verb. 1742, ist ein
anderes Schriftchen von wenigen Blättern*), — aber ein 30. Oct.
1) Picot 4, 178 sagt, dieser Hirtenbrief sei von dem Abb6 Cadry
(Darcy, f 1756) vcrfasst, auch die meisten anderen unter Soaneos Namen
erschienenen Schriften seien von anderen verfasst, vielleicht alle, sogar
seine Sermons. Dass aber Soanen wenigstens ein guter Prediger war,
bezeugt Bossuet, der im J. 1700 (38, 78) schreibt: Nous avons ici Peveque
de Senez qui enchante toute la ville de Toulouse par ses sermons. Bocquain
p. 48 sagt von dem Urtheil des Concils: On frappait un pr^lat univer-
sellement estime, qui avait preche toute sa vie avec eolat, se oonduisait
en apotre dans son dioc^se et donnait tout aux pauvres. D n'dtait pas
jusqu' aux noms des juges qui ne deshonorat cette sentence. „F16au des
honnetes gens, simoniaque, incestueux, mauvais citoyen, honni et meprise
partout", ainsi etait qualifie, quelques annees aprds, par le marquis d'Ar-
genson, Pabbe de Tencin, archöv. d'Embrun (vgl. p. 63. 99). Er wurde
1789 Cardinal, 1740 Erzbischof von Lyon, f 1768. — Die Hist. de la
condamnation de M. de Senez par les prelats assembles k Embrun, 1728,
164 S. 4., steht nicht im Iudex. — Der Plan, gegen den viel streitbarem
Bischof Colbert von Montpellier ein Provincialconcil zu Narbonne zu halten,
kam nicht zur Ausführung.
2) La vie et les lettres de M. Jean Soanen . . . (Col. 1760*, 2 vol.
4.) 1, 176- 17b.
Goncil von Embran. Die Wunder des Fr. Paris. 747
1727 von 50 Advocaten nnterzeichnetes (von Aubry yerfasstes)
Rechtegatachten, ConBultation des avocats du parlement de Paris,
au snjet du jngement rendu a Aiubrun contre Tey. de S6nez, wurde
durch ein Breve vom 9. Juni 1728 (Bull. 13, 346) in jeder Sprache
verboten, als ärgernissgebende, . . . schismatische und ketzerische
Sätze enthaltend; der Papst klagt zugleich darüber, dass Laien es
wagten über kirchliche Urtheile abzusprechen. Die Consultation
wurde auch von einer Anzahl von Bischöfen censurirt (Dict. Jans.
1, 321).
Noailles und 7 andere Bischöfe übersandten 7. Mai 1728 dem
Parlament eine Protestation gegen die Einregistrirung der Bestäti-
gung des Concils und des päpstlichen Breves und richteten an
den König ein in demselben Sinne gehaltenes Schreiben. Noailles
zog aber seine Unterschrift bald darauf zurück und nahm noch in
demselben Jahre die Bulle an^), erhielt darauf die Jubiläumsbulle
und Glückwunschschreiben von dem Papst und den Cardinälen. Er
starb 1729, 78 Jahre alt. Sein Nachfolger de Vintimille war ein
eifriger Constitutionnaire. Die Regierung setzte 1730 auch die An-
nahme der Bulle durch die Sorbonne durch (Laemmer, Melet. p. 405),
indem sie 48 Gegnern derselben das Stimmrecht entzogt), und ver-
pflichtete dann alle Geistlichen zur Annahme (Eocquain p. 52).
Von den Bischöfen verharrten in offener Opposition ausser Soanen
nur noch Colbert von Montpellier (f 1738), Bossuet von Troyes
(t 1743) und Caylus von Auxerre (f 1754).
9. Im J. 1731 beschäftigte sich die Inquisition zum ersten
Male mit den Berichten über die Wunder, welche auf die Fürsprache
des Diakons Frangois Paris, f 1727, und anderer Appellanten ge-
wirkt sein sollten. Zunächst erschien über die Yie de M. Paris
diacre, 1731, 232 S. 12., ein Decret vom 22. Aug. 1731 (N. E.
1731, 179): das Buch sei geringen Umfangs, aber abundantia ma-
litiae teterrimus, nur geschrieben, um Einfältige von der kath. Re-
ligion und dem Gehorsam gegen den h. Stuhl abwendig zu machen;
einem Menschen, der gegen diesen rebellisch, ein Schismatiker und
Haeretiker, ein erklärter Gegner der Bulle Unig. und der Secte der
Jansenisten hartnäckig zugethan gewesen, würden darin nicht nur
Lobsprüche gespendet, sondern auch falsche Wunder zugeschrieben;
1) Das betreffende Mandement ist vom 11. Oot. 1728 datirt. Nach
Yie et Lettres de M. Soanen p. 331 hat er noch im Dec. 1728 und Febr.
1729 erklärt, er habe sich nicht unterworfen ; aber Card. Querini, Comm. 2,
1, 42 theilt einen Brief vom 21. März 1729 mit, worin er sich als Unter-
worfener ausspricht. Er scheint bis zu seinem Lebensende geschwankt zu
haben.
2) Die Universität wurde erst 1739 dazu gebracht, ihre Appellation
zurückzunehmen. 82 Mitglieder protestirten öffentlich, der fast 80jährige
Gh. Kollin und 34 andere Professoren wurden ubgesetzt. Es wurde damals
ein Avis vertheilt: Vous etes pries d'assister au convoi et enterrcment de
tres-haute et tr^s-puissante dame, madame l'Universite de Paris, fille ainee
du Roi, dec6dee en son hotel des sciences le 20. mars 1739. Son corps
mort sera dSpoee dans l'eglise des BR. PP. J^suites, pour y attendre la
rSsnrrection du bon sens en France. Rooquain p. 96.
748 Die Bulle ünigenitus.
im ausdrücklichen Auftrage de» Papstes werde das Buch als falsche
. . . schismatische und ketzeriflche Sätze enthaltend in jeder Sprache
bei Strafe der Excomnj. 1. sent. verb. und verordnet, es am 29.
öffentlich zu verbrennen. — Der Erzbischof von Paris verbot in
einem Mandement vom 30. Jan. 1732 drei verschiedene Yies de
M. Paris, und es erschienen vor und nach 10 Recueils des miracles
op^res au tombeau de M. Paris und zahllose andere Schriften über
ihn (Migne 2, 728), die nicht im Index stehen. — Durch ein Breve
vom 3. Oct. 1733 verbot Clemens XII. Bischof Colberts Instruc-
tion past. ... au sujet des miracles que Dleu fait en faveur des
appelans de la Bulle Unig. (vom 1. Febr. 1633), als falsche blas-
phemische, irrige und offenbar ketzerische Sätze enthaltend, befahl,
die Exemplare dem Bischof oder Inquisitor, in der Diöcese Mont-
pellier dem Metropoliten oder nächsten Bischof zum Yerbrennen
abzuliefern, und behielt sich zugleich vor, alle anderen Acten und
Schriften Colberts gegen die Bulle oder andere päpstliche Decret«
zu censuriren. Dieser erliess darauf Lettre past. . . . pour notifier nn
miracle opere dans son diocese par l'intercession de M. Paris et les
premunir contre un bref de N. S. P. le Pape en date du 3. Oct
1733 1), die dann in einem Breve vom 11. Oct. 1734 (Bull. 15, 4)
verdammt wurde, als resp. falsche, . . . die Auctorität des h. Stuhles
und der ganzen Kirche beeinträchtigende ketzerische Sätze enthal-
tend; zugleich wurden alle ähnlichen von dem Bischof veröffent-
lichten und zu veröffentlichenden Schriften verb. — In einem Breve
vom 19. Juli 1734 wurde des Bischofs Caylus Mandement k Toc-
casion du miracle opere dans la ville de Seignelay le 6. Janv. 1733
verb.; dagegen blieb die Instruction past. vom 8. Aug. 1735, die
er zur Vertheidigung jenes Mandement gegen das Breve und verschie-
dene Broschüren veröffentlichte (84 S. 4., N. E. 1736, 33), verschont
Femer wurden unter Clemens XII. noch verb.: Traite sur
les miracles, dans lequel on prouve que le diable n^en saurait faire
pour confirmer Terreur, par Jacques Sero es, Amst. 1729, verb.
1734. — Requeste pr^sent^e au parlement par 23 cur^s ... de
Paris contre 1 Instruction past. de Mgr. Languet, arch^v. de Sens,
au sujet des miracles oper6s par Tintercession de M. Paris, verb.
1736 (N. E. 1738, 34); — ViedeM. de la Noe-Menard, prßtre du
dioc. de Nantes [f 1717], . . avec Thist. de son culte et les rela-
tions des miracles oper^s a son tombeau, Brux. 1734, 238 S. 12.,
verb. 1736 (N. E. 1734, 225); — La v6rit6 des miracles operis i^
l'intercession de M. de Paris et autres appelans demontree contre
M. r Archiv, de Sens. Tome 1., s. i. 1737*, 4., 13. Febr. 1739,
von der Inq. in denselben Formeln verb. wie die Vie de M. Paris
im J. 1731 (N. E. 1740, 19), verfasst von dem Parlamentsrathe
Louis Basile Carr^ de Montgeron, der 29. Juli 1737 dem Könige,
dann auch dem Herzog von Orleans, dem ersten Präsidenten und
dem Generaladvocaten Exemplare überreichte, nachdem die Polizei
1) Beide Schriften und andere ähnliche in Colberts Oeuvres 2, 18.
B. Soanen von Senez. B. Bossuet von Troyes. 749
bereits 5000 Exemplare confisoirt hatte, worauf er verhaftet und
nach der Citadelle von Valejice abgeführt wurde, wo er 1754 starb.
Das Buch enthält eine Dedication an den König, einen Bericht über
das Wunder der Bekehrung Montgerons selbst und 9 wunderbare Hei-
lungen u. s. w., auch 20 Bilder. Es war zu Utrecht unter der Leitung des
Abb^ Nie. Le Gros gedruckt. 1741* folgte eine Continnation des demon-
strations de miracles op^res etc., die auch über die Convulsionen han-
delt, 1747 ein 3. Band; beide wurden von Le Gros und seinen Freunden
missbilligt. Es erschien eine ganze Reihe von Schriften über das Buch,
von denen nur Critique g6n6rale du livre de M. de Montgeron sur
les miracles de M. TabbÄ de Paris, par M. de Voeux (Pasteur de
r^glise frangaise k Dublin), Amst. 1740, 1745 verb. wurde. Bene-
dict XIY. sagt von diesem Buche (De beatif. 1. 4, p. 1. c. 7. n. 22):
Yoeux zeige in seinen Briefen über das Buch von Montgeron, dass
die betreffenden Wunder entweder erlogen oder keine Wunder,
sondern natürliche Vorgänge seien ; aber in der Vorrede und in den
Briefen kämen mehrere ketzerische Dogmen vor^).
Unter Benedict XIV. wurden 1742 verb.: Id6e de la vie de
M. Jean Soanen et son t«stament spirituel, und Relation du mi-
racle arrive en la personne de Marie Anne PoUet . . . par Tinter-
cession de Jean Soanen de sainte memoire, 6v. de Senez, appelant
au futur concile g^n. de la B. Unig. et de Tinfraction de la Paix
de Clement IX., condamn^ au conciliabule d^Embrun . . . , 1741
(N. E. 1741, 98. 173), — schon 1741: Tableau historique des
principaux traits de la vie du bienh. J. Soanen, ein Heftchen in 12.,
enthaltend 18 Bilder mit Ueberschriften, einem kurzen Gebete und
einem der 101 Sätze aus der Bulle (N. E. 1741, 72); — ferner:
Ouvrages posthumes de Mgi*. TEv^que de Babylöne[Varlet, S. 719],
od il est principalement traits des miracles contre M. TArchöv. de
Sens, verb. 1752; — Defense de Pautorite et des decisions des
merveilles que Dieu ne cesse point de faire en France depuis un
grand nombre d'annees, 1. Partie, 1732, verb. 1754.
An die Convulsionen und die Controversen, die darüber unter
den Appellanten entstanden (Figuristes und Antiüguristes, Secouristes
und Antisecouristes, Discernants und Melangistes; Picot 2, 99. 115.
137; 4, 304), erinnert im Index nur eine 1746 verbotene Schrift von
dem Bischof Soanen: Lettre au sujet d'un ecrit: Vains efforts des
Melangistes (ou Discernants dans Toeuvre des convulsions pour de-
fendre le Systeme du m61ange, K E. 1738, 126, nach Picot 4, 304
von J6r6me Besoigne und d'Asfeld).
10. Von dem Bischof Bossuet von Troyes steht nur ein
nach seinem Tode erschienenes Projet de reponse de Mr. TEv. de
Troyes ä Mgr. T Archiv. d'Embrun 1743, 42 S. 4., verb. 1746, im
Index. Bischof Colbert hatte sich in der oben erwähnten Instruc-
tion von 1733 bezüglich des allgemeinen Abfalls von der. Wahrheit
1) Suppl. de Mor6ry s. v. Montgeron. Migne 2, 674. ü. N. 1734,
486; 1737, B 201; 1740, B 261.
760 Die Balle UDigenitus.
auf eine Stelle von Bossuet von Meaux berufen, und darauf der
Erzbischof Ten ein von Embrun in einem Hirtenbriefe von 1733 be-
hauptet, Colbert habe willkürlich Bossuet seine eigene Ansicht zu-
geschrieben. Der Bischof von Troyes beklagte sich darüber in
einem Schreiben vom 26. Apr. 1737; Tencin veröflPentliohte eine
Antwort vom 27. Oct. 1737, 40 S. 4., und gegen diese ist jenes
Projet gerichtet (Dict. Jans. 1, 317).
Von Colbert verdammte Clemens XII. durch ein Breve vom
27. Aug. 1731 (Bull. 13, 197) eine nur einige Seiten füllende Or-
donnance au sujet d^une deliberation de son chapitre (Oeuvres 1,
637 — 639), die veranlasst war durch eine von dem Dompropst be-
rufene Sitzung seines Capitels, in welcher von 24 Domherren 16 er-
schienen und mit 12 gegen 4 Stimmen die Annahme der Bulle Unig.
beschlossen. Am Schlüsse des Breve's sagt der Papst: auch
andere Schriften des Bischofs verdienten verdammt zu werden; er
behalte sich dieses vor und verdamme für jetzt nur jenes Scriptum
als falsch, ... zu Schisma und Ketzerei führend, ja offen schis-
matisch. — Nachdem dann 1733 zwei andere Hirtenbriefe Colberts
verdammt worden (S. 748), verdammte Clemens XII. in einem Breve
vom 23. 1735 einen in den Oeuvres (2, 865) auch nur zwei Seiten
füllenden Erlass vom 28. März 1735 (er wird in dem Breve als
quoddam folium bezeichnet): Mandement portant condamnation d'un
ecrit intituli: Testament de M. Jean Soanen, Ev. de S^nez, dress^
a la Chaise Dieu par M. Antibule. Das Mandement verdammt die
fragliche Satire auf den Bischof Soanen, weil sie injuriös gegen
Gott und seine Heiligen sei, das Andenken des glorreichen Be-
kenners des Glaubens, des h. Diakonus Paris, besudele, die Wahr-
heit der an seinem Grabe geschehenen Wunder bestreite, der Lehre
des h. Augustinus von der Praedestination, von der Unmöglichkeit
in gewissen Fällen das Gesetz Gottes zu erfüllen, und von der
geringen Zahl derjenigen, die an den Verdiensten des Blutes des
Erlösers Antheil haben, widerspreche und die Leute zur Anerken-
nung der Entscheidungen Koms anleite. Der Papst verdammte seiner-
seits auf Grund einer Prüfung durch einige Cardinale und Theologen
das Mandement als gottlos, blasphemisch, Spaltungen verursachend
und haeretisch klingende (haereticales) Sätze enthaltend und Hess es
vor der Minerva feierlich verbrennen. Darauf richtete Colbert
unter dem 4. Nov. 1735 ein Schreiben an den Papst (sammt dem
Breve in den Oeuvres 2, 866), worin er erklärt: das Mandement
sei gar nicht von ihm; er habe es noch nicht einmal gesehen; es
sei ihm von einem Böswilligen unterschoben und stamme wohl aus
derselben Werkstätte wie das schlechte Libell, gegen welches es
gerichtet sei. (In einem Privatbriefe 2, 747 sagt er: beide Stücke
seien von Jesuiten und, wie er höre, zu Avignon gedruckt, wo man
den Verfasser kenne; das Breve nennt er hier une b^vue grossidre).
Er beklagt sich, dass der Papst ad perpetuam rei memoriam eine
so schwere Anklage gegen ihn erhoben, und weist darauf hin, dass
er schon einmal 1724 ein ihm zugeschriebenes lateinisches Mande-
ment öffentlich für unterschoben erklärt habe (Oeuvres 2, 215. 864)
6. Colbert von Montpellier. 761
nnd dass man die ünechtheit des Machwerkes doch wohl hätte er-
kennen können. Dieser Brief wurde 1736 gedruckt. Ob Colbert
eine Antwort erhalten, erhellt nicht; aber das falsche Mandement
steht unter Verweisung auf das Breve in der 1739 gedruckten Ap-
pendix zum Index und in allen folgenden Index- Ausgaben bis auf
diesen Tag.
Am 8. April 1738 starb Colbert; er wurde mit allen kirch-
lichen Ehren begraben und sein Domcapitel ordnete Gebete für ihn
an. Les oeuvres de Messire Charles- Joachim Colbert, 6v6que de
Montpellier, Col. 1740*, 3 vol. 4., wurden 1742 verb.i).
Sein Nachfolger als Bischof von Montpellier, Georges-
Lazare Berger de Charancy erliess 1739 ein Mandement pour le
r^tablissement de la signature du formulaire; dagegen erschien R 6*
ponse au Mandement de Mgr. Berger de Charancy . . . Diese ver-
dammte Benedict XIV. in einem Breve vom 29. Nov. 1740. —
Zwei Pfarrer, welche gegen das Mandement opponirten und die
Appellation aufrecht erhielten, wurden excommunicirt; sie veröflPent-
lichten Plainte et protestation de Jean Gras . . . et de Theodorit
Meroier excommuniez . . . a TEglise universelle, a N. S. P. le
Pape, k tous les evesques cath. et notamment aux ^vesques de
France, dont ils implorent la protection et la justice, et k tous les
fidMes k qui ils demandent le secours de leurs priores et la conso-
lation de leur chariti, en France 1741, 33 S. 4., verb. 17422).
Unter dem 24. Sept. 1740 veröffentlichte Charancy eine Lettre
past. au sujet d'un icrit trouv^ dans son dioc^se. In dem Nach-
lasse des Pfarrers Bonnery, der 1736 als Appellant gestorben, hatte
sich ein Manuscript gefunden mit der Ueberschrift: Constitutions
ou secret du Jans^nisme, Lettre circulaire des prStres de Port-Royal
k messieurs les disciples de S. Augustin. Charancy sagt in seinem
Hirtenbriefe, und einige andere Bischöfe sprachen es ihm nach: das
fleien confidentielle Mittheilungen Quesnels an die zuverlässigsten
Männer seiner Partei, aus denen man die schrecklichen Ansichten
und Eänke der Jansenisten kennen lernen könne. Sofort wurde in
den N. E. 1740, 189 gezeigt, dass jenes Manuscript nur eine Ab-
schrift eines Stückes aus einem 1654 gedruckten Buche von Ma-
rand6, Inconvinients d'etat procedants du Jansenisme, war, welches
Amauld schon 1694 in der Morale pratique des J^suites (35, 118.
121) als eine plumpe Fälschung nachgewiesen, dass der Jesuit Dal-
baret, Professor der Philosophie im Colleg zu Montpellier, 1708
dieses Stück seinen Schülern, unter denen auch Bonnery war, vor-
gelesen und zum Abschreiben gegeben, um sie vor dem Jansenis-
1) Die Oeuvres sind za Utrecht gedruckt und von Abbd Le Gros
herausgegeben. Es erschienen auch Les lettres de Mgr. de Montpellier,
4 vol. 12.
2) N. E. 1741, 143. Beide flohen nach Paris und lebten dort unter
anfi^enommenen Namen , Gras bis 1774, Mercier bis 1782. Letzterer ernährte
sich durch Anfertigung von Blechwaren und wurde 81 Jahre alt. N. E.
1784, 146.
762 Die Bulle Unigenitus.
mu8 zu bewahren, and dass Bonnery's Manuscript eben daher
stammte. Von den, zum Theil sehr heftigen Streitschriften, die der
unglückliche Hirtenbrief Charancy's hervorrieft), wurde eine der
müdesten, La foi des appelants justifiee contre ies calomnies con-
tenues dans une Lettre past. de M. de Charancy, Ev. de Montpel-
lier, 22 S. 4., 1742 verb.
Durch ein Mandement vom 1. Juli 1742 berief Charancy eine
Diöcesansynode zur Publication der Bulle Unig. Die Lettres de
plusieurs cur^s ... du dioc^se de Montpellier k leur evSque au sa-
jet de Ron mandement ... et memoire apolog^tique pour la de-
fense des eccl^siastiques de ce m^me dioc^se accus^s dans leur foi
par Mgr. Teveque dans ce meme mandement, 100 S. 4. (N. £.
1744, 45; das Memoire ist von J. B. Gaultier), steht nicht im Index,
obschon es viel umfangreicher und wohl auch bedeutender ist als
die oben erwähnte Plainte der beiden Pfarrer. Aber des Bischofs
Caylus von Auxerre Lettre k TEv. de Montpellier & Toccasion de
ce que ce prelat dit de lui dans son mand. en date du 1. Juillet
1742 und Seconde lettre k l'Ev. de Montp. k Toccasion de la ri-
ponse de ce prelat en date du 1. Avril 1744 wurden, freilich erst
1750, verb. und in demselben Jahre auch noch Lettres d*un theo-
logien k Mgr. de Charancy k Toccasion de sa reponse k Mgr. TEv.
d'Auxerre, vom Nov. und Dec. 1744, 55 S., von J. B. Graultier.
— 1754 wurden Les oeuvres de Messire Charles-Gabriel de Thn-
bi^res de Caylus, Eveque d*Auxerre, Col. 1751, 4 vol., verb.
Das Mandement, in welchem Jean-Charles de Segur, Bischof
von Saint-Papoul, 1735 seine Anerkennung der Bulle zurücknahm
und sich den Appellanten anschloss, 8 S. 4., — er verzichtete
gleichzeitig auf sein Bisthum und lebte zurückgezogen bis 1748,—
wurde von dem Erzbischof Tencin und einigen anderen Bischöfen
angegriffen und von dem Staatsrathe unterdrückt (Dict. Jans. 1, 9.
Kocquain p. 89), steht auch im span. Index, aber nicht im Rom.»
auch nicht Abregt de la vie de M. J. Ch. de S6gur, ancien ev. de
Saint-Papoul, mort en odeur d^une Eminente pi^t^, avec son man-
dement d'abdication, un recueil de lettre et autres pi^ces, Utrecht
1749*, 12.
11. Auch Clemens XII. (1730 — 40) erklärte in einem Breve
vom 2. Oct. 1733 (Bull. 14, 297), durch die Bulle werde die Lehre
der Augustiner und Thomisten de divinae gratiae efficaoitate nicht
betroffen, bestätigte die Belobung der Thomisten durch seinen Vor
ganger, erklärte aber, dadurch würden andere theologische Schulen
nicht beeinträchtigt, und verbot allen theologischen Schulen bei der
Erörterung der Lehre von der Efficacia gratiae einander zu ver-
ketzern oder zu schmähen. Das unter seiner Regierung 1737 ver-
botene Buch von Jac. Hyacinthus Serry heisst: Theologia supplex
coram Clemente XII. P. M. Clementinae Constitution is Unigenitus
1) Eine Lettre ä Mgr. de Charancy von J. B. Gaultier, 1740, 24 S.
4., nannte man damals Les verges d'Ueliodore.
B. Caylas von Auxerre. H. Serry. 768
i Filins explicationem atque intelligentiam rogans, Col. 1736^).
.Ty sagt darin: die Bulle werde selbst von den Bischöfen ver-
deden erklärt; die 101 Sätze seien zum grossen Tb eile einer
hrfacben Dentung fäbig; bei einigen könne man nach dem Seu-
auctoris nicht fragen, weil sie von den Denuncianten ver-
mmelt den Censoren zur Beurtheilung vorgelegt worden seien,
3 No. 29 und 59 ; bei vielen sei der Sensus obvius gesund und ortho-
c, wie bei No. 27, 66, 69, 76, 82, 84, 85, 98, 101. Schliess-
1 wird der Papst gebeten, die Doppelfrage zu beantworten : ob
xh die Verdammung der Sätze 79—81, 83 — 85 auch die vielen
rohen Väter verdammt werden sollten, welche den Gläubigen aller
Inde das Lesen der h. Schrift empfohlen, oder ob die Sätze nur
Tun verdammt worden seien, weil sie das Bibellesen für alle ohne
end^elche Ausnahme zur Pflicht zu machen schienen, und zwar
ge der Papst den ersten Theil der Frage verneinen, den letzten
ahen.
Unter seinem Namen hatte Serry veröffentlicht: De Romano
Qtifice in ferendo de fide moribusque judicio falli et fallere ne-
3 eodemque conciliis oecumenicis auctoritate, potestate, jurisdiotione
)eriori dissertatio duplex. Accedit appendix de mente Ecclesiae
licanae et Academiae Parisiensis circa duo illa Sedis apost. privi-
ia, Padua 1732, 295 S. 8. Gleich darauf Hess er eine anonyme
rtheidigung von einigen Blättern folgen: Preservativo contro
critica d^alcuni falsi zelanti, s. 1. et a. (beide in den Opera
a. 5). Beide wurden 14. Jan. 1733 von der Inq. verb., und der
mmissar des h. Officiums, also ein Ordensgenosse Serry's, Aloy-
8 Maria Lucini, veröffentlichte dagegen anonym: Romani Ponti-
8 privilegia adv. novissimos osores vindicata, duplex dissertatio
n duplici appendice, Ven. 1734. Serry antwortete gleichfalls anonym
t: Infallibilitatis pontificiae justis terminis circum scriptae expli-
io atque defensio necnon dissert. apolog. adv. novissimum privi-
iorum pontifioiorum vindicem, Col. (Ven.) 1734, 63 S. 8. Darauf
) Lucini 1735 sein Buch nochmals mit einer Appendix unter
nem Namen heraus, und nun erschien noch Fr. Hyac. Serry,
marii Theol. Patavini, ab AI. M. Lucinio . . . aperta jam fronte
»vocati iterata defensio seu infallibilitatis pontificiae justis terminis
cumscriptae fusior explicatio firmiorque defensio, dissert. apol.
undis curis adornata, Par. (Ven.) 1735. Es ist anzuerkennen,
\B diese späteren Schriften nicht im Index stehen*). Man machte
Ty zum Vorwurf, dass er einerseits die Unfehlbarkeit des Papstes
süglich der Facta dogmatica bestreite, — in dem Preservativo
ft er, nicht er bestreite sie, aber Bellarmin, Baronius u. a., —
1) Ad exemplar Coloniense de a. 1736*, c. 160 S. 8.; auch in den
Bra omnia, Lugd. 1770, V, 189; vgl. P. I j. XLU.
2) Faure, Comm. p. 226 constatirt mit besonderer Befriedigung,
18 Serry in einem Dictionarium Lucinianum in der kleinen Sohrin des
nmissarius S. Off. 90 Solöcismen und Barbarismen nachgewiesen habe.
ReuBoh, Index IL 48
764 Die Bulle ünigenitos.
und dass er anderseits die Unfehlbarkeit, — er will lieber iog>alela
sagen, — der Cathedral-Entscheidungen davon abhängig mache,
dasR der Papst mit Zuziehung Yon Theologen die Sache reiflich gepröjft
und sich des Consensns der Komischen Kirche, wenigstens der Car-
dinäle versichert habe; wenn Päpste geirrt hätten, so habe es sich
entweder nicht um Glaubenssachen gehandelt oder sie hätten nicht
als Päpste geirrt oder die Eömische Kirche habe nicht zugestimmt
Durch ein Breve vom 26. Jan. 1740 (Bull. 15, 344) verbot
Clemens XII. Histoire du livre des Reflexions morales sur le
N. T. et de la Constit. Unig. (Amst. 1723—38,* 4 vol. 4., der 1. Theil
von J. Lonail, die folgenden von J. B. Darcy, s. S. 736), weil das
Buch falsche . . . nicht nur die Kirche, sondern auch die welt-
lichen Gewalten schmähende, . . ketzerische und verschiedene Ketze-
reien, namentlich die Jansenistische und Quesnelistische, erneuernde
Sätze enthalte. — Von der Index-Congr. wurden verb. : Cat^ch isme
historique et dogmatique sur les contestations qui divisent mainte-
nant TEglise, Haag 1729—30,* 2 vol. 12., verb. 1732, von J. B.
Raymond Pavie de Fourquevaux, früher Militär, dann Akolyth,
f 1767; beginnt mit der Controverse de auxiliis; vermehrte Aus-
gabe von L. Paris- Vasquier, Nancy (Utrecht) 1736, 2 vol.; es er-
schienen 8 Auflagen in 20 Jahren; — Suite du Catechisme bist
et dogm. Utrecht 1751, 2. vol., verb. 1754, von L. Troya d'As-
signy, Priester zu Grenoble, tl772; — Parallele de la doctrine
des payens avec celle des J^suites et de la Constitution du P. CW-
ment XI. qui commence par ces mots: Unig. Dei Filius, Amst.
1726,* 237 S. 12., u. s., verb. 1732, auf Befehl des Parlaments
verbrannt 1726, vielfach dem Oratorianer P. Boyer, f 1755, zuge-
schrieben, wahrscheinlich von einem Laien Namens P^an ; — J ^ s n s-
Christ sous Tanathöme et l'excommunication, Amst. 1731,* 63 S. 8.,
verb. 1734, von Gudver, früher Pfarrer zu Laon, f 1734: Christus per
sönlich von dem jüdischen Synedrium verdammt, aufs neue dans m
yhM in der Bulle Unigenitus (U. N. 1732, 825; 1734, 1136);
Nach der Ausgabe Utrecht 1739 wurde die Schrift von Bracassi
übersetzt: Gesü Cristo sotto l'anatema e sotto la scomunica, ovvero
riflessioni sul mistero di G. Cr. rigettato, condannato e scomunicato
dal gran sacerdote e dal corpo dei pastori del popolo di Dio, per
Tistruzione e consolazione di quelli, che nel seno della chiesa pro-
vano un simile trattamento, Pistoja 1786, verb. 1787 (nicht erst
1797, wie in den neueren Indices steht); — La verit^ rendue
sensible k tout le monde contre les difenseurs de la Constit. Uni-
genitus par demandes et par reponses, ouvrage dans lequel on de-
truit clairement toutes les difficultes qu'on oppose k ceux qui rejet-
tent cette Bulle, 4. Ed. Brux. 1733, verb. 1735, von du Saussois,
Pfarrer in der DiÖcese Ronen, t 1727; die 1. Ausgabe erschien
schon 1719, die 4. 1721 (die von 1733 ist also nicht die 4., son-
dern eine der vielen späteren; Hist. des R6fl. III, 148. N. £.
1744, 25).
Unter Benedict XTV. wurden verb.: Reflexion« sur l'In-
struction past. de Mgr. VEv. de Rhodez au sujet des erreurs de
Hist. du livre des RSflexions u. a. 756
Jans^nius, verb. 1742 von Nie. Petitpied; er meint, wie der Ver-
fasser der Fol des appelants, der Papst solle, ohne die Bulle üni-
genitus zu erwähnen, eine dogmatische Erklärung geben, die auch
die Appellanten annehmen könnten (N. E. 1741, 129; 1742, 169); —
Testament spirituel de Messire Jean-Fran^ois Pen et, Prötre, Dr.
en Theol. . . . 1740, 14 S. 4., verb. 1744; Penet hatte sich früher
unterworfen, nahm aber seine Unterwerfung 1738 zurück; das
Schriftchen erschien nach seinem Tode 1740 (N. E. 1741, 10); —
Reflexions nouvelles sur la virit^ du serment par rapport aux
jugements de l'Eglise, 1744, verb. 1746; -- Lettre k M. Berquet
[recte Becquet], Prof. en Th6ol. au seminaire de Verdun, au sujet
de la these qu il a fait soutenir au mois d'Avril 1741, und Seconde
lettre ... de la seconde th^se qu*il . . , beide Col. 1741, verb.
1746; der Bischof verbot die antijesuitischen Briefe, die ein Pfarrer
Joly geschrieben haben soll, und der Gerichtshof liess sie verbrennen;
die Sache soll in Lothringen Aufsehen erregt haben, und diesen
Sturm im Glase Wasser hat dann die Index-Congr. verewigt (N. E.
1746, 33. 117. Dict. Jans. 2. 372); — Parallele abregt de Thi-
stoire du peuple d^Israel et de Thist. de TEglise, Liege 1724, verb.
1750, von FranQois Joubert, der eine Reihe von Bänden über die
Apokalypse und die alttest. Propheten geschrieben hat, die mit
Klagen über den Abfall von der Wahrheit, die Tyrannei und Pflicht-
vergessenheit der Bischöfe u. dgl. stark gewürzt sind (Picot 4, 307);
— Lettres k un ami sur la Const. Unig., 1752, verb. 1753, von
Mesenguy, unter dessen Schriften N. E. 1768, 141 fünf Lettres etc.
erwähnt werden, oder von Fourquevaux, der zuerst Eclaircissement
des difficult^s qu^on oppose aux appelants, 171 S. 12., (N. E. 1752,
199, nicht im Index), dann als Fortsetzung zwei Lettres ä un ami,
99 S. 12., schrieb (N. E. 1755, 88; 1768, 157); — Le combat de
Terreur contre la verite: suite du Parallele de la doctrine condam-
nie par la B. Unig. avec celle des ecrivains sacres, des peres et
des docteurs de TEglise, »Utrecht 1749, verb. 1754.
12. Am 18. Febr. 1735 beschloss das Parlament, hauptsächlich
auf Betreiben des Abbe Pucelle, einen Hirtenbrief des Frzbischofs
de Saint- Albin von Cambray vom 14. Aug. 1734 und eine von dem
Abb^ Vinot in der Sorbonne vertheidigte These zu unterdrücken,
erstem, weil darin ein Decret der Inquisition und in Frankreich
nicht recipirte Bullen (gegen Bajus und Unigenitus) als Glaubens-
regel citirt seien, die These aus einem ähnlichen Grunde (Fleur.
75, 22; der König cassirte übrigens das Arret; Picot 2, 148). Cle-
mens XII. verdammte durch ein Breve vom 18. Mai dieses Arret
de la cour de parlement portant suppression ... 18. Fevr. 1735.
— Am 4. Jan. 1738 verbot das Parlament die Bulle Clemens' XII.
vom 16. Juni 1737, durch welche Vincenz von Paul (f 1660) cano-
nisirt wurde (Bull. 15, 120), auf den Antrag einiger Pariser Pfarrer,
welche an den Ausdrücken Anstoss nahmen, in welchen von dem
Eifer des neuen Heiligen gegen den Jansenismus und von den Be-
mühungen der Neuerer gesprochen wurde, durch falsche und er-
dichtete Wunder ihre Irrthümer zu unterstützen, den Frieden der
766 Die Bulle UnigenituB.
Kirche zu stören u. 8. w. (Dict. Jans. 1, 330). Clemens XIL ver-
dammte durch ein Breve vom 15. Febr. 1738 dieses Arr^t de la
cour de pari, qui supprime un imprim^ intitul6: Canonizatio Vin-
centii a Paulo, ParisiiB 1737.
Vom J. 1731 an entstand eine Reihe von Conflicten dadurch,
dass viele Bischöfe verboten, Appellanten, die sich nicht unterworfen
und darüber durch ein Billet de confession von einem approbirt«n
Priester ausgewiesen, mit den Sterbesacramenten zu versehen und
kirchlich zu beerdigen, und dass das Parlament solche Verordnungen
der Bischöfe cassirte und gegen die Geistlichen, die danach handelten,
einschritt^). Diese Conflicte haben auch im Index viele Spuren
hinterlassen. Noch Clemens XII. verdammte kurz vor seinem Tode
(6. Febr. 1740) durch ein Breve vom 26. Jan. (Bull. 15, 345) quod-
dam folium: Arret de la cour du parlement portant suppression
d'un imprim^ intitule: „Lettres de plusieurs 6v§ques sur Tobligation
de priver de Toblation du sacrifice de la messe et des suffrages de
l'Eglise ceux qui meürent appelants de la Constit. Unig., k Ypres
ohez P. J. Rave, imprimeur de Mgr. l'Eveque 1739, avec appro-
bation." Paris, chez P. Simon, imprimeur du parlement 1739. Die
Briefe sind von 8 Bischöfen, das Arret ist vom 22. April 1739. —
Unter Benedict XIV. wurden zunächst von der Index-Congr. verb.:
Recueil des consultations de mess. les avocats du parlement de
Paris au sujet de la procedure extraordinaire de Tofficial de Cam-
bray contre le sieur Bardon, chanoine de Lenze, sur son refus de
souscrire aux bullös contre Baius et Jans^nius et k la B. Unig.,
1740, verb. 1740^); — Arrßt de la cour, rendu sur les remon-
strances . . . de M. le Procureur g^n. du Roy, qui le rcQoit appe-
laut comme d'abus d'un Mandement du S. £v^ue de Vannes, 5. Join
1744. . . ., verb. 1745; — dann aber durch ein Breve vom 20.
Nov. 1752 (Bull. 4, 25): Apologie de tous les jugements rendas
par les tribunanx s^culiers en France contre le schisme, dans laquelle
on 6tablit: 1. Tinjustice et l'irregularite des refus de sacremens, de
s^pulture et des autres peines qu'on prononce contre ceux qui ne
sont pas soumis a la Constit. Unig., 2. la competence des juges
laics pour s^opposer k tous ces actes de schismes, Paris 1752, 2 vol.
12. Das Breve sagt, das Buch enthalte Behauptungen, die resp.
falsch, temerär, ärgernissgebend, für fromme Ohren verletzend, für
den Papst, den h. Stuhl und die Bischöfe injnriös, die kirchliche
Jurisdiction beeinträchtigend, den der Bulle von allen gebührenden
aufrichtigen Gehorsam zerstörend, das Schisma begünstigend, schis*
matisch, zum Irrthum verleitend und irrig seien. Die Apologie war
von zwei Parlamentsadvocaten gemeinsam herausgegeben, die uns
noch öfter begegnen werden, Abbe Claude Mey (er war Tonsuriet,
1) Abrege du Recueil des actes du Clerge p. 1638. Picot 2, 97 ff.
Rocquain p. 130 ff. Kev. bist. 5, 241.
2) Die zahlreichen ähnlichen Consultationen sind zusammengestellt
bei Migne 2, 282.
Refus des sacrements. Billets de confession. 757
t 1797) und Gabriel-Nicolas Maultrot (f 1803). Sie erschien noch
1752 in 2. Anfinge, 3 vol., und als Fortsetzung: Kecueil des arrets
rendus dans tous les parlemens et conseils souverains du royaume
au sujet de la Bulle Unig. et de ses suites depuis 1714 jusqu'&
racoommodement de 1720, pour servir de suite ä T Apologie . . .
8. 1. 1753, 4 vol. 12^). Diese steht nicht im Index, aber Me-
moire snr les refus des sacremens k la mort qu^on fait k ceux qui
n'acceptent pas la Constitution, et une addition concernant les billets
de confession, 1750, 69 S. 12., verb. 1753. Der Verfasser, Louis-
Gabriel Gueret, f 1759, 80 Jahre alt, der, freilich nur äusserlich,
Acceptant war, klagt, dass man gegen notorisch ungläubige und un-
sittliche Menschen weniger strenge sei als gegen die Appellanten,
die man mit Unrecht als Haeretiker oder Schismatiker bezeichne,
und hebt hervor, dass kein kirchliches Gesetz unbedingt die Beichte
vor der Communion vorschreibe, von einem Kranken, der commu-
niciren wolle, also kein Billet de confession gefordert werden dürfe ^).
Grosses Aufsehen erregte es namentlich, als der Pariser Pfarrer
Bouettin mit Yorwissen des Erzbischofs de Beaumont dem frühem
Rector der Universität, Charles Coffin, einem frommen Manne (er
ist der Verfasser der neuen Hymnen im Pariser Brevier), die Sterbe-
sacramente verweigerte, weil er kein Billet de confession hatte, ob-
schon die Verwandten bezeugten, er habe bei einem approbirten
Priester gebeichtet und noch 8 Tage vorher communicirt; er starb
21. Juni 1749. Aehnlich wäre es beinahe seinem minder frommen
Neflfen, Charles Coffin, Conseiller au Chatelet, f 10. Jan. 1751, er-
gangen, obschon sich dieser erbot, bei Bouettin selbst zu beichten,
was dieser ablehnte mit Eücksicht auf Aeusserungen, die er ihm
gegenüber (über die Bulle) gethan ; ein anderer Pariser Pfarrer hörte
aber seine Beichte und gab ihm ein Billet^). Eine Lettre de M.
L. . . . ä M. B. . . ., ou relation circonstanci^e de ce quis^est passe
au sujet du refus des sacremens fait a M. Coffin, Conseiller au Cha-
telet, par le sieur Bouettin, Cur6 de St. Etienne-du-Mont, La Haye
1751, 94 S. 12., wurde 1753 verb.
Die Assembl^e du Clerg6 vom J. 1755 berieth über die Frage,
wie die Gegner der Bulle zu behandeln, namentlich wann ihnen die
Sacramente zu verweigern seien (Picot 2, 295). Man wurde nicht
einig: 17 Bischöfe und 22 Priester formulirten 10 mildere, 16 Bi-
schöfe und 10 Priester 8 schärfere Artikel (Roskovany 3, 196). Beide
Erklärungen wurden von dem Könige trotz des Widerspruchs des
Parlaments 19. Dec. 1755 nach Rom gesandt. Der Entwurf einer
Encyclica soll darauf wiederholt nach Versailles und zurück gesandt
worden sein (N. E. 1757, 60). Endlich erschien dieselbe mit dem
Datum 16. Oct. 1756 (Roskovany 3, 199). Die Verhaltungsmass-
1) Picot 4, 572. 604. N. E. 1752, 142. 161; 1763, 164.
2) Dict. Jans. 8, 85. N. E. 1751, 21. Auch Traite des refus publica
et secrets de la communion, 2 vol. 12., ist von einem Acceptanten: N. E.
1755, 15.
3) Migne 2, 398. N. E. 1749, 109. 149; 1751, 53. 60.
758 Die Bulle Unigeniias.
regeln, die Benedict XIV. darin gibt, sind so milde, als man nnr er-
warten konnte: die Sterbesacramente seien nur solchen zu verwei-
gern, welche als Gegner der Bulle gerichtlich überführt seien oder
sich offen erklärt oder durch notorisches Handeln sich gezeigt hätten.
Es ist auch bemerkenswerth, dass die Minorität der Assembl^e die
Bulle Unig. als irreformabilis definitio totius Ecclesiae in rebus fidei,
die Minorität als perpetuum et irretractabile Judicium totius Ecclesiae
et doctrina in rebus fidei bezeichnet hatten, der Papst aber sich
darauf beschränkte, zu sagen: Tanta est in Ecclesia Dei auctoritas
Constitutionis Unig. eademque sibi tarn sinceram venerationem, obse-
quium et obedientiam ubiqne vindicat, ut nemo fidelium possit abs-
que salutis aeternae discrimine a debita erga ipsam subjectione sese
snbdncere aut eidem ullo modo refragari.
Im J. 1757 erhielten die in Rom anwesenden Cardinäle Ab-
schriften einer bitterbösen Satire auf die Encyclica zugesandt:
Epistola amplissimis S. K. E. Cardinalibus et clarissimis theologis
in urbe Praeneste congregatis post pacem Ecclesiae gallicanae resti-
tutam et methodum propediem edituris pro studiis peragendis ab
alumnis collegii ürbani de Propaganda Fide ad haereticos profli-
gandos, ad gentiles et atheos in sinum Ecclesiae reducendos. Der
Verfasser legt der Commission, welcher der Papst die Ausarbeitung
eines neuen Stndienplanes aufgetragen, vier Dubia vor: 1. Ist den Zög-
lingen zu gestatten, über das Schweigen zu beobachten, was die Rö-
mische Kirche als Glaubensartikel erklärt hat, unter dem Vorwande,
den Frieden nicht stören und die Ketzer nicht scandalisiren zu
wollen ? Viele sind geneigt, zu glauben, ein solches Schweigen werde
durch das Breve gestattet, in welchem die Bulle, die der h. Stuhl
fßr eine Regula fidei erklärt hat [S. 745], nur als ein Gesetz be-
zeichnet wird. 2. Ist es den Predigern erlaubt, in ähnlicher Weise
diplomatisch zu reden, wie das Breve die Appellanten höflich be-
handelt? 3. Dürfen solchen, die der Ketzerei dringend verdächtig
sind, und 4. solchen, die für notorische Sünder gehalten werden, die
Sacramente gespendet werden ? ^) — Wie aufgebracht der Papst über
diese Impertinenz war, zeigt das offenbar von ihm selbst geschriebene
Breve vom 5. Sept. 1757 (Bull. 4,333): Der Brief sei mehreren
Cardinälen, auch dem Staatssecretär Archinto, ohne Zweifel zu dem
Zwecke zugesandt worden, dass er selbst davon Kenntniss erhalte,
id quod factum est. Er habe ihn einigen ganz unparteiischen Theo-
logen zur Begutachtung gegeben, und diese hätten alle erklärt, er
müsse verdammt werden als voll von resp. falschen, . . . nnver
schämten [impudentibus, sonst keine übliche Qualification], aufrüh-
rerischen und das Schisma begünstigenden Behauptungen. Eben so
hätten einige gelehrte Cardinäle geurtheilt. Er habe diese CensureD
mit der Epistel selbst verglichen und die Sache der Inquisition
übergeben. Auf deren Rath und auch motu proprio und aus sicherer
Wissenschaft verdamme er kraft apostolischer Autorität die Epistel
1) ü. N. 1758, 405. Walch, Neueste ReL-Gesch. 1771, S. 126. 495.
Encyclica Benedicts XIV. Nouvelles ecclesiastiques. 759
als enthaltend etc. (wie oben). Wer Exemplare besitze, habe sie
dem Inquisitor oder Bischof abzuliefern, bei Strafe der reservirten
Excomm. 1. sent. für Laieu und der gleichen Suspension für Welt-
und Ordensgeistliche. Der Verfasser tadele und schmähe das durch-
aus richtige Verhalten der Cardinäle, die er vor dem Erlass der
Encyclica vom 16. Oct. 1756 zu Käthe gezogen, und greife auch
ihn selbst an. Darum habe er das h. Officium beauftragt, den Ver-
fasser ausfindig zu machen und, sobald Indicia semiplenam proba-
tionem constituentia da seien, ihn zu verhaften und gegen ihn vor-
zugehen.
Die Epistola ist ohne Zweifel von einem Jesuiten verfasst.
Faure, auf den der Verdacht zunächst fiel, versicherte freilich eid-
lich, sie sei nicht von ihm. Die Jesuiten vergassen dem Papste die
Aeusserungen nicht, welche er, wie Cordara bei Döllinger, Beitr. 3, 9
berichtet, wiederholt als Cardinal gethan: die Seote der Jansenisten
sei eine blosse Erfindung der Jesuiten und diese seien es gewesen, die
Clemens XL zu der Bulle gegen Quesnel verleitet, welche in Frank-
reich so viele Unruhen veranlasst habe^).
Die späteren Streitigkeiten über die Bulle Unig. haben im In-
dex keine Spuren zurückgelassen^).
13. Die Appellanten hatten von 1728 an ein eigenes wöchent-
lich erscheinendes Organ, die Nouvelles ecclesiastiques, worin über
die für sie interessanten Vorfälle und Schriften ausführlich berichtet
wurde und welches bei all seinen Mängeln eine der wichtigsten
Quellen für die Kirchen- und kirchliche Literatur- Geschichte des 1 8.
Jahrh. ist. Den Plan dazu entwarf Jacques- Joseph Duguet (1649
— 1733; S.-Beuve 6, 78); der erste Herausgeber war Jacques Fon-
taine, der sich seitdem de la Roche nannte (f 1761). Das Blatt
wurde heimlich in Paris gedruckt, die meisten Jahrgänge in Hol-
land nachgedruckt, die älteren später neu gedruckt^). 1767 erschien
1) Patuzzi schrieb, wahrscheinlich im Auftrage des Papstes: Lettera
enciclica del S. P. Bencdetto XIV. diretta alla Assemblea generale del
clero gallicano, illustrata e difesa da Eusebio Eraniste contro l'autore
dei dubbj o quesiti propositi ai cardinali e teologi della S. Congr. di Pro-
paganda, Lucca 1759 ; danach Lettres d'un thiologien ä un ami pour
Gonfondre Fauteur des quatre doates, Utr. 1760*.
2) Joseph II. verordnete 1781 : in seinen Erblanden solle die Bulle
als nicht existirend angesehen und nichts pro et contra gelehrt und ge-
schrieben werden. Archiv f. österr. Gesch. 50, 323. Brunner, Theol. Diener-
schaft S. 122. Der Freimüthige 1, 64. 558; 2, 484. 569.
3) Dict. Jans 3, 155. Picot 2, 105; 4, 293. Die ersten Nummern,
vom 1. Jan. bis 16. Febr. 1728, wurden in Abschriften verbreitet (in dem
Neudruck sind sie mit abgedruckt), vom 23. Febr. an wurde das Blatt in
Paris heimlich, angeblich anfangs auf einem auf der Seine liegenden Boote,
gedruckt. Der Polizei-Lieutenant Heraul t hielt einmal in einem Hause,
wo angeblich das Blatt gedruckt wurde, Haussuchung; er fand nichts,
aber als er wieder in seinen Wagen stieg, lag ein Pack von noch feuchten
Exemplaren der neuesten Nummer darin (S.-Beuve 3, 58). — In dem
holländischen Nachdruck wurden eine Zeit lang polemische Noten gegen
die Pariser Ausgabe beigefügt. Ueberhaupt spiegelt sich in den späteren
760 Die Bulle Ünigeniius.
ein ausführliches alphabetisches Register zu den Jahrgängen 1728
—60, 2 vol. 4., 1791 ein Register zu den Jahrgängen 1761 — 90.
Louis Patouillet und andere Jesuiten gaben 1734 — 48 ein Supple-
ment aux N. E. heraus. — 1731 Hess das Parlament 5 Nummern der
N. E. verbrennen (von No. 1 wurden in diesem Jahre 900 Exem-
plare confiscirt, N. E. 1731, 37. 106). 1732 erliess der Erzbischof
von Paris ein Mandement dagegen (N. E. 1732, 85). Im J. 1740
nahm auch die Inquisition Notiz von dem Blatte. In d^r Nummer
vom 20. Febr. 1740 meldeten die N. E. den Tod des Cardinais Giov.
Ant. Davia und theilten einige Briefe desselben an den Bischof Col-
bert mit, die auch in dem 3. Bande der in demselben Jahre erschie-
nenen Oeuvres desselben stehen. Der Cardinal zeigt sich darin als
Freund des alten Appellanten, fordert ihn auf, gegen den Probabi-
Iismus zu schreiben, und bezeichnet noch einen andern Cardinal als
Gesinnungsgenossen. Die Briefe wurden, wie es scheint, mit Recht,
für unecht erklärt^) und von der Inq. 19. April 1740 verordnet, jene
Nummer der N. E., als falsche, verleumderische, die Gläubigen zu
verführen geeignete und die Reputation eines hochgestellten Mannes
schädigende Berichte enthaltend, vor der Minerva zu verbrennen.
Das geschah 25. April (N. E. 1740, 141). Seitdem steht jene
Nummer (zwei Quartblätter) auch im Index: Suite des Nouvelles
eccl. (so lautet der Titel jeder Nummer, nur die erste eines Jahr-
gangs heisst Nouvelles eccl.), desgleichen die Nummern vom 20.
Juni 1740 und 20. März 1741, in denen ich nichts besonders
Schlimmes finde. Das Verbot dieser drei Nummern mit fortzuführen,
war um so überflüssiger, als 1742 und nochmals 10. Mai 1757 die
Nouvelles Eccl. überhaupt verb. wurden.
14. Mit dem Streite über die Bulle Unigenitus hängt auch
zusammen das Memoire sur les droits du second ordre du clerge,
avec la tradition qui prouve les droits du second ordre. En France
1733, 82 und 56 S. 4., durch Arröt du Conseil vom 29. Juli und
von der Inq. 26. Aug. 1733 verb. Der Verfasser, Nie. Le Gros
(1675 — 1751) zeigt, dass die Bischöfe nicht allein, sondern nur in
üeberein Stimmung mit ihrer Geistlichkeit Entscheidungen (über die
Acceptation der Bulle u. s. w.) zu treffen hätten (Dict. Jans. 3, 96).
Die Schrift schliesst sich also an die von Fontejus (S. 369) an.
Eine ganze Reihe von anderen Schriften, die seit 1734 in Frank-
reich über die erste und zweite Stufe der Hierarchie erschienen,
war veranlasst durch die Suspension appellirender Priester durch
ihre Bischöfe und die dadurch für die Appellanten entstehende
Jahrgängen auch die unter den Appellanten eingerissene Veruneinigong
ab. Sie erschienen in Holland noch bis 1803, seit 1794 alle 14 Tage,
daneben in Paris ein Organ der constitutionellen Geistlichen.
1) Reponse ä un ami touohant les lettres qu'on attribue au Card.
Davia dans la Saite des N. £. No. 29, 24 S. 4. In den N. E. 1742, 20
wird die Unechtheit der Briefe zugegeben, aber die Echtheit der Briefe
Colberts an Davia festgehalten. Dass der Herausgeber der N. £. die Briefe
fabricirt habe (Dict. Jans. 2, 520), ist ganz unwahrscheinlich.
Sohriften von Gegnern der Balle Ünigenitos. 761
Schwierigkeit, Beichtväter zu finden, und vertheidigte die Ansicht,
dasB der Priester durch die Ordination die Gewalt, die Lossprechung
zu ertheilen, erhalte und nach dem alten kirchlichen Eechte dazu
keiner speciellen Autorisation durch den Bischof bedürfe. So die
Consultation sur la Jurisdiction et sur Tapprobation näcessaire pour
confesser, 1734, von Nie. Travers (1686 — 1750), die 1735 von der
Sorbonne ausführlich censurirt wurde (Arg. III a 208), und Les
pouvoirs legitimes du premier et second ordre dans Tadministration
des sacremens et le gouvernement de TEglise, 1 740, 800 S. 4., von
demselben. In der letztern Schrift wird behauptet, es bestehe
zwischen Bischof und Priester kein wesentlicher Unterschied. Sie
wurde von der Assemblee du Clerge 1745 censurirt (Dict. Jans.
1, 340; 2, 273) und von den N. E. 1745, 185 desavouirt, wie auch
mehrere ähnliche spätere Schriften (1755, 91. 92). Andere behaup-
teten nur, im Nothfalle dürfe auch ein ungerecht suspendirter Priester
absolviren (Dissertations theol. et can. sur Tapprobation n^cessaire
pour administrer le sacrement de penitence, 466 S. 12. N. E. 1755,
92), oder der Bischof könne nicht willkürlich die Jurisdiction be-
schränken, z. B. nicht verbieten, den Appellanten die Lossprechung
zu ertheilen (Reflexions sur le despotisme des eveques et les inter-
dits arbitraires, N. E. 1769, 109). Von den vielen über diese Ma-
terie erschienenen Schriften steht merkwürdiger Weise keine im
Index.
70. Sehriften von Gegnern der Balle Unigenitns.
Zu den hundert in § 69 besprochenen Schriften kommen
noch einige, welche zwar nicht direct mit der dort beschriebe-
nen Controverse zusammenhangen, aber von Appellanten verfasst
sind and dogmatische oder ethische Anschaunngen vertreten, die
mit der Bulle Unigenitus nicht tibereinstimmen. Dazu gehören
namentlich zwei Lehrbücher der Religion: eins von dem Orato-
rianer Pouget, welches der Bischof Colbert von Montpellier 1702
drncken Hess and welches gewöhnlich Gat^chisme de Montpel-
lier genannt wird, and eins von Mesenguy. Von dem ersten
warde 1721 die französische Ausgabe, dann auch drei Ueber-
setzangen anbedingt verboten ; in einer corrigirten französischen
and lateinischen Ausgabe hat aber das Buch eine grosse Ver-
breitung gefunden. Von dem zweiten wurde die französische
Ausgabe 1757 durch die Index-Congregation verboten, eine ita-
lienische Uebersetzung durch ein Breve Clemens' XIII. vom J.
1761. — Unter den anderen Appellanten, von denen (anonyme)
Schriften verboten wurden, sind Duguet, Treavä und der Kir-
762 Sobriften vou Gegnern der Bulle Unigenitus.
cheDgeschichtschreiber Racine die bedeutendsten. — Neben den
vielen auf die Geschichte des Jansenisraus bezüglichen Schriften
von Jansenisten findet sich im Index auch eine von dem Jesuiten
du Chesne. — Viele Schriften, welche von den Jesuiten in dem
Dictionnaire Janseniste als Jansenistisch denuncirt wurden, dar-
unter auch einige bedeutende, wie von Boursier, wurden nicht
verboten.
1. Der sog. Catechisme de Montpellier erschien zuerst zu
Paris 1702: Inßtractions generales en forme de catechisme, oü ron
explique en abreg6 par T^critnrc sainte et par la tradition rhistoire
et les dogmes de la religion . . . , iniprim^es par ordre de Messire
Charles- Joachim Colbert, Eveque de Montpellier. Es sind drei
Catechismen, ein ausführlicher für alle Gläubigen und ein grösserer
und ein kleinerer Auszug für Kinder. Verfasst ist er von dem
Oratorianer FranQois-Aime Pouget, damals Superior des Seminars
zu Montpellier. Der Erzbischof Noailles von Paris hatte das Buch
approbirt. Colbert sandte es im März 1703 an Clemens XI. Es
fand vielen Beifall; Mabillon spricht sich in seinem und Thierry
Ruinarts Namen ohne Vorbehalt lobend darüber aus und nennt es
un abrege trfes-exact de toute la doctrine chr^tienne (Thuillier 1,
541). Selbst Dict. Jans. 2, 276 sagt, es sei bon ä certains egards,
und weiss nur wenige Stellen zu tadeln. Das Buch wurde wieder-
holt gedruckt und bald in andere Sprachen übersetzt: Istruzioni
generali . . . tradotte dal francese nelF italiano da Costanzo Grasse-
iini Fiorentino, Ven. 1717, — Instrucciones generales . . . tradu-
cidas en castellan por D. Manuel de Villegas y Pifiateli, Madrid
1713, — General Instructions . . . translated from the original
french and carefully compared with the spanish approved translation.
First Part. The second edition corrected and amended by Silvester
Lewis Lloyd [Minorit, Bischof von Killaloe, dann von Waterford,
t 1747; die Uebersetzung ist von Hall, Dr. Sorb.], London 1723^).
— 1721 wurden die französische und die italienische Ausgabe, 1725
die englische, 1727 die spanische von der Index-Congr. verboten.
Dass Colbert und Pouget Appellanten waren, wird der Hauptgrund
des unbedingten Verbotes gewesen sein^). Eine Expurgation im
curialistischen Sinne war nicht einmal schwierig: es erschienen
1) Später wurde der (kleinere) Catechismus auf Veranlassung des
Bischofs von Evora ins Portugiesische übersetzt (N. E. 1766, I04)i DeLionne,
apost. Vicar in China, wollte ihn ins Chinesische übersetzen (Dupin 19,
360). — Lettres critiques sur les differentcs editions du Cat. de Mont-
pcllicT, Paris 1768, 205 S. 12. (N. E. 1769, 68).
2) In Colberts Oeuvres 2, 710 werden Briefe aus Rom aus dem J.
1734 angeführt, wonach der Catechismus verb. worden wäre wegen der
Sätze: qu'une courtisane, qui entend la messe avec la disposition de oon-
tinuer dans son libertinage, commet un pechS, und qu'on n'adore point
le sacrement, mais Jesus-Christ dans le sacrement.
Catechisme de Montpellier. Fr. Ph. Mesenguy. 768
mehrere corrigirte Ausgaben oder Bearbeitungen. Colberts Nach-
folger in Montpellier, Charancy, Hess eine solche für seine Diöcese
drucken; eine andere wurde in Angers eingeführt (N. E. 1753, 107).
Die italienische Uebersetzung war von dem Erzbischof La Gherar-
desca von Florenz approbirt ; unter dessen Nachfolger Incontri wurde
eine Uebersetzung von Burelli, in der Colberts Name weggelassen
und ein Passus über den Primat beigefugt war, von der Regierung
trotz vielfachen Widerspruchs in ganz Toscana eingeführt (Potter,
Ricci 1, 32).
1725 erschien zu Paris eine lateinische Bearbeitung: Institu-
tiones cath. in modum catecheseos ... in lat. translatae, adjectis
singulis e scriptura et traditione probationibus et testimoniis, auctore
eodem et interprete Fr. Amato Pouget, 2 Fol. Pouget starb während
des Druckes des 1. Bandes (1723), die Arbeit wurde von einem
andern Oratorianer, P. N. Desmolets (Ingold, Essai p. 40) vollendet.
Der Siegelbewahrer d'Armenoville verbot im April 1723 die Fort-
setzung des Druckes; sie wurde aber von Card. Dubois gestattet;
nur durfte Colberts Namen nicht auf das Titelblatt gesetzt und es
mussten einige Cartons gedruckt werden (Hist. des Refl. 4, 656).
Diese lateinische Bearbeitung ist sehr oft gedruckt und in Rom nie
beanstandet, in späteren Ausgaben aber noch mehr durch Aende-
mngen und Zusätze modificirt worden. (Die neueste, mir bekannte
Ausgabe ist die von Avignon 1837, 12 vol. 8.) — Colbert erliess
1726 eine eigene Ordonnance portant condamnation du livre Insti-
tutiones . . . (Oeuvres 2, 773; vgl. 2, p. XXVI) und 1732 eine
zweite gegen eine verstümmelte französische Ausgabe (2, 801) und
erklärte, nur die Ausgabe von 1702 sei die von ihm approbirte. —
Die spanische Ausgabe des Catechismus steht auch in dem span. In-
dex von 1747; das Verbot wurde aber 1782 von der Inquisition
aufgehoben. — Im Rom. Index stehen noch: Lettre d'un eccl^siasti-
que ou th^ologal d'nne cath^drale sur le cat. de Montpellier et
la r6ponse, Carpentras 1723, verb. 1725, und Lettres k Mgr. l'Ev.
d^ Angers au sujet d^un pretendu extrait du cat. de Montpellier au-
torise par ce pr6lat, Toulouse 1752, 192 S. 12., verb. 1754, 6 Briefe
von J. B. Gaultier (N. E. 1753, 107).
2. Fran^ois-Philippe Mesenguy, — geb. zu Beauvais 1677,
Lehrer im College de Beauvais, 1728 als Appellant aus dieser Stellung
entfernt, er starb erst 1763, 86 Jahre alt, — ist der Verfasser der
anonymen Exposition de la doctrine chretienne, instructions sur
les principales verites de la religion, Utrecht 1744, 6 vol. 12. (ver-
besserte Ausgabe Cologne 1754,* 4 vol. 8.). Das Buch wurde 1752
im Dict. Jans. 2, 136 scharf kritisirt, — S.-Beuve 3, 634 bezeichnet
Mes. als einen verspäteten Port-Roy alisten, — und 1757 von der
Index-Congr. verboten. Die N. E. 1758, 54 sagen: Das hätte man
von Benedict XIV. nicht erwarten sollen ; aber Ricchini, der Secre-
tär der Index-Congr., ist jetzt ganz jesuitisch (es wird angedeutet,
er wolle General werden und die Jesuiten, die wegen des Verbotes
der Biblioth. Jans, gegen ihn erbittert seien, versöhnen); er hat
das Buch einem Jesuiten zur Prüfung übergeben und, obschon dieser
764 Schriften von Gegnern der Bulle Unigenitos.
ein güDRtigeB Gutachten abgab, auf dem Verbote bestanden und nicht
erst, wie doch der Papst verordnet, den Verfasser gehört (derselbe
hatte sich freilich nicht genannt, war aber im Dict. Jans, angegeben).
Das Buch wurde trotz des V^erbotes von einer Gesellschaft von
Geistlichen in Neapel übersetzt, und die Uebersetzung von zwei
Dominicanern 1758 approbirt und mit Genehmigung der Regierung
in 5 Bänden gedruckt: Esposizione del Simbolo. Esposizione dell
orazione dominicale. Esp. del decalogo. Esp. de^ sagramenti. Esp.
de* comandamenti della chiesa, con Taggiunta di un trattato della
giustificazione, 1758 — 60. Diese italienische Ausgabe wurde bei
der Inquisition denuncirt. Die Neapolitanische Regierung beklagte
sich über die Denunciation, und Mes. selbst schrieb an Card. Pas-
sionei, um das Verbot abzuwenden. Sein Buch fand auch in Rom
Gönner. Die Monsignori Bottari und Foggini vertheilten Exemplare
gratis, und die Cardinäle Orsi und Passionei, zwei Mitglieder der
Inq., von denen der Jesuit Cordara sagt, sie hätten wegen ihrer Ge-
lehrsamkeit in besonderm Ansehen gestanden, lobten das Buch; Card.
Tamburini meinte, man könne es expurgiren, und Card. Spinelli,
man solle mit dem Verbote der Neapolitanischen Ausgabe warten,
bis eine neue verbesserte, die zu Venedig vorbereitet werde, erschie-
nen sei. Von den 12 Theologen aus verschiedenen Orden (mit Aus-
schluss der Jesuiten), denen Clemens XIII. die Prüfung des Buches
übertrug, sprachen sich nach Cordara 11 für ein unbedingtes Ver-
bot aus. In der Sitzung vom 25. Aug. 1760 stimmten mehrere
Cardinäle, nach einer Angabe die Majorität, gegen. ein Verbot (das
Votum Passionei's bei Fleur. 84, 372); der Papst behielt sich die
Entscheidung vor und entschloss sich, angeblich hauptsächlich auf
Betreiben Ricchini's und Mamachi's, — dieser soll früher das Buch
sehr gelobt haben; Cordara nennt ihn eine Windfahne, — das Buch
durch ein Breve zu verdammen. Card. Passionei, der Secretär der
Breven, ging, um dasselbe nicht unterzeichnen zu müssen, aufs
Land. Clemens XIII. schickte ihm aber das Breve nach mit dem Be-
fehle, es zu unterzeichnen oder sein Amt niederzulegen. Er unter-
schrieb, — calamum fremens frendensque arripuit, sagt Cordara,
— und eine Stunde darauf rührte ihn der Schlag; er starb am fol-
genden Tage, 5. Juli 1761, 79 Jahre alt^).
1) Vgl. den Bericht von Cordära bei DöUinger, Beitr. 3, 32. N. £.
1761, 65. 118; 1763, 87; 1765, 204. Nach Mesenguy's Tode erschien:
Memoire justificatif du livre Exposition . . . Ouvrage posthume de Pabbe
Mesenguy, 1768, 350 S. 12., mit einem Avertissement von dem Abbe Le-
queux. — Cordara unterlässt nicht zu bemerken, dass einige Tage vor
Passionei Orsi, bald nach ihm Tamburini und Spinelli gestorben seien.
Von Passionei sagt er: Inimicitiam contra Jesuitas exercebat apcrte etat
ita dicam honeste, non ut quidam alii ex occulto et simulate. In Rom
machte man damals folgende Verse (Mcrkw. Lebensgesch. aller Cardinäle,
Regensb. 1768,111,862): E morto Passionei, E morto d'accidente, Amazzato
da demente Per quel breve benedetto, Che soscrisse a suo dispetto. Piange
Speranza (sein Secretär), Baldriotti (sein Beichtvater) fa instanza, Bottui
(sein Freund) fa tempesta, E al Gesü si fa festa. Bei Fleur. 84, 405 steht
Fr. Ph. Mesengy. J. J. Duguet. 766
Das Breve, vom 14. Juni 1761 datirt (Bull. cont. 2, 132),
angeblich von dem Assessor S. Oif. Veteran! verfasst, verdammt das
Buch, als falsche, temeräre, den apostolischen Decreten und der
kirchlichen Praxis widersprechende, mit bereits von der Kirche ver-
dammten Sätzen übereinstimmende Sätze enthaltend, in allen Aus-
gaben und üebersetzungen, auch eine etwa privato cuiusvis ingenio
facta aut facienda correctio. Gleichwohl wird im Index das Breve
nicht bei der französischen, sondern nur bei der italienischen Aus-
gabe citirt, die sonderbarer Weise unter Italica interpretatio operis
inscr. Exposition etc. steht. Noch in demselben Jahre erschien zu
Venedig eine von dem Dominicaner Patuzzi corrigirte Ausgabe,
Esposizioni sulle dottrine cristiane, die gar nicht beanstandet wurde.
— In Neapel wurde den Bischöfen im Dec. 1761 verboten, das
Breve zu publiciren, bevor es das Exequatur erhalten. Der spanische
General-Inquisitor Quintano Bonifaz publicirte das ihm von dem
Nuncius zugestellte Breve 9. Aug. 1761. Carl III., der sich durch
das Verbot des Buches persönlich verletzt fühlte, weil dasselbe bei
dem Unterrichte seines Sohnes gebraucht werden sollte, forderte
Bonifaz auf, seinen Erlass zurück zu nehmen. Dieser weigerte sich,
weil das der Ehre des h. Officiums und dem Gehorsam, den er dem
Oberhaupte der Kirche schulde, zuwider sei, und wurde darauf in
ein Kloster verwiesen. Nun that er Abbitte, — auch der Nuncius
zeigte sich feige, indem er die Schuld auf Bonifaz schob, — und
wurde dann wieder eingesetzt. Dieser Vorfall veranlasste Carl III.,
durch eine Cedula vom 18. Jan. 1762 zu verordnen: jedes päpstliche
Schreiben sei ihm vor der Publication vorzulegen, und die Inquisi-
tion habe, wenn sie in Rom verbotene Bücher auch ihrerseits ver-
bieten wolle, dieses auf Grund eigener Prüfung und Entscheidung,
nicht auf Grund des Römischen Verbotes zu thuen^). — Mesen-
guy's Buch steht aber im Index von 1790 als 1761 verb.
3. Jacques-Joseph Duguet (Du Guet, 1649—1733), bis 1686
Oratorianer, war ein sehr frommer und gelehrter Mann, ein stand-
hafter Appellant, aber mit manchen Extravaganzen der Partei nicht
einverstanden, le Nicole de ces temps opiniätres et querelleurs, de
ces temps insens^s et convulsifs (S.-Beuve 6, 71). Von seinen zahl-
reichen anonymen Schriften stehen ausser den S. 740. 742 erwähnten
im Index: Traitez sur la pri^re publique et sur les dispositiofis pour
ofFrir les ss. mysteres et y participer avec fruit, Brux. 1708,*
304 S. 8., oft gedruckt, mit d. c. verb. 1714, für einen Canonicus
geschrieben, der ihn gefragt, was er zu thuen habe, um andächtig
das Epitaphium: Yirtuti, non Romae satisfecit. Bellarmini et Palafoxii
cansas pro beatificatione S. Sedis honore, veritatis decore solo servando
invicte egit. In Petri faciem pro Romana gloria saepius resistens, tandem
resistente Petro, ne ultro violentiae cederet, ardua purpuratis relinquens
monumenta imitanda, in eremo sibi viventi inter Camaldulenses constructo
cessit fato.
1) Le Bret, Magazin 8, 496. Sempere, Betrachtungen 2, 90. Pelayo 3,
182.
766 Schriften von Gegnern der Bulle Unigenitus.
sein zu können bei dem amas de prieres qne Tabus des fondations
pieuses avait attachies k de certaines charges, mit anderen Worten,
comment on pouvait etre chanoine et non pas en faire le mutier,
maifl en remplir le minist^re en conscience, avec presence d'esprit
et de coeur pendant de si longues offices et saus laisser k des
chantres gag^s le soin de le louer Dieu (S.-Beuve 6, 66). Üuguet
gibt darüber ganz vortreffliche Anweisungen, spricht aber neben-
bei massvoll und freimüthig, und das hat sein Buch in den Index
gebracht,' über das Missliche der vielen und langen Officien, des
täglichen Messelesens u. dgl. — Institution d*un prince, ou traite
des qualit^s, des vertus et des devoirs d'un sou verain, Leyde 1739,
4 vol. 12., verb. 1745, für den Herzog von Savoyen, den spätem
König von Sardinien geschrieben, nicht im Dict. Jans. (Nouv. Ed.
avec la vie de Tauteur, Londres 1750*). — Explication des qua-
litez ou des caract^res que S. Paul donne a la charite. Nouv. Ed.
revue, corr., angm. 1728 (zuerst 1727), mit d. c. verb. 1746, über
1 Cor. 13, oft gedruckt (mit Duguets Namen Brux. 1759*), in
einigen Ausgaben expurgirt (Dict. Jans. 2, 124). S.-Beuve 6, 50
sagt, Gonthier habe cet inappreciable livre, ohne den Verfasser zu
kennen (touchante ignorance!), 1824 zu Genf neu drucken lassen,
et ce livre reimprime sans nom faisait son chemin dans les coeurs
et operait, Dieu aidant, plus de bons mouvements secrets et dura-
bles qu'une tragedie dans un thialre ne fait verser de pleurs^).
Von einer schon 1684 erschienenen Schrift (von Simon-Michel
Treuvi, 1668—1730) Le directeur spirituel pour ceux qui n'en ont
point, wurde sonderbarer Weise nur eine 1 703 erschienene englische
Uebersetzung, The spiritual director for those who have none, und
diese erst 1729 verb. (im span. Index steht das Original). Im Dict.
Jans. 1, 442 wird dem Verfasser zum Vorwurf gemacht, dass er
mehrere schlechte Bücher, u. a. seine eigenen Instructions empfehle,
davon abrathe, während der Messe den Eosenkrauz oder Psalmen
zu beten u. dgl., und „tausend andere Thorheiten vortrage"^). Die
für Mad. de Longueville geschriebene Instruction sur les dispositions
qu'on doit apporter aux sacrements de penitence et d'eucharistie,
1676, von der viele Auflagen erschienen (u. a. Paris 1710*) und
die im Dict. Jans. 2, 332 viel schärfer kritisirt wird, ist nicht verb.
Ausserdem stehen noch folgende französische Schriften im In-
dex: Dissertation sur les vertus thiologales, 1744, verb. 1746
(Dict. Jans. 1, 502). — Memoire servant de clef de David, on le
molinisme et le materialisme demasques, von der Inq. verb. 1759.
— Instructions sur les verites de la grace et de la Prädesti-
nation en faveur des simples fid^les, Nouv. Ed. Avignon 1748*
(Dict. Jans. 2, 538, von Nie. Hugot), erst 1768 verb., gleichzeitig
1) S.-Beuve 6, 3 handelt ausführlich über Duguet. Vgl. L'esprit de
M. Duguet ou precis de la moralo ehret, tird de ses ouvrages, Par. 1764*,
490 S. 12.
2) Wittola gab 1771 eine deutsche Uebersetzung heraus (N. E. 1772,
183). Ueber Trcuve s. Morery, Suppl.
S. M. Treuve. L. Fr. Boursier u. a. 767
eine italienische Uebersetzung : Le veritä della grazia. — E^ponse
anx difficult^s propos^es aux sujet d'nn ecrit: Dernier ^claircisse-
ment sur leg vertus theol., verb. 1750.
4. Unter den Schriften, die von den Jeßuiten im Dict. Jans,
und sonst als Jansenistisch dennncirt, aber nicht verb. wurden, ist
die bedeutendste: De Taction de Dieu sur les cr^atures, trait^ dans
lequel on prouve la pr^motion physique par le raisonnement et oü
l'on examine plusieurs questions qui on rapport k la nature des
csprits et k la gräce, Paris 1713*, 2 vol. 4. (6 vol. 12.), 1714 vom
Conseil d^etat verb., im Dict. Jans. 1 , 38 als insinuant d'un bout k
l'autre le Jansenisme, le Calvinisme et le Spinoeisme ( ! der Verfasser
war Thomißt und Cartesianer; Bouillier 2,311) bezeichnet. Der
Verfasser ist L.-Fr. Boursier (1679-1748), nach S.-Beuve 6,79 le
grand personnage «influent k Paris et le directenr du Jans6nisme
central, der Concipient der Appellation der vier Bischöfe und vieler
bischöflichen Actenstücke. Es erschienen mehrere Gegenschriften
(u. a. von Malebranche R^flexions sur la pr^motion physique, 1715)
und als Vertheidigung gegen diese Hist. et analyse du livre de
l'Action de Dieu avec des opuscules de M. Boursier r^Iatifs k cet
ouvrage, 1753, 3 vol. 12., von Chr. Coudrette (Werner, Suarez
1,529. Migne 2, 346). — Die 12 Lettres k un eccl^siastique sur la
justice chretienne et les moyens de la conserver ou de la reparer,
1733, 1734 von der Sorbonne ausführlich censurirt (nicht, wie im
Dict. Jans. 2, 393 angegeben wird, von dem Oratorianer Gaspard
Terrasson ; Migne 2, 869), sind von Boursier revidirt.
Louis- Jacques Chapt de Rastignac, 1724 — 50 Erzbischof von
Tours, zog sich die Ungnade der Jesuiten zu durch die Verdammung
des Buches von Pichon und durch drei gegen dessen Grundsätze
gerichtete ausführliche Instructions pastorales sur la penitence, sur
la communion und sur la justice chretienne par rapport aux sacre-
ments de penitence et d'eucharistie. Die letzte (1749*, 200 S. 4.),
die der Appellant P.-E. Gourlin verfasst haben soll, wird im Dict.
Jans. 2, 297 — 320 als von Anfang bis zu Ende 'voll Bajanismus,
Jansenismus und Quesnelismus bezeichnet; der König liess ihm durch
den Card, de Rohan Vorstellungen darüber machen ; es erschien da-
gegen eine Lettre de M. *** k un de ses amis, angeblich von einem
Abb6 Cussac, vielfach Patouillet zugeschrieben. Der alte Erzbischof
verdammte diese in einem Mandement, erklärte, er acceptire die
Bulle, nehme aber seine Instruction nicht zurück. Im Index steht
sie nicht, auch nicht die Uebersetzung : Trattato dommatico e morale
della giustizia cristiana, Ven. 1751, 4. Ed. Flor. 1791, obschon im
Giorn. eccl. 6, 172 „der Quesnelist Gourlin" als Verfasser bezeichnet
wurde. — Als halber Jansenist wurde auch Bossuet angesehen (Corr.
de Fen. 8, 573). Seine E16vations sur les mystferes, 1727, 2 vol.,
und Meditations sur TEvangile 1731, 4 vol. (Oeuvres vol. 8 — 10),
von seinem Neifen, dem Bischof von Troyes herausgegeben, von Du-
guet in der Einleitung zu den N. E. 1, 4 als der Bulle ünig. durch-
aus widersprechend bezeichnet, stehen im Dict. Jans., aber doch
nicht im Index. Die Mem. de Trevoux bestritten sogar die Echtheit;
768 Schriften von Gegnern der Bulle Unigenitns.
der Bischof von Troyes konnte aber die Original-Handschrift vor-
legen. — Eine von dem Erzbischof Vintimille 1735 eingeführte
neue Ausgabe des Pariser Breviers wurde als Jansenistisch ange-
griffen, — eine dagegen gerichtete sehr heftige Lettre liess das
Parlament verbrennen, — auch Clemens XII. schrieb darüber unzu-
frieden an den Nuncius; Card. Fleury bewirkte aber, dass man die
Sache in Rom nicht weiter verfolgte^).
5. Das 1757 verbotene Werk des Ahhi Bonaventure Racine
(1708 — 55) heisst: Abrege de l'histoire eccl^siastique contenant
les ^venements considerables de chaque si^cle avec des reflexions,
Col. 1752*, 15 vol. 8.; als 16. Band wird das oben S. 590 erwähnte
Buch von Clemencet bezeichnet. Im span. Index stehen alle 16
Bände als 1787 strenge verb. — Die mit Racine's Namen gedruck-
ten Reflexions sur chaque si^cle de Thist. eccl., Nouv. ed. Col. 1759*,
2 vol. 8., und die von Clemencet herausgegebenen Oeuvres post-
humes (N. E. 1759, 160) sind nicht verb., auch nicht die italie-
nische Ausgabe: Storia ecclesiastica divisa per secoli con rifiessioni,
Fir. 1778—84, 21 vol. 4., nachgedruckt in Neapel, die im G. eccl.
2, 98 und in Le Raciniane, ovvero lettere di un cattolico ad un
partigiano della Storia eccl. di B. Racine, s. 1. et a. (G-. eccl. 3, 49)
ausführlich kritisirt wurde. — Das 1752 verbotene Abrege chro-
nologique de Thist. eccl., Paris 1751, 2 vol., ist von dem Paria-
mentsadvocaten Phil. Macquer. 1757 erschien eine 2. Ausgabe, 1768
eine 3. Feller sagt, die späteren Ausgaben seien von den Janse-
nisten entstellt und der der 3. von Abbe Dinouart beigefügte 3. Band
sei ganz fanatisch. Verb, ist aber nicht, wie die Biogr. univ. an-
gibt, die 3., sondern schon die 1. Ausgabe. — Von den vielen uud
theilweise umfangreichen geschichtlichen und biographischen Schriften
über Port-Roy al, die Appellanten u. s. w. (Reuchlin, Port-Royal
2, 637) stehen nur ganz wenige im Index: Vies interessantes et
ädiflantes des amis de Port-Royal, Utrecht 1751, verb. 1754; — La
vÄritable v i e d*Anne Genevi^ve de Bourbon, duchesse de Longae*
ville, par Tauteur des Anecdotes de la Constitution Unig., Amst.
1739, verb. 1742, von Villefore (S. 745; über die Rolle, welche die
Herzogin, f 1679 bei den Karmeliterinnen zu Paris, in den kirch-
lichen Angelegenheiten spielte, s. S.-Beuve 4, 366; 5, 124).
In einem Briefe an Finalen vom J. 1713 (Corr. 4,221) klagt
der Jesuit Lallemant, die 1712 erschienene neue Ausgabe des Dic-
tionnaire von Louis Morery, an der Dupin mitgearbeitet, sei voll
von choses favorables au parti [Jans^niste] ; es scheine, dass manche
Aenderungen, die vorgeschrieben worden, in den in die Provinz ge-
sandten Exemplaren nicht gemacht seien. An der Ausgabe von
1732 arbeitete der in literargeschichtlichen Dingen sehr bewanderte
Appellant Claude-Pierre Goujet (1697—1767) mit (er hat auch Ni-
c6ron werth volle Beiträge geliefert). 1735 gab er ein Supplement
zu Morery in 2 Fol. heraus. Dasselbe wurde in Paris gedruckt,
1) Rocquain p. 88. Fleur. 75, 267. Quirini Comm. 3, 293. 204.
B. Racine. J. B. da Ghesne. N. Burlamacohi u. a. 769
aber der Verkauf verboten, bis 74 Cartons dazu gedruckt worden
waren, welche im Auftrage des Card. Fleury Abbe Thierry machte.
Goujet liess die Bände ohne Cartons nochmals drucken. 1749 er-
schien ein zweites SuppUment in 2 Fol., in welchem aber auch in
den meisten Exemplaren einige Artikel, u. a. über Quesnel und Pe-
titpied, beseitigt sind (Ingold p. 51). G-oujets erstes Supplement
wurde im Dict. Jans. 4, 20 als den Jansenisten und Appellanten
günstig angegriffen (Picot 4, 320), steht aber nicht im Index. —
Dictionnaire historique, litt^raire et crit., contenant une id6e
abr^gee de la vie et des ouvrages des hommes illustres en tout temps
et en toutpays, 1758, 6 vol. 8., verb. 1762, ist von dem Appellanten
Abbe Pierre Barral (Picot 4,353; N. E. 1759, 124).
Histoire du Baianisme ou de l'her^sic de Michael Baius, avec
des notes bist., chronol., et crit., suivie d'eclaircissements theol. et
d'un recueil de piöces justificatives, par le P. J. B. [Philipoteau]
du Chesne Douay (Paris) 1731, 4., verb. 1734. Der Verf.,
ein Jesuit, f 1755, handelt über Bajus, den Streit der Löwener mit
Lessius und über Jansenius, Saint Cyran, Barcos und Gibieuf. Es
erschienen Gegenschriften, nicht nur von Le Gros und Coudrette,
sondern auch von Orsi (eine Vertheidigung des P. Soto, Rom 1734,
Hurter 2, 1378) und von Billuart (Apologie du P. Pierre Soto et
des anciennes censures de Louvain . . . par Louis de Lomanise,
1738). Die N. E. 1739, 50 sagen: Du Chesne findet bei P. Soto
das Ei des Bajanismus und Jansenismus; der Dominicaner Orsi hat
eine 400 S. 4. starke Apologie des P. Soto geschrieben, die dem
Papste gewidmet ist. und in welcher er dem Jesuiten auch andere
Verleumdungen nachweist^).
In der Merkwürdigen Lebensgesch. aller Cardinäle des 18.
Jahrb., Regensb. 1768, 1, 303, und danach bei Lor. Cardella, Me-
morie stör, de' Cardinali, Rom 1793, 8, 197 und Fleur. 73, 409
wird berichtet : in Holland sei eine Schrift contra regalia Sedis ap.
unter dem Namen des 1723 gestorbenen Card. Dubois erschienen,
worin dieser als Gönner der Jansenisten und Appellanten dargestellt
werde ; Clemens XII. habe eine Congregation von 7 Cardinälen
mit Lanfredi als Secretär mit der Prüfung des Buches beauftragt und
auf deren Gutachten hin dasselbe 23. Dec. 1730 verboten und die
Gelehrten aufgefordert, es zu widerlegen. Ich finde sonst nichts
darüber; ein derartiges Buch steht auch nicht im Index.
6. Von einem Abate Nie. Burlamacchi aus Lucca berichten
N. E. 1732, 73, er sei in Paris mit den Herren von Port-Royal
befreundet gewesen, nach seiner Rückkehr nach Italien Canonicus
geworden, wegen einer Uebersetzung des Lebens Ranc^'s und der
R^flexions von Quesnel der Inquisition denuncirt worden, 1720 nach
Frankreich geflohen, habe sich erst bei den Carmelitern, dann bei
den Carthäusern in der Nühe von Marseille aufgehalten und sei
1) Du Chesne wird, obschon er im Index steht, von Scheebcn im
Katholik 18G8, 1, 282 sehr gelobt.
BeuBcb, Index II. 49
770 Schriften von Gegnern der Bulle Unigenitiu.
1732 in sehr hohem Alter gestorben. Im Index stehen von ihm:
La Bcienza della salute ristretta in quelle due parole: Pochi sono
gli eletti. Trattato dogmatico portato dal frances dall' ab. üTic. Bar-
lamacchi, Lucca 1707, verb. 1709, und Vita di D. Armando Giov.
le Bouthilier di Ranse, .... raccolta da quella, che a scritta in
lingua francese Tabate di MarsolUer, pubblicata nell' idioma italiano
dair abate Nie. Barlamacchi, Nobile Lurchese, Lucca 1706, mit
d. c. verb. 1718. — 1725 wurde verb. Dissertatio de gratia se-
ipsa efficaci et de praedestinatione, Col. (Ven.) 1717, 8., von dem
Mailänder Celso Migliavacca (f 1 755 als Generalabt der Lateranen-
sischen Chorherren; Hurter 2, 1365). Von p. 117 an stehen darin
Observationes über Serry und de Meyer (S. 308), die im Index als
besondere Schrift stehen. Migliavacca gerieth später in eine Contro-
verse mit dem Marchese Soipio Maffei. Dieser Hess sich von den
Jesuiten und dem Card. Bissy bereden, ein italienisches Werk gegen
die Jansenisten zu schreiben, und P. Tournemine rieth ihm, dasselbe
in Rom erscheinen zu lassen, damit es um so mehr Autorität hätte.
Er übergab dem Cardinal Riviera das Manuscript und Faure, Comm.
p. 256 sagt, er habe auch die Approbation erhalten, die Dominicaner
hätten aber den Druck in Rom (unter Clemens XII. und Benedict
XIV.) hintertrieben. Card. Passionei sagt, Benedict XIV. sei von
verschiedenen Seiten aufgefordert worden, den Druck nicht zu ge-
statten. Der Papst war Maffei sehr gewogen, wird aber über seine
theologische Dilettanten- Arbeit nicht sehr erbaut gewesen sein. Pas-
sionei erzählt von Maffei, er habe ihm, als er an dem Werke arbei-
tete, versichert, bis jetzt habe noch niemand den Augustinus recht
verstanden, gleichzeitig aber gestanden, er habe den Angustinus
selbst noch nicht durchgelesen^). Das Buch erschien 1742* zu Trient
(Roveredo): Istoria teologica delle dottrine e delle opinioni corse ne'
cinque primi secoli della chiesa in proposito della divina grazia, del
libero arbitrio e della predestinazione (lateinisch von dem Jesuiten
Friedr. Reiffenberg, Frkf. 1756*, Fol., dem Weihbischof Hontheim
gewidmet). Es erschienen dagegen scharfe Animadversiones in Hi-
storiam theol. . . ., Frcf. 1750, und gegen Maffei's Risposta all'
anonimo impugnatore deir Istoria teoL, Verona 1750, eine Difesa
deir animadversioni. Maffei schrieb noch weitere Repliken, zuletzt
Giansenismö nuovo dimostrato nelle conseguenze il medesimo e
anche peggiore del vecchio, Ven. 1752. (Seine Streitschriften sind
der lateinischen Uebersetzung der Istoria beigefügt.) Maffei Hess sich
einreden, Concina sei der Verfasser der Streitschriften, und beklagte
sich über ihn bei dem Papste und mehreren Cardinälen, nahm aber
die Klage zurück, als ihm Concina in einem Briefe versicherte, er
sei nicht der Verfasser. Die Schriften sind von Celso Migliavacca.
In den Index kam keine dieser Schriften; Maffei erwirkte aber, dasfl
Migliavacca verboten wurde, die Controverse fortzusetzen, und so
1) Die Bemerkungen von Passionei in seinem Votum über Bellarmin,
Fleur. 82, 200; vgl. Fabr. 9, 117. Vita del P. Concina p. 168.
Die chinesischen und malabar. Gebräuche. 771
blieb dessen Widerlegung des GianseniRmo ungedruckt (Giornale de '
letterati per Ta. 1745 [Rom], p. 47).
71. Der Streit über die chinesischen und
malabarischen Gebräuche.
Unter Clemens XL wnrde zunächst durch ein Decret der
Inquisition vom J. 1710, dann durch eine Bulle vom J. 1715
der langjährige Streit der Missionare aus dem Jesuitenorden und
der ans den anderen Orden ttber die Frage ^ ob den bekehrten
Chinesen die Beibehaltung gewisser Gebräuche gestattet werden
könne oder nicht, zu Ungunsten der Jesuiten entschieden. Die
Inquisition verbot zugleich alle ohne ihre oder des Papstes aus-
drückliche Erlaubniss veröflFentlichten Schriften, in denen von
den chinesischen Gebräuchen oder den darüber entstandenen
Controversen gehandelt werde, ein Verbot, welches von Benedict
XIV. in die DecretageneraliaIV, 6 aufgenommen und u. a. 1722
auf den über diesen Gegenstand handelnden Theil der grossen
Geschichte des Jesuitenordens (von Juvencius) angewendet wurde.
Der Streit dauerte fort und Benedict XIV. erliess darüber 2. Juli
1742 eine neue Bulle. Er entschied durch eine zweite Bulle vom
12. Sept. 1744 auch den analogen Streit in Ostindien (über die
malabarischen Gebräuche) und Hess 1745 durch die Inquisition
das umfangreiche Werk des Capuciners Norbert verbieten. Sonst
sind von den zahlreichen über die beiden Controversen erschie-
nenen Schriften nur wenige speciell verboten^).
1. In der Bulle Benedicts XIV. vom 2. Juli 1742 wird über die
früheren Römischen Entscheidungen über die chinesischen Gebräuche
folgendes berichtet: Im J. 1645 wurden einige von dem Domini-
caner Jo. B. Morales vorgelegte Fragen von der Propaganda dahin
beantwortet, die darin erwähnten Gebräuche seien als abergläubisch
anzusehen, und Innocenz X. gebot den Missionaren unter Androhung
der Excomm. 1. sent., diese Entscheidung bis auf weiteres zu beob-
achten. Unter Alexander VII. wurden weitere Fragen, welche der
Jesuit Martin vorlegte, von der Inq. Fer. V. 23. März 1656 (Arg.
III b 592) in einem den Jesuiten günstigen Sinne entschieden.
1) Racine 12, 234. Gieseler, K.-G. 3, 2, 659. Picot 1, 9; 4, 62. Cerri,
Etat präsent p. 202. Deutscher Merkur 1882, 845.
772 Die chinesischen und malabar. Gebräuche.
Unter Clemens IX. erklärte dann die Inq. 1669 wieder, durch die
Entscheidung von 1656 sei die von 1645 nicht aufgehoben. Da die
Streitigkeiten fortdauerten, beauftragte Innocenz XII. die Inq., die
Sache gründlich zu untersuchen; die Untersuchung wurde unter
Clemens XI. fortgesetzt, und nachdem beide Parteien gehört worden,
gab die Inq. Fer. V. 20. Nov. 1704 (Bull. cont. 2, 389) eine den
Dominicanern günstige Entscheidung. Diese wurde dem 1702 als
Visitator nach China gesandten Patriarchen von Antiochia, Carl Thomas
Maillard deTournon übersandt und von diesem 25. Jan. 1707 promul-
girt^). Da die Jesuiten dieselbe, wie Ben. sagt, eludere inanibusque
rationibus effugere versuchten, so verordnete die Inq. Fer. V. 25. Sept.
1710: die Entscheidung von 1704 und das Decret Toumons seien
zu beobachten, letzteres im Sinne der erstem zu interpretiren. Da
der Streit fortdauerte, bestätigte Clemens XL die Entscheidung der
Inq. durch eine Bulle vom 19. März 1715, in welcher zugleich ver-
ordnet wurde, dass alle Missionare eidlich Gehorsam zu geloben
hätten. — Das Decret der Inq. von 1710 verbietet zugleich unter
Androhung der Excomm. 1. sent., irgendwelche Schriften, Berichte,
Thesen oder Blätter, in denen ex professo oder incidenter von den
chinesischen Grebräuchen oder den darüber entstandenen Controversen
gehandelt werde, ohne ausdrückliche Erlaubniss des Papstes oder
der Inq. zu veröffentlichen ; die ohne solche Erlaubniss erscheinenden
Schriften seien ohne weitere Declaration als verboten anzusehen;
über die bereits erschienenen bleibe die Entscheidung vorbehalten.
Wegen dieser Bestimmung ist das Decret in mehreren seit 171U
erschienenen Index-Ausgaben abgedruckt; seit Ben. steht sie in den
Decr. gen. IV, 6. — Die Propaganda hatte schon in einem Decrete
vom 19. Dec. 1672, welches Clemens X. 1. März 1673 und 6. Apr.
1674 bestätigt hatte, eine ähnliche Verordnung erlassen (S. 15 J.
Im J. 1710 erschien von der von Oriandini begonnenen Historia
Societatis Jesu der von Jos. Juveu eins (de Jouvancy) bearbeitete,
die Jahre 1591 — 1616 behandelnde Tomus posterior des 5. Theiles.
In Bezug auf diesen Band erklärte die Inq. 29. Juli 1722: Prohi-
bentur ea, quae concernunt ritus Sinenses, quibus deletis liber per
mittitur. Der Band war von dem Mag. S. Pal. approbirt; aber von
den beiden Theologen, denen dieser die Censur übertragen hatte, er-
klärte der eine, der Dominicaner Minorelli, der über China handelnde
1) Tournon, ein Piemontese, wurde durch ein Breve vom 2. Juli
1702 zum Visitator mit den Rechten eines Legatus a latere ernannt. Er
kam im Nov. 1703 in Pondichery an, publicirte 23. Juli 1704 ein Decret
über die malabarischen Gebräuche, ernannte den Jesuiten Visdelou, der
die Ansichten der anderen Jesuiten missbilligte, zum Bischof von Glandio-
polis und beauftragte ihn, die Ausführung des Decrets zu überwachen.
1705 kam Tournon nach China, erliess zu Nanking 25. Jan. 1707 ein Decret
über die chinesischen Gebrauche, wurde darauf nach Macao gebracht und
starb dort im Gefängniss 8. Juni 1710, wahrscheinlich an Gift. Am 1. Aug.
1707 war er zum Cardinal ernannt worden. Huber, Jesuitenorden S. 198.
Friedrich, Zur Vertheidigung meines Tagebuchs, 1872, S. 11.
J. Javencius. A. Rubino. 775
Abschnitt sei ihm gar nicht vorgelegt worden, der andere, Fontanini,
es seien viele Stellen gedruckt worden, die er im Mannscript ge-
strichen habe (Harenberg, Gesch. der Jes. T, Yorr.j. Andere Bücher
wurden nicht ansdrücklich verb., z. B. Examen des fausset^s sur
les cultes chinois avancees par le P. J. Jouvancy . . ., trad. d^un
Äcrit latin compos^ par le P. Minorelli, 1714, 184 S. 12., nach
Backer 1 , 418 verfasst von dem Lazaristen Charles Maigrot, Bischof
von Conon, apost. Vicar in China, übers, von Nie. Petitpied, —
Idololatria Jesuitarum in regno Chinae (Qu6tif 2, 779), — auch
nicht die schon 1709 erschienene Difesa del giudizio formato dalla
S. Sede apost. 20. Nov. 1704 e pubblicato dal Card. diTournon. ..
contro un libro sedizioso : Alcune riflessioni intorno alle cose presenti
della Cina (von Serry). Das Buch von Javencius wurde 1713 auch
von dem Pariser Parlament verboten. Der Provincial Dauchez und
drei andere Pariser Jesuiten unterzeichneten damals eine Erklärung,
aus welcher sich die Gründe des Verbotes ergeben: Wir erkennen
an, dass er bei der Besprechung der französischen Wirren gegen
Ende des 16. Jahrb. Ausdrücke gebraucht, die für eine Partei günstig
klingen, von der man nur mit Abscheu reden kann; dass er bei der
Besprechung gewisser Werke, die durch die Parlamentsbeschlüsse
von 1610 ff. verdammt worden sind (§ 44), und einiger anderer
Bücher, die dieselbe Lehre enthalten, die Verfasser entschuldigt,
und dass manche seiner Ausdrücke wie eine Billigung der vom Parla-
mente verdammten Lehre klingen ... Wir sind weit entfernt, solche
Ansichten zu theilen ; wir halten fest an den französischen Gesetzen,
Maximen und Gewohnheiten bezüglich der königlichen Gewalt, die
in weltlichen Dingen weder direct noch indirect von einer andern
Gewalt auf Erden abhängig ist und nur Gott über sich hat; wir
verdammen die Lehre der Bücher, die das Parlament verdammt hat,
und aller ähnlichen Bücher .... Wir bedauern die Fehler, die einem
Schriftsteller entschlüpft sind, der nicht in Frankreich und unter
unseren Augen gearbeitet hat. Wir werden dafür sorgen, dass sich
in die Fortsetzung nichts unserer Erklärung Widersprechendes ein-
schleicht und dass der Verfasser in der kürzern Geschichte des
Ordens, an der er eben arbeitet, sich dieser Erklärung entsprechend
ausdrückt^). — Diese kürzere Gescliichte ist nicht erschienen.
Vor 1710 war, abgesehen von dem Teatro jesuitico, der Morale
pratique, dem Buche von Le Tellier u. dgl., nur verb. Metodo della
dottrina che i Padri della Compagnia di Giesü insegnano ai neofiti
nelle missioni della Cina, con la risposta all' objettioni di alcuni
moderni che la impugnano; opera del P. Antonio Rubino della C.
di G., Visitatore della Provincia di Giappone e Cina, trad. dal por-
tughese in ital. dal P. Giov. Fil. de Marini della medesima Comp., aggi-
untovi al fine un breve trattato della forma del battesimo pronuntiata
1) Recueil de pi^ces touchant THist. de la Comp, de J. par J. Juv.
supprimee par arret du Pari, de Paris 24. Mars 1713, Liege (Amst.) 1713,
512 S. 12., von Nie. Petitpied. Avr. 4, 322. Harenberg, Gesch. der Jes. 2,
1288.
774 Die chinesischen und malabar. Gebräuche.
in lingua Tamkinese e propoRti alcuni casi di matrimonii colä occoni,
verb. 1680. — 1720 verbot die Inq. Informatio pro veritate contra
iniquiorem famam sparsam per Sinas cum calumnia Fatrnm Soc. J.
et detrimento missionis communicata missionariis in imperio Sinensi
a. 1717.
Fanre, Comm. p. 106. 115 bemerkt: auch in diesem Streite
seien die Dominicaner mit den Jansenisten verbündet gewesen; in
einer 1700 von den Jesuiten der Inquisition überreichten Denkschrift
werde darüber geklagt, dass die bei der Inq. angestellten Domini-
caner den holländischen Jansenisten (Amauld für seine Morale
pratique) Actenstücke zur Verfügung gestellt hätten. — Abb^ Bossnet
(Oeuvres 41, 122) spricht 1698 von einer Denkschrift von 700 Seiten,
welche die Jesuiten namentlich gegen Maigrot hätten drucken lassen
und deren Verfasser P. Dez sei. — 1702 bemühte sich P. de La
Chaise französische Bischöfe zu Aeusserungen zu Gunsten der Jesuiten
zu veranlassen (Bossuet 88, 341).
Die Sorbonne censurirte 1700 drei Bücher von Jesuiten: Neu-
veaux m^moires sur T^tat present de la Chine, Par. 1669 — 97 (von
Louis Le Comte) ; Hist. de Tidit de TEmpereur de la Chine, 1698 (von
Ch. Le Gobien, 3. Band der Nouv. m6m.); Lettre sur les ceremonies
de la Chine, Li^ge 1700, worin u. a. der Satz vorkommt: Die christ-
liche Religion ist in ihren Prinoipien und Fundamentalpnnkten identisch
mit der alten Religion, zu welcher sich die Weisen nnd die ersten
Kaiser von China bekannten ^).
2. Die zweite Bulle Benedicts XIV. berichtet über die Strei-
tigkeiten in Ostindien: Ein von dem Legaten Toumon 23. Juni
1704 erlassenes Edict wurde unter Clemens XI. von der Inquisition
Fer. V. 7. Jan. 1706 bis auf weiteres bestätigt (und nur bezüglich
einiger Punkte eine weitere Untersuchung vorbehalten). Dieses
Decret wurde mit einem Breve vom 17. Sept. 1712 nochmals, von
der Propaganda 1714 zum dritten Male nach Ostindien gesandt Da
Missionare, die nach Rom kamen, um eine Milderung desselben baten,
ordnete Clemens XI. eine nochmalige Untersuchung an. Benedict XIII.
bestätigte in einem Breve vom 12. Dec. 1727 Tournons Anordnungen
in ihrem ganzen Umfange. Unter Clemens XII. fand eine noch-
malige Untersuchung statt, bei der beide Parteien von der Inq. ge-
hört wurden. Darauf wurden die meisten Entscheidungen Tournons
durch Breven vom 24. Aug. 1734 und 13. Mai 1739 bestätigt und
die Missionare verpflichtet, eidlich Grehorsam zu geloben. Durch die
Bulle Benedicts XIV. wurden dann einzelne Punkte gemildert. —
1) Arg. III a 156. Avr. 4, 165. Bossuet 88, 265. Aehnliche Sätze aus
JuvenciuR bei Gicseler 2, 2, 6G1. — Le Gobien, f 1708, gab auch die ersten
Bände der Lettres edifiantes et curieuses (1703 — 76, 34 vol.) heraus, vol.
9—26 J. B. du Halde, f 1743. Von des letztern Description de la Chine
handelt der 8. Band über die Controverse. Der Jesuiten-General veröffent-
lichte einen Brief an Clemens XIL vom 12. Apr. 1789, worin er alles des-
avouirte, was Du Halde mit Verletzung^ des Docretcs von 1710 geschrieben.
A. J. P. -2, 2648.
P. Norberto. 776
Zwei Hirtenbriefe, in denen Mezzobarba 1721 einige Punkte in einem
mildem Sinne entscbieden, wurden durch ein Breve Clemens* XII.
vom 26. Nov. 1739 und dann in der Bulle Benedicts XIV. cassirt.
Ein Hauptwerk über die Controverse in Ostindien, — es ent-
hält namentlich die betreffenden Actenstücke ziemlich vollständig,
— sind die Memorie istoriche presentate al P. Benedetto XIY. in-
torno alle missioni deir Indie orientali, in cui dassi a divedere, che
i PP. Cappuccini Missionarj hanno avuto motivo di separarsi di
comunione da i ER. PP. Missionarj Gesuiti, per aver essi ricusato
di sottomettersi al Decreto deir Em. Card, di Toumon . . opera
del R. P. Norberto Cappuccino Lorenese, Missionario Apost. e Pro-
cnratore delle prefate missioni nella corte di Roma . . . tradotta
dal Francese. Lucca 1744,* 3 vol. 4. Norbert, — er hiess in saeculo
Pierre Curel Parisot und war geb. zu Bar-le-Duc 1697, — hatte
das Werk französisch geschrieben und Benedict mit einem Briefe
vom 11. Mai 1742 übersandt. Der Papst antwortete 9. Juni: „Ich
habe bereits angefangen das Buch zu lesen; du darfst überzeugt
sein, dass ich es ganz lesen und dann Hand anlegen werde, die
üebelstände zu beseitigen* ^). Norbert hatte dann das Buch durch
seinen Ordensgenossen Agostino da Parma ins Italienische über-
setzen lassen, und zwei Römische Theologen, ein Piarist und ein
Observant, der Qualificator der Inquisition und Consultor des Index
war, hatten es gutgeheissen. Es scheint aber, dass in Rom die
Druckerlaubniss nicht ertheilt wurde. Der Erzbischof von Lucca
ertheilte die Approbation, nachdem er das Buch durch den Domini-
caner Stephan Maria Mansi hatte prüfen lassen. Der Werth des
Buches wird auch durch die eigenthümliche Motivirung des Verbotes
anerkannt. Diese erfolgte durch ein langes (wohl Von Benedict XIV.
selbst verfasstes) Decret der Inq. von Fer. V. 1. Apr. 1745 (A. J.
P. 1, 1257), worin es heisst: Das Buch sei ohne Erlaubniss des
Cardinal- Vicars und des Mag. S. Pal. ausserhalb Roms veröffentlicht
worden im Widerspruche mit dem Decrete der Inq. von 1625 (I
S. 341); es handele von Missionen und sei ohne Erlaubniss der Pro-
paganda veröffentlicht worden im Widerspruch mit dem Decrete von
1672(8.772); es verdiene also schon aus diesen Gründen verboten zu
werden; der Papst habe es aber auch durch Theologen prüfen und
deren Gutachten den Cardinälen der Inq. mittheilen lassen und ver-
biete es auch darum, weil es Aegerniss erregen müsse. P. Norbert
sage in seinem Buche wiederholt: wenn der Jesuit Job. de Brito
selig gesprochen werden würde, würden die Malabaren darin eine Aner-
kennung der Zulässigkeit ihrer Gebräuche finden, während doch in
dem die Seligsprechung betreffenden^ Decrete vom 2. Juli 1741
ausdrücklich gesagt sei: falls wirklich Brito nach dem päpstlichen
1) Der Brief ist abgedruckt in Requete et apologie pour l'abbe Curel
Parisot, dit Platel, ci-devant P. Norbert Capucin, au chapitre gen. de tont
l'ordre des Capucins assemble ä Eome au mois de Mai 1761, dress^e par
loi, envoyee de Lisbonne au mois d'Avril de la meme annee (88 S. 8.)|
beigeb. dem Manuel des Inquisiteurs (von Morellet), Lisb. 1762*.
776 Die chinesischen und malabar. Gebräache.
Verbote die malabarischen Gebräuche geduldet habe, würde das
darum seiner Seligsprechung nicht im Wege stehen, weil dieses
Vergehen durch das Martyrium gesühnt sein würde ; Norbert habe
denn auch in einer dem Papste und der Inq. eingereichten Apologie
gestanden, dass er jenes Decret nicht gekannt habe. Der Papst erkläre
übrigens ausdrücklich, dass das Verbot des Buches von Norbert
seiner Bulle vom J. 1744 keinen Eintrag thuen solle. Schliesslich
schärfe er die oben erwähnten Decrete von 1625 und 1672 ein,
unter Androhung der reservirten Excomm. 1. sent. Diese Einschär-
fung wurde durch ein besonderes Decret von Per. V. 17. Oct. 1744
publicirt. — - Faure, Comm. p. 226 behauptet, der Commissar der
inq. habe nach dem Verbote der Memorie noch ein ganzes Jahr den
Verkauf derselben in Rom geduldet; erst Klagen, die aus Frankreich
und Portugal eingelaufen, hätten dem ein Ende gemacht. — Die
französische Ausgabe, M^moires bist., apologetiquea . . . präsentes
en 1751 au S. P. Benott XIV., London 1751, 3 vol., wurde durch
ein Decret der Inq. Fer. IV. 24. Nov. 1751 (A. J. P. 1, 1261)
unter Bezugnahme auf das Decret von 1745 verb. — 1759 wurde
Norbert von Clemens XIII. säcularisirt^); er nannte sich nun Abbe
P. C. Platel und gab unter diesem Nanren eine vermehrte Ausgabe
seines Werkes heraus; Memoires bist, sur les affaires des J^suites
avec le Saint Si6ge . . . Lissabon 1766, 7 vol. 4., dem Könige von
Portugal dedicirt, mit Approbation des Patriarchen und der Inqui-
sition.
Ausserdem wurden unter Benedict XIV. noch von der Inq.
1746 verb.: Lettres idifiantes et curieuses sur la visite apostolique
de M. de la Baume, EvSque d'Halicarnasse, ä la Cochinchine en Ta.
1740, oü Ton voit . . . la conduite des missionnaires Jes. . . .
pour servir de continuation aux M£m. bist, du R. P. Norbert, par
M. Favre, Prötre suisse, . . Provisitateur de la mdme visite, Ven.
1746^;, — und Lettre au sujet de la Bulle de N. S. P. le Pape
1) Das Breve vom 24. Apr. 1759, Dilecto filio Norberto a Loiha*
ringia, in der Requete p. 51. Die Entlassung aus dem Orden absque
ullo poenaruDi eccl. incursu aut irregularitatis nota wird darin so motivirt:
cum ob graves quas passus fuisti persecutiones propter patefactas Nereo
Card. Corsini (dem Secretär der Inquisition) ac Nobis plane notas rationes
molestia affectus et insectatus longe vagari cogaris. Auch von seinem
Ordensobem in Toul wurde Norbert in anerkennenden Ausdrücken ent-
lassen, und mit dessen Vorwisseii hielt er sich in Lissabon auf. — Die
zwei Lettres a M. PEveque de* sur le livre du P.Norbert 1745, sind von
dem Jesuiten Patouillet. N. E. 1745, 137.
2) Favre hatte den Bischof de la Baume als Secretär begleitet und
war von diesem vor seinem Tode 1741 zum Provisitator ernannt worden, blieb
dieses aber nur kurze Zeit. Später lebte er in Freiburg in der Schweiz.
Der Bischof von Lausanne verbot sein Buch, suspendirte ihn und verur-
theilte ihn zu Einsperrung. p}r schrieb darauf zwei Memoires apolog.
pour M. P. Fr. Favre . . . appelant des sentences de M. l'Ev. de Lausanne,
pour servir de suite aux Lettres edif zusammen 224 S. 12. (N. E.
1747, 181; 1748, 26; 1756, 15).
Kirchlich-politische Streitigkeiten. 777
du 12. Sept. 1744 concemant les rites malabares, 1745, 43 S. 12.,
von J.-B. Gnnltier; dessen Schrift Les Jes. convaincus d'obstination
k permettre Tidolatrie en China, 1744, 135 S. 12. (N. E. 1744,
108), ist nicht verb., auch nicht Anecdotes sur Tetat de la religion
dans la Chine, Par. 1734 — 38, 7 vol., im Auftrage des Seminaire
des missions etrangeres herausg. von dem Sulpicianer Michel Viller-
maules (de Villers, Picot 4, 275), die von dem Card. Passionei her-
ansgegebenen Memorie storiche del Em. Mgr. Card, di Tournon, Yen.
1761 -—62, 8vol. 12., und viele andere Bücher*).
72. Kirchlich-politisch e Streitigkeiten 1700 — 1750.
Clemens XI. (Albani, 1700 — 21) nimmt in der Geschichte
des Index eine hervorragende Stellung ein. Er ist der Urheber
der Balle über die chinesischen Gebräuche, der Bullen Vineam
Domiui Sabaoth und Unigenitns und des Utrechter Schisma's. Er
hat eine Reihe von Breven erlassen, in welchen Bücher verboten
werden, und unter den unter seiner Regierung veröffentlichten De-
creten der Index-Congregation sind einige, denen an Umfang sehr
wenige gleich kommen, vom 22. Dec. 1700, 11. März 1704 und
4. März 1709 2). Auch die zahlreichen Streitigkeiten, in welche
Clemens XI. mit fast allen europäischen Regierungen verwickelt
war, haben eine Bereicherung des Index zur Folge gehabt, und
zwar sind nicht nur Schriften verboten worden, welche gegen
die Ansprüche des Papstes gerichtet sind oder den Standpunkt
der Regierungen, zum Theil in deren Auftrage, vertheidigen,
sondern auch staatliche Gesetze und Verordnungen und Ent-
scheidungen von Gerichtshöfen. Die bedeutendsten unter den
Schriften der erwähnten Kategorie, welche unter Clemens XI.
verboten wurden, sind einige von Neapolitanischen Beamten ver-
fasste. Das für die Curie anstössigste Werk, welches von dort
1) Von den Memoires de la Coiigregation de la mission, welche die
Lazaristcn in Paris zwischen 1850 und 60 herauszugeben anfingen, ver-
ordnete 1872 ihr Superior Etienne auf eine Weisung von Rom, die Bände
4—8 zu vernichten. Friedrich, Beitr. zur K.-Gesch. S. 95.
2) Die beiden ersten stehen Nam. p. 177—186, 188—191, das dritte
bei Hanot p. 261 — 276. Wenn der Bischof Bailles von LuQon (Instr. past.
p. 228) richtig gezählt, sind unter Clemens XI., der allerdings 21 Jahre
regierte, 805 lat. und 188 franz. Schriften verb. worden (anter Innocenz XL,
1676—89, 182 lat. und 45 franz.).
778 Kirohlich-politisohe Streitigkeiten.
aasging, die Istoria civile del Regno dl Napoli von dem Advo-
caten Pietro Giannone (1676 — 1748), erschien erst unter Inno-
cenz XIII. 1723 und wurde sofort von der Inquisition verboten.
— Unter Benedict XIV. wurden die meisten Zwistigkeiten der
Curie mit den katholischen Regierungen ausgeglichen; aber auch
er verbot in einem Breve vom 9. Juni 1746 ein Buch des spa-
nischen Benedictiners Garrido, welches aber auch in Spanien
verboten wurde.
1. Am 19. Aug. 1694, also noch unter Innocenz XII. wurde
ein Decret der Inq. publicirt, des Inhaltes: Der Herzog Victor
Amadeus II. von Savoyen habe trotz wiederholter Abmahnungen
von Seiten des h. Stuhles durch ein Edict vom 23. Mai nicht nur
die gegen die Ketzer in den Thälern von Lucerna, Perugia u. s. w.
gerichteten Gesetze aufgehoben, sondern auch, was man nicht ohne
Thränen erwähnen könne, ausdrücklich erlaubt, dass die Kinder der
Ketzer, die mit der Milch des wahren Glaubens genährt seien, den
Eltern zurückgegeben würden und dass diejenigen, welche die Ketze-
rei abgeschworen und dann wieder abgefallen seien, zurückkehren
könnten, ohne belästigt zu werden ; der Herzog habe auch allen dort
wohnenden Ketzern freie Uebung ihrer verdammten Religion zuge-
sichert. Innocenz XII. habe nach wiederholter Anhörung der Car-
dinäle der Inq. dieses Edict als den h. Canones und apostolischen
Constitutionen widersprechend annullirt und verordnet, es als nicht
vorhanden anzusehen, und allen Bischöfen und Inquisitoren geboten,
ohne Rücksicht auf dasselbe wie zuvor gegen alle Ketzer und
der Ketzerei Verdächtigen einzuschreiten (A. J. P. 22, 625). —
Noch unter Innocenz XII., 1699 bezw. 1700 wurden von der Inq.
verb. : Factum pour les directeurs des villages du pays du franc
de Bruges au sujet des dixmes contre les eccl^siastiques . . . (von
Lootyns), Vindiciae jurisdiotionis saecularis et imperii adv. usur-
pativam exemptionis et immunitatis ecclesiasticae extensionem in
materia reali collectarum et talliarum, s. 1. 1699,* 33 S. 8. (handelt
von einem Streite in der Diöcese Lüttich). Dazu kam 1703 eine
1698 erschienene Apologetica responsio gegen einen Canonicas
reg. Unterstorfiensis über Amortisation.
Das 1694 verdammte savoyische Edict steht nicht im Indei.
Auch von den zahlreichen ähnlichen Breven und Decreten der Rö-
mischen Congregationen, welche unter Clemens XL erschienen, —
sie stehen theils im Bullarium XII. und im Bull, continuatum ILi
theils in Clementis XL Epistolae et Brevia selecta*), vgl. A. J. P.
1) Epp. p. 2142 steht u. a. ein Breve an den Herzog von Orleans
vom 1. Mai 1716, wodurch in einer Ordinatio pro norma Consilii cod-
scientiae alles, was der Kirche oder dem h. Stuhle za nahe trete, kraft
apostolischer Autorität cum omnibns inde seontis et secuturis für null und
nichtig erklärt wird.
Lothringer Edicte. 779
22, 504, — haben nur einige im Index Sparen hinterlassen.
Der Herzog Leopold I. von Lotbringen publicirte 1701 eine Samm-
lung von Verordnungen über allerlei Dinge. Da darunter auch
solche waren, in denen Clemens XL Eingriffe in die kirchliche Juris-
diction erblickte, so annullirte er durch ein Breve vom 22. Sept.
1703 Ordonnance de Leopold I. Duc de Lorraine et de Bar donn^e
a Nancy au mois de Juillet 1701, Nancy 1701. Dieses Breve steht
nicht im Bull, und in den Epistolae sei., wohl aber in diesen u. a.
p. 177 ein an den Herzog gerichtetes Breve vom 26. Sept., worin
er demselben mittheilt, dass er die Verordnungen habe verdammen
müssen, und ihn auffordert, dieselben, soweit sie den Eechten der
Kirche widersprächen, zurückzunehmen, und ein von demselben Tage
datirtes Breve an die lothringischen Bischöfe, mit der Aufforderung,
für die Bechte der Kirche einzutreten. Ein Acte d'appel interjete
par le procureur gen^ral de Lorraine et Barrois [Boursier] de Texe-
cution du bref du 22. Sept. demier rendu contre ^ordonnance de
Son Altesee Koyale du mois de juillet 1701, de N. S. P. le P.
Clement mal informe k notre-dit S. P. le Pape, lors-qa'il sera mi-
eux informe, avec l'arret d'enregistrement dMcelul, 27 S. 4., gab
Anlass zu einem neuen Breve vom 11. Febr. 1704 (Bull. 12, 391,
und Bull. cont. 2, 26). £s heisst darin: nachdem einige Cardinäle
und Theologen und Canonisten diese quaedam folia geprüft und con-
statirt, dass dieselben falsche . . für die Kirche injuriöse und die
kirchliche Jurisdiction und Freiheit verletzende Sätze enthielten,
verdamme sie der Papst kraft apostolischer Gewalt, gebiete bei
Strafe der reservirten Excomm. 1. sent., alle Exemplare abzuliefern,
und erkläre, dass die Appellation und das Arret von niemand gegen
das Breve vom J. 1703 geltend gemacht werden könnten. Den Bi-
schöfen wurde durch ein Breve vom 10. Mai 1705 eingeschärft,
dass Beamten, welche die Verordnungen beobachteten, die Losspre-
chung zu verweigern sei. Ueber eine Ordonnance ampliative de
S. A. R. pour Supplement de celles des mois Juillet et Aoüt 1701,
donnee a Luneville le 19 Fevr. 1704, richtete Clemens 29. Juli
1704 ein Breve an den Herzog (Epp. p. 239), worin er klagt, dass
dadurch die verdammten Verordnungen eher bestätigt als beseitigt
würden. Sie wurde dann 26. Oct. 1707 von der Inq. verdammt.
— Im J. 1710 kam ein Ausgleich zu Stande: der Herzog liess eine
neue Ausgabe der Sammlung drucken, in welcher die Stücke, an
denen der Papst Anstoss genommen, weggelassen waren, erklärte
aber dabei, für die in dieser Sammlung nicht behandelten Gegen-
stände gälten die älteren (also eben die weggelassenen) Verord-
nungen, und mit dieser scheinbaren Concession gab man sich in
Rom zufrieden ^). Au moyen de ces menagements pueriles qui äqui-
valent ä des fourberies diploinatiques, l'affaire fut termin^e, sagt
Gr^goire, Essai bist. p. 264. Die drei Stücke stehen noch heute
im Index. Am 2. Febr. 1715 schrieb der Papst nochmals an
1) Epp. p. 727. Uuth, Kirchengesch. 1, 323. Fleur. 67. 165.
780 Kirchlich-politisohe Streitigkeiten.
den Herzog über eine neue Verordnung, von der er in der in
Holland erschienenen Clef du cabinet des princes gelesen (Epp.
p. 2049).
2. Clemens XI. hatte dazu mitgewirkt, dass Carl IT. von Spa-
nien den Herzog von Anjou zu seinem Thronerben eingesetzt, und
hatte auch diesen als Philipp Y. anerkannt. Durch den Einmarsch
eines österreichischen Heeres in den Kirchenstaat war er genöthigt
worden, sich zu Gunsten des andern Prätendenten, des Erzherzogs
Carl, zu erklären^). Philipp V. Hess dagegen durch seinen Gesandten
protestiren, und erliess im Juni 1709 ein Manifest, worin er über
das Verhalten des Papstes Klage führte und es rechtfertigte, dass
er den Nuncius auswies und den Verkehr mit Eom, namentlich die
Geldsendungen dahin verbot: Relacion de lo snoedido en Roma
sobre el reconocimiento del archiduque, concordados entre el Papa
y Rey de Romanos, protesta hecha por el Dnque de Uzeda a Sa
Santidad, y oficio que mando el Rey se pasase con el nuncio insi-
nuandole ru salida de Espaüa. Der Papst erliess 2. OcU 1700
ein Breve an den spanischen Clerus, worin er das Manifest ver-
dammte und zum Widerstand und zur Verweigerung der Steuern
und Gaben aufforderte. Als der Streit einige Jahre gedauert, ver-
lautete in Madrid, der Papst wolle die Waffen Gregors VII. und Bo-
nifacius^ VIII. anwenden. Der Rath von Castilien wurde beauf-
tragt, ein Gutachten darüber abzugeben, was in diesem Falle za
thuen sei, und der Generalfiscal Melchor Rafael de Macan&z, früher
Professor in Salamanca, überreichte 19. Dec. 1713 eine Denkschrift
in 55 Paragraphen (gedruckt in der Coleccion von Llorente p. 27)
und 2. Jan. 1714 einen Nachtrag dazu von 35 Paragraphen (erst
1841 gedruckt als Pedimento sobre los abusos de la corte di Roma).
Abschriften davon kamen nach Rom; Clemens XI. verdammte aber
die Denkschrift nicht selbst, — die Verdammung eines Manuscriptes
wäre nicht ohne Praecedens gewesen (S. 377), — sondern befahl
dem spanischen General-Inquisitor Card, del Giudice, dagegen ein-
zuschreiten (Epp. p. 1651). Dieser war damals als Gesandter in
Paris und Hess an der Thüre seines Palais ein Ediot vom 30. Jali
1714 anheften, worin er (neben einigen in Frankreich erschienenen
Büchern, u. a. einem von Denys Talon) die Denkschrift als ver-
wegen, anstössig. für den Papst beleidigend, der wahren Lehre der
Kirche widersprechend verbot. Das Edict wurde 15. Aug. auch an
allen Kirchenthüren in Madrid angeschlagen. Ludwig XIV. wies
Giudioe aus Frankreich aus, Philipp V. setzte ihn als General-In-
quisitor ab und verbannte ibnim December in seine Diöcese in Sid-
lien. Vom Papste wurde er für das Edict belobt (Epp. p. 2051).
Die Zurücknahme der Verdammung der Schrift von Macandz ve^
weigerte die Inquisition; der von Philipp V. ernannte General-
1) Vgl. zum folgenden Baumprarten, Gesch. Spaniens. 1861, S. 31.
Sempere, Betrachtungen 2, 56. Garns, Kircbengescb. v. Spanien III, 2, 318.
Pelayo 3, 45. Vering, Archiv 10, 185.
Streitigkeiten mit Spanien und Neapel. 761
Inquisitor nahm nicht an und Clemens XI. erklärte, er werde keinen
andern als Giudiee anerkennen. Später verständigte sich Philipp V.
mit dem Papste und der Inquisition; in einem |Breve vom 24. Dec.
1716 nahm Clemens XI. Giudice's Abdankung an, und Jo. Molines,
Decan der Hota, wurde sein Nachfolger. Die Schrift von Macandz
kam in den span. Index von 1747 und . steht auch noch in dem von
1790 unter El Fiscal Greneral : „handschriftlicher Aufsatz (papel),
welcher so anfängt, gewöhnlich Papel de Macandz genannt"; unter
seinem Namen stehen dann noch zwei Briefe, die er 1716 von Pau
an die Cardinäle Altieri und Grualterio geschrieben. Im Eöm. Index
steht Macandz nicht. Auch die Historia civil de Espafia . . . 1700
— 1733, von dem Franciscaner Nicolas de Jesus Belando wurde
trotz ihrer starken Angriffe auf Eom, die Jesuiten u. s. w. in Pom
nicht verb., wohl aber, obschon sie nicht nur mit Approbation, son-
dern auch mit einer Widmung an Philipp V. erschienen war, 1744
von der span. Inquisition, und da Belando in einer von dem Advo-
caten Joseph Quiros unterzeichneten Schrift dagegen remonstrirte,
wurde auch diese verboten und gegen beide ein Process eingeleitet
und Belando befohlen, überhaupt nichts mehr, Quiros, nichts mehr
über die Inquisition zu schreiben (Llorente 2, 428. 465. Pelayo
3, 50).
3. Der zweite Sohn des Kaisers Leopold, der 1707 als Carllll.
König von Neapel (1711 als Carl VI. Kaiser) wurde, oder seine
Neapolitanische Eegierung erliess u. a. ein Edict, wodurch die Ein-
künfte der Beneficien, die im Besitze von Ausländern waren, seque-
strirt wurden. Drei Juristen schrieben 1708 anonym Vertheidi-
guugen des Edictes, der Duca Gaetano Argento (f 1730, Mazzuch.
1, 1043) De re beneficiaria dissertationes tres, ubi Caroli III.
. . . edictum tum summo tum optimo jure, recte atque ordine fac-
tum demonstratur. £ex qui sedet in solio judicii, dissipat omne
mal um intuitu suo. Prov. 20, — Alessandro Riccardi Ragioni del
Regno di Napoli nella causa de^ suoi benefizii eccles. etc. (Vie de
V. Espen p. 44), — Costantino Grimaldi Considerazioni teolo-
gico-politiche fatte a pro degl' editti di S. M. Cattolica intomo
alle rendite eccl. del Regno di Napoli. Unter dem 17. Febr. 1710
erliess Clemens XI. ein Breve, worin diese drei Schriften in den
üblichen Foiinen verdammt wurden, mit der Motivirung: die Car-
dinäle der Inq. hätten darin Sätze gefunden, die resp. falsch, . . .
die Einheit und den Primat der h. Römischen Kirche untergrabend,
die kirchliche Freiheit und Immunität gänzlich vernichtend, der
Ketzerei verdächtig, dem Schisma und der Ketzerei nahekommend,
ja auch ketzerisch seien. Von den Considerazioni wird nur der
1. Theil erwähnt. In einem zweiten Breve, vom 24. März 1710,
wird aber erklärt, das Verbot beziehe sich auch auf den 1709 er-
schienenen 2. Theil und auf alle Ausgaben und üebersetzungen
(Bull. 12, 482. Giannone, Opere 12, 396). — In einem Breve vom
17. Febr. 1710 wird in denselben Formeln verb.: Ragioni a pro
della fedelissima cittd di Napoli contro il procedimento straordinario
nelle cause del S. Offizio, divisate in tre capi, Neapel 1709 (von
782 Kirchlich-politische Streitigkeiten.
Nie. Caravita, Professor der Rechte, 1647—1717; Tipaldo 7, 274).
Nur hat die Inq. in diesem Buche keine ketzerische, dafür aber
zum Schisma anreizende und für das Tribunal der h. Inquisition
injuriöse Sätze gefunden. — In den folgenden Jahren wurden noch
verboten: Considerazioni per le quali si dimostra la giustizia
delle lettere della Maesta 4^1 Ke catt. Carlo III. che stabiliscono,
doversi nelle cause appertenenti alla religione procedere nelle cittä
e regno di Napoli dagli ordinarii e per la via ordinaria usata in
tutti gli altri delitti e cause criminali ecclesiastiche, 1710, von der
Inq. verb. 1711, — Nullum jus Pontiticis maximi in regno Nea-
politano. Dissertatio historico-juridica. Alithopoli (Neapel), verb.
1714, verfasst von Caravita^), — Ragioni a pro del commune della
fedelissima cittä di Napoli e de^ suoi casali intorno al sepelire i
morti, verb. 1718, — Ragioni per la fed. ed eccellentissima citti
di Napoli circa Timpedire la fabbrica delle nuove chiese e Tacquisto
che gli ecclesiastici fanno de' beni de' secolari, verb. 1721 (von
Franc. Peccerillo).
4. Durch ein Decret der Inq. vom 7. Sept. 1712 wurden zwei
auf die Monarchia Sicula bezügliche Schriften verb. Zum Verstand-
niss der Titel sind folgende Notizen nöthig : Der Bischof Tedeschi
von Lipari liess 1711 einen Sack Erbsen verkaufen. Die Beamten
erhoben davon die übliche Steuer, gaben dieselbe aber zurück und
entschuldigten sich, als sie erfuhren, dass der Bischof der Verkäufer
gewesen. Sie wurden aber gleichwohl von diesem wegen Verletzung
der kirchlichen Immunität excommunicirt. Sie wandten sich an das
Tribunal der Monarchie, welches sie ad cautelam provisorisch (ad
reincidentiam) absolvirte und den Bischof zur Einsendung der Acten
aufforderte, die dieser verweigerte, weil die Insel Lipari nicht unter
dem Tribunal der Monarchie stehe. Er erwirkte auch Erlasse der Rö-
mischen Congregation der Immunitäten vom 5. Aug. 1711 und 16.
Febr. 1712, worin erklärt wurde, Excommunicationen, die ein Bi-
schof verhängt, könnten überhaupt nur vom Papste, nicht von einem
LegatuR a latere, also auch nicht von dem Judex monarchiae auf-
gehoben werden. Der Erzbischof von Palermo und zwei andere
Bischöfe übersandten die Decrete an die Regierung, um das Exe-
quatur zu erbitten; drei andere Bischöfe machten in Rom Vorstel-
lungen, die Bischöfe von Catania, Girgenti und Mazzara aber publi-
cirten die Decrete unter dem Vorgeben, es seien dogmatische Decrete,
für die das Exequatur nicht nÖthig sei. Der Vicekönig verlangte
die Zurücknahme der Publication, der Papst aber excommunicirte
in einem Breve vom 12. Juni den Judex Monarchiae und gebot
allen Bischöfen die Publication der beiden Decrete. Diese erfolgte
nun überall; ein Deoret des Vicekönigs aber erklärte alle Römischen
Erlasse für wirkungslos. Der Bischof von Catania griff dieses De-
cret in einem Erlasse an, wurde ausgewiesen und verhängte über
1) GrSgoire, Essai bist. p. 385 erwähnt eine italienische Uebersetzang
von Eleonora Fonseca Firnen tel: Niun diritto . . . Aletopoli 1790.
Monarohia Sicula. J. P. v. Ludewig. 783
seine DiÖcese das Interdict. Der Bischof von G-irgenti excommuni-
cirte, durch ein Breve vom 17. Juni 1713 angewiesen, die Beamten,
welche die Güter des Bischofs von Catania seqnestrirt hatten, wurde
gleichfalls ausgewiesen und sprach gleichfalls das Interdict aus.
Der weitere Verlauf der Sache hraucht hier nicht erzählt zu werden, .
— durch eine Bulle vom 20. Febr. 1715 hob schliesslich der Papst
die Monarchia Sicula ganz auf, womit der Streit darüber aber auch
nicht zu' Ende ging^), — die beiden 1713 verbotenen Bücher oder
Schriftstücke aber stehen noch heute im Index unter A lieg azioni
und Propugnaculo de la real jurisdiccion, — dieses nach Sentis
S. 4 von Franc. Amigier (seit Ben. sind die Titel stark abgekürzt;
der zweite füllt in den älteren Indices 12 klein gedruckte Zeilen).
Die im Auftrage von Vittorio Amedeo II. geschriebene Defense de
la monarchie de Sicile contre les entreprises de la Cour de Rome
von L. E. Dupin, Arast. 1716 (Cantii 3, 422), steht dagegen nicht
im Index.
5. Clemens XI. protestirte auch wiederholt und kräftig gegen
die Usurpation des Königstitels durch den akatholischen Markgrafen
von Brandenburg. Das veranlasste die Schrift des Hallischen Pro-
fessors J. P. von Ludewig, ,, Päpstlicher Unfug wider die Krone
Preussen/' Colin am Rhein(?) 1703, von dem Verfasser übersetzt:
Neniae pontiücis Bomani Clementis XL de jure reges adpellandi
auctore Job. Franc. AI bani. Bomae novae typis Aldinis 1706,* 8.;
beigefügt ist: Periliustris cujusdam viri eidem diplomati Clementino
oppositus libellus (beide sind abgedr. in Ludewigs Opusc. miscella
1, 130, letzteres mit dem Namen L. B. de Limbach). Als 1708
mit der kaiserlichen Armee auch fünf preussische Bataillone in den
Kirchenstaat eingerückt waren, Hess Friedrich I. dort 200 Exem-
plare der Naeniae verbreiten^); aber erst 21, Jan. 1721 wurde
verb. Libellus nomine auctoris, loci impressionis ac typographi Omen-
titis: Neniae Pontiücis . . . cum alio opusculo ad hujus calcem ex-
cuso: Periliustris . . .
Der Streit über Parma und Piacenza, — in welchem Clemens XI.
1708 in einem Breve dem Kaiser Joseph I. drohte, er werde gegen
ihn als einen rebellischen Sohn mit der Excommunication und nöthigen-
falls mit den Waffen vorgehen, und Joseph I. das Breve als seinen
und des Reiches Rechten widersprechend und die Androhung der
Excommunication für null und nichtig erklärte (v. Espen, Opp. 4,
373); der Streit dauerte unter Innocenz XIII. und Clemens XII.
fort, — hat im Index keine Spuren hinterlassen; auch nicht der
Streit über Gomachio. Auch Muratori's Schriften über diesen Streit
1) Sentis, Die Monarchia Sicula, 1869. S. 142. Avr. 4, 350. Brosch.
Gesch. des Kirchenstaats 2, 51: Auch unter Victor Amadeus 11., der durch
den Utrechter Frieden 1713 König von Sicilien wurde, „nahm der wegen
des bischöflichen Erbsensacks entbrannte Streit seinen Fortgang.'* Die
zahlreichen päpstlichen Actenstücke im Bull. cont. 2, 104 — 356.
2) M. Lehmann, Preussen und die katb. Kirche 1, 880.
784 Kirchlich-politische Streitigkeiten.
wurden nicht verboten, auch nicht die anonyme französische Ueber-
setzung derselben: Les droits de TEmpire sur Testat ecclesiastique
. . . a Toccasion de Comachio. Le tout traduit de l'italien, Utrecht
1713*, 4. Card. Querini (Comment. 2, 123) berichtet aber, er habe
1718 nicht die Erlaubniss zum Druck seines Herum monasticarum
Italiae Tomus I. Coenobium Farfense, erhalten, weil die Urkunden,
die er darin veröffentlichen wollte, den Römischen Ansprüchen nicht
günstig lauteten.
In einem Breve an das Domcapitel in Köln vom 17. Juni 1713
spricht Clemens XT. von einer Schrift eines Hieronymus Bück gegen
den Verwalter der Nunciatur, Alessandro Borgia, die der Erzbischof
von Trier verboten habe, und tadelt es, dass Bück nicht seiner
Capitelsämter entsetzt worden sei. Merkwürdiger Weise ist Bück
nicht durch den Index verewigt worden.
Durch ein Breve vom 19. Dec. 1707 (Bull. cont. 2, 63) ver-
bot Clemens XI. zwei Schriften von Lourenzo Pires de Carvalho,
Quaestiones selectae 12 de Bulla S. Cruciatae, Liss. 1678, und Epi-
tome das indulgencias e privilegios da Bulla de S. Cruzada, Liss.
1696. In dem Breve wird gesagt, die Inq. habe die Bücher ver-
dammenswerth gefunden, aber nichts näheres angegeben. Der Ver-
fasser bezeichnet sich in der zweiten Schrift als Mitglied des Con-
selho de S. M. und des Tribunal da consciencia und als General-
Commissar für die Bulla da S. Cruzada.
1704 — 18 wurden 5 Schriften von dem Conte Giov. Batt. Co-
mazzi^) verb. (einige sind zu Trient gedruckt), darunter La morale
de' principi, Ven. 1690, Züge aus dem Leben der Komischen Kaiser
von Caesar bis Constantinus Chlorus mit moralischen Reflexionen,
auch ins Französische und (von W. Hatchett 1729) ins Englische
übersetzt, und Politica e religione . . ., Col. 1709 (auch Trient 1712*);
zu dem Verbote des letztern Buches mag eine Stelle in c. 78 Anläse
gegeben haben, an welcher von dem Verhältniss der geistlichen und
weltlichen Gewalt in gallicanischer Weise gesprochen wird. — Ausser-
dem kamen unter Clemens XL noch in den Index : Tractatus de po-
testate jurisdictionis seu de regimine animarum, auct. Carolo Ant.
de Manentibus, Rom 1707, verb. 1709. — Ludovici Mariae Sini-
strari de Ameno de delictis et poenis tractatus absolntissimus, Ven.
1700, mit d. c. verb. 1709. Eine expurgirte Ausgabe, Rom 1753,
wurde freigegeben. Der Verfasser war ein Minorit; über seine
Schriften über Ordens-Strafrecht s. Pragm. Gesch. der Mönchsorden
5, 219.
6. Giannone^s Werk erschien 1723 zu Neapel in 4 Quart-
bänden mit einer Widmung an Carl VI. und der Druckerlau bniss
des Vicekönigs Card. Althan 2), Der Erzbischof Card. Pignatelli
1) Er war Historiograph der Kaiser Leopold I. und Joseph I., t ^^
Wien 1711. Morery, Suppl.
2) Fabroni 18, 118. Tipaldo 7, 313. Cantü 3, 426. 448. Mit Ist. wird
im Folgenden die zu Mailand 1823 in 11 Octavbänden erschienene Aus-
P. Giannone. 785
citirte ihn, and da er nicht erschien, erklärte er ihn im April in
contumaciam anf Grrund des Decretes des 5. Lateranconcils und
der Diöcesangesetze für excommunicirt, weil er sein Buch ohne Er-
lauhniss des Diöcesanbischofs habe drucken lassen. Gleichzeitig
wurde das Volk gegen ihn verhetzt, weil er über die Heiligen und
die Ablässe gespottet, das Wunder des h. Januarius geleugnet u. dgl.
G. verliess Neapel und ging nach Wien. Von dort schickte er
2. Oct. 1723 dem £rzbischof eine Erklärung, worin er um Los-
sprechung von der Excommunication bat und sagte: er unterwerfe
sein Buch dem Urtheil der Kirche ; er habe gemeint, die Nachsuchung
der Approbation sei Sache des Druckers. Der Erzbischof hob auf
Grund dieser Erklärung und wahrscheinlich aus Furcht vor einem
Conflict mit der Regierung, 22. Oct. 1723 die Excommunication auf.
Mittlerweile hatte aber die Inquisition durch ein besonderes Decret
von Fer. V. 1. Juli das Buch verdammt, mit der Motivirung: es
enthalte sehr viele Lehren und Sätze, die falsch, temerär, ärgemiss-
gebeud, aufrührerisch, für alle kirchlichen Stände, namentlich den
apostolischen Stuhl in höchst verleumderischer Weise injuriös, irrig,
schismatisch, gottlos und mindestens nach Ketzerei schmeckend seien
(Op. post. 1, 392). — Carl VI. wies G. 1724 wegen der wichtigen
Dienste, die er der königlichen Krone durch die Vertheidigung ihrer
Eechte in seinen Werken geleistet, eine Pension von 1000 Gulden
auf den sicilischen Staatsschatz an und beauftragte ihn, gegen die
Curie über die Monarchia Sicula zu schreiben (das Buch wurde nicht
gedruckt). Die von dem Neapolitanischen Jesuiten Gius. Sanfelice
verfassten liiflessioni morali e teologiche sopra Tlstoria civile . . .
da Eusebio Filopatro, Col. (Rom) 1728, 2 vol., wurden von dem
Vicekönig Graf Harrach 1729 verboten^). G. schickte einen von
Nie. Capasso verfassten Artikel dagegen an Mencken, den Herans-
geher der Acta Eruditorum (A. E. 1729, 423), für welche er auch
sonst Beiträge lieferte, und verfasste eine satirische Professione di
fide e dubbii intorno alla morale del P. Sanfelice, die erst 1753
gedruckt, aber gleich in Abschriften verbreitet wurde. In Wien
schrieb er auch eine Schrift, die von einem andern ins Lateinische
übersetzt, aber von ihm selbst veröffentlicht wurde: Jani Perontini
JC. de consiliis ac dicasteriis, quae in urbe Vindobona haben tur,
liber singularis, Halae 1732. Der Nuncius und der Erzbischof von
Wien beklagten sich darüber, dass er darin ihre Jurisdiction ange-
griffen. Die Schrift kam 1785 in den Index.
Nachdem 1734 Neapel spanisch geworden, verlor G. seine
Pension. Er bat vergebens um die Erlaubniss, nach Neapel zu-
rückzukehren. Er wurde auch in Venedig und Mailand ausgewiesen
gäbe der Istoria civile, bezw. die im 1. Bande abgedruckte Vita von dem
Keapolitaiiischen Priester Leonardo Panzini (zuerst Ven. 1768) citirt, mit
Op. post. die gleichfalls zu Mailand 1823 erschienenen Opere postume, 3 vol.
1) Das Decret steht Ist. 1, 101. Es ist in ganz ähnlicher Form ab-
gefasst wie die Decrete der Rom. Inq.
BcuBcb, Index II. « 50
786 Kirchlich-politische Streitigkeiten.
und ging nach Genf, wo er das 1 2 Jahre zuvor begonnene Triregno
(del regno terreno, Celeste e papale) vollendete, mit heftigen An-
griffen auf das Papstthum und kirchliche Lehren und G-ebräuche.
Das Buch wurde nicht gedruckt, aber in Abschriften verbreitet
Eine von dem Abate Bentivoglio in Genf gekaufte Abschrift kam
in das Archiv der Inquisition (Ist. 1, 154. 187. Cantu 3, 429. 450).
1736 wurde G. von einem falschen Freunde auf piemonte-
sisches Gebiet gelockt, dort verhaftet und nun nicht, wie Card. Albani
wünschte, nach Rom ausgeliefert, aber zuerst 6 Monate in dem Castell
Miolans, dann 13 Jahre, bis zu seinem Tode in Turin gefangen ge-
halten, obschon er sich im März 1738 von dem Oratorianer G. B.
Prever bestimmen Hess, vor der Inquisition zu Turin eine ausfuhr-
liehe, freilich schwerlich aufrichtig gemeinte und in einzelnen Punkten
unwahre Retractation (Op. post. 3, 5) zu unterschreiben: was er in
der Istoria über kirchliche Missbräuche zu viel gesagt, nehme er
zurück; er wünsche, dass das Buch vernichtet werden könnte; mit
der Entgegnung gegen Sanfelice habe er nicht die Römische Kirche
beleidigen, sondern nur sich vertheidigen wollen; die Schrift sei
nicht für den Druck bestimmt gewesen und er bedauere, dass sie
in Abschriften Verbreitung gefunden; das Buch de consiliis erkenne
er nicht als von ihm verfasst an, da der Uebersetzer daran vieles
geändert habe; andere Schriften, wie die über ungültige Excommuni-
cationen, über das Bücherverbot, über den Concubinat, — das Triregno
wird nicht erwähnt, — seien nicht für den Druck bestimmt gewesen;
manche Manuscripte, die man bei ihm gefunden, seien nur Auszüge
aus Schriften anderer, die er freilich nicht hätte lesen und excer-
piren dürfen ; er nehme aber alles zurück, was er in seinen Schriften
der Lehre der Kirche Widersprechendes oder AnstÖssiges gesagt,
und werde sich freuen, wenn die h. Kirche seine Retractation ver-
öffentlichen wolle ; nach Genf sei er aus Noth gegangen, habe aber
dort als Katholik gelebt und er sei in einem sardinischen Dorfe
verhaftet worden, als er dorthin gekommen, um die österliche Com-
munion zu empfangen.
GiannolTe s Istoria ist noch im 18. Jahrb. wiederholt gedruckt,
auch ins Lateinische, Französische, Englische und Deutsche übersetzt
worden. 1768 erschienen auch nachgelassene Schriften von ihm
(Fabr. p. 194). Sie wurden nicht verb., auch nicht Anecdotes eccU-
siastiques, contenant la police et la discipline de TEglise . . ., les
intrigaes des 6veques de Rome et leurs usurpations sur le temporel
des souverains, tirees de THist. ... de Giannone, brülle a Rome
en 1726, Amst. 1738 (wahrscheinlich von Isaac Vernet zu C^nf;
Ist. 1, 179). Im span. Index steht nur eine zu La Haye 1742 er-
schienene französische Uebersetzung der Istoria von G. — Brosch,
Gesch. des K.-St. 2, 4 sagt: Giannone ist für Neapel und andere
monarchische Staaten der Halbinsel, sofern sie im 18. Jahrb. von
antipäpstlichen Strebungen erfasst wurden , annähernd dasselbe ,
was Sarpi im 17. Jahrb. für die Venetianische Republik war. Der
Genius des Neapolitanischen Juristen und Geschichtsforschers war
dem des grossen Servitenmönches nahe verwandt, wenngleich unter-
F. M. Ottieri. G. Gorini. J. B. Garrido u. a. 787
geordnet an Klarheit und Macht, an Kunst der Rede und Tiefe des
Wissens. Vor dem Dogma standen beide achtungsvoll still [?] . .,
aber die Geldmanipulationen und Herrscherkünste Roms . . decken
sie beide gleich schonungslos auf, mit unermüdlichem Eifer und un-
stillbarem Hasse ^).
7. Durch ein besonderes Beeret der Index-Congr. vom 17. Jan.
1729 (Bull 13, 380) wurde verb.: Istoria delle guerre avvenute in
Europa e particolarmente in Italia per la successione alla mon^archia
della Spagna 1696 — 1725, scritta dal Conte eMarchese Franc. Maria
Ottieri, Accademico della Crusca, Rom 1728, mit der Motivirung,
das Buch enthalte Ausdrücke, die für Fürsten und einige Nationen
und durch Geburt, Rang und Amt hervorragende Männer verletzend
und injuriös seien, und narrationes rerum minime subsistentium. Am
Schlüsse des Decretes heisst es, der Secretär habe dasselbe BenedictXIII.
vorgelegt und dieser es genehmigt und auszuführen befohlen. Das
Buch steht seit Ben. nicht mehr im Index. — 1737 wurden zwei
Schriften von Ascanio Centomani in Neapel verb., in welchen die
Verweigerung des Exequatur für einzelne Römische Erlasse gerecht-
fertigt wird, 1742 eine Supplica a S. M. delle due Sicilie per
qualche opportuno rimedio sopra li gravami, che dalla corte di Roma
in materia di beneficii e rendite eccles. soffre questo suo regno di
Napoli. — Von dem Mailänder Giuseppe Coric Marchese di Gorini
(t 1762; er ist sonst als Tragödiendichter bekannt) wurde 1742
verb. : Politica, diritto e religione per ben pensare e scegliere il vero
dal falso in queste importantissime materie, Milano 1 742 con licenza
de' superiori. 19. Juli 1759 verbot die Inquisition: L'uomo. Trattato
fisico-morale diviso in due tomi e tre libri (L'esser, le passioni, i
doveri deiruomo), Lucca 1756 con lic. dei sup., auch eine gleich-
zeitig anonym erschienene Ausgabe und A v v i s o tradotto dal francese :
La traduzione e impressione francese del trattato metafisico dell'ucmo,
opera stampata in Italia dal Sig. March. Gorini, si darä da noi An-
gelet-Vemo . . ., Vercelli 1758. Die französische TJebersetzung
Anthropologie, erschien zu Lausanne 1761 und wurde nicht aus-
drücklich verb.; das Verbot des buchhändlerischen Prospectus steht
aber noch heute im Index.
8. Das 1746 von Benedict XIV. und im span. Index ver-
botene Buch heisst: Goncordia praelatorum. Tractatus duplex de unione
ecclesiarum et beneficiorum, de exemptione personarum et ecclesiarum
tum pontificia tum regia vel de immediata regis protectione, auct.
P. Jo. Bapt. Garrido Benedictinae Congregationis Hispanae Gene-
rali Magistro, Madrid 1745. Das Breve steht nicht im Bull. —
Von Franc. Ant. Chionio, Prof. in Turin, der 1 754 6 Sätze in einem
1) Tanucci gab 1769 dem Sohne Giannone's eine Pension und be-
zeichnete diesen in dem Decrete als den grössten, um den Staat verdien-
testen und am ungerechtesten verfolgten Mann, den Neapel im 18. Jahrh.
erzeugt. Die umfangreichste unter den Schriften, welche gegen Giannone
erschienen, ist die des Minoriten Giov. Ant. Bianchi, Della potestä e po-
lizia della Chiesa, Rom 1745—51, 7 vol. 4. (Hurter 2, 1455).
788 Gallicaner 1729—63.
von ihm dictirten Tractate de regimiDe ecelesiae, worin er dem
Staate weitgehende Rechte in kirchlichen Dingen vindicirte , wider-
rufen musßte^), — er wurde abgesetzt und 6 Monate in einem
Kloster eingesperrt, — ist nichts gedruckt.
73. Gallicaner 1729—63.
Benedict XIII. schrieb 1729 die Feier des Festes Gregors VII.
für die ganze Kirche vor und Hess für das Brevier eine Lection
publiciren, in welcher gerühmt wird, dass Gregor VII. den Kaiser
Heinrich IV. abgesetzt habe. Mehrere französische Parlamente
und Bischöfe protestirten gegen diese Anordnung. Durch vier
Breven cassirte Benedict XIII. die Verordnungen von drei Bischöfen,
— diese stehen noch heute im Index, — und alle Beschlüsse
weltlicher Behörden (das neue Officium wurde auch in den öster-
reichischen Staaten verboten). — Unter Benedict XIV. wurden
mehrere Schriften verboten, welche den 1749 von der franzö-
sischen Regierung gemachten Versuch, eine Besteuerung der
Geistlichen einzuführen, vertheidigen, eine 1752 mit dem Zusätze,
welcher in die Decreta generalia II, 9 übergegangen ist: ^Alle
Bücher welche die Immunität der kirchlichen Güter bestreiten."
Ein Buch des Oratorianers de La Borde wurde 1753 von der
Inquisition, 1755 durch ein Breve an die polnischen Bischöfe
verboten, weil es in Polen Verbreitung gefunden. — Nicht weniger
als sechs Schriften sind, freilich erst bald nach dem Tode Be-
nedicts XIV., in den Index gekommen» in denen es sich um
die Frage handelt, ob ein getaufter Jude, Borach Levi, noch
bei Lebzeiten seiner jüdisch gebliebenen Frau eine andere hei-
rathen könne, eine Frage, die in Frankreich in Widersprach
mit einer Bulle Benedicts XIV. verneinend entschieden wurde.
1. Gregor VII. wurde von Gregor XIII. 1584, als man in
Rom an die Ausschliessung Heinrichs IV. von der französischen
Thronfolge dachte, in das Martyrologium aufgenommen als ecclesia-
sticae lihertatis propugnator ac defensor acerrimus. Paul V. cano-
nisirte ihn 1606, während des Streites mit Venedig; er indulgirte
1609 die Feier seines Festes für Salemo» Florenz und Siena, Ale-
xander VII. nach der Declaration von 1682 für Rom, Clemens XI.
1) Thcotimus Eapistinas p. 58.
Officium S. Gregorii VII. 789
1705 für die Cistercienser, 1710 für die Benedictiner. Benedict XIII.
machte 1729 das Fest zu einem allgemeinen^). Durch ein Beeret
der Congr. ritnum vom 25. Sept. wurde das Officium bekannt ge-
macht Dieses war von dem Secretär der Congr., dem aus Sicilien
vertriebenen Benedictiner Tedeschi (S. 782) verfasst und enthält in
der 5. Lection den Satz, der bis dahin wohl in dem Officium der
Benedictiner, aber nicht in dem zu Rom gebrauchten Officium ge-
standen hatte : Contra Henrici Imperatoris impios conatus fortis per
omnia athleta impavidus permansit . . . ac eundem Henricum in pro-
fundum malorum prolapsum fidelium communione regnoque privavit
atque subditos populos fide ei data liberavit (von Schill S. 252 als
„harmlose'^ Worte bezeichnet). — Im J. 1723 waren in Paris Thesen
über die 4 Artikel mit polemischen Bemerkungen gegen Gregor YII.
unter dem Vorsitze des Bischofs Bastignac von Tülle vertheidigt
worden. Als dieser 1724 zum Erzbischof von Tours ernannt wurde,
erhielt er die Bullen erst nachdem er die Thesen desavouirt hatte.
Gegen die Verordnung Benedicts XIII. erklärte sich zuerst,
22. Juli 1729, das Pariser Parlament, dem mehrere andere Parla-
mente folgten. Der erste Bischof, welcher ein Mandement dagegen
erliess, war Caylus von Auxerre, 24. Juli 1729. Ihm folgten Colbert
von Montpellier, H. Ch. du Cambout, Duc de Coislin von Metz,
Bossnet von Troyes, Ch. Fr. d^Hallencourt von Verdun (der einzige
der nicht zu den Appellanten gehörte) und Honor^ de Quinquereau
de Beaujeu von Castres. Die Mandements sind alle Actenstücke von
wenigen (4 — 8) Quartseiten. Das von Caylus wurde durch ein.
Breve vom 17. Sept. 1729 (Bull. cont. 4, 408) für null und nichtig
erklärt und cassirt, bei Strafe der reservirten Excomm. verboten, es
zu lesen, zu behalten, zu drucken und abzuschreiben, und verordnet,
es abzuliefern und zu verbrennen. Aehnliche Breven ergingen 8.
Oct. und 6. Dec. 1729 gegen die Mandements von Colbert und
dem Bischof von Metz (Bull. 13, 422. 423). Die anderen wurden
nicht verb., aber in einem Breve vom 19. Dec. 1729 (Bull. 13, 424)
wurden alle Edicta, decreta, senatus consulta, praecepta, mandata et
quaevis aliae ordinationes per magistratus, etiam supremos .... et
a quacunque laicali potestate ejusque nomine adversus deoretum ex-
tensionis Officii S. Gregorii VII. promulgata für null und nichtig
erklärt. — Der Bischof von Auxerre schrieb über das Breve im
Febr. 1730 an Ludwig XV. und übersandte dem Pariser Parlamente
eine Requete gegen dasselbe mit einer Consultation von 50 Advo-
caten. Der König öffnete den Brief aber nicht. Das Parlament be-
schloss 23. Febr. 1730, das päpstliche Decret und die vier Breven
zu cassiren. Das Arr^t wurde gedruckt, durfte aber auf Befehl des
Card. Fleury nicht öffentlich verkauft werden. — Am 12. Mai 1780
erklärte sich auch der Erzbischof Steenhoven von Utrecht gegen das
neue Of^cium und 29. Sept. 1730 verboten es die holländischen
I) Fleur. 73, 103. Gregoire, Essai bist, sur les libertes de TEgl.
gall., 1818, p. 91. Biblioth. italique 6, 205.
790 Gallicaner 1729—68.
Generalstaaten bei Strafe von 1000 Gulden in das Brevier aufzu-
nehmen.
In Oesterreich hat nicht erst Joseph II. 1782 verordnet, die
betreffende Stelle in den Brevieren mit weissem Papier zu verpicken
(die Verordnung bei Brunner, Mysterien der Aufklärung S. 166).
Als im J. 1825 über ein bei den Mechitaristen in Wien gedrucktes
Brevier verhandelt wurde, constatirte die Hofkanzlei, dass die Ver-
ordnung zuerst von Carl VI. erlassen und von Maria Theresia 1774
erneuert worden sei. Der Polizei- und Censurchef Sedlnitzki ver-
fügte darauf, das Blatt in dem neuen Brevier sei umzudrucken, in
den bereits verkauften Exemplaren herauszuschneiden oder zu ver-
picken. Das Consistorium machte damals geltend: das neue Brevier
sei für das Ausland bestimmt; jene Verordnung gelte nur für die
kaiserlichen Erblande, und auch hier sei der Abdruck des Officiums
nicht gefährlich, da in den Directorien angeordnet werde, am Feste
Gregors VII. (nicht die betreffenden, sondern) die Lectiones de com-
muni zu lesen ^}. Für Belgien hatte schon 1 730 Carl VI. das Offi-
cium verboten und Maria Theresia das Verbot 1750 einschärfen
lassen 2). — In einer Depesche des Vicekönigs von Neapel, Graf
Harrach an Carl VI. vom 5. März 1729 (L'avocat 2, 124) wird aus-
führlich über das Officium berichtet und angegeben, das Tribunale
del CoUaterale meine, man solle die Sache ignoriren, weil ein Ver-
bot des Eecitirens doch nichts helfen werde, aber den Drucker, der
das Officium in Neapel ohne Erlaubniss des Vicekönigs nachgedruckt,
auf diesen Grund hin verhaften und die Exemplare confisciren.
Die Controverse wird ausführlich, hauptsächlich nach den N.
£., dargestellt in der Schrift: L'Avocat du diable ou Memoires
bist, et crit. sur la vie et sur la legende du P. Gr^goire VIL Aveo
des memoires du mdme goüt sur la Bule de canonization de Vincent
de Paul . . . A Saint Pourjain chez Tansin Pas Saint 1743 *, 3 vol.
8., verb. 1752 (in mehreren Indices verdruckt 1725). Als Verfasser
wird gewöhnlich ein Pariser Pfarrer Adam, von Barbier der Capu-
ciner Osmont du Sellier bezeichnet.
2. Im August 1749 erschien in Frankreich ein Edict, welches die
Erwerbung von Gütern durch die todte Hand beschränkte. Gleich-
zeitig wurde versucht, die Dons gratuits, welche die Geistlichkeit
der Regierung zu bewilligen pflegte, in eine Steuer (von einem
höhern Betrage) umzuwandeln, wogegen die Assembl^e du Clerg6
unter Berufung auf die durch Kirchen- und Staatsgesetze garantirte
Immunität der Geistlichkeit remonstrirte. Es erschien damals u. a.
eine Schrift unter dem Titel Lettres mit dem Motto Ne repugnate
vestro bono . . ., Sen. de const. sap. c. 19, London (?) 1750*, in
1) Archiv f. österr. Gesch. 50, 464. Die Lectiones de commuai wareu
noch in dem Wiener Directorium für 1849 vorgeschrieben; Brunner S. 166.
Picot 2, 54 missbilligt das Auftreten der französischen Prälaten auch darum,
weil sich niemand in Frankreich für die Annahme des Offlciums ausge-
sprochen und kein Bischof dieselbe autorisirt habe.
2) Suppl. ad Opp. V. Espen, App. p. 37.
y. de La Borde u. a. 791
welcher nioht nur gegen die Immunität der Geistlichen, sondern auch
gegen die Kirchengüter, den Cölibat u. a. polemisirt wird, angeblich
von dem Abb^ Henri-Phil, de Chauvelin (1715 — 70), nach anderen
von dem Advocaten Bargeton (f 1749) verfasst^). Sie wurde I.Juli
1750 von dem Staatsrathe verb., 14. Sept. von der Assembl^e cen-
surirt als falsche, temeräre, für die Kirche injuriöse, . . . irrige und
gottlose Sätze enthaltend. Voltaire schrieb aus Anlass dieses Streites
über die Immunität die anonyme Broschüre La voix du sage et du
peuple, Amst. 1750. Beide Schriften wurden von Benedict XIV. in
einem Breve vom 25. Jan. 1751 (Bull. 3, 179) verdammt als eine
Lehre und Sätze enthaltend, die resp. falsch, . . . des Schismas und
der Ketzerei verdächtig und früher von dem apost. Stuhle verdammt
seien. — 1752 wurde verb. Examen impartial des immunit^s ec-
clesiastiques, contenant les maximes du droit public et les faits hi-
storiques qui y ont rapport, London 1751, 12., von Chauvelin. In
diesem Decrete findet sich der Zusatz: aliique ejusdem notae libri
ac libelli ad versus eoclesiasticorum bonorum immunitatem. — 1754
wurden verb.: Trait6 des deux puissances, ou maximes sur Tabus
avec les preuves tir^es du droit canonique, des principes du droit
publique et de Thistoire, Paris 1752, — Trait^ des droits du Roy
sur les b^nefices de ses ^tats, 1752, von Dom. Simonel, — Tra-
dition des faits qui manifestent le Systeme d'ind^pendance que les
6v6ques ont oppos6 dans les diff^rents si^cles aux principes inva-
riables de la justice souveraine des rois sur tous les sujets indi-
stinctement, et la n^cessite de laisser agir les juges seculiers contre
leurs entreprises pour maintenir ^Observation des lois et la tranquil-
hti publique, 1753, 363 S. 12., von Chauvelin 2).
Zuerst von der Inquisition 5. Aug. 1 753, dann durch ein Breve
vom 4. März 1755 wurde verb. Principes sur Tessence, la distinc-
tion et les limites des deux puissances, spirituelle et temporelle.
Ouvrage posthume du P. de La Borde de TOratoire, s. 1. 1753,4.
(gleichzeitig auch lateinisch). Vivien de La Borde wurde 1716 mit
dem Abb6 Chevalier von Noailles nach Rom geschickt, ist der Ver-
fasser des T^moiguage de la v^rite dans TEglise, 1714, und anderer
Schriften gegen die Bulle Unigenitus und mehrerer bischöflicher
Mandements und starb 1748 als Superior des Seminars Saint-Ma-
gloire zu Paris (Migne 2,313). Das Breve Benedicts XIV. (Bull.
4, 163) hat das Eigen thümliche, dass es an die Bischöfe in Polen
gerichtet ist^). £r sagt darin: das Buch sei schon 1753 von der
1) Die erste Lettre 40 S., die 2. 289, die 3. 36 S., Lettre demiöre
62 S. 8. Beigebunden Remontrances du Clerge present^es au Roi le 24
Aoüt 1749, 31 S. — Vgl. Picot 2, 229; 4, 335. Ranke, Franz. Gesch. 4
(WW. 11), 390. Rocquain p. 132. 139.
2) Picot 4, 336. N. E. 1753, 112. 127. Das Buch wurde mit einer
Einleitung von A. G. 1825 neu gedruckt; Ami de la rel. 45, 215.
3) Von einer andern Lettera circolare vom J. 1748 sagt Benedict XIV.
in den Briefen an den CanonicuB Peggi, hrsg. von F. X. Kraus, 1884, S. 51 :
sie sei scritta ai vescovi di Polonia, che bevono molto ed intendono poco.
792 Gallicaner 1729—63.
Inq. verdammt, aber nochmals französisch und polnisch gedruckt
worden und werde in Polen verbreitet. Die Bischöfe müssten also
die Verdammung oder die schlechte Tendenz des Buches nicht
kennen, da sie sonst eingeschritten sein würden. Der Verfasser be-
streite die von Christus der Kirche gegebene Gewalt, nicht allein
durch Belehren und Mahnen zu leiten, sondern auch durch Gesetze
zu gebieten und die Ungehorsamen durch Eichtersprüche und heil-
same Strafen zu zwingen, indem er das Ministerium der Kirche in
der Weise der weltlichen Gewalt unterordne, dass er dieser die Auf-
gabe zuweise, de externa omni ac sensibili gubematione cognoscere
et judicare, ein System, welches schon von Johannes XXII. als
ketzerisch verdammt worden sei. Es fänden sich in dem Buche
Sätze, die verfänglich und falsch, gottlos und irrig, früher verdammt
und ketzerisch, für die Kirche sehr injuriös und ihre Gewalt, Rechte
und Freiheit beeinträchtigend (ejusque potestatis . . . prorsus eva-
sivae) seien u. s. w. Von den sonst in solchen Breven üblichen
Formeln fehlt die Bestimmung, dass die Pnblication in Rom genü-
gen solle.
Examen de deux questions importantes sur le mariage: com-
ment la puissance civile peut-elle d^clarer des mariages nuls? quelle
est r^tendue du pouvoir des souverains sur les empechements diri-
mants le mariage?, 1753, 4., verb. 1755, ist von dem Parlaments-
advocaten Pierre Le Eidant, f 1768, im Sinne von Launoy geschrie-
ben. — nfy7 wurde verb.: Exposition de la doctrine de l'Eglise
gallicane par rapport aux pretentions de la cour de Rome par M.
du Marsais. Libertes de TEgl. gall. par P. Pithou avec un dis-
cours pr^liminaire, Paris 1778*, 8. Cesar Chesneau du Marsais
war ein irreligiöser Advocat, Mitarbeiter an der Encyclop6die, der
aber vor seinem Tode 1757 die Sacramente empfing. Sein Buch,
das er auf Veranlassung des Präsidenten de Maison begonnen, wurde
ins Italienische und Deutsche übersetzt^) und aus Anlass des fran-
zösischen Concordates von 1817 von dem Philologen R. Ciavier
nochmals herausgegeben, Paris 18 1 7 (Mejer, Zur Gesch. der römisch-
deutschen Frage II, 1, 153). Diese Ausgabe wurde 1819 verb. —
Ausserdem wurden 1757 noch vier anonyme Schriften von dem Ap-
pellanten Etienne Mignot, Dr. Sorb., 1698—1771 (Picot 4, 344), verb.,
alle zu Amsterdam (Paris) erschienen: Memoire sur les liberte«
de l'E'^lise gallicane, 1755 (mit dem Zusätze: sive alibi), 376 S. 8.,
— Trait6 des droits de Tetat et du prince sur les biens possed^s
par le clerg6, 1755, 2 vol. 8., — Histoire du d^mel6 de Henri II.
avec Th. Becket, pr^cedee d'un discours sur la Jurisdiction des
princes et des magistrats s6culiers sur les personnes eccl6s., 1756,
1) La dottrina della chiesa gallicana esposita ed illustrata, Ven. 1766.
Darstellung der Lehre der gallicanischen Kirche in Hinsicht auf die Forde-
rungen der Römischen Kurie, aus dem Französ. des Herrn du Marsais.
Eine alte Vorarbeit zu einem neuen Konkordate bei irgend einer neuen
Einrichtung der kath. Kirche, Stuttg. 1816 (von Werkmeister?); Mastiaux,
Lit.-Ztg. 1818, No. 99.
P. Le Kidant. Et. Mignot a. a. Borach Levi. 793
— Hist. de la reception du Concile de Trente dans les diff^rents
etats cath.f avec les pi^ces justificatives servant ä preuves que les
decrets et reglements eccl^s. ne peuvent et ne doivent etre execut^s
saus Tautorite des souverains, 175H, 2 vol. 8.
Im span. Index steht keine dieser Schriften, dagegen eine von
dem Dr. Sorb. Jean-Pierre Gibert, Corpus juris canonici per regulas
naturali ordine digestas usuque temperatas . . . expositi, 1735, 3
Fol. Im Köm. Index steht weder diese noch eine andere der (gal-
licanischen) Schriften von Gibert (Mich. a. S. Jos. 3,511. Schulte
S. 637), auch nicht die Histoire du droit public eccl^s. fran^ais,
1737 und 1751 (von du Boulay), aus der die Sorbonne 1751 19
Sätze censurirte (Picot 2, 243. Schulte S. 644).
3. In einer Bulle vom 16. Sept. 1747 (Bull. 2, 199) hatte
Benedict XIV. erklärt: nach 1 Cor. 7,13 könne ein getaufter Jude
nicht der Jüdin gebliebenen Frau den Scheidebrief geben; er habe
sie zu fragen, ob sie sich bekehren wolle und cohabitare sine con-
tumelia creatoris; wenn sie sich weigere, könne er eine andere hei-
rathen. In einem Breve an den Cardinal von York vom 9. Febr.
1749 (Bull. 8,2) hatte er bezüglich eines Juden, der getauft werden
sollte und mit einer Protestantin verheirathet war, die katholisch
werden wollte verordnet, das Paar sei nach der Conversion zu
trauen, da seine Ehe propter cultus disparitatem nichtig sei. — Der
elsässische Jude Borach Levi wurde 1752 getauft; er erhielt die
Vornamen Joseph Jean Frangois Elie. Seine Frau, Mendel Cerf,
weigerte sich, ihm nach seinem neuen Wohnort zu folgen, und das
Strassburger Officialat erklärte 1754, er könne eine andere heirathen.
Der Pfarrer Daage zu Villeneuve weigerte sich, die neue Ehe ein-
zusegnen, und das Ofßcialat des Bischofs Fitzjames von Soissons gab
ihm Recht. Levi appellirte an das Pariser Parlament, wurde aber
von diesem 2. Jan. 1758 abgewiesen. Durch ein Decret vom 6.
Sept. 1759 verbot die Inq. zunächst vier Processschriften : Memoire
k consulter et consultation de MM. Pothouin d'Huillot et Travers,
avocats au Parlement, sur Tappel comme d^abus interjeto par Levi
de deux sentences de l'officialite de Soissons . . ., 1757, 51 S. 4.,
— Memoire pour le S. Daage . . . 1757, 64 S. 4., von dem Ad-
vocaten Serieux, — Consultation sur le mariage du juif Borach
Levi, Par. 1758, 87 S. 4. (von P. Le Kidant), — Plaidoyer pour
Mgr. TEv. de Soissons . . . Par. 1758, 94 S. 4., von dem Adv.
Moreau, — ausserdem Dissertation oü Ton prouve que S. Paul dans
le 7. chap. de la 1. aux Cor. n^enseigne pas, que le mariage puisse
etre rompu, lorsqu' une des parties embrasse la religion chr^t., Brux.
1758, 15 S. 4., von dem Appellanten Alexis Desessarts (Picot. 4, 363).
— Recueil important sur la question de savoir si un juif mari6 dans
sa religion peut se remarier .... Amst. 1759, 2 vol. 12., worin
ausser den 4 genannten Schriften auch 4 der Gegenpartei abgedruckt
sind, steht nicht im Index. — 1765 wurde dann noch verb. Opus
inscriptum: Les deux livres de S. Aug. . . . ä PoUentius sur les
mariages adult^res, trad. en fran^ais, avec . . . une dissertation, d6-
dies k Mgr. TEv. de Soissons . . ., 1763, von dem Appellanten
Sc. Maffüi. 795
rief mehrere Entgegnungen hervor; eine derselben wurde 1718,
5 Jahre nach dem Erscheinen der 2. Auflage, verb.: Riflessioni
sopra il libro intit. Della sc. eh. cav. ed insieme la conciliazione
fra le massime dell' antore del suddetto libro e quelle degli altri
professori di detta scienza, del Marchese 6iac. Natta d'Alfiano...,
nuovamente ristampata con molte giunte dair autore, Casale 1713
(zuerst 1711; Giorn. de' lett. [Rom] 1745, 29). — Schon früher
als Natta kam Maffei selbst in den Index, freilich nicht mit der
Scienza cavallerescha, aber mit einer damit zusammenhangenden
b'chrift. Er hatte in der Scienza bemerkt, dass die ersten Ritter-
orden in der Zeit der Ereuzziigo entstanden seien. Nun hatte aber
eben damals ein griechischer Schwindler sich für einen Comnenen
und Nachkommen Constantins und für den Grossmeister eines von
diesem gestifteten Ritterordens ausgegeben, — die ersten 40 Ritter
sollten von Constantin mit der Bewachung des Labarum beauftragt
worden sein, — und seine Grossmeisterwürde, natürlich gegen baar,
an den Herzog Francesco Farnese von Parma und seine Nachfolger
abgetreten, — Maffei behauptet, die Jesuiten hätten diesen zu dem
Geschäfte verleitet, — und Innocenz XII. hatte 1699 in einer an-
geblich von dem Card. Albani (Clemens XI.) verfassten Bulle diese
Uebertragung von Seiten des Jo. Andreas Angelus Flavius Comne-
nus, princeps Macedoniae et Magnus Magister Militiae auratae Con-
stautinianae sub titulo S. Georgii et regula S. Basilii Magni, an den
Herzog genehmigt und Clemens XI. dieselbe durch eine zweite
Bulle vom J. 1701 bestätigt (Bull. cont. 2, 195; vgl. Helyot 1, 249).
Dieser Schwindel wurde nun aufgedeckt in De fabula equestris
ordinis Constantiniani Scipionis Maffeii Marchionis epistola, Tiguri
1712. Bei der Veröffentlichung der Schrift war eine ganze Reihe
von angesehenen Männern betheiligt. Giusto Fontanini galt vielfach
als derjenige, welcher den Entwurf derselben gemacht; er schickte
jedenfalls das Manuscript an Querini und dieser an Montfaucon, der
die Schrift in Paris mit dem Druckort Zürich auf Maffei's Kosten
drucken liess. Sie wurde begreiflicher Weise nicht nur in Parma,
sondern auch in Rom übel genommen. Den Herzog beschwichtigte
Maffei einigermassen durch Ablieferung der noch nicht abgesetzten
Exemplare^). Bei der Index-Congr. wurde die Schrift, wie MafTei
selbst angibt, durch Msgr. Battelli noch im J. 1712 denuncirt. Der
erste von ihr bestellte Censor, Lambertini, sprach sich gegen ein
Verbot derselben aus; es wurde aber in der Person des Msgr.Dan-
1) Er schreibt dem Abate Conti, er wolle dieses thuen, weil ein
Verwandter von ihm wegen eines Processes der Protection des Herzogs
bedürfe. Er beauftragte aber Conti, der die Ablieferung besorgen sollte,
, etwa no Exemplare heimlich nach verschiedenen Seiten zu versenden, auch
für eine Besprechung des Buches in holländischen, französischen und
deutschen Zeitschriften zu sorgen, wegen einer Besprechung in den Mem.
de Trevoux an P. Tournemine zu schreiben, da der Jesuiten-General sage,
er habe keine Autorität über diese Zeitschrift ; Lettere scelte dell' Ab. Ant.
Conti, Ven. 1812, p. 58-71.
796 Italienische Streitschriften.
dini ein zweiter Censor bestellt, der sich anders aussprach. Im
Dec. 1713 gab Maffei dem Card. Piazzi ein Exemplar nnd einen
Brief für den Papst mit ; aber als der Cardinal in Rom ankam, war
das Verbot bereits erfolgt, 15. Jan. 1714. Maffei liess in Rom er-
klären: er werde nicht widermfen und sich auch nicht verpflichten,
keine neue Auflage zu veranstalten. Er bemühte sich in Rom ver-
gebens, die Gutachten der beiden Censoren zu erhalten; das von
Dandini erhielt er durch Muratori. An diesen schrieb er: Das Ver-
bot meiner Schrift böte die beste Gelegenheit, Italien über die Ty-
rannei aufzuklären, welche Rom über Werke ausüben möchte, die
von Dingen handeln, welche ganz ausserhalb seiner Jurisdiction
liegen. Weil jene Narren sich Bullen nnd Breven verschafft haben,
soll man den Betrug nicht aufdecken dürfen. Ich mnss freilich aus
Rücksicht gegen den Herzog schweigen (mordere il freno). Ich
möchte aber, um mich Rom gegenüber aussprechen zu können, eine
Salvaguardia haben, che mi renda persona non cosi di leggieri vio-
labile. Das wäre, meint er, ein kaiserlicher Eammerherrnschlüssell^)
Einen Erfolg hatte Maffei's Schrift freilich nicht. Clemens XI. be-
stimmte durch ein Breve vom J. 1718 eine Kirche in Parma zur
Ordenskirche für den fabulosen Orden und verlieh 1720 Ablässe
für dieselbe (Bull. cont. 2, 196. 211), und der Advocat Michele
Lazzari schrieb gegen Maffei : Exetasis in epistolam Sc. Maffei ad
Gisbertum Cuperum de fabula . . . , Ven. 1725. — Seit Ben. steht
die Schrift ohne Maffei's Namen im Index.
Gegen Maffei's theologische Schriftstellerei wurde unter Bene-
dict XIV. eine grosse Nachsicht geübt (S. 770). Auch seine Schriften
über die Magie kamen nicht in den Index. Sie wurden veranlasst
durch das Buch von Girolamo Tartarotti zu Roveredo (1702 — 61)
Del congresso nottumo delle lamie, 460 S. 4., welches 1749 zu Ve-
nedig erschien, nachdem es zwei Jahre auf die Approbation der dor-
tigen Inquisition hatte warten müssen. Tartarotti bekämpft den
Hexenwahn und polemisirt scharf gegen Delrio, bestreitet aber die
Möglichkeit der Magie nicht. In der Schrift Arte magica dileguata,
Lettera del S. March. Maffei- al P. Innocente Ansaldi delP Ord. de'
Pred., Verona 1749,* 51 S. 4. wird dagegen gezeigt, dass Tarte
magica oggigiomo e un bei nulla. P]r verth eidigte diese Ansicht
in der unter dem Namen Ant. Fiorio herausgegebenen Arte magica
distrutta, 1750, und in der gegen Tartarotti's Apologia del Con-
gresso . . ., 1751, gerichteten Arte magica annichilita, Verona 1754.
Gegen Tartarotti's und Maffei's Schriften erschien eine ganze Reihe
von Gegenschriften ; aber in den Index kamen sie nicht, auch nicht
die ähnlichen (deutschen) Schriften des Theatiners Ferd. Sterzinger
(1766), die von dem Augustiner Agnellus März und dem Benedic*
tiner Angelus März angegriffen wurden^).
1) Rivista Eur. 1880, 26, 229. Card. Quirinus, Comment. 1, 238.
273. Valery 3, 208.
2) Harter 2, 1399; 3. 362. L. Rapp, Die Hexenprocesse und ihre
Gegner in Tirol, 1874, S. 78. 90. 110. 175.
Q. Seotanus (Sergardi). 797
2. Im J. 1700 wurde verb. Quinti Sectani Satyrae in Phi-
lodemiim cum uotis variorum, Col. 1681 idiomate vulgari et latino
editae, and Satire di Salvator Rosa dedicate a Settano, Amst. s.a.
(auch 1719 u. s.). Der Satiren des berühmten Malers sind sechs;
die letzte ist gegen diejenigen gerichtet, welche behaupteten, die
Satiren seien nicht von ihm, sondern von einem Dominicaner^).
Quintus Sectanus ist der angenommene Namen des Msgr. Lodovico
Sergardi (f 1726), der nach dem Tode Innocenz' XI. 1689 auf Ver-
anlassung des Card. Petrucci beauftragt wurde, die Rede an die
Cardinäle über die Papstwahl zu halten, bei Alexander YIII. (1689
— 91) sehr beliebt und Secretär des Cardinais Nepoten Ottoboni
war, auch die literarische Correspondenz des Papstes besorgte und
nach dessen Tode auf Card. Ottoboni^s Veranlassung die Leichen-
rede hielt. Philodemus ist der Jurist Gianvincenzo Gravina, seit
1698 Professor an der Sapienza, einer der Gründer der Accademia
degli Arcadi. Gegen ihn sind die 16 Satiren vorzugsweise ge-
richtet, im übrigen gegen Laster und Lächerlichkeiten der Römischen
Gesellschaft. 14 derselben waren schon 1696 apud Triphonem bib-
liopolam (in Rom) gedruckt, alle 16 (die 16. ist gegen Trifo ge-
richtet, der die Satiren ohne sein Vor wissen und sehr fehlerhaft
gedruckt habe) erschienen cum notis variorum Coloniae (Lucca) 1698
(nicht 1681). £s erschien noch eine Ausgabe mit einem Commen-
tar: Q. Sectani satyrae in Phil, numero auctae, mendis purgatae . . .
ed. novissima curante P. Antoniano, Amst. 1700, 2 vol., in Wirk-
lichkeit zu Rom gedruckt, von Paolo Maffei unter den Auspicien
des Card. Ottoboni besorgt, aber unvollendet (nur 8 Satiren ent-
haltend), nach Fabroni, weil sich Sergardi mit dem Cardinal über-
warf und das Buch verboten wurde. Die Uebersetzung : Satire di
Settano tradotte in terza rima dallo stesso autore, Zurigo (Florenz)
1700, ist nach Melzi 3, 61 nicht von Sergardi, sondern von dem
Pfarrer Girolamo Pallini aus Siena. 1707 erschien zu Palermo eine
zweite Uebersetzung 2).
1737 wählte der mehrfach erwähnte Jesuit Giulio Cesare Cor-
dara dei Conti di Calamandrana (1704 — 85) den Namen Sectanus
für 4 in Hexametern geschriebene Satiren gegen Giov. Lami und
1) Maffei 3, 106. Ciampi, Innocenzo X. p. 272. 292.
2) Fabroni, Vitae It. 2, 370. Melzi 3,44. 61. Valery I, LIÜ. Im Auf-
trage Alexanders VIII. correspondirte Sergardi u. a. mit Mabillon. Bei
Yal. 2, 210 fragt er diesen, wie man in Rom französische, holländische
und englische Bücher bekommen könne. Er war ein Gegner der Jesuiten
und Bewunderer der Lettres provinciales. Ein Heiliger war er ebenso
wenig wie sein Gegner Gravina; Fabr. 2, 370 beschreibt eine Prügelei
zwischen beiden bei einem Diner. — Die Uebersetzung erschien nochmals
mit einer kurzen Biographie Amst. (?) 1788 (Novelle lett. 1788, 177), das
Original Lucca 1783 in 3 vol.; in 4 vol. 4. die anderen Schriften von
Sergardi mit einem Commentar von Leonardo Giannelli, Chierico reg.
della Madre di Div. — Seit Ben. steht im Index: Sectanus Q. Satyrae, —
eaedem cum notis variorum, — eaedem italice. Ben. hat also alle Ausgaben
verbieten wollen.
798 Italienische Streitschriften.
andere Florentiner Gelehrte: Lucii Sectani Q. filii de tota graeeu-
lorum hujus aetatis literatura ad Gajum Salomorinm sermones qua-
tuor. Accessere quaedam Philocardii enarrationes. Genevae (Lucca)
1737. PhilocardiaR und Salomorius ist wahrscheinlich der Jesuit
Girolamo Langomarsini. Lami hielt die Jesuiten Pompeo Ventura
und Langoroarsini für die Verfasser und antwortete in italienischen
Versen: I pifferi di montagna che andarono per sonare e furono
sonati. Baggionamento I. di Gesellio Filomastige, Leida (Florenz?)
1737. Von Cordara erschien dann L. Sectani Q. F. ad Gajum
Salomorium sermo V. cum M. Philocardii enarrationibus, Corythi
1738, und von Lami, jetzt auch in Hexametern, M. Thymoleontis
adversus improhos bonarumque artium osores Menippea. Accesse-
ruut Sex. Philomedis enarrationes, Londra (Florenz) 1738 (Phi-
lomedes ist der Florentiner Pfarrer Bini). Schärfer noch als in der
ersten Antwort greift Lami in dieser die Jesuiten überhaupt an.
In einer Appendix steht ein chronologisches Register von Sünden
der Jesuiten von 1540 — 1738, darin z. B.: 1630 Galilei a Jesuitis
persecutionem passus; 1731 die Geschichte des P. Girard und der
Cadiere; 1737 Jesuitae sub Sectani nomine satyras edunt et vires
doctos ac probos Florentinos ex mera invidia maledictis pro-
sequumtur. Am 13. Apr. 1739 wurden die erste Schrift von Cor-
dara und beide von Lami verboten. Es erschienen noch einige
Schriften, von denen aber die Index-Congregation keine Notiz nahm.
Auf Verlangen Clemens' XII I. untersagte schliesslich der General
Hetz den Jesuiten die Fortsetzung der Polemik. Lami gab später
sämmtliche Schriften, auch die verbotenen heraus: Raccolta di com*
posizioni diverse sopra alcune controversie letterarie insorte nella
Toscana nel corrente secolo, s. 1. (Lucca) 1761,* 2 vol. 4. Die Ser-
mones von Cordara wurden von dem Jesuiten Guido Ferrari mit
VVeglassung der Fnarrationes Philocardii, die er als die Ursache des
Verbotes ansah, Hague 1 752 neu herausgegeben und stehen auch in
den Opere del Cordara, Ven. 1804^).
Ein ausführlicher Bericht Lami^s über den Streit ist abge-
druckt in dem Elogio del D. Giov. Lami . . . dall' Ab. Franc. Fon-
tani, Firenze 1789, p. 111. In diesem Buche wird auch über die
Angriffe berichtet, die Lami von anderen Seiten erfuhr. Unter
anderm wurde er wegen der Bestreitung von Legenden, z. B. dass
die Apostel von Toscana, Romulus, Paulinus und Frontinus, von dem
h. Petrus gesandt worden seien, als Ketzer und von Leone Pascoli
als l'empio autore del libro De eruditione apostolorum bezeichnet
In einem S. 107 abgedruckten Billet vom J. 1721 bittet ihn der
Inquisitor von Florenz, die Veröffentlichung des 9. Bandes seiner
Deliciae ernditorum zu suspendiren, da die darin ausgesprochenen
Zweifel an der allgemeinen Ansicht, dass das Gesicht der Madonna
in Santa Nunziata von einem Engel gemalt sei, Anstoss erregen
werde, zumal die Riten -Congregation für die Serviten ein Officum
1) Melzi 3, 45. U. N. 1739 B, 147 ; 1740 B, 93. Döllinger, Beitr. 3. VIII.
Lucius Sectanus (Cordara). 6. Lami. 6. Gigli. 799
des fiel. Alexius Faloonieri approbirt Labe, in dem es heisse: Orante
cum aliis sociis B. Alexio vnltum coelitus perfectum fuisse tradnnt.
Da der Band doch ausgegeben wurde, fielen die Servilen über Lami
her. — Lami blieb freilich seinen Gegnern nichts schuldig (Hurter
3, 114), und in seinen Schriften und in dem Elogio kommen so
starke Stellen über die L^nwissenheit der italienischen Geistlichen,
die Legenden des Breviers u. a. vor, — auch die Bemerkung, dass
manche Bticlierverbote Born bei den Ketzern lächerlich machten, —
dass man der Index-Congr. eine Anerkennung dafür nicht versagen
kann, dass sie dieses hingehen Hess.
3. Girolamo Gigli, geb. ICGO zu Siena, seit 1698 Professor
der italienischen Sprache daselbst, war Verfasser mehrerer Theater-
stücke. Eins derselben, II Bon Pilone, ovvero il bacchettone falso,
Commedia tratta nuovamente dal francese, Lucca 1711, eine Nach-
ahmung des TartuflPe, wurde 1718, nachdem er vorher durch eine
andere Schrift in Ungclegenheiten gekommen war, verb. 1707 ver-
öffentlichte er den Prospectus zu einer Sammlung der Scrittori
Sanesi, die 32 Quartbünde füllen sollte (Clar. Yen. ad Magliab.
Epp. 266). Es erschien davon aber nur eine Gesammtausgabe der
Werke der h. Caterina von Siena, 1707 — 13, 4 vol. mit Anmer-
kungen des Jesuiten Fed. Bnrlamacchi (Clement 6, 424). 1708
wurde Gigli als Erzieher eines Fürsten Buspoli, der später Cardinal
wurde, nach Rom berufen ; er wurde von Clemens XI. und vielen
Cardinälen gern gesehen. Hier begann er die Ausarbeitung und den
Druck eines Vocabolario Cateriniano; die einzelnen Bogen wurden,
so wie sie gedruckt waren, an die Subscribenten vertheilt. Die Ar-
beit wird wissenschaftlichen Werth haben, enthält aber vieles, was
niclit in ein Vocabolario gehört; namentlich liess Gigli seiner Nei-
gung zu spöttischen und satirischen Bemerkungen freien Lauf, vor
allem gegen die Florentiner im allgemeinen, gegen die Accademia
della Crusca (sie hatte eigenthümliche Ausdrücke der h. Caterina
und des Dialektes von Siena nicht als classisch anerkennen wollen)
und gegen einzelne Personen in Florenz, u. a. einen P. Zanobi
Campana. Nachdem der Artikel Pronunzia p. 141— 232 erschienen
war, liess der Grossherzog Cosimo die gedruckten Bogen durch den
Henker verbrennen, Gigli aus der Crusca ausstossen und ihm die
Rückkehr nach Toscana verbieten und führte nun auch bei dem
Papste Klage, dass man ein solches Buch in Rom passiren lasse.
In Folge davon erschien dann ein Edict des Mag. S. Pal. Selleri
vom 21. Aug. 1717 (A. J. P. 2, 2645) des Inhalts: Es werden
viele Blätter verbreitet, die von der h. Caterina von Siena handeln,
beginnend: Girolamo Gigli a chi legge, die ohne Approbation des
Mag. S. Pal., man weiss nicht, wo, gedruckt sind, mit Uebertretung
der Decrefe vom 13. Sept. 1625 und 20. Nov. 1659, und welche
Spöttereien enthalten, die der Reputation anderer Eintrag thuen,
was der Instruction Clemens' VIII. zuwiderläuft. Darum verbiete
ich kraft meines Amtes und in speciellem Auftrage Clemens' XL
diese bis p. 312 gehenden Blätter u. s. w. — Muratori schreibt
über das Buch: Die Unannehmlichkeiten, die sich der arme Gigli
800 Italienische Streitschriften.
zugezogen, werden den Werth seines Buches nicht vermindern, sondern
vermehren, da man nun noch mehr neugierig darauf sein wird. Ich
habe es mit vielem Vergnügen gelesen . . Wenn es einmal voll-
ständig erscheint, wie ich hoffe, wird es die Verfolgung in Florenz
so berühmt gemacht haben, dass es grossen Absatz finden wird.
Gigli bat übrigens später den Grossherzog und die Florentiner in
einer ausführlichen Ketractatiou um Verzeihung. — Gigli war bis
zu dem Worte Ragguardare gekommen. Nach seinem Tode (1721)
besorgte Giac. Angelo Nelli, wahrscheinlich zu Lucca, einen Neu-
druck mit einer Fortsetzung von anderer Hand und einigen Zu-
thaten: Vocabolario Cateriniano di Girolamo Gigli, da lui lasciato
imperfetto alla lettera R, e che in questa seconda impressione si
d^ compito, ove si spiegano e si difendono alcune voci e frasi di
S. Caterina da Siena, usate da essa nelle sue opere secondo il dia-
letto Sanese o sue proprio, con Taggiunta . . . delle lettere di quasi
tutte le accademie d Italia in approvazione della locuzione della
Santa. A Manilla nell' Isole Filippine, con licenza de' superiori,
s. a.*, XLIV u. 483 S. 4.i).
1721 wurden verb. Satire di Beuedctto Menzini, Cittadino
Fiorentino, Amst. 1718. Menzini (1646—1708) lebte seit 1685 in
Rom als Professor an der Sapienza und Arcade, wurde von der
Königin Christine und mehreren Cardinälen protegirt, von Inno-
cenz XII. zum Canonicus ernannt (Fabroni 7, 264) und war nach
Tiraboschi 8, 471 einer der ersten Satiriker. Von seinen 12 Satiren
(u. a. gegen Gio. Andrea Moniglia, Leibarzt Cosimo^s III., und gegen
die Jesuiten) gab er Freunden Abschriften, wollte sie aber nicht
drucken lassen. Nach seinem Tode wurden sie wiederholt gedruckt;
die im Index stehende Ausgabe ist (mit Anmerkuugen von A. M.
Salvini) zu Neapel gedruckt. In den älteren Indices steht auch
Storia di Ben. Menzini, von Ben. gestrichen; Storia wird aus Satire
entstanden sein; eine Storia wird von Menzini nirgend erwähnt.
Madame de Graffigny gab 1747 Lettres d'une Peruvienne her-
aus, von denen sie sagte, sie seien aus dem Peruanischen übersetzt,
im Originale aber grösstentheils nicht geschrieben, sondern mit Qai-
pos hergestellt, d. h. mit WoUtäden von verschiedenen Farben und
Formen (mit verschiedenen Knoten u. dgl.). Raimondo di Sangro,
Principe di San Severo Hess nun einen Brief dmcken, der einer
ungenannten Herzogin die Zweifel an der Möglichkeit einer solchen
peruanischen Schrift benehmen sollte: Lettera apologetica dell'
Esercitato Accademico della Crusca, continente la difesa del libro
intitolato Lettere d^una Peruana, per rispetto alla supposizione de*
1) Jo. Lami, Memorabilia Italorum, Flor. 1742. p. 149 (Hicron.
Lilius). Lettere inedite di L. A. Muratori, 1854, p. 290. 342. S88. 469.
Götze, Merkwürd. 2, 82. Götze hat Gigli persönlich gekannt (er erwähnt
u. a., dass er ein Jesuitenfeind gewesen) und beschreibt ein pjxeniplar des
Vocabolario von 320 Seiten (es waren also mehr als 312 gedruckt), dem
die Retractation bei gebunden ist. Diese steht auch in der Ausgabe von
Nelli p. 204.
Die Freimaurer. SOl
Quipn, scritta alla Duchessa di '*"*"*' e dalla medesima fatta pubblicare,
Neapel 1750, 320 S. 4. Auf sein Thema kommt der Autor erst
p. 183, vorher und auch nachher in Noten und Digressionen schwätzt
er über allerlei, auch über philosophische und theologische Dinge,
auch über das Kainszeichen, über das Wunder des h. Januarius,
das er gegen d'Argens vertheidigt, u. s. w. Das Buch wurde
1752 verb. Er erschienen auch zwei anonyme Gegenschriften;
Lettera nella quäle si censura la Lettera dell' Esercitato . . . , Flo-
renz (Neapel) 1751, von dem Jesuiten Sertori de Mattel, und
Parere intorno alla vera idea contenuta nella Lettera apolog. . . ,
Neapel (Rom) 1752, von dem Abate Innoc. Molinari. Letztere
liess der König von Neapel als ein Pasquill gegen den Ver-
fasser der ersten Lettera verbrennen; es hiess auch, er werde
den Papst auffordern, alle Exemplare in Rom confisciren zu lassen^).
Ob dieses geschehen, weiss ich nicht; jedenfalls steht das Parere
nicht im Index. 15 Jahre später, 1765, wurden aber die Lettres
d'une Peruvienne verb.
75. Die Freimanrer.
Clemens XII. und Benedict XIV. verdammten durch Bullen
vom 28. April 1738 bezw. 28. März 1751 die Gesellschaften der
Liberi Muratori oder Francs-MaQons, verhängten über die Mit-
glieder derselben die reservirte Excommunicatio latae sententiae
und geboten den Bischöfen und Inquisitoren, gegen sie als der
Ketzerei verdächtig einzuschreiten. Eine ähnliche Bulle erliess
Pius VII. 13. Sept. 1821 gegen die Carbonari (Bull. 15, 446).
In einer Bulle Leo's XII. vom 13. März 1825 werden diese
drei Bullen inserirt und bestätigt (Acta S. S. 1, 301). In der
Bulle Pius' VIL wird auch das Behalten und Lesen „aller Cate-
chismen der Carbonari, der Bücher, in welchen beschrieben wird,
was bei ihren Zusammenkünften geschieht, ihrer Statuten und
aller zu ihrer Vertheidigung geschriebenen Schriften, gedruckter
und handschriftlicher," bei Strafe der reservirten Excomm. 1. sent.
verboten. Merkwürdiger Weise ist dieses Verbot nicht in den
Index aufgenommen. Auch von den Freimaurer-Schriften stehen
in diesem aus dem 18. Jahrhundert nur eine (und ein bei Caglio-
1) Zaccaria, Storia lett. 1752, III, 525. Novelle lett. 1751, 776;
1753, 103.
Reneoh, Index ü. 51
802 Die Freimaurer.
stro confiscirtes Manuscript !), ans dem 19. nur wenige ; die von
Reghellini de Schio werden in den gewöhnliehen Lieenzen zum
Lesen verbotener Bücher ausgenommen.
Nach Leo XII. haben sich noch gegen die Freimaurer und die
geheimen Gesellschaften ausgesprochen Pius VIII. in der Encyclica
vom 24. Mai 1829, Pius IX. in der Encyclica vom 9. Nov. 1846
und in der Allocution vom 25. Sept. 1865 (Acta S. S. 1, 318.291.
193) und Leo XIII. in der Encyclica de secta Massonum vom 20.
-Apr. 1884 (mit der dazu gehörenden Instructio der Inquisition ab-
gedr. Katholik 1884, 1,534.653). Die Inquisition hat Fer. IV. 12.
Jan. 1870 (Acta S. S. 1, 290; 5,369) erklärt, dass auch die irischen
und americanischen Fenier unter das Verbot fallen.
Nach der Veröffentlichung der Bulle Clemens' XII. verbot die
Inq. 1739 Relation apologetique et historique de la sociit^ des
Francs-Mayons par J. Gr. D. F. M. D., Dublin 1738. Das Buch
wurde (mit einer Schrift über die Wunder des Diakonus Paris) vor
der Minerva feierlich verbrannt (Fleur. 76, 489). Im span. Index
stehen ausser der Relation auch Bist, des obligations et Statuts de
la tr^s-vÄn. confraternit^ des Francs-Ma^ons, Frcf. 1742, und L' ordre
des Fr.-M. trahi et le secret des Mopses r6vel6, Amst. 1745. In
demselben Jahre 1739 wurde zu Florenz Tommaso Crudeli von
der Inquisition verhaftet und angeklagt, dass er Freimaurer sei, über
die Madonna dell' Imprnneta und San Creaci (S. 430) gewitzelt
verbotene Bücher (Marchetti, Sarpi, Leti's Vita di Sisto V.) gelesen habe
und dgl. 1740 wurde er zu Hausarrest verurtheilt und ihm aufgegeben,
ein Jahr lang alle Monate die 7 Bnsspsalmen zu beten. Cantü be-
zeichnet Crudeli (1703 — 45) als discreto poeta lepido, erzählt aber
von ihm, er habe in einem Gedichte von dem Senator Fil. Buonarroti
gerühmt, dass er frenar solea il tempestoso procellar del olero, und
sich dadurch Anfeindungen von Seiten der Geistlichen zugezogen.
Die nach seinem Tode gedruckte Raccolta di poesie del Dottor T.
Crudeli, Napoli (Florenz) 1746, wurde sofort verb.^).
Cagliostro wurde 28. Dec. 1789 verhaftet und auf die Engels-
burg gebracht. Am 7. April 1791 erklärte die Inquisition unter
dem Vorsitze des Papstes, er sei allen von den h. Canones und den
bürgerlichen und municipalen Gesetzen den formellen Haeretikem,
Haeresiarohen, Astrologen, Magikern und Freimaurern angedrohten
Strafen verfallen und also dem weltlichen Arme zu übergeben; der
Papst habe aber aus besonderer Gnade diese Strafe in lebensläng-
liche strenge Haft ohne Hoffnung auf Begnadigung umgewandelt,
unter der Voraussetzung, dass er abschwöre (er starb 1795 in der
1) Cantü 8, 483. 453. Dieser citirt für den Process Fatti attinenti alls
Inquisizione e sua storia generale c particolare in Toscana, Florenz 1782.
Le Bret, Mag. 8, 572. 579. Tipaldo 6, 40. Ferd. Sbigoli, Tomm. Crudeli
e i primi framassoni in Firenze, Mil. 1884; vgl. F. T. Perrens, ün poete
francmagon devant Ic S. Office au 18. siecle, in Rev. des d. m. 1885,
67, 142.
T. Crudeli. Cagliostro. Keghellini u. a. 80S
Festung S. Leo). Die bei ihm gefundenen Bücher und Instrumente
wurden vor der Minerva verbrannt, darunter ein Manuscript, worin
die Inquisition die christliche Religion untergrabende, abergläubische,
gottlose ... und ketzerische Sätze gelimden. Das ist Ma^'onnerie
egyptienne rass., welches als 7. April 1791 verb. im Index steht ^).
In Spanien wurden 1789 strenge verb. Memoires authentiques pour
servir a Thist. du Comte de Cagliostro, par Mr. Beam***, Hamb.
1786.
Von Reghellini de Schio (er stammte aus einer Venetiani-
schen Familie, war zu Schio geboren, lebte aber zu Brüssel und
Paris, t 1853) verbot die Index-Congr. 1836: La ma^onnerie con-
sideree comme le resultat des religions egyptienne, juive et chr^t.,
Paris 1833, 3 vol., und Examen du mosaisme et du christianisme,
Paris 1834. 3 vol."), dann 1839 die Inq. eine ältere und kleinere
Schrift: Esprit du dogme de la franche ma^onncrie; recherches sur
son origine et celle de ses differents rites, compris celui du carbo-
narisme, Brux. 1826. — Ausserdem stehen noch im Index: Examen
critico de las causas de la persecucion que han experimentado los
francmac^ones, y explicacion de las bulas de los Sumos Pontifices
demente XII. y Benedicto XIV., verb. 1820; — La sociedad de
los Francos Ma^ones sostenida contra las falsas preocupaciones por
F. . . . R., verb. 1822^); — Historia da Franc-Magonaria ou dos
pedreiros livres pelo author da Bibliotheca magonica, von der Inq.
verb. 1846; — Zeffirino Falcioni. Coup d'oeil sur le christianisme,
par un Franc-magon, disciple de la philosophie positive, ancien se-
cr6taire de la chapelle pontificale, Paris 1879, verb. 1880.
1) Compendio della vita e dellc gesta di G. Balsame denominato il
Conte Cagliostro, che si e estratto dal processo contro di lui formato in
Roma Pa. 1790, e che puo servire di scorta per conoscere l'indole della
setta de' Liberi Muratori, Rom 1791. Cantü 3, 399. N. Antol. 1881, 26,
622. Allg. Ztg. 1833, 131 B. Herzan (bei Brunner, Theo!. Dienerschaft
S. 183) meldet im April 1789: Cagl. habe um sicheres Geleit angesucht;
es sei ihm geantwortet worden, da er im Kirchenstaate kein Verbrechen
begangen, habe er dessen nicht nöthig; im Mai: er sei angekommen, mit
einer Empfehlung des Fürstbischofs von Trient an Card. Albani; 30. Dec.
1789: er sei verhaftet worden, gleichzeitig der Capuciner Florentin de
St. Maurice; 2. Sept. 1795: Cagl. sei im Kerker unter Gotteslästerungen
gestorben. — Der Capuciner wurde für schuldig erklärt, zu Rom Frei-
maurer geworden zu sein, die abergläubische, gottlose und ketzerische
ägyptische Secte durch Wort und Schrift begünstigt und Zauberei und
Astrologie getrieben zu hal)en, mit Rücksicht auf einige Umstände und
sein freiwilliges Bekeiintniss aber nur zu zehnjähriger Haft in einem Kloster
verurtheilt.
2) Carove, Neorama 2, 215.
3) Viele andere span. Schriften verzeichnet Pelayo 3, 640. 782.
d04 Jesuiiica 1740-60.
76. Jesnitica 1740—60.
Von den an den sonderthtimlichsten Ansichten reichen Werken
des gelehrten Jesuiten Jean Hardouin (1646— 1729) wurden 1739
Opera selecta und Opera varia, 1742 der Commentar zum N. T.
verboten. Die Opera selecta waren schon 1709 erschienen und
sogleich von den Oberen der französischen Jesuiten desavouirt,
auch der Verfasser zu einer Retractation genöthigt worden. Auch
die nach Hardouins Tode 1733 erschienenen Opera varia wurden
sofort von den Jesuiten desavouirt. Im spanischen Index stehen
diese Werke nicht. Wenn mau es schon auffallend finden konnte,
dass die Oberen des Jesuitenordens das Erscheinen der Werke
Hardouins, die sie nachträglich desavouirten, nicht verhindert
hatten, so erscheint noch auffallender ihr Verhalten gegenüber
einem Schüler Hardouins, Joseph Isaac Berruyer (1681 — 1758).
Er veröffentlichte eine Geschichte des Volkes Gottes in drei
Theilen, von denen jeder folgende anstössiger ist als der vor-
hergehende. Der erste erschien 1728 mit Approbation der fran-
zösischen Oberen, musste aber auf Befehl des Generals umge-
arbeitet werden. Von dem zweiten, der 1753 erschien, erklärten
die Oberen, er sei ohne ihr Vorwissen veröffentlicht worden,
und Berruyer selbst erklärte seine Unterwerfung unter die ver-
dammenden Urtheile des Erzbischofs von Paris 1754 und des
Parlaments 1756, Hess aber sofort 1757 den 3. Theil erscheinen.
Die beiden ersten Theile wurden von der Index-Congregation
1734 und 1755, eine italienische Uebersetzung des zweiten 1758
durch ein Breve Benedicts XIV. und der 3. durch ein Breve
Clemens' XIII. verboten. Unter Clemens XUI., dem Gönner
der Jesuiten, wurden dann noch mehrere Vertheidignngen Ber-
ruyers verboten. In Spanien wurden erst 1759 alle drei Theile
verboten. — Unter Benedict XIV. und in den ersten Jahren Cle-
mens' XIII. wurden auch einige der Schriften gegen die Jesuiten
verboten, die um diese Zeit in grosser Zahl erschienen.
1. Von Hardouin soll Daniel Hnet gesagt haben: er habe
40 Jahre daran gearbeitet, seine Keputation als Gelehrter zu rui-
niren, ohne dass ihm dieses ganz gelungen sei. Von ihm selbst
citirt Cret.-Joly 4,210 die Aeusserung: er stehe nicht jeden Morgen
J. Hardouin. 605
um 4 Uhr auf, pour etre de l'avis de tout le monde. Zu den Punk-
ten, in denen er anderer Meinung war als die ganze Welt, gehörte
namentlich die Ansicht: der Theologe habe nur drei zuverlässige
Quellen, die Vulgata (den lateinischen Text des N. T. hielt er für
den Originaltext), die Acten des Trienter Concils und die mündliche
Ueberlieferung ; der griechische Bibeltext, die Schriften der Kirchen-
väter, die Acten der älteren Concilien u. s. w., sowie die meisten
Schriften der Classiker seien von einer Bande von Nebulones im 13.
und 14. Jahrh. fabricirt worden. H. hatte auch eigenthümliche
dogmatische Ansichten, z. B. der Logos habe erst mit der Mensch-
werdung angefangen, Sohn Gottes zu sein. Im allgemeinen aber
hielt er an der streng römisch-katholischen Anschauung fest, und
eben die üeberzeugung, dass diese auch der Glaube der ersten
Jahrhunderte gewesen sein müsse, und die Thatsache, dass sich in
der altem Literatur vieles findet, was zu diesar üeberzeugung nicht
passte, brachte ihn auf den Gedanken einer grossartigen Fälschung^).
H. begann seine Thätigkeit als theologischer Schriftsteller 1687
mit De baptismo quaestio triplex. Die Schrift de nummis Herodia-
dum, 1693, wurde gleich nach ihrem Erscheinen von seinen Oberen
unterdrückt. 1696 erschien Numismata saeculi Constantiniani und
1697 mit Approbation des Provinciais Chronologia Veteris Test.,
beide zu Paris. Letztere wurde vom Parlament verboten, aber so-
gleich, angeblich auf Veranlassung eines Freundes, in Strassburg
und 1699 in Lyon neu gedruckt (Back er s. v.). 1709 erschienen
bei J. L. de Lorme in Amsterdam in Folio: Fr. Harduini e S. J.
Presb. Opera selecta, tum quae jampridem Parisiis edita nunc emen-
datiora et auctiora prodeunt, tum quae nunc primum edita, Amstelod.
1709, Fol. Das Werk wurde schon 1708 angekündigt Das Auf-
sehen, welches die Ankündigung erregte, veranlasste die Jesuiten,
H. aufzugeben, die bedenklichsten Sachen wegzulassen oder zu cor-
rigiren. Der Drucker wollte sich aber auf diese nachträglichen
Aenderungen nicht einlassen. Darauf erschien eine Protestation du
P. Hardouin contre T^dition de ses ouvrages que Ton fait k Amster-
dam (dem Augustheft der Mem. de Trev. von 1708 beigefugt),
worin er sagt: an der Ankündigung des Werkes habe er keinen
Theil; er habe dem Drucker Aenderungen gesandt, die derselbe nicht
berücksichtigen wolle; er desavouire also in voraus die Ausgabe,
die vieles enthalte, was sie nicht enthalten würde, wenn de Lorme
gegen ihn handelte, wie ein Verleger gegen den Autor handeln sollte.
Ein unbekannter Protestant schreibe ihm die Meinung zu, die Schriften
der Kirchenväter seien unterschoben; er habe aber über diese keine
andere Ansicht als die der Römischen Kirche und der gelehrtesten
Kritiker und kath. Theologen, und wolle alle Stellen streichen, die
1) Mem. de Trev. 1761, 3012. Biblioth. rais. 11, 237. Ein witziges
Epithaphium auf H. von I. Vernet bei Hurter 2, 1100. Ein Analogon zu
H. aus der neuesten Zeit ist der Kömische Professor Aloysius Vincenzi,
der Verfasser des Buches De Hebraeorum et Christianorum sacra mo-
narchia et de infallibili in utraque magisterio. Deutscher Merkur 1882, 225.
806 Jesuitica 1740—60.
jenen Protestanten auf jene Meinung hätten bringen können. Dass
jener Protestant mit Unrecht für seine Ansichten seinen Orden ver-
antwortlich mache, habe er schon im 11. Bande von Le Clercs ßi-
bliotheque choisie erklärt. In dieser Zeitschrift steht 14, 332 ein,
also von H. herrührender Artikel : Sentiments d'an Doctenr de Sor-
bonne sur un libelle intitule Dissertations bist, sur divers snjets,
Rotterd. 1707, in welchem gesagt wird: Si le P. Hardouin a quel-
ques sentiments particuliers, il faut les mettre sur son eompte et ne
les pas imputer ä sa societe, qui n'y entre pas plus que les cen-
seurs ou approbateurs de debors, dont il faut avoir Tattache pour
avoir la permission d'imprimer. Als Verfasser der Dissertations be-
zeichnet H. dabei La Croze, der dann 1708 unter seinem Namen
Vindiciae veterum scriptorum contra J. Harduinum herausgab. —
Bald darauf erschien eine Protestation de J. L. de Lorme des In-
halts: er habe die Werke genau nach dem von H. gelieferten Ma-
nuscripte gedruckt, sich aber auf die von den Oberen gewünschten
Retranchements nicht eingelassen, weil dieses dem Buche zum Scha-
den gereicht haben würde (Bibl. choisie 17, 373). — Noch vor dem
Erscheinen des Bandes veröffentlichten der Provincial Michel Le
Tellier und die drei Superioren des Jesuiten collegs zu Paris eine
Erklärung folgenden Inhalts (Mem. de Trev. 1709, 367. Bibl. choisie
18,252): In dieser Ausgabe stehen Werke, von denen wir gewünscht
hätten, dass sie nie erschienen wären. Das Buch de nummis Hero-
diadum (1093), welches die Grundlage der anderen bildet, wurde
von den Superioren unterdrückt. Die Chronologie des A. T. und die
Schrift über die Münzen des Constantinischen Jahrhunderts sind nicht
verkauft und wären nie gedruckt worden, wenn die Revisoren ge-
merkt und den Superioren mitgetheilt hätten, dass darin Stellen vor-
kommen, welche den Zweck haben, das System zu begründen, wegen
dessen jenes Buch verboten wurde. Andere Bücher derselben Ten-
denz sind im Auslande gedruckt worden, ohne von dem Orden re-
vidirt worden zu sein ; auch einige Bücher, von denen de Lorme sagt,
sie würden in seiner Ausgabe zuerst erscheinen, sind nicht revidirt
worden. Wir haben ihn vergebens gebeten, diese Schriften wegzu-
lassen. Man erhebt mit Recht gegen diese Bücher folgende Ankla-
gen: 1. nach H.'s Grundsätzen kann man schliessen, fast alle alten
kirchlichen Denkmäler und viele profane seien unterschoben; 2. H.
bezweifelt thatsächlich die Echtheit mehrerer; 3. die Echtheit meh-
rerer bestreitet er entschieden; 4. er scheint den griechischen Bibel-
text nicht für alt zu halten ; 5. er trägt andere Neuerungen vor.
Wir erklären: 1. wir verwerfen als verderblich das Paradoxon von
der Unterschiebung des griechischen Bibeltextes, der patristischen
Schriften und der kirchlichen Monumente, die allgemein in der Kirche
anerkannt werden; 2. wir betrachten als eine Chimäre die Bestrei-
tung der profanen Schriften, die von den Kritikern als echt ange-
sehen werden, 3. namentlich derjenigen, die von den Kirchenvätern
citirt werden; 4. wir bezeichnen als falsch alle Thatsachen und
Grundsätze in den Schriften H.'s, aus denen jene Paradoxen erschlos-
sen werden können; 5. wir desavouiren alle anderen von der ge-
J. Hardouin. 807
wohnlichen Ansicht der kath. Theologen abweichenden Ansichten
H.'s.; 6. wir erklären hiemit nichts, wozu wir nicht von dem Pater
General autorisirt worden wären. Das System des P. H. ist übrigens
in den Mem. de Trev. schon bekämpft worden, ehe ein holländischer
Protestant (La Croze ist gemeint) es als ein Dessein concert^ entre
les Boperienrs de la Compagnie angegriffen hat. — Unter dieser
Erklärung steht folgende von H. selbst vom 27. Dec. 1708: Ich
unterschreibe aufrichtig die vorstehende Erklärung. Ich verdamme
in meinen Werken, was sie verdammt, namentlich was ich von einer
gottlosen Partei sage, welche vor einigen Jahrhunderten die meisten
der bisher als alt angesehenen kirchlichen oder profanen Werke
fabricirt habe. Ich verspreche, nie etwas zu sagen oder zu schreiben,
was dieser Ketractation widerspräche.
Nach den im Orden geltenden Verordnungen durfte kein Jesuit
irgend etwas ohne Erlaubniss der Oberen veröffentlichen^). Wenn
also wirklich H. Schriften ohne eine solche Erlaubniss veröffentlicht
und einem Amsterdamer Buchhändler ohne Erlaubniss das Manuscript
zu den Opera selecta übersandt hatte, so darf man sich billiger
Weise wundem, dass er nicht aus dem Orden entlassen und dass
nicht wenigstens seine Schriftstellerei unter die strengste Aufsicht
gestellt und dafür gesorgt wurde, dass seine Manuscripte nicht in
Hände solcher geriethen, die sie nach seinem Tode (1729) veröffent-
lichten. 1733 erschienen, wieder zu Amsterdam, in Folio Jo. Har-
duini S. J. Opera varia, darin p. 1 — 258 Athei detecti, worin u. a.
Jansenius, Quesnel, Pascal, Arnanld, Nicole, Cartesius und Male-
branche als Atheisten figuriren (Biblioth. rais. 21, 237). Vor dem
Erscheinen des Bandes brachten die Mem. de Trev. 1733, 1677 fol-
gende von dem Provincial Pierre Frogerais und drei Superioren
unterschriebene Erklärung: Man druckt in Holland ein nachgelas-
senes Werk von H. Es ist zu fürchten, dass darin Sachen stehen,
die zu seiner Ketractation nicht stimmen. Der Provincial und die
Superioren erklären : 1 . sie wissen nicht, wer die Werke herausgibt
und wie er die Manuscripte erhalten; 2. wenn es ihnen möglich
wäre, würden sie den Druck ohne vorherige Prüfung nicht dulden ;
3. sie werden nicht dulden, dass einer ihrer Untergebenen die in der
Betractation verworfenen Meinungen lehre. — 1741 erschien dann
noch zu Amsterdam, von dem Verleger dem Card, de Tencin gewid-
met, Commentarius in N. T. ; accedit lucubratio, in cujus 1. parte
ostenditur, Cepham a Paulo reprehensum (Gal. 2, 11) Petrum non
fuisse, in altera p. Joannis Ap. de S. Trinitate locus (1 Job. 5, 7)
explanatur et eidem suo auctori vindicatur. Dass die französischen
Jesuiten nicht auch über dieses Buch, obschon es ebenso viel Be-
denkliches enthielt wie die früheren (Biblioth. rais. 27, 162; 28, 166),
eine Erklärung abgaben, wird Mem. de Trev. 1761, 3035 damit ent-
schuldigt: es habe wenig Aufsehen erregt und es seien nur wenige
1) K. Th. Hei gel, Zur Gesch. des Censurwesens in der Gesellschaft
Jesu, Archiv des D. Buchh. 6, 162. Deutscher Merkur 1663, 163.
808 Jesuitica 1740—60.
Exemplare nach Frankreich gekommen. Aber 1761 waren doch
schon die Verkehrtheiten dieses Werkes von Hardouin dnrch seinen
Schüler Berruyer popularisirt worden. — Im span. Index steht nur
Ad censnram scriptorum veterum Prolegomena juxta autographum,
Lond. 1766, strenge verb. 1777 (vgl. Back er s. v. n. 99).
Die von H. herausgegebene Conciliensammlnng steht nicht im
Index, wurde vielmehr in Rom sehr gut aufgenommen, fand aber in
Frankreich als antigallicanisch Widerspruch. Er begann schon 1695
daran zu arbeiten. Die Assembl6e du Clerge von 1700 gestattete,
dass das Werk unter ihren Auspicien erscheine, unter der Bedingung,
dass es den Doctoren Pirot und Witasse und dem Parlamentsadvo-
caten Le Merre zur Revision vorgelegt werde. Um diese Censur zu
vermeiden, erwirkten die Jesuiten die Erlaubniss, dass das Werk in
der königlichen Druckerei gedruckt werde. 1715 war die Collectio
regia maxima conciliorum in 12 Folianten vollendet. Nach dem Tode
Ludwigs XIV. verbot das Parlament 20. Dec. 1715 vorläufig den
Verkauf des Werkes und beauftragte die Doctoren Anquetil, Dupin,
Witasse und Leger und die Advocaten Le Merre und Bertin mit
einer genauen Prüfung desselben. Die drei ersten starben vor der
Beendigung derselben, die drei anderen überreichten 13. Aug. 17*22
ein ausfuhrliches Avis. Das Parlament verordnete darauf 7. Sept.:
die Conciliensammlnng dürfe nur verkauft werden, nachdem die De-
dication an Ludwig XIV., — in welcher u. a. die Hoffnung ausge-
sprochen war, brevi fore, ut renitentes qui supersunt (Card. Noailles
und die anderen Bischöfe, welche die Bulle TJnigenitus nicht ange-
nommen) ad unitatem fidei revocentur, — entfernt, dem ersten Bande
das Avis des censeurs und die Arrets des Parlaments und jedem
Bande die betreffenden Stücke des Avis beigedruckt wären. Das
Avis u. s. w. war bereits gedruckt; aber auf Betreiben der Jesuiten
ernannte das Conseil du Roi andere Censoren und cassirte auf deren
Gutachten hin 21. Apr. 1725 den Parlamentsbeschluss und verord-
nete : das Werk dürfe ohne Weglassungen und Zuthaten verkauft
werden; nur sei an der Spitze des 1. Bandes auf einen Supplement-
band zu verweisen, der die nöthigen Ergänzungen und Berichtigungen
bringen werde, — aber nie erschienen ist. Das Parlament machte
vergebens Vorstellungen dagegen; es wurde nicht einmal die Ver-
öffentlichung des Avis in Frankreich gestattet. Es erschien im Aus-
land: Avis des censeurs nommes par la cour du Parlement de Paris
pour Texamen de la nouvelle Collection des conciles faite par les
soins de J. Hardouin J^suite avec les Arrets du Parlem. qui auto-
risent ledit Avis, et TArret du Conseil qui en a empSch^ la publi-
cation, Utrecht 1731, XVI und 100 S. 4.1).
2. Der 1. Theil des Werkes von Berruyer erschien 1728
unter dem Titel: Histoire du peuple de Dieu depuis son origine
1) Der Bericht der von dem Conseil beauftragten Censoren A. J.
P. 22, 1. 169. Vgl. Biblioth. rais. 7, 409. Pfaff, Introd. in hist. theol. lit.
3, 213. Fleur. 70, 302.
J. I. Bermyer. 809
jusqu ä la naissance du Messie, tiree des seuls livres saints, ou le
texte sacrd des livres de l'A. T. reduit en un corps d^histoire, 7
vol. 4. Picot 2, 276 nennt es ouvrage assez profane, oüi il sem-
blait avoir pris a tache de faire de 1a Bible une esp^ce de roman.
In den N. E. 1758, 100 wird folgende Aeusserung von Rousseau
angeführt: L'indignation ne m'a pas permis d*en achesrer seulement
le 1. volume. Je ne con^ois pas qu'on ait pu permettre Timpres-
sion d'un ouvrage aussi scandaleusement 6crit que celui-lä. Je suis
bien aise de n*avoir pas 6t6 le seul qui lui ait donn6 le nom de
roman, mais je suis surpris . . . qu'il ait pu trouver des approba-
tcurs dans un pays, oü la traduction meme la plus severe des livres
sacr6s est ä peine permise. Je crois Tauteur fort honnete homme,
puisque vous me le dites; mail s'il n'a eu dessein de toumer ce
qu'il y a de plus ven^rable dans la religion en ridicule, il a tra-
vaille bien peu consequemment. Das Buch war mit Approbation
der Oberen gedruckt, fand aber doch gleich auch im Orden Wider-
spruch, namentlich bei P. Tournemine, der namentlich die schlüpfrige
Darstellung, les amours des patriarches und dgl. tadelte. Der Ge-
neral Hess sich durch vier Patres im Römischen Colleg, de Vitri,
Ghezzi, de la Reguera und Tschiderer, ein Gutachten geben und
übersandte dieses 2. Juni 1729 dem französischen Provincial Bre-
tonneau mit der Weisung, nach demselben eine neue Ausgabe ver-
anstalten zu lassen. In dem Gutachten wird ausser der Darstellung
auch die eigenthümliche Chronologie (es war die Hardouin'sche) und
namentlich die Behandlung der messianischen Weissagungen getadelt^).
Die neue Ausgabe erschien 1733 mit einer vom 22. Mai 1732 da-
tirten Approbation des Provincials. 1734 wurde das Werk verb.,
allerdings zunächst nur die erste Ausgabe, aber ohne dass die von
1733 ausdrücklich freigegeben wurde.
Dieser 1. Theil ist aber, wie Picot sagt, der am wenigsten
verdammenswerthe. 1753 erschien angeblich im Haag, in Wirklich-
keit in Paris, der 2. Theil : Hist du peuple de Dieu depuis la nais-
sance du Messie jusqu'ä la fin de la Sinagogue, tiree des seuls livres
saints, ou le texte sacr6 du N. T. reduit en un corps d'histoire,
4 vol. 4. Der 4. Band enthielt 5 lateinische Dissertationen De Jesu
Christo scripturarum objecto, s. de composito theandrico etc. Nach
Berathung mit 22 Bischöfen erliess der Erzbischof de Reaumont von
Paris 13. Dec. 1753 ein scharfes Mandement dagegen. Es erschien
auch eine von dem Provincial und drei Superioren unterzeichnete,
vom 22. Sept. datirte Erklärung: das Buch sei ohne ihr Vorwissen
gedruckt worden; sie würden es nicht ohne starke Aenderungen
approbirt haben, und 26. Dec. 1753 erklärte B., er unterwerfe sich
der Censur des Erzbischofs. 1755 wurde dieser 2. Theil von der
Index-Congr. verb. 1756 decretirte das Pariser Parlament, der 2.
1) Parerga Gotting. 1736, T, 1, 81. Irailh 3, 19 (nach handschrift-
lichen Observations sur TKist. du peuple de Dieu von Tournemine). Fleur,
83, 569.
810 Jesuitica 1740—60.
Theil von B., die Analyse de Bayle des Ex-Jesuiten de Marsy und
La Christiade ou le paradis reconquis des Abbe de la Baume (une
bistoire de J. C. babill^e k la mani^re des romans) seien von Hen-
kersband zu verbrennen, — das Buch von B. wegen antigallicani-
scber Sätze, — und B. zu einer Erklärung aufzufordern, die er 12.
April abgab (Picot 2, 303).
Picot 2, 278 sagt^ die Jesuiten hätten, wie man sage, verspro-
chen, der 3. Theil von B. solle nicht erscheinen. B. gab ihn aber
„trotz der vielseitigen Censuren gegen die ersten Theile unter dem
Widerspruch seiner Mitbrüder", wie es im K.-L. 2, 466 sehr naiv
beisst, schon 1757 heraus: Hist. du peuple de Dieu, 3. Partie, ou
paraphrase des epitres des apotres d'apr^ le commentaire latin du
P. Hardouin, La Haye (Lyon) 1757, 2 vol. 4., und Picot sagt,
dieses sei der tadelnswertheste Theil des ganzen Werkes, ganz nach
dem (verbotenen) Commentar Hardouins gearbeitet und voll von
Irrthümern und sonderthümlichen und paradoxen Ansichten.
Mittlerweile war von dem 1. Theile eine italienische lieber-
Setzung erschienen : Storia del popolo di Dio . . . trad. da Canziano
Franceschini, Ven. 1741 und 1755, — sie wurde 1757 von der Index-
Congr. verb., — und 1756 erschien eine Uebersetzung des 2. Theiles
(Zaccaria erklärte, sie sei nicht von ihm, sondern von zwei anderen
Jesuiten und einem Weltgeistlichen). Cordara (DöUinger, Beitr.
3, 12) berichtet, Benedict XIV. habe dem P. Trigona, dem Assistenten
des Jesuitengenerals für Italien, empfohlen, den 2. Theil italienisch
herauszugeben; der Druck sei schon weit fortgeschritten gewesen,
als das Buch (das Original 1755) verb. worden sei; der Druck sei
aber fortgesetzt und dem Papste ein Exemplar überreicht worden.
Wenn diese Angabe richtig ist, muss Benedict XIV. seine Ansicht
über das Buch bald darauf sehr geändert haben. Denn unter dem
17. Febr. 1758 erliess er ein Breve (Bull. 4, App. 2,25) folgenden
Inhalts: der 2. Theil von B. sei schon 1755 mit seiner Genehmigung
von der Index-Congr. verboten worden ; gleichwohl habe jemand
nimia audacia das Buch italienisch herausgegeben: Storia ... 2.
Parte, trad. da un Religiöse della med. Comp., Ven. 1756, 4 vol. 4.,
und am Schlüsse nicht nur eine ^fantissa dissertationum ab auctore
latine conscriptarum, sondern auch eine Apologie des Werkes unter
dem Titel: Difesa della 2. P. dell' Ist. . . , contro le calunnie d'un
libello intitolato: Progetto d'istruzione pastorale, beigefügt. Es sei
kaum zu sagen, wie viel Anstoss und Aergerniss das bei den Gut-
gesinnten und Gottesfürchtigen aller Stände erregt habe. Er habe
durch die Inq. das Original und die uebersetzung nochmals prüfen
lassen, obschon unzweifelhaft ein in einer Sprache verbotenes Buch
als in allen Sprachen verboten anzusehen sei; auch die Dissertationen
und die Apologie seien geprüft worden. Dem Gutachten der Theo-
logen und den in der Sitzung der Inq. vom 29. Dec. 1757 abgege-
benen Vota der Cardinäle entsprechend, verdamme er das Werk
sammt den Anhängen quocunque idiomate und verbiete es bei Strafe
der reservirten Excomm. 1. sent. für Laien, der Suspension für Geist-
liche, weil es resp. falsche, ... die Ketzerei begünstigende und der
J. I. Bemiyer. 811
Ketzerei eich annähernde und dem einmUthigen Consensus der h.
Väter und der Kirche in der Auslegung der h. Schrift widerspre-
chende Sätze enthalte. — Noch in demselben Jahre verdammte Be-
nedicts Nachfolger Clemens XIII. durch ein Breve vom 2. Dec.1758
(Bull. cont. 1, 61) ganz in derselben Weise den 3. Theil. Im Ein-
gange recapitulirt er die früheren Verbote und sagt dann von dem
3. Theile: Quod quidem ob doctrinae fallaciam et contortas s. lite-
rarum interpretationes, oifusis etiam tenebris super eos articulos,
quos christiani populi fides ac pietas praecipue profitetur et colit,
scandali mensuram implevit. — Im J. 1760 wurde das Werk von
B. auch in Venedig, ohne Bezugnahme auf die Römischen Decrete,
verb. (Fleur. 83, 681. I S. 547).
Als der Erzbischof von Paris 1753 gegen den 2. Theil von
B. einschritt, überreichten ihm die Jesuiten eine von P. Berthier
verfasste Eingabe (N. E. 1757, 138), worin sie sagen: der 1. Theil
sei bereits ins Deutsche^), Polnische, Italienische uud Spanische über-
setzt worden. Der König von Spanien habe die Uebersetzung (von
dem Jesuiten Antonio Espinosa) gelesen und sich für die Fortsetzung
interessirt. Man habe ihm den 2. Theil, aber auch das Mandement
des Erzbischofs übersandt; er habe eine Prüfung des Werkes ange-
ordnet und dann den P. Espinosa beauftragt, auch den 2. Theil zu
übersetzen. Diese Uebersetzung werde natürlich vor dem Druck
durch die Ordensoberen und die spanische Ccnsurbehörde geprüft
werden. Die Einleitung werde wohl weggelassen werden, da eine
solche Polemik gegen die Ungläubigen in Spanien nicht angebracht
sei; auch die lateinischen Dissertationen, die nur für Theologen be-
stimmt seien, werde man in die für das Volk bestimmte span. Aus-
gabe nicht aufnehmen. Die Einleitung und die Dissertationen seien
es ja aber, die bei den französischen Bischöfen vorzüglich Anstoss
erregt hätten. — Die span. Ausgabe erschien denn auch 1755 mit
einer Vorrede, worin gleichfalls behauptet wurde, nur die Einleitung
und die Dissertationen hätten grossen Anstoss erregt; aber 1759
wurden beide Theile derselben mit dem ganzen französischen Werke
und der italienischen Uebersetzung (und Helvetius' De Tesprit) verb.,
nachdem der Nuncius dem General-Inquisitor die Breven Clemens'
XIII. mitgetheilt hatte. Der General -Inquisitor meldete dieses 2.
Mai dem Papste und wurde am 7. Juli dafür belobt (Bull, cont
1, 209).
In Frankreich erschienen unmittelbar nach dem Mandement des
Erzhißchofs von Paris und der Unterwerfung B.'s (drei) Lettres en
reponse a un ecclcsiastique de province au sujet de THist. . . .,
Paris 1754, 648.12., zur Vertheidigung B.'s, nach Sommervogel von
B. selbst. Es folgte eine Menge von Schriften für und gegen ihn,
die hei de Backer verzeichnet sind. Zu erwähnen sind davon fol-
gende : Projet d'instruction pastorale sur les erreurs de B., 81 S. 4.,
1) Die deutsche Uebersetzung (nur des l.Theiles) ist von P.Weimer
und 1763 mit einer Approbation von Hontheira zu Luxemburg gedruckt.
812 Jesuitica 1740—60.
von J. B. A. Duhamel im Auftrage des Bischofs Gay Ins von Au-
xerre ausgearbeitet, aber, da dieser 1754 starb, als anonyme Schrift
veröffentlicht. Dagegen schrieb B. anonym Defense de la 2. partie
de THist. . . . contre les calomnies d^un libelle intit Projet . . .,
Avignou 1755, 300 S., das Buch, dessen italienische üebersetzung
1758 verb, wurde; — Le P. Berruyer Jesnite convaincu d'Arianisme,
de Pelagianisme, de Nestorianisme . . . 1755, 400 S. 12. (vol. 2.
1756), von dem Oratorianer J.-A. Maille. Derselbe schrieb — gegen
die von B. veröffentlichten Lettres d'un th6ologien k nn de ses amis
au sujet des diff^rents Berits qui ont paru pour la defense du P.
Berr., Avignon 1756, — Le P. Berr. convaincu d*obstination dans
rArianisme . . ., 1756. Dagegen erschien, nachdem B. gestorben
war, Le P. Berruyer justifi^ contre l'auteur d'un libelle intituU:
Le P. Berr. . . ., Nancy 1759, 2 vol. 12. (von Forestier). In dem-
selben Jahre erschien noch mit Rücksicht auf die in der Sorbonne
begonnenen Verhandlungen über B. Lettre k un Docteur de Sor-
bonne sur la d^nonciation et Texamen des ouvrages du P. Berr.,
22 S. 12. Die beiden zuletzt genannten Yertheidigungen wurden
von der Inq. 30. Aug. 1759 mit derselben Motivirung wie der 2.
und 3. Theil des Werkes von B. verboten. In dem Decrete wird
das Verbot dieser beiden Theile noch einmal in Erinnerung gebracht
und beigefügt: der Papst habe, um dem Scandale, welches er zu
seinem grossen Schmerze noch immer fortdauern sehe, für immer
ein Ende zu machen, zugleich alle Schriften, die zur Vertheidigung
des mit so vielem Hechte verdammten Werkes von B. in irgend
welcher Form oder Sprache erschienen seien oder etwa noch erschei-
nen würden, für verboten erklärt (N. E. 1751, 173). Dieses all-
gemeine Verbot ist auffallender Weise nicht in den Index aufgenom-
men worden.
Die Assemblie du Clerge vom J. 1760 erklärte sich mit dem
Mandement des Erzbischofs Beaumont einverstanden; auch der Erz-
bischof von Wien verbot 1760 das Werk von B. 1762 wurde end-
lich auch die Sorbonne mit ihrem Urtheil fertig: sie censurirte 93
Sätze aus den lat. Dissertationen, 231 aus dem 2. und 3. Theile und
aus Vertheidigungsschriften von B. und seinen Anhängern. Die
Gensur wurde gedruckt als Determinatio S. Facultatis . . , 1762,4.,
und Jugement doctrinal de la Facult6 . . . 1762, 3 vol. 12.^).
Nach dem Tode Berruyers gaben die Jesuiten von ihm noch
heraus Beflexions sur la foy, adressees ä Mgr. l'Archiveque de Paris,
1) N. E. 1763, 97; 1765, 13. Das umfangreichste Buch, welches
gegen (Hardouin und) Berruyer erschien, ist Mandement de Mgr. TEveque
de SoiBsons (Fitzjames), Paris 1760*, 7 vol. 8., von P.-E. Gourlin verfasst
(im K.-L. 2, 466 wird hervorgehoben, Fitzjames sei als Jansenist ein Gegner
der Gesellschaft Jesu gewesen). Zu Brescia erschien davon eine italienische
Üebersetzung. Von Les grandeurs de Jesus-Christ et la defense de sa di-
vinite contre les Peres Hardouin et B., 1756 (von dem Mauriner Prud.
Maran), veranstalteten die Monsignori Bottari und Foggini eine italienische
Üebersetzung, Rom 1757.
J. I. Berroyer. 818
Bern (Trevoox) 1761. In dem vorausgeBcliickten Avertissement wird
er als grand homme, z61i d^fenseur de la foi, confesseur intr^pide
and dgl. gefeiert und alles, was gegen sein Werk geschehen, auf
eine Cahale zurückgeführt. Gourlin schrieb darauf Examen d^un
nouvel ouvrage du P. B. intit. Reflexion s . . . mit einer Parallele
ou confrontation du Symbole resultant de la doctrine des Peres
Hardouin et B. avec le symbole des Conciles de Nic6e et de Const.,
1762. Davon erschien eine üebersetzung: Gollazione del simbolo
Niceno e Const. col simbolo che si ricava dalle dottrine de' PP. Ar-
duino e B. Gesuiti, indicati i luoghi delle loro opere d'onde son
tratte. 1764 wurden die E^fiexions von der Inq., die CoUazione
von der Index-Congr. verb. — 1788 Hess Mathurin Le Forestier, früher
Provincial, ein Verwandter von B., zu Fermo eine italienische üe-
bersetzung einer Vertheidigung der päpstlichen Unfehlbarkeit von B.
drucken !
Cordara S. 12 meint, Berruyer werde wohl mit Eecht verboten
sein, aber dass dieses mit einer atrocitas verborum geschehen, wie sie
weder gegen Luther noch gegen Calvin noch gegen einen andern
der schlimmsten Sectenstifter angewendet worden, komme wohl da-
her, dass es sich um das Werk eines beiühmten Jesuiten gehandelt
habe, die Jesuiten aber den Dominicanern und einigen einflussreichen
Cardinälen der Inquisition verhasst gewesen seien. Der Artikel Ber-
ruyer im K.-L. 2, 466 schliesst mit der Notiz : „Zahlreiche Schriften
erschienen für und gegen B., der sich selbst vertheidigte und seine
Anhänglichkeit an die kirchlichen Lehren betheuerte; manche seiner
Yertheidigungsschriften wurden auf den Index gesetzt. Dass aber
nicht alles, was B. in seiner [von zwei Päpsten in so scharfen Aus-
drücken verdammten] Geschichte des Volkes Gottes geschrieben, un-
brauchbar war, bezeugt der 1811 zu Paris erschienene Auszug aus
dem 1. Theil, den der Director des Seminars von Besannen ver-
bessert und mit Anmerkungen versehen 1828 (und 1851) herausgab,
nachdem derselbe auf den Antrag des Card. Bohan in Rom geprüft
worden war." Eine solche Rehabilitation des 2. und 3. Theils ist
doch nicht versucht worden, und auch die expurgirte Ausgabe des
1. hat man doch nicht, wie das mit anderen Büchern, z. B. mit
Fleury's Catechisme bist., geschehen ist, im Index freigegeben.
J.-Fr. Berthier veröffentlichte in den M6m. de Trev. 1761,
3012 recht gute Observations sur les syst^mes des PP. Hardouin et
Berruyer. Aber die oben angeführten und die bei Backer verzeich-
neten Schriften zeigen, dass andere Jesuiten für B. Partei ergriffen,
und lassen die von Picot 2,278; 4,278 angefochtene Bemerkung,
dass le parti Hardouino-Berruyeriste im Orden nach dem Tode
Toumemine's (1739) das Ueberge wicht erlangt^) und das Publicum
l) In Degola's Catechisme de' Gesuiti p. 282 wird berichtet: Der
Provinzial der Jesuiten« Mathurin Le Forestier, ein Verwandter Berruyers,
habe dem Buchhändler Bördelet 50,000 Fr. für den Druck des 2. Theiles
versprochen; der Schuldschein habe sich im Nachlass des Buchhändlers
gefunden. Bei de Backer s. v. Berrruyer werden diese und ähnliche An-
814 Jesuitioa 1740—60.
mit Apologieen, Satiren und Broschüren überRchwemmt habe, als
richtig erscheinen. Wenn Picot sagt, es sei gewifis, dass das Buch
von B. zu der Vernichtung seines Ordens beigetragen oder wenig-
stens einen Vorwand geboten, so wird man richtiger sagen: dass
Schriften wie die von Hardouin und Beriuyer, die doch schlechter
sind als die von Jansenius und Quesnel, und die von Picbon, Benzi
u. a., nicht nur von Jesuiten veröffentlicht, sondern auch von Jesui-
ten vertheidigt wurden, hat in Verbindung mit anderen Thatsachen
dazu beigetragen, dem Orden die Sympathieen vieler ernsten Katho-
liken zu entziehen und seine Aufhebung nicht als ein Unglück für
die Kirche erscheinen zu lassen.
Ein Buch des italienischen Jesuiten Cesare Calino, Tratteni-
mento istorico e cronologico sulla serie dell' Antico Test., Ven.
1724, 2 vol. 4., wurde von dem Abate Franc. Maria Biacca in dem
Tratt. ist. e crou. opposto al Tratt. del P. C. Calino, 1728, 2 vol. 4.
angegriffen (Hurter, 2, 1307). Calino denuncirte Biacca's Buch
bei der Inquisition; aber diese entschied zu dessen Gunsten und
übergab das Buch von Calino ihren Eevisoren (Parerga 1. c. p. 93).
Es wurde aber nicht verb.
3. Im J. 1750 wurde verb. Del Rev. P. Egidio Maria
Giulii della Comp, di G. . . . Lettera postuma critico-apologetica
degli studii di sua religione, Lucca 1750, 82 S. 4., ein vertraulicher
Brief an einen Freund, worin Ginlii (f 1748) die Studienordnung
im Collegium germanicum kritisirt, in welchem er Prof. des cano-
nischen Hechtes war; am Schlüsse bittet er um Rücksendung des
Briefes, den er dem General und vielleicht auch dem Papste vor-
legen wolle. Catalani, De Secr. p. 50 sagt, aus dem Inhalte ergebe
sich kein Grund des Verbotes; der Brief müsse aus irgend welchen
Zweckmässigkeitsgründen verboten sein. Man wird die Veröffent-
lichung eines vertraulichen Briefes missbilligt und die darin geübte
Kritik nicht gern gesehen haben. Der Jesuit Lazeri erklärte in
einem Avviso al pubblico sopra una lettera che va sotto il norae
del P. Giulii, Rom 1750, 10 S. 4., der Hrief sei nicht von Giulii ;
aber Zaccaria, Storia lett. 2,419 bestreitet die Echtheit nicht ^).
gaben für unwahr erklärt. Degola sagt ferner p. 278: Berthier habe nicht
die Erlaubniss erhalten, eine Refutation du roman de Berruyer, und Tour-
nemine nicht, eine Refutation des paradoxes du P. Hardouin (als besondere
Schriften) drucken zu lassen.
1) Giulii war mit Concina befreundet (Sandelli p. 252) und bei
Benedict XIV. sehr beliebt. Cordara (bei Döllinger, Beitr. 8, 12 ; vgl. 71)
erzählt: Hunc adhibebat ad conficicndum opus de synodo dioecesana. Ma-
teriam operis rüdem et indigestam Pontifex suhministrabat, Julius in certa
capita tribuebat, ordinabat, latinam faciebat. Cumque ad extremura Pontifex
praefationem satis longam misisset operi praefigendam, eam ego rogatu Julii
ex italica lingua in latinam verti (der Jesuit Forestier erzählte dann später,
das Buch sei gar nicht von Benedict XIV. Deutscher Merkur 1880, 330.
348). Cordara berichtet weiter, der portugiesische Jesuit Emanuel de Aza-
vedo, der sehr, reich gewesen, habe auf seine Kosten Benedicts Werke neu
drucken lassen. Er sei bei dem Papste sehr beliebt, aber bei den anderen
E. M. Gialii. Schriften gegen die Jesuiten. 815
Die 1750 — 61 verbotenen Schriften gegen die Jesuiten sind
ausser den schon genannten folgende: Bistoire des religieux de la
compagnie de J^sus, contenaut ce qui s'est passä dans cet ordre depuis
son etablissement jusqu'ä präsent, ütr. 1741, 2 vol., verb. 1750,
auch Paris 1740, 4 vol., von Quesnel (N. E. 1741, 176), auch in
Spanien 1756 verb. — Proc^s contre les j^suites, pour servir de
suite aux causes cel^bres, Brest 1750, 211 S. 12., verb. 1754, eine
Fortsetzung der Causes c6Iebres von Pitaval, 7 Processe gegen Je-
suiten enthaltend, von dem Bankier Nie. Jouin zu Paris, f 1757,
2. Ed. Paris 17r)9, eine 3. vermehrte Ausgabe zu Douay 1760(?);
N. E. 1 750, 258 ; 1761, 29. Kecueil general des pi^ces sur le pro-
ces contre la Demoiselle Cadi^re et le P. Girard J6suite, 1731, steht
nur im span. Index. — Lette re scritte da un teologo a un ves-
covo di Francia sopra rimportante questione, se sia licito di appro-
vare i gesuiti per prcdicare e confessare, Trento 1757, verb. 1758,
eine Uebersetzung der Trois lettres d'un th^ologien k un ^v^ue sur
cette question importante, s'il est permis d'approuver les J^suites
pour precher et pour confesser, Paris 1716, 12., die dem Mauriner
Touttee zugeschrieben wurden, aber von dem Abb6 Bernard Couet
(geb. 1669, ermordet 1736) verfasst sind, der 1718 von dem Card.
Noailles zum Canonicus und Generalvicar ernannt wurde und 1720
bei den Ausgleichsverhandlungen eine grosse Rolle spielte (Corr. de
Fen^lon 1 1 , 305). Die Briefe erschienen nochmals als Lettres . . .
par Couet, chanoine de Paris, Amst. 1755*. Hier ist als 4. Brief
beigefügt Eeponse d'un thiologien a un pr^lat sur le r6fus de M. de
Noailles de continuer ses pouvoirs aux Jesuites (N. E. 1748, 24;
1755, 181). —Probleme historique, qui des Jesuites ou de Luther
et Calvin ont le plus nui k l'Eglise chr^tienne. La Solution de ce
Probleme d^couvrira la v^ritable cause des maux qui affiigent l'E-
glise et le Royaume de France, et le seul moyen efficace qu'on
puisse prendre pour les faire cesser, Avignon (Paris) 1757, 2 vol. 12.,
von der Inq. verb. 1759, von Abbe Mesnier, f ^761, 2 Ed. aug-
mentee, Utr. 1758*, auch ütr. 1763*; in diesen Ausgaben ist ein
langer Brief des Erzbischofs Meindaerts von Utrecht an Benedict XIV.
vom 13. Febr. 1758, und Benedicts XIV. Breve an den Card. Sal-
danha vom 1. Apr. 1758 (über Paraguay) vorgedruckt. Eine Ver-
theidigung des Verfassers gegen das Decret der Inquisition erschien
unter dem Titel: Addition au Probleme . . ., 58 S. 12. (N. E. 1760,
140). — Histoire de Tadmirable Dom Inigo de Guipuscoa, Chevalier
de la Vierge et fondateur de la monarchie des Inighistes, avec une
description en abr^gi de Tetablissement et du gouvernement de cette
formidable monarchie, par le Sieur Hercule Rasiel de Silva. Nouv.
^d. augment^e de VAnticoton et de Thistoire critique de ce fameux
ouvrage, Haye 1738*, 2 vol. 12., von der Inq. verb. 1759. Diese
Ausgabe ist von Prosper Marchand besorgt (Marchand 1, 24. U. N.
portugiesischen Jesuiten, er wisse nicht warum, verhasst gewesen und durch
deren occulta conspiratio sei es gekommen, dass ihn Benedict auf Verlangen
des Königs von Portugal von Rom weggeschickt habe.
816 Streit über den Probabilismas.
1739, 504). Die 1. Ausgabe ist Haye 1736, 2 vol. 12., erscbienen.
Das Bnch ist nicbt von de Salles oder von Quesnel de Dieppe, son-
dern von Ch. Le Vier (Quirard 3, 323). Im span. Index steht seit
1747 die 1. Ausgabe als strenge verb. und Easiel als Autor 1. cl.
— Preservativo contro certi libri e sermoni dei Gesuiti, verb.
1761.
In dem Journal des Bischofs Clement (S 745) steht 1, 41 ein
Brief des Mgr. Bottari zu Born, worin es heisst: das Probleme sei
mit grosser Gelehrsamkeit, präcise und klar geschrieben, werde aber
gleich verboten werden müssen. Solche Bücher fürchteten die Je-
suiten nicht, da sie auch bei anderen Widerspruch fänden; aber die
Lettres von Couet seien ihnen sehr unbequem, weil sie mit grosser
Mässigung geschrieben seien und von der Bulle und der Curie nichts
sagten. Die zu Bom gedruckte italienische Uebersetzung von einem
Dominicaner aus Lucca sei in aller Händen ; sie sei denuucirt worden,
aber die Censoren sagten bis jetzt, das Buch sei unverfänglich.
P. 215 heisst es: das Buch sei 28. Aug. 1758 verb., aber das Decret
nicht publicirt worden; es werde eine zweite Ausgabe gedruckt, in
welcher die Vorrede, die allein Anstoss erregt, geändert worden sei.
Thatsächlich steht aber nicht bloss eine Ausgabe im Index, und nach
N. E. 1763, 88 kam der Uebersetzer, der Dominicaner Carrara, in
Hafti).
77. Der Streit fiber den Probabilismas, 1743—57.
Unter Beuedict XIV. entstand eine lebhafte Controverse
zwischen den Dominicanern, namentlich dem Friauler Daniel
Concina (1687 — 1756), und den Jesuiten, namentlich Giambattista
Faure (aus einer französischen Familie, aber geb. zu Rom 1702,
f 1779), zunächst über eine schamlose Moralthese des Jesuiten
B. Benzi, der die spöttische Bezeichnung Mamillartheologie ihren
Ursprung verdankt, dann über den Probabilismus. Ausser zwei
Schriften von Benzi und einem Pasquill auf Concina und einer
andern kleinen Schrift von Faure kam unter Benedict XIV.
keine der betreffenden Schriften in den Index. Das von den
Jesuiten denuncirte Hauptwerk Concina's wurde nicht verboten,
1) In den ältesten Appendices zu dem Index von 1758 steht: Lettere
. . . Trento 1757, verb. 5. März 1759, in der ersten amtlichen Appendix
und den folgenden Indices: Lettere... (ohne Trento 1757), verb. 28. Aug.
1758. Es scheint also, dass das 28. Aug. 1758 beschlossene Verbot der Aus-
gabe Trento 1757 erst 5. März 1759 publicirt, dann aber auch auf die 2. Aus-
gabe (Lugano 1758) ausgedehnt worden ist.
B. Benzi. 817
al>er dem Verfasser von dem Papste aufgegeben, eine ausführ-
liche Erklärung zu unterzeichnen und zu veröffentlichen. Auch
ein Buch des Jesuiten Nie. Ghezzi wurde unter der Bedingung
nicht verboten, dass er demselben eine Erklärung beidrucken
Hess. Einige unbedeutende probabilistische Schriften wurden
unter Clemens XIII. verboten, u. a. eine Predigt des deutschen
Jesuiten Neumayr, daneben auch eine Biographie Concina's. —
Concina's Kampf gegen den Probabilismus wurde eifrig fortge-
setzt von seinem Ordensgenossen Gianvincenzo Patuzzi (1700 — 69).
Weder von seinen Schriften noch von den Gegenschriften ist
eine verboten. Als sein Gegner trat u. a. 17G4 Alfonso Maria
di Liguori auf (geb. 1696, Stifter der Congregation der Redem-
toristen 1732, 1762—75 Bischof, f 1787). Durch diesen ist der von
Concina mit Gutheissung Benedicts XIV. bekämpfte Probabilis-
mus insofern zum Siege gelangt, als seine moraltheologischen
Schriften im 19. Jahrhundert wiederholt, namentlich bei seiner
Canonisation im J. 1839 und bei seiner Erhebung zum Doctor
Ecclesiae im J. 1871 von den Päpsten in den stärksten Aus-
drücken gutgeheissen worden sind.
1. 1743 erschien zu Venedig von dem Jesuiten Bemardino
Benzi (1688 — 1768) Dissertatio in casus reservatos Venetae dioe-
ceseos^). Zu den Casus reservati, — den Sünden, deren Losspre-
ohung der Bischof sich vorbehalten, — gehörte in Venedig u. a.
quaelihet impudicitia cum monialibus peracta vel quocunque modo
attentata. Dazu machte nun Benzi folgende Bemerkung: Quaeritur
an reservatione afficiatur, qui cum moniali peragat vel attentet ac-
tus subimpudicos de se veniales, v. g. genas vellicare, mamillas
tingere, et solum ex pravo affectu vel ex prava intentione morta-
les. Kespondeo, negative ; nam juxta 8. nostram regulam nonnisi
])pccata per externam malitiam mortalia reservantur. Es wurden
Benzi zunächst privatim von einem Dominicaner Vorhaltungen über
diese Stelle gemacht ; er suchte sie aber zu rechtfertigen und berief
sich darauf, sein Buch sei vor dem Druck von mehreren Theologen
geprüft und nach dem Erscheinen von vielen (xeistlichen gelesen,
von keinem missbilligt worden; er selbst sei seit 15 Jahren Beiclit-
l) Dan Folgende, wo nicht andere Quellen citirt worden, nach D.
Sandellii do D. CDncinae vita et(\ Brixiao 17G7, p. 59 und Vita del F.
(k)ncina, p. 51. Die Literatur bei Mazzuch. 2, 899. Tipaldo 8, 301.
Backer 8, 13G. V^l. U. N. (N. Beitr.) 1753, 814; 1754, 400. Friedrich,
Beitr. zur Kirchengesch. S. 132.
Rensch, Iudex II. 52
818 Streit über den Probabilismus.
vater und seit 8 Jahren Lector der Moraltheologie u, 8. w. Concina
veröffentlichte nun Epistolae theologico-morales ad 111. et Kev. N. N.
adversus librum inscr. Dissertatio . . . , Ven. 1744, und denuncirte
Benzi bei dem Secretär der Index-Congr., J. A. Orsi. Benedict XIV.
überwies aber die DiBsertation der Inquisition. Die Jesuiten Hessen
durch den P. Tnrano eine Yertheidigungsschrift verfassen und diese
als Manuscript für die Mitglieder der Inq. drucken. Sie bemühten
sich dann, das gleichzeitige Verbot der beiden Schriften von Con-
cina und Benzi zu erwirken; aber Fer. V. 16. April 1644 ver-
dammte die Inq. Benzi's Buch als resp. falsche, übel klingende,
ärgemissgebende und fromme Ohren verletzende Sätze enthaltend,
verbot alle zur Vertheidigung desselben veröffentlichten oder zu
veröffentlichenden Schriften und gab Benzi auf zu revociren. Benzi
unterschrieb denn auch die Erklärung: „Da mir in meinem Buche
. . . einiges entfallen ist (exciderint), wovon ich höre, dass viele
daran Anstoss genommen, und wovon ich nach besserer Ueberlegung
selbst nicht behaupte, dass es zu billigen sei, so nehme ich mit
aufrichtiger Ueberzeugung den Satz: vellicare genas et mamillas
tangere monialium esse actus subimpudicos, de se veniales et soluni
ex pravo affectu vel ex prava intentione mortales, als falsch . . .
zurück. Zugleich erkläre ich, dass ich, indem ich diesen Satz spe-
ciell missbillige, damit nicht andere Sätze des Buches billigen will,
die einem verständigen Leser als weniger vorsichtig oder weniger
opportun erscheinen mögen; ich unterwerfe sie vielmehr alle dem
Urtheil der Oberen und der Entscheidung der h. Kömischen Kirche
und bin bereit, alles zurückzunehmen, was von ihr verworfen wird.**
Nach Concina, Appar. 2, 351 hatte die Inq. namentlich auch den
Satz missbilligt: Si blasphemia sit imperfecte deliberata ex prava
consuetudine blasphemandi, . . secundum multos doctores, utpote noii
voluntaria saltem perfecte, non est culpa saltem mortalis. Nach
N. E. 1744, 167 hatte die Inq. eine erste Retractation Benzi's für
ungenügend erklärt und nahm sie die oben mitgetheilte nur auf
Befehl des Papstes au. Der Patriarch von Venedig entzog Benzi
die Cura; er wurde nach Padua versetzt, wo ihm der Card. Rezzo-
nico, der spätere Clemens XIII., gleich wieder die Cura gab; von
da wurde er nach Belluno, dann aber nach Venedig zurückversetzt,
wo ihm der Patriarch auf Ersuchen des Nuncius wieder die Cura
gab (N. E. 1752, 188), obschon mittlerweile, 22. Mai 1745, noch
ein zweites über den Beichtstuhl handelndes Buch von ihm in den
Index gekommen war: Praxis tribunalis conscientiae seu tractatus
theologicus moralis de sacramento poenitentiae, auet. B. Benzi S. J.
Presb., Bononiae 1742*, c. 500 S. 4.
Es gereicht den Jesuiten nicht zur Ehre, dass sie sich bei der
Censurirung und Revocation Benzins nicht beruhigten, sondern durch
Streitschriften, in welchen sie sich an Concina zu rächen suchten,
die widerwärtige Sache immer aufs neue wieder aufrührten. Kurz
vor der Verdammung der Schrift von Benzi erschien: AU' autore
delle due epistole contro la Dissertazione dei casi riservati in Vene-
zia Avviso salutevole, accio conosca se stesso, Napoli 1744, 70 S. 4.,
Schriften gegen Concina. 819
nnmittelbar nach der Verdammung ein Secondo avviso, s. 1. et a.
60 S. 4. (Patuzzi 2, 4(K)). Es kam heraus, dass beide in Rom bei
Mainardi im Auftrage der Jesuiten Faure und Castellini gedruckt
waren; bei Faure fand sich das Manuscript, von dem er freilich be-
hauptete, es sei eine von ihm gemachte Abschrift eines Manuscriptes,
das ihm von einem Unbekannten zugesandt worden sei; von Backer
und Sommervogel wird er als Verfasser anerkannt. Der Drucker wurde
zu einer Geldstrafe verurtheilt; die Bestrafung der beiden Jesuiten
wurde ihrem General überlassen: sie mussten sich im Eefectorium
die Dißciplin geben und Exercitien machen (N. E. 1744, 167).
Bald darauf erschien; Ritrattazione solenne di tutte le ingiurie,
hugie, falsificazioni, calumnie, contumelie, imposture, ribalderie stam-
pate in varii iibri da Fra Daniello Concina, Domenicano Gavotto,
contro la Venerabile Compagnia di Gesü, da aggiugnersi per modo
di appendice alle due infami lettere teologico-morali contro il R. P.
Benzi de IIa medesima Compagnia. In Venzia 1744 . . . con licenza
de' superiori e privilegio, eine unsäglich gemeine Schmähschrift
gegen Concina (ein Auszug bei Sandelli p. 77. Patuzzi 2, 413), die
damals verschiedenen Jesuiten, u. a. Cordara, Tornielli, Zaccaria zu-
geschrieben wurde, — von Sandelli dem P. Coccognati, — aber allem
Anscheine nach von Faure ist, den Caballero als Verfasser angibt.
— Die Inq. verdammte Fer. IV. 17. Juni 1744 de mandato Bene-
dicti XIV. die Schrift (nonnulla folia impressa) uti librum famosum
(Sandelli p. 82). Sie wurde zu Lucca und Venedig nachgedruckt.
Es erschienen auch noch andere Schriften von Seiten der Jesuiten
(Patuzzi 2, 418). Auch die oben erwähnte Vertheidigungsschrift
von Turano wurde neu gednickt: Judicium cujusdam Theol. Pro-
fessoris ad amicum confessarium, Ven. 1745. Turano erklärte in
einem Schreiben an den Papst, dieses sei ohne sein Vorwissen ge-
schehen, und der Papst nahm in einem Briefe vom 22. Febr. diese
Entschuldigung an (Storia lett. 13, 301). — Man erwartete, Con-
cina werde antworten, und in Rom wurde schon als Titel seiner
Antwort ungegeben: Ritrattazione . . . Operetta curiosa che puo
servire di supplemento alla Morale prattica de' Gesuiti. Der Papst
Hess aber Concina durch den Nuncius in Venedig befehlen, nicht zu
antworten; Concina schrieb darauf dem Papste, er habe dieses gar
nicht vorgehabt^).
1) Coucina ist der Verfasser von Esplicazionc di quattro paradossi
che son in voga nel nostro secolo, Lucca 1746 (dem Card. Querini ge-
widmet), wovon der Dominicaner Fr. Dufour eine Uebersotzuug herausgab:
Explication de quatre paradoxes qui sont eu vogue dans notre siecle,
avec uno proface, dans laquelle on rend compte de co (jui s'est passe en
Italic k l'occasion de l'hist. du probabilisme et de la coudamuation des
nouveaux Mamillaires, par le R. F. 1). C, k Lucques 1746 sous les au-
spices du Card. Querini. üuvrage trad. de l'italien et augmente d'une re-
lation exacte dos disputes sur la morale qui sc sont elevecs par delä des
monts depuis 1739 . . . Par M. le Chevalier Philaletbi Venitien, Avignon
1752, 14Ü S. (Sand. p. 109). — In dieser Schrift wird auch der bekannte
Jo. Dom. Mansi, als Erzbischof von Lucca f 1769, als Freund der Jesuiten
d20 Streit über den ProbabiliBmus.
In Reinem Commentarium p. 210 macht Fanre der Inq. zum
Vorwurf, dass sie Benzi schärfer verurtheilt habe als Pascal und
Quesnel. Auch Cordara (Döllinger, Beitr. 3, 11) ist unwillig dar-
über, dass Benzins Buch verboten, Concina^s freigegeben sei, und
knüpft daran ähnliche Bemerkungen wie Faure: In der Inq. sässen
zwar in der Eegel die angesehensten Cardinäle, aber wenn es sich
um Bücher handle, so liege die Entscheidung so gut wie ganz in
den Händen der acht Ordensgeistlichen, die neben einigen Prälaten
Consultoren seien. Unter diesen 8 seien immer 4 Dominicaner,
darunter der einflussreiche Commissarius S. Officii, nie ein Jesuit.
Damals seien mehrere den Jesuiten feindliche Cardinäle Mitglieder
der Inq. gewesen, Passionei, Tamburini, Spinelli und namentlich der
Dominicaner Orsi. So sei es nicht zu verwundern, dass alle bei
der Inq, denuncirten Bücher von Jesuiten verboten worden. Als
Beispiel könne Berruyer dienen. — Die neueren Jesuiten scheinen
doch Benzi fallen zu lassen: bei Hurter kommt er nur 3, 61 vor,
wo von Faure de Kede ist, und im K.-L. hat er keinen Artikel
erhalten und wird er auch s. v. Concina nicht erwähnt
2. Concina hat sich nicht bloss durch seine Polemik gegen
Benzi den Hass der Jesuiten zugezogen, sondern auch durch seinen
Kampf gegen den Probabilismus. Von der ersten Kedaction seiner
Hauptschrift schickte er das Manuscript mit dem Titel La m orale
evangelica contenente i punti fondamentali, an den Ordensgeneral
zur Approbation. Dieser bestellte seinen Assistenten Th. A. Hic-
chini, der später Secretär der Index- Congr. und Mag. S. Pal. wurde,
und den P. Pio Tommaso Schiara, später Secr. der Index-Congr.,
als Censoren. Diese behielten das Manuscript ein Jahr lang, und
da Conc. drohte, er werde einen Weltgeistlichen bitten, das Buch
unter seinem Namen zu veröffentlichen, schickten sie das Manu-
script sehr stark castrirt dem Inquisitor zu Venedig mit dem Auf-
trage, es in dieser Gestalt drucken zu lassen, ohne es Conc. sehen
zu lassen. Als dieser davon hörte, zog er das Manuscript zurück,
arbeitete es um und veröffentlichte sein Buch nun mit einer Wid-
mung an den Card. Nerio Corsini unter dem Titel Della storia del
probabilismo e del rigorismo dissertazioni teologiche, morali e criti-
che, nelle quali si spiegano e daile sottigliezze de* modemi proba-
bilisti si difendono i principj fondamentali della teologia cristiana,
Lucca 1743,* 2 vol. 4. Benedict XIV. liess durch Card. Passionei Conc.
für sein Buch beloben und ihn beauftragen, eine Zusammenstellung
der laxen Moralsätze aus den von ihm bekämpften Autoren anzu-
fertigen (Sandelli B. p. 6. 12). Conc. stellte 216 Sätze zusammen.
— Gegen Conc.^s Buch erschienen alsbald mehrere Streitschriften
von den Jesuiten Sanvitale, Nie. Ghezzi, Zaccaria u. a., denen Conc.
angegriffen. Dessen Tractatus de excomraunicatione et casibus reservatis,
1724, wurde — nicht von Concina — wegen laxer Moralsätze in Rom
denuncirt. Der Mansi, dessen Bibliotheca moralis im span. Iudex expur-
girt wird, ist ein anderer, der Oratorianer Jos. Mansi (Hurter 3, 101).
D. Concina. 821
und sein Ordensgenosae Vinc. Maria Dinelli antworteten. Am 22. Febr.
1746 schrieb der Dominicaner-General Eipoll an Conc, die Inqui-
sition habe ihm durch ein Viglietto vom 19. befohlen, ihm die Ver-
öffentlichung weiterer Schriften über den Probabilismus gegen Ghezzi
und andere Jesuiten zu verbieten; der Protector des Ordens, Card.
Corsini erklärte aber, er sei von dem Papste mündlich beauftragt,
dieses Verbot dahin zu erläutern, dass nur die Fortsetzung des
Federkrieges (privata gara) zwischen Conc, Ghezzi u. s. w. beiden
Theilen untersagt sei, nicht aber den Dominicanern die Vertheidigung
des Probabiliorismus (Sandelli p. 57). Der Federkrieg wurde aber
doch fortgesetzt.
Einen neuen Streit veranlasste Conc. 's umfangreichstes Werk:
Theologia christiana dogmatico-moralis, Romae (Ven.) 1749 — 51,
12 vol. 4. (die beiden zuletzt erschienenen Bände heissen Ad theolo-
giam ehr. . . apparatus). Die General-Congregation der Jesuiten,
die im J. 1751 gehalten und in der Ign. Visconti zum General ge-
wählt wurde, beschloss, über das Werk, von dem 9 Bände gedruckt
waren, bei Benedict XIV. Klage zu führen, und der neue General
überreichte, von seinen Assistenten begleitet, dem Papste die An-
klageschrift, in der 300 Sätze censurirt wurden und die einen dicken
Band füllte. Der Papst schlug ihnen vor, sie möchten den Band
drucken lassen; dann wolle er beiden Theilen Schweigen gebieten.
Da die Jesuiten darauf nicht eingingen, wurde ihnen aufgegeben,
eine compendiösere Anklageschrift einzureichen (abgedr. Appar. 1,
210 — 222. Sand. p. 148). Diese übergab der Papst drei Theologen,
liess sie aber durch den General Bremond auch Conc. einhändigen,
um sich zu vertheidigen (die Vertheidigung abgedr. Appar. 1, 222
— 230. Sand. p. 161). Der Papst verordnete darauf, Conc. solle
eine Erklärung unterschreiben, in der er die in seinem Werke wirk-
lich vorkommenden Unrichtigkeiten berichtige. Die von den drei
Theologen entworfene Erklärung verwarf Benedict XIV. mit den
Worten: Non vogliamo che quel gaiantuomo di Concina sia aggra-
vato; er dictirte selbst eine Erklärung und Hess sie Conc. zustellen
mit der Weisung, sie in lateinischer Uebersetzung in einem der
folgenden Bände abzudrucken. Sie ist im 1. Bande des Apparatus
abgedruckt mit der Ueberschrift: Declaratio et sincera protestatio
Fr. D. Concinae super aliquibus oppositionibus factis contra tomoß
suae Theologiae ehr. . . recens typis editos (3 BL, auch separat
Romae 1752; U. N. 1753, 247). Der Anfang lautet: Ich erkläre,
dass ich nie die Gesellschaft Jesu habe beleidigen wollen, über die
ich, wie ich auch im 1. Bande p. 124 gesagt, immer mit gebühren-
der Achtung gesprochen habe. Was hiemit nicht in Einklang stehen
sollte, nehme ich zurück. Ich habe als einfacher Theologe Mei-
nungen einzelner Autoren aus der Gesellschaft wie aus anderen
Orden widerlegt; aber ich habe nur diese Meinungen widerlegen,
nicht die Autoren beschimpfen wollen.** Dann folgt eine Antwort
auf die einzelnen Anklagepunkte, und zuletzt: Ceterum si quid
peccavi, si quid convicii, imposturae, contumeliae aut cujusvis alte-
rius generis injuriae calamo meo, sane praeter animum, excidit.
822 Streit über den Probabilismus.
ingenue retracto omnia, deleo, improbo, detestor. — Aehnlicli ver-
fuhr etwas später die Index- Congr. mit dem Jesuiten Nie. Ghezzi,
dessen Buch De* principj dclla morale filosofia riscontrati co' prin-
cipj della cattolica religione 11. 3, Mailand 1752, bei ihr denuncirt
worden war. Sie übersandte ihm eine Dichiarazione e protestazione,
die er unterschreiben und drucken lassen musste, damit sie seinem
Buche beigeheftet werde. Sie beginnt: „Auf Befehl der Index-
Congr. und um meine katholische Gesinnung zu beweisen, erkläre
ich," und bezieht sich auf 12 Sätze, zum Theil auf solche, in denen
er Ansichten seiner Gegner als Jansenistisch, die Gegner des Pro-
babilismus als Eigoristen und Jansenisten bezeichnet hatte, auch die
Sätze: im allgemeinen hätten in Moralfragen die Theologen des 18.
Jahrh. mehr Autorität als die der früheren Jahrhunderte und sei
in Sachen, die das Gewissen betreffen, ein guter Summist mehr
werth als alle Kirchenväter^). — Es ist den Jesuiten nicht zu ver-
denken, dass sie die Erklärung von Conc, und den Dominicanern
nicht, dass sie die von Ghezzi separat drucken Hessen und in zahl-
reichen Exemplaren verbreiteten; es ist auch erklärlich, dass darüber
gestritten wurde, welche der beiden Erklärungen mit mehr Recht
als Retractation bezeichnet werden könne. — Auch ein Dominicaner
Gonsalvo Carattini, mit welchem Conc. eine Controverse hatte, musste
ifyjyrjnxij quarundam operis Vita claustralis propositionum, ab auc-
tore ejusdem ad amicum scripta et per modum appendicis operi ad-
nexa, Verona 1744, drucken lassen (Sandelli p. 47).
Ghezzi hat auch Saggio di supplementi teologici morali, di
cui abbisogna la Storia del Probabilismo e Rigorismo, Lucca 1744,
geschrieben. Das Buch sollte in Mailand gedruckt werden ; der In-
quisitor hatte schon die Druckerlaubniss ertheilt, da erhielt er die
Weisung, das Manuscript nach Rom zu schicken. Ghezzi zog nun
dieses zurück und schickte es nach Lucca an Mansi, den Sandelli
p. 52 bei dieser Gelegenheit als Haupt- Probabilisten seiner Zeit be-
zeichnet. Damals schrieb aber Giov. Lami an den Jesuiten-General:
wenn er fortfahre es zu dulden, dass seine Patres anständige Leute
mit ihren Pasquillen verhöhnten, werde man für dieses Treiben den
Orden verantwortlich machen. Darauf befahl der General, den schon
begonnenen Druck des Buches von Ghezzi einzustellen, und gestattete
später die Fortsetzung desselben nur unter der Bedingung, dass
die einzelnen Bogen zur nochmaligen Durchsicht nach Rom gesandt
würden.
Von Patuzzi's Werken sind die Lettere teologico-morali di
Eusebio Eraniste, Trient 1751 — 54,* 6 voL 8., für einige Abschnitte
der Geschichte des Index von grossem Werthe. Ueher seine anderen
Streitschriften und die Gegenschriften s. Backer s. v. Balla und
Gagna; Werner, Fr. Suarez 1, 362. Gegen LiguoriV Breve disser-
tazione deir uso dell' opinione probabile, 1762, schrieb Patnzzi :
1) Storia lett. 9, 68. Suppl. ai tomi 4 e 5 della Storia lett. 2, 282.
Sandelli p. 183.
G. V. Patuzzi. Alf. Liguori. G. B. Faure. D. Stedlcr. 823
La causa del probabilismo ricbiamato all' esame da Mons. di Li-
gaori e novellamente convinta di falsitä da Adelfo Dositeo, Ferrara
(Ven.) 1764; vgl. Werner S. 365. — Liguori's Praxis confessarii
Ven. 1757 wird im span. Index von 1790 nach einem Edict der
span. Inquisition von 1762 expurgirt; es werden 6 Stellen gestrichen.
In dem Index von 1805 wird noch eine Stelle in einer zu Rom
1767 erschienenen Ausgabe der Theol. moralis gestrichen.
Im Vorstehenden sind zwei Biographieen benutzt worden : Dio-
nysii Sandellii Patavini de DanieÜs Concinae vita et scriptis com-
mentarius, Brixiae 1767,* 292 S. 4. (mit neuer Paginirung sind
Epistolae clarorum virorum ad P. D. Concinam angehängt, 99 S.),
und Vita del Padre Daniello Concina dell' Ordine de' Predicatori,
che serve di compimento alle celebri Lettere teologico-morali di
Eusebio Eraniste, Brescia 1768,* XXIV und 300 S. 8. Diese wird
als eine italienische Bearbeitung der von einem ungenannten unter
dem Namen D. Sandelli herausgegebenen Vita bezeichnet, der einige
Notizen und ungedruckte Briefe beigefügt seien. Sie wurde 1777
verb., wahrscheinlich weil darin gesagt wird: der Streit darüber,
ob die 5 Sätze von Jansenius gelehrt worden, sei kein dogmatischer
Streit, also der sog. Jansenismus ein Phantom (N. E. 1777, 56)^).
Am 21. Nov. 1757 wurde noch verb. De praxi Quesnelliana
in dilatione sacramentalis absolutionis, ad propositiones 87. et 93.
ex 101 proscriptis in Bulla Unigenitus, dissertatio dogmatica. Nach
den N. E. 1757, 93. 186 ist diese Dissertation von Faure, der Druck
derselben aber sistirt worden, als 80 S. 4. gedruckt waren. Es
wird dieselbe Schrift sein, die nach der Bibliografia Romana, 1880,
I, 113, wo Faure*s Schriften verzeichnet werden, 1791 zu Rom er-
schien in dem Buche: In Arnaldi librum de freq. communione Me-
diolani nuper recusum et in alterum ejusdem de traditione Ecclesiae,
in quibus Quesnelliana ab Ecclesia damnata praxis de absolutionis
dilatione adstruitur, dissert. postuma et imperfecta, ab altero . . .
ad metam perducta.
3. Ein Buch des Jesuiten Daniel Stadler (1705 — 64), Tractatus
de duello honoris vindice ad theologiae et juris principia examinato,
Ingoist. 1751, 4., worin das Duell als unter Umständen erlaubt
1) Von der Vita von Sandelli gibt es auch eine Ed. altera, Venotiis
1767*, 4. Melzi 3, 252 erwähnt noch De vita et studiis P. Daniclis Con-
cinae 0. P. commentarius cura et studio V{incentii) F(as8ini) R(aconien8is),
Veu. 1762, 8., und meint irrthümlich, diese sei verb. worden und darauf
habe Fassini die Biographie unter dem Namen Sandelli herausgegobcn.
Die italienische Vita erwähnt er 1, 289 als unter dem Namen Niceforo
Desmio erschienen, und sagt, die Uebersetzung sei von einigen Priestern
im Seminar zu Brescia angefertigt und von Fassini selbst revidirt worden,
Sandelli p. 228 sagt: ein dürftiger Commentarius de vita et studiis etc.,
den Lami dem P. Fassini zuschreibe, stehe im 5. Bande des nach Con-
cina's Tode erschienenen Theologiae ehr. . . Compendiura, Bologna 1762.
Eine andere Biographie von Lu«ircntius Rubeus steht in Theologia christ.
. . in duos tomos contracta, Bologna 1769^^.
824 Streit über den Probabilismus.
dargestellt wird, wurde in Rom denuncirt und gab Veranlassung
zu einer Bulle vom 10. Nov. 1751 (Bull. 4, 22), worin Benedict XIV.
die Decrete früherer Päpste und des Trienter Concils gegen das Duell
(I S. 511) recapitulirt, bestätigt und verschärft und auf Grund des Gut-
achtens einer speciellen Congregation von Cardinälen und Theologen 5
Sätze über die Erlaubtheit des Duells in bestimmten Fällen unter An-
drohung der Excomm. 1. sent. zu lehren verbietet. Diese Sätze, sagt er,
seien aus Schriften von Neueren entnommen. Stadler wird nicht
genannt. Sein Buch steht auch nicht im (Römischen, wohl aber
im Wiener) Index. Er musste aber retractiren, und es wurde ihm
aufgegeben, seine Ansichten in einer neuen Auflage zu berichtigen.
Eine solche ist aber nicht erschienen. Hurter 3, 179 lobt sein Buch
als gelehrt, genau und gründlich, ohne die Bulle zu erwähnen ^). —
Als ein Beispiel von liberaler Handhabung der Censur unter Bene-
dict XIV. kann auch angeführt werden, dass 1747 eine Schrift
(Dissertation) des baierischen Prämonstratensers Georg Lienhardt
(f 1783), Ogdoas erotematum ex octonis theosophiae scholasticae
tractatibus publicae luci et concertationi exposita, Ulm 1746, un-
bedingt verb., dann aber 1748 auf die Vorstellung des General-
Procurators der Prämonstratenser der Index-Congr. befohlen wurde, die
beanstandeten Sätze dem Verfasser mitzutheilen , damit er von
seiner Schrift eine verbesserte Ausgabe veröffentlichen könne, die
freilich nicht erschienen ist^).
Der Jesuit Franz Neumayr (1695 — 1765) hat eine Menge
von Controverspredigten drucken lassen (die Titel beginnen durch-
weg mit: Frag: ob; Backer s. v.). Frag: ob der Probabilismus
oder die gelindere Sittenlehr catholischer Schulen abscheulich und
zu vermaledeyen seye? Beantwortet von P. Fr. Neumayr S. J.,
des hohen Dom-StifFts der Reichs-Stadt Augspurg Ordinari Predigern,
wider die protestantischen Zeitungsschreiber^) am Oster- Dienstag im
Jahr Christi 1759, wurde von der Inq. Fer. V. 29. Mai 1760 quo-
vis idiomate verdammt als resp. ärgernissgebende, verderbliche, ver-
wegene und fromme Ohren beleidigende Sätze enthaltend. Der Je-
suit macht von dem Probabilismus eine eigenthümliche Anwendung:
wenn einem Haeretiker nach hinreichender Discussion der Religion
seine eigene noch probabel scheinen würde, so könne und müsse
er in derselben bleiben, obwohl ihm die katholische Religion merk-
lich probabeler scheine (ähnlich schon Thomas Sanchez; Patuzzi
1) Concina, Theol. ehr. contr. 1, 194. 320. — Zu einer Stelle in
Barth. Cassauaeus, Catalogus gloriae mundi, 1586 und 1612, verordnet
Lies. 1624 am Rande beizufügen: Duella nunquam privata auctoritate,
publica nisi in raro casu licent, Sot. p. 92: Duella nonnisi publ. auct. et
raro permittuntur.
2) Münchener Allg. Reichsarchiv. Kl. Fölling, Fase. 17, No. 127.
lieber Lienhardt s. Feller s. v. Hirsching 4, 1, 267.
3) Heinr. Gross hatte in einer Erlanger Zeitschrift über den Pro-
babilismus geschrieben. Die Predigt erschien 1759 in zwei Auflagen, auch
lateinisch: Quaestio an prob, etc., mit Anmerkungen.
G. Lienhardt. Fr. Noiiniayr. Thesen von Aviso. 825
1, 275). Eusebius Amort hatte die Predigt bei einem Cardinal
denuncirt. Der Bischof von Augsburg veröffentlichte das Verbot
und nöthigte Neumayr, dasselbe zu unterschreiben. Die Jesuiten
sprengten dann aber aus, der Papst sei hintergangen worden ; die
Predigt wurde als pures Wort Gottes gej)ne8en, das gleichsam nur
von der Synagoge angefochten worden, und Neumayr als unschuldig
verdammter Märtyrer gefeiert^). In einer 1774 erschienenen Schrift
werden die „in Rom sehr zahlreichen" Jansenisten für die Ver-
dammung verantwortlich gemacht. — Der Erzbischof Migazzi von
Wien verbot 1760 die Predigt gleichzeitig mit dem Werke von
Berruyer. Die deutsche und die lateinische Ausgabe der Predigt
wurden 1762 auch in Spanien verb., speciell aber das Titelkupfer,
welches nach der Beschreibung des span. Index die Stellen Ps. 138,
12; 71,4 (Dens humiliabit calumniatorem), den Namen Jesus, einen
Mercurius, Porträts des Papstes und Ferdinands VI. und Henker,
welche Bücher verbrennen, enthält. Unter diesen Büchern war eins
als Palafox' Werke bezeichnet, und das hat das spanische Verbot
veranlasst (Obras de Palafox, T. I, e 3 v.).
Fer. V. 26. Febr. 1761 verdammte die Inq. (coram Clemente
XIII.) Plagula undecim thesium, cui titulus: Probabilismus dis-
putationi ven. clero Avisiensi exercitii gratia expositus contra proba-
biliorismum stricte taleni, utpote negotium perambulans in teuebris,
pro die 10. Jun. 1760 in aedibus canonicalibus Avisii. Die 11
Thesen hatten den Geistlichen, die zu Aviso bei Trient darüber dis-
putirten, nur handschriftlich vorgelegen; der Fürstbischof Franz Felix
Alberti von Trient verdammte sie 3. Jan. 1761 in einem Circular
an sämmtliche Pfarrer, als sie ausserhalb seiner Diöcese gedruckt
erschienen waren ; der Canonicus Ceschi denuncirte sie in Rom. Das
Decret der Inq. wurde dem Fürstbischof zugesandt, der es den
Pfarrern mittheilte und im Auftrage der Inq. den Pfarrer von Aviso
zum Widerruf autforderte. In dem Decrete (bei Concina, Theol.
Christ., 1769, 2, 439; Fleur. 84,327) sind die 11 Thesen abgedruckt;
das Blatt wird verdammt, weil es Sätze enthalte, von denen einige resp.
falsch, temerär und für fromme Ohren verletzend seien, einer —
der Wahre Probabilismus oder Benignismus sei Christo Domino
summe familiaris gewesen — irrig und haeresi proxima. Die
Sätze waren grösstentheils fast wörtlich entnommen aus Conclusio-
nes, welche die Jesuiten 1754 zu Palermo hatten vertheidigen und
drucken lassen, die aber, weil nicht denuncirt, auch nicht verdammt
worden waren. Als Patuzzi gegen Liguori behauptete, die Inq.
habe den Probabilismus verdammt, da in der ersten der 11 Thesen
der Satz vorkomme : Licet sequi sententiam minus probabilem pro
libertate relicta probabiliori pro lege, fragte Liguori bei dem Card.
Gotti als Poenitentiarius major, bei dem Secretär der Index -Congr.
und bei dem Mag. S. Pal. an, und erhielt den Bescheid: es seien
nicht alle einzelnen Sätze des Blattes verdammt worden ^).
1) Friedrich, Beitr. zur Kirchengesch. S. 87. 115. Flour. 84, 306.
2) Acten über die Erhebung Liguuri's zum Doctor Eccl. col. 487.
826 Streit über den Probabilismus.
4. Gregor XVI. sagt in der Bulle vom J. 1839, durch welche
Liguori heilig gesprochen wurde (selig gesprochen war er 1816 von
Pius VII.): Ilhid in prirais notatu dignum est, quod licet copiosis-
sime scripserit, ejusdem tarnen opera inoffenso prorsus pede percurri
a fidelibus posse, post diligens institutum examen perspectum fue-
rit, und Pius IX. in dem Breve von 1871, wodurch ihm der Titel
Doctor Ecclesiae zuerkannt wurde (Acta S. S. 6, 320): Ipse errorum
tenebras ab incredulis et Jansenianis late diffusas doctis operibus,
maxime theologiae moralis tractationibus, dispulit atque dimovit,
obscura insuper dilucidavit dubiaque declaravit, cum inter implexas
theologorum sive laxiores sive rigid iures sententias tntam straverit
viam, per quam christifideliuni animarum moderatores inoffenso pede
incedere possent. — Als der Erzbischof von Besan^on, Card. Rohan
Chabot, der Poenitentiarie die Frage vorlegte: ob ein Beichtvater
zu beunruhigen sei, der die Werke Liguori's nur gelesen, um dessen
Ansichten kennen zu lernen, ohne sich um die Begründung der-
selben zu kümmern, und der in praxi sich nach diesen Ansichten
richte, lediglich darauf gestützt, dass der h. Stuhl in seinen Werken
nichts der Censur Würdiges gefunden, entschied die Poenitentiarie
5. Juli 1831 verneinend, habita ratione mentis S. Sedis circa appro*
bationem scriptorum servorum Dei ad effectum canonisationis (Acta
S. S. 1, 497), und auf eine Anfrage eines Professors, der den an
seiner Universität vorgeschriebenen Eid geleistet, er wolle nach
Kräften den Probabiliorismus vertheidigeu, ob er gegen diesen Eid
handle, wenn er in allem der Lehre des h. Alphons folge, — er
fügte die Bitte bei, man möge ihn eventuell von diesem Eide ent-
binden, — entschied die Poenitentiarie 19. Dec. 1855, die Frage sei
zu verneinen und also eine Entbindung von dem Eide nicht nöthig
(Hurter 3, 464).
Cr6t.-Joly 6, 231 sagt: „Die Lehre Liguori's ist identisch mit
der der Theologen der Gesellschaft. Seine Moraltheologie ist nur
ein Commentar zu der Medulla des P. Busembaum, deren Text er
vollständig aufgenommen. Seine Canonisation war also die Recht-
fertigung der Casuisten der tiesellschaft und namentlich Busembaums.''
Und der Jesuit de Montezon (bei S.-Beuve I, 526) sagt: „Die* Lehre
der Jesuiten ist bei einer feierlichen Gelegenheit von der Kirche
als gegen jeden Tadel geschützt anerkannt worden, durch das Ur-
theil, welches über die Moraltheologie Liguori's bei seinem Selig-
sprechuugsprocess gefällt worden ist. Denn wenn dabei auch die
Jesuiten nicht ausdrücklich genannt werden, so betriflFt das ürtheil
doch direct ihre Theologie, die der ehrwürdige Bischof zu der sei-
nigen gemacht. Bei der Prüfung der Lehre, welche der Selig-
sprechung vorhergeht, wurde gegen Liguori geltend gemacht^ dass
er seine Moraltheologie auf den Probabilismus gestützt ... Er hatte
auch Jesuiten, namentlich Busembaum zu Führern genommen und
in den meisten Fällen die Entscheidungen dieser Theologen zu den
seinigen gemacht, selbst diejenigen, welche Pascal und seine Nach-
ahmer mit ihrer schwärzesten Kohle angestrichen .... Nihil cen-
sura dignum, heisst es in dem Decrete, und später erklärte ein
Bibliothdquo Janseniste und spanischer Index ven 1747. 827
anderes EömisclieB Tribunal, jeder Beichtvater dürfe ohne weitere
Prüfung sich nach allen Entscheidungen Liguori^s richten. Das ist
eine vollständige und feierliche Apologie der Lehre der Jesuiten,
durch die zugleich ein gewisser Tadel gegen die übertriebene Strenge
der entgegengesetzten Lehre ausgesprochen wird." S.-Beuve selbst
sagt 3, 455 mit Eücksicht auf die Vorrede der Benedictiner von
Solesmes zu ihrer Ausgabe der Werke Liguori's (1734): „Die be-
queme Moral der Jesuiten, welche Pascal denuncirte, ist nun ganz
gesund und heilsam geworden; sie ist mehr als amnestirt, sie ist
präconisirt worden. Liguori hat nichts anderes gethan, als sie zu
Ehren gebracht, sie praktisch gemacht und sie in authentischer
Weise unter den Christen in Umlauf gesetzt. Das ist recht eigent-
lich sein Beruf gewesen; für eine so grosse Wohlthat verdient er
als ein Mittler zwischen Himmel und Erde begrüsst zu werden**^).
Nachdem Liguori zum Doctor ecclesiae erhoben und so, wie
Hurter 3, 464 sagt, „den hh. Athanasius, Augustinus, Bernardus, Tho-
mas, Bonaventura und anderen Säulen der Kirche und der theolo-
gischen Wissenschaft zugesellt" worden, haben übrigens die Jesuiten,
speciell Ant. Ballerini, zu zeigen unternommen, seine Entscheidungen
seien zum Theil noch zu rigoristisch und sein Aequiprobabilismus
müsse, um haltbar zu sein, im Sinne des gewöhnlichen Probabilis-
raus gedeutet werden; sie haben dadurch eine Controverse mit den
Kedemtoristen hervorgerufen, welche das ilirem Stifter zuerkannte
Nihil censura dignuni auch den Jesuiten gegenüber zur Geltung
bringen wollen. Es hiess einmal, Ballerini werde in den Index
kommen ; aber seine Bücher sind in Koni mit Approbation des Mag.
S. Pal. erschienen^).
78. Die Bibliotheque Janseniste und der spanische
Index von 1747.
Im J. 1722 veröffentlichte der Jesuit Dominique de Colonia
unter dem Titel Bibliotheque Janseniste ein Verzeichniss der
von den Jesuiten als Jansenistisch angesehenen Schriften, worunter
natürlich sehr viele sind, die in Rom nie verboten, einige, die ans-
1) Fr. Meyrick, Moral' and devotioual Theology of the Church
of Korne aocordingr to the authoritative teaching uf S. Alfonso de' Liguori,
Lond. 1857 (handelt auch von den „Ilcrrlichkeiteu Mariac**). Auch Leo XIII.
hat 1879 Liguori's Theologie gepriesen und dabei hervorgehoben: nervo-
sissime propugnavit Rom. Pontificis primatum et infallibile magisterium
(Acta JS. S. 12, 273).
2) Vgl. über den Streit Katholik 1873, 2, 222; 1874, 1, 164. Lit.
Hdw. 1873, 228; 1875, 74. Th. Lit.Bl. 1874, 21.
828 Bibliuihcquü Janseniste und spanischer Index von 1747.
drticklich freigegeben worden waren ^). Aus einer spätem Auf-
lage dieses Buches stammt das Verzeichniss der Jansenistischen
Bücher, welches dem spanischen Index von 1747 augehängt ist
(S. 54). In jenem jesuitischen und diesem spanischen Index
steht auch das Werk des Cardinais Noris, welches in Rom
wiederholt denuncirt, geprüft und freigegeben worden war (S.671).
Das veranlasste Benedict XIV., zunächst 1748 dem spanischen
General-Inquisitor in einem sehr interessanten Privatbriefe Vor-
stellungen zu machen, dann, da dieses erfolglos blieb, das Ver-
bot des Werkes von Noris zu suspendiren und bei dem Könige
von Spanien Beschwerde darüber zu führen. Erst 1758 wurde
das Verbot aufgehoben. — Die Bibliotheque Janseniste wurde
1749 von der Index-Congregation verboten. Die Jesuiten rächten
sich dafür durch drei Pasquille gegen den Secretär derselben,
Kicchini, — auch diese wurden natürlich verboten, — und 1752
veröffentlichte P. Patouillet eine bedeutend vermehrte Ausgabe
der Bibliotheque unter dem Titel Dictionnaire des livres Janse-
nistes, in welchem Noris weggelassen, aber u. a. Werke der
Augustiner Bellelli und Berti verzeichnet wurden, welche eben
damals in Rom denuncirt, untersucht und freigegeben worden
waren. Das Dictionnaire wurde 1754 verboten.
1. Dass Dominique de Colonia, geb. 1660 zu Aix, f 1741 zu
Lyon, der Herausgeber der Bibliotheque ist, ist unbestritten, obschon
in seinem Eloge in den Mem. de Trevoux 1741, 2101 das Buch
nicht genannt wird. Die erste Ausgabe ist nur ein kleines Bänd-
chen: Bibliotheque Janseniste, ou catalogue alphabetique des
principaux livres Jans, ou suspects de Jansenisme, qui ont paru de-
puis la naissance de cette heresie, avec des notes critiques sur les
veritables auteurs de oes livres, sur les erreurs qui y sont conte-
nues et sur les condamnations, qui en ont ete faites par le Saint
Siege ou par TEglise gallicane ou par les ^veques diocesains, s. 1.
1722*, 24 Bl. und 308 S. 4. Eine 2. Edition corrig*e et augmen-
tee de plus de la moitie erschien zu Lyon 1731* (N. E. 1731,302),
auch 8. 1. (in Holland) 1735. Die 3. Ausgabe erschien zu Brüssel
1739 in 2 vol., die 4. ebendaselbst 1744 (also nach dem Tode Co-
1) Schon früher war erschienen: Bihliotheca siutijanseniana 8. cata-
loßus piorum eruditorumque scriptorum, qui C. Jansenii ... et Janse-
nianorum haeresim, errores ineptiasque oppugnarunt, cum praeludiis hi-
storiac et cribratione farragiuis Jansenisticae, Paris 1654, 104 S. 4., von
Phil. Labbe S. J. Die Iniago primi saecuh Jansenistarum von Alph. Huyleu-
broucq, f 1722, ist nicht gedruckt, aber wahrscheinlich für das Dict. be-
nutzt worden. Backer 2, 807.
Bibliothdque Janseniste. 829
lonia's) in 2 vol. unter dem Titel: Bibl. Jans, ou cat. alphab. de
livres JanRenisteR, Quesnelistes, Baianistes ou suspects de ces erreurs
etc. (N. E. 1760, 82). Das Verbot erfolgte durch ein besonderes
Beeret vom 20. Sept. 1749 (Catalaui, Secr. p. 58), welches von dem
Card. Guadagni als Praefecten, dem Dominicaner Riech ini als Secre-
tär der Index-Congr. unterschrieben ist. Verboten werden darin
alle Ausgaben, — dem Titel der letzten ist beigefügt: Bruxellis
1744 et alibi, und: quocunque idiomate, — und motivirt wird das
Verbot durch die Bemerkung, das Buch enthalte mehreres, was resp.
falsch, temerär, für katholische Schulen und Schriftsteller, auch
kirchlich hochgestellte (etiam ecclesiastica dignitate emineutibus),
injuriös sei und Decreten des apostolischen Stuhles widerspreche.
Am Schlüsse wird angegeben, das Decret sei Benedict XIV. durch
den Secretär vorgelegt worden und er habe es bestätigt und zu pu-
bliciren befohlen. — Mit den in der Bibl. übertretenen Decreten
sind das Breve von 1694 (S. 643) und ähnliche gemeint, mit den
hochgestellten Schriftstellern namentlich Card. Bona, dessen Epistola
(S. 520), und Card. Noris, dessen Hist. Pelag. in der Bibl. steht,
letztere mit der Bemerkung, sie sei dreimal dem h. Stuhle denuncirt,
aber nie verdammt worden. Auch viele andere Bücher stehen in
der Bibl., die in Rom ausdrücklich freigegeben worden, wie Ar-
naulds Frcq. Communion, oder doch nicht im Rom. Index stehen,
wie Petri Aurelii opera, Theologie de M. Habert, Theol. morale de
6 renoble, die Meditations von Bossuet, die Essais de morale von
Nicole, der Tractatus de Sanctorum . . . cultu von Neercaesel u. s. w.
Bald nach dem Verbote erschien s. 1, Epistola Doctoris
Sorbonici ad amicum Belgam, Parisiis XII. Kai. Dec. 1749, auch
französisch: Lettre et<;., von dem Jesuiten Pietro Lazeri verfasst
(U. N. 1750, 119. 552), eine bittere Satire auf das Decret, von
welchem behauptet wird, es gehe gar nicht von der Index-Congr.
aus, sondern sei von Ricchini fabricirt, der das Interesse des Papstes
für Card. Noris benutzt habe, um ihm einzureden, durch das Verbot
der Bibliotheque könne das Verbot der Werke von Noris im span.
Index paralysirt werden (Catalani p. 82). Ricchini, heisst es ferner,
sei pro suo arbitrio Dominus et moderator der Index-Congr.; mit
dieser könne es nicht besser werden, wenn nicht die Mönche entfernt
und gelehrte und angesehene Praelaten an ihre Stelle gesetzt wür-
den; die Index - Decrete seien so in Missachtung gekommen, dass
davon Menage's Wort gelte: Notabitur Romae, legetur ergo. — Das
Schriftchen wurde mehreren Cardin älen und anderen Personen in
Rom zugeschickt. Als Entgegnung darauf erschien Romani Phila-
lethis ad Theologum Lovaniensem Epistola de justa Bibliothecae
Jansenianae proscriptione, Ven. 1750, 4., pridie Idus Martii 1750
datirt, nicht von Ricchini, wie Melzi 1, 279 angibt, sondern von
Concina (in dessen Theol. Christ, contracta, Bononiae 1769, p. 347
unter seinen Werken verzeichnet, in dem Apparatns, 1751, 1,53 — 64
abgedruckt; vgl. Sandelli, Vita p. 187). Concina bezeichnet die
gegen Ricohini vorgebrachte Beschuldigung als lächerlich, und sagt,
am schmählichsten sei, dass in der Bibliotheque Noris, Bona und
880 BibliothSque Janseniste und spanischer Index von 1747.
Genet nnter den Jansenisten ständen; warum man nicht auch den
Card. Thomasius aufgenommen habe, den Laderchi auch als Janse-
nisten verdächtigt; der Satz in dem Tractatus de Sanctorum . . .
cuitu, auct. Jo. Episcopo Castoriensi, von dem die Bibl. sage, ihn
könnten auch die Calvinisten unterschreiben: Catholi<i colunt sanctos
in coelo commorantes eodem modo, quo colunt sanctos hie in terra
exulantes, sei von Augustinus u. s. w. ^).
In einem besondern Decrete der Index-Congr. vom fi. Mai
1750 (Catalani p. 59) wurde Lazeri's Epistola (und Lettre; sie wird
als folia nonnnlla bezeichnet), quocunque idiomate impressa seu, quod
absit, imprimenda verb. als Libellus famosus, der falsche, temeräre,
iirgernissgebende, aufrührerische und für den apost. Stuhl injuriöse
Sätze enthalte. Lazeri blieb die Antwort nicht schuldig: Sor-
bonici Doctoris ad Rev. Ricchinium, S. Congr. Indicis Secretarium,
gratiarum actio, quod Epistolam Sorbonicam nomine S. Congregatio-
nis proscribendo confirmaverit, s. 1. et a.*, 2V2 S. 4. Dass Ricchini
seine Epistola sofort verboten und die Erwähnung des Card. Noris
in der Bibliotheque so übel genommen habe, während er die Apo-
logie des Frater Berti approbirt und dabei den Erzbischof von
Vienne heftig angegriffen habe, die Schriften des Bischofs von Au-
xerre, eines notorischen Appellanten, in denen Benedict XIV. zu den
Jansenisten gezählt werde, nicht verbiete und ebensowenig die Vor-
lesungen von Serry, in denen die Auctorität der Kirche bezüglich
des Factum «lansenianum offen bestritten werde ^), das zeige aufs
neue die Parteilichkeit der Dominicaner und beweise, dass „mit
vollem Rechte Deutschland, Polen, Ungarn, Frankreich, Spanien,
Portugal, ja auch fast ganz Italien diese neuen Decrete, mögt ihr
den Namen der Inquisition oder des Index oder des Magister S.
Pal. daran hangen, namentlich wenn es sich um euere Parteisachen
handelt, nicht als apostolische, sondern als Dominicaner-Decrete be-
zeichnen und ansehen." Zugleich wird angedeutet, das letzte Decret
sei gegen den Willen des Präfecten der Index-( Kongregation, des
Card. Querini, erlassen worden. Diese Behauptung stützte sich auf
1) Decret de la Congregation de Tlndex contre la Bibliotheque Jans.,
avec la lettre d'un Docteur de Sorbonne k un de sea amis en Flandre
et la lettre d'un Theologien Romain ä un Docteur de Louvain, Avignon
1750, 126 8. 12., die drei Stücke lateinisch und französisch, mit einem
Avortissement von XII S., welches nach N. E. I7ö0, 157 von einem „Bul-
listen" geschrieben ist, sich aber gegen Colonia wendet und anerkennt,
dass es sich bei dem Janseuistischen Streite gar nicht mehr um Glaubens-
sachen, sondern nur um nicht geofifcnbarto Thatsachen handle.
2) In einer Anmerkung wird der 1742 erschienene 4. Band der Prae-
lectiones von Serry citirt und beigefügt: Audi jam, Ricchine frater. Ilaec
Serrii tui doctrina si prava est, cur ab octo jam annis per Italiam cum
plausu vulgatur, Rev. Ursio anteu, nunc te protegente? (Orsi, seit 1749
Mag. S. Pal., war vor Ricchini 1738—49 Secretär). Sin autem catholica
est, cur a centum fere annis Belgium et Galliam tot turbis permiscuit
Apostolica Sedes, ut ad eam doctrinam ejurandam formulario Alexandrino
adigeremur?
Bictionnaire des livres Jansdnistes. 881
die Tbatsache, dass das Decret nicht von Querini, sondern von dem
Card. Spinelli unterschrieben war. Querini erklärte aber, er habe
wegen Unwohlseins der betreffenden Sitzung nicht beigewohnt und
darum und aus einem andern Grunde, den er durch den Secretär
dem betreffendien Cardinal mitgetheilt, gewünscht, dass das Decret
statt von ihm, von dem ältesten der anwesenden Cardinäle unter-
schrieben werde (Catalani p. 60). Diese zweite Epistel wurde 24.
Nov. 1751 verb., gleichzeitig auch eine Erwiederung auf Concina's
Epistel: Ad Philalethem Romanum, cujus est Epistola de justa Bi-
bliothecae Jansenianae proscriptione, Hispani Philalethae respon-
sio, ubi de justa proscriptione Norisii per Hispanam Inquisitionen!,
Hispali 1751 superiorum permissu, 24 S. 4., sicher ebenso wenig
in Sevilla wie mit Erlaubniss der Oberen gedruckt, von einem Je-
suiten, wahrscheinlich von Faurc, nach anderen von Langomarsini,
verfasst
Faure gab noch in demselben Jahre, 1750, eine umfangreichen»
Schrift gegen die Dominicaner heraus, das IS. 177 besprochene
Commentarium, erst 1757 verb. Von der Biblioth5que aber er-
schien eine stark vermehrte Ausgabe unter dem neuen Titel: Dic-
tionnaire des livres Jansenistes ou qui favorisent le Jansenisme,
Anvers (Lyon) 1752*, 4 vol. 8., von dem Jesuiten Louis Patouillet
(1699 — 1777), worin Concina's Brief als une miserable declamation
contre le P. de Coloiiia et contre les Jesuites, qui contient les plus
grandes faussetes et les plus pitoyables raisonnements (2, 56), cha-
rakterisirt wird. Es wurde 1754 verb.; 1755 erschien, angeblich
wieder zu Antwerpen, eine neue Ausgabe, die aber nur eine Titel-
ausgabe ist. Es erschienen dagegen Observations sur un ouvrage in-
titule Dictionnaire ... 28 8. 12., Lettres au R. P. P(atouillet) .Fe-
suite pour servir d'introduction, de commentaire et d'apologie a son
Dictionnaire, Anvers 1752, 156 S. 12. (N. E. 1755, 187.208), letz-
tere auch italienisch, Neapel 1756, 94 S. 8. (Backer 7, 202). —
Das Dictionnaire ist natürlich durch und durch parteiisch (die llr-
theile in Hurters Nomenol. stammen meist daraus), aber wegen der
reichhaltigen Notizen über viele seltene Schriften für die Geschichte
des Index unentbehrlich. Eine Art von neuer Bearbeitung desselben
mit Berücksichtigung der spätem Literatur ist das Dictionnaire
des Jansenistes, contenant un apergu historique de leur vie et un
examen critique de leurs livres, in Migne's Dictionnaire des heresies,
des erreurs et des schismes, 1847, Tome 2., col. 247 — 906, aus dem
Dictionnaire, Picot, Feller u. a. compilirt, aber bequem geordnet. —
Es steht doch auch eine Streitschrift gegen den Jesuiten-Index im
Index: Reponse ä la Bibliotheque Jans^niste, avec des remarques
sur la refutation des critiques de M. Bayle et des eclaircissemens
sur les lettres de Mgr. Saleon, Ev. de Rodez a Mgr. Bossuet, Ev.
de Troyes, Nancy (Paris) 1740, 408 S. 12., nach Dict. Jans. 3, 459
von Nie. LeGros, nach Picot 4,341 von dem Capuciner Osmond du
Sellier (P. Tranquille de Bayeux), vielleicht von beiden gemeinschaft-
lich verfasst^).
1) Dagegen Lettres critiques sur differents points d^histoire et de
832 Biblioth^que Janseniste und spanischer Index von 1747.
2. Der spanische Index von 1747 enthält II, 1097 — 1112 ein
„Verzeichniss der Jansenistischen Bücher, die in französischer Sprache
zu unserer Kenntniss gekommen und nach Spanien eingeführt worden
sind, welche alle in jeder Sprache oder Ausgabe verboten werden".
Der grösste Theil der hier verzeichneten Bücher ist ganz sicher
weder den Inquisitoren zu Gesichte, noch, vielleicht von einzelnen
Exemplaren angesehen, überhaupt nach Spanien gekommen. Das
Verzeichniss ist einfach aus dem Register der Bibliotheque Jans.,
wahrscheinlich der Ausgabe von 1744, entnommen. Am Schlüsse
p. 1112 steht eine „Liste der Jansenistischen Schriftsteller, deren
Namen in diesem Verzeichnisse vorkommen", mit der Bemerkung:
„Alle Schriften mit dem wirklichen oder fingirten Namen dieser
Schriftsteller werden von der Inq. verboten, bis sie geprüft und
expurgirt worden sind". Es sind 50 Namen, zum Theil stark cor-
rumpirt, darunter Arnaut, d'Asfeld, Baillct, Barcos, Courrayer, Dupin,
de Gnet (Duguet), Hennebel, Huygens, Hure, Jurenin, Nicole, Sim-
uich. Nie. Tourneus, M, Vassor, (juilles de Wit. — Die Jesuiten
(-asani und Carrasco, welche die Redaction des Index besorgten,
sollen dieses Verzeichniss eigenmächtig beigefügt haben (Llorente
2,480. 489).
In diesem Theilc des span. Index steht nun auch Historia
Pelagiana et Diss. de synodo V. oecum. auct. P. M. Henr. Noris
(nicht die Vindiciae Augustinianae, die auch in der ßibliotheque
nicht ausdrücklich erwähnt, aber doch durch etc. hinter oecum. an-
gedeutet werden). Das veranlasste Benedict XIV. unter dem 31. Juli
1748 an den General-Inquisitor, Francisco Perez y Prado, Bischof
von Teruel, folgenden Brief (A. J. P. 17,28) zu schreiben: Der
General der Augustiner hat mich darauf aufmerksam gemacht, das»
die Hist. Pelag. und die Diss. de V. syn. in dem span. Index
stehen. Wenn diese Bücher wirklich, wie der Verfasser der Biblio-
theque Jans, mit Unrecht behauptet, etwas nach Bajanismus und
Jansenisnius röchen, so hätte doch nach Verlauf so vieler Jahre,
in denen sie mit dem grössten Beifall aufgenommen worden sind,
eine prudens ecclesiastica oeconomia verlangt, von einem Verbote
Abstand zu nehmen, welches doch bei den Augustinern und anderen
Gelehrten Widerspruch finden musste. Man hat in dieser Beziehung
oft gut befunden von dem strengen Rechte abzugehen. Unter Clemens
XT. wurden Tillemonts Werke denuncirt und vieles der Censur
Würdige daraus angeführt; der Papst aber hat Schweigen geboten.
Aehnlich wurde verfahren, als die BoUandisten denuncirt wurden,
obschon die Ankläger vieles anführten, was eine theologische Censur
verdiente. Du kennst das Werk, welches Bossuet auf Befehl Lud-
wigs XIV. über die gallicanischen Artikel von 1682 geschrieben.
Es ist schwer, ein anderes Werk zu finden, welches der ausserhalb
Frankreichs überall recipirten Lehre von der Unfehlbarkeit des ex
dognie, adresseos Ti raiitonr de la R«'ponse . . . par M. lo Pripur de Saint
Edrae (Collect), 1744.
Brief Benedicts XIV. von 1748. 888
cathedra redenden Papstes, von seiner Superiorität über ein allge-
meines Concil und von dem indirecten Rechte, welches er, nament-
lich wenn es der Nutzen der Religion und der Kirche erheischt,
über die weltlichen Rechte der Fürsten ausübt, so entgegenträte. Zur
Zeit meines unmittelbaren Vorgängers Clemens^ XII. ist ernstlich von
einem Verbote des Werkes die Rede gewesen, aber schliesslich be-
schlossen worden, davon Abstand zu nehmen, nicht nur um des An-
denkens eines in so vielen anderen Beziehungen um die Religion
wohl verdienten Mannes willen, sondern auch aus Furcht vor neuen
Zwistigkeiten. Wie vieles steht in Muratori's Werken, was der
Censur würdig ist; wie viel der Art (hujus furfuris) haben Wir selbst
beim Lesen derselben darin gefunden, und wie vieles ist Uns von
Rivalen und Anklägern vorgelegt worden ! Wir haben die Werke
nicht verboten und werden sie nicht verbieten, weil das mehr
Schlimmes als Grutes zur Folge haben würde. — Die Werke von
Noris sind aber nicht einmal Jansenistisch. Sie sind von der In-
quisition geprüft worden. Die beiden Schriften sollten ausserhalb
Roms gedruckt werden, wurden aber, nachdem sie von den auswär-
tigen Revisoren geprüft worden, vor der Veröffentlichung nach Rom
geschickt und hier nochmals revidirt und approbirt. Darauf wurde
Noris angeklagt, er habe einige nicht approbirte Sätze beigefügt;
darüber hat er sich gerechtfertigt. Innocenz XII. ernannte Noris,
der damals Professor in Pisa war, zum ersten Custos der Vatica-
nischen Bibliothek und wollte ihn zum Cardinal machen. Da er
nochmals denuncirt wurde, liess Innocenz XII. durch acht Theologen
seine Werke prüfen. Ihr Gutachten wurde der Inq. vorgelegt und
diese fand nichts zu tadeln. Darauf ernannte Innocenz Noris zum
Consultor der Inq. Da neue Broschüren gegen ihn erschienen, schrieb
er auf Befehl des Papstes 5 Dissertationen, die zu Rom 1695 ge-
druckt wurden. Er wurde nun Cardinal und Mitglied der Inq.
Unter diesen Umständen hätte ihn die span. Inquisition nicht in
den Index setzen dürfen, und Wir werden, nicht nur eingedenk des
Wohlwollens, welches Uns Card. Noris in Unseren jüngeren Jahren
bewiesen, sondern auch nach dem Beispiele Unserer Vorgänger, zu
dem dem Cardinal in dem span. Index angethanen Unrecht nicht
schweigen. Wir bitten Dich also, Abhülfe zu schaffen und nicht
zwischen Dir und Uns, der Römischen und der spanischen Inquisition
einen Zwist entstehen zu lassen. Ueber die Gnadenlehre gibt es
Schulmeinungen, die der apostolische Stuhl duldet und die auch die
Bischöfe und Inquisitoren dulden müssen u. s. w.
Was der General-Inquisitor geantwortet, ist nicht bekannt.
Die Angabe N. E. 1749, 104, er habe geantwortet: die Bulle
Unigenitus sei in Rom für eine Regula fidei erklärt worden; Noris
lehre Sätze, die darin verdammt seien , und sei darum in den
Index gesetzt worden, ist augenscheinlich nicht wahr, aber nicht
übel erfunden^). Jedenfalls hatte der Brief des Papstes zunächst
1) In einem Schriftchen (von J. B. Desessarts Poncet) Observations
sur le Bref de N. S. P. le P. Benoit an Grand Inquisiteur d'Espague, 1749,
Rensoh, Index II. 53
834 Bibliotbeque Janseniste und spanischer Index von 1747.
keinen Erfolg, und Benedict erliess 19. Febr. 1749 folgendes Decret
(Fabroni, Vitae It. 6,119): Wir haben zu Unserm Bedauern von
den Streitigkeiten gehört, welche in Spanien darüber entstanden sind,
dass Schriften von Noris in den Index von 1747 gesetzt worden.
Die bis jetzt von Uns angewandten Mittel, diesen Zwistigkeiten ein
Ende zu machen, sind erfolglos geblieben. Darum suspendiren Wir
kraft apostolischer Autorität das Verbot jener Schriften und wollen,
dass die Insertion derselben in jenen Index als nicht geschehen an-
gesehen werde. Alle zur Vertheidigung oder Bekämpfung dieses
Verbotes herausgegebenen Schriften verbieten Wir und befehlen Wir
an die Inquisition abzuliefern. Es soll fortan niemand mehr etwa«
darüber schreiben; was etwa noch darüber erscheint, soll als ver-
boten angesehen werden. Dieses Decret soll alle verpflichten, Bi-
schöfe und Cardinäle nicht ausgenommen, bei Strafe der reservirten
Excomm. 1. sent. für Laien, der Suspension für Geistliche. — Bene-
dict schrieb fünfmal über die Sache an Ferdinand VI; aber erst
nachdem dessen Beichtvater, der Jesuit Kavago, entlassen war, hatten
seine Bemühungen, die der Justizminister Manuel de Koda unter-
stützte, Erfolg (Llorente 2, 489. Fabroni 6, 90). Der Nachfolger
Perez y Prado's, Emmanuel Quintano Bonifaz, Erzb. von Pharsalus,
erliess 28. Jan. 1758 folgendes Edict: Dass ein Werk des Card.
Noris in den Index von 1747 gesetzt worden, hat viele Controversen
und eine Reihe von anonymen Streitschriften veranlasst. Um nicht
unsem Vorgänger offen anzugreifen und den dem Inquisitionsratbe
gebührenden Respect offen zu verletzen, haben einige sich nicht ge-
scheut, zu behaupten, das Buch sei ohne vorherige Prüfung von Seiten
der Inq. verboten worden; andere sind noch weiter gegangen und
haben behauptet, das Verbot sei für alle Welt ein Geheimniss ge-
wesen, bis man es im Index gefunden; man hat es auf einen Irr-
thum oder auf einen Willküract der mit der Herausgabe des Index
beauftragten Personen zurückgeführt, welche in unerleuchtetem Eifer
auf grundlose Angaben hin und unbekannt mit der auf Befehl von
zwei Päpsten wiederholt vorgenommenen Prüfung des Werkes durch
die Römische Inq. dasselbe in den Index gesetzt hätten. Bei der
Hitze des Streites und während der heftigen Partei-Agitationen ge-
bot die Klugheit zu schweigen und einen geeigneten Zeitpunkt für
die Entscheidung der Sache, welche der Augustinerorden an den
Inquisition srath gebracht, abzuwarten. Nach reiflicher Prüfung und
aus besonderen Gründen, die wir verschweigen, verordnen wir mit
Zustimmung des Inquisitionsrathes, aus dem Index von 1747, II,
14 8. 4., wird bemerkt: wenn der Papst Noris als katholisch in Schatz
nehme, so desavouire er indirect die Bulle Unigenitus (dagegen erschien
Lettre d'un Dr. de Sorb. ä un provincial de ses amis au sujet des Obser-
vations ... et sur les imputations calomnieuses de Henri, Theologien de
Douay, faites ä la doctrine du Card. Noris, 1749). Diesen Observations ist
ein Brief des Jesuiten Daubenton an P. Croiset beigedruckt, der schon
1714 gedruckt, aber von den Jesuiten in den Mem. de Trevoux und sonst
für eine Fälschung erklärt worden war. Dict. Jans. 3, 182. N. £. 1749, 91.
Der spanische Index von 1747. 835
1101, den Satz : Historia Pel. etc. zu entfernen, zu den noch nicht
verkauften Exemplaren einen Carton zu drucken, in den schon ver-
kauften den Satz unleserlich zu machen. Schliesslich werden wie
in dem Decrete Benedicts XIV. alle Streitschriften verhüten^).
Schon 1722 hatte die span. Inquisition verh. De virtutihus
infidelium ad mentem P. Augustini reflexio vindex pro Em. Card.
Henrico de Noris, von dem Augustiner Petrus Manso, Salamanca
1721, worin die Gratia pure sufficiens der Jesuiten als pelagia-
nisch und die Praedeterminatio der Thomisten als der Lehre des
Augustinus und Thomas widersprechend hezeichnet wurde. Manso
gah eine expurgirte Ausgahe heraus (Mich, a S. Jos. 3, 460). —
i)ie Theses Norisianae, in quibus damnatae Jansenii et novatorum
dogmata magno adscribuntur Augustino, 1730, von den Jesuiten
unter dem Namen eines Theologen Henricus von Douay herausge-
geben, stehen in keinem Index, auch nicht die Entgegnung: El de-
fensor de su agravio Noris, worin erzählt wird, wie Noris einem
Pfarrer Don Antonio erscheint und eine Yertheidigung dictirt (N. E.
1749, 105. 177).
Dem 2. Bande des Stuttgarter Exemplares des Index von 1747
sind zwei gedruckte Folioblätter beigebunden, welche die Ueberschrift
haben: „Noten zu dem Expurgatorio von 1747, dem obersten Eathe
[der Inquisition] vorgelegt, damit er die für geeignet erachteten
Massregeln ergreife", — es wird die von Llorente 2, 489 erwähnte
Denunciation des Dominicaners Martin Llobet sein, — und welche
(in spanischer Sprache) gegen den Index folgende Anklagen erheben :
1. Es sind Schriften ausgelassen, welche durch Edicte der Inq. ver-
boten sind ; [es werden vier, die Theologia supplex (von Serry) und
drei Schriften von Jesuiten namhaft gemacht, mit genauer Angabe
des Datums, unter welchem sie verb. waren]. — 2. Der Redacteur
hat sich mitunter nicht an den Wortlaut der Edicte gehalten, z. B.
bei einem Buche den im Edicte stehenden Namen des Verfassers
(des Jesuiten Nie. Estrada), bei mehreren Autoren die Bezeichnung
S. J. oder wenigstens P. weggelassen [diese Angabe ist insofern un-
richtig, als bei den speciell namhaft gemachten Jesuiten auch bei
Sot. kein S. J. steht und bei Poza dieses nicht fehlt], während bei
anderen Ordensleuten ein analoger Zusatz nicht fehlt; bei einem
Buche sind zu dem Verbote Zusätze gemacht, welche gegen den
Ernst und den Stil des h. Tribunals Verstössen (das Edict verordnet
die Expurgation einer Ausgabe eines Catechismus des Jesuiten Cas-
par Astete; der Index hat dieses in folgender Weise umschrieben:
„Von diesem Catechismus, der zu so grossem Nutzen der Seelen
1) Das Decret wurde gleich spanisch und französisch mit einer Ein-
leitung gedruckt; eine italieniacho Uebersetzung steht in dem Römischen
Giornale de' letterati, 1756—57, p. 373, eine französische A. J. P. 2, 2656.
— In dem von mir benutzten Exem plare des Index von 1747 sind die
Zeilen durchgestrichen ; ein Exemplar mit einem Carton beschreibt Mend-
ham p. 238. — In dem Index von 1790 wird unter Noris der Inhalt des
Decrete« angegeben.
836 Biblioth^que Janseniste und Bpanischer Index von 1747.
mehr als ein Jahrhundert verbreitet worden, ist zu Yalladolid eine
fehlerhafte Ausgabe erschienen ; in dieser ist zu corrigiren . . . Ver-
boten werden alle Abdrücke dieses wichtigen Büchleins, die nicht
der Originalausgabe entsprechen, welche der Pater Astete in so
lobenswerthem und katholischem Geiste zu so grosser Ehre Gottes
und Belehrung der Gläubigen verfasst hat*'). — 3. Einige Ausdrücke
in den Expurgationen sind unrichtig ; z. B. bei Quetif • soll bei Sa-
vonarola B. M. i. e. Beatus Martyr gestrichen werden; B. M. bedeutet
aber nur beatae memoriae [ist nicht richtig]; bei Jo. Lorinus soll
in dem Satze: Jacobus an in Hispania fuerit, sub dubio est, vor est
ein non beigefügt werden; das ist zu viel gesagt, wenn auch die
Spanier gute Gründe haben, es zu glauben ; bei Franc. Victoria soll
die Stelle gestrichen werden, wo er die Ansicht, dass das bei der
letzten Oelung gebrauchte Gel nicht von dem Bischof geweiht
^u sein brauche, als probabel bezeichnet; diese Ansicht ist aber
richtig [diese beiden Expurgationen stehen schon bei Sot.]. — 4.
Der Catalog der Jansenistischen Bücher ist aus dem Register der
Bibliotheque Janseniste abgeschrieben, diese ist aber als ein verbo-
tenes Buch anzusehen, weil sie anonym erschienen ist und die Inq.
6. Juni 1747 den Orden verboten hat, einander zu schmähen, und
Innonenz XII. 1694 das Verdächtigen der „Jansenisten" verboten
hat. Die in diesem Catalog stehenden Schriften sind grösstentheils
durch kein Edict der Inq. oder nicht als Jansenistisch verb. worden;
Noris und Genet (der Verfasser der Theologie de Grenoble) sind
wiederholt denuncirt, aber freigesprochen; die Historia de auxiliis
von Serry ist in Spanien verb., aber nicht als Jansenistisch, und die
Ausgabe von 1749 wird in Spanien geduldet. Auch ein Buch von
Pedro Jos. Benitez de Lugo, Ascendencia de Santo Domingo de
Guzman, welches in dem Index als verboten aufgeführt wird, ist
gar nicht verboten, wie die Inq. auf Ersuchen der Dominicaner 18.
Jan. 1748 erklärt hat. [In dem Stuttgarter Exemplar ist an der
betreffenden Stelle, p. 936, am Rande beigeschrieben: nicht jenes
Buch sei verboten, sondern die über dasselbe erschienenen Streit-
schriften.] — 5. Viele Namen sind falsch gedruckt, was den Spott
der Protestanten zur Folge haben wird. — „Die Abweichungen von
den Edicten, welche die einzige Grundlage des Index bilden, fügt
der Denunciant bei, und die Aufnahme der Ascendencia und eines
Catalogs von Jansenistischen Büchern, die nie in Spanien verboten
sind, begründen eine starke Präsumtion gegen die Zuverlässigkeit
des Expurgatorio und gegen die ihm gebührende Verehrung und
Achtung und motiviren die Vergleichung desselben mit den Edicten."
— Auf dieser gedruckten Denunciation findet sich die handschrift-
liche Notiz, sie sei von der Inq. .28. Jan. 1758 verboten worden.
Trotz der Ableugnung in dem Edicte des General-Inquisitors
von 1758 scheint die Angabe richtig zu sein, dass die Jesuiten
Casani und Carrasco, die Redacteure des Index von 1747, das Ver-
zeichniss der Jansenisten eigenmächtig, ohne Auftrag des General-
Inquisitors und des Inquisitionsrathes, beigefügt. In einem Schreiben
vom J. 1776 sagt der Justizniinister Manuel de Roda, Quintano
F. Bellelli und G. L. Berti. 837
selbst habe in einem Briefe an den König vom 23. Dec. 1757 dieses
eingestanden (Llorente 2, 490. Yillanueva, Vida 1, 112). Trotzdem
ging der Inhalt dieses Verzeichnisses im wesentlichen in den fol-
genden Index, den von 1790, über. Namentlich steht bei fast allen
50 Schriftstellern, deren Werke 1747 bis auf weiteres verboten
wurden, dieselbe Bemerkung im Index von 1790. Nur L. Haberts
Theologia wurde 1781 unbedingt, Lherminiers Summa vorbehalt-
lich der Weglassung einer Stelle 1761, und Juenins Comm. de sacra-
mentis 1787 unbedingt und von den Institutiones eine verbesserte
Ausgabe 1769 freigegeben, 1799 auch zwei Schriften von Duguet.
NicoIe*s Werke wurden nach Pelayo 3, 186 noch 1790 auf Grund
eines Gutachtens von 7 Theologen freigegeben, stehen aber im Index
von 1805 wieder als 1804 verb. Weder Bibliotheque noch Diction-
naire Jans, steht im span. Index
3. Der Augustiner Fulgenzio Bellelli, seit 1727 General seines
Ordens, f 1742, veröffentlichte: Mens S. Augustini de statu naturae
rationalis ante peccatum, polemica dissertatio adv. aliquot Pelagianos,
Baianos, Jansenianos errores recentesque quorundam doctorum opi-
niones, Antw. 1711, 8., und Mens S. Augustini de modo repara-
tionis hnmanae naturae post lapsum adv. Baianam et Jansenianam
haeresim juxta apost. constitutiones exposita, Rom 1737, 2 vol. 4.,
sein Ordensgenosse Gian Lorenzo Berti, 1696 — 1766, Professor in
Pisa, im Auftrage des Ordensgenerals Schiaffinati eine Theologia
historico - dogmatico - scholastica s. libri de theologicis disciplinis,
Rom 1739 — 45, 8 vol., die wiederholt gedruckt wurde ^). Trotz
der Polemik gegen den Bajanismus und Jansenismus mussten beide
Augustiner den Vorwuuf hören, ihre Lehre sei von der des Bajus und
Jansenius nicht zu unterscheiden. Sehr scharf wurde dieser Vorwurf
formulirt in den anonymen Schriften: Baianismus redivivus in scrip-
tis PP. FF. Bellelli et Berti Ordinis Eremitarum S. Aug., und Jan-
senismus redivivus in scriptis . . ., beide 1744, 293 und 271 S. 4.,
von Jean d'Yse de Saigon, seit 1735 Bischof von Rhodez (1746
wurde er Erzbischof von Vienne, t 1751). Dieser hatte schon 1737
durch ein Mandement die Hefte des Dominicaners Viou zu Rhodez
als Jansenistisch verdammt. Viou brachte die Sache nach Rom (er
wurde 1 743 von dem General ausgestossen) und SaUon schrieb dar-
über 1742 an Benedict XIV., der ihn in seiner Antwort, ohne auf
die speciellen Streitfragen einzugehen, zur Vorsicht und Mässigung
ermahnte. Er schickte auch seine Schriften von 1744 an den Papst
mit einem Schreiben, worin er ihn bat, die Lehre der beiden Au-
gustiner zu verdammen, und denuncirte diese auch 1747 (ohne Er-
folg) bei der Assemblee du Clerg6 (Picot 4, 231). — Berti ver-
öffentlichte, nachdem er mit Mühe die Approbation erlangt hatte,
1) Mazzuch. 2, 665. 1044. Fabroni, Vitaelt. 11,43. -- Aless. Pompeo
Berti, Clerico reg. della Madre di Dio, 1686—1752 (Mazzuch. 2. 1037),
übersetzte u. a. Saggi di moralo von Nicole, Ven. 1729, 4 vol. 12.; Mura-
tori besorgte ihm einen Verleger (Lettere ined. p. 394). Zaccaria tadelte
ihn darüber.
888 Bibliotbdque Jansenistc und spanischer Index von 1747.
Augnstinianum systema de gratia ab iniqna Baiani et Janseniani
erroris insimulatione vindicatum, aive refutatio librorum, quorum tit. :
Baianismus et Jans, redivivi in scriptis PP. FF. Bellellii et Bertii. . . .
eodeni, qui secundo loco insimulatur, auctore, Rom 1747, 2 vol. Saleon
veröffentlichte dagegen 1750 eine Instruction pastorale und gleich-
zeitig Jean- Joseph de Languet de Gergy, seit 1730 Erzbischof von
Sens (1715 — 30 Bischof von Soissons, f 1753), Judicium de operibus
theologicis Fratrum Bellelli et Berti. Saleon richtete auch 1750
und 1751 zwei Briefe an Benedict XIV. (Fleur. 80,667), worin er
ihn dringend bittet, die Lehre der beiden Theologen zu verdammen,
und u. a. auch darauf hinweist, dass die Appellanten sich auf die-
selbe beriefen, wie namentlich der Bischof Caylus von Auxerre und
die Herausgeber der Nouvelles ecclesiastiques in einer besondern
Beilage zu dem Jahrgang 1750 (solche über Bellelli und Berti han-
delnde Additions aux N. E. erschienen auch 1753 und 1757; sie
wurden 1758 zusammen gedruckt, 457 S.).
Das zweite Buch von Bellelli und beide Bücher von Berti
waren in Rom erschienen und dort vorher geprüft worden. Auf
Grund einer speciellen Denunciation gegen Berti von dem Canonicus
de Gorgne zu Soissons ordnete aber Benedict XIV. eine nochmalige
Untersuchung seiner Schriften an und beauftragte damit den Bene-
dictincr Fortunato Tamburini (er war ein Neffe des Jesuiten-Generals,
aber nach Cordara bei Döllinger, Beitr. 3, 33 nichts weniger als
ein Freund der Jesuiten) und Gioacchino Besozzi, Abt von Santa
Croce in Gerusalemme und Consultor der Inq. (beide wurden später
Cardinäle). Beide erklärten sich für Freigebung der Werke; letzterer
betonte, Berti's Ansicht stimme mit der von Noris und Massoulie
überein ^).
1752 wurden Bellelli und Berti im Dict. Jans. 1,445; 3,107
als Janseuisten aufgeführt (Berti soll dazu beigetragen haben, dass
Benedict XIV. sich des Card. Noris gegen die Bibl. Jans, und die
Span. Inquisition annahm). In Italien führte hauptsächlich Zaccaria
in seiner Storia letteraria den Kampf gegen Berti. Dieser und
seine Freunde blieben ihm scharfe Antworten nicht schuldig. In
den Index kamen davon: Lettera di Fra Guidone Zoccolante a Fr.
Zaccaria Gesuita, nella quäle si dimostra, chi sieno quei religiosi
che debbonsi chianiare frati, Cosmopoli all' insegna delle stelle
1751, — Lettera seconda ... in cui si ragiona della proibizione
della Bibliotcca Giansenistica, Filippopoli all' insegna del sole 1756,
— Lettera terza . . . la quäle serve di apologia al Rev. Secretario
deir Indice e altresi alla lettera precedente, Nicopoli all' insegna
della luua 1756, die erste 1754, die beiden andern 1757 verb. Sie
1) Die Gutachten sind abgedruckt in Alcuni apologetici acritti oontro
Tautore della Storia letteraria d'Italia, Napoli 1757*, 2 vol. 4. Nach 1, 46
erklärte auch Card. Galli, er habe den 3. Band von Herti, der hauptsäch-
lich angegriffen wurde, mit der Lehre von Noris übereinstimmend ge-
funden, und fand auch ein anderer Consultor der Inquisition, der Minorit
Balestracci, nichts zu erinnern.
L. A. Muratori. 839
werden wohl von Berti selbst sein, obschon er es leugnete (Fabr.
p. 64. Sein satirisches Gedicht La Zaccareide ist nicht gedruckt).
Gegen Languet vertheidigte sich Berti in: In opusculum inscriptum:
ß. J. Langnet Archiep. Sen. Judicium . . . aequissima expostulatio,
Livorno 1756. — Später kamen noch in den Index: Sonetti contro
le opinioni di Michel Baio, di Giansenio Iprense, del Bellelli, del
P. Berti Agostiniano, del Viatore, del Rotigni e del Migliavacca,
Ven. 1760, verb. 1762. Die 72 Sonette sind von dem Observanten
Giov. de Luca, der viele anonyme Sachen für die Jesuiten schrieb,
wegen dieser Sonette aber auf 2 Jahre aus Rom verbannt wurde
(Melzi 1, 458; Fabr. p. 80). Berti schrieb dagegen Risposta di
Fra Paraclito Livomese con le annotazioni di Fra Andrea da Fu-
cecchio ai sonetti di Fra Giovanni Zoccolante Yeneziano, Lugano
1763.
79. L. A. Mnratori.
In dem Briefe an den spanischen General-Inquisitor nennt
Benedict XIV. mehrere Schriftsteller, von denen aus besonderen
Rücksichten Werke nicht in den Index gesetzt worden seien,
obschon sie dieses strenge genommen verdient hätten, darunter
auch seinen Freund Ludovico Antonio Muratori (1672—1750).
Als jener Brief bekannt wurde, schrieb dieser darüber an den
Papst, und dieser erklärte ihm, er habe bei jener Aeusserung
nur an seine von der weltlichen Jurisdiction des Papstes in
seinen Staaten handelnden, nicht an seine theologischen Schriften
gedacht. Es ist eine der wenigen erfreulichen Thatsachen in
der Geschichte des Index und eine Thatsache, die Benedict XIV.
zur Ehre gereicht, dass von Muratori kein Buch verboten worden
ist, obschon mehrere derselben nicht nur in Streitschriften scharf
angegriffen, sondern auch in Rom denuncirt und untersucht
wurden.
1. Durch das Bekanntwerden seines Briefes an den General-
Inquisitor kam Benedict XIV. auch den Boilandisten gegenüber in
einige Verlegenheit. In einem Briefe an sie vom 3. Apr. 1751
(U. N. 1753, 100. Fleur. 79, 703) sagt er: man habe ausgestreut,
er sei ihnen nicht mehr so gewogen wie früher, und sich dafür
auf jenen Brief berufen; dieser sei ein Privathrief, der nur durch
die Unklugheit und Indiscretion eines Mannes, den er aus christ-
licher Liehe nicht nennen wolle, zumal er seinen Fehler bereut und
von ihm Verzeihung erhalten, in die Oeffentlichkeit gekommen sei;
er habe darin übrigens die Angriffe auf Papebrochius nur erwähnt,
nicht für begründet erklärt.
840 L. A. Muratori.
Der Brief Muratori's ist vom 16. Sept. 1748 und lantet: Hei-
ligster Vater ! Mit aller Ergebung und Demuth höre ich, was E. H.
in dem Briefe an den span. General-Inquisitor über niicli ge-
schrieben, und aus dem, was mir berichtet wird, und aus den Worten
E. H. selbst erkenne ich, dass eine Hand Blitze geschleudert hat,
gleichwohl aber von der andern Strahlen höchster Gnade ausge-
gangen sind. Bei alle dem befinde ich mich in der grössten Be-
stürzung, ja Trostlosigkeit; denn der für mich so betrübende Aus-
spruch (oracolo) E.H. wird in Ewigkeit fortbestehen; man wird es
weder der Mitwelt noch der Nachwelt ausreden können, dass ich
ohne förmliches Urtheil verdammt worden bin; man wird auch meine
Irrthümer und Vergehen für grösser halten, als sie wirklich sind.
In diesem meinem grossen Unglücke finde ich nur Trost in der
Gewissheit, dass nichts desto weniger die väterlichen Gesinnungen
E. H. gegen mich, Ihren unglücklichen Sohn, fortdauern. Ermuthigt
durch dieses Vertrauen, wage ich mich zu den Füssen E. H. nieder-
zuwerfen und zu bitten, E. H. möge befehlen, mir das, was in
meinen Schriften der Censur würdig ist, anzugeben, damit ich es
widerrufen und durch Reue und Gehorsam Verzeihung zu finden
hoffen kann. So wird von denselben Vaterhänden, von welchen
der Schlag gekommen, auch ein Heilmittel kommen; ich werde auch
nicht der Gefahr ausgesetzt bleiben, in der Folge jemand zu finden,
der ein weniger liebevolles Herz gegen mich hätte als E. H. Möge
E. H. durch Ihre grosse Liebe, und ich möchte hinzusetzen, auch
durch die Gerechtigkeit sich bewegen lassen, meinem armen Namen
einen solchen Trost zu gewähren. Ich zeichne, indem ich E. H.
die Füsse küsse, mit tiefster Verehrung. — Benedict antwortete
ihm alsbald 25. Sept. : Benedict XIV. Papst. Geliebter Sohn ! Gmss
und apostolischer Segen! Die Sache verhält sich so ... . Von
Meinem Briefe wurde dem Generalprocurator der Augustiner ver-
traulich eine Abschrift gegeben, damit er sähe, dass Wir Uns seines
Ordens annähmen. Er meinte, derselbe verdiene den Werken des
Card. Noris vorgedruckt zu werden; ich erklärte ihm aber, der-
selbe sei nicht zur Veröifentlichung bestimmt, sonst würde ich die
Stelle über Muratori weggelassen haben . . . Zwei Tage darauf war
der Brief ohne mein Vorwissen gedruckt. Ich habe dem Augustiner
meine Meinung gesagt und ihm, so lange ich lebe, den Palast ver-
boten. Auch dem Card. Querini kam eine Abschrift in die Hände.
Er schrieb Uns, er würde von dem Briefe, auch wenn er ihn vor
dem Erscheinen Ihrer Schriften über die Feiertage in Händen ge-
habt hätte, keinen Gebrauch gemacht haben. Wir antworteten ihm,
er würde sehr wohl gethan haben und solle auch in Zukunft keinen
Gebrauch davon machen, da die Aeusserung über Ihre Schriften
sich nicht auf den Streit über die Feiertage, überhaupt nicht auf
Sachen des Glaubens und der Disciplin beziehe. Was in Ihren Werken
hier nicht gefallen hat und wovon Sie auch nie erwarten konnten,
dass es hier gefallen werde, das betrifi't die weltliche Jurisdiction
des Papstes in seinen Staaten. Man geht hier von anderen Grund-
sätzen aus und erkennt gewisse Ansichten und gewisse That«achen
Correspondeuz mit Benedict XIV. 841
nicht als wahr an, und Sie können üherzeugt sein, wenn jene Dinge
in den Schriften eines andern vorkämen, würde die Congregation
nicht unterlassen haben, sie zu verbieten. Das ist nicht geschehen,
weil Unsere Zuneigung zu Ihnen allgemein bekannt, und die Ach-
tung, die Wir mit der übrigen Welt Ihren Verdiensten zollen, noto-
risch ist und weil Wir immer geglaubt haben, es sei nicht recht,
Ihnen wegen Meinungsverschiedenheiten, welche nicht den Glauben
und die Disciplin betreffen, Verdruss zu bereiten, obschon jede Re-
gierung das Recht hat, Bücher zu verbieten, in denen Dinge stehen,
welche ihr missfallen und mit ihren Ansichten nicht übereinstimmen.
Das ist die reine, ungeschminkte und wahre Geschichte ohne Re-
flexionen und Folgerungen. Diese können Sie mit Ihrem gesunden
Urtheil selbst daraus ziehen und erkennen, ob Wir nicht Ihnen so-
wohl wie Ihren Schriften die schuldige Achtung zollen. Unter-
dessen umarmen Wir Sie mit ganzem Herzen und geben Ihnen den
apostolischen Segen.
2. Man nahm in Rom nicht bloss Anstoss an den Schriften,
in welchen Mur. 1708 — 20 die Rechte des Hauses Este und seines
Fürsten, des Herzogs von Modena, auf Comachio vertheidigte (S. 738)
und auf die Giusto Fontanini scharfe Entgegnungen schrieb, sondern
auch an den Antiquitates Italiae medii aevi, 1738 — 42, 6 Fol., und
den Dissertazioni sopra le antichitä italiane, 1751, 3 vol. 4., die
später, 1765, Gaetano Cenni mit curialistischen Berichtigungen heraus-
gab, und an den Annali d'Italia, 1744 — 49, 12 vol. 4., die auch
von Cenni in den zu Rom erscheinenden Novelle letterarie -scharf
kritisirt und 1762 mit Genehmigung des Papstes^ dem der 1. Band
gewidmet ist, zu Rom von Gius. Catalani mit kritischen Einlei-
tungen versehen wurden. Cenni bezeichnet in den Nov. lett. die
Annali als uno dei libri piüi fatali al principato Romano und tadelt
namentlich, dass Mur. oft und anscheinend mit Wohlgefallen von
der Souveränetät der byzantinischen Kaiser über Rom und von der
Unterthanen-Stellung der Päpste und von den Acten der Autorität
und Jurisdiction spreche, welche die deutschen Kaiser im Kirchen-
staate ausgeübt hätten; es scheine fast, als ob er deren Nachfolger
auffordern wollte, ihre angeblichen Rechte auf Rom und den Kirchen-
staat geltend zu machen^). Mur. fügte dem 12. Bande der Annali
eine massvolle Entgegnung bei. — In der Besprechung der 1872
erschienenen Scritti inediti, in denen Mur. sich vielfach noch deut-
licher ausspricht, sagt die Civ. 8, 10, 453 : er habe, wie Dante, dem
Irrthum gehuldigt, dass dem Kaiser die Souveränetät über den
Kirchenstaat und als Advocatus ecclesiae auch das Recht, die äusseren
Angelegenheiten desselben zu ordnen, zustehe, und in den A. J. P.
9, 1081 wird behauptet, Mur.'s Schriften über Comachio verriethen
eine grosse Feindseligkeit gegen alles, was die weltliche Souveräne-
tät der Päpste betreffe, und Mur. habe, nachdem er in diesem Punkte
unterlegen sei, — Comachio wurde 1724 dem Papste zurückgegeben,
1) Pacca, Mem. del miuistero, Pesaro 1830, 1, 162.
842 L. A. Muratori.
— alle seine Bücher mit falschen und vorurtheilsvoUen Behaup-
tungen gegen die weltliche Souveränetät der Päpste angefüllt und
sie zu einem Arsenal von geschichtlichen Lügen gemacht, aus welchem
die Feinde des Papstthums Waffen entlehnt hätten.
3. Sein Buch De ingeniorum moderatione in religionis nego-
tio veröffentlichte Mar. unter dem Namen Lamindus Pritanius und
nicht in Italien, sondern zu Paris 1715^). Schon im Juni 1709 schreibt
er (Lett. p. 237): Ich hin in Verlegenheit, einen Drucker zu finden;
das Buch enthält nichts Unkatholisches, aher Wahrheiten, die nicht
jedem gefallen werden; darum will ich es auch nicht unter meinem
Namen herausgeben, — und später (p. 287): Das Buch sollte in Ita-
lien gedruckt werden; das ist nicht geschehen, weil ich mich nicht
mit einer Inquisition verständigen konnte, welche eine nothwendige
und gerechte Wahrheit weggelassen haben wollte. — Wenn man
in Italien aber daran Anstoss nahm, dass Mur. dem Papste zu wenig
einräumte, so fand man in Paris, dass er ihm zu viel eingeräumt,
und corrigirte einige Gallicanismen hinein. In einer Erklärung
vom 20. Febr. 1716, die Mur. im Giorn. d'Italia drucken liess (Soli
p. 267) sagt er, an den folgenden Stellen seien die in Parenthese ge-
setzten Worte eingeschoben: L. 1, c. 11: Certi quoque judices catho-
licae doctrinae sunt Eom. Pontifices (quibus eadem consentit eccle-
sia) ; c. 18 : Romano Pontifici aliquod decernenti dogma (cui assen-
titur ecclesia universalis) credendum est. Er habe nie daran gedacht,
fügt er bei, die Unfehlbarkeit der ex cathedra redenden Päpste zu
modificiren^). — Das Buch wurde zuerst nach 14 Jahren von den
Jesuiten in Süditalien angegriffen, — sie müssten von Neapel und
Palermo kommen, meint Mur. Lett. p. 486, dove hanno spaccio le
superstizioni ihere. Mur. hatte 2, 6 das von den Jesuiten in Sici-
lien sehr in Schwang gebrachte Gelübde, Blut und Leben für die
Vertheidigung der frommen Meinung von der Immaculata Conceptio
hinzugeben, für unerlaubt erklärt. Der Jesuit Franc. Burgi schrieb
dagegen unter dem Namen Candidus Parthenotimus Votum pro tuenda
Deiparae conceptione ab oppuguationibus recentioris L. Pritanii vin-
dicatum, Palermo 1729 (Fabr. p. 302). Mur. hatte Mühe für seine
schon 1732 vollendete Gegenschrift die Druckerlaubniss und einen
Drucker zu finden; Concina besorgte die Yeröffentlichung: Antonii
Lampridii de superstitione vitanda s. censura voti sanguinarii in
honorem immac. conceptionis Deiparae emissi a Lamindo Pritanio
ante oppugnati atque a Cand. Parth. Theologo Siculo incassum vin-
dicati, Mailand (Venedig) 1742, 216 S. 4. Es erschien nun noch
eine Iteihe von Streitschriften, meist von Jesuiten, u. a. von Zac-
1) Soli bezeichnet im Folgenden die Vita Muratori's von seinem
Neffen G. Fr. Soli Muratori im I.Bande der Opere, Arezzo 1767, — Fabr.
= Fabroni, Vitae Italorum 10, 89, — Lett. = Lettere inedite di L. A.
Muratori, Firenze 1854.
2) Eine nach Muratori's Angaben corrigirte Ausgabe besorgte A.
Gandorgaeus (Gallandi) Yen. 1752.
De ingeniorum moderatione. 843
caria (Harter 2, 1357), — von Mur. noch: Ferd. Valdesii epistolae
(17) 8. Appendix ad librum Ant. Lampridii . . . ubi votum sangui-
narium recte oppugnatum, male propugnatum ostenditur, Mailand
1743, 231 S. 4. — In Spanien wurde das Buch von Ant. Lampri-
dius 1765 verb.^). Im Rom. Index steht keine dieser Schriften,
— eine Confutatio sex priorum epistolarum . . . Mailand (Ven.)
1744, von dem Observanten Giov. de Luca, verbot der Papst in
Rom zu verkaufen, aber lediglich wegen ihrer Mordacit4 (Soli
p. 112), — und Benedict XIV. lässt auch in seinem Werke De
beatif. 3, 19 die Frage unentschieden und verweist auf Streitschriften
beider Parteien 2).
Im J. 1740 spielte sich eine eigenthümliche Controverse über
Mur. in Salzburg ab^). Die Mitglieder einer von J. B. von Gas-
paris gegründeten literarischen Gesellschaft, die vielfach angefeindet
und als freimaurerisch bezeichnet wurde, lasen und lobten das Buch
de ing. mod. und die Vita del P. Paolo Segneri ed esercizi spiri-
tuali, Modena 1720. Der Prokanzler der Universität, der Benedic-
tiner Placidus Böckhn, liess eine Predigt über die Nothwendigkeit
der Heiligen Verehrung drucken und polemisirte in einer Note gegen
die Vita, in welcher Mur. die Verehrung der Heiligen, namentlich
der h. Jungfrau, als nützlich und löblich, aber nicht nothwendig
bezeichnet hatte. Man verbreitete einen Brief des Secretärs des
Capuciner-Generals, worin gesagt war: Lamindus Pritanius stehe
noch nicht im Index, aber seine Ansichten seien bedenklich, und
wenn man in Rom erfahre, dass sie vertheidigt würden, werde man
das Buch verbieten. Endlich wurde noch ein Brief des Benedic-
tiners J. B. Steinhauser an seinen Bruder bekannt, worin über das
1) Ausserdem steht im span. Index nur eine span. Uebersetzung von
Mur.'s Kiflessioni sopra il buon gusto (1708) mit einem Discurso sobre el
buen gusto actual do los Espaöoles per J. Sempere y Guarinos, 1782.
Es wird aber nur verordnet, in dem Satze: nou quaerentes gloriam ab
hominibus neque a vobis neque a Deo, statt a Deo zu schreiben : ab aliis.
2) Ben. XIV. erörtert hier die Frage, ob derjenige, der für den
Glauben an die Immac. Conc. den Tod erleide, als Märtyrer angesehen
werden dürfe. N. 15 erwähnt er, dass nach Carena der Satz, ein solcher
sei ein Märtyrer, weil jener Artikel, wenn nicht de fide, doch de pertinen-
tibus ad fidem sei, von der portugiesischen Inquisition annuente Paulo V.
1619 verdammt worden sei, und dass bei Raynaud (Apop. p. 256) die
Indcx-Congr. einen ähnlichen Satz gestrichen habe. Wie es sich aber auch
mit dieser Controverse verhalten möge, quam sapientiorum judicio relin-
quimus, für alle anderen Fälle gelte die Regel, dass derjenige, welcher
für einen noch nicht von der Kirche definirten Punkt sterbe, kein Märtyrer
sei. In den späteren Ausgaben ist beip^efügt: Vgl. die seit der 1. Auflage
dieses Werkes erschienenen Schriften für und gegen das Votum . . . von
Ant. Lampridius . . . Card. Querini legte im Auftrage Benedicts XIV.
Mur. die Frage vor, wie er mit seiiftr Ansicht die Thatsache reime, dass
Thomas Beckct als Märtyrer verehrt werde. Mur. 's Antwort vom 21. März
1743 l)efriedigte den Papst. Soli p. 280.
3) Soli p. 287. Fabr. p. 326. Fleur. 77, 137—224. Hist-pol. Bi. 72,
517. Ginzel, Theol. Studien S. 26.
844 L. A. Muratori.
Eindringen der Ketzerei der Liberi Murarii geklagt wurde, die von
einem italienischen Priester L. A. Muratori ihren Namen hätten
und sich Liberi nannten, weil sie nach dessen Lehre und Beispiel
Gedankenfreiheit bezüglich der Religion vertheidigten. Grasparis
veröffentlichte darauf *Avsioi.Saifiovo<; q^ikogot^alov Vindiciae adv. sy-
cophantas Juvavienses, Col. (Ven.) 1741. Der Fürstbischof Leopold
Graf Firmian liess diese Schrift und Boeckhns Predigt confisciren
und Steinhauser widerrufen. Mur. beklagte sich bei dem Rector
der Salzburger Universität. Dieser, der Benedictiner Gregor Hor-
ner, antwortete : er und seine Ordensgenossen hätten Mur. nicht
zum Stifter der Freimaurer gemacht und sein Buch zu den ver-
boteneu gezählt; dieses stehe aber allerdings bei ihnen in übelem
Rufe (male audit), weil darin die Immaculata Conceptio zu den leves
causae gezählt werde und weil man unter Berufung auf dasselbe
ihre Ansicht angreife, dass die Heiligen- Verehrung nothwendig sei,
wenn auch nicht necessitate medii.
Mur. ist noch einmal in dem Hermesischen Streit viel be-
sprochen worden. J. Braun und F. Biunde gaben eine Uebersetzung
des Baches De ing. mod. heraus: L. A. Muratori über den rechten
Gebrauch der Vernunft in Sachen der Religion, Coblenz 1837. Das
Buch ist von 7 bischöflichen Ordinariaten approbirt. Der Erzbischof
Droste von Köln aber hatte die Approbation verweigert, nachdem
sein Censor, Pf. Kerp in Köln, erklärt hatte, er habe in dem Buche
„einen so bösen Geist und einige so hämische Angriffe auf die Braut
Christi, die h. kath. Kirche gefunden, dass es nach seiner festen
Ueberzeugung dem Laien nicht in die Hand gegeben werden dürfe,
wenn er nicht irre werden solle an seinem Glauben." In zwei katho-
lischen Zeitschriften aber wurde damals behauptet, das Buch von
Mur. stehe im Index, — in der einen mit der Bemerkung, nur die
von Roncaglia und Mansi besorgte Ausgabe sei freigegeben, wobei
Mur. also mit Natalis Alexander verwechselt wurde. Eine Index-
Ausgabe haben diese Gelehrten also nicht angesehen ^).
4. Ebenso viele Angriffe erfuhr die Schrift Della regolata
divozione de' cristiani. Trattato di Lamindo Pritanio, Ven. 1747
u. o. (auch ins Lateinische und wiederholt ins Deutsche übersetzt,
Soli p. 65). Zunächst bekämpfte Card. Querini das, was Mur. im
21. Cap. zu Gunsten der Verminderung der Feiertage gesagt hatte,
in einer Lettera a Mons. Bemardo di Franckenberg, Abbate del
Monastero di Disentis, 1747. Mur. antwortete in der Difesa di
quanto ha scritto L. Prit. in favore della diminuzione delle troppe
feste (in der Raccolta di scritture concernenti la diminuzione delle
feste di precetto, Lucca 1748). Querini veröffentlichte nun zwei
Briefe an den Erzbischof Borgia von Fermo; Mur. hatte die Ant-
wort darauf bereits fertig, da erschien ein Brave vom 11. Nov. 1748
1) J. Braun, Ehrenrettung L. A. Muratori's durch Benedict XIV.,
in neue Erinnerung gebracht . . . , Trier 1837. Zts. f. Philos. und katb.
Th. 22, 229; 27, 209; 31, 166.
Della regolata divozione. 845
(Bull. 2, 303), worin Benedict XIV. sagt: die Anordnungen, die er
getroffen, nachdem sich von 40 Bischöfen und Theologen, die er
befragt, 33 zu Gunsten einer Verminderung der gebotenen Feier-
tage ausgesprochen ^), — er hatte sich bereit erklärt, auf den An-
trag der Bischöfe für einzelne Diöcesen und Provinzen die Zahl der
Feiertage zu vermindern, — hätten einen Streit hervorgerufen, bei
welchem die Streitenden nicht innerhalb der Grenzen einer unbe-
denklichen Controverse geblieben seien, sondern einander mit An-
klagen und Censuren überhäuft hätten. Einige Theologen, die er
mit der Prüfung der betreffenden Schriften beauftragt, hätten er-
klärt, es sei von beiden Seiten kein katholisches Dogma verletzt,
der Bulle Urbans VIII. vom J. 1642, worin die Zahl der Feier-
tage normirt wurde, nicht zu nahe getreten und überhaupt nichts
Unkatholisches vorgebracht worden. Einige Cardinäle aber, die er
befragt, hätten gerathen, den Streitenden Stillschweigen zu gebieten,
zumal von beiden Seiten genug Argumente vorgebracht seien, dass
sich jeder Bischof ein Urtheil darüber bilden könne, ob er eine
Verminderung der Feiertage zu beantragen habe oder nicht. Darum
verordne er kraft apostolischer Autorität: 1. es solle fortan keine
Erklärung dieses Decretes und keine Schrift, worin dasselbe direct
oder indirect angegriffen werde, mehr veröffentlicht werden, 2. keine
Bücher, . . . Thesen, Folia, Briefe, in denen über die Verminderung
der Feiertage ex professo vel incidenter gehandelt werde, auch nicht
anonym oder pseudonym; 3. die bisher erschienenen Schriften seien
nicht neu zu drucken; alles, was fortan mit Verletzung oder Um-
gehung dieses Decretes veröffentlicht werde, solle ohne weitere Prü-
fung zur Strafe für den Ungehorsam in den Index gesetzt werden.
Dieses Decret sei von allen, welchen Standes sie auch seien, die
Cardinäle nicht ausgenommen, zu beachten bei Strafe der reservirten
Excomm. für Laien, der Suspensio a divinis für Geistliche bis zu den
Priestern inclusive, der Suspensio a pontificalibus et a perceptione
fructuum beneficiorum für höhere Geistliche. — Auffallender Weise
ist dieses allgemeine Verbot nicht in die Decr. gen. aufgenommen.
Nach dem Tode Mur.'s wurde sein Buch Della regolata divo-
zione namentlich von Jesuiten im Interesse der Marien- und Hei-
ligen-Verehrung angegriffen. Franc. Pepe predigte in Neapel gegen
ihn (S. 217); einem Drucker in Neapel wurde für eine Schrift von
ihm erst die Erlaubniss verweigert, dann unter der Bedingung ge-
geben, dass er Trient als Druckort angebe. — Ben. Piazza (Piazza)
1) Vgl. Bened. XIV. de beatif. 1. 4, p. 2, c. 16. — Auch Mur. hatte
1743 ein Votum darüber abgegeben, in dem merkwürdige Stellen vor-
kommen (Soli p. 298. 393). Die Sache lag Mur. sehr am Herzen; er spricht
in den Lettere ined. wiederholt davon und sachte Bischöfe und Regierungen
zu veranlassen, namentlich im Interesse der Armen, eine Verminderung
der Feiertage zu beantragen; Soli p. 488. 489. Die Briefe über seine
Aussöhnung mit Querini p. 300. Die Risposta di Lamindo Pritanio alla
nuova scritta dal Card. Querini, welche in Folge des Breve's damals nicht
erschien, steht in den Scritti inediti di Muratori, Bologna 1872, II, 263.
846 L. A. Muratori.
gab einen Quartband von 800 S. heraus: Christianomm in sanctos
sanctorumque reginam . . . devotio a praepostera cnjnsdam scriptoris
reformatione vindicata, Palermo 1751^), — er zählt Mur. zu den
Jansenisten; in dem Trattato della confidenza cristiana von Aletofilo
(dem Benedictiner Constantino Rotigni), Ven. 1751, wird er als
Molinist angegriffen; — in einer Besprechung des Buches in den
Novelle letterarie, Ven. 1753, wurde Mur. scharf angegriffen, der
Herausgeber aber von den Riformatori zu einer Retractation ge-
nöthigt. Auch Zaccaria polemisirte gegen Mur/s Buch in der Storia
letteraria und äusserte den frommen Wunsch : utinam e fidelium
manibus eripiatur. Als in Mainz eine deutsche Uebersetzung gedruckt
werden sollte, sagte man dem Kurfürsten, das Buch sei in Rom
verboten worden; der Nuncius Archinto belehrte ihn eines Bessern.
Auch in Prag und Augsburg erschienen deutsche Ausgaben; in
Wien Hess der Erzbischof Migazzi 1757 das Buch drucken, — der
Jesuit Schez, der Mitglied des Censurcollegiums war, suchte ver-
gebens den Druck zu hintertreiben, — und tiberreichte einer Erz-
herzogin ein Exemplar. Deren Beichtvater, der Jesuit Lehner,
warnte sie vor der Leetüre. Durch Maria Theresia veranlasst,
wandte sich darauf Migazzi an den Secretär der Index-Congr., Ric-
chini, und liess dann 23. Sept. 1759 dessen Antwort drucken: die
Congr. habe das von Piazza angefeindete Buch auf Befehl des
Papstes geprüft, aber 18. Dec. 1752 erklärt: nullam illi posse vel
levissimam censoriam notam inuri, da das, was der Verfasser be-
kämpfe, nur augenscheinliche Missbräuche oder unverständige Mei-
nungen des zum Aberglauben geneigten gewöhnlichen Volkes seien,
welche die kath. Kirche nie gebilligt habe *).
5. Andere literarische Streitigkeiten Muratori's sind von ge-
ringerer Bedeutung. Der Streit mit Fontanini über Castelvetro ist
bereits l S. 581 erwähnt worden. Fontanini betrieb 1727 ver-
gebens das Verbot von Mur.'s Vita di L. Castelvetro. Fr. Valesio,
der Fontanini's Eloquenza italiana im Auftrage des Mag. S. Pal.
revidirt hatte, erhielt einen Verweis dafür, dass er die bitteren Aus-
fälle gegen Mur., die dieser in einem Primo esame delP El. it.
rügte, hatte passiren lassen (Soli p. 84.* 381). Mit Fontanini
hatte Mur. auch Streit über die eiserne Krone zu Monza und den
1695 zu Pavia gefundenen angeblichen Leib des h. Augustinus. —
Als der Mag. S. Pal. für eine kleine Schrift von Mur. Della caritä cri-
1) Piazza (1677 — 1761), Censor und Consultor der sicilianischeu In-
quisition (Backer 2, 500), vertheidigte u. a. die Sätze: 1. man könne nicht
unbedingt sagen, dass nur Gott von Sünden lossprechen könne und dass
man nur von Gott und nicht auch von den Heiligen Sündenvergebung
erbitten und erhoffen dürfe; 2. nicht nur von Gott, sondern in einem ge-
wissen Sinne auch von den Heiligen würden Gnaden und Wunder gewirkt.
— Auf der andern Seite musste sich Piazza in einer besondem Schrift
gegen den Vorwurf des Franciscaners Mezzadoro vertheidigen, dass er den
Portiuncula-Ablass gering schätze.
2) Soli p. 141. 403. Fabr. 10, 359. Fleur. 83, 840.
Controverse über das Zinsennehmen. 847
stiana die Approbation bereits anngefertigt hatte, Hess er sich von
Fontanini bestimmen, sie zn zerreissen. Mur. legte darauf das
Scliriftchen einigen Theologen vor, u. a. dem Dominicaner Vincenzo
Gotti, später Cardinal, nnd da sie dasselbe gut hiessen, liess er es
mit einer Widmung an Carl VI. 1723 zu Modena drucken (Fabr.
p. 337). — Als Benedict XIV. 1747 ein Breve an den Bischof von
Augsburg über die angebliche Heilige Crescentia von Kaufbeuren
erlassen hatte, schrieb Mur. gegen eine Streitschrift von E. von
Windheim De naevis in religionem incurrentibus s. Apologia Epi-
stolae a S. D. N. Benedicto XIV. P. M. ad Episcopum Augusta-
num scriptae, Lucca 1749. Auch diese Schrift wurde von mehreren
Seiten getadelt, weil Mur. gegen die Protestanten zu matt polemi-
sire und ihnen bezüglich der Missbräuche in der kath. Kirche zu
viel zugebe. Der Papst aber dankte Mur. für seine Schrift (Fabr.
p. 367).
. Gegen Muratori's Liturgia romana vetus, tria sacramentaria
complectens, Ven. 1748, 2 vol. 4., ist gerichtet Jo. Aug. Ernesti's
Antimuratorius s. confutatio Muratorianae disputationis de rebus
liturgicis ad Sal. Deylingium, Lips. 1755, 8., verb. 1759.
80. Die Controverse über das Zinsennehmen.
Durch eine Reihe von Concilien und Päpsten ist bekannt-
lich erklärt worden, dass das Zinsennehmen, auch wenn es sich
nicht um eigentlichen Wucher handle, unter den Begriff der
sündhaften Usura falle. Diese Anschauung wurde auch im 17.
und 18. Jahrhundert festgehalten und auch mehrere Formen von
Geschäften, durch welche das Verbot des Zinsennehmens um-
gangen wurde, für unerlaubt erklärt. Demgemäss wurden viele
juristische Schriften auch darum, weil darin die Erlaubtheit des
nicht wucherischen Zinsennehmens vertheidigt wurde, verboten
(S. 167). Auch einige Schriften, welche ex professo Fragen be-
handeln, die damit zusammenhangen, sind im 17. und 18. Jahr-
hundert in den Index gekommen. Unter Benedict XIV. trat
die Controverse in den Vordergrund durch eine Schrift des
ütrechter Geistlichen Nie. Broedersen und noch mehr durch eine
Schrift des Marchese Scipio Maflfei, in welchen die in Rom
herrschende Anschauung bekämpft wurde. Benedict XIV. er-
liess im J. 1745 eine Encycliea, in welcher im wesentlichen
die alte Anschauung bestätigt wird; aber die beiden Bücher
848 Controverse über das Zinsennehmen.
wurden nicht nur nicht verboten, sondern auch das von Maffei
1746 in Rom selbst nochmals gedruckt, gleichzeitig mit Schriften
des Dominicaners Daniel Concina, worin Maffei's Ansicht als
ketzerisch bekämpft wurde, so dass man sagen kann, die alte
Anschauung sei unter Benedict XIV. theoretisch bestätigt, aber
praktisch aufgegeben worden. Auch später ist ausser einigen
Schriftchen von Laborde, der Gegner der alten Anschauung
heftig bekämpft, kein über das Zinsennehmen handelndes Buch
in den Index gekommen, obschon die Controverse auch im 19.
Jahrhundert wieder auftauchte, und mehrere neuere Päpste haben
ausdrücklich erklärt, die Praxis des nicht wucherischen Zinseu-
nehmens sei bis zu einer definitiven Entscheidung des h. Stuhles
zu dulden. Eine solche definitive Entscheidung ist wohl lediglich
darum nicht gegeben worden, weil darin die früheren päpstlichen
Entscheidungen direct oder indirect als irrig oder wenigstens
als jetzt nicht mehr gültig bezeichnet werden mUssten^J.
Die von den kath. Theologen bei der Frage über Usura am
meisten bekämpften Schriftsteller sind Molinaeus (Graspar Caballinus, I
S. 442), Salmasius und Noodt. Wie viele Schriften von Theologen
über die Frage erschienen sind, sieht man aus dem Register zu
Hurter s. v. Usura. — Mehrere auf Usura bezügliche Sätze sind
unter den Propositiones damnatae von IGGG (Alexander VII., No. 42)
und 1679 (Innocenz XL, No. 40 — 42). In den Index kamen vor
Ben. noch folgende Schriften: Discorso e parere di un teologo
intorno al cambio della ricorsa a se stesso, und zwei Schriften von
D. Antonio di S. Salvatore, Trattato della ricorsa e continuazione
de' cambii fatti a se stesso und Decisione d' im caso e con esso di
alcuni altri dubbii in materia de* cambii, verb. 1624; — De usu
licito pecuniae dissertatio theol. auct. Emman. Maignan, Tolosae
1673, verb. 1674; — Factum ou propositions succinctement re-
cueillies des questions qui se forment aujourd'huy sur la matiere de
l'usure, sur lesquelles il est k proi>os de faire une consultation . . .
jouxte la copie imprim^e a Ville sur Illon en 1680 (von Fr. Guinet);
Vindicatio consuetudinis Angliae de concedenda ad usum pecunia,
Lond. 1699; Usury explain'd or conscience quieted in the case of
putting out money at interest, by Philopenes, Lond. 1695, von
1) Vgl. F. X. Funk, Zins und Wucher, 1868; Geschichte des kirch-
lichen Zinsverbotes, 1876 (Tübinger Programm); Scipio Maffei und das
kirchliche Zinsverbot, in der Theol. Quartalschrift 1879, 8; vgl. Deutscher
Merkur 1879, 19. — Uebcr die verschiedenen bei der Controverse in Be-
tracht kommenden Geschäfte, Contractus Mohatra, Montes pietatis, Census
realis, personalis et vitalitius, Cambium, Contractus trinus, s. Jo. Devoti
Institutiones canonicae 1. 4, tit. 16 (Gandae 1836, II, 345).
N. Broedersen. Sc. Maffei. 84d
der Inq. verb. 1704; — ausserdem noch Mich. Wolfredi Asser-
tiones theologicae, quibus rei trapeziticae in Belgio foederato aucto-
ritate publica constitutae honestas et necessitas exponitur et vindi-
catur, Hardervici 1660, verb. 1714; L'uomo in traffico osia la ma-
teria de' contratti di Giov. Tuba, Ven. 1712, verb. 1737. Der
1713 erschienene Trait6 de Tusure des Parlamentspräsidenten Rini
de la Bigotiere, der im Geiste Dumoulins geschrieben ist und eine
lebhafte Controverse hervorrief (Funk, Gesch. S. 66), steht nicht
im Index.
Das Buch von Nie. Broedersen, — er war Pfarrer zu Delft,
später Decan des Capitels zu Utrecht, — heisst De usuris licitis et
illicitis, vulgo nunc compensatoriis et lucratoriis . . . 11. 12 . . .,
Delphis 1743, Fol. (Hurter 2, 1464). Es fand auch in der Ut-
rechter Kirche und bei anderen Jansenisten heftigen Widerspruch
(Picot 4, 252. 371). Das Buch von Maffei erschien aus Anlass einer
Controverse über eine von der Stadt Verona aufgenommene vierpro-
centige Anleihe zuerst unter dem Titel: Dell' impiego del danaro
libri tre. Alla Santitä.diN. S. Papa Benedetto XI V., Verona 1 744 *,
XXII und 332 S. 4. (in der Dedication nennt sich Maffei als Ver-
fasser) ; als Anhang sind Auszüge aus Broedersen, Maignan und dem
Traite des prets de commerce, 1738 (von dem Abbe Aubret) beige-
fügt (von diesem Buche besorgte Et. Mignot eine vermehrte Ausgabe,
1759, 4 vol. 12). Es ging das Gerücht, Maffei sei vor die Inqui-
sition in Verona citirt worden und habe einen Verweis und den Be-
fehl erhalten, nichts mehr über theologische Dinge zu schreiben;
auch die ßömische Inquisition habe ihn citiren wollen (N. E. 1745,
206). Benedict XIV. beauftragte 4. Juli 1745 eine besondere Con-
gregation von 4 Cardinälen (Gentili, Cavalchini, Besozzi und Tam-
burini) und 11 Theologen (darunter der Dominicaner Concina, der
Observant Bianchi und die Jesuiten Turani und Giulii) mit der Prü-
fung der Sache. In zwei 18. Juli und 1. Aug. unter dem Vorsitze
des Papstes gehaltenen Sitzungen gaben diese ihre Vota ab. Diese
wurden in fünf Sätze zusammengefasst und im Anschluss daran pu-
blicirte Benedict XIV. die Encyclica an die italienischen Bischöfe
vom 1. Nov. 1745 (Bull. 1, 353). Den Inhalt der 5 Sätze fasst
Benedict XIV. De syn. dioec. 1. 10, c. 4, § 10 so zusammen: 1.
Omne lucrum ex mutuo ratione mutui usurarium et illicitum est.
2. Man darf nicht sagen, es sei nur verboten, hohe Zinsen und von
Armen solche zu nehmen. 3. Es ist allerdings erlaubt, auf einen
andern Titulus hin als den des Leihens von dem Leihenden etwas
zu nehmen; aber es ist verwegen, zu behaupten, ein solcher Titulus
sei immer vorhanden. Dass die Erklärung gegen Maffei gerichtet
ist, deutet Benedict an derselben Stelle mit den Worten an: die En-
cyclica sei dadurch veranlasst worden, dass nonnulli praedictam
exoticam opinionem (die von Broedersen u. a.) iterum refricare non
dubitarunt. In der Encyclica sagt er: er wolle über den Vertrag,
der zu der Controverse Anlass gegeben (die Anleihe von Verona)
für jetzt keine Entscheidung geben, auch nicht über andere Punkte,
die unter den Theologen und Canonisten controvers seien; bei diesen
BenBch, Index II. 54
850 Controverse über das Zinsennelimen.
Controversen sollten die Gegner einander nicht schmähen oder ver-
ketzern u. 8. w.
Im folgenden Jahre 1746* erschien in Rom selbst mit dem
Reimprimatur des Mag. S. Pal. Ridolfi von Maffei's Buch Seconda
edizione accresciuta d'una lettera enciclica di Sua Santiti e d'altra
lettera dell' autore alla medesima Santitä Sua (XXXVI und 300
S. 4., die 3. Ausg. Bassano 1756), und in diesem Briefe, datirt
Verona 12. Nov. 1745, sagt Maffei ganz unverfroren: was in der
Encyclica verdammt werde, habe er nicht gelehrt, er habe viel-
mehr die Lehre der Encyclica in seinem Buche anticipirt, während
doch „in Wahrheit von einer Uebereinstimmung nicht die Rede sein
kann, vielmehr zwischen dem Buche von MaflPei und der Encyclica
der grösste Gegensatz besteht" (Q.-S. S. 46). In demselben Jahre
1746 gab Concina drei Schriften heraus, zu Neapel Esposizione del
dogma, che la chiesa propone a credersi intorno air usura, coUa
confutazione del libro intit. Deir impiego del danaro, zu Rom, also
mit Approbation des Mag. S. Pal., In Epist. encjcl. Benedicti XIV.
adv. usuram commentarius, quo illustrata doctrina cath. Nicolai
Broedersen et aliorum errores refelluntur (diese Schrift erschien sub
pontificis praesidio; Sandelli p. 120) und Usura contractus trini . .
demonstrata adv. mollioris ethices casuistas et Nie. Broedersen . . .
(dem Card. Querini gewidmet). Concina behandelt Maffei als italie-
nischen Bearbeiter des Buches von Broedersen und dessen Ansicht
als ketzerisch. So ist es erklärlich, wenn ein hochgestellter Mann,
der von Rom kam, Muratori sagte (er berichtet es in einem Briefe
vom 10. Febr. 1747 in den Lettere ined. p. 501): „Eine schöne Ge-
schichte I Der h. Vater nimmt Widmungen von Concina und von
Maffei an, und doch ist entweder jener ein Verleumder oder dieser
ein Ketzer." — Gegen Concina schrieb der Jesuit F. X. Zech zu
Ingolstadt (Hurter 3,150) drei Dissertationen : Rigor moderatus doc-
trinae pontificiae circa usuras, 1747 — 52^), worauf Concina antwor-
tete (Sandelli p. 122).
üeber das Zinsennehmen wurde in Frankreich seit 1 820 wieder
sehr lebhaft verhandelt. Die strengere Ansicht wurde namentlich
von Abb6 Pages, Dissertation sur le pret a interet, 1821, vertheidigt,
die mildere in den Dissertations sur le pret de commerce par feu
M. le Card, de La Luzerne, 6v6que de Langres, 1823, 5 vol., und
von Abbe Baronnat, Le pretendu mystere de Tusure devoil6, 1822,
2 vol. Dieser widmet sein Buch den französischen Bischöfen, de-
nuncirt (def^re) ihnen förmlich die Schrift von Pages und zwei
ähnliche und gibt ihnen anheim, sein Buch nach Rom zu schicken,
wie 1804 mit dem Traite des Abbe Rossignol geschehen sei^).
— Die mildere Ansicht wurde auch in einem 1831 in Rom erschie-
1) Sie sind mit einigen anderen Sachen abgedruckt bei Migne, Theo-
logiae Cursus completus 16, 764.
2) Ami de la rel. 34, 385; vgl. 29, 33; 38, 385 u. s. Migne p. 1065.
Funk, Gesch. S. 69. üeber Mastrofini (1763—1845) s. Tipaldo 10, 174.
Lesen der Bibel in der Volksprache. 851
nenen Buche des Abate Marco Mastrofini vertheidigt (Le usure,
Libri tre. Discussione, — Discussion sur l'usure, trad. de ritalien
sur la 4. edition, Lyon 1834), und es erschienen dann auch in
Italien mehrere Schriften pro et contra.
Die Frage wurde auch wiederholt von Frankreich und Nord-
italien aus der Inquisition vorgelegt. Die von 1780 bis 1872 er-
gangenen Antworten liess die Congregation der Propaganda zusammen
drucken : Apostolicae Sedis reaponsa authentica et instructiones circa
lucrum ex mutuo in unum collectae a. 1873(abgedr. A. J. P. 13, 309).
Sie laufen darauf hinaus : diejenigen, welche auf Grund der bürger-
lichen Gesetzgebung massige Zinsen nehmen, bis zu 5 Procent, selbst
Geistliche, die dieses thun, sind, so lange nicht der h. Stuhl eine
definitive Entscheidung gegeben, im Beichtstuhle nicht (durch Ver-
weigerung der Lossprechung) zu beunruhigen, unter der Bedingung,
dass sie bereit sind, sich einer eventuellen andern Entscheidung des
h. Stuhles zu fügen (dummodo parati sint stare mandatis Sanctae
Sedis).
81. Das Lesen der Bibel in der Yolksprache.
Neben einigen protestantischen Bibelübersetzungen wurden
einige katholische Uebersetzungen des Neuen Testaments ver-
boten: das sog. N.T. vonMons 1668 durch ein Breve Clemens' IX.
(S. 668), im Anfang des 18. Jahrh. ausser dem Werke von Quesnel
die französischen Uebersetzungen von R. Simon und Hurö (S. 425.
671) und die holländische von Schurius. Andere Uebersetzungen
wurden nicht verboten und fanden zum Theil eine grosse Ver-
breitung; nur in Italien i), Spanien und Portugal wurde das
Verbot des Lesens der Bibel in der Volksprache strenge auf-
recht erhalten. In Frankreich und den Niederlanden entstand
darüber in den letzten Decennien des 17. Jahrhunderts eine
lebhafte Controverse, in welcher die „ Jansenisten** sich für die
NichtVerbindlichkeit der 4. Regel des sog. Trienter Index aus-
sprachen. Von ihren Streitschriften wurden nur einige wenige
verboten, aber in der Bulle Unigenitus mehrere auf diesen Punkt
1) Eine Provincialsynode von Neapel 1699 (Coli. Lac. 1, 165) er-
klärte: Bibeln in der Volksprache dürfen auch nicht mit Erlaubniss des
Bischofs behalten werden; denn den Bischöfen ist durch apostolisches
Mandat die Gewalt genommen worden, eine solche Erlaubniss zu ertheilen
(I S. 333).
852 Lesen der Bibel in der Volksprache.
bezügliche Sätze verdammt. In dem Index Benedicts XIV. wurde
aber der 4. Regel auf Grund eines Decretes der Indcx-Congre-
gation vom 13. Juni 1757 der Zusatz beigefügt: „Wenn der-
gleichen Bibelübersetzungen in der Volksprache von dem aposto-
lischen Stuhle gutgeheissen oder mit Anmerkungen herausge-
geben sind, die aus den h. Kirchenvätern oder aus gelehrten
und katholischen Männern entnommen sind, werden sie gestattet*"
(couceduntur), d. h. dürfen sie ohne specielle Erlaubniss von
jedermann gelesen werden, während eine solche Erlaubniss für
das Lesen anderer Ausgaben erforderlich bleibt. Diese Milde-
rung der 4. Regel ist aber unter Gregor XVI. durch ein Moni-
tum der Index-Congregation vom 7. Jan. 1836 (seit 1841 in den
Index-Ausgaben abgedruckt) wieder aufgehoben worden: „Es ist
der Congregation berichtet worden, dass an einigen Orten Bibeln
in der Volksprache ohne Beobachtung der darüber bestehenden
Gesetze gedruckt werden. Sie bringt darum in Erinnerung,
dass nach dem Decrete von 1757 nur solche Bibelübersetzungen
in der Volksprache zu gestatten sind (permittendas esse), welche
vom apostolischen Stuhle gutgeheissen oder mit Anmerkungen
. . . versehen sind, und dass im übrigen das festzuhalten ist,
was durch die 4. Regel des Index und später durch Clemens VIII.
verordnet worden.*' Danach gilt also die 4. Regel auch jetzt
noch, und zwar mit der Verschärfung, dass Bibelübersetzungen,
die nicht von dem Papste gutgeheissen oder mit Anmerkungen
versehen sind, nicht gedruckt und demgemäss auch nicht ge-
braucht werden sollen, so dass also auch jetzt noch jeder, der
die Bibel in der Volksprache lesen will, die Erlaubniss dazu
nachsuchen, ihm aber nur die Erlaubniss, eine vom Papste gut-
geheissene oder mit Anmerkungen versehene Ausgabe zu be-
nutzen, gegeben werden kann, — eine Bestimmung, die freilich
in praxi ebensowenig allgemein befolgt wird wie früher die
4. Regel des Index i).
1. Die verbreitetste protestantische italienische Bibelübersetzung,
die von Giov. Diodati, zuerst (zu Genf) 1607 erschienen, wurde
1) Die meisten hier in Betracht kommenden Actenstiicke sind ab-
gedruckt Acta S. S. 9, 480, und bei J. B. Malou, Das Bibellesen in der
Volksprache, übersetzt von H. Stoeveken, 1849, 2, 520. Vgl. K.-L. 2. 662.
Protestantische Uebersetzungen. A. Schurius. 853
nicht, wie A. J. P. 3, 33 behauptet wird, ausdrücklich verboten, aber
die gleichfalls von Diodati veröffentlichten Sessanta Salmi di David
tradotti in rime volgari ilaliane secondo la veritä, del teste •ebreo,
col cantico di Siraeone e i dieci comandamenti della legge: ogni cosa
insieme col canto, verb. 1617 (Melzj 3, 60 bezeichnet also unrichtig
eine Ausgabe von 1621 als die erste). — Im 18. Jahrh. wurden
verb. : II N. T. di G. C. Signore, nuovamente riveduto . . . ed il-
lustrato di . . . annotazioni, Coira 1709, verb. 1712; — II nuovo
confederamento di Giesü il Messia Salvatore nostro, divolgarizzato
fedelmente di greco e reso intelligibile infino al volgo ... da Matteo
Berlando della Lega e Jac. Fil. Ravizza, zwei protestantisch ge-
wordenen Italienern, gedruckt zu Erlangen 1711^), verb. 1721. —
La sainte Bible ou le V. et le N. T., avec un commentaire litt^ral
compose de notes choisies et tirees de divers auteurs anglois, verb.
1745, ist das von Charles Chais, La Haye 1743 ff., 6 vol. 4., her-
ausgegebene Bibel werk. — Clemens XI. forderte in Breven von
1709 und 1710 (Epp. sei. p. 639. 689) den spanischen General-
Inquisitor und den Card. Portocarrero auf, die Verbreitung einer in
London gedruckten americanischen Bibelübersetzung nicht zu dulden
(es wird eine von der 1701 gegründeten Society for the propagation
of the gospel in foreign parts herausgegebene [spanische?] Bibel
gemeint sein). — In neuester Zeit ist noch ein grosses französisches
Bibelwerk in den Index gekommen: La Bible. Traduction nouvelle
avec introductions et commentaires par Edouard Reuss, Prof. k
rUniv. de Strasbourg, 1874—81, 18 vol. 8., verb. 1879, mit dem
Zusätze : opus praedamnatum ex II. Reg. Ind. ^).
2. 1684 erschien in Antwerpen eine Bearbeitung der alten
flämischen Uebersetzung des N. T., die eine grosse Verbreitung
fand, obsclion sie in sprachlicher Hinsicht sehr mangelhaft war (der
Bearbeiter scheint kein Holländiseh verstanden zu haben). Von dem
Bischof Neercassel aufgefordert, gab Andreas van der Schuer (Schu-
rius) eine neue Uebersetzung zunächst der Evangelien, dann des
ganzen N. T. nach der Vulgata heraus: Het Nieuwe Testament
van onsen beere Jesus Christ, met körte verclaringhe op de duy-
stere plaetsen . . ., 1696. Die Uebersetzung der Evangelien war
schon 1691 in Rom denuncirt worden; das ganze Buch wurde 1712
von der Inq. verb. — Für Schurius' Uebersetzung von 50 Psalmen
mit Anmerkungen wollte der Löwener Censor „wegen der Zeitum-
stände und anderer Gründe" die Approbation nicht ertheilen ; sie er-
schien erst nach 5 Jahren, 1697^). Schurius* Uebersetzung des
A. T. wurde nicht verb., auch nicht de Wittens Uebersetzung des
N. T,, Emmerich 1696, 2 vol. 12., und der ganzen Bibel, obschon
1) G. W. Meyer, Gesch. der Schrifterklärung 4, 401. Nach Mazzu-
chelli hiess übrigens der erste Borlando.
2) Im Index von 1881 steht: Reuss, P^dovard, Prof. . . . Strasbourg.
Paris 1876 etc., mit Weglassung des Titels: La Bible u. s. w.
3) Schurii Epist. I, 185. 203; II, 296; III, 223.
854 Losen der Bibel in der Volksprache.
erstere von M. Steyaert und Henr. van Bukentop angegriffen, von
Witte in mehreren lateinischen Schriften vertheidigt^) und von
Doucin in seinem Memorial 1698 speciell denuncirt wurde, mit dem
Bemerken, Witte habe (mündlich) geäussert, er habe sich möglichst
genau an das N. T. von Mons gehalten.
Ludwig XTV. Hess von Amelotte's Uebersetzung des N. T.
100,000 Exemplare unter die besiegten Camisarden vertheilen. In-
gold, Essai p. 8 verzeichnet 17 Ausgaben, theils mit, theils ohne
Noten, die vor 1720 erschienen. Auch das N. T. von Mons fand
trotz des Verbotes eine grosse Verbreitung, auch in Belgien. In
einem Berichte über Disordini in Fiandra, der 1675 nach Rom ge-
sandt wurde (Laemmer, Melet. p. 398), wird geklagt, dasselbe sei
in Brüssel nachgedruckt worden und werde ungehindert verkauft, da
das Conseil de Brabant erklärt habe, das Breve gegen dasselbe sei
nicht placetirt. — Das Bibelwerk des Oratorianers Louis de Car-
riires, 1701 — 16, 24 vol. 12., wurde nicht beanstandet, aber erst
seit 1740 oft gedruckt (Ingold p. 31). Auch La Sainte Bible tra-
duite sur les textes originaux avec les diff^rences de la Vulgate, Col,
1739 u. s., — von dem Appellanten Nie. le Gros, — ist nicht verb.
Das Bibelwerk des Benedictiners Augustin Calmet (1672 — 1757),
La S. Bible en latin et en fran^ais avec un commentaire litteral et
critique, 1707 — 16, 23 vol. 4., wurde denuncirt, aber nicht verb.
1715 schrieb Montfaucon an einen Römischen Prälaten: „Das exe-
getische Werk des P. Calmet, welches bis jetzt sine querela ge-
wesen, ist der Inq. denuncirt worden. Ich bitte Sie, das Verbot
desselben zu hintertreiben. Er ist ein Benedictiner von unserer Re-
form, wenngleich nicht von unserer Congregation [er gehörte zu der
Congregation de S. Vannes et Hidulphe]. Sie würden seiner Con-
gregation einen um so grössern Dienst leisten, als bis jetzt noch
kein Buch derselben von der Inq. verdammt worden ist und man
doch nicht mit diesem Buche anfangen sollte, welches eine solche
Behandlung in keiner Weise verdient" (Valery 3,206). Das Werk
wurde auch in Frankreich angegriffen (Hurter 2, 1302). Mansi gab
1730 — 38 eine lateinische Uebersetzung heraus, gegen die allerdings
die gegen ein solches Bibelwerk in der Volksprache erhobenen Be-
denken nicht geltend gemacht werden konnten. 1731 war sogar die
Rede davon, Calmet solle Cardinal werden 2). Im spanischen Index
von 1747 wurde Calmets Histoire de TAncien et du N. Test., Par.
1718, 2 vol. 4., unter Bezugnahme auf das allgemeine Verbot solcher
Bücher verboten; sie wurde 1787 freigegeben.
1) Capistrum ab Embricensi interprete dono missum N. [Martine
Steyaert] declamatori in versionem belgicam novissimam N. T. (Dict. Jans.
1, 217; auch im span. Index), — Epistola apoloj^etica ad amicum Lovaii.
adv. Examc^n translationis Flandricae N. T. Embricae auct. H. Bukentop
(Idee p. 69). — Die Bibelübersetzung veranlasste eine Controverse mit
dem kath. Pfarrer Peter Holleu zu Utrecht über Gen. 1, 2, wo Witte
„ein starker Wind" statt „der Geist Gottes'* übersetzt hatte (Idee p. 127).
2) Memorie per servire alla storia del Card. Passionei, Rom 1762,
p. 129.
A. Calmet. Schriften über Bibellesen. 855
3. Schon 1661* erschien zu Paris Collectio quorundam gra-
vium authorum, qui . . . s. soripturae aut divinorum officiorum in
valgarem linguam translationem damnarunt, . . . jussu ac mandato
Cleri Gallicani edita, 122, 271, 109 und 81 S. 4., von Louis Doni
d'Attichi aus dem Orden der Minimi, später Bischof von Eiez und
Autun, t 1664 (Arn. 8, I ; ß. Simon, Nouv. Observations p. 571).
Im J. 1679 schrieb Ch. Mallet, Dr. Sorb. und Canonicus zu Ronen,
J)e la lecture de TEcr. sainte en langue vulgaire, worin er zeigt, es
sei die Intention Gottes, dass die Bibel (in der Synagoge wie in der
Kirche) nicht von dem Volke, sondern nur von den Priestern und
Doctoren gelesen würde, die dann dem Volke das Nöthige mitzu-
theilen hätten^). Dagegen schrieb Arnauld De la lecture de l'Ecr.
s., 1G80 (Am. 8, 1), wovon S.-Beuve 5, 294 sagt: Arnauld abima
le pauvre Mallet. Veron sagt, die 4. Regel des Index sei in Frank-
reich nicht recipirt (I, S. 336), und Amelotte, sie sei jetzt nicht
mehr verbindlich. — Von dem Bischof Neercassel erschien 1677 zu
Emmerich Tractatus de lectione scripturarum, in qua protestantium
eas legendi praxis refellitur, catholicorum vero stabilitur. Accedit
Dissertatio de interprete scripturarum, auctore Jo. Episcopo Casto-
riensi, 1680 auch französisch^), — worin die 4. Eegel des Index
für nicht mehr verbindlich erklärt und zum fleissigen Bibellesen
ermahnt wird. Das Buch wurde in Eom nicht nur nicht verboten,
sondern in dem Giom. dei letterati günstig beurtheilt.
Precipiano erliess schon 1685 als Bischof von Brügge eine
1) Bei Avr. 8, 38 ist zu lesen: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass
die meisten Bücher des A. T. nicht in der Volksprache geschrieben sind;
sicher ist dieses von mehreren Büchern des N. T. Matthäus hat sein Evan-
gelium hebräisch geschrieben, also in einer Sprache, welche die Juden
nicht mehr redeten seit der babylonischen Gefangenschaft, in welcher sie
sich eine andere Sprache, die jüdische (judaique), gebildet hatten, die der
syrischen und chaldäischeu sehr nahe kam. Marcus, Jacobus und Paulus,
selbst in seinem Briefe an die Römer, bedienten sich der griechischen
Sprache, obschon diese dem grössten Theile der Römer unbekannt und
bei den Juden verachtet war. Man darf daraus schliessen, dass die Ab-
sicht der h. Schriftsteller war, dass das Volk die Religion viel mehr durch
den mündlichen Vortrag der Ijchrer als durch eigenes Lesen ihrer Schriften
lernen sollte. Aus diesem Grunde waren die Uebersetzungen in der Volk-
öprache den Vätern unbekannt, die mit Recht den Missbrauch fürchteten,
den man damit treiben konnte." Avriguy wusste doch gewiss, dass die
alten lateinischen Uebersetzungen Uebersetzungen in die damalige Volk-
sprache waren.
2) Traite de la lecture de l'Ecriture sainte . . . par TEvesque de
Castorie, Vicaire Apostolique. De la traduction de M. L. R. A. D. H. F.
(Lc Roy Abbe de Haute Fontaine), Col. 1680,* 80, 428 und 216 S. 8.
13»}i der Uebersetzung sind die Vorarbeiten für eine (nicht erschienene)
neue Auflage des Originals benutzt. Der Artikel des Giornale ist darin
abgedruckt. Die Dissertatio de interprete polemisirt auch gegen die
Schrift von L. Meyer (S. 609). — Neercassels Buch wurde auch ins Hol-
ländische übersetzt von F. v. H. (Franz van Heussen). Ein Auszug dar-
aus: Vom Lesen der h. Schrift, nach Job. von Neercassel, Mainz 1846.
Vgl. zum Folgenden Arnauld 8, I. Racine 12, 275.
856 Lesen der Bibel in der Volkspraohe.
Verordnung gegen das Lesen von Bibelübersetzungen in der Volk-
Sprache, die er 1691 als Erzbischof von Mecheln wiederholte (S. 644).
Aehnliche Verordnungen erliess 1689 und 1691 der Bischof Albert
de Hornes von Gent (Synodicon Belg. 4, 347). Zur Vertheidigung
des Erlasses von 1685 schrieb der Jesuit Cornelius Hazart unter
dem Namen Antonius Suivius eine holländische Schrift, worin er
zeigen wollte, das Bibellesen sei für die Laien schädlich. Arnauld
forderte Neercassel auf, diese masslose Schrift als Bischof zu ver-
bieten und in Rom das Verbot derselben zu beantragen; er selbst
werde darüber an du Vaucel schreiben (Am. 42, Suppl. 53). Neer-
cassel begnügte sich mit der Veröffentlichung einer anonymen Wi-
derlegung: Gods Woord verdedigd. — Die Haupt vertheidiger der
Bischöfe waren aber M. Steyaert, der Carmeliter Alex, a S. Theresia
(Sanctuarium reseratum, 1690, 2 vol. ; vgl. Schurii Epp. 2, 206.
214), und namentlich der Dominicaner Martin Harney, Prof. in Lö-
wen (De s. scriptura Unguis vulg. legenda rationabile obsequium
Belgii catholici, Lov. 1693*, 302 S. 12., mit einem Schreiben an
die Cardiuäle der Index-Congr., schon 1686 holländisch). — Ausser
Arnauld, der die Frage namentlich in den Difficult^s gegen Steyaert
eingehend behandelt, betheiligten sich auch Gerberon und de Witte ^)
an dem Streite. Von Gerberon wurde in Eom 1693 verb. Körte en
noodighe onderwysinghe voor alle catholycken van Nederlandt, rae-
kende het lesen der heylighe Schriftuer, door Cornelius van de
Velden, Col. 1690. Zwei andere Schriften von ihm verbot Pre-
cipiano 1695: Decretum Archiepiscopi Mechlin. contra Scripturae
lectionem notis illustratum, 1691, und Difficultes addressees k Mgr.
de Hornes, ev. de Gand, par les catholiques de son diocese touchant
la lecture de l'ecr. sainte en langue vulgaire. Er schrieb auch noch
Quaestio juris, an Caroli V. edictis lectio scripturae s. prohibita sit,
an virgines Birchianae poenas incurrerint a Carolo V. statutas. —
E. Simon polemisirt in den Nouv. Observations sur le texte et les
versions du N. T., 1695, p. 465 gegen Arnauld, vertheidigt aber
nicht gerade die 4. Eegel des Index, sondern meint, es sei Sache
der einzelnen Bischöfe, je nach den Verhältnissen ihrer Diöcesen
Verordnungen über das Bibellesen zu erlassen. — Unter Innocenz
XII. sollen sich Casoni und Favorit! bemüht haben, eine Abände-
rung der 4. Eegel im Sinne Neercassels und Arnaulds zu erwirken.
Das war aber in Eom viel zu früh.
Die in der Bulle Unigenitus verdammten Sätze No. 79 — 85
klingen allerdings, aus dem Zusammenhange gerissen, zum Theil et-
was outrirt, z. B. 80. Das Lesen der h. Schrift ist für alle. 81.
Die Dunkelheit des Wortes Gottes ist für die Laien kein Grund,
1) De Witte schrieb drei Briefe an den Erzbischof, um sich zu recht-
fertigen, dass er den Hirtenbrief von 1691 nicht verlesen, und ausserdem
unter dem Namen Aletophilus Onitrama eine Broschüre gegen Hamey
und unter dem Namen Orbicus Aletophilus mehrere gegen den Pfarrer
Hieron. Haerts in Ranst (Pica Ranstensis u. s. w.). Sie stehen in dem In-
dex Precipiano's.
Bulle ünigonitus. A Martini. 857
sich von dem Lesen desselben zu dispensiren^). Aber auch der
Satz wurde unter No. 82 verdammt: Der Sonntag muss von Christen
durch fromme Leetüre, vor allem der h. Schrift geheiligt werden;
es ist verderblich, einen Christen von dieser Leetüre abhalten zu
wollen. In dem 8. der 12 Artikel des Card. Noailles von 1725
(Fleur. 70, 540) ist die Sache wesentlich gemildert. — In der Bulle
von 1794 gegen die Synode von Pistoja wird N. 67 nur Doctrina
perhibens a lectione s. scripturarum nonnisi veram impotentiam
excusare, subjungens, nitro se prodere obscurationem, quae ex hu-
jusce praecepti neglectu orta est super primarias veritates religionis,
als falsa, temeraria, quietis animarum perturbativa, alias in Ques-
nellio damnata bezeichnet. — Die Schrift De jure circa scripturas sa-
cras communi et speciali sacerdotis, principis et plebis bei v. Espen,
Opp. 5, 250 (auch bei Fleur. 72, 277) ist nicht von v. Espen,
aber unter seiner Anleitung von ihm befreundeten Theologen ver-
fasst und 1726 von ihm ausdrücklich gutgeheissen. — Ueber Bil-
luart (1750) s. I, S. 336.
4. Im 18. Jahr, wurde nur noch verb. — durch ein Decret
Clemens' XIV. von 1773, — eine rationalistische Nouvelle traduc-
tion des epitres de S. Paul von Laugeois de Chantelliers, einem
Literaten, der auch eine Psalmenübersetzung und Entretiens sur S.Paul,
Bouillon 1772, 500 S. 12., herausgegeben (N. E. 1773, 77. 112).
Unter Clemens XIII. wollten die Oratorianer zunächst eine
italienische üebersetzung der Evangelien drucken lassen, erhielten
aber dazu nicht die Erlaubniss. Zu Neapel erschien 1766 eine
Üebersetzung des Bibelwerkes von Saci. Unter Clemens XIV.
wurde eine 1769 zu Turin erschienene Üebersetzung des N. T. in
Eom ungehindert verbreitet. Der Papst nahm 1771 die Widmung
einer Üebersetzung der Apostelgeschichte von dem Canonicus Cate-
nacci an. 1772 erschien zu Venedig eine Üebersetzung von Arnaulds
Schrift gegen Mallet mit den Thesen v. Espens, und von 1773 an
eine modernisirte Ausgabe der zuerst 1471, zuletzt 1567 erschie-
nenen Üebersetzung von Malermi mit Anmerkungen von Alvise
Guerra (N. E. 1777, 52; 1781, 205). — 1769—71 veröffentlichte
der Abate Antonio Martini (geb. 1721 zu Prato; Tipaldo 7,303) zu
Turin eine Üebersetzung des N. T. und 1776 den ersten Band einer
Üebersetzung des A. T. mit beigedruckter Vulgata und mit An-
1) Der 80. Satz ist aus der Anmerkung zu Apg. 8, 27. 28. entnom-
men und lautet im Zusammenhange (Ilexaples 1, 4) ganz anders: C'est
ainsi (en imitant Peunuque) qu'ou sanctifie las voyages par des lectures
de piete. Celle de recriture sainte entre les mains merae d'an horame
d'affaires et de finances marque qu'elle est pour tout le monde.
Cette lecture porte une benediction particuliöre et attire de grandes graces.
Rien n'est plus propre ä entretenir les sentiments de piete que Pon rem-
porte chez 801 en reveuant de la priere publique. Und zu dem 81. Satze
fügte Quesnel (zu Apg. 8, 30. 31) bei: C'est une etrange presomtiou de
pretendre la pouvoir entendre par sou propre esprit et sans le secours
des docteurs de Peglise.
858 Lesen der Bibel in der Volksprache.
merkungen; in der Vorrede Bagt er, er sei durch das Decret von
1757 dazu veranlasst worden. In einem Briefe an Giov. Lami (bei
Fontani, Elogio del D. G. Lami, 1789, p. 209) schreibt er: die-
jenigen, welche den Tractatus de actibus humanis (von dem Erz-
bischof Incontri, s. u.) angegriffen, (die Jesuiten) hätten Lust gehabt,
auch das Bibelwerk anzugreifen. Dasselbe wurde aber ohne Be-
hinderung 1781 vollendet, 23 vol. 8. Diese Uebersetzung ist nicht,
wie vielfach angegeben wird, von dem h. Stuhle gutgeheissen ;
aber Martini erhielt von Pius VI. ein Breve vom 17. März 1778
(Acta S. S. 9, 544), worin anerkannt wird, sein Werk entspreche
den Eegeln des Index und der Verordnung von 1757, und worin
ferner gesagt wird: Optime sentis, si Christi fideles ad lectionem
divinarum literarum magnopere excitandos existimas ; illae enim sunt
fontes uberrimi, qui cuique patere debent ad hauriendam et morum
et doctrinae sanctitatem depulsis erroribus, qui bis corruptis tempo-
ribus late disseminantur. (Damit steht die oben angeführte Stelle
der Bulle von 1794 nicht gerade im Widerspruch.) In demselben
Jahre ernannte Pius VI. Martini zum Bischof von Bobbio; 1781
wurde er Erzbischof von Florenz, f 1809. — In einer Apologia
del Breve di Pio VI. a Mgr. Martini, Pavia 1784, 288 S. 8. (von
Jos. Tavelli) wird berichtet, einige hätten gesagt, das Breve ent-
halte falsche und irrige Sätze und verdiene der Inquisition denun-
cirt zu werden, und Pius müsse retractiren (N. E. 1785, 157. Villa-
nueva, Vida 1, 99).
Martini' 8 Uebersetzung wurde oft gedruckt. 1879 gab Curci
eine neue Uebersetzung des N. T. heraus. In der Vorrede bemerkt
er: es sei kein Zeichen von grossem Eifer für die h. Bücher, dass
Martini's Uebersetzung die einzige geblieben, ohne dass man daran
gedacht, sie zu verbessern und dem geänderten Geschmacke anzu-
passen; darin liege ohne Zweifel, — • freilich neben anderen trauri-
geren Ursachen, — ein Grund, dass seit dreissig Jahren die Neu-
drucke viel seltener, also die Nachfrage geringer geworden. Von
seiner eigenen Arbeit gesteht Curci (U Vaticano p. 318), er habe
damit Fiasco gemacht.
Unter dem 20. Dec. 1728 erliess auch der spanische General-
Inquisitor Felipe Bertran, Bischof von Salamanca, auf Verlangen des
Königs und der Minister Roda und Floridabianca ein Decret, worin
der 5. Regel des spanischen Index, soweit sie über die 4. des Rö-
mißchen und die von Benedict XIV. genehmigte und von Pius VI.
in dem Breve von 1778 praktisch autorisirte Declaration derlndex-
Congregation hinausgehe, aufgehoben wurde und also die Bibel-
übersetzungen in der Volksprache, die vom h. Stuhle approbirt
oder mit Anmerkungen . . . versehen seien, die die Gefahr einer
schlechten Deutung ausschliessen, freigegeben wurden, so dass nur
diejenigen, bei welchen diese Bedingungen fehlen, als verboten an-
zusehen seien (Mendham p. 254). Darauf erschien dann die erste
katholische spanische Bibelübersetzung von dem Piaristen Felipe
Scio de San Miguel (später Bischof von Segovia, f 1796), zuerst
Valencia 1790—93, 10 vol., mit der Vulgata und Noten. Eine
Bibolgesüllschafton. 859
zweite gab der Bischof von Astorga, Felix Torres Amat, 1824 — 25
heraus ^). — Die erste katholische portugiesische Uebersetzung, von
Antonio Pereira da Figuereido, erschien etwas früher, 1778 — 90,
23 vol.
5. Die Päpste des 19. Jahrh. haben in einer Reihe von Acten -
stücken sich gegen die Bestrebungen der Bibelgesellschaften erklärt,
welche allen ohne Unterschied die Bibel in der Volksprache in die
Hand geben wollten, jedermann zum selbständigen Deuten derselben
aufforderten, Uebersetzungen ohne Anmerkungen, ja auch unrichtige
Uebersetzungen (protestantische und ohne „Apokryphen") verbreiteten,
woran sich vielfach zugleich die Verbreitung antikatholischer und
revolutionärer Schriften anschliesse. Auf einen Bericht des Erzbischofs
Raczynski von Gnesen über die Thätigkeit der Bibelgesellschaften
antwortete Pius VII. 29. Juni 1816: Horruimus vaferrimum inven-
tum, quo vel ipsa religionis fundamenta labefactantur u. s. w.; er
erinnert an die Bestimmung von 1757 und fordert den Bischof auf,
die neue Ausgabe der polnischen Bibelübersetzung von Wujec (I
8. 335), in der die Anmerkungen weggelassen seien, mit einem
Gutachten nach Rom zu schicken^). In einem Breve Pius' VI.
vom 3. September 1816 wurde der Erzbischof Siestrzencewicz
von Mohilew scharf getadelt, dass er die von der (russischen)
Bibelgesellschaft herausgegebenen Ausgaben empfohlen. In einem
Schreiben an die apostolischen Vicare von Persien und Armenien
vom 3. August 1816 missbilligte es die Propaganda, dass der
von ihr zum Präfecten der Missionen in Persien ernannte Rö-
mische Priester Leopold Sebastiani den ersten Theil des N. T. aus
dem Griechischen ins Persische übersetzt habe, und dass er sich
mit der ketzerischen Universita inglese delle Indie in Verbindung
gesetzt, welche diese Uebersetzung habe drucken lassen und ver-
breite 3). Die apost. Vicare werden angewiesen, vor dem Lesen der
1) K.-L. 2, 743 (Nekrolog Scio's im G. eccl. 11, 145). Auch Sein
erhielt, als er Pius VI. den 1. liand der 2. Ausgabe übersandt hatte, ein
Brevo vom 25. Febr. 1795; es ist aber nur ein einfaches Dankschreiben.
Die englische Bibelgesellschaft veranstaltete einen Abdruck der Ueber-
setzung mit Weglassung der Noten und der Apokryphen. Eine Corrcspon-
denz darüber mit dem Erzbischof von Bogota vom J. 18H7 s. A. J. P.
3, 36. — J. Villanueva veröffentlichte zu Valencia 1791 in Folio Tratado
de la leccion de la sagrada escritura en lenguas vulgares, mit einem An-
liange, welcher Aeusserungen von span. Schriftstellern zu Gunsten dos
Bibellesens, Fragmente von Biblias lemosinas aus dem 14. und 15. Jahrh.
und Documente über die castilische Uebersetzung des 15. Jahrh. enthalt.
Dagegen schrieb der Ex-Jesuit Miguel Elizalde Urdiroz unter dem Namen
Guillermo Diaz Lucesedi (1793), dem Villanueva in den Cartas eclesiasti-
cas antwortete. Villanueva, Vida 1, 30. 99. Hurter 3, 516).
2) Ueber die Verhandlungen der Wiener Censurbehörde über eine
Leipziger Ausgabe von Wnjec's Uebersetzung im J. 1889 s. Archiv f.
österr. Gesch. 50, 494.
3) Acta S. S. 9, 580. An Sebastiani's Uebersetzung wird getadelt,
dass nicht die Vulgata zu Grunde gelegt und Matth. 1, angeblich um ein
Aergerniss zu verhüten, der Name Joachim (als der des Vaters der h.
860 Lesen der Bibel iu der Volkaprache.
von der Bibelgesellschaft veröffentlichten üebersetzungen überhaupt
zu warnen. Als am 23. Juni 1817 verboten steht im Index: Istoria
ßuccinta delle operazioni della compagnia biblica britannica e stra-
niera . . . Napoli 1817, mit dem Zusätze: „und alle Bibelüberset-
zungen in der Volksprache, wenn sie nicht von dem apost. Stuhle
approbirt oder mit Anmerkungen .... versehen sind, gemäss dem
Decrete von 1757." — 1819 und 1820 wurden dann mehrere von
der englischen Bibelgesellschaft besorgte Ausgaben des Martini'schen
N. T. ohne Anmerkungen verb. : Nuovo Testamente secondo la
Volgata tradotto in lingua italiana da Mgr. Ant. Martini, Arciv. di
Firenze, Livomo 1818 und Italia 1817; II N. T. del K S. Gesn
Crißto. Ed. stereotipa. Shatklewell dai torchi di T. Rutt 1813.
In dem Decrete (Mendh. p. 275) ist beigefügt: juxta decreta S.
Congr. Ind. 13. Jun. 1757 et 23. Jun. 1817, in den neueren Index-
Ausgaben: et omnes editiones, in quibus ejusdem interpretis notae
desunt. Wegen der zu Livorno auf Kosten der Bibelgesellschaft von
Capitain Pakenham veranstalteten Ausgabe wurde gegen diesen und
den Drucker von der Regierung ein Process eingeleitet; die con-
fiscirten Exemplare wurden vernichtet.
1821 wurde die zuerst 1807 erschienene, 1815 — 17 von mehreren
deutschen Bischöfen und Ordinariaten und von den theologischen
Facultäten zu Freiburg und Würzburg approbirte üebersetzung des
N. T. von Leander van Ess*) verboten (die üebersetzung des
A.T., 1822 — 36, steht nicht im Index), und 1840 (nicht, wie in den
neueren Indices steht, 1740) '1 Neuv Testament de Nossegnour
Gesu-Christ, tradout in lingua piemonteisa, mit dem Zusätze: juxta
reg. IV. Indicis.
Leo XII. sprach sich in der Encyclica vom 5. Mai 1824 kurz
gegen die Bibelgesellschaften aus, Pius VIII. in der vom 24. Mai
1829, Gregor XVI. in der vom 15. Aug. 1840, letzterer ausführlich
in der Encyclica vom 8. Mai 1844. In dieser wird nach Erwäh-
nung der 4. Regel des sog. Trienter Index gesagt: Huie eidem
regulae nova subinde propter perseverantes haereticorum fraudes
cautione constrictae (damit wird der Zusatz Clemens' VIIL, I, S. 333,
gemeint sein) ea demuin auctoritate Benedicti XIV. adjecta declara-
tio est, ut permissa porro habeatur lectio vulgarium versionum,
quae ab Apost. Sede approbatae aut cum annotationibus . . . editae
fuerint. Pius IX. spricht von den Bibelgesellschaften in den Ency-
cliken vom 9. Nov. 1846 und vom 8. Dec. 1849; in dem Syllabus
Maria) eingeschoben sei. Es wird eine genauere Prüfung der Üebersetzung
durch des rersischen Kundige in Aussicht gestellt. Weiteres darüber ist
nicht bekannt. Joachim soll auch in einer lat. Üebersetzung des N. T.
von Sebastiani, London 1817, stehen. Er starb 1843 zu Rom.
1) A. D, B. 6, 378. Die theol. Facultat zu Münster lehnte auf den
Antrag von Hermes die Approbation ab (Esser, Hermes S. 60). Der Erz-
bischof Hohenwart von Wien hatte die üebersetzung approbirt, votirte
aber 1816 gegen die Zulassung der Ess'schen Bibelgesellschaft, Archiv f.
Ost. G. 50, 417. — üeber das piemontes. N. T. s. Mendham, Add. Suppl. p. 29.
Monitum Gregors XVI. von 1886. 861
von 1864 werden § IV. Socialismus, Communismus, Societates clan-
destinae, Societates biblicae, Societates clerico-liberales zusammen-
gestellt.
6. Die Verordnung Benedicts XIV. ist früher allgemein so
gedeutet worden, dass das Lesen von Bibeln der bezeichneten Art
freigegeben werde. Das wird auch jetzt noch von vielen Theologen
als geltendes Recht angesehen. Fessler S. 177 sagt z. B. : „Das
Bibelverbot für die Katholiken existirt in Wahrheit nicht, indem
die Uebersetzungen in die Volksprache, welche vom apost. Stuhle
approbirt oder mit Anmerkungen aus den h. Vätern oder anderen
kath. Gelehrten versehen sind, keinem Verbote unterliegen und so-
mit deren Gebrauch als erlaubt anzusehen ist," und der Bischof von
Lugon sagt in einer 1 856 ertheilten Approbation einer französischen
Bibel mit den Allioli'schen Noten: „Nach den Decreten von 1757
und 1836 sind Bibelübersetzungen in der Volksprache hinlänglich
autorisirt, wenn sie Anmerkungen haben, welche etc. Die vorlie-
gende Uebersetzung darf also von den Gläubigen gelesen werden,
ohne dass sie den vom Index festgesetzen Strafen verfallen.** Da-
gegen wird in den A. J. P. 1, 793 die Ansicht vertreten, das Lesen
der Bibel in der Volksprache ohne specielle Erlaubniss sei auch
jetzt noch verboten, nach den Decreten von 1757 und 1836 könne
aber demjenigen, der eine solche Erlaubniss nachsuche, von dem
Bischof oder Inquisitor nicht mehr allgemein das Lesen einer belie-
bigen (bischöflich approbirten) katholischen Uebersetzung, sondern
nur einer den Bestimmungen Benedicts XIV. entsprechenden ge-
stattet werden, also z. B. in Deutschland der Allioli'schen Ueber-
setzung mit Anmerkungen, aber nicht des Kistemaker'schen N. T.,
welches vielmehr (abgesehen etwa von einer speciellen päpstlichen
Erlaubniss) niemand gestattet sei ^). Man sollte sich nicht ver-
hehlen, dass die Bestimmung Benedicts XIV. und die Gregors XVI.
(S. 852) verschieden sind, dass jene durch diese umgedeutet worden
ist. Die erstere Ansicht entpricht dem Decrete von 1757, die letz-
tere dem Monitum von 1836.
Thalhofer, der die strengere Ansicht vertheidigt, erklärt aber
zugleich, die 4. Eegel des Index habe in Deutschland nie förmliche
Rechtskraft erlangt, und dies müsse consequent auch von den späteren
Zusätzen zu derselben gesagt werden, und darum dürfe auch das in
1) Die erste Ansicht vertritt auch Malou a. a. 0. 1, 60, die zweite
der frühere Bischof von LuQon, Bailles, La Congr. de 1 'Index p. 580, und
V. Thalhofer in F. X. Reithmayrs Lehrb. der bibl. Hermeneutik, 1874,
S. 204. Vgl. Th. Lit.-Bl. 1875, 6. Einzelne Bischöfe haben ausdrücklich
die 4. Regel des Index eingeschärft; so der Erzbischof von Mecheln in
der Fastenverordnung für 1845: ,,Wir erneuern das Verbot, die Bibel in
der Volksprache ohne Erlaubniss des Bischofs oder Beichtvaters zu lesen**
(Malou 1, 61). Die Utrechter Provincialsynode von 1865 (Coli. Lac. 5, 804)
verordnet nur, es sei den Gläubigen zu rathen, für das Behalten und
Lesen solcher Bibelübersetzungen sich die Erlaubniss des Pfarrers oder
Beichtvaters zu erbitten.
862 Irreligiöse Schriften.
nnzähligen Exemplaren unter den Katholiken verbreitete N. T. von
Kistemaker ohne apecielle Erlanbniss gebraucht werden. — Der ge-
sammte irische Episcopat hat 1857 von einer englischen Bibelaus-
gabe mit Anmerkungen erklärt: er approbire sie kraft seiner Au-
torität und efkläre, dass sie von den Gläubigen mit grossem geist-
lichen Nutzen gebraucht werden könne, wenn sie mit gebührender
Ehrfurcht und in der rechten Absicht gelesen werde.
Bei den nicht ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke
bestimmten Bibelübersetzungen von Katholiken ist durchgängig die
Vulgata zu Grunde gelegt, obschon eine ausdrückliche Vorschrift
der Art nicht existirt. Es ist bemerkenswerth, dass Curci 1883 für
eine üebersetzung der Psalmen nach dem Hebräischen (mit Erklä-
rungen) das Imprimatur des Mag. S. Pal. erhalten hat (Vaticano
Regio p. 334).
Eine von dem apostolischen Stuhle gutgeheissene neuere Bibel-
übersetzung ohne Anmerkungen ist mir nicht bekannt. Die Allioli'sche
ist im Auftrage des Papstes von drei deutschen Bischöfen geprüft
und darauf von dem Papste der Druck gestattet worden, aber unter
der ausdrücklichen Bedingung, dass Anmerkungen etc. beigefügt
seien. Von der Üebersetzung des N. T. von J. B. Glaire erklärte
die Index-Congr. auf Grund des Gutachtens einiger von ihr mit der
Prüfung beauftragter Consultoren, dem Drucke stehe nicht« im
Wege, und dieses Decret wurde vom Papste 25. Jan. 1861 bestätigt.
82. Irreligiöse Schriften.
Die Planlosigkeit der Römischen Bücherverbote tritt be-
sonders deutlich hervor bei den deistischen und anderen die
christliche Religion und Sittlichkeit angreifenden Schriften, deren
im 18. Jahrhundert so viele erschienen. Allerdings stehen viele
derselben im Index, — von P. Bayle seit Benedict XIV. sämmt-
liche Werke, — und man wird nicht erwarten können, sie alle
darin zu finden. Aber dass ist doch auffallend, dass z. B. von
den unfläthigen Schriften des Holländers Hadrian ßeverland,
die von 1678 an lateinisch erschienen, keine im Index steht,
wohl aber ein gegen ihn gerichtetes Scbriftchen des holländischen
Theologen Ryssenius, dass von den englischen Deisten Tindal
und andere fehlen, nicht aber mehrere gegen sie gerichtete
Schriften, dass von John Locke's 1690 erschienenem Essay con-
cerning human understanding die 1700 erschienene französische
üebersetzung 1734, Montesquieu's 1721r erschienene Lettres
pcrsannes 1761 verboten wurden. Englische Schriften wnrden
J. Locke n. a. d6d
fast immer erst verboten, nachdem sie in französischer Ueber-
setzung erschienen waren, auch französische zum Theil erst
lange nach dem Erscheinen. — Von Voltaire wurden 1751 — 57
einige Schriften durch die Index-Congregation verboten (mehr
nach 1757, s. § 87), dagegen durch ein besonderes Breve Bene-
dicts XIV. 1752 eine von dem Abb6 de Prades zu Paris ver-
theidigte These, die in Frankreich damals viel Aufsehen machte.
— In Spanien wurden die hier in Betracht kommenden Schriften
meist noch später verboten als in Rom, dann aber strenge (S.
54), z. B. die Lettres persannes 1797, von Locke's Essay eine
1764 erschienene französische Ausgabe 1804. Von Bayle steht
nur das Dictionnaire im spanischen Index, und dieses erst seit
17471).
1. Von Job. Lysers (Leysers) Schrift über die Polygamie,
die zuerst 1674 erschien (Clement 1, 172), wurde die Ausgabe Po-
lygamia triumphatrix s. discursus politicus de polyg. auct. Theophilo
Alethaeo, cum notis Athanasii Vincentii, Lond. 1682, 16S7 verb.
Die Schrift gegen Beverland (Clement 3, 270) von Leonardus Rys-
senius, Justa detestatio libelli Adriani Beverlandi (in den neuesten
Index- Ausgaben Bevelardi) de peccato originali; accedit descriptio
poetica creationis et lapsus, 1680, wurde 1700 verb. (Ueber Etat
de Thomme etc. s. S. 130).
Von John Locke wurde durch ein Breve Clemens' XII. vom
19. Jan. 1734 verb. Essay philosopbique, concernant Tentendement
humain . . . traduit . . . par Pierre Coste sur la 4. Edition, Amst.
1700, und Extrait d'un livre anglois qui n'est pas encore publik,
intit.: Essay philos. . . . comraunique par M. Locke (der in Le
Clercs Biblioth. univ. 1688 veröffentlichte Auszug). Le christianisme
raisonnable tel qu'il nous est repr^sente dans l'ecriture sainte, Amst.
1715 (Coste's Uebersetzung des 1695 erschienenen Originals), wurde
1737 verb. mit dem Zusätze: 1. Cl. (S. 88). In dieser franzö-
sischen Ausgabe ist ein Traite de la religion des dames beigefügt,
der nicht von Locke ist (Nie. 1, 47); ein Abdruck davon wird sein:
La religion des dames. Discours, ou Von montre que la rel. est et
doit etre ä la portee des plus simples des femmes et des gens sans
lettres, trad. de l'anglois, von der Inq. verb. 1767. — Epistola de
tolerantia ad Cl. V. T. A. R, P. T. 0. L. A. (Limborch) scripta a
P. A. P. 0. J. L. A. (Jo. Lockio Anglo), Gouda 1689, dann auch
englisch und französisch, steht nicht im Index. — Es klingt doch
eigenthümlich, wenn etwa 20 Jahre nach dem Breve über Locke
ein Consultor der Inquisition, L. Ganganelli, der spätere Clemens XIV.
1) Die im span. Index stehenden Bücher sind im Folgenden mit
„in Sp." (wo es ein Interesse hat, mit Beifügung des Datums) hezcichnet.
864 Irreligiöse Schriften.
an eine Signora B. zu Venedig schreibt: „Sie erzeigen mir zu viel
Ehre, indem Sie über Ihre treffliche üebersetzung des Locke'schen
Buches mein Urtheil zu wissen wünschen. . . . Der englische Phi-
losoph würde sich sehr freuen, könnte er das geschmackvolle ita-
lienische Gewand sehen, welches Ihre Hand ihm gegeben. Nur
hätte ich, wäre es möglich gewesen, gewünscht, dass Sie aus dem
Buche die Stelle entfernt hätten, wo der Verfasser durchblicken
lässt, dass die Materie des Denkens fähig sein könnte . . . Lassen
Sie das Werk drucken" . . . (Reumont, Ganganelli S. 97).
Von den in Lechlers Geschichte des englischen Deismus, 1841,
behandelten Schriftstellern stehen ausser Tindal gar nicht im Index :
Arthur Bury, Earl of Shaftesbury, William Whiston, Thomas Chubb,
Thomas Morgan, Viscount Bolingbroke u. a. — Von John Tolands
(1670 — 1722) Schriften steht nur eine der lateinischen im Index:
Adeisidaemon seu Titus Livius a superstitioae vindicatus; annexae
sunt origines judaicae, Hagae 1709,8., verb. 1725 (Lechler S. 468),
— von Anthony Collins (1676 — 1729) nur Discours sur la liberte
de penser, 6crit ä Toccasion d'une nouvelle secte d'esprits forts ou
de gens qui pensent librement, trad. de Tanglois et augmente d'une
lettre d'un m^decin arabe, Londres (Haag) 1714, verb. 1718 (in
Sp. strenge), eine von Collins selbst besorgte üebersetzung des
englischen Originals, welches 1713 erschien, in kurzer Zeit 5 Auf-
lagen erlebte und in England 34 Gegenschriften hervorrief (Lechler
S. 230. Baumg. 2, 183). — Von Thomas Woolston, 1669—1731,
1705 von der King's Bench verurtheilt und bis zu seinem Tode im
Gefängniss, wurden 1767 von der Inq. zwei Schriften, und zwar
englische, verb.: Discourses on the miracles of our Saviour in view
of the present controversy between infidels and apostates [d. i. den
Geistlichen, die von der alten Auslegungsweise abgewichen seien],
und Defence of bis discourses .... against the bishops of St. Da-
vids and London and bis other adversaries. Die Discourses waren
zuerst einzeln 1727, also genau 40 Jahre vor dem Verbote, er-
schienen, der erste 1729 schon in 6. Auflage, die Defence in zwei
Theilen 1729 und 1730, der 1. Theil 1729 in drei Auflagen. Von
den anderen Schriften Woolstons, auch von den lateinischen, hat
man in Rom keine Notiz genommen. In England erschienen an 60
Streitschriften gegen ihn (Lechler S. 289. Baumg. 1, 479).
Von Conyers Middleton, dem Verfasser des Lebens Cicero's,
erschien 1729 anonym A letter from Eome, shewing the exact con-
formity between popery and paganism, worin viele römisch-katho-
lische Gebräuche, Weihrauch, Weihwasser, Kerzen, Votivtafeln u. s. w.,
als aus dem Heidenthum stammend dargestellt waren. Der aposto-
lische Vicar Richard Challoner (1691 — 1781) schrieb dagegen The
Catholic Christian instructed in the sacraments, sacrifice and cere-
monies of the Church (Räss, Convertiten 9, 179); auch in angli-
canischen Kreisen meinte man vielfach, die Angriffe auf päpstliche
Wunder klängen so, als ob sie gegen Wunder überhaupt gerichtet
seien. Middleton fügte der 4. Auflage von 1741 eine Vertheidigung
bei. Eine französische Üebersetzung dieser Auflage wurde 1755
Englische DeiBten. d65
verb.: Lettre icrite de Rome, oü l'on montre l'exacte conformiti
qu'il y a entre le papisme et la religion des Romains. Avec un
discours preliminaire, oü en repondant k toutes les objections d'un
livre papiste: Le Chr^tien cath. instruit . . . on a . . . et un post-
script, oü Ton examine Topinion de M. Warburton . . . Amst. 1744,
308 S. 12^). — La fable des abeilles, ou les fripons devenus bon-
netes gens, avec le commentaire oi\ Ton prouve, que les vices des
particuliers tendent k Tavantage du public, trad. de Tanglois, Lon-
don 1740, verb. 1745, ist üebersetzung des zuerst 1714 erschiene-
nen Buches von Bernard de Mandeville (1670—1733), The fable
of the bees, or private vices publick benefits, von dem 1732 die
6. Auflage mit einer Vindication of the book erschienen war*).
Schon 1732 wurde verb. Pens 6 es libres sur la religion, V^glise
et le bonheur de la nation, traduites de l'anglois du docteur B.
M[andeville], Haye 1723, 2 vol. In der 3. Aufl. 1738 hat sich der
Uebersetzer, Juste van Effen, genannt (Baumg. 8, 50).
Ausserdem stehen noch im Index: Recherches sur la natura
du feu de Tenfer et du lieu ofi il est situe, par M. Swinden, trad.
de Tanglois par M. Bion, Amst. 1728, verb. 1745, englisch: On
the nature and place of hell, 1717, deutsch: Schwindens Betrach-
tung, dass die HöUe in der Sonne zu suchen, übers, von J. J. Lieber,
1728; Patuzzi schrieb dagegen De sede inferni in terris quaerenda
(Vita di Concina p. 78); — Histoire du diable [contenant en de-
tail les circonstances oü il s'est trouvi depuis son bannissement du
ciel ... et de la conduite qu'il a tenue jusqu'ä präsent . . .], trad.
de Tanglois, Amst. 1729, 12., verb. 1744 (in Sp. 1747), von Daniel
de Foe, handelt auch über das Wirken des Teufels im Papstthum
(U. N. 1732, 400) ; — zwei Schriften von Medicinern über die
wunderbaren Heilungen Christi: Evangelium medici seu medicina
mystica de suspensis naturae legibus sive de miraculis reliquisque
61' wlg ßißXioig memoratis, quae medicae indagini subjici possunt,
auct. Bemardo Connor . . . Ed. 3., Jena 1706, verb. 1721, zuerst
London 1697 (Connor, ein Irland er, soll auf dem Sterbebette 1698
wieder katholisch geworden sein; Baumg. 3, 406); — Medica sacra
8. de morbis insignioribus, qui in bibliis memorantur, commentarius,
auct. Ricardo Mead, Lond. 1749, verb. 1754 (in Sp. 1756).
Gegner des Deismus. — Radulphi Cudworth Systema intel-
lectuale hujus universi s. de veris naturae rerum originibus com-
mentarii, Jena 1733, 2 Fol., verb. 1739 (in Sp. 1796), ist J. L.
Mosheims latein. Üebersetzung des bereits 1678 erschienenen Buches
1) Dr. C. Middletons Free enquiring in the miraculous powers sup-
posed to have existed in the Christian church, with a Letter from Rome
. . . London 1825.
2) Drei dagegen gerichtete Hirtenbriefe des Bischofs Edmund Gibson
von London wurden von Abr. Le Moyne französisch herausgegeben als
Preservatif contre Tincredulite et le libertinage en trois lettres past. de
Mgr. l'Ev. de Londres, Haye 1732 (Baumg. 3, 318. U. N. 1746, 950.
Picot 2, 190).
Renscb, Index II. 55
866 Irreligiöse Schriften.
The true intellectual systein of the universe, von Ralph. Cudworth
zu Cambridge, 1617 — 1688, welches hauptsächlich gegen Hobbes
gerichtet ist (Lechler S. 131). — Robert Boyle, f 1691 (S. 119),
bestimmte in seinem Testamente eine Summe von jährlich 50 Pf.
für je 8 Vorträge, in denen die Wahrheiten der christlichen Reli-
gion, mit Beiseitelassung aller confessionellen Unterscheidungslehren,
gegen die .Ungläubigen zu vertheidigen seien. Der erste Boyle-
Lecturer war Richard Bentley 1692. Dieser schrieb später gegen
Collins Remarka upon a late discourse of free-thinking in a letter
to F[rancis] H[are] D. D. by Phileleutherus Lipsiensis, 1713. Eine
Uebersetzung davon von Armand de la Chapelle ist La friponnerie
lai'que des esprits forts d^Angleterre, ou remarques de Phileleuthere
de Leipsick sur le discours de la libert^ de penser, trad. de Tan-
glois sur la 7. edition, Amst. 1738, verb. 1742 (Lechler S. 233.
Baumg. 2, 148). — Defense de la religion tant naturelle que
r^velee contre les infid^les et les incredules, extraite des ecrits
publica pour la fondation de M. Boyle par les plus habiles gens
d'Angleterre, Haye 1738, verb. 1746, ist eine gleichfalls von A.
de la Chapelle herausgegebene Uebersetzung von A defence of na-
tural and revealed religion, being an abridgment of the sermons
preached at the lecture founded by the Hon. Roh. Boyle (von Gil-
bert Burnet), London 1737, 4 vol., — Alciphron, ou le petit
philosophe en 7 dialogues, contenant une apologie de la religion
ehret, contre ceux qu'on nomme esprits forts, Haye 1734, 2 vol.
12., verb. 1754, P. de Joncourts Uebersetzung der 1732 erschienenen
Schrift von Georges Berkeley, Bischof von Cloyne, die besonders
gegen den Earl of Shaftesbury gerichtet ist (U. N. 1734, 1034),
der selbst nicht im Index steht. — Examen des fondemens de la
religion naturelle et revelee, traduit de Tanglois de M. [Arthur
Ashley] Sykes, Amst. 1742, verb. 1745, ist gegen Collins gerichtet.
— Von diesen apologetischen Schriften wurden also Uebersetzungen
verboten, die in Amsterdam erschienen waren, einem Druckorte,
der allerdings in Rom verdächtig war.
2. Von Pierre Bayle (1647—1706) sind seit Ben. sämmtliche
Werke verb. Vorher standen unter seinem Namen nur: Diction-
naire historique et critique, zuerst 1695 — 1697, — der 1. Band
und der 2. Theil des 2. Bandes wurden 1700, der 1. Theil des
2. Bandes 1703 verb., — und Lettres choisies de M. Bayle avec
des remarques, Roterdam 1714, verb. 1732. Von seinen anonymen
und Pseudonymen Schriften stehen noch jetzt im Index: die beiden
Schriften gegen Maimbourg (S. 585), Nouvelles de la r^publique
des lettres (vom März 1684 an), einzelne Theile verb. 1690 und
1693, seit Ben. mit dem Zusätze: opus Petri Bayle, — H. V. P.
ad B*** de nuperis Angliae motibus epistola, in qua de diversum
a publica religione circa divina sentientium disseritur tolerantia,
Rot. 1686, ein Brief von Hadrian van Paets an Bayle vom 12. Sept.
1685, von diesem veröffentlicht, auch in französischer Uebersetzung;
— Commentaire philosophique sur ces paroles de J.-C. : Contrains-
les entrer, ou Ton prouve parplusieurs raisons demonstratives qu*il
P. Bayle u. a. 867
n'y a rien de plus abominable que de faire des conversions par la
contrainte, et Ton r6fute tous les sophismes des convertisseiirs ä
contrainte et Tapologie que S. Augustin a faite des persecutions,
traduit de Tanglois du Sieur Jean Fox de Bmggs par M. J. F.,
Cantorbery (Amst.) 1686, von der Inq. verb. 1714 (steht seit Ben.
unter Fox mit der Parenthese Pierre Bayle). Da im Decrete der
Titel, wie oben, angegeben ist, waren nur die 1686 erschienenen
beiden Theile verb., nicht die 1687 erschienene 3. Partie, conte-
nant la r^futation etc. (Der Erzbischof von Paris hatte 1685 die
zwei Briefe des h. Augustinus drucken lassen mit einer Vorrede:
Conformite de l'Eglise de France . . . avec oelle d'Afrique).
— Erst 1777 (in Sp. 1766) wurde verb.: Analyse raisonn^e de
Bayle, ou abrege m^thodique de ses ouvrages, particulierement de
son Dict. . . . Das Pariser Parlament hatte die 4 ersten Bände,
Lond. 1755, schon 1756 verb. und den Herausgeber, den Ex- Jesuiten
Fr.-M. de Marsy, einige Zeit in die Bastille setzen lassen; 1765
hatte auch die Assemblie du Clerg^ das Buch verb. (Picot 2, 304.
310); die zu Amst. 1770 erschienene Fortsetzung: Analyse de
Bayle, 4 vol., ist von J.-B.-R. Robinet
Von anderen französischen Schriften wurden noch vor 1770
verb.: Hexameron rustique ou les six joum^es pass^es ä la cam-
pagne entre des personnes studieuses, Paris 1670, verb. 1677, das
letzte Werk von Frangois de la Mothe Vayer, dem frühem Lehrer
Ludwigs XIV., der 1672, 86 Jahre alt, starb, stellenweise skeptisch
und obscön (Bayle s. v.); Entretiens sur la pluralit^ des mon-
des, Amst. 1683, verb. 1687, von Bernard Le Bovier de Fontenelle,
1 1757, fast 100 Jahre alt; La republique des philosophes ou bist,
des Ajaoniens, ouvr. posth. de M. de Fontenelle, Genf 1768,
verb. 1777 (in Sp. 1781). — In den ersten Jahrzehnten des 18.
Jahrh. kamen hinzu: Les avantures de la Madonna et de Fran^ois
d'Assise par M. Renoult, cy-devant pr^dicateur en Tegl. Rom. et
k present ministre du s. evangile, Amst. 1701, von der Inq. verb.
1701 (in Sp. 1704)^); — Religion ou theologie des Turcs par
Echialle Mufti, avec la profession de foi de Mahomet fils de Pir
Ali, Brux. 1703, 2 vol. 12., verb. 1709 (in Sp. 1750); — Dialo-
gues de M. le Baron de La Hontan et d^un sauvage d'Amerique,
contenant une description exacte des moeurs et des coutumes de ces
peuples sauvages, Amst. 1704, von der Inq. verb. 1712, Satire auf
den französischen Hof mit Spöttereien über Religion und Sittlich-
keit (U. N. 1705, 38); das Buch steht unrichtig unter La Hontan:
es ist eine von dem Ex-Benedictiner Gueudeville verfasste Fortsetzung
von dessen Voyages dans l'Amerique, 1702, 2 vol.; in Spanien
wurden auch diese 1759 verb.; — La Bagatelle ou discours
1) Eine deutsche Uebersetzuug : Begebenheiten der Madonna und
des h. Franciscus Assisi, Köln (?) 1736, wurde 1737 mit Veranlassung zu
Verhandlungen zwischen dem Frankfurter Magistrat und dem Wiener Hof-
rathe. Fleur. 75, 693.
868 Irreligiöse Schriften.
ironiques oü Ton prete des sophismes ing^nieux au vice et k l'extra-
vagance, pour en faire mieux sentir le ridicule, Amst. 1718, 3 vol.
8., verb. 1718, von Juste van Eifen (Morery, Snppl. s. v.); —
Moyens surs et honnetes ponr la conversion de tous les her^tiqaes et
avis et expedients salutaires pour la reformation de l'figlise, Col.
1681,* 2 vol. 12., erst 1737 verb.; der Titel verräth freilieb nicbt,
dass das Buch scharfe Angriffe gegen Papsttbum, Mönche, Jesuiten
u. s.w. enthält; der Verfasser ist nicbt bekannt (Bayle, Oeuvres 2,
780); — C6remonies et coutumes religieuses de tous les peuples du
monde, repr6sentdes par des figures dessin^es de la main de Ber-
nard Picard, aveo une explication bistorique et quelques disserta-
tions curieuses, Amsterdam 1723—43, 9 vol. Fol., einzelne Theile
verb. 1738 und 1739, das ganze Werk 10. Mai 1757 (in Sp. 1789).
Es ist eine von dem gelehrten Amsterdamer Buchhändler J. Fred.
Bemard herausgegebene, mit schönen Kupferstichen verzierte, kritik-
lose Compilation (im 8. Bande das Buch von Mussard), auch über
Inquisition, Quietismus u. a. Vgl. Baumg. 8, 31. — Unter Bene-
dict XIV. kamen noch hinzu: Dissertations melees sur divers
Bujets importants et curieux, Tom. 1., Amst. 1740, verb. 1742 (in
Sp. 1756), herausg. von demselben Bernard (Qu^rard 4, 1090); der
2. Band ist nicht verb.; — Eecueil de diverses pi^ces sur la
philos., la religion naturelle, Thist., les mathematiques, par M. Leib-
niz, Clarke, Newton et autres auteurs, verb. 1745, von P. Desmai-
seaux; — Philosophie morale ou m61ange raisonn6 de principes,
pensees et reflexions par M. S., verb. 1755, vielleicht die Schrift
von Diderot, die zuerst 1745 als Principes de la philos. mor. ou
essai de M. S[hafte8bury] sur le m^rite et la vertu, avec reflexi-
ons, 1751 als Phil. mor. k ses princ, ou essai etc. erschien.
Von den anonymen deistischen Schriften der protestantischen
Genferin Marie Huber (1698—1753) stehen im Index: Le Sy-
steme des anoiens et des modernes sur T^tat des llmes s^par^es
des Corps en 14 lettres, 1739, verb. 1739 (auch in Sp.), und noch-
mals als Le Systeme .. . modernes concilii par Texposition des
sentiments differents de quelques th^ologiens sur l'6tat . . . Lond.
1757, verb. 1759 (gegen die Ewigkeit der Höllenstrafen), — Let-
tres sur la religion essentielle k Thomme distinguee de ce qai n'est
que TaccessoirC; Amst. 1738, verb. 1742, gleichzeitig auch die Ge-
genschrift des Genfer Predigers Frantj. de Roches, Defense du
ohristianisme, ou pr^servatif contre un ouvrage intitule Lettres . . .,
Lausanne 1740, 2 voL, und 1745 (in Sp. 1789) eine zweite Gegen-
schrift: Lettres sur les vrais principes de la religion, oü Ton
examine un livre intit. Lettres . . ., 1741, 2 vol. 12., von David
Eenaud Bouillier, Prediger in Amsterdam, später in London.
3. Der Name Montesquieu ( 1 689 — 1 755) kommt im Index nicht vor,
da er nur. anonyme Schriften herausgegeben ^). Die 1761 verbotenen
1) Das Folgende nach dem Aufsatze über Montesquieu im Corre-
spondant 1877, vol. 106 und 107.
Mouiesquieu u. a. 869
Letires persannes waren schon 1721 zu Cologne (in Holland) ge-
druckt, und wenigstens 4 Ausgaben und 4 Nachdrucke erschienen.
Card. Dubois verbot das Buch wegen Angriffe auf die Religion und
die Sittlichkeit. Als Mont. 1727 Mitglied der Akademie werden
wollte, überreichte er dem Card. Fleury ein durch Cartons expur-
girtes Exemplar; der Cardinal merkte die Geschichte, gab sich aber
zufrieden. Im folgenden Jahre war Mont. in Rom und wurde von
Benedict XIII. wiederholt freundlich empfangen^). — Ausser den
Lettres pers. steht von Mont. im Index nur noch L'esprit des
loix, ou du rapport que les loix doivent avoir avec la Constitution
de chaque gouvemement, les moeurs, le climat, la religion, le com-
merce, verb. 1752 (in Sp. 1756), gleichzeitig mit der Uebersetzung:
Lo spirito delle leggi . . ., con alcune note dei traduttori, Napoli
1750, con licenza dei superiori (vielleicht von Ant. Genovesi be-
sorgt; wenigstens erschien 1774 zu Neapel: Lo Spirito delle leggi
con le note dell' Abate Ant. Genovesi). Das Buch wurde in Genf
unter der Leitung des protestantischen Predigers Jacques Vernet ge-
druckt. D'Argenson, Directeur de la librairie fran^aise, wurde ge-
beten, stillschweigend den Verkauf des Buches in Frankreich zu ge-
statten; es wurde aber zuvor die Abänderung von 14 Stellen ver-
langt und ausgeführt, und als nun das Buch im Jan. 1749 (s. 1.
1749, 2 vol. 4.) erschien, wurde es provisorisch verboten und erst
freigegeben, nachdem Lamoignon de Malesherbes im Dec. 1750 Di-
recteur de la librairie geworden. — Die M6m. de Trev. tadelten
im Apr. 1749, dass das Buch ne menage pas assez la religion. Viel
schärfer wurde es seit dem Oct. in den N. E. (1749, 161; 1750,
65; 1756, 36) angegriffen, wahrscheinlich von J. B. Gaultier, der
auch Les Lettres persannes convaincues d'impiete schrieb (N. E.
1752, 47) und das Buch auch in Rom denuncirt haben soll. Mont.
gab eine Defense de l'Esprit des loix, Genf (Paris) 1750, heraus
(die Suite de la Defense . . . 1751, ist von La Beaumelle). Als der
Erzbischof Languet von Sens, von der Assemblee du Clerg6 von
1750 beauftragt wurde, über ein Buch gegen die kirchliche Im-
munität zu berichten, beantragte er, auch das Buch von Mont. zu
prüfen; die Assemblee ging jedoch darauf nicht ein. Die Sorbonne
aber ernannte 1. Aug. 1750 12 Examinatoren, welche eine Censur
entwarfen. Mont. überreichte einige Memoires, in denen er einge-
stand, er habe sich vielleicht ungenau ausgedrückt, und sich zu Be-
richtigungen erbot. Die Sorbonne beauftragte darauf zwei Theologen,
mit ihm zu correspondiren, und da sich auch der Erzbischof Beau-
mont von Paris für ihn verwendete, wurde die Censur nicht publicirt.
1) In der Abschiedsaudienz gab der Papst Mont., natürlich ohne
von diesem gebeten zu sein, als Zeichen seines besondern Wohlwollens
eine Dispense von der Abstinenz. Als am andern Tage ein Beamter der
Curie Mont. ein Document darüber brachte (und die Gebühren dafür ein-
cassiren wollte), wies es Mont. mit der Bemerkung zurück, er habe den
Papst als einen Ehrenmann kennen gelernt, dessen Wort ihm genüge.
Corr. 106, 889.
870 Irreligiöse Schriften.
Die Index-Congr. beauftragte Msgr. Bottari mit der Prüfung
des Buches. Der französische Gesandte Duc de Nivemais wandte
sich an Card. Passionei und verschaffte sich, von diesem empfohlen,
von Bottari dessen Bericht, um ihn Mont. zu schicken. Mont. schrieb
darauf 2. Juni 1750 an Card. Passionei: er freue sich, dass die
gegen ihn gerichteten Angriffe ihm die Protection Seiner Eminenz
verschafft; der Gesandte habe ihm mitgetheilt, wie viel er dem Car-
dinal zu verdanken habe; er schicke einige Bemerkungen zu dem
Berichte Bottari's, mit dem er fast überall einverstanden sei; er
wünsche sehr, dass man in Eom mit ihm zufrieden sein möge. Die-
sem Briefe war folgende Note beigelegt, die der Cardinal der In-
dex-Congr. vorlegen sollte: Der Verfasser des Esprit hat ein rein
politisches Buch geschrieben und Beifall damit gefunden, wie die 22
Auflagen bezeugen. Einige haben darin religionsgefährliche Grund-
sätze gefunden ; er hat aber gar nicht von Keligion handeln wollen.
Er hat eine Schrift ausgearbeitet, worin er sich verth eidigt und
zeigt, dass man ihn missverstanden oder missdeutet hat; diese ist
eben erschienen und wird hoffentlich alle Bedenken zerstreuen. In
einer neuen Ausgabe wird er aber die beanstandeten Stellen unter-
drücken oder erläutern. Er ho£Pt, die Index-Congr. werde die Ver-
theidigung berücksichtigen und die neue Auflage abwarten und be-
denken, dass es sich nicht um ein theologisches, sondern um ein
politisches Werk handelt. Der Verfasser ist um seiner Geburt und
amtlichen Stellung willen der Kücksichtnahme werth; er hat sich
in Italien und Eom allgemeine Achtung erworben.
Dieser Brief war 28. Aug. noch nicht in Eom angekommen,
als der Secretär der Index-Congr. erklärte, die Sache lasse sich nicht
mehr aufschieben. Passionei schrieb nun an Bottari: Ich hoffe, Sie
werden morgen die Papiere erhalten, die Sie für den am Montag ab-
zustattenden Bericht bedürfen. Sie werden sehen, ob sich die Con-
gregation zufrieden geben kann. Der Verfasser ist, wie Sie wissen,
bereit, alles zu corrigiren. Es scheint mir billig, einen Schriftsteller
anzuhören, ehe man über einige eigenthümliche Ideen ein ürtheil
fällt. Auf Bottari's Antrag beschloss die Congregation Anfangs
Sept. mit Stimmenmehrheit, das Urtheil zu verschieben, ohne Zweifel
bis zum Erscheinen einer neuen Ausgabe. P. Concina las bei dieser
Gelegenheit eine Stelle aus einem seiner Bücher vor, an der er gegen
eine in dem Esprit vorkommende nicht sehr respectvoUe Aeusserung
über die Inquisition polemisirt. — Im Nov. 1750 schrieb Mont. an
Nivernais: wenn die früheren Ausgaben seines Buches Ketzereien
enthielten, könnten die in einer spätem Ausgabe gegebenen Erklä-
rungen die Verdammung jener nicht hindern; da es sich aber nur
um einige miss verständliche Ausdrücke handle, so müsse eine Mo-
dification oder Erläuterung in einer spätem Ausgabe und in einer
Apologie genügen, um das Buch überhaupt vor einem Verbote zu
schützen. Danach scheint Mont. die Mittheilung erhalten zu haben,
dass man das Buch verbieten, aber gleichzeitig eine corrigirte Aus-
gabe freigeben wolle. In einer Sitzung im Dec. 1750 sprach sich
denn auch die Mehrheit für das Verbot der älteren Auflagen and
Voltaire. Sil
der mittlerweile erschienenen Uebersetzung aus; die Minderheit
machte dagegen geltend, dass weder die Assemblöe du clerg^ noch
die Sorbonne das Buch verboten habe. Auch der Präfect, Card.
Querini, war mit den von Mont. gegebenen Erklärungen zufrieden.
Auf die Bitte des Gesandten verbot der Papst der Congregation,
einen Beschluss zu fassen. Im April 1751 schrieb Nivernais an
Mont., Msgr. Bottari sei durch Aimaldi, Secretär der lateinischen
Breven, ersetzt (letzterm die Abfassung eines zweiten Gutachten
aufgetragen?) worden; dieser sei sein Freund und habe sich früher
günstig über das Buch ausgesprochen, werde aber nicht gern als
tolerant erscheinen wollen ; er habe nur versprochen, die Sache nicht
zu beeilen. Er verzögerte denn auch seinen Bericht; da aber die
neue Ausgabe des Esprit keine wesentlichen Aenderungen enthielt,
so wurden 3. März 1752 L'esprit des loix, Genöve 1749, und die
italienische Uebersetzung verboten.
Im Correspondant 107, 654 heisst es: ,» Das Beeret wurde ge-
wissermassen geheim gehalten ; kein Zeitgenosse spricht davon, und
derjenige, der das 18. Jahrhundert am besten kannte [Yillemain],
leugnete noch 1857 seine Existenz.** Das Verbot steht in einer
Appendix ad Indicem 1. pr. a m. Sept. 1750 usque ad totum m.
Martii 1752 und in allen seit Ben. erschienenen Indices, freilich
nicht unter Montesquieu, sondern unter Esprit. — 1789 erschien
nach dem Corresp. p. 819 eine Edition revue, corrigee (assez chr6-
tiennement) et considerablement augmentee par Fauteur (d'apres les
papiers trouves ä sa mort)^).
4. Erst 1752 wurden Voltaire's Lettres philosophiques,
1734, in Rom verb., vorher nur 1751 die anonyme Voix du sage
(S. 791). Unter Benedict XIV. kamen femer noch 1753—57 in
den Index: Oeuvres, Dresde 1748; Hist. des croisades, 1753; Ab-
rege de Thist. universelle depuis Charlemagne jusqu'ä Charles V.,
1753, und Essai sur Thistoire universelle, 1754, von den zahlreichen
anonymen und Pseudonymen Schriften nur La Pucelle d'Orleans,
verb. 1757.
Voltaire übersandte Benedict XIV. 1745 seinen Mahomet,
dessen Aufführung in Paris 1742 verboten worden, mit folgendem
Briefe: „Ew. Heiligkeit werden die Freiheit verzeihen, die sich
einer der geringsten, aber einer der grössten Bewunderer der Tugend
nimmt, dem Oberhaupte der wahren Religion eine Schrift gegen
den Stifter einer falschen und barbarischen Religion zu widmen. An
wen könnte ich passender die Satire auf die Grausamkeit und
die Irrthümer eines falschen Propheten richten als an den Stellver-
treter und Nachahmer eines Gottes des Friedens und der Wahrheit?
1) Ueber seine Bekehrung auf dem Sterbebette durch den Jesuiten
Routh 8. Picot 4, 261. Theotimus Eupistinus p. 63. — In Spanien wurden
die Lettres persanneg 1797 verb., aber schon 1781 die Considerations sur
. . . la grandeur des RomaiiiB und eine span. Uebersetzung von 1776. In
Wien wurde L'esprit 1750 verb., 1753 freigegeben. Sitzungaber. der W.
Akad. Ph.-hi8t. Cl. 84, 412.
672 Irreligiöse Sohriften.
Gestatten E. H., dass ich Ihnen das Buch und den Verfasser za
Füssen lege. Ich wage es um Ihren Schatz für jenes nnd um
Ihren Segen für diesen zu hitten. Mit den Gefühlen einer tiefen
Verehrung falle ich nieder und küsse Ihre heiligen Füsse." Der Papst
antwortete (italienisch) 19. Sept. 1745: „Dilecte fili, Salutem et
apostolicam henedictionem. Vor Wochen wurde Uns in Ihrem Auf-
trag die schöne Tragödie Mahomet überreicht, die Wir mit dem
grössten Vergnügen gelesen haben. Dann überreichte uns in Ihrem
Namen Card. Passionei Ihr ausgezeichnetes Gedicht über Fontenoy.
Mgr. Leprotti gab Uns darauf das Distichon, welches Sie zu Unserm
Porträt gemacht^). Gestern morgen gab Uns Card. Valenti Ihren
Brief vom 17. August. . . . Wir sprechen Ihnen den schuldigen
Dank aus für Ihre Güte gegen Uns und versichern Ihnen, dass Wir
alle gebührende Achtung haben vor Ihrem mit so vielem Beifall
belohnten Verdienst." Der Papst erzählt dann, jemand habe es geta-
delt, dass in dem Distichon hie als kurze Silbe gebraucht sei; er habe
ihm aber, obschon er seit 30 Jahren den Virgil nicht gelesen, einen
Vers desselben citirt, in dem hie kurz, einen, in dem es lang sei.
Voltaire antwortete: „Die Züge Ew. H. sind auf den Medaillen,
mit denen Sie mich beschenkt, nicht besser ausgedrückt, als die
Züge Ihres Geistes und Charakters in dem Briefe, mit dem Sie
mich beehrt haben. Ich lege Ihnen meinen demüthigsten Dank zu
Füssen. Ich muss Ihre Unfehlbarkeit in literarischen Entscheidungen
[in der über die Quantität von hie] wie in den anderen ernsteren
Dingen (les autres choses plus respectables) anerkennen" u. s. w.
(Oeuvres, Par. 1830, 5, 10). — Das päpstliche Schreiben an einen
Schriftsteller, dessen Lettres philosophiques schon 1734 auf Befehl
des Parlamentes verbrannt worden (Picot 2, 124), erregte doch nicht
bloss bei den Herausgebern der N. E. (1746, 3. 61) Aufsehen. Vol-
taire aber pochte darauf, als er sich 1746 um einen Sitz in der
Akademie bewarb (Desnoiresterres 3,47). „Dass der Dichter, sagt
Strauss, Voltaire S. 53, ein solches Stück, dessen Zielpunkte (Hass
gegen Fanatismus oder die positive Religion) keineswegs bloss in
der Türkei lagen, dem Papste widmete, ist ebenso bezeichnend für
Voltaire, wie es für die Zeit bezeichnend ist, dass es damals einen
Papst gab, — le bonhomme Lambertini, wie er dafür bei Voltaire
hiess, — der für die Widmung in einem heitern Schreiben sich be-
dankte".
Dem Card. Querini schickte Voltaire 1745 mit einem devoten
Briefe sein Gedicht über die Schlacht von Fontenoy. Querini, der
für solche Höflichkeiten sehr empfänglich war, antwortete nicht nur,
sondern Hess auch eine Uebersetzung des Gedichts in lateinischen
1) Lambertinus bic est, Romae decus et pater orbis,
Qui mundum docuit scriptis, virtutibus omat.
In einem Briefe vom 10. Aug. 1745 schreibt Voltaire: Je viens de
rccevoir le portrait du plus joufflu (pausbackig) Saint Pere qua nous
ayons eu depuis longtemps. II a Pair d*un bon diable et d'un komme qui
sait k peu pres ce que tout cela vaut.
Marquis d'Argens. Les moeurs. 873
Hexametern dracken and widmete diese den Jesniten, welche die
Memoires de Treyonx heransgaben, zum Danke für die günstige Be-
sprechung seiner Ausgabe der Briefe des Card. Keginald Polns; inr
dem Briefe, mit welchem er sie ihnen tibersandte, heisst Voltaire
eximins vates, praestantissimus, ja divinns poeta. Qnerini nahm
diese Sachen noch 1756 in seine Epistolae anf (p. 247. 276. 376).
Der Jesuit F. Sanvitali berichtet in seiner Fortsetzung der Commen-
tarii de rebus pertinentibus ad Card. Quirinum, Brescia 1761, 11^
120: Voltaire habe 1752 dem Cardinal ein Gedicht geschickt; von
den Freunden, denen er es zu lesen gegeben, hätten einige es fär
ironisch, andere sogar für gottlos gehalten; der Cardinal aber, qui
in extemo cortice minime haerebat, sed de Voltairii animo ex pri-
vatis ipsius epistolis, quas non paucas acceperat, judicabat, sei
anderer Meinung gewesen und habe das Gedicht sammt einigen
Briefen, quae de recta ac sincera ejus fide et de ejusdem sensibus
catholico homine dignis oertum testimonium omnibus facerent, zu
Brescia drucken lassen, desgleichen eine Elegie, welche auf seine
Veranlassung der Jesuit Joseph Mari unter dem Namen Brixianue
Philopater Voltaire gewidmet. — Mahomet und sechs andere Tra-
gödien gab 1752 der Jesuit A. M. Ambrogi in italienischer Ueber-
setzung heraus.
5. Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d'Argens, 1704 — 1771
(A. D. B. 1, 521. Picot 2, 182), steht im Index als J. B. de Boyer
nur mit La philosophie du hon sens, ou rMexions philos. sur
rincertitude des connaissances humaines, Haye 1746, 3 vol., verb,
1753 (in 8p. 1756). Schon 1742 (in Sp. 1760) wurden von ihm
verb.: Lettres juives, 1736, 8 vol. (nochmals die Ausgabe von
1738 verb. 1744), Lettres cabalistiques, 1737, 7 vol., und Let-
tres chinoises, 1739, 5 vol., — dann 1757 (in Sp. 1760) noch
M6moires secrets de la r^publique des lettres, ou le th^atre de
lav^rit^, parl'auteur des Lettres juives, 1737, 4 vol. (1744, 7 vol.).
Die Oeuvres du marquis d'Argens 1768, 24 vol., stehen nicht im
Index. — Noch unter Benedict XIV. wurde 1757 verb.: Les
moeurs. Respicere exemplar vitae morumque. Hör., Amst. (Paris)
1748, 431 S. 8. Der Verfasser ist nicht Diderot, sondern der
mit diesem liirte Advocat Franyois- Vincent Toussaint (er nennt
sich in dem Buche Panage), gest. zu Berlin 1772. Das Buch wurde
schon 1 748 auf Befehl des Parlaments verbrannt. Toussaint schrieb
Eclaircissement sur les moeurs, 1762, worin er gegen den Vorwurf
des Deismus protestirt, seine Anhänglichkeit an die Religion be-
theuert, deren Pflichten er erfülle und in der er seine Kinder
erziehe, und einiges widerruft^).
Aus dem 1. und dem 4. Bande von Buffons Histoire naturelle
wollte die Sorbonne 1750 14 Sätze censuriren; Buifon kam der
1) Picot 2, 215; 4, 857. Rocquain p. 124. Baumg. 2, 545. Lettre
de M. Toussaint, auteur du livre des Moeurs, destinee ä faire voir qu'un
autre n'est pas lui, Leyde 1750. ü. N. 1752, 567.
874 Irreligiöse Schriften.
CeDsurirung durch eine Erklärung. vom 12. März 1751 zuvor, welche
die Sorbonne zufriedenstellte und an der Spitze des 7. Bandes ab*
gedruckt wurde (Picot 2, 236). 1779 wollte die Sorbonne die 1775
erschienenen Epoques de la nature censuriren; Buffon beschwichtigte
sie aber nochmals durch eine Erklärung vom 18. Mai 1780 (Picot
3, 4; Buffon sagt: Ich habe der Sorbonne ohne Bedenken alle Er-
klärungen gegeben, die sie verlangte; wer anders handelt, ist ein
Narr. Correspondant 107, 648). Die Indez-Congregation und die
span. Inq. nahmen von Buffon keine Notiz, ebensowenig von La-
marck, Telliamed (de Maillet, Picot 2, 217) u. a., auch nicht von
dem deistisclien Buche Les princesses Malabares ou le c6libat phi-
loBophique, angeblich von Pierre de Longue, welches 1734 vom
Parlamente verb. wurde (Picot 2, 133) und wogegen Mosheim eine
eigene Dissertation schrieb (Diss. ad bist. eccl. 2, 659).
Auch ein Italiener ist hier zu erwähnen: Francesco Algarotti,
geb. 1712 zu Florenz, seit 1739 eine Reihe von Jahren am Hofe
Friedrichs des Grossen, von diesem 1740 in den Grrafenstand erho-
ben, — die Markgräfin von Bayreuth nennt ihn einen der ersten
Schöngeister des Jahrhunderts, — zuletzt wieder in Italien, f 1764
zu Pisa (A. D. B. 1, 340). Ein von ihm schon 1736 zu Paris ver-
fasstes Buch, Le Newtonisme pour les dames, erschien auch in ita-
lienischer Uebersetzung : II Newtonianismo per le dame, ovvero
dialogi sopra la luce e i colori, Neapel 1737, und wurde 1739 verb.
Lange nach dem Verbote, 17. Dec. 1754, schreibt Ganganelli (Reu-
mont S. 162) an ihn: „Was kann ein unbedeutender Philosoph, ein
Zögling des Scotus, besseres thuen als sich die Lehren eines Schrift-
stellers zu nutze machen, der den Newton den Damen bekannt ge-
macht hat? Eine besonders anziehende Philosophie muss die Ihrige
sein, der Sie einen so sanften und liebenswürdigen Charakter haben.
Doch bei so vielen treftiichen Eigenschaften möchte ich, Sie wären
etwas weniger Newtonianer und etwas mehr Christ" — Nicht im
Index steht Alberto Radicati, Conte di Passerano, der während des
Streites des Königs Victor Amadeus II. von Savoyen mit der Curie
für jenen Streitschriften schrieb, nachdem König und Papst sich ver-
tragen, an die Inquisition ausgeliefert werden sollte und von. dieser
in absentia zum Tode verdammt wurde, nach England floh, sich mit
CoUins und Tindal befreundete und u. a. ein Recueil de pieces ou-
rieuses sur les mati^res les plus interessantes, Rot 1736, schrieb
(Cantü 3, 422).
J. C. Dippel, J. Chr. Edelmann und andere deutsche Freidenker
stehen nicht im Index.
7. Jean-Martin de Prades, Priester der Diöcese Montauban,
Baccalaureus der Sorbonne, vertheidigte seine These 18. Nov. 1751,
um Licentiat zu werden. Sie war mit den nöthigen Approbationen
gedruckt: Hierusalem coelesti. Quaestio theologica: Quis est ille,
cujus in faciem Dens inspiravit spiraculum vitae? [Thise soutenue
en Sorbonne . . par M. J.-M. de Prades, Pretre . . . Amst. 1752.
91 S. 8.]. Nach einigen Tagen wurde sie aber von dem Dr. Le Rouge
der Facultät denuncirt und von dieser 15. Dec. für condamnable
J. M. de Prades. 875
erklärt und die Promotion suspendirt. De Prades gab 22. Dec.
eine Erklärung ab, er habe geirrt u. s. w. Die Verhandlungen
über die These wurden aber fortgesetzt: die von der Facultät er-
nannte Commission beantragte 3. Jan. 1752 die Censurirung von 10
Sätzen ; darüber wurde in 11 Sitzungen von 146 Doctoren gesprochen;
27 Jan. stimmten 105 für die Censurirung der Sätze, 83 für die
Ausschliessung de Prades' von dem Licentiat. Am 29. Jan. erliess der
Erzbischof de Beaumont von Paris ein Mandement gegen die These,
dann aucb die Bischöfe von Montauban jind Auxerre, und unter dem 22.
März 1752 erliess Benedict XIV. ein Breve (Bull, o, 273), worin
Folium quamplurimas continens theses, quas in Sorbona defendendas
proposuit J. M. de Prades, in den üblichen Formen verdammt wird
als resp. falsche, . . . gottlose, der Ketzerei nahekommende, ketze-
rische und die Irrthümer der Deisten und Materialisten begünstigende
Sätze enthaltend. — Die in Paris censurirten Sätze betreffen das
Wefien der Seele, den Begriff von Gut und Böse, den Ursprung der
Gesellschaft, die Offenbarung; besondern Anstoss erregte die Zu-
sammenstellung der Wunder Christi mit denen des Aesculap. Man
sagte, Diderot, dem de Prades einen Artikel für die Encyclopedie
geliefert, habe die These redigirt; wahrscheinlich hat der Ahhi
unter seinem Einfluss die anstössigen Sätze aufgenommen.
De Prades ging nach Holland und wurde im Sommer 1752
auf Voltaire's Empfehlung La Mettrie's Nachfolger als Vorleser
Friedrichs des Grossen. In Amsterdam erschien 1752 eine Apologie
de M. Tabbe de Prades in 3 Theilen, der 3. angeblich von Diderot^).
Die Gegenschriften wurden zusammen gedruckt in La religion veng^e
des impi^t^s de la Th^se et de TApologie de Tabb^ de Prades, ou
recueil de 9 ecrits contre ces deux pieces, Montauban (Holland) 1764,
500 S. 12. (N. E. 1754, 49). — Friedrich IL schlug de Prades
1753 zum Domdecan in Breslau vor. Der Fürstbischof Schaffgotsch
schrieb darüber an Benedict XIV. Dieser beauftragte den Card.
Tencin als Procurator der Sorbonne, diese darüber zu vernehmen,
und diese empfahl, nachdem de Prades sich ihrer Censur unter-
worfen, ihn der Milde des Papstes, falls er förmlich retractire. De
Prades unterzeichnete im J. 1754 eine ihm von Kom aus über-
sandte Retractation und wurde wirklich Domdecan, t 1782 2).
1) Auch Abbe Claude Yvon (s. u.) wurde ala Verfasser oder Mit-
arbeiter der These und der Apologie bezeichnet, lieber de Prades s.
Picot 2, 244. Rocquain p. 149. N. E. 1751, 208; 1752, 33. Trinius
S. 396.
2) Pieces nouvelles et curieuses sur l'affaire de Pabbe de Prades,
Par. 1754, 32 S. 12. Theiner, Zustände der kath. Kiche in Schlesien, 1862,
2, 134. M. Lehmann, Preussen und die kath. Kirche 8, 460. 682. Theiner
bezeichnet de Prades als „geheimen Verbündeten der Jansenisten und der
mit ihnen verbündeten Philosophen", obschon die N. E., das Organ der
., Jansenisten/' ihn aufs schärfste bekämpften.
876
Berichtigangeii nod Nachträge.
S. 29, Note 1. Vorher veröffentlichte James A Manuduction
or Introdnction nnto Divinitie: containing a Confatation of Papists
by Papists, throughont the important Articles of our Keligion; their
testimonies taken either out of the Indices Expurgatorii, or out of
the Fathers and ancient Eecords, bat especially the Mannscript, Ox-
ford 1625, 144 S. 4. MendhaiÄ, Add. Suppl. p. 4.
S. 109, Z. 8 V. n. lies: wnrde 1742 verb., steht aber erst
seit Ben. im Index.
S. 128, Z. 18 Y. u. Ein ähnliches Buch, nach Eypseler n. a.
bearbeitet, L'^tat et les dSlices de la Suisse, ou description Helve-
tique historiqne et g^ogr. . . ., Amst. 1730, wurde 1765 verb.
S. 148, Z. 7 V. n. Bern, a Bononia, Biblioth. scriptomm Capuc,
Ven. 1747, verzeichnet unter Anonymus sextus Italus: Librorum
hebraicorum liber expnrgatorius, in quo supra 480 Hebraeorum libri
ab erroribuB et imprecationibus contra Christianos expurgantur, Man-
tuae 1696, als handschriftlich in der Yaticanischen und Barberi-
nischen Bibliothek befindlich.
S. 149, Z. 8 V. u. Vir tu delU 150 salmi di David, con
l'espositione di molti santi padri, verb. 1684.
S. 170 Z. 6. V. 0. beizufügen: J. Th. Sprenger, Erotemata.
S. 176, Z. 3 V. u. Als Montaigne 1580 nach Bom kam, wurden
ihm, wie er in dem Journal de voyage, 1775, I, 217; 11, 27. 59
erzählt, die Bücher, die er bei sich hatte, zum Zwecke der Revision
weggenommen, darunter auch die eben zu Bordeaux erschienenen
zwei ersten Bücher der Essais. Diese wurden ihm nach einigen
Wochen von dem Mag. S. Pal. zurückgegeben mit der Expurgation
eines französischen Mönches, den der Mag. S. Pal., selbst des Franzö-
sischen unkundig, mit der Revision beauftragt hatte. Der Mag. S.
Pal. sagte ihm aber später, er möge diese Censur, die, wie ihm
andere Franzosen gesagt, mehrere Dummheiten enthalte, nicht beachten
und nur bei einer neuen Auflage streichen, was er selbst trop licen-
tieux finde, namentlich das Wort fortune.
S. 236, Z. 17 V. u. lieber die Anträge auf Dogmatisirung
der Himmelfahrt Mariae s. Martin, Omnium Conc. Vat. docum. coli,
p. 106. Friedrich, Vat. Concil 2, 221.
S. 283, Z. 9. Schon in einem Briefe aus Rom von 1647 bei
Sommervogel p. 528 wird Scotti als Verfasser der Monarchia Soli-
psorum bezeichnet.
S. 334, Z. 3 beizufügen: Augustae 1620, 34 S. 4. Mendham,
Suppl. p. 27.
S. 415 Z. 1 V. u. The Lives of the Saints collected from
authentick records of church history, with a füll account of the
other festivals throughont the year, London 1729, 4 voL 4., ist
nach S. Halkett and J. Laing, Dictionary, von Richard Challoner
(S. 864), vielleicht eine Bearbeitung von A. Baillets Werk (S. 552).
■Üii
6 9 9-
j
i IS .
Stanford University Library
Stanford, California
In Order that othert mmj mam tUi book, plesM
retnm it at toon at poMÜile, Init not later dun
dM date dne.
(Bf
^*
'
^^^^^^^^1